Senatore Cappelli - Kenah Cusanit - E-Book

Senatore Cappelli E-Book

Kenah Cusanit

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Beschreibung

Eine Veröffentlichung des Bundesinstituts für Risikobewertung, die Dinkel als eventuell ungeeignet für Menschen mit Weizenallergie oder Glutenunverträglichkeiten einstuft; eine Betrachtung der Zotten genannten Fraktale im menschlichen Darm, die ähnlich wie die klimagestressten Alpen erodieren können und damit ebenjene Unverträglichkeiten hervorrufen; und schließlich die Geschichte der entlarvenden Namenswahl für moderne Weizenvarietäten, die so ganz und gar nicht mit den klingenden Namen alter italienischer Sorten mithalten können, die bis heute in perfekter Symbiose mit ihrer Umgebung wachsen. Aus diesen Zutaten komponiert Kenah Cusanit ihren Essay, der mit den Mitteln der poetischen Assoziation ins Zentrum der Debatten um Nahrungssouveränität, Hunger und Klimaschutz zielt. Wirtschaft, Welt und Wohlergehen erklärt in einem Weizenkorn: In Senatore Cappelli, ausgezeichnet mit dem Deutschen Preis für Nature Writing 2024, führt uns Kenah Cusanit auf eine so amüsante wie tiefgründige Reise mitten ins Herz der Gegenwart.

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Seitenzahl: 28

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Kenah Cusanit

Senatore Cappelli

Naturkunden

Inhalt

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Title

Inhalt

Senatore Cappelli

NATURKUNDEN NO. 113

herausgegeben von Judith Schalansky bei Matthes & Seitz Berlin

Auch ich, das hätte ich wissen können, würde hier im 21. Jahrhundert nur eines tun: nach einer Gelegenheit suchen, möglichst schnell wieder über die Alpen zu gelangen.

Fünf Monate, nachdem ich von Rom nach Berlin zurückgekehrt war, war es dann so weit. Während einer meiner täglichen Internetrunden – eher Sprints als Ausdauerlauf – verhedderte ich mich in einer Veröffentlichung des Bundesinstituts für Risikobewertung. Jemand, der lieber Runden durch den Park dreht, würde das Lesen dieser Veröffentlichung vielleicht so beschreiben: Es war, als hätte das Grünflächenamt einen bisher autofreien Raum, durch den man sich seit Jahren intuitiv bewegt, plötzlich mit einer hohen Anzahl von Ampeln versehen.

Womit assoziieren Menschen Ampeln, wenn sie sich gern intuitiv bewegen – mit widerwilligem Stehenbleiben, Auf-der-Stelle-Treten?

Es war keine gewöhnliche Veröffentlichung des Bundesinstituts für Risikobewertung, keine kurze Pressemitteilung oder Ähnliches, die man wie bei einem Hürdenlauf mehr oder weniger erfolgreich überspringen kann, sondern eine neunzehn Seiten lange Stellungnahme, in der es um Getreide ging. Um Dinkel. Und dessen Ähnlichkeit mit anderen Getreidearten, vor allem Weizen. Gegen Weizen sind offenbar viele Menschen allergisch, gegen Dinkel offenbar nicht. Obwohl die Inhaltsstoffe, aus denen Weizen besteht, mit den Inhaltsstoffen, aus denen Dinkel besteht, nahezu übereinstimmen.

Wie kann das sein? Das kann doch eigentlich nicht sein.

Das dachte auch das Bundesinstitut für Risikobewertung, das sich auch BfR nennt, und veröffentlichte dazu eine Stellungnahme, die auch eine Warnung ist. Eine Warnung, die auf den 13. Januar 2023 datiert, einen Freitag, und sich an all die Menschen richtet, die Weizen aus gesundheitlichen Gründen meiden müssen oder meiden wollen und von »einigen Online-Medien« suggeriert bekämen, »dass Dinkel eine Alternative« zu Weizen darstellen könne. Menschen, die aber überwiegend, wie eine extra durchgeführte Telefonumfrage des BfR ergab, gar nicht wüssten, dass Dinkel eine Weizenart sei, und die ohne entsprechende Produktkennzeichnungen »möglicherweise doch auf Dinkelprodukte zurückgreifen [könnten], ohne dass eine eventuelle individuelle Verträglichkeit aus ärztlicher Sicht bestätigt wurde und sich somit dem Risiko einer allergischen Reaktion aussetzen, die unter Umständen schwerwiegende Folgen haben kann«.

Ärztliche Sicht.

Risiko.

Allergische Reaktion.

Schwerwiegende Folgen.

Möglicherweise.

Könnten.

Eventuell.

Unter Umständen.

Würde ich in dieser Erwartungshaltung versuchen, Runden durch den Park und nicht durchs Internet zu drehen, wäre es möglicherweise gar nicht so einfach, aus dem Haus zu gelangen; ich könnte schon im Treppenhaus stolpern, mir eventuell das Jochbein brechen und unter Umständen dabei den Kiefer ausrenken.

Über die Alpen würde ich so auch nicht gelangen.

Gut also, dass ich nicht durch den Park laufe und dafür im Internet eine weitere PDF-Datei herunterlade, in der ich diese Grafik entdecke:

Hätte ich nur fünfzig Minuten Zeit, die Alpen von Nord nach Süd zu überqueren, und müsste danach meine eigene Wahrnehmung in einer grafischen Darstellung reproduzieren – so sähe sie aus.

Ich hätte überquert, von links nach rechts: das Alpenvorland, die Nördlichen Kalkalpen, die Zugspitze und den Großglockner, der ja schon zu den Hohen Tauern gehört, die einen Teil der Zentralalpen bilden, die wiederum einen Teil der Ostalpen bilden, die diese Grafik von den Westalpen jedoch mangels fehlender dritter Dimension nicht abzuheben vermag und deswegen gezwungen ist, den kategorisch getrennten West- und Ostteil zu verbinden; auch den Monte Rosa da in