Sehnsüchtiges Verlangen in der Stadt der Liebe - Sophie Pembroke - E-Book

Sehnsüchtiges Verlangen in der Stadt der Liebe E-Book

Sophie Pembroke

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Beschreibung

Nach einem Schicksalsschlag vergräbt Victoria sich in ihre Arbeit. Gefühle – oder gar Liebe – will die Antiquitätenhändlerin nie wieder zulassen. Bis Finn Clifford, ein Freund aus Jugendtagen, ihre Hilfe beim Aufspüren alter Familien-Erbstücke braucht. Zum ersten Mal spürt die junge Witwe in seiner Nähe wieder sehnsüchtiges Verlangen. Kann sie bei einer gemeinsamen Reise nach Paris ihren Schmerz überwinden und ihr Herz noch einmal öffnen? Doch die Erinnerung an ihre verlorene Liebe lässt Victoria nicht los!

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Sophie Pembroke Originaltitel: „Their Second Chance Miracle“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 172022 08/2022 Übersetzung: Anike Pahl

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751509916

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Es war lange her, seit Finn Clifford zum letzten Mal über die gepflasterten Straßen des Dorfes Wishcliffe geschlendert war. Und jetzt hatte er eine ganz besondere Mission. Endlich war er dem großen Ziel nahe, das ihn in den letzten zehn Jahren angetrieben hatte.

Aufgewachsen in Clifford House, nur weniger als eine Meile von hier entfernt, hatte er seine Zeit früher oft mit seinem besten Freund Toby Blythe verbracht und versucht, im King’s Arms Pub illegal an Bier zu kommen. Aber inzwischen war Finn erwachsen und schon über dreißig, woran ihn Toby – mittlerweile auch sein Geschäftspartner – gern mit einem Schmunzeln erinnerte. Er war ein grandioser Geschäftsmann, ein Erfolgsmensch und weit entfernt von dem unreifen Jungen, der er einmal gewesen war.

Dennoch zuckte er nervös zusammen, als er die alte, gebeugte Gestalt von John Yarrow Pfeife rauchend auf seiner üblichen Bank vor dem King’s Arms sitzen sah.

„Finn Clifford, so wahr ich lebe und atme“, rief John ihm über die Straße hinweg zu, wobei sein Atem als Wolke in der kalten Luft hing. „Ist eine Weile her. Ich hoffe, du bist nicht auf Ärger aus?“

„Keinen Ärger, Sir“, rief Finn automatisch zurück. „Ich bin sozusagen auf einer Mission.“

Johns Blick war abschätzend. „Klingt, als könntest du dabei in Schwierigkeiten geraten.“

„Wahrscheinlich“, gab Finn zu. „Aber es wird sich trotzdem lohnen.“

„Hmm.“ John zog an seiner Pfeife, dann nickte er. „Gutes Gelingen.“

Finn beschleunigte sein Tempo.

Die schwache Januarsonne hatte es kaum über die Dächer der kleinen Häuschen geschafft, die die Straßen hinunter zum Meer säumten. Im Sommer war das Dorf voller Einheimischer, Touristen und Tagesausflügler aus den umliegenden Städten, die alle auf der Suche nach dem erholsamen Küstencharme waren, den Wishcliffe in Hülle und Fülle bot. Aber heute war der Ort verlassen, und einige Geschäfte hatten nicht einmal geöffnet.

Von der Kreuzung im Zentrum des Dorfes aus, wo High Street und Water Street zusammentrafen, konnte Finn den gelben Schein der Lampen im Schaufenster und das rostige Metallschild des Ladens sehen, zu dem er wollte.

Er hielt einen Moment inne und atmete die salzige Luft ein, bis seine Lungen schmerzten. Ein Teil von ihm wollte zu dem kleinen Parkplatz an der Kapelle zurückkehren, wo er sein Auto abgestellt hatte. Aber das wäre nicht im Sinne seiner Mission. Und er war in den letzten Jahren zu weit gekommen, um jetzt aufzugeben.

Dies war die letzte Etappe eines jahrzehntelangen Racheplans. Er konnte jetzt nicht aufhören, selbst wenn er es wollte.

Außerdem war Nein das Schlimmste, was sie sagen konnte.

Entschlossen ging Finn weiter und stieß die Tür zu Wishcliffes Antiquitäten und Sammlerstücke auf, ohne auch nur einen Blick durch das Fenster zu werfen.

Victoria sah hoch, als die Glocke über der Tür bimmelte, und Finn spürte, wie sein Herz plötzlich ganz oben im Hals klopfte. Im trüben Licht der bunten Glaslampenschirme, die in den Regalen um sie herum lagen, wirkte sie schöner denn je.

Ihr seidiges dunkles Haar hatte sie zu einem einfachen Pferdeschwanz im Nacken zusammengebunden, und die schmal geschnittene schwarze Jacke betonte ihre wunderbare Figur. Sie war dünner geworden, und ihre Augen wirkten ein wenig zu groß in dem hübschen Gesicht. Vielleicht lag das aber auch an den Schatten darunter, die das Make-up nicht ganz verdeckte. Aber für ihn hatte sie noch nie schöner ausgesehen.

Hör auf zu starren, ermahnte er sich. Sie gehört zu Barnaby. Für immer.

Darum durfte er ihr nie zeigen, wie toll er sie fand. Damit hatte er sich eigentlich auch schon vor Jahren abgefunden, in jenem ersten Sommer, als Tobys älterer Bruder Barnaby sie nach Wishcliffe gebracht hatte. Die beiden hatten sich an der Universität kennengelernt.

Finn hatte sich auf der Stelle in Victoria verliebt – oder sie zumindest begehrt. Und er hatte vom ersten Augenblick an gewusst, dass er Victoria niemals seine Gefühle gestehen durfte. Also hatte er es gelassen, all die fünfzehn Jahre. Barnaby war auch für Finn wie ein großer Bruder gewesen, und er hätte niemals etwas getan, um dieses Verhältnis zu gefährden.

Nicht einmal jetzt, wo Barnaby nicht mehr lebte.

„Finn!“ Victorias Lächeln sah gezwungen aus, aber das war im Grunde keine Überraschung. „Wie schön. Was kann ich für dich tun?“

Das war ihr professioneller Geschäftstonfall, wie Finn sofort erkannte. Den hatte sie vor dem Tod ihres Mannes regelmäßig als Gutsherrin, als Viscountess Wishcliffe, bevor Toby sie im letzten September abgelöst hatte. Er war nach Hause gekommen, um den Titel seines älteren Bruders als Viscount zu übernehmen, und er hatte seine amerikanische Braut Autumn mitgebracht.

Allerdings hatte sie nie mit Finn in diesem Ton gesprochen, da er für sie alle wie ein Familienmitglied gewesen war. Bis jetzt.

„Toby hat mir erzählt, dass du hier arbeitest“, erwiderte er, ohne auf ihre Frage zu antworten. Noch nicht. „Ich musste es mit eigenen Augen sehen, um es zu glauben.“

Victoria schien verblüfft. „Warum? Ich habe einen Abschluss in Kunstgeschichte und einen Master in Kunstwirtschaft sowie mehrere Jahre Erfahrung in verschiedenen Auktionshäusern. Was ist so unglaublich daran, dass ich in einem Antiquitätengeschäft arbeite?“

Offensichtlich hatte er sie auf dem falschen Fuß erwischt. Warum nur konnte er in ihrer Gegenwart nie ein Blatt vor den Mund nehmen?

„Ich hatte einfach vergessen, dass du in der Stadt arbeitest.“ Das war eine Lüge. Finn glaubte nicht, dass er irgendetwas über Victoria vergessen hatte, seit sie sich kennengelernt hatten.

Damals war sie bis zur Geburt ihres Sohnes Harry mit Barnaby zwischen Wishcliffe und London gependelt. Dann war Tobys und Barnabys Vater gestorben und der erstgeborene Sohn hatte den Familientitel übernehmen müssen. Als Viscountess hatte Victoria jahrelang alle Hände voll zu tun gehabt, um das Anwesen vor dem Untergang zu bewahren.

Aber das war nun die Aufgabe von Toby und Autumn, und Victoria kehrte offenbar zurück zu ihren Wurzeln.

„An deiner Qualifikation habe ich keine Zweifel“, murmelte er.

„Ich bin schon lange aus meinem Beruf raus, aber Joanne brauchte Hilfe im Laden, also war es für uns beide eine gute Lösung, dass ich hier anfange.“

„Gut für dich.“ Finn setzte sich auf die Ecke eines alten Eichenbretts, bis Victoria ihn vielsagend anfunkelte und er sich langsam wieder aufrichtete. „Eigentlich wollte ich mit dir über Antiquitäten sprechen.“

Sie hob die Augenbrauen, ihre Überraschung war deutlich zu sehen. „Ernsthaft? Ich habe deine Londoner Wohnung gesehen, Finn. Da gibt es nichts, was älter als ein Jahr ist.“

Eine leichte Übertreibung, aber er musste zugeben, dass er in seiner Wohnung eher modernere Ästhetik bevorzugte. „Es ist nicht für London, sondern für Clifford House.“

Victorias Augen weiteten sich, während sie sich über den Verkaufstisch beugte. „Du hast es also wirklich getan? Du hast Clifford House zurückgekauft?“

Niemand hatte ihm das zugetraut, nicht einmal seine engsten Freunde. Das Anwesen gehörte von Rechts wegen ihm. Es war über viele Generationen hinweg jeweils an den ältesten Sohn der Cliffords weitergegeben worden und gleichzeitig der Ort, an dem er geboren und aufgewachsen war, voller glücklicher Kindheitserinnerungen. Und es war der Ort, an dem er seine Mutter zum letzten Mal lebend gesehen hatte.

Clifford House gehörte zu ihm, auf ewig. Und jetzt, endlich, war diese Tatsache auch vor dem Gesetz wieder offiziell.

Er nickte stolz. „Das habe ich, und es war erst der Anfang.“ Es hatte ein Jahrzehnt gedauert, das Geld zu verdienen und den Rückkauf zu arrangieren. Zehn Jahre seit dem Tag, an dem er erfahren hatte, dass sein eigener Vater das Haus verkauft hatte, nur um zu verhindern, dass es jemals in Finns Hände fiel. Nicht nur das riesige Anwesen, sondern auch jedes Erbstück darin … jedes Andenken, jedes Möbelstück, das dazugehörte.

Falls es das Ziel seines Vaters gewesen war, Finn daran zu hindern, nach seinem Tod jemals Lord in Clifford House zu werden, so hatte der alte Mann versagt. Und Finn hatte die feste Absicht, ihm dieses Scheitern unter die Nase zu reiben.

„Der Anfang?“, fragte Victoria. „Was kommt als Nächstes?“

„Als Nächstes muss ich all die alten Erbstücke und Antiquitäten zurückkaufen, um die Räume wieder zu füllen. Und da kommst du ins Spiel.“

Victoria starrte Finn an und sah das triumphierende Lächeln … und das Feuer in seinen Augen.

Natürlich. Er war nur zu ihr gekommen, weil er ihre Hilfe brauchte. Das ergab Sinn. Oder vielleicht hatte Toby ihn dazu angestiftet, sich einen Mitleidsjob einfallen zu lassen, um die arme Victoria zu beschäftigen, nachdem sie ihm und Autumn das Anwesen übergeben hatte.

Dabei wollte sie eigentlich ganz von hier wegziehen. Nach dem schrecklichen Segelunfall, bei dem ihr Mann und ihr Sohn ums Leben gekommen waren, war sie noch ein ganzes Jahr lang in dem riesigen Haus mit all seinen Erinnerungen geblieben und hatte die Pläne weiterverfolgt, die sie und Barnaby seinerzeit gemeinsam geschmiedet hatten. Alles in dem verzweifelten Versuch, das Anwesen wieder in die schwarzen Zahlen zu wirtschaften.

Auf diese Weise hatte sie ihrem Schwager Toby die Zeit gegeben, die er brauchte, um seine geschäftlichen Angelegenheiten zu regeln und schließlich den Titel des Viscounts zu übernehmen – von dem er nie gedacht hätte, dass er ihm zufallen würde.

Victoria hatte sich bereitwillig zurückgezogen, um Autumn ihren rechtmäßigen Platz als Viscountess einnehmen zu lassen, während sie ihre neugewonnene Freundin dabei unterstützte. Sie war von Wishcliffe House in ein kleines Häuschen am Rande des Dorfes umgezogen, direkt am Meer. Anschließend hatte sie sich einen Job gesucht und ein völlig neues Leben begonnen.

Toby und Autumn bestanden immer noch darauf, sie jede Woche zum Abendessen ins Haupthaus einzuladen, und beide fanden, dass Victoria mehr im Leben verdient hatte. Mehr Freude, Abenteuer und Herausforderungen.

Was keiner von ihnen zu verstehen schien, war, dass sie all das schon gehabt hatte. Die wahre Liebe, den Märchenprinzen und die perfekte Familie – liebevolles Glück bis ans Ende ihrer Tage. Und dann war alles plötzlich vorbei gewesen.

Victorias Leben war ein Traum gewesen, von dem Moment an, als sie Barnaby kennengelernt hatte, bis zu dem Augenblick, als sie ihn und ihren Sohn verloren hatte. Ihr Glück war tiefer Trauer gewichen. Alles, was sie sich jetzt noch wünschte, war ein ruhiges, zufriedenes und selbstbestimmtes Leben. War das zu viel verlangt?

Anscheinend schon, denn jetzt war Finn hier, und zwar mit einem riesigen Projekt, für das er unbedingt ihre Hilfe brauchte. Als ob es nicht hundert Antiquitätenhändler in London gäbe, die diese Chance liebend gern ergreifen würden.

„Toby hat dich dazu angestiftet, stimmt’s?“, vermutete sie.

Finn sah ehrlich verblüfft aus. „Nein. Ich habe noch nicht mit ihm darüber gesprochen. Wir treffen uns später im Clifford House. Ich wollte zuerst dich an Bord holen.“

„Ich soll glauben, dass du nach einem Jahr Abwesenheit ohne Vorankündigung zurückkommst und mich bittest, deinen kleinen Rache-Einkaufstrip mit zu organisieren?“

„Das ist kein Rachetrip“, verteidigte er sich, doch Victoria hob zweifelnd die Augenbrauen. „Na gut, es ist einer. Aber können wir es nicht wenigstens anders nennen? Zum Beispiel Erbschaftsrückführungsprojekt?“

Über das Jahr der Abwesenheit verlor er kein Wort, was Victoria nicht überraschte. Finn war nicht der einzige Freund, der aus ihrem Leben verschwunden war, nachdem sich ihre Lebensumstände geändert hatten. Die Leute wussten nicht, wie sie mit einer dreiunddreißigjährigen Witwe umgehen sollten, die nicht nur ihren Mann, sondern auch noch ihr einziges Kind verloren hatte. Die Umstände waren einfach zu grausam und traurig, also blieben sie weg.

Joanne, die Besitzerin des Antiquitätenladens, hatte ihr geholfen, den Kummer zu verarbeiten. Denn auch sie hatte ihren Mann bei einem Unfall verloren. Sie war Ende vierzig und nach Wishcliffe gezogen, um den mitleidigen Blicken und den frustrierenden Blind Dates zu entgehen. Die Leute geraten in Panik, wenn du alleinstehend bist, hatte sie zu Victoria gesagt. Jeder versucht, dich zu reparieren und ein neues Leben für dich zu gestalten. Oder sie halten sich fern, als könnte das, was dir passiert ist, ansteckend sein. In jedem Fall denken sie an sich selbst und nicht an dich. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, und ignoriere alles andere, okay?

Joanne war eine enge Freundin geworden, lange bevor sie ihre Chefin wurde. Victoria rechnete es ihr hoch an, dass sie ihr geholfen hatte, sich in ihrer neuen Situation zurechtzufinden. Von nun an wollte sie ihr Leben friedlich gestalten.

Finn Cliffords Leben war alles andere als friedlich, wie es den Anschein hatte. Schon bevor sein Vater Clifford House samt Inventar verkauft hatte, um zu verhindern, dass es in die Hände seines Sohnes fiel, hatten die Menschen in Wishcliffe und Umgebung von dem Familiendrama gewusst. Von Finns Mutter, die das Haus verlassen hatte, als er noch ein Kind war, nur um ein Jahr später bei einem Autounfall mit ihrem Liebhaber ums Leben zu kommen. Die ganze hässliche Wahrheit, bis hin zu den Prügeleien zwischen Vater und Sohn, bei denen mehr als einmal die Polizei gerufen werden musste.

Finns Leben war definitiv höchst dramatisch verlaufen. Und das war etwas, womit Victoria nichts zu tun haben wollte.

„Das wird super“, versprach er, da er offensichtlich schon ahnte, dass sie sein Angebot am liebsten ablehnen würde. „Wie eine Schatzsuche. So sollten wir es nennen! Meine Erbschaftsschatzsuche. Wir werden all die Dinge zurückkaufen, die mein Vater weggegeben hat, und ihm unseren Erfolg anschließend auf die Nase binden. Das wird großartig!“

„Für dich vielleicht.“ Victoria schüttelte den Kopf. „Ist dir überhaupt klar, was du da verlangst, Finn? Das bedeutet monatelange Recherchen, Reisen, extrem viel Arbeit. Darauf habe ich keine Lust. Und außerdem glaube ich nicht, dass diese Konzentration auf Rache gut für dich ist. Du hast schon das Haus gekauft. Reicht dir das nicht?“

„Nein“, erklärte Finn mit kalter Stimme. „Es ist nicht genug. Aber ich brauche für den Rest deine Hilfe. Bitte, Victoria!“

Damit hatte er sie fast umgestimmt. Außerdem gefiel ihr der Gedanke, wieder gebraucht zu werden. Einen Sinn zu haben, der über ihren ruhigen, sicheren Alltag hinausging. Dennoch …

„Es tut mir leid, Finn. Ich kann nicht.“ Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Ich habe hier Verpflichtungen und einen Job bei Joanne, da kann ich nicht einfach mit dir auf Schatzsuche gehen.“

Auch wenn ein kleiner, geheimer Teil von ihr, der lange still gewesen war, beim Gedanken an ein neues Abenteuer wieder zu Leben erwachte.

Seine Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, aber er bedrängte sie nicht weiter.

„Ich verstehe.“ Finn griff über den Tresen und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. „Pass auf dich auf, Victoria. Und lass es mich wissen, falls du deine Meinung änderst.“ Ohne ein weiteres Wort verließ er das Geschäft und ging zurück auf die Water Street.

„Das werde ich nicht“, flüsterte sie sich selbst zu, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.

„Super, was du aus diesem Haus nicht gemacht hast, Finn“, scherzte Toby, und die Stimme seines besten Freundes hallte durch die leeren Räume von Clifford House.

Finn wandte sich vom Fenster ab und schenkte Toby ein schiefes Lächeln, als dieser sich zu ihm in den ehemaligen Ballsaal gesellte: einem riesigen offenen Raum mit Holzfußboden und großen Fenstern, die auf die Terrasse hinausgingen. Er erinnerte sich vage daran, dass dort einmal ein großes Fest stattgefunden hatte, aber das musste lange vor dem Weggang seiner Mutter gewesen sein. Viele Erinnerungen hatte er nicht mehr an diese Zeit. Nur das Bild von wirbelnden Kleidern und Musik und die Tatsache, dass er damals lange aufbleiben durfte.

Auch andere Dinge kamen ihm wieder in den Sinn. Wie er mit seiner Mutter in ihrem Lieblingsgarten saß und gemeinsam Märchen erfand. Wie sie Weihnachten gemeinsam Minzkuchen backten und sich nach dem Spielen im Schnee mit heißer Schokolade vor dem Kamin einkuschelten. Alles in der wunderbaren Gewissheit, dass er geliebt wurde.

An diese Erfahrungen wollte er denken, nicht an den Stress mit seinem gewalttätigen Vater. Das Zusammensein mit seiner Mutter war der Grund, warum dieser Ort so wichtig für Finn war. Das wollte er sich nicht von seinem Vater wegnehmen lassen.

„Nun, du wolltest es sehen.“ Finn breitete seine Arme aus, um die große Leere des alten Herrenhauses zu erfassen. „Schau dich nur um!“

„Nicht ganz so, wie ich es in Erinnerung habe“, bemerkte Toby. „Ich meine, mich daran zu erinnern, dass hier früher Möbel standen.“

„Ich arbeite daran. Komm mit, wenigstens die Küche habe ich schon zum Laufen gebracht.“ Er führte Toby durch das Gewirr und ignorierte den leeren Platz, an dem früher der alte Bauernhoftisch gestanden hatte. Stattdessen wies er auf einen der billigen Stühle neben einem klapprigen Picknicktisch. „Kaffee? Oder Bier?“

„Gern Kaffee“, antwortete Toby und sah sich in dem Raum um. „Also, was steht als Erstes auf eurer Agenda?“

Finn schaltete den Wasserkocher ein. Er musste hier schnellstens eine richtige Kaffeemaschine aufstellen lassen. „Das kommt darauf an“, murmelte er. „Ich hatte das Glück, dass die Vorbesitzer es nur geschafft haben, das Haus in Ordnung zu bringen und die Fassade zu streichen, bevor ihnen das Geld ausging und sie verkaufen mussten. Anscheinend war es eine ruinöse Geldanlage für mindestens drei andere Familien, seit mein Vater es verkauft hat.“

„Du hast also eine leere Leinwand und kannst diesen Ort zu deinem eigenen machen.“

Toby klang sogar ein bisschen neidisch, zumindest kam es Finn so vor.

„Was würde ich nicht manchmal dafür geben, in Wishcliffe neu anzufangen. Ich glaube, in einigen Ecken gibt es Spinnennetze, die älter sind als ich.“ Sein Freund seufzte.

„Das meinst du nicht ernst.“ Für Finn war Wishcliffe House immer der Inbegriff von Gemütlichkeit und einladender Wärme gewesen. Mit seinem prasselnden Kaminfeuer im Winter, dem Apfelmost frisch aus dem Obstgarten und den warmen Keksen, die gerade aus dem Ofen kamen, war es der einzige Ort, an dem Finn nach dem Tod seiner Mutter gern seine Schulferien verbracht hatte. „Außerdem würde Mrs. Heath es niemals zulassen, dass eine Spinne unter ihrer Aufsicht lebt.“

„Stimmt.“ Toby lächelte schief bei der Erinnerung an seine erschreckend effiziente Haushälterin und Putzfee. „Aber weißt du, dass es bei uns keinen einzigen Einrichtungsgegenstand gibt, den Autumn und ich selbst ausgesucht hätten? Das sind alles Erbstücke. Aber hier …“

Er brach ab, vielleicht weil er merkte, dass er sich auf unangenehmes Terrain begab.

„Hier hat mein Vater alle unsere Familienerbstücke verkauft, damit sie niemals mir gehören“, sagte Finn verbittert. „Aber der Witz geht auf seine Kosten, denn ich werde sie mir zurückholen.“

Toby blinzelte. „Was? Alle von ihnen? Ist das nicht ein bisschen ehrgeizig gedacht?“

Finn hatte den starken Verdacht, dass sein Kumpel ehrgeizig gesagt, aber verrückt gemeint hatte. „Gut. Vielleicht nicht alle. Aber die wichtigen will ich aufspüren und zurückkaufen. Was den Rest des Hauses betrifft, werde ich es nach meinem Geschmack weiter einrichten, bis es wieder aussieht, wie es war, bevor mein Vater den Verstand verlor.“ Und dann würde er den alten Mann zurück nach Clifford House bringen und ihm zeigen, dass er sein grausames Spiel verloren hatte. Dass Finn alles bekommen hatte, was ihm zustand, und es nichts gab, was der Alte dagegen tun konnte.

Toby warf Finn einen besorgten Blick zu. „Glaubst du nicht, dass es ausreicht, das Haus zurückzukaufen? Ich meine, das war es doch, worauf du dich immer konzentriert hast. Worauf du all die Jahre hingearbeitet hast. Kannst du es nicht … ich weiß nicht … einfach genießen?“

Der alte Lord Clifford hatte alles getan, um seinem einzigen Sohn das Leben schwer zu machen. Er hatte ihm weggenommen, was ihm von Rechts wegen zustand, und ihn überall schlecht gemacht. Bei jedem Vorstellungsgespräch, das Finn nach seinem Studium in Oxford geführt hatte, war er auf der anderen Seite des Schreibtischs von jemandem mit einem wissenden Blick begrüßt worden. Jemandem, der seinen Vater kannte oder die Gerüchte gehört hatte. Finn Clifford galt gemeinhin als unzuverlässiger Versager. Das war einer der Gründe, warum Finn Toby davon überzeugt hatte, dass sie ihr eigenes Unternehmen gründen sollten – mit Toby als öffentlichem Gesicht der Firma, zumindest am Anfang.

Sein Vater hatte versucht, Finns ganzes Leben zu ruinieren. Also, nein. Es reichte nicht aus, nur das Haus zurückzubekommen, auch wenn das allein schon ein großer Teil seines Erfolgs war. Er musste seinem Vater beweisen, dass er ihn auf ganzer Linie besiegt hatte.

Finn schüttelte den Kopf. „Es ist nicht genug, Toby. Du weißt, was mein Vater getan hat und wie er ist. Ich muss ein größeres Zeichen setzen, sonst wird er sich immer als Sieger fühlen.“

„Stimmt.“ Toby nickte. „Okay, wenn wir das machen, werden wir Hilfe brauchen.“

„Wir?“

„Du bist mein bester Freund. Was du vorhast, klingt zwar ein bisschen zwanghaft und verrückt. Aber du hast zu mir gestanden, als ich in Vegas versehentlich eine Frau geheiratet habe, die ich gar nicht kannte. Dann lasse ich dich jetzt natürlich auch nicht im Stich.“

„Und sieh nur, wie gut die Sache in Vegas für dich und Autumn ausgegangen ist“, lachte Finn. Die beiden waren nicht nur immer noch verheiratet, sondern planten auch eine Frühlingszeremonie und eine große Party, um ihre Ehe mit all ihren Freunden in Wishcliffe zu feiern. „Vielleicht wird das hier erfolgreicher, als du denkst.“

„Vielleicht.“ Toby klang nicht überzeugt. „Aber du wirst trotzdem mehr Hilfe brauchen als nur mich. Ich habe nicht die geringste Ahnung von Antiquitäten.“ Die offensichtliche Erleuchtung kam genauso schnell, wie Finn es von seinem Freund erwartet hatte. „Victoria! Sie ist die Antiquitätenexpertin. Und ich mache mir ein wenig Sorgen um sie. Immerhin ist sie es gewohnt, ein ganzes Anwesen zu leiten, da ist sie in dem kleinen Dorfladen echt unterfordert. Dies könnte das perfekte Projekt sein, um sie wieder zu motivieren!“

„Sie hat schon Nein gesagt“, unterbrach Finn ihn und beobachtete, wie Tobys Begeisterung augenblicklich erlosch.

„Du hast schon mit ihr gesprochen?“

Finn nickte. „Heute Morgen. Sie ist nicht interessiert.“

Tobys Gesicht verfinsterte sich. „Weil sie an nichts mehr interessiert ist. Autumn versucht immer wieder, sie in die Planungen für unsere Hochzeitsfeier einzubeziehen, und ich habe sie gefragt, ob sie sich an einigen der neuen Projekte auf dem Anwesen beteiligen möchte. Aber sie findet immer wieder Ausreden, um nicht mitzumachen.“

Damit wollte sie wahrscheinlich einen Schlussstrich ziehen zwischen dem Leben, das sie verloren hatte, und dem, das sie nun lebte. Aber Finn sah, wie besorgt Toby um sie war.

„Was soll ich deiner Meinung nach also tun?“

„Bleib an ihr dran!“, riet ihm Toby. „Lass sie nicht einfach alles aufgeben, was ihr einmal wichtig war. Okay? Frag weiter, bis sie Ja sagt.“