Seewölfe Paket 3 - Frederick Burt - E-Book

Seewölfe Paket 3 E-Book

Frederick Burt

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Beschreibung

Mit Baldwin Keymis ist ein besonderes Herzchen auf die "Isabella" gekommen. Der Seewolf weiß, daß er mit dem Friedensrichter noch viel Ärger bekommen wird - und er trifft Vorsorge. Doch Keymis gebärdet sich wie ein Tier, als er in die Kammer von Gwen O'Flynn eindringt. Jetzt kennen die Männer des Seewolfs keine Gnade mehr. Ein Bordgericht verurteilt Keymis zur schlimmsten Strafe, die auf einem Schiff möglich ist: Der Verbrecher soll kielgeholt werden - und das ist gleichbedeutend mit einem langsamen, qualvollen Tod...

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Impressum© 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.ISBN: 978-3-95439-492-0Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Inhalt

Nr. 41

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 42

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 43

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 44

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 45

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 46

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 47

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 48

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 49

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 50

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 51

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Nr. 52

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 53

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 54

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 55

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Nr. 56

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 57

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 58

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 59

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 60

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

1.

Man schrieb den 19. Oktober 1579. Die „Isabella V.“ segelte über Backbordbug bei halbem Wind auf Kurs Ost an der Südküste Hispaniolas entlang. Der Wettergott zeigte sich an diesem Tag von seiner allerbesten Seite. Am tiefblauen Himmel stand die Nachmittagssonne und warf ihre wärmenden Strahlen über das Schiff. Die prall stehenden Segel leuchteten in ihrem Licht, und die Männer hatten es sich zum großen Teil an Deck bequem gemacht.

Der Seewolf ließ seine Blicke über das Schiff wandern. Er gönnte seiner Crew diese Verschnaufpause, schließlich hatten es die vergangenen Stunden in sich gehabt. Die Befreiung der elf Männer aus Falmouth aus dem Kerker Santo Domingos war kein Kinderspiel gewesen. Sollte die Crew sich ausruhen – der Seewolf ahnte, daß ihnen dazu ohnehin nicht viel Zeit bleiben würde. Immerhin hatten sie den Hafen von Santo Domingo mit den schweren, siebzehnpfündigen Culverinen der „Isabella“ regelrecht in Klump geschossen und den Dons wieder eine verheerende Niederlage zugefügt. Das konnte nicht ohne Folgen bleiben.

Hasards Gedanken glitten weiter. Er sah das Mädchen vor sich, das sie ganz überraschend ebenfalls bei den Gefangenen im Kerker gefunden hatten – und unwillkürlich schlug sein Herz etwas schneller.

Gwendolyn Bernice O’Flynn! Die Schwester Dans, dessen Vater sie jetzt ebenfalls an Bord hatten, aufgefischt aus einem treibenden Boot, denn dem alten O’Flynn war es als einzigem gelungen, den Spaniern zu entkommen.

Er sah die Szene wieder vor sich – das fassungslose Gesicht Dan O’Flynns, als er in dem bewußtlosen Mann mit dem Holzbein seinen Vater erkannte.

Der Seewolf straffte sich. Es war eine verrückte Geschichte, dreizehn Engländern aus Falmouth, aus seiner Heimat, hier in der Karibik unter solchen Umständen zu begegnen. Verschleppt und fast schon versklavt von den Spaniern, die Falmouth überfallen hatten.

Und wieder wanderten seine Gedanken zu Gwen. Sie waren gerade noch zur rechten Zeit gekommen, denn Gwen war ein verdammt gut gewachsenes und bildhübsches Mädchen, das diesem Schweinehund von Hafenkommandanten schon längst ins Auge gestochen und ganz bestimmte Wünsche in ihm geweckt hatte.

Bei diesem Gedanken verfinsterten sich seine Züge. Der Teufel sollte jeden Kerl holen, der seine dreckigen Pfoten nach Gwen ausstreckte, ohne daß sie es ihm ausdrücklich erlaubte!

Ben Brighton enterte zum Achterkastell auf und unterbrach die Gedanken des Seewolfs, indem er auf ihn zutrat und vor ihm stehenblieb.

Hasard blickte auf.

„Was gibt es, Ben?“ fragte er seinen Bootsmann, der auf der „Isabella V.“ zugleich die Position eines ersten Offiziers innehatte.

Ben Brighton wies mit einer Kopfbewegung zum Hauptdeck hinunter.

„Es wird Zeit, daß du dich um die Neuen kümmerst. Sie müssen auch offiziell in die Crew eingegliedert werden, wenn es später nicht Schwierigkeiten geben soll. Vielleicht hältst du das für eine überflüssige Formalität, aber glaub mir, ich habe in solchen Dingen einige Erfahrungen gesammelt. Sie müssen wissen, daß sie nicht Gäste an Bord der ‚Isabella‘ sind, sondern wie jeder andere zur Crew gehören.“

Der Seewolf grinste.

„Ich glaube, deine Sorge ist unberechtigt, Ben. Die Männer kennen mich – der alte O’Flynn und Big Old Shane sind seebefahrene Leute. Die fünf Fischer wissen ebenfalls, wie es auf einem Schiff zugeht. Blieben die Handwerker, der Stadtschreiber und Gwen.“

„Über das Mädchen brauchen wir nicht zu reden. Daß sie Gast an Bord der ‚Isabella‘ ist, versteht sich doch von selbst.“

Der Seewolf ließ ein leises Lachen hören.

„Na, Ben, wenn du dich da nicht gründlich irrst. Ich kenne Gwen, die ist nicht dazu geschaffen, einfach so an Bord herumzusitzen, die feine Dame zu spielen und sich von uns bedienen zu lassen – o verdammt, da haben wir die Bescherung ja schon!“

Ben Brighton fuhr herum, und mit ihm auch die Köpfe etlicher Männer aus der Crew, denn Gwendolyn Bernice O’Flynn betrat soeben das Hauptdeck, gefolgt von Dan, und das Bürschchen grinste von einem Ohr bis zum andern. Gwen hatte sich ihrer Frauenkleider entledigt und trug jetzt Männerkleidung. Eine Hose, die wie angegossen paßte, und dazu eine Bluse, genauer gesagt ein Hemd, das ihr wegen seiner attraktiven hellgrünen Farbe nicht nur hervorragend stand, sondern ihre Figur erst richtig zur Geltung brachte.

Der Seewolf starrte das Mädchen an, er konnte einfach nicht anders. Das rotblonde, schulterlange Haar Gwens flog im Wind, als sie jetzt langsam mit Dan zum Vorderkastell hinüberging, auf dem es sich der alte O’Flynn mit Big Old Shane und Ed Carberry bequem gemacht hatte.

Auch die drei Männer starrten das Mädchen an, das da in Männerkleidern auf sie zukam. Sogar Ferris Tucker, der hünenhafte Schiffszimmermann, ließ vor Überraschung fast seine riesige Axt fallen.

Und noch ein Mann starrte dem Mädchen nach, aber das bemerkte in der allgemeinen Aufregung niemand. Er hatte sich von allen anderen abgesondert. Ein dürrer Kerl mit einem Geiergesicht und grauen Augen, die sich beim Anblick Gwens unwillkürlich verengt hatten, einem Ziegenbart und schmalen, nahezu blutleeren Lippen. Seine Hände, die wie Krallen wirkten, umklammerten dabei unwillkürlich einen der Belegnägel der Nagelbank, vor der er stand.

Der alte O’Flynn war aufgesprungen. Trotz seines Holzbeins bewegte er sich dabei absolut sicher. Seine Stirn zog sich unheildrohend zusammen, scharfe Falten erschienen über der Nasenwurzel.

„He, Gwen, bist du total verrückt geworden?“ fauchte er seine Tochter an. „Was soll dieser verdammte Mummenschanz? Sofort ziehst du dir wieder Kleider an, so, wie es sich für ein Mädchen in deinem Alter gehört.“

Dan stellte sich vor seine Schwester und hielt sie mit einer Bewegung seiner Rechten zurück.

„Soll sie vielleicht in Lumpen hier herumspazieren, damit ihr jeder bis in die Eingeweide gucken kann?“

„Dan!“ Die Stimme seiner Schwester wies das Bürschchen unmißverständlich zurecht. Aber Dan war nicht zu bremsen.

„Ach was, wir auf der ‚Isabella‘ sind nicht zimperlich. Wir sagen, wie es ist. Außerdem kannst du dich in deinen Mottensegeln hier an Bord bei Schlechtwetter sowieso nicht bewegen, die erste Bö pustet dich in den Großmars. Deshalb habe ich dir die Hose und das Hemd besorgt. Unser Segelmacher wird dir aus Segeltuch noch eine Jacke nähen, und damit basta. Außerdem wird hier an Bord jede Hand gebraucht, mit dir werden wir da auch keine Ausnahme machen.“

Ed Carberry, der anfangs gegrinst hatte, sprang nun ebenfalls auf. Er trat auf Dan zu.

„He, Freundchen, du könntest dein Maulwerk ruhig ein bißchen mehr bremsen, oder ich ziehe dir die Haut in Streifen von deinem Affenar ...“ Erschrocken hielt er inne. „Ich meine, Miß, hä, ich würde Ihrem Bruder ...“

Dan lachte lauthals.

„Damit du weißt, Gwen, was er mit mir vorhat: Er will mir die Haut in Streifen von meinem Affenarsch abziehen, und nun, nun wird da wohl nichts draus, was?“

Dan lachte wieder, während seine Schwester ihn etwas ratlos und verlegen ansah.

Das war der Moment, in dem der Seewolf sich einschaltete. Er hatte zusammen mit Ben Brighton die Szene vom Achterkastell aus beobachtet, und auch für ihn war die Situation absolut neu. Er spürte nur, daß es leicht Ärger geben konnte, wenn sie auf Gwen und das, was sie tat, nicht gehörig aufpaßten. Jedenfalls glaubten sie das, weil niemand Gwen wirklich gut genug kannte.

„Schluß jetzt, Dan“, sagte er nur. „Ich bitte mir aus, daß ihr in Gegenwart Gwens weniger ruppig sprecht. Schließlich haben wir mit ihr eine junge Lady an Bord unseres Schiffes. Natürlich wird sie nicht arbeiten, sie ist Gast auf der ‚Isabella‘. Daß sie Männerkleidung tragen muß, wird sich wohl nicht ändern lassen, denn wir sind hier auf weibliche Garderobe nicht eingerichtet. Aber alles andere ...“

Gwen, die bisher zu allem geschwiegen hatte, blickte den Seewolf jetzt aus ihren grünen Augen an. Es war ein Blick, der sogar diesen harten Mann erstarren ließ.

„Kommt nicht in Frage, Mr. Killigrew“, sagte sie leise, aber doch für jeden verständlich. „Ich werde hier an Bord meine Pflicht tun wie jeder andere. Ich werde hier kein Drohnendasein führen. Wo immer ich mich nützlich machen kann, da werde ich das tun. Sie sind der Kapitän, aber ich glaube nicht, daß Sie diesen, meinen ausdrücklichen Wunsch nicht respektieren werden.“

Ihr Gesicht überzog plötzlich ein schelmisches Lächeln.

„Oder ist der berühmte Seewolf so ein Unhold, daß er eine junge Lady einfach an Bord seines Schiffes einsperrt, damit sie nur ja nicht irgendwo mit Hand anlegen kann? Denn das müßte er schon tun, um sie daran wirklich zu hindern!“

Hasard sah sie an, dann überzog auch seine Züge ein Lächeln.

„Also gut, ich hatte mir das zwar anders vorgestellt, aber versuchen wir es mal auf Ihre Art, Gwen. Ich glaube nicht, daß es unter meinen Männern auch nur einen gibt, der Sie nicht respektiert. Ihn würde im übrigen der Teufel holen, und zwar auf der Stelle.“

Er deutete eine leichte Verneigung an und wandte sich an Carberry.

„Ed, alle neuen Leute auf die Kuhl. Sofort. Ich will ein paar Takte mit ihnen reden!“

Ed Carberry nickte. „Aye, aye, Sir.“ Er drehte sich um, und im nächsten Moment dröhnte seine gewaltige Stimme über das Schiff: „Los, alle Neuen auf die Kuhl, aber ein bißchen Tempo, oder ich mache euch Feuer unter dem Hintern!“

Dan warf seinem Vater einen Blick zu, und er sah, wie der alte O’Flynn in sich hineingrinste. Die Kerls auf der „Isabella“ waren eine Bande nach seinem Geschmack, ho, auf diesem Schiff ließ es sich leben.

Er marschierte nach achtern, und er bewegte sich mit seinem Holzbein erstaunlich schnell. Dan und Gwen begleiteten ihn, aber Ed Carberry fischte sich Dan heraus.

„He, seit wann bist du denn neu auf diesem Schiff? Die Neuen auf die Kuhl habe ich gesagt, ist das klar?“

Aber diesmal geriet er bei Dan gerade an den Richtigen.

„Nun halt doch endlich einmal deine Gorillaschnauze, du narbiger Affe!“ fauchte er den Profos an. „Wenn ich auf die Kuhl will, dann gehe ich auch dahin, ob es dir paßt oder nicht.“

Er riß sich los und ließ den verblüfften Carberry zurück.

„Wie – was? Gorillaschnauze, narbiger Affe? Also das, das ist doch ...“

Ferris Tucker tauchte neben ihm auf und lachte.

„Ed, das Bürschchen mausert sich so langsam. Junge, Junge, bin nur gespannt, wann er mich wieder einen rothaarigen Affen nennt, dann ...“

Ferris warf einen verliebten Blick auf seine Pranken, aber jeder an Bord wußte, daß er niemals imstande gewesen wäre, Dan ernsthaft zu verprügeln, dazu hatte er den Jüngsten der „Isabella“-Crew viel zu sehr ins Herz geschlossen.

Auch Ed Carberry grinste, sein anfänglicher Ärger war verflogen.

„Du hast völlig recht, Ferris. Das Kerlchen hat sich ganz schön herausgemacht. Muß nur hin und wieder eins mit dem Tauende über die Achtergalerie kriegen, sonst wird er uns zu übermütig.“

Ferris blieb plötzlich stehen, und Carberry wohl oder übel auch, denn der rothaarige Hüne hatte ihn am Arm gepackt und hielt ihn fest.

„Paß ein wenig auf mit Tauende und so, Ed. Der Junge hat seine Rolle als Bürschchen endgültig satt. Er will als vollwertiger Mann behandelt werden, und, verdammt noch mal, das ist er ja auch schon längst. Wir werden ein wenig auf ihn aufpassen, aber sonst laß ihn man, oder du wirst noch mal dein blaues Wunder mit Dan erleben! Das ist ein guter Rat, Ed!“

Carberry starrte ihn aus schmalen Augen an.

„Hä? Wie, was?“ fragte er dann. „Was soll das heißen, Ferris? Das Bürschchen halte ich mir vorläufig noch mit dem kleinen Finger vom Leib, wenn ich will. Dem ziehe ich jederzeit noch die Haut in Streifen von seinem Affenarsch, wenn ich das will.“

„Hör auf mich, oder laß es auch bleiben. Ich habe dich gewarnt, Ed, der Junge befindet sich jetzt in einer Phase, in der er in dieser Hinsicht keinen Spaß mehr versteht. Ich habe da neulich so eine Sache erlebt, abends, auf dem Hauptdeck, und sein Vater stand dabei. Und genau das ist es. Dan will seinem Vater zeigen, daß er inzwischen ein Mann geworden ist.“

Sie waren weitergegangen und auf der Kuhl angelangt. Carberry hatte die Stirn gerunzelt, wollte etwas fragen, aber dabei fiel sein Blick auf jenen Mann, der ihm schon ein paarmal unliebsam aufgefallen war. Der Kerl mit dem Geiergesicht und den messerscharfen Lippen hockte immer noch auf der Nagelbank und traf nicht die geringsten Anstalten, sich zur Kuhl hinüber zu bewegen, obwohl sich die anderen und ein Teil der Crew dort längst versammelt hatten.

„He, Ferris!“ Carberry blieb abermals ruckartig stehen. „Was ist denn mit der Type da drüben los? Der Kerl hat wohl Kakerlaken in den Ohren, was?“

Carberry setzte sich in Bewegung und ging zu dem Mann mit dem Geiergesicht hinüber.

„Bist du taub? Der Seewolf hat befohlen, daß sich alle Neuen auf der Kuhl versammeln. Das gilt auch für dich. Und wenn du jetzt nicht blitzartig die Beine bewegst, bringe ich dir eigenhändig bei, wie schnell hier an Bord der ‚Isabella‘ die Befehle des Kapitäns ausgeführt werden. Also, was ist?“

Carberry hatte diesmal nicht gebrüllt, sondern seine Stimme war gefährlich leise gewesen. Das allein schon hätte den Fremden warnen sollen, aber er kannte den einstigen Profos der „Golden Hind“ eben nicht.

Statt der Aufforderung Carberrys so schnell wie möglich Folge zu leisten, verzog er verächtlich die Mundwinkel.

„Hören Sie zu, Mister: Ich hatte nicht die Ehre, Sie kennenzulernen. Und deshalb halte ich es für völlig unangebracht, daß Sie mich duzen. Mehr noch, ich verbitte mir das ein für allemal. Und was die Befehle Ihres Seewolfs angeht, so interessieren sie mich nicht. Er hat mir nichts zu befehlen. Wenn er mir etwas mitzuteilen hat, dann mag er sich zu mir bemühen. Ich hätte nachher sowieso nach ihm geschickt, weil ich ihn sprechen muß.“

Carberry glaubte, nicht recht gehört zu haben. Er war viel zu verblüfft, um sofort aus der Haut zu fahren, wie es eigentlich seine Art war. Statt dessen starrte er den Geiergesichtigen aus schmalen Augen an, aber der ließ ihm keine Zeit zu langen Überlegungen.

„Ich habe mir es soeben anders überlegt. Richten Sie dem Seewolf aus, daß ich ihn sprechen will!“ schnarrte er. „Sofort! Es ist überhaupt eine Ungeheuerlichkeit, daß dieser sogenannte Kapitän es nicht für nötig befunden hat, sich um mich und meine Wünsche zu kümmern, das wird ihm noch eine Menge Ärger einbringen, wenn wir wieder in England sind. So, verschwinden Sie, holen Sie jetzt endlich diesen Seewolf her!“

Carberry schüttelte unwillkürlich den Kopf. Ihm war in diesem Moment zumute, als segele die „Isabella“ bei achterlichem Wind rückwärts.

Langsam drehte er sich um, während sein zernarbtes Gesicht anzuschwellen schien.

„Ferris, hast du das gehört?“ fragte er und zweifelte immer noch an seinem Verstand. „Diesen Armleuchter hier interessiert gar nicht, was der Seewolf befiehlt, er will statt dessen ...“

In Carberry schoß die Wut explosionsartig hoch. Er riß einen Tampen aus der Nagelbank und zog dem Mann mit dem Geiergesicht blitzschnell ein paar über. So gekonnt und so kräftig, daß der senkrecht in die Luft sprang und einen lauten, schrillen Schrei ausstieß, der über alle Decks schallte.

Aber Carberry war jetzt nicht zu bremsen.

„Was?“ brüllte er, und Ferris Tukker hatte das Gefühl, als müsse jeden Augenblick die Großrah vom Mast herabkommen. „Du dreimal geteerter Affenarsch bist immer noch nicht auf der Kuhl? He, warum haben wir dich nicht bei den Spaniern gelassen, die hätten dich am offenen Feuer geröstet! Solche Typen wie dich haben die Dons besonders gern. Mann, wenn du jetzt nicht verschwindest und dich beim Seewolf persönlich meldest, dann ziehe ich dir die Haut in Streifen ab, falls du dann überhaupt noch welche hast!“

Wieder pfiff der Tampen durch die Luft und traf klatschend die Kehrseite des Geiergesichtigen. Er vollführte abermals einen Luftsprung, sauste dann aber wie ein geölter Blitz über das Hauptdeck zwischen den Culverinen hindurch und befand sich Sekunden später schon auf der Kuhl, hinter sich den immer noch brüllenden und tampenschwingenden Carberry.

Der Seewolf flankte über die Schmuckbalustrade. Dann packte er mit der einen Hand den Neuen, mit dem anderen Arm blockte er Carberry ab.

„Was geht hier vor?“ fragte er scharf. „Ed, bist du total verrückt geworden? Warum prügelst du diesen Mann quer über Deck? Antwort, verdammt noch mal!“

Die eisblauen Augen des Seewolfs hatten sich zornig zusammengezogen, er funkelte Carberry an.

Aber der Profos dachte gar nicht daran, sich einschüchtern zu lassen.

„Was hier los ist, fragst du?“ brüllte er. „Dieser Dreckskerl sagt mir doch glatt ins Gesicht, daß ihn die Befehle des sogenannten Seewolfs nichts angingen. Im Gegenteil, wenn er ihm etwas mitzuteilen habe, dann möge er gefälligst zu ihm kommen! Das sagt mir dieser Kerl, als ich ihn aufforderte, deinen Befehl zu befolgen und zur Kuhl hinüberzugehen.“

Carberry holte Luft.

„Damit das klar ist, Hasard, ein für allemal: Solange ich an Bord dieses Schiffes bin, werden deine Befehle befolgt, und zwar blitzartig und ohne jeden Widerspruch. Wer das nicht tut, den holt der Teufel. Was denkst du lausige Kakerlake eigentlich, wer du bist?“ brüllte er den Mann mit dem Geiergesicht in einer Lautstärke an, daß sogar den Männern der „Isabella“-Crew, die sich ebenfalls auf der Kuhl versammelt hatten, das Grinsen augenblicklich verging. Sie alle wandten dem Fremden, den niemand von ihnen bisher kennengelernt hatte, ihre Blicke zu.

Big Old Shane, der riesige Waffenmeister und Schmied von Arwenack, der ebenfalls zu den Befreiten gehörte, sagte mit seiner grollenden, dunklen Baßstimme in die momentan herrschende Stille hinein: „Carberry hat völlig recht, Hasard. Ich würde jetzt auch gern erfahren, was für eine hochgestellte Persönlichkeit wir denn hier vor uns haben, wenn er glaubt, daß er deine Befehle nicht zur Kenntnis zu nehmen braucht! Also, Mister, haben Sie die Güte und stellen Sie sich uns mal vor!“

Der Seewolf ließ Carberry los. In seinen Augen wetterleuchtete es.

„Ich warte“, sagte er eisig. „Ich will jetzt wissen, wer Sie sind.“

Der Geiergesichtige, dessen Züge noch immer schmerzverzerrt wirkten, versuchte, sich hoch aufzurichten.

„Ich bin Baldwyn Keymis, Friedensrichter von Falmouth. Ich bin vom Lordkanzler in dieses Amt eingesetzt worden, und ich verlange von Ihnen, Kapitän, daß Sie diesen Mann hier, der es gewagt hat, gegen mich die Hand zu erheben, sofort in Eisen schließen lassen. Danach werden Sie mir eine Kammer im Achterkastell zuweisen, mir eine meinem Amt entsprechende Sonderverpflegung servieren lassen und die junge Dame da zu meiner persönlichen Bedienung abstellen. Sollten Sie meine Wünsche ignorieren, werden Sie in England erhebliche Schwierigkeiten zu erwarten haben. Außerdem verlange ich, daß Sie auf dem schnellsten Wege nach England segeln.“

Keymis hatte das alles mit seiner arrogant schnarrenden Stimme mehr hervorgestoßen als gesprochen. Der Seewolf hingegen hatte sich nicht gerührt. Kein Muskel in seinem Gesicht zuckte.

„Können Sie sich legitimieren, Mr. Keymis?“ fragte er statt dessen kalt, während die Männer seiner Crew bereits zu murren begannen. Aber mit einer Handbewegung brachte er sie zum Verstummen.

„Legitimieren?“ schnarrte der Friedensrichter aufgebracht. „Sie selbst haben mich und die anderen aus dem Kerker der Spanier geholt und stellen dann solche dummen Fragen. Fragen Sie die Kerls, fragen Sie das Weibsbild da, die können Ihnen bestätigen, daß ich der vom Lordkanzler eingesetzte Friedensrichter von Falmouth bin. Das wird Ihnen dann ja wohl genügen!“

Dan stand plötzlich vor dem Friedensrichter und hielt ihm seine Faust unter die Nase.

„Hast du Schweinekerl eben Weibsbild zu meiner Schwester gesagt?“ fragte er drohend. „Und bedienen soll sie dich?“ fauchte er außer sich vor Wut. „Auf so was wie dich haben wir auf der ‚Isabella‘ gerade noch gewartet. Strecke auch nur den kleinen Finger nach meiner Schwester aus, du lausiger Federfuchser, dann kann dich dein Lordkanzler bei den Fischen suchen, kapiert?“

Um Hasards Mundwinkel zuckte es. Er hatte Dan selten so wütend gesehen, und er selbst verspürte auch heftigen Ärger über diesen aufgeblasenen Kerl, der sich Friedensrichter von Falmouth nannte. Aber andererseits mußte er wirklich einen Teil seiner Wünsche respektieren, alles andere wäre höchst unklug gewesen. Auch wenn seine Crew ihn vielleicht nicht verstehen würde.

Wieder murrten seine Männer, die inzwischen beinahe vollständig auf der Kuhl versammelt waren und die Neuen wie ein Kordon umgaben.

Einer der fünf Fischer trat auf den Friedensrichter zu.

„Es stimmt, du bist Baldwyn Keymis, der Friedensrichter von Falmouth. Aber das hat hier, an Bord der ‚Isabella‘, keine Bedeutung. Ich begreife nicht, warum du deinen Rand so aufreißt. Hast du eigentlich vergessen, daß der Seewolf und seine Männer uns vor dem sicheren Tode unter spanischer Tyrannei bewahrt haben? Wenn ich du wäre, würde ich das Maul halten und alles tun, damit wir sobald wie möglich wieder in England sind.“

Der Mann trat zurück. Er hatte schon weißes Haar, und Hasard wußte, daß er George Garrett hieß. Seinen Worten folgte lautstarke Zustimmung, und Keymis warf giftige Blicke um sich. Aber er dachte gar nicht daran, dem Rat des Fischers zu folgen.

„Also, was ist, erhalte ich nun endlich Antwort?“ schnarrte er. „Und wird dieser Kerl da“, er deutete auf Carberry, „jetzt in Ketten gelegt oder nicht?“

Der Seewolf trat hart an den Friedensrichter heran.

„Schluß jetzt mit dem Theater“, sagte er. Aber der Klang seiner Stimme ließ nicht den geringsten Zweifel daran, daß das Maß endgültig voll war. „Auf meinem Schiff wird kein Mann meiner Besatzung in Eisen gelegt, schon gar nicht, wenn er nichts verbrochen hat, was eine solche Maßnahme rechtfertigen würde.“

„Nichts verbrochen?“ fuhr der Friedensrichter auf den Seewolf los. „Der Kerl da hat es gewagt, gegen mich die Hand zu erheben, er hat mich geschlagen, er hat ...“

„Er hat genau das getan, was ich auch getan hätte, Mr. Keymis!“ donnerte Hasard ihn an, denn jetzt riß ihm endgültig die Geduld. „Ich bin der Kapitän dieses Schiffes, Mr. Keymis, und mein Wort ist hier an Bord Gesetz! Meine Befehle werden befolgt, sofort und ohne Widerrede. Von allen, auch von Ihnen.“

Hasard funkelte ihn an.

„Dennoch werde ich Ihren Rang respektieren. Sie beziehen eine Kammer im Achterschiff und sind vom Dienst an Bord befreit. Extraverpflegung gibt es nicht, Sie werden haargenau das essen, was alle erhalten, mich eingeschlossen.“

Er drehte sich zu Ben Brighton herum.

„Ben, du gibst Keymis deine Kammer. Gwen wird ebenfalls im Achterkastell untergebracht, und zwar in der Gästekammer. Wenn Gwen an Bord etwas tun will, dann soll es mir recht sein, inwieweit und auf welche Weise, das bleibt ihr überlassen.“

Er wandte sich wieder den Männern zu, die auf der Kuhl standen.

„Nun zu euch! Ihr wißt, daß wir nach England noch einen weiten Weg vor uns haben. Seit wir uns diese Galeone kaperten, fahren wir mit einer zu kleinen Besatzung, das hat uns sogar schon mehrfach in Gefahr gebracht. Ich begrüße daher die zahlenmäßige Verstärkung meiner Besatzung sehr. Auf uns warten Piraten, Stürme, wahrscheinlich auch noch spanische Schiffe, die alles daransetzen werden, uns unsere Beute wieder abzujagen. Deshalb verlange ich von jedem, daß er seine Pflicht tut, daß er sich so schnell wie möglich mit der ‚Isabella‘, mit der notwendigen Seemannschaft und mit allem übrigen vertraut macht. Ein Teil von euch wird von Ferris Tucker und Al Conroy an den Geschützen ausgebildet, andere werden der Steuerbord- oder Backbordwache zugeteilt. Ben Brighton, Carberry, Ferris Tucker und Smoky werden sich darum kümmern. Es wird an uns allen selber liegen, ob und wann wir England wieder erreichen!“

Er sah die neuen Männer seiner Besatzung scharf an.

„Das bedeutet aber, daß ihr alle ab sofort unter meinem Kommando steht und die Bordgesetze für euch alle gelten.“

Die Crew brach in wildes Gebrüll aus, in das die neuen Leute mit einstimmten. Nur der Friedensrichter sah hochmütig auf die Männer – und dem Seewolf entging das nicht.

„Ben, schaff mir diesen Kerl jetzt aus den Augen“, sagte er leise. „Ich habe mit der Crew noch zu reden.“

Sein Bootsmann nickte nur, dann wandte er sich an den Friedensrichter.

„Wenn Sie mir jetzt also bitte zu Ihrer Kammer folgen wollen, Mister“, sagte er, nicht ohne Spott in seiner Stimme.

Baldwyn Keymis nickte arrogant. Endlich begannen die Dinge sich so zu entwickeln, wie er sie haben wollte. Aber sie würden sich noch ganz anders entwickeln, darauf konnte dieser verfluchte Seewolf jetzt schon Gift nehmen.

Er sagte jedoch nichts. Nur an das Mädchen dachte er noch und warf ihr einen Blick zu, ehe er Ben Brighton auf das Achterkastell folgte. Es war kein guter Blick.

2.

Als der Friedensrichter verschwunden war, winkte der Seewolf die Männer dichter zu sich heran.

„Los, näher ran mit euch, noch näher“, sagte er. „Was ich euch jetzt zu sagen habe, braucht Mister Keymis nicht zu hören.“

Die Crew, die neuen wie die alten, bildeten einen dichten Kreis um Hasard. Dann sahen sie ihn gespannt an.

„Normalerweise kann jeder Mann an Bord hören, was ich zu sagen habe“, begann er, „aber in diesem Fall ist das anders. Dieser Friedensrichter ist ein Mann, der nicht zu uns paßt. Wer Sonderrechte in Anspruch nimmt, wer sich vor der Arbeit an Bord drückt, wer die verachtet, die ihn wieder nach England bringen und für seine Sicherheit sorgen wollen, der gehört nicht zu uns. Es gibt nur ein Mittel, einen solchen Dreckskerl zu kurieren: Keiner spricht mit ihm, keiner beantwortet ihm eine Frage, gleich, um was es geht. Dieser Kerl ist für euch Luft. Er erhält sein Essen, sein Trinken. Er kann sich an Deck aufhalten oder auch im Großmars hocken, es interessiert uns nicht. Bedient wird er jedenfalls nicht, und du, Gwen, unterstehst dich, auch nur einen Finger für diesen Mann zu rühren. Dich wollte er als Bedienung haben, am liebsten hätte ich ihm für diese Frechheit vorhin ein paar reingehauen.“

Die Männer grinsten, aber irgendwie wirkten ihre Gesichter dabei gar nicht fröhlich. Sie stellten sich vor, was es für einen Mann bedeutete, innerhalb einer so engen Gemeinschaft, wie sie nun einmal an Bord der „Isabella“ herrschte, in Verschiß zu geraten.

Ed Carberry drückte aus, was sie dachten, als er mit grollender Stimme sagte: „Für meinen Geschmack hast du dich mit diesem Halbaffen viel zu lange aufgehalten, Hasard. Dieser Keymis ist ein Arsch. Er soll sich in acht nehmen, daß ich ihm denselben nicht noch bis zu den Schulterblättern aufreiße!“

Damit wandte sich Carberry an die Neuen unter der Crew.

„Und ihr habt auch gehört, was der Seewolf gesagt hat. Ich werde euch schon Feuer unter dem Hintern anzünden. Bis wir in England sind, werdet ihr euch nicht mehr daran erinnern, jemals als Landratten auf die Welt gekommen zu sein!“

Ferris Tucker, Dan, Smoky und noch ein paar andere grinsten hinter ihm her, als er zum Vorderkastell hinüberging, um am Ankergeschirr einiges zu klarieren. Sie kannten Carberry alle, seine rauhe Schale, seinen Lieblingsspruch vom Affenarsch, der sich manchmal schlimm anhörte, aber sie wußten, daß er unter seiner rauhen Schale ein weiches Herz verbarg, daß er jedem half, der Hilfe brauchte, daß er nie zögerte, einem Bordkameraden beizuspringen, und wenn er dabei sein eigenes Leben riskierte.

Sie ahnten nicht, daß sie gerade diesen Mann so zornig und so unnachgiebig erleben sollten, wie ihn noch keiner von ihnen allen jemals kennengelernt hatte.

Nach und nach kehrten die Männer an ihre Arbeit zurück oder ruhten sich aus, sofern sie zur Freiwache gehörten. Der Friedensrichter ließ sich nicht blicken. Gwen, das schlanke, hochgewachsene Mädchen mit den rotblonden Haaren, saß mit Dan und dem alten O’Flynn wieder auf dem Vorderkastell. Manch verstohlener, bewundernder Blick traf sie – und manchmal auch ein hungriger. Die Männer an Bord der „Isabella“ hatten schon lange keinen Kontakt mehr zu Frauen gehabt, und Gwen war bestimmt kein Mädchen, an dem ein Seemann einfach vorbeipeilte. Trotzdem hatte Gwen nicht das geringste zu befürchten, denn keiner der Männer war so verrückt, Gwen für ein Mädchen zu halten, bei dem man auf die schnelle Tour zwischen Topp und Takel landen konnte.

Auf der „Isabella“ hatten sich Gruppen gebildet. Auf dem Vorkastell waren Al Conroy und Smoky damit beschäftigt, die „Neuen“ in verschiedene Bereiche der Bordarbeit einzuweisen. Al Conroy brachte den Fischern hauptsächlich den Umgang mit den Drehbassen bei, eine Sache, die für die „Isabella“ eines Tages über Sieg oder Untergang entscheiden konnte. Und die Fischer erwiesen sich als äußerst gelehrig, außerdem bereitete ihnen die Arbeit Spaß. Smoky hatte sich hingegen mehr mit den Landratten befaßt, in stundenlanger, unermüdlicher Arbeit erklärte er ihnen seemännische Begriffe, die Arbeit an den Brassen und Fallen, die Bedienung des Spills, scheuchte sie schließlich in die Wanten und unterwies sie in der wichtigsten Regel, die es für einen Seemann überhaupt gibt – eine Hand für den Mann, die andere fürs Schiff. Und auch Smoky mußte zu seinem Erstaunen feststellen, wie rasch sie begriffen, wie schnell sie selbst mit schwierigeren Dingen vertraut wurden. Sogar der Stadtschreiber, Robert Rowe, gab sich die erdenklichste Mühe, daß es ihm im Gegensatz zu den anderen an Kondition mangelte, dafür konnte er nichts, und das trug Smoky ihm auch nicht nach.

Hin und wieder griff einer der anderen Männer helfend und unterstützend ein, die Neuen hatten jedenfalls sofort das Gefühl, an Bord keine Fremden, sondern längst in die Crew aufgenommen zu sein.

Batuti und Will Thorne, der Segelmacher, saßen auf dem Hauptdeck und besserten die schweren Schlechtwettersegel aus. Sie wußten, daß es nur noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis die „Isabella“ diese Segel wieder brauchen würde. Hin und wieder warfen sie einen Blick zu den Neuen hinüber.

„Gutes Leut!“ radebrechte der riesige Gambianeger in seinem schauderhaften Englisch. „Wollen lernen! Wenn nicht verfluchtes Friedensrichter an Bord, dann alles gut. Geben Ärger, Batuti wissen, spüren hier!“ Batuti schlug sich gegen die Brust.

Der Segelmacher nickte. Er spürte es ebenfalls. Außerdem kannte er den Gambianeger und mochte ihn. Auch schon deshalb, weil Batuti im Lauf der Zeit mehr und mehr Vorliebe für seemännische Handarbeiten entwickelt hatte, weil er spleißen konnte, wie kaum ein zweiter an Bord, und weil er des öfteren geradezu erstaunliche Verbesserungsvorschläge für die Takelage brachte, über die sogar der technisch äußerst versierte Ferris Tucker in Erstaunen und helle Begeisterung geriet.

„Mir wäre auch lieber, Batuti, dieser Kerl wäre uns nie in den Kurs geraten. Aber er ist nun mal an Bord, wir sollten trotzdem ein wachsames Auge auf ihn haben. Es gefällt mir nicht, daß dieser Mensch in seiner Kammer hockt und sich an Deck überhaupt nicht sehen läßt!“

Will Thorne stach mit der Segelnadel zu.

„Der brütet etwas aus, darauf kannst du Gift nehmen, Batuti. Ich kenne diese geiergesichtigen Typen, diese verkniffenen Lippen, diese arroganten. Scheißkerle. Er ist von Carberry und später auch vom Seewolf gedemütigt worden, das vergißt der nie! Ich denke, wir werden in England und unterwegs noch einen Haufen Scherereien mit ihm kriegen!“

Big Old Shane, der Waffenmeister und Schmied von Arwenack, saß nicht weit von den beiden entfernt. Er hatte jedes Wort gehört.

Mit einem Ruck legte er den großen Bogen, an dem er arbeitete und der wegen seiner ungewöhnlichen Konstruktion von Batuti und dem hünenhaften Schiffszimmermann schon bewundert worden war, auf die Decksplanken. Dann schob er sich, ohne aufzustehen, näher an die beiden heran.

Eine Weile sah er den Segelmacher aus seinen grauen Augen an.

„Ich fürchte, du hast recht“, sagte er dann. „Es paßt mir nicht, daß dieser Kerl im Achterkastell wohnt. Schon deswegen nicht, weil Gwen dort auch ihre Kammer hat.“

Batuti und der Segelmacher fuhren hoch.

„Was willst du damit sagen, Shane? Du hältst ihn doch wohl nicht für so verrückt, daß er sich an Gwen ...“

„Ich würde es ihm nicht raten!“ grollte der Schmied und rollte die gewaltigen Arme, die von dicken Muskelsträngen durchzogen waren. „Aber wissen kann man das bei diesen Typen nie. Ich habe in Falmouth solche Herren gekannt“, und er betonte das Wort Herren auf ganz besondere Art, „die pflegten aufgrund ihres Standes jedes Mädchen als Freiwild zu betrachten, und in den allermeisten Fällen wagte auch niemand, sie zur Rechenschaft zu ziehen.“

Der Waffenmeister ballte die Rechte zur Faust.

„Aber er soll sich in acht nehmen! Ich erschlage ihn wie einen tollen Hund und werfe ihn anschließend den Haien zum Fraß vor!“

Er rutschte zurück. Unwillkürlich warf er einen Blick zum Achterkastell hinüber, auf dem sich Ferris Tucker, Carberry und Stenmark befanden. Und genau in diesem Moment geschah es. Baldwyn Keymis, der Friedensrichter aus Falmouth, betrat das Deck.

Einen Moment blieb er bei der dikken Bohlentür, die den Zugang zu den Wohnräumen im Achterkastell bildete, stehen und blinzelte in die Sonne. Dann stieg er langsam die Stufen zum Achterkastell hoch.

An der Schmuck-Balustrade, die das Deck des Achterkastells gegen die Kuhl sicherte, blieb er stehen und blickte die drei Männer an, aber die nahmen keinerlei Notiz von ihm.

Baldwyn Keymis spürte die Welle von Abneigung, die ihm entgegenschlug, und er begann sich zu ärgern. Ruckartig setzte er sich in Bewegung und marschierte auf Stenmark, den langen Schweden zu.

„Welcher Kurs liegt an?“ schnarrte er. „Wo sind wir, und wann werden wir in den Atlantik gelangen?“

Stenmark rührte sich nicht. Es war, als hätte der Friedensrichter mit dem Großmast gesprochen.

Keymis lief rot an.

„Ich habe dich etwas gefragt!“ fuhr er den Schweden an. „Und ich verlange eine Antwort!“

Stenmark schien ihn gar nicht zu hören. Pfeifend schlenderte er zu einer der Drehbassen hinüber und begann sie zu reinigen.

Der Friedensrichter starrte ihm nach wie einer Erscheinung. Er fuhr auf dem Absatz herum und ging auf Ferris Tucker zu. Dort wiederholte er seine Fragen, aber der Schiffszimmermann schien ihn ebenfalls nicht zu hören. Er stand an der Achterreling und blickte angelegentlich ins Wasser. Als Keymis ihn mit der Rechten erbost anstieß, um ihn damit zu zwingen, Notiz von seiner Anwesenheit zu nehmen, wischte der rothaarige Hüne den Friedensrichter zur Seite wie ein lästiges Insekt. Das war aber auch die einzige Reaktion, die Keymis bei Tucker erzielte.

Er starrte Carberry an, aber der schien irgendwo an der gerade noch erkennbaren Küste von Hispaniola etwas Hochinteressantes entdeckt zu haben und reagierte ebenfalls nicht.

Keymis begann zu kochen. Aber noch gelang es ihm, sich zu beherrschen. Mit langen Schritten stelzte er über das Achterkastell. Er spähte auf die Kuhl, während er den Niedergang hinunterstieg. Dort glaubte er, sein nächstes Opfer in Gestalt von Batuti entdeckt zu haben. Dieser Nigger würde es nicht wagen, ihn wie Luft zu behandeln, ihn, den vom Lordkanzel eingesetzten Friedensrichter von Falmouth!

Vor Batuti blieb er stehen. Als der Schwarze sich nicht rührte, stieß er ihn mit der Fußspitze an.

„He, du!“ fuhr er ihn an. „Steh gefälligst auf, wenn ich mit dir rede, oder ich werde dafür sorgen, daß man dir dein schwarzes Fell mit der Neunschwänzigen gerbt! Ich will, daß du mir auf der Stelle einen Becher Wasser holst, außerdem liegt in meiner Kammer ein Bündel dreckiger Wäsche. Bis heute abend wünsche ich die Wäsche wieder sauber in meiner Kammer vorzufinden! Los, hoch mit dir, du dreckiges Niggerschwein!“

Er versetzte Batuti einen kräftigen Tritt, und im selben Moment spürte er, wie zwei gewaltige Fäuste zupackten, ihm die Beine unter dem Körper wegrissen und ihn mit einem Ruck, der Keymis fast die Besinnung raubte, gegen die Steuerbordreling schleuderten.

Keymis spürte nur den schmetternden Schlag, mit dem er gegen das eisenharte Holz und die schweren Beschläge prallte. Er rang verzweifelt nach Luft und konnte nicht begreifen, was da eben mit ihm geschehen war.

Als er seine Lungen wieder voll Luft gepumpt hatte, fuhr er hoch, dabei vergaß er sogar den wilden Schmerz, der seinen hageren Körper durchzuckte.

Er kam auf die Füße, starrte den Schwarzen an, der weiterhin neben Will Thorn, dem Segelmacher, auf dem Deck saß und ihm beim Ausbessern eines schweren Schlechtwettersegels half. Batuti saß da, als wäre nichts geschehen. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht, auf den Friedensrichter verschwendete er keinen Blick.

Baldwyn Keymis explodierte.

„Holt diesen Killigrew, holt den Kapitän des Schiffes. Ich will ihn sprechen, auf der Stelle! Ich befehle euch, Mr. Killigrew zu holen!“ Seine Stimme überschlug sich vor Zorn, er zitterte vor Wut am ganzen Körper.

Carberry tauchte an der Schmuckbalustrade auf.

„Was gibt es? Wer, zum Donnerwetter, schreit da unten so idiotisch herum?“ Er starrte Keymis an.

„Ich will auf der Stelle Mr. Killigrew sprechen! Dieser dreckige Nigger da hat es gewagt, sich an mir zu vergreifen, ich ...“

„Mr. Killigrew schläft, er wird jetzt nicht gestört. Wegen solcher verrückten Beschuldigungen schon gar nicht. Batuti soll sich an Ihnen vergriffen haben?“ Carberry schüttelte den Kopf. „Glaube ich nicht, er ist einer der friedlichsten Männer an Bord. Außerdem, sehen Sie doch selber – er arbeitet. Seit Stunden schon. Ich vermute, Sie sind ihm irgendwie zu nahe gerückt, vielleicht hat er sich lediglich mal bewegt, das reicht dann schon für so einen wie Sie. Sie müssen wissen, daß Batuti ungeheure Kräfte hat. Wir alle wissen das und gehen entsprechend vorsichtig mit ihm um. Was meinst du, Ferris? Und du, Stenmark? War es so?“

„Ich denke schon“, sagte der Schiffszimmermann grinsend. „Mr. Keymis sollte sich dringend ein wenig mit dem Bordleben der ‚Isabella‘ vertraut machen, ich bin sicher, daß ihm dann so etwas nicht wieder passiert.“

Carberry, Stenmark und Tucker verschwanden wieder auf dem Achterkastell. Und Batuti rührte sich immer noch nicht, ebensowenig wie Will Thorn oder einer der anderen Männer, die an Bord irgendeiner Beschäftigung nachgingen, während die große, schwere Galeone durch die grünblaue See der Karibik pflügte.

Baldwyn Keymis wußte, daß die ganze Sache ein abgekartetes Spiel war. Daß diese Kerle einen Spaß daran hatten, ihn zur lächerlichen Figur zu stempeln. Der Friedensrichter schwor sich, daß sie für alles büßen sollten, jeder einzelne von ihnen. Besonders jedoch dieser verdammte Nigger und dieser Carberry. Hängen lassen würde er die beiden in England, in Ketten legen lassen. Sie sollten sich vor ihm nur in acht nehmen!

Er sah sich um, und noch immer zitterte er vor Wut. Er erblickte die herrlich gewachsene Gwen, die in der Sonne auf dem Vorkastell neben ihrem Vater zu schlafen schien. Seine Blicke wanderten an ihrem jungen Körper entlang, glitten über die Brüste, die sich unter dem hellgrünen Seemannshemd deutlich abzeichneten.

Baldwyn Keymis verzog seine schmalen Lippen zu einem höhnischen Grinsen.

„Gut, diese Kerle schneiden mich, wahrscheinlich auf Anordnung von diesem Seewolf, dem es nicht gepaßt hat, daß ich von Anfang an klargestellt habe, wer ich bin und wer er ist“, murmelte er. „Aber sie trauen sich nicht an mich heran, sie hüten sich, tätlich gegen mich zu werden, und wenn, wie eben dieser Nigger, dann leugnen sie es hinterher. Gut, sie sollen ihr Spiel kriegen, ich werde ihnen zeigen, wer Baldwyn Keymis ist und wie man sich seinem Willen unterzuordnen hat. Vielleicht wird sie das kurieren! Sie sollen toben vor Wut, aber sie können nichts gegen mich unternehmen. Zu viele Zeugen befinden sich an Bord, die später in England aussagen werden.“

Er warf abermals einen Blick zu Gwen hinüber.

„Dieser Nigger wird sich noch wundern, wie bald meine Wäsche gewaschen sein wird und wie bald mich diese kleine Hure da bedienen wird. Gerne bedienen wird, so wie Baldwyn Keymis, der Friedensrichter von Falmouth, es von ihr verlangt!“

Er verließ eilig die Kuhl und verschwand im Innern des Achterkastells. Er würde jetzt erstmal ein paar Gläser Rum zu sich nehmen. Eine Flasche stand in seiner Kammer, wahrscheinlich hatte dieser Bootsmann des Seewolfs sie dort vergessen.

Baldwyn Keymis goß sich ein. Es waren ungute, schlimme Gedanken, die dabei sein Gehirn durchzogen und seine Phantasie beflügelten. Als sich die ersten abendlichen Schatten über die Karibik senkten, stieß er ein böses Lachen aus, denn er hatte noch eine zweite Flasche in der Seekiste Ben Brightons entdeckt.

Er würde sich die „Isabella“ und ihre Ladung mal etwas genauer ansehen. Was er in dieser Beziehung aus Gesprächen der Männer aufgeschnappt hatte, war ja wirklich höchst interessant! Dieser Killigrew unterschätzt mich gründlich, dachte er. Er ahnt nicht einmal, über welche Beziehungen ich in England verfüge, aber er wird es zu spüren kriegen, das schwöre ich.

Baldwyn Keymis rollte sich zur Seite und schlief ein. Er merkte nicht mehr, wie sich die Nacht über die Karibik senkte und die dahinsegelnde Galeone mit ihrer schützenden Dunkelheit umhüllte.

Baldwyn Keymis schlief fast bis Mitternacht, aber dann war er plötzlich hellwach. Gierig griff er zu der zweiten Flasche, nahm einen gewaltigen Schluck und verzichtete diesmal sogar auf das Glas.

Wieder stieg jener Gedanke in ihm hoch, über den er schon vorher nachgegrübelt hatte. Er trank weiter, und je mehr sein Gehirn sich umnebelte, je festere Gestalt nahm sein wahnwitziges Vorhaben an.

Schließlich erhob er sich von seinem Lager.

„Was wollen sie denn schon dagegen tun?“ murmelte er. „Wenn ich, Baldwyn Keymis, der vom Lordkanzler eingesetzte Friedensrichter von Falmouth, es für richtig halte, etwas zu tun, dann haben alle anderen zu kuschen!“

Er bewegte sich auf die Tür seiner Kammer zu, zögerte noch einmal für einen Moment, weil irgendwo in seinem umnebelten Unterbewußtsein so etwas wie eine Warnung auftauchte, das Gefühl, irgend etwas bei seinen Überlegungen übersehen zu haben. Aber dann wischte er seine Bedenken mit einer Handbewegung weg.

„Was wollen sie schon dagegen tun?“ flüsterte er und verließ seine Kammer.

Auf dem Gang, der zu den anderen Wohnräumen im Achterkastell führte, blieb er einen Moment stehen und lauschte. Aber alles war still, auch von Deck drangen keinerlei Geräusche in die Stille. Nur das Rauschen und Gurgeln der Hecksee, die hinter der dahinsegelnden Galeone eine phosphoreszierende Bahn bildete, war deutlich zu hören.

Keymis schlich weiter. Vor der Kammer des Seewolfs lauschte er noch einmal, und wieder huschte ein böses Grinsen um seine dünnen Lippen, als sich auch dort nichts rührte. Er strich sich über seinen Ziegenbart, seine grauen Augen begannen zu funkeln. Dann schlich er weiter.

3.

Gwendolyn Bernice O’Flynn warf sich unruhig auf ihrem Lager hin und her. Sie konnte nicht schlafen. Zu viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Zwischen diesen Gedanken tauchte immer wieder das Gesicht des Seewolfs auf. Das war nicht erst seit diesem Tage so, sondern schon lange. Praktisch seit damals, als sie ihm auf Arwenack begegnet war. Nur war sie sich damals nicht so genau darüber im klaren gewesen, was sie für diesen Mann empfand. Das wußte sie erst seit ihrer Befreiung aus dem spanischen Kerker in Santo Domingo, seit der Seewolf und seine Männer sie aus den Klauen dieses widerlichen Hafenkommandanten Manuel de Buarcos gerissen hatten. Gwen wußte, welche gnadenlosen Prügel Hasard diesem fetten Schwein verabreicht hatte und warum.

Wieder warf sich Gwen im unruhigen Halbschlaf auf die andere Seite. In der Kammer herrschte eine mörderische Hitze, und auch die stetig wehende Brise hatte unter Deck der Galeone keine spürbare Abkühlung gebracht, die Hitze steckte noch in jeder Planke, in jedem Beschlag.

Gwen trug nur ein dünnes Nachthemd aus Leinen, der Seewolf hatte es ihr gegeben, und der Teufel mochte wissen, woher es stammte. Einen Moment hatte Gwen sogar so etwas wie Eifersucht verspürt, als er es ihr lächelnd gab, aber sofort schalt sie sich eine törichte Närrin. Es wäre ja noch schöner gewesen, wenn ausgerechnet ein Mann wie Hasard ein Leben geführt hätte wie ein Mönch.

Gwen verfiel in einen unruhigen Schlummer, in dessen Träumen immer wieder der Seewolf auftauchte und Ungeheuer, die ihm nach dem Leben trachteten.

Sie bemerkte nicht, wie sich Zoll um Zoll ihre Kammertür öffnete und die hagere Gestalt des Friedensrichters sich hereinschob.

Keymis blieb stehen, als er das Mädchen in dem schwachen Licht der nicht sehr dunklen Tropennacht erkannte, das durch das Fenster der Kammer hereindrang. Gierig glitten seine Augen über die eben noch erkennbaren Konturen Gwens.

Das Denken fiel ihm schwer. Der Rum, den er in überreichem Maße zu sich genommen hatte, tat seine Wirkung. Dennoch besaß Keymis noch so viel Verstand, daß er die Tür wieder hinter sich zuzog und sogar den schweren Riegel vorschob.

Bei diesem Geräusch allerdings erwachte Gwen. Sie fuhr hoch, immer noch im Glauben, das alles geträumt zu haben, und erblickte die hagere Gestalt des Friedensrichters, der sich in diesem Moment über sie warf.

Gwen wollte einen Schrei ausstoßen, aber eine Hand verschloß ihr die Lippen. Hände und Brust des Mannes preßten sie auf ihr Lager.

Man unterschätzte den Friedensrichter von seinem Äußeren her nur zu leicht. Dabei war er alles andere als ein Schwächling und außerdem geübt in Attacken dieser Art, Gwen war nicht das erste Mädchen, das er sich mit Gewalt nahm.

Für einen winzigen Moment war Gwen vor Entsetzen wie gelähmt. Dann spürte sie die Hände des Mannes, die gierig nach ihr griffen und ihr mit einem Ruck das dünne Nachthemd vom Körper rissen.

Keymis warf sich auf sie, preßte seine Lippen auf ihren Mund, auf ihre Brüste – und das war der Augenblick, in dem sich in ihr alles dagegen aufbäumte, von diesem widerlichen Kerl vergewaltigt zu werden.

Sie riß die Arme hoch, schlug wie wild um sich, schnellte hoch, trotz des Mannes, der auf ihr lag, und stieß Keymis zur Seite.

Dann schrie sie. Ihr Schrei gellte durch die Kammer, aber Gwen kam nicht mehr dazu, auch noch nach Hasard zu rufen, den sie nur wenige Yards von sich entfernt in seiner Kammer wußte.

Keymis fiel über sie her. Brutal schlug er sie ins Gesicht, warf sie zu Boden und schrie auf, als Gwen ihm mit den Nägeln ihrer Finger durch das Gesicht fuhr und dort blutige Striemen hinterließ.

„Du verdammte Katze!“ keuchte Keymis, vor Gier völlig außer sich. „Mit solchen Huren wie dir bin ich noch immer fertig geworden! Sei vernünftig, tu, was ich von dir verlange, und ich garantiere dir dafür, daß du als einzige von dieser ganzen Piratenbrut in England vor dem Galgen sicher bist! Denn ich bringe sie alle an den Galgen, alle, du wirst sehen! Niemand schlägt mich ungestraft, niemand macht Baldwyn Keymis ungestraft lächerlich! Komm jetzt, du kleines Luder!“

Gwen spürte, wie er sich erneut auf sie warf. Sie war ein kräftiges Mädchen, aber gegen Keymis hatte sie keine Chance. Der Kerl war geübt, er wußte, was er zu tun hatte, und schaudernd spürte sie, wie von Sinnen, wie gierig er war.

Abermals warf sie sich herum. Es gelang ihr, den Friedensrichter abzuschütteln und aufzuspringen. Nackt, wie sie war, warf sie sich gegen die Kammertür, aber die war zu, der schwere Riegel, den Keymis vorgelegt hatte, versperrte ihr den Weg auf den rettenden Gang.

„Hasard – zu Hilfe! So hilf mir doch, ich werde ...“

Ihr Schrei gellte durch die Kammer, aber Keymis war heran. Er riß Gwen zurück, hielt ihr erbarmungslos den Mund zu und schleppte sie zu ihrem Lager zurück.

Gwen trat um sich wie eine Wilde, sie rammte dem Friedensrichter den Kopf unter das Kinn, wehrte sich aus Leibeskräften, aber es half ihr nichts, der Mann war der Stärkere.

Er zwang sie aufs Lager, warf sich abermals auf sie und versuchte, ihren Widerstand zu brechen. Das gab ihr ein letztes Mal Riesenkräfte.

Sie krümmte sich zusammen, ließ sich von ihrer Lagerstatt fallen und rollte sich blitzschnell über den Boden in Richtung Tür. Wie der Blitz war sie auf den Beinen und schob den Riegel zurück. Dabei schrie sie aus Leibeskräften.

Mit einem wilden Fluch sprang Keymis sie an, aber in diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen, so heftig, daß sowohl Gwen als auch der Friedensrichter in die Kammer katapultiert wurden.

Der Seewolf hatte bereits den ersten Schrei gehört, den Gwen ausgestoßen hatte. Aber er war sich seiner Sache nicht sicher gewesen. Es kam auch bei ihm in letzter Zeit schon mal vor, daß er träumte und dann aus dem Schlaf hochschreckte.

Dennoch war er mit einem Satz aus dem Bett und streifte sich blitzartig seine Hose über. Im nächsten Moment befand er sich auf dem Gang.

Er hörte zunächst nichts. Aber dann plötzlich tönte ein zweiter Schrei, und zwar aus der Kammer, in der Gwen schlief.

Hasard jagte los. Er riß die Tür der Kammer auf, in der der Friedensrichter schlief, und sofort sah er, daß Keymis sich nicht in seinem Bett befand.

Hasard wollte es nicht glauben. So wahnsinnig konnte doch dieser Mann gar nicht sein!

Aus Gwens Kammer vernahm er jetzt Keuchen und Stöhnen. Irgend etwas polterte zu Boden, dann erklang wieder ein Schrei, der dem Seewolf durch Mark und Bein ging. Er hörte, wie Gwen seinen Namen rief.

Der Seewolf flog durch den Gang. Innerhalb von Sekunden befand er sich vor Gwens Kammer. Aber die Tür war verriegelt.

Er hörte, wie das Mädchen da drinnen kämpfte, aber er wußte auch, daß sich diese massive Bohlentür nicht so ohne weiteres aufbrechen ließ. Die „Isabella V.“ war von einem Meister seines Fachs erschaffen worden, es gab an ihr nichts, was sich so ohne weiteres aufbrechen ließ.

Hasard öffnete schon den Mund, um Gwen zuzurufen, daß er zur Stelle sei, daß er ihr helfen würde, aber dann schwieg er. Keymis, falls es sich um diesen handelte, brauchte das nicht zu wissen. Denn Hasard blieb gar nichts anderes übrig, als Ferris Tucker und seine riesige Axt zu Hilfe zu holen, anders gelangte er in die Kammer nicht hinein.

Wieder drang der Kampfeslärm aus der Kammer hinaus auf den Gang. Dem Seewolf brach der Schweiß aus. Verflucht, er konnte für Gwen nichts tun, nicht im Augenblick, oder doch? Er dachte an das Fenster. Aber war es auf? Nein, Ferris mußte her! Verdammt, hörte denn keiner den Lärm?

In diesem Moment schrie Gwen zum dritten Mal um Hilfe, gleich darauf riß sie den Riegel zurück.

Hasard zögerte keine Sekunde. Er warf sich mit aller Gewalt gegen die Tür. Mit der ganzen Kraft seines Körpers, mit der Wucht seines Anpralls katapultierte er sie nach innen. Er sah, wie Gwen zur Seite geschleudert wurde – und daß sie splitternackt war. Und er erblickte Keymis, den Friedensrichter aus Falmouth.

Hasard sah rot. Mit einem Satz war er heran und riß den Friedensrichter hoch. Dann schlug er zu, wieder und wieder.

Keymis wimmerte, bat um Gnade, schlug plötzlich zurück, trat und biß um sich wie ein Wahnsinniger. Aber es half ihm nichts. Hasard prügelte ihn vor sich her, den Gang entlang, aus dem Achterkastell auf die Kuhl, trieb ihn mit schweren Schlägen quer über das Deck, bis Keymis zusammenbrach, liegenblieb und sich nicht mehr rührte.

„Ben, Ed!“ brüllte der Seewolf, aber das war nicht mehr nötig. Denn eben tauchten die ersten der Wache auf. Allen voran Ed Carberry.

„Hasard – was zum Teufel ...“

Er verstummte, als er den Friedensrichter an Deck liegen sah. Und er wurde blaß, als Hasard den Kerl mit einem Ruck von den Planken hochriß und ihn Carberry in die Arme schleuderte.

„Sperr dieses Schwein in die Vorpiek, Ed. Leg ihm Eisen an, er darf nicht die geringste Chance haben, über Bord zu springen. Und genau das wird er vielleicht versuchen, wenn er wieder bei Besinnung ist. Dieser Dreckskerl ist in Gwens Kammer eingedrungen und hat versucht, sie zu vergewaltigen. Ich hoffe, daß ich noch zur rechten Zeit eingreifen konnte, dieses Schwein hatte den Riegel vorgelegt, ich wollte schon Ferris holen!“

Der Seewolf hatte diese Worte voller Zorn hervorgestoßen. Er wollte zu Gwen, so schnell wie möglich.

„Morgen berufe ich ein Bordgericht ein, Ed. Schafft ihn jetzt weg, ich will ihn nicht mehr sehen!“

Damit verschwand der Seewolf. Carberry hielt Keymis in seinen Armen, aber er ließ ihn jetzt fallen, als habe er sich die Finger an ihm verbrannt. Keymis stürzte schwer auf das Deck.

„Holt Ferris. Sagt ihm, er soll Big Old Shane auch mitbringen. Dieser Bursche hier kriegt ein paar solide Eisen verpaßt, dann ab mit ihm in die Vorpiek. Er wird die ganze Nacht bewacht, ist das klar? Und daß sich niemand an diesem Hurensohn die Finger dreckig macht. Für das, was er getan hat, wird er morgen büßen!“

Es hatte sich inzwischen eine ganze Reihe von Männern aus der „Isabella“-Crew eingefunden. Drohend schloß sich der Kreis der Seeleute immer enger um den Bewußtlosen. Erst Ferris Tucker und Big Old Shane scheuchten sie zur Seite.

Jemand hatte eine Pütz mit Seewasser geholt und goß sie Keymis über den Kopf. Er erwachte und sofort war ihm klar, in welcher Lage er sich befand. Er wollte den Mund schon öffnen, um die Männer der „Isabella“ anzugeifern, aber Dan stopfte ihm mit einem Faustschlag das Maul.

„Du hast hier gar nichts mehr zu reden, klar?“ fauchte er den Friedensrichter an. „Wenn es nach mir ginge, würden wir dich jetzt an der Nock der Großrah aufknüpfen. Aber der Seewolf hat es anders befohlen. Eins merke dir jedoch: Ich gehe jetzt zu meiner Schwester. Wenn du Dreckschwein sie geschändet hast, bringe ich dich um. Jetzt und hier. Und ich will sehen, wer mich daran hindern wird. Von diesen Männern ganz bestimmt keiner!“

Dan griff nach seinem Vater, der trotz seines Holzbeines mit erstaunlichem Tempo vom Vorkastell zur Kuhl geturnt war, als er erfahren hatte, was sich im Achterkastell in der Kammer seiner Tochter abgespielt hatte.

Er blieb noch einmal stehen und sah Keymis an. Dann griff er plötzlich zu und zog den Friedensrichter zu sich heran.

„Ich erschlage dich persönlich mit meinem Holzbein, du Hund, wenn du Gwen auch nur ein Haar gekrümmt hast“, sagte er und schleuderte Keymis von sich. Dann stelzte er mit Dan davon, und sein Gesicht verhieß nichts Gutes.

Kurz vor Sonnenaufgang erhob sich Hasard. Sofort war ihm die Sache mit Keymis wieder gegenwärtig, und er stieß eine Verwünschung aus. Er haßte derartige Zwischenfälle aus tiefster Seele, aber er wußte auch, daß er diesmal hart durchgreifen mußte, wenn er vor seiner Crew nicht das Gesicht verlieren wollte.

Noch vor dem Einschlafen hatte er lange über das nachgegrübelt, was jetzt stattfinden sollte: das Bordgericht. Ihm war die Wahnsinnstat des Friedensrichters völlig unverständlich. Der Mann mußte doch gewußt haben, was er sich dabei einhandelte. Und daß man ihn erwischen würde, das war von Anfang an sicher. Er konnte doch nicht davon ausgegangen sein, daß ausgerechnet Gwen sich mit ihm einlassen würde.

Der Seewolf schüttelte den Kopf, während er seine Kammer verließ, um sich an Deck mit ein paar Pützen Seewasser über den Kopf den Schlaf zu vertreiben. Es blieb eigentlich nur noch die Möglichkeit, daß dieser Dreckskerl sich für unantastbar hielt. Wie schief er damit lag, das würde er schon noch begreifen. Dennoch war sich Hasard darüber im klaren, daß Keymis ihm in England bestimmt erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde.

Er betrat die Kuhl, ging zum Hauptdeck hinunter, wo er den Kutscher schon rumoren sah.

„Gib mir das Ding mal her, Kutscher“, sagte er und nahm dem Smutje und Feldscher der „Isabella“ den Holzeimer weg, mit dem der gerade Wasser schöpfen wollte.

Hasard warf den Eimer, der an einem Tau hing, in Lee über Bord, zog ihn herauf, streifte die Hose herunter und warf sie dem Kutscher zu. Dann schüttete er sich das kalte Seewasser über den Körper. Noch dreimal wiederholte er die Prozedur, dann zog er sich wieder an. Seine sonnengebräunte Haut glänzte, wenn er sich bewegte, spielten die Muskelstränge.

„Weck die anderen, Kutscher. Alle Mann an Deck. Sag Ben, er soll die ‚Isabella‘ beidrehen lassen. Dann soll er zu mir in die Kammer kommen und Carberry, Ferris, Big Old Shane und Smoky mitbringen. Los, beeil dich. Sorge dafür, daß Keymis sein Frühstück kriegt, er wird es brauchen.“

Der Kutscher nickte grinsend. Gleich darauf schallte seine Stimme über Deck, und es war erstaunlich, welche Lautstärke sie entwickelte.

„Alle Mann an Deck. Macht schon, schwingt eure Ärsche aus der Miefmulde, oder Carberry wird euch die Haut in Streifen von euren Affenärschen abzie ...“

Eine harte Hand packte den Kutscher im Genick. Der Kutscher ließ vor Schreck die Pütz fallen, denn die Hand begann ihn gehörig zu beuteln.

„Hör mal zu, du halbe Portion. Wenn du nicht gleich deinen Rand hältst, werde ich mich mal eingehend um deinen Affenarsch kümmern, klar? Und hinterher weißt du kalfaterter Klabautermann nicht mehr, wo Luv und Lee ist!“

Ed Carberry ließ den Kutscher los und grinste ihn aus seinem narbenübersäten Gesicht an.

Der Kutscher stieß eine Verwünschung aus, klaubte seinen Eimer auf und senkte ihn über Bord. Dann verschwand er mit der vollen Pütz blitzartig in seiner Kombüse.

„He, wenn du lausige Kakerlake etwa damit unseren Kaffee kochen willst, holt dich der Teufel, mein Junge, und der wird mir verdammt ähnlich sehen!“ grölte Carberry hinter ihm her und schüttelte sich vor Lachen. Andere Männer fielen ein, aber Carberry ließ ihnen keine Zeit.

„An die Brassen, Männer, klar bei Halse. Los, los, oder ich werde euch schon wachpurren! Und vergeßt nicht, euch zu waschen, ihr Hammel, ihr stinkt ja wie eine Herde von Kapaffen!“

Ben trat auf ihn zu.

„Gut, daß du da bist, Ben“, sagte Carberry zu dem Bootsmann. „Übernimm jetzt, ich will mich für den bevorstehenden Staatsakt ein bißchen herrichten. Ich denke, dieses Schwein von Friedensrichter wird seine Freude am Seewolf haben.“

Ben Brighton nickte, aber im Gegensatz zu Carberry wirkte er ernst an diesem Morgen. Er dachte daran, daß sie schon einmal ein Bordgericht abgehalten hatten, und dann war der Kopf Sir Doughtys auf die Planken gerollt. Diese Szene ging ihm auch jetzt noch nach.

Die Männer an den Brassen zogen die Rahen herum, das schwere Schiff luvte an, drehte weiter und weiter und verlor an Fahrt.

Die großen Segel begannen zu killen, lautes Knattern übertönte für einen Moment jedes andere Geräusch an Bord und steigerte sich dann zu donnerndem Knallen. Danach standen die Segel back, die „Isabella“ glitt nur noch langsam durch die blaugrüne See.

Ben Brighton beobachtete die Segel und die Fahrt des Schiffes genau. Dann scheuchte er die Männer in die Takelage.

„Runter mit dem Tuch!“ brüllte er. „Der Teufel soll euch alle holen, wenn ihr nicht fertig seid, ehe das Schiff über das Heck davonsegelt!“

Ein Grinsen überzog sein wettergegerbtes Gesicht, als er sah, wie blitzschnell die Segel aufgegeit und dann mittels der Zurrings an den Rahen festgelascht wurden.

Ben Brighton wußte nicht genau, warum der Seewolf das Beidrehen befohlen hatte. Normalerweise hätte die „Isabella“ auch während des Bordgerichts ruhig weiterlaufen können. Aber Ben ahnte Schlimmes, denn für dieses Vergehen, dessen der Friedensrichter sich schuldig gemacht hatte, gab es nur eine Strafe.

Die „Isabella“ verlor auch den Rest von Fahrt und lag schließlich still im Wasser. Ankern konnten sie nicht, das Wasser war an dieser Stelle viel zu tief. Rund tausend Faden Wasser unter dem Schiff – soviel Ankertrosse hatte keine Galeone der Welt. Daher würde die „Isabella“ langsam vom Wind in Richtung Mona Passage getrieben werden, genau richtig also.