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Er hat gerade sein Leben ruiniert, sie will sich eine neue Existenz aufbauen, da kreuzen sich – Zufall oder Schicksal – ihre Wege. Ein fesselndes Kammerspiel über eine Geiselnahme, bei dem es jeden Augenblick um nicht weniger als Leben und Tod geht. Das psychologisch tiefgehende Stück von Heiko Buhr basiert auf einem wahren Fall. Wie die Figuren April und Bobby mit ihrem inneren Druck umgehen, wie sie auf der Suche nach der rettenden Hintertür einander umkreisen und sich dabei immer näherkommen, ist faszinierend und berührend zugleich.
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Seitenzahl: 79
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Heiko Buhr
SEELENTAUCHER
nach einer wahren Begebenheit
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1 D | 3 H
Personen
Bobby Norman
Anwältin // April Miller
GerichtschreiberWilbur McDonnell
Richter Donald A. Barnett
Statisten
Stimmen
Lorraine Tanner
Jocelyn Miller
Nachrichtensprecher*
*Das Radio, durch welches der Nachrichtensprecher zu hören ist, steht im Wohnzimmer von April Millers Wohnung. Entsprechend ist zu hören, wie sie im Hintergrund Sachen auspackt und einräumt. Dieses ist, je nachdem, wo sie gerade tätig ist, also etwa Küche, Kinderzimmer, Bad oder Wohnzimmer, mal näher, mal entfernter zu hören.
Anmerkung des Autors
Die große Schuld des Menschen ist,
dass er in jedem Augenblick
die Umkehr tun kann
und nicht tut.
1
Auf einer Straße in Jackson, Mississippi. Montagnachmittag, 4. April 2005, gegen 19 Uhr.Bobby Norman wirft Münzen in einen Fernsprechautomaten. Er wählt mit zittriger Hand eine Nummer. Es klingelt und klingelt, aber es wird zunächst nicht abgenommen. Als er schon auflegen will, geht endlich jemand am anderen Ende ans Telefon. Man hört aus dem Off am Telefon die Stimme von Lorraine Tanner.
LorraineJa?
BobbyLorraine?
LorraineBobby? Bist du es also tatsächlich.
Lähmendes Schweigen.
LorraineWas willst du?
BobbyWir müssen miteinander reden.
LorraineMüssen wir das?
Bobby
Ja.
Bewegtes Schweigen.
LorraineDu hast wirklich Nerven.
BobbyBitte, Lorraine.
LorraineWas denkst du denn? Dass du hier einfach mal ebenso anrufen kannst und einfach nur so tun musst, als wäre nichts gewesen. Und dann ist alles wieder gut.
Sie gibt ein heftiges Schnauben von sich.
LorraineSo läuft es aber nicht, Mr. Bobby Arschloch Norman, du unschuldigstes aller unschuldigen Lämmer auf Gottes geheiligter Erde.
BobbyMach das nicht mit mir, Lorraine.
LorraineWas soll ich nicht mit dir machen, Bobby Norman?
BobbyGenau das.
Sehr intensives Schweigen.
BobbyIch will überhaupt nicht so tun, als wäre nichts gewesen, Lorraine. Ich weiß verdammt noch mal, was ich gemacht habe. Ziemlich genau sogar.
Emotionales Schweigen.
BobbyEs tut mir alles so leid, das musst du mir glauben. Deshalb will ich mit dir reden.
LorraineSo, es tut dem kleinen Bobby also alles sehr leid. Klasse. Und jetzt will er wieder ein liebes Kind sein und mit seiner Lorraine kuscheln. Du kannst mich mal – und deshalb will ich nicht mit dir reden, Du Mistkerl.
BobbyBitte, gib mir eine Chance.
LorraineEine Chance? Ich glaub’s einfach nicht. Du bist wirklich das Allerletzte.
Hochemotionales Schweigen.
LorraineHör mir genau zu, Bobby. Erst lässt du mich – wie lange ist das jetzt her? Acht Wochen?
Bobby
Ich habe dich nicht …
LorraineNein, neun Wochen. Ja, es war ziemlich genau vor neun Wochen, du mieser Schuft.
BobbyEs war ein Fehler, ich weiß. Eine Riesendummheit. Aber ich werd es wieder gutmachen. Ich verspreche es dir. Ehrlich. Ich schwör’s, wenn du willst.
LorraineEine Riesendummheit? Mach dich nicht lächerlicher, als du es schon bist. Auf so eine reinzufallen. Ist dir nichts Besseres über den Weg gelaufen oder hat sich keine andere für dich interessiert?
BobbyLorraine …
LorraineIst nur so eine Frage, denn wenn sich wirklich keine andere für dich interessiert hat, muss ich mir wohl vorwerfen, warum ich mich mit dir eingelassen habe. Da stehe ich dann wohl echt dumm da, oder?
BobbyDas ist nicht fair.
LorraineNicht fair? Du hast mich wegen diesem Dreckstück von Vorstadtschlampe einfach sitzen lassen, schon vergessen? Willst Du vielleicht wissen, wie das ist, wenn man zu Hause auf seinem Allerwertesten hockt und Stunde um Stunde auf jemanden wie dich wartet? Na, Bobby, willst du das?
BobbyIch weiß doch auch nicht, was mich da geritten hat.
LorraineWas dich da geritten hat? Ich kann dir da sagen, was dich da geritten hat. Oder besser: wer.
BobbyIch hab Mist gebaut, ich weiß.
LorraineSo, ist dir das also auch schon aufgefallen.
BobbyEs ist aus.
LorraineAha – und jetzt glaubst du kleine Ratte also, bei mir wieder ankommen zu können. Oh nein, Bobby. Fehlanzeige. Ich will nichts mehr von dir wissen, noch irgendetwas mit dir zu tun haben. Damit das ganz klar ist: Du bist nicht mehr Teil meines Lebens. Nach drei Jahren einfach so eine Scheiße mit mir abzuziehen. Ich könnte dich umbringen.
BobbyIch werde alles tun, was du sagst, Lorraine. Wirklich alles. Und wenn ich blind durch die Welt laufen soll, damit ich keine andere mehr ansehen kann, dann mach ich das.
LorraineIch hör mir Deine Versprechen nicht länger an.
Unentschlossenes Schweigen.
BobbyÜbermorgen, da ist dein Geburtstag. Wäre doch eine gute Gelegenheit für einen Neuanfang, oder? Ich hab auch schon ein Geschenk für dich besorgt. Du wirst überrascht sein.
LorraineHat sie dich also vor die Tür gesetzt.
BobbyIch hab sie verlassen, weil ich es ohne dich nicht ausgehalten habe.
LorraineDu lügst.
BobbyDu hast mir gefehlt.
LorraineNa klar – und dein Vater ist der Präsident.
Bobby
2
Ein Vorort von Jackson, Wohnung April Miller. Die Nacht von Freitag auf Samstag, 13. Mai 2005, abends 22.15 Uhr.April sitzt auf einem Sofa in ihrer Wohnung und blickt nachdenklich vor sich hin. Sie sieht müde und erschöpft, aber zugleich zufrieden und glücklich aus. Aus einem Radio erklingt Musik. April steht auf und rückt summend und mitsingend an den Möbeln herum und dekoriert noch etwas um, da klingelt plötzlich ihr Handy. Sie muss es zunächst lokalisieren, dann, nachdem sie es gefunden hat, schaut sie kurz auf das Display und nimmt erfreut das Gespräch an. Es ist die Stimme von Jocelyn Miller aus dem Off zu hören. Indessen dreht April das Radio noch leiser.
JocelynHey, April, ich bin’s.
AprilWer hätte es auch sonst sein sollen, Tantchen?
JocelynIst alles in Ordnung bei dir, mein Schatz?
AprilSchläft Debbie schon?
JocelynIch hoffe, ich störe dich nicht bei etwas Wichtigem?
AprilVielleicht könnte ich sie noch mal kurz sprechen?
JocelynSchau mal auf die Uhr, Kleines.
AprilOh, schon so spät.
JocelynWas machst du denn gerade?
AprilIch stelle nur noch mal ein bisschen um und packe die letzten Kartons aus. Hab gar nicht gewusst, wie viel Zeug wir hatten. Wenn du das alles sehen könntest. Die Möbel sind übrigens schon aufgebaut. Wirklich nett, die Leute von der Spedition. Ein guter Tipp von dir. Danke.
JocelynDu weißt doch, ich helfe dir immer gern, wo ich nur kann.
Ermutigendes Schweigen.
JocelynBrauchst du vielleicht noch etwas?
AprilEs fehlen eigentlich nur noch die Vorhänge an den Fenstern, dann ist alles so gut wie perfekt. Ich denke, da wirst du mir wirklich doch noch mal zur Hand gehen müssen, wenn du mich besuchen kommst. Bis dahin werde ich mir irgendwie anders helfen müssen. Es sei denn, ich finde hier einen netten Nachbarn, der einer jungen Mutter gern einen Gefallen tun möchte.
JocelynGeht es dir wirklich gut, mein Liebling?
AprilAuch für das Aufhängen der Bilder werde ich dich brauchen. Das geht besser, wenn jemand schaut, ob es auch passt und gut aussieht.
JocelynApril?
Melancholisches Schweigen.
AprilDu musst mir versprechen, mich mit Debbie auch unter der Woche möglichst oft zu besuchen. Sie nur am Wochenende zu sehen, das halte ich bestimmt nicht aus. Willst du das tun?
JocelynNatürlich, mein Schatz.
AprilEs ist ja nicht mehr so lange, bis sie in die Schule kommt. Dann habe ich hier bestimmt schon Fuß gefasst und sie kann ganz zu mir ziehen.
JocelynDu hörst dich irgendwie traurig an. Und nach allem, was du durchgemacht hast, ist es auch nicht verwunderlich, dass du niedergeschlagen bist. Ich kann dich da nur allzu gut verstehen, wie du weißt.
AprilIch bin jetzt hier und seit heute Morgen mit dem Einzug in meine neue Wohnung beschäftigt, Tante Jocelyn. Hier beginnt für mich, Debbie und dich ein vollkommen neues Leben. Fang also bitte nicht schon wieder mit den alten Geschichten an. Ich will das endlich und endgültig hinter mir lassen und nur noch nach vorne schauen. Verstehst Du das denn nicht? Bitte, Tante, lass …
JocelynEs ist nicht leicht für mich, dich noch immer so leiden zu sehen, April. Und schließlich müssen wir beide doch auch ganz besonders an Debbie denken. Sie ist noch so klein. Es fällt ihr sichtlich schwer, diese ganze Aufregung augenblicklich zu verstehen. Und doch platzt sie fast vor Freude. Aber wir müssen es trotzdem langsam angehen. Versprichst Du mir das? Sie muss sich erst an die Veränderungen gewöhnen. Sie braucht Zeit. In Ordnung?
AprilMeinst du, ich weiß nicht, wie schwer es dir fällt, sie allmählich loslassen zu müssen?