Sei nicht so hart zu dir selbst - Andreas Knuf - E-Book
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Sei nicht so hart zu dir selbst E-Book

Andreas Knuf

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  • Herausgeber: Kösel
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

„Ich würde mich gern lieben, wenn ich nur anders wäre“. Kaum jemand geht so streng und unfreundlich mit sich um wie wir selbst. Der Psychotherapeut und Erfolgsautor Andreas Knuf zeigt, wie wir mithilfe des Selbstmitgefühls mit der ständigen Selbstverurteilung aufhören und schmerzhafte Erfahrungen besser tragen können. Mit Selbstmitgefühl wird eine Haltung sich selbst gegenüber bezeichnet, die von Freundlichkeit, Achtsamkeit und einem Wissen um das zum menschlichen Leben gehörige Leiden gekennzeichnet ist.

Andreas Knufs Buch bietet einen sehr konkreten und alltags- und übungsorientierten Weg, um Selbstmitgefühl zu kultivieren. Es zeigt, warum Selbstmitgefühl wichtiger ist als das zumeist hochgelobte Selbstwertgefühl. Neben konkreten Übungen werden auch Strategien und Formen der Selbstreflexion vermittelt, die als Routinen in den Alltag eingebaut werden können.

Eine konkrete, alltags- und übungsorientierte Anleitung, wohlwollend mit sich selbst umzugehen, und damit deutlich entspannter und besser durchs Leben zu gehen.

  • Warum Selbstmitgefühl wichtiger ist als Selbstwertgefühl
  • Die frische und unterhaltsame Stimme in der Achtsamkeitsszene

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Seitenzahl: 236

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Über das Buch

Kannst du dir Schwächen und Fehler eingestehen, ohne dich schlecht zu fühlen? Kannst du dich selbst annehmen, mit all deinen Eigenschaften, ohne sie ändern zu wollen?

Andreas Knuf zeigt, wie wir aufhören können, überkritisch mit uns umzugehen, und stattdessen lernen, Mitgefühl für uns selbst zu entwickeln. Das heißt nicht, dass wir uns ganz toll finden oder alles an uns lieben müssten. Es bedeutet, dass wir uns so annehmen, wie wir sind – mit all unseren Empfindungen und ohne besser, dünner, dicker, erfolgreicher oder auf sonst irgendeine Weise anders sein zu müssen.

Das Leben wird entspannter sein, wenn wir endlich aufhören, gegen uns selbst anzukämpfen.

Andreas Knuf, geboren 1966, ist Diplompsychologe und Psychologischer Psychotherapeut. Er arbeitet in eigener Praxis in Konstanz und ist daneben in Fortbildung und Supervision tätig. Ausbildungen in Verhaltenstherapie, Körperpsychotherapie und Existentieller Psychotherapie. Zahlreiche Veröffentlichungen zu psychischen Erkrankungen, Selbsthilfeförderung und Achtsamkeit, 2010 erschien sein Bestseller: Ruhe da oben. Der Weg zu einem gelassenen Geist und 2013 Ruhe, ihr Quälgeister. Wie wir den Kampf gegen unsere Gefühle beenden können.

www.andreas-knuf.de

Andreas Knuf

SEI NICHT SO HART ZU DIR SELBST

Selbstmitgefühl in guten und in miesen Zeiten

Kösel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öff entliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Kösel-Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags für externe Links ist stets ausgeschlossen.

Copyright © 2016 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Weiss Werkstatt, München

ISBN 978-3-641-17822-2V002

www.koesel.de

Inhalt

Einleitung

TEIL 1: WAS IST SELBSTMITGEFÜHL?

Der ganz normale Wahnsinn: Wie wir mit uns selbst umgehen

Der Dauernörgler

Die Sollte-Tyrannei

Unfreundlich mit sich umgehen

Das Leben – eine Mühsal

Warum überhaupt Mitgefühl?

Kein Leben ohne Leiden

Netter Partner, liebe Kinder, schönes Haus

Das selbst geschaffene Leid

Fiese Gefühle

Smile or Die: die Gute-Laune-Maschine

Wer ist eigentlich Schuld?

Wer ist der Chef in uns?

Freier Wille ade

Wie viele bin ich?

Nichts gemacht und trotzdem schuld?

Mitgefühl mit sich selbst

Auf die Haltung kommt es an

Das Beruhigungs- und Sicherheitssystem

Viel wert oder wenig wert

Die Falle der Selbstliebe

Die Vorteile der Freundlichkeit

Wie entwickeln wir Selbstmitgefühl?

Selbstmitgefühlsmeditationen

TEIL 2: SELBSTMITGEFÜHL INS EIGENE LEBEN BRINGEN

Wie wir mit der Selbstverurteilung aufhören können

Dem Dauernörgler auf der Spur

Die Selbstverurteilungsfrage

Ein Gedanke ist ein Gedanke und keine Tatsache

Den Quälgeist verstehen

Die eigenen Spezialthemen entdecken

Den Quälgeist taufen

Wie wir schmerzliche Erfahrungen wahrnehmen und tragen können

Hiergeblieben statt: Nix wie weg!

Warum ist fühlen gut?

Gefühle und Selbstmitgefühl

Wie sich Gefühle durchfühlen lassen

Freundliche Sätze in schwierigen Zeiten

Wie wir uns mit Wohlwollen und Freundlichkeit begegnen können

Freundlich mit sich sprechen

Das Zauberwort »möge«

Die Selbstmitgefühlsfrage

Wenn sich nichts ändern muss

Wie Annahme gelingt

Unsere Bedürfnisse achten

Die Ja-Liste und die Nein-Liste

Überhöhte Ansprüche loslassen

Wie wir uns nicht isoliert, sondern verbunden fühlen können

Verbunden oder mutterseelenallein

Warum kommen die anderen mit allem besser zurecht?

Mehr Gemeinsamkeit, weniger Selbstverurteilung

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Intersein

Mitgefühl mit anderen

Was ist Mitgefühl?

Neid, Eifersucht, Schadenfreude & Co

Mitgefühl fördern

Trost statt Wegtrösten

Schluss

ANHANG

Ja zum Leben sagen. Ein Erfahrungsbericht von Alisia Denner

Ich gegen mich und gegen das Leben

Widerstände auflösen

Mich dem Leben öffnen

Holpriger Weg

Danksagung

Quellenangaben

Literatur und weitere Anregungen

Übungen für den Alltag

Sei nicht so hart zu dir selbst Es ist okay, wenn du fällstAndreas Bourani

EINLEITUNG

Unfreundlich mit sich selbst umzugehen, sich für kleine Unzulänglichkeiten harsch zu verurteilen oder ständig an der eigenen Person herumzunörgeln, ist das Volksleiden Nummer eins. Wir kritisieren uns für unsere Eigenschaften, vergleichen uns mit anderen und schneiden dabei meistens miserabel ab. Dann strengen wir uns unbändig an, um endlich so zu sein, wie wir uns gern hätten. Wir können selbst dann nicht freundlich mit uns umgehen, wenn wir es wirklich nötig hätten: in schwierigen Zeiten. Manchmal treten wir in besonders leidvollen Momenten sogar noch richtig nach, indem wir uns sagen: »Jetzt reiß dich endlich mal zusammen!«

»Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!«, diesen Grundsatz christlicher Ethik kennen wir alle. Aber mal ehrlich: Wollen wir andere Menschen tatsächlich so behandeln, wie wir mit uns selbst umgehen? Wer möchte seinem besten Freund all die kritischen Kommentare antun, mit denen wir uns das Leben von morgens bis abends schwer machen?

Wie viele Menschen kennen wir, die wirklich freundlich, wohlwollend und annehmend mit sich umgehen, die nicht erst schöner, klüger oder erfolgreicher werden müssen, bevor sie sich akzeptieren? Die genauso unvollkommen bleiben dürfen, wie sie sind? Mit den fünf Kilo zu viel, dem Hang zu Unordnung und den düsteren Augenblicken voller Traurigkeit oder Verzweiflung? Meine These wäre: Uns fallen nicht sehr viele Menschen ein.

Jeder von uns hat seine bevorzugten Nörgelthemen: Wir meinen, wir seien zu dick, nicht hübsch genug, nicht erfolgreich genug, nicht ehrgeizig genug, nicht sozial genug, nicht glücklich genug, nicht jung genug, nicht schnell genug, nicht organisiert genug oder nicht konsequent genug. Egal, worum es sich dabei handelt, all diese Themen haben eines gemeinsam: Wir sollten unbedingt anders sein, als wir sind!

Für unsere Unzulänglichkeiten geben wir in den meisten Fällen uns selbst die Schuld. Wir wissen schließlich genau, wie es anders laufen könnte. Wir müssten ja nur weniger essen, dann würden wir schlanker werden. Wir müssten nur engagierter arbeiten, dann wären wir erfolgreicher und könnten mehr Geld verdienen, oder wir müssten nur endlich mit der Selbstkritik aufhören, dann könnten wir ein zufriedeneres Leben führen. Wir wissen also, was zu tun ist, um ein besserer oder perfekterer Mensch zu werden, aber wir tun es nicht. Denn wir sind schlichtweg zu bequem. Deswegen sind wir schon wieder nicht joggen gegangen. Wir bringen nicht genug Selbstdisziplin auf und haben schon wieder ein Glas zu viel getrunken. Also ist doch klar, dass wir so, wie wir sind, nicht okay sind und hart an uns arbeiten müssen, damit wir unser Sportpensum schaffen oder endlich einen geduldigeren Umgang mit unseren Kindern hinbekommen.

Zu allem Überfluss vergleichen wir uns auch noch mit anderen Menschen und kommen nicht selten zu dem Ergebnis, dass die es besser raushaben als wir. Oft wirken die anderen von außen betrachtet so, als hätten sie ihr Leben besser im Griff. Wir gehen dann auf eine Geburtstagsparty und fühlen uns minderwertig, weil dort viel mehr Gäste sind als auf unserer Party. Irgendwie sind die anderen immer hübscher, schlanker, erfolgreicher oder glücklicher als wir. Die Folge dieser Besessenheit, sich mit allen zu vergleichen, ist klar: Wir fühlen uns dabei ziemlich mies.

Oft bekommen wir diesen Terror an Selbstkritik gar nicht bewusst mit. Er ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir nicht einmal mehr merken, was wir uns tagtäglich antun. Was wir jedoch wahrnehmen, sind die verheerenden Folgen dieser Dauerkritik: Anspannung, ein Erleben von Anstrengung und Erschöpfung, Gereiztheit und eine diffuse Unzufriedenheit gehören dazu. Dummerweise geben wir uns auch für diese Empfindungen oft wieder selbst die Schuld: »Warum bist du nur so angespannt, sei doch mal locker!«

Es gibt einige ganz typische Situationen, in denen diese Unfreundlichkeit mit uns selbst deutlich wird. Stellen wir uns einfach vor, uns ist heute Morgen beim Ausparken ein Missgeschick passiert: Eine Sekunde waren wir unaufmerksam und schon haben wir die kleine Mauer am Straßenrand erwischt. Erst sah der Schaden gar nicht so schlimm aus, aber der nette Herr in der Werkstatt hat uns schnell erklärt, dass das gut und gerne 1000 Euro macht und der Schaden wohl nicht von der Versicherung übernommen werde. So, und jetzt kommt die entscheidende Frage: Wie gehen wir in einer solchen Situation mit uns um? Sagen wir uns: »So etwas kann vorkommen, anderen passiert das auch. Ich hab noch nie einen Unfall gebaut, irgendwann passiert das eben mal. Ich hätte etwas besser achtgeben können, aber heute Morgen hab ich es in der Hektik einfach nicht hingekriegt«? Oder vielmehr: »Wie kann man nur so blöd sein – schon wieder nicht aufgepasst! Das hätte nicht passieren dürfen. Andere können doch auch Auto fahren. Und 1000 Euro, das ist verdammt viel Geld, ich Vollidiot!«

Die meisten von uns neigen zur zweiten Variante mit der Folge, dass wir nicht nur ein kaputtes Auto, sondern auch noch einen von Selbstverurteilungen vermasselten Tag haben.

Aber diese mentalen Verurteilungen müssen uns nicht unser Leben lang begleiten und unseren Alltag vergiften. Dieser Terror kann ein Ende finden! Das vielleicht wichtigste Werkzeug dazu möchte ich in diesem Buch vorstellen, es wird heute als »Selbstmitgefühl« bezeichnet. Selbstmitgefühl bedeutet unter anderem, liebevoll und freundlich mit sich umzugehen. Ein anderer Aspekt – und deshalb heißt diese Fähigkeit auch Selbstmitgefühl –, betrifft eine mitfühlende Haltung gegenüber den eigenen leidvollen Erfahrungen, die das Leben zwangsläufig mit sich bringt.

Dieser Aspekt des Selbstmitgefühls passt eigentlich so gar nicht in unsere Zeit. Wir leben in einer »Don’t worry, be happy«-Kultur, in einer Zeit des »Schönen Tag noch!« Wir müssen immer gut drauf sein, ein schöner Tag jagt den nächsten. Wir sollten glücklich sein und zwar am besten von morgens bis abends. Selbstmitgefühl aber schließt auch die Schattenseiten unseres Lebens mit ein, indem man dem eigenen Schmerz nicht aus dem Weg geht, sondern ihm mit einer freundlichen, mitfühlenden Haltung begegnet. Damit ist einerseits inneres Leid gemeint, das durch sehr schwierige Lebenslagen ausgelöst wird. Wenn beispielsweise ein geliebter Mensch stirbt, man krank wird oder den Job verliert, dann braucht es einen guten Umgang mit den Situationen, die uns herausfordern. Gemeint sind aber auch die vielen kleinen Verluste, Abschiede und Enttäuschungen, die unseren Alltag prägen. Man ist gestresst und unzufrieden, beim schönen Familienausflug haben die Kinder so richtig schlechte Laune und der Traumurlaub neigt sich bereits wieder dem Ende zu. Wenn wir ehrlich sind, beschert uns das Leben tagtäglich Kummer, doch wir sind so erfolgreich im Wegdrücken, dass wir ihn gar nicht mehr spüren. Selbstmitgefühl bedeutet, auch für diese Empfindungen offen zu sein und achtsam mit ihnen umzugehen.

Es gibt gar nicht so wenige Leute, die es satthaben, immer gut drauf sein zu müssen. Sie kaufen Bücher wie Miese Stimmung oder Ich bleib so scheiße wie ich bin! und nehmen ein Recht auf Unglücklichsein für sich in Anspruch. In gewisser Weise gehört Selbstmitgefühl auch zu dieser Gegenbewegung der »Don’t worry, be happy«-Kultur, die den Zwang überwinden möchte, immer glücklich und gut drauf sein zu müssen.

Wer Selbstmitgefühl empfinden kann, ist besser geschützt vor Depressionen und Angststörungen. Wenn wir uns selbst auf diese Art begegnen können, kommen wir mit den Widrigkeiten des Lebens besser zurecht und können auch mal eine Niederlage verkraften. Selbstmitgefühl ist nach meiner Erfahrung eine zentrale Fähigkeit, die darüber entscheidet, ob wir ein freudvolles und zufriedenes Leben führen können. Wer gegen sich selbst kämpft und sich verurteilt, der leidet gezwungenermaßen. Wer hingegen einen annehmenden und liebevollen Umgang mit sich pflegt, dem ergeht es deutlich besser – selbst wenn das Leben unangenehme Herausforderungen für ihn bereithält.

Außerdem ist Selbstmitgefühl ein Schlüsselelement, um Veränderungsprozesse in Gang zu bringen. Wer gern abnehmen möchte, das Rauchen aufgeben will oder konsequent für eine Prüfung lernen muss, der versucht sich in der Regel für seine Ziele zu disziplinieren und geht streng mit sich um. Und wenn es dann doch nicht so klappt mit dem Diäthalten, verurteilen wir uns meistens dafür in der Hoffnung, es beim nächsten Mal besser hinzubekommen. Doch genau das ist ein folgenschwerer Irrtum: Wer sich für seine Schwächen verurteilt, überwindet die eigenen Schwächen nicht leichter, sondern tut sich schwerer. Wer also in seinem Leben etwas verändern möchte, sollte sich nicht allzu hart an die Kandare nehmen, sondern stattdessen wohlwollend und nachsichtig mit sich umgehen. So erreicht man die Dinge, die einem wichtig sind, leichter.

Die meisten Menschen wünschen sich aber nicht mehr Selbstmitgefühl, sondern setzen stattdessen auf ein gutes und starkes Selbstwertgefühl. Die gesamte westliche Psychologie und Psychotherapie war sich in den letzten Jahrzehnten darin einig, dass es wichtig sei, das Selbstwertgefühl von Menschen zu stärken. Menschen sollten sich ihres eigenen Wertes bewusst sein, sie sollten wissen, worauf sie stolz sein können, was sie besonders gut können, worin sie besser sind als andere. Dieser Auffassung zufolge gilt: Besitz und Status erhöhen das Selbstwertgefühl und stärken die Person. Wer es in der Psychologieszene wagte, die heilige Kuh des Selbstwertgefühls kritisch zu hinterfragen, der machte sich nicht nur unbeliebt, sondern galt auch als unwissenschaftlich. Zu erdrückend erschienen die Belege dafür, wie wichtig ein gutes Selbstwertgefühl für ein erfülltes Leben ist. Doch dieses Konzept hat in den letzten Jahren gewaltige Risse bekommen, um nicht zu sagen: Das ganze Konzept ist gerade dabei, völlig in sich zusammenzubrechen. Ein hohes Selbstwertgefühl, so wissen wir nämlich heute, geht einher mit einer geringen Fähigkeit, berechtigte Kritik anzunehmen, und dem Risiko, ein selbstbezogener Narzisst zu werden, dem es nur um das eigene Glück geht. Vor allem aber ist das Selbstwertgefühl nur ein »Schönwettergefühl«: Wenn es einem gut geht, wenn die Dinge gut laufen, wenn man erfolgreich ist oder viele Begabungen hat, dann kann man es sich erlauben, auf das Selbstwertgefühl zu setzen. Doch spätestens wenn nicht mehr alles rundläuft, dann zahlt man einen verdammt hohen Preis. Dann geht es einem plötzlich mies, weil der Selbstwert vom Erfolg und vom Übertreffen anderer abhängig ist. Wer sein ganzes Leben lang an seinem hohen Selbstwert gebastelt hat und dann arbeitslos oder berentet wird, Falten bekommt, krank wird und nicht mehr so viel leisten kann, der erleidet einen deutlichen Selbstwertverlust und wird möglicherweise depressiv und unglücklich. Nach allem, was wir heute wissen, ist es daher gar nicht wünschenswert, ein möglichst hohes Selbstwertgefühl zu haben, sondern viel sinnvoller und gesünder ist es, Mitgefühl mit sich selbst aufbringen zu können.

Selbstmitgefühl gehört zwar zu den wichtigsten Dingen im Leben, dennoch fällt es vielen von uns schwer, diese innere Haltung zu kultivieren. Das trifft auch auf mich selbst zu. Es ist einer meiner größten Wünsche, mitfühlender mit mir und mit anderen umzugehen. Ich wäre sehr gern mit der Liebe, die ich in mir spüre, stärker verbunden. Außerdem wünsche ich mir, noch besser zu meinen eigenen Empfindungen stehen zu können, ohne diese wegschieben zu müssen. Ich schreibe dieses Buch nicht als ein Autor, Psychotherapeut und Achtsamkeitslernender, der durch regelmäßige Praxis ein von Selbstmitgefühl durchflutetes Leben führt. Sondern ich ringe selbst tagtäglich darum, freundlich und annehmend mit mir und anderen umzugehen – manchmal gelingt es mir, und immer wieder scheitere ich. Deshalb weiß ich sehr genau, wie herausfordernd es ist, mitfühlender mit sich umzugehen und die in diesem Buch beschriebene Haltung umzusetzen.

Bevor ich noch ein paar Worte zum Aufbau dieses Buches sage, muss ich noch eine kleine Unverschämtheit beichten: Ich werde dich als Leserin oder Leser in diesem Buch nämlich duzen und das, obwohl mir niemand das Du angeboten hat, wir uns nicht persönlich kennen und wahrscheinlich auch nie persönlich begegnen werden. Nach meiner Erfahrung ermöglicht aber das »Du« einen direkteren Bezug zur eigenen Person, wodurch es besser gelingt, die Inhalte dieses Buches auf sich selbst zu beziehen. Ich verwende also das Du, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass die besprochenen Themen dadurch ihre Wirkung besser entfalten können.

Sei nicht so hart zu dir selbst ist sowohl als Lese- wie auch als Arbeitsbuch geschrieben. Lesebuch bedeutet: Du kannst dieses Buch einfach lesen, ohne die vorgeschlagenen Übungen auszuprobieren. Den Inhalt des Buches kannst du auch verstehen, wenn du die Übungen nicht selbst machst. Wenn du das Buch auf diese Art liest, bekommst du Informationen über Selbstmitgefühl und darüber, wie es genutzt werden kann. Arbeitsbuch bedeutet: Du entscheidest dich dafür, möglichst viele der vorgeschlagenen Übungen auszuprobieren. Du nimmst dir vor innezuhalten, wenn eine Übung vorgeschlagen wird, und die Übung am besten auch dann zu probieren, wenn dein Verstand dir rät, sie zu überspringen und gleich weiterzulesen.

Wenn du dich für die zweite Variante entscheidest, empfehle ich dir, beim Lesen einen Stift und ein leeres Heft oder Papier bereitzuhalten, damit du dir Notizen machen kannst. Es wäre auch gut, das Buch eher langsam zu lesen und nach einigen Seiten jeweils innezuhalten. Immer wieder wirst du im Buch auf ein Pausenzeichen stoßen: Δ. Dieses Zeichen lädt dazu ein, eine kleine Pause zu machen, das Buch vielleicht sogar beiseitezulegen und die Inhalte auf dich wirken zu lassen. Das Pausenzeichen lässt sich auch für eine kurze Achtsamkeitsübung nutzen, beispielsweise indem du bei jedem Pausenzeichen für zwei oder drei Atemzüge deinen Atem mit Bewusstheit begleitest.

Δ

Wenn du das Buch als Arbeitsbuch nutzen möchtest, kannst du an den Tagen oder Wochen des Lesens bei Gelegenheit auch Selbstmitgefühlsmeditationen oder andere Achtsamkeitsübungen praktizieren. Im Anhang findest du Empfehlungen für entsprechende CDs. Wenn du dich für die Arbeitsbuch-Variante entscheidest, wirst du feststellen, dass sich dadurch in deinem Alltag allmählich einige Veränderungen entfalten.

Wichtig ist mir, dass du dich nicht unter Druck gesetzt fühlst, irgendwelche Übungen machen zu müssen. Ich selbst habe schon zu viele Ratgeberbücher mit Übungen gelesen und jedes Mal ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn ich eine Übung überblättert habe. Die Folge davon ist natürlich oft das Gegenteil von Selbstmitgefühl, nämlich Selbstverurteilung.

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit den Grundlagen des Selbstmitgefühls. Wir erfahren unter anderem, was Selbstmitgefühl überhaupt ist und fragen uns, ob unser Leben denn so schrecklich ist, dass wir des Mitgefühls bedürfen. Der zweite und ausführlichere Teil bietet eine Hilfestellung, um mehr Selbstmitgefühl in das eigene Leben zu bringen. Hier finden sich auch die meisten Übungen. Ganz am Schluss berichtet eine Teilnehmerin eines Mitgefühlstrainings davon, wie Selbstmitgefühl ihren Alltag und ihr Leben verändert hat.

Unsere gemeinsame Reise zu einem mitfühlenden Umgang mit uns selbst kann nun beginnen. Ich freue mich, dass du dabei bist!

Andreas Knuf

TEIL 1: WAS IST SELBSTMITGEFÜHL?

DER GANZ NORMALE WAHNSINN: WIE WIR MIT UNS SELBST UMGEHEN

Der ganz normale Wahnsinn eines ganz normalen Lebens zeigt sich jeden Tag Hunderte Male. Er zeigt sich darin, wie wir mit uns selbst umgehen: ob wir freundlich oder kritisch zu uns sind. Ob wir das, was wir haben, und wie wir leben, genießen können oder ob alles immer besser werden muss und wir ständig unzufrieden sind. Ob wir in der Lage sind, uns auch den schwierigen Erfahrungen des Lebens zuzuwenden, oder uns mit Alkohol, Fernsehen oder anderen Ablenkungen vor unseren Empfindungen zu drücken versuchen. Ob uns eine gute Balance zwischen Tun und Nichtstun gelingt oder ob wir uns dauernd zu immer neuen Höchstleistungen motivieren und so sehr unter Strom stehen, dass wir irgendwann vor Erschöpfung zusammenbrechen.

Tatsache ist: Viele Menschen leben kein freudvolles Leben, obwohl die äußeren Lebensumstände komfortabel bis luxuriös sind. Sie sind vielmehr innerlich getrieben und fühlen sich leer. Dieser ganz normale Wahnsinn findet ständig und überall statt. Man muss nicht psychisch krank sein, um unfreundlich mit sich selbst umzugehen oder ein unerfülltes Leben zu führen. Diese Selbstunfreundlichkeit, wie man es vielleicht nennen könnte, ist ein Massenphänomen, keine Randerscheinung.

Der Dauernörgler

Wie wir tatsächlich mit uns selbst umgehen, lässt sich auf ganz einfache Weise herausfinden. Wir brauchen dazu nur kurz innezuhalten und wahrzunehmen, wie wir unseren inneren Empfindungen und uns selbst begegnen.

Kannst du deine Eigenschaften annehmen, ohne sie ändern zu wollen oder dich für sie zu schämen?

Δ

Kannst du dir Schwächen und Fehler eingestehen, ohne dich minderwertig oder nicht liebenswert zu fühlen?

Δ

Bist du mit all deinen Empfindungen einverstanden, auch mit den unangenehmen?

Δ

Wenn ja, dann kannst du dieses Buch getrost beiseitelegen. Du hast höchstwahrscheinlich einen freundlichen und mitfühlenden Umgang mit dir selbst. Du gehörst damit aber zu einer Minderheit, denn den meisten Menschen gelingt eine solche liebevolle Selbstannahme nicht.

Vielleicht kennst du aber auch eine andere innere Verfassung: Du bist oft nicht zufrieden mit dir und denkst, dass du dich in irgendeinem Bereich ändern müsstest. Du kannst vieles in deinem Leben nicht annehmen, sondern möchtest es anders haben. Das kann sich auf die kleinen Dinge des Alltags beziehen, etwa das Verhalten der Menschen in deinem Umfeld, das Wetter, den Stau, einen Arbeitskollegen. Es kann sich aber auch auf deine Lebenssituation beziehen: wie du lebst, arbeitest und deine Freizeit verbringst. Vielleicht erlebst du dich oft im Stress, bist innerlich angespannt und unruhig und strengst dich in deinem Alltag oft an?

Δ

Wenn du das kennst, dann sei herzlich willkommen im Club der inneren Kritiker, dem größten Club Deutschlands mit geschätzten 60 bis 70 Millionen Mitgliedern. Hier die Beitrittsbedingungen: Mitglied ist jeder, der überkritisch, unfreundlich, antreiberisch oder besserwisserisch mit sich umgeht. Nicht Mitglied werden darf, wer einen freundlichen, liebevollen und annehmenden Umgang mit sich pflegt. Ob man beitreten darf, kann man durch einige einfache und ausgesprochen zuverlässige Tests leicht herausfinden. Einen habe ich in der Einleitung schon beschrieben: die Situation mit dem Bagatellunfall. Wie gehst du mit dir selbst um, wenn du einen kleinen Unfall gebaut hast – freundlich oder vorwurfsvoll? Eine weitere ganz typische Situation ist eine Prüfung oder ein Vorstellungsgespräch, vor allem die Bewertung danach. Du könntest Dir innerlich sagen: »Ich habe mein Bestes gegeben, jetzt hoffe ich, dass ein gutes Ergebnis dabei herauskommt. Ich werde sehen und muss abwarten, bis die Prüfungsergebnisse veröffentlicht werden.« Oder du reagierst so: »Verdammter Mist, das hab ich vermasselt. Warum hab ich mich auf das Thema nur so schlecht vorbereitet? Wahrscheinlich bin ich durchgefallen, ich bin einfach zu blöd.«

Was wäre dein typisches Reaktionsmuster?

Δ

Auch mich plagt dieser ganz normale Wahnsinn immer wieder und während der Arbeit an diesem Buch habe ich ihn ebenfalls zu spüren bekommen. In lichten Momenten sagte eine freundliche Stimme zu mir: »Mach dir keine Sorgen wegen des Buchs. Wenn du weiter regelmäßig dran arbeitest, wird es im Herbst fertig sein. Du hast schon mehrere Bücher geschrieben, du weißt doch, wie das geht. Du brauchst dich nicht zu stressen, sondern kannst einfach engagiert weiter daran arbeiten.« Wie gesagt, das waren lichte Augenblicke. Die andere Variante ging in etwa so: »Vergiss es, das bekommst du sowieso nicht hin. Die Zeit reicht nie, du hast ja fast noch nichts geschrieben und in drei Monaten musst du abgeben. Und überhaupt: Selbstmitgefühl, dass ich nicht lache! Das kriegst du ja selbst nicht auf die Reihe und dann willst du ein Buch drüber schreiben.«

Der Dauernörgler nörgelt nicht irgendetwas, sondern er hat ganz bestimmte Themen, die mit unserer Persönlichkeitsstruktur, mit unseren Werten und unseren lebensgeschichtlichen Erfahrungen zusammenhängen. Während sich beim einen der Dauernörgler darüber beschwert, dass man nicht ordentlich genug ist, findet er beim anderen, man sollte lebendiger sein, sollte mehr Freunde haben oder sich mehr um seine Freunde kümmern. Wieder ein anderer findet, man müsse sich mehr anstrengen, sei nicht attraktiv genug oder habe sich einem anderen Menschen gegenüber schon wieder nicht korrekt verhalten. Vielleicht kannst du selbst direkt ein paar Themen benennen, bei denen dein Kritiker anspringt. Lass dir einen Moment Zeit, um ein oder mehrere typische Themen zu finden. Wenn du magst, kannst du sie auch notieren.

Δ

Das Tröstliche an diesem quälenden Nörgler ist, dass ihn jeder von uns kennt. Wir befinden uns also in verdammt guter Gesellschaft. Angesichts der schmerzhaften Erfahrungen, die uns der Dauernörgler bescheren kann, ist das allerdings ein schwacher Trost. Auch wenn wir ihn alle kennen, so hat er doch bei jedem von uns eine unterschiedliche Ausprägung. Besonders aktiv ist er, wenn wir als Kinder oder Jugendliche viel mit Kritik von außen konfrontiert wurden. Wer mit Eltern aufwuchs, die an ihrem Kind ständig etwas auszusetzen hatten, der hat vermutlich einen ziemlich starken Dauernörgler in sich. Auch Kommentare von Schulkameraden, Geschwistern, Lehrern und so weiter gehen nicht spurlos an uns vorüber. Wenn man in der Kindheit oder Jugend wegen seiner Sommersprossen gehänselt wurde, dann sagt der innere Kritiker womöglich 20 Jahre später immer noch: »Also hübsch ist was anderes.«

Unser kritischer Quälgeist ist wie ein Radioprogramm, das je nach Alter schon seit 20, 40 oder noch mehr Jahren läuft. Eigentlich wäre es nur logisch, dass wir uns immer mehr über diese Tyrannei ärgern und uns überlegen, wie wir sie abstellen können. Meistens ist aber genau das Gegenteil der Fall: Je länger das Programm läuft, desto normaler kommt es uns vor; wir wissen nicht mehr, dass es in Wirklichkeit nur der Kommentar unseres Verstandes ist. Stattdessen glauben wir, dass es sich um eine wahre Beschreibung unserer Person und unseres Lebens handelt. Wir identifizieren uns mit dieser Stimme, obwohl uns der kritische Dauerkommentar das Leben nicht erleichtert, sondern alles nur noch schwerer macht. Identifizieren bedeutet auch, dass wir der Stimme glauben, sie für wahr halten. Das Prinzip lautet: Man muss nur lange genug den gleichen Unfug erzählen, irgendwann wird er geglaubt. Es taucht dann nicht einmal mehr die Frage auf: »Ja stimmt denn das überhaupt?« Stattdessen sind wir innerlich verschmolzen mit diesem Gedanken, »fusioniert«, wie die Fachleute sagen. Wenn der Gedanke lautet: »Das schaffst du bestimmt nicht«, dann ist unsere innere Resonanz darauf nicht: »Moment mal, das muss ich ja erst mal rausfinden«, sondern vielmehr: »Ja, das stimmt, das ist so.« Es fühlt sich stimmig und richtig an, obwohl es destruktiv ist.

Am leichtesten bemerken wir unseren unfreundlichen Umgang mit uns selbst in Situationen, in denen uns etwas misslingt. Dann nämlich reicht unsere übliche »Schwerhörigkeit« nicht mehr aus, um die Abwertung zu überhören. »So blöd kann man sich doch nicht anstellen.«, »Das hättest du schaffen müssen!«, »Mit dir stimmt doch was nicht!« Daraus schließen wir oft, dass unsere negative Selbstbeurteilung uns nur quält, wenn wir ganz offensichtlich einen Fehler gemacht haben oder gescheitert sind. Aber leider läuft dieses Radioprogramm von morgens in der Früh bis tief in die Nacht. Es ist nicht so laut gedreht wie in den Situationen des Misslingens, aber trotzdem läuft es die ganze Zeit im Hintergrund. Es flüstert: »Du musst anders werden. Das reicht so nicht. Du musst dich verbessern«.

Die Sollte-Tyrannei

Unser Dauernörgler nörgelt nicht nur an uns herum, er sagt uns auch mehr oder minder deutlich, wie wir uns verändern müssen. Die entsprechenden Botschaften beginnen mit »Du solltest …« oder »Du musst unbedingt …« Die allermeisten dieser Sollte-Botschaften haben nichts mit unseren Bedürfnissen zu tun. Es sind frühere Empfehlungen unserer Eltern, Einflüsse der Kultur, in der wir leben, Lebenskonzepte von Freunden und Ähnliches. Unser kritischer Geist beschwert sich nicht nur über uns, er möchte auch, dass wir hart an uns arbeiten. Wir sollen uns verändern, denn so wie wir jetzt gerade sind, geht es nun wirklich nicht. Er verspricht uns: »Wenn du hart an dir arbeitest und dich so veränderst, wie ich es dir vorschlage, dann wird alles besser. Dann werde ich Ruhe geben, und du wirst glücklich und voll innerem Frieden sein.«

Die Liste, wie man eigentlich zu sein hat, ist bei den meisten von uns ziemlich lang. Hier ein Ausschnitt aus der Liste einer meiner Klienten:

Ich sollte endlich wieder joggen gehen.Ich sollte mich mehr um meine Freunde kümmern.Ich sollte witziger sein und mehr reden.Ich sollte nur Biofleisch essen, eigentlich sollte ich gar kein Fleisch essen.Ich sollte freundlich zu anderen Menschen sein.Ich sollte mehr Kontakt zu meinen Nachbarn pflegen.Ich sollte nicht so lange auf mein Smartphone glotzen.Ich sollte meine Eltern öfter besuchen.Ich sollte mir endlich einen neuen Job suchen.Ich sollt mehr Spaß am Spielen mit den Kindern haben.Ich sollte nicht so schnell ärgerlich werden.

Diese Sollte-Tyrannei hat zwei unmittelbare Folgen. Zum einen fühlen wir uns natürlich mies, weil wir diese Forderungen oft nicht erfüllen können und dann ein schlechtes Gewissen bekommen oder uns dafür verurteilen. Zum anderen versuchen wir, diesen Forderungen nachzukommen. So leben wir irgendwann nicht mehr das Leben, das unserem Wesen und unserer Anlage entspricht, sondern jagen einem ausgedachten Ideal nach.

Der Antreiber in uns verspricht zwar, dass er Ruhe gibt, wenn wir fleißig an uns gearbeitet haben, aber mit diesem Versprechen nimmt er es nicht so genau. Jedenfalls habe ich noch nie jemanden getroffen, bei dem der Dauernörgler irgendwann mal gesagt hätte: »Genug verändert, du bist richtig gut, so wie du bist, du musst gar nicht mehr anders werden. Ich verabschiede mich heute von dir und werde dich den Rest deines Lebens nicht weiter behelligen.«

Unfreundlich mit sich umgehen

Leider denken wir nicht nur kritisch über uns, sondern schreiten auch noch zur Tat. Wir gehen unfreundlich mit uns um, bestrafen uns für das, was wir in unseren Augen verbockt haben, oder ignorieren unsere Bedürfnisse. Unser innerer Kritiker belässt es also nicht bei seinen Kommentaren, sondern er sorgt auch noch dafür, dass wir uns schaden, anstatt dass er unser Wohlbefinden fördern würde. Wie es uns geht, ist ihm völlig egal.