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Seraph - wie ein Flügelschlag ist eine spannende Fantasy Liebesgeschichte. Casy hat viele schlimme Erlebnisse hinter sich. Mit Männern wollte sie nichts zu tun haben, bis sie Adam begegnet. Er ist nicht nur gutaussehend und liebevoll, sondern besitzt auch besondere Fähigkeiten. Schnell wissen beide, dass sie zueinander gehören, nicht nur durch ihre Liebe zueinander, sondern sie sind durch Höheres für einander bestimmt. Durch ihre Verbundenheit wird Casy irgendwann dieselben außergewöhnlichen Gaben erhalten, die auch Adam besitzt. Zunächst wird sie allerdings von der Vergangenheit eingeholt. Ihr Peiniger Daniel versucht alles um ihr zu schaden.
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Seitenzahl: 1060
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Vorwort
Am Strand
Ein Fremder
Adam
Allein - Nur Adam und ich
Eine Bootstour
Casys Geschichte
Ein Teil von Adams Geschichte
Veränderungen
So viel Glück und trotzdem eine drohende Gefahr
Daniel
Vorahnung
London
Lernen damit umzugehen
Vorbereitungen
Eine lange Nacht
Ja, ich will
Flitterwochen
Notoperation
Zurück in den Flitterwochen
Ein unerwarteter Nachmittag
Karren
Überlistet
Unerwartet
Zurück finden
Erklärungen
Schlag um Schlag
Zug um Zug
symmetrisch abgehoben
in die Lüfte geflogen
ein Flügelschlag
Eine Flanke entsprechend der anderen ist
harmonisch schwebend
schicksalhaft verschmolzen
konform
Nach langer Suche gefunden
verbunden
zwei Hälften
in Liebe vereint
Weinen konnte ich nicht. In mir war Leere. So viel war geschehen. Ich wollte niemanden sehen, ...auch ihn nicht. Sie ließen mich zwar allein, so wie ich es wollte, aber ich ärgerte mich darüber, dass sie die Tür zum Schlafzimmer einen Spalt offen gelassen hatten. Sie machten es, damit sie mich hören konnten, falls ich etwas brauchte. Das Einzige was ich im Moment allerdings brauchte war allein zu sein.
Was war nur alles geschehen und das in so kurzer Zeit? – Es war verrückt! Eine Achterbahn der Gefühle. So viel Glück und Liebe, aber auch unermessliches Leid und Angst.
Zu viel beschäftigte mich, um schlafen zu können.
Wieder drehte ich mich im Bett um. Die Schmerzen waren immer noch sehr stark und ich stöhnte dabei auf.
Ich versuchte mich von den Schmerzen etwas abzulenken und dachte zurück, wie alles gekommen war.
Da stand ich und wartete auf Angelina. Es konnte mir nicht schnell genug gehen. Obwohl ich in den vergangen Wochen zunächst unentschlossen war nach Italien zu reisen, so konnte ich es nun kaum erwarten endlich das Meer direkt vor mir zu haben und die Brise auf meinem Gesicht zu spüren. Angelina, die hinter mir her lief und kaum Schritt halten konnte, brauchte mir einfach zu lange. Aber wer zog auf dem Weg zum Wasser schon Schuhe mit 10 cm hohen Absätzen an?
„Soll ich dich tragen?“, motzte ich.
„Kommt es nun wirklich auf 2 Minuten schneller oder länger an? Wir sind doch gleich da!“, antwortete Angelina.
Ich stöhnte und zeigte ihr damit meinen Groll darüber, dass sie so lange brauchte!
Das Meer hatte auf mich immer einen großen beruhigenden Einfluss.
Zudem war es einfach schön da zu sitzen und in die Weite zu sehen.
Und ich war seit über zwei Jahren nicht mehr hier gewesen, genau wie Angelina. Ich konnte es einfach nicht erwarten.
„Ich lauf voraus, wir sehen uns unten!“, schrie ich ihr zu.
Hinter mir hörte ich sie murmeln: „Ja, ja, mach nur!“
Wie ein ungeduldiges kleines Kind rannte ich los. Seit langen fühlte ich mich wieder einmal unbeschwert und gut.
Wie gehetzt überquerte ich die Straße und rannte den Weg entlang.
Außer Atem stand ich endlich am Meer. Trotz der Jahreszeit wehte mir eine warme Brise durch das Haar. Zwar war es nicht mehr so warm, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber wir hatten schließlich Anfang Oktober und der warme Sommer war vorüber. Aber dafür, dass es immer noch freundliche 25° Grad an der Toskanischen Küste hatte, hätte es wohl wärmer sein müssen.
Eine Minute stand ich wohl nur da und genoss den Blick auf das Wasser.
Nach dem Flug und der Autofahrt von Pisa wäre ich am liebsten gleich hierher gelaufen. Aber Angelina wollte sich im Hotel noch zu recht machen und sich in ihr bestes Strandoutfit werfen. Während sie sich fertig gemacht und ich auf sie gewartet hatte, war ich die ganze Zeit über am Fenster gestanden und hatte auf das Meer hinaus gesehen. Wir hatten beide verschiedene Zimmer. Ich hatte ein großes Zimmer im 3. Stock gebucht und Angelina ein kleineres im 2. Stock bezogen, direkt unter mir. Angelina hatte normalerweise für kleine Unterkünfte nichts übrig und brauchte gewissen Luxus um sich, doch sie brach in 2 Tagen bereits zu ihrer Familie nach Fiumicino auf, deshalb störte es sie nicht allzu sehr, dass trotz der geringen Belegung des Hotels, kein passendes Zimmer mehr für sie frei war. Auch wollte sie nicht mit mir tauschen, nachdem ich ihr mein Zimmer angeboten hatte.
Angelinas Eltern gehörten 5 luxuriöse Hotels zwischen Rom und Neapel und Angelina arbeitete in Deutschland, in einem Schroth Hotel.
Ich mochte Angelinas Familie, vor allem ihre Eltern, was Angelina nie so richtig verstand. Angelina war äußerst distanziert zu ihnen, obwohl ihre Eltern sehr liebevoll zu ihr waren. Es lag vermutlich daran, dass sie was Angelinas Zukunft betraf genaue Vorstellungen hatten, privat wie beruflich. Den Managerposten, den ihr Vater ihr angeboten hatte und auch das Hotel, das er ihr schenken wollte, das alles hatte sie abgelehnt. Angelina war ein italienischer Wirbelsturm, allerdings in ihren Standpunkten sehr geradlinig. Wie es Angelina immer Ausdrückte, waren ihre Eltern „stinkreich und blöde Mafiosos“. Sie mochte die Geschäfte ihres Vaters nicht und wollte deshalb auch ihre Eltern nicht als Gönner ausnutzen. In dieser Hinsicht verstand ich ihre Konsequenz natürlich. Das war allerdings eines der wenigen Dinge, bei denen wir einer Meinung waren. Sonst waren Angelina und ich sehr unterschiedlich.
Der optische Gegensatz zwischen uns war nicht zu übersehen. Angelina war eine wunderhübsche schlanke Italienerin. Ihre dunklen kastanienfarbenen Haare gingen ihr bis zur Hüfte und glänzten, wenn das Sonnenlicht darauf traf. Ich fand meine Figur nicht sehr überragend, obwohl ich mit meiner 36 nur eine Kleidergröße über Angelina lag. Meine Haare waren nicht ganz so lang wie Angelinas und hatten auch nicht ihren Glanz. Und auch sonst fand ich mich nicht attraktiv.
Bei Angelina kam oft das italienische Temperament durch. Sie war spontan, witzig und hatte immer einen lockeren Spruch parat. Ich war genau das Gegenteil. Oft war ich überrumpelt und wusste überhaupt nicht was ich sagen sollte. Auf fremde Menschen wirkte ich meistens schüchtern, obwohl ich das eigentlich nicht war.
Daran wie Angelina hinter Männern her war, wollte ich gar nicht erst denken, denn das ging mir absolut zu weit.
Mein Blick schweifte über das Meer und ich genoss den einmaligen salzigen Geruch, der in der Luft lag. Schnell wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Angelina stand neben mir.
„Alles in Ordnung?“, schnaufte sie atemlos.
Eigentlich hätte ich das sie fragen sollen, so stark wie sie keuchte.
„Es ist alles gut!“, antwortete ich und grinste sie an.
Und das war es auch. Ich war endlich in Italien am Meer. Weg von allem, das mir schlechte Erinnerungen brachte.
„Na komm, wir suchen uns ein lauschiges Plätzchen!“ forderte mich Angelina auf und blickte schon umher.
Na toll! Was das hieß, wusste ich.
„Schon klar!“, stöhnte ich. „Hauptsache eine Horde von Verehrern um dich herum und du bist zufrieden.“, grollte ich.
Das wollte ich mir unter keinen Umständen antun.
„Wo siehst du hier eine Horde Männer? Es ist hier wie ausgestorben.“, entgegnete sie.
„Warum hast du sonst deinen knappsten Bikini angezogen?“, wollte ich wissen.
Sie sah an sich herunter und schien, mit dem was sie trug, ganz zufrieden zu sein.
„Ich möchte noch etwas brauner werden, bevor ich meine Familie besuche.“, sagte sie.
Ich fing an zu lachen. „Brauner? Geht das? Du bist Italienerin, dein Teint ist sowieso dunkler. Und so viel Zeit wie du an der Sonne verbringst...“
„Wollen wir diskutieren oder baden gehen?“, unterbrach sie mich.
Sie suchte mit ihren Augen, wo wir uns nieder lassen konnten.
„Dort drüben können wir unsere Sachen hinlegen, da haben wir alles vom Wasser aus im Blick.“ Dabei zeigte sie auf eine Stelle, neben einer kleinen Mauer, nah an der Brandung.
„Du weißt doch, ich geh nicht ins Wasser.“ Ich wollte darüber nicht debattieren, sie aber durchaus noch einmal daran erinnern.
„Diese Angewohnheit solltest du dringend ablegen! Wer fährt schon nach Italien und geht dann nur Knietief ins Meer? Und vergiss dabei nicht deine reizenden Badeschuhe anzuziehen!“, neckte mich Angelina.
Jetzt zog sie mich damit wieder auf!
„Badeschuhe sollten alle tragen. Es gibt hier zum Beispiel Seeigel und es tut deiner Gesundheit nicht gut, wenn du auf einen drauf trittst. Du als Italienerin müsstest das eigentlich wissen.“, informierte ich sie.
„Außerdem bin ich wegen der Aussicht hier.“, stellte ich kurz und knapp klar.
Stundenlang konnte ich in die Weite des Meeres sehen, ohne dass ich davon genug bekam.
„Mal im ernst, warum hast du so große Angst vor dem Wasser entwickelt? Früher war das anders.“ Aus ihrer Stimme war der neckische Ton verschwunden.
Ich antwortete ihr nicht.
„Sag mir die Wahrheit!“, bat sie. Angelina schaute mich an und ließ nicht locker.
Mit einer Ausrede versuchte ich es, die sogar teilweise der Wahrheit entsprach.
„Ich weiß nicht was mich dort erwartet. Es ist tief, weit und es gibt so viel Unbekanntes darin. Es ist mir wohler, wenn ich nur so weit, wie ich auf den Grund sehen kann, rein gehe. Und um ein paar Muscheln sammeln zu können reicht das aus.“, erklärte ich ihr.
Sie sah mich überrascht an. „Seit wann sammelst du Muscheln?“
„Seit jetzt!“, antwortete ich mit scharfem Ton.
„Ehrlich, du musst deine Angst endlich überwinden!“ forderte sie.
Wieder kam ein stöhnen aus mir heraus. Es war nicht unser erstes Gespräch über das Thema und es würde sicherlich nicht unser letztes sein. Aber sie beließ es im Moment dabei.
Wir liefen zu der kleinen Mauer und legten daneben unsere Decken auf dem warmen Boden aus, während wir unsere Taschen auf die Mauer stellten.
Unter meinem Strandkleid hatte ich bereits meinen schwarzen Badeanzug an, sowie Angelina bereits ihren roten Minibikini unter ihrem passenden engen, kurzen und sehr gewagten roten Minikleid trug.
Wir zogen unsere Kleider aus und setzten uns hin.
Der Kontrast zwischen uns war jetzt noch deutlicher. Sie sah immer aus wie ein braungebranntes Supermodel. Neben ihr wirkte ich wie ein blasses schüchternes Mädchen vom Lande. So kam es mir zumindest vor.
„Du kannst ruhig ins Wasser gehen!“ forderte ich sie auf.
„Ich habe noch jede Menge Zeit.“, grinste sie.
„Aber die Flut kommt bald!“, drängte ich.
Mir war klar, dass sie mit mir einiges bereden wollte. Darauf hatte ich nun wirklich keine Lust. Deshalb wollte ich sie los werden.
„Das dauert noch! Zudem haben wir von unseren 3 Wochen Urlaub nur ein paar Tage zusammen, da ist es mir lieber, mich mit dir zu unterhalten.“, sagte sie.
Ich hatte es gewusst!
Sie sah mich mit hoffnungsvoller Mine an. „Es wäre schön, wenn du mich nach Fiumicino begleiten würdest. Wenn du dabei bist, dann lassen mich meine Eltern zumindest in Ruhe und nerven mich nicht mit ihren Ansichten über das Leben!“, sagte sie und verdrehte dabei die Augen.
„Das ist Unsinn!“, entgegnete ich.
„Du weißt, dass es so ist! Bitte überleg es dir doch noch und komm mit mir mit! Ohne dich sind 3 Wochen mit ihnen kaum zu ertragen.“,
jammerte sie.
„Zwei und maximal eine halbe Woche.“, korrigierte ich sie.
„Entschuldige bitte!“, sagte sie mit gespielt bitteren Ton und verdrehte abermals die Augen.
„Ohne dich kommt mir die Zeit wie Monate – nein, Jahre vor!“, klagte sie.
Dabei zog sie ein schmollendes Gesicht und wollte mir damit natürlich ein schlechtes Gewissen bereiten. Aber ich wusste um was es ihr wirklich ging. Sie wollte mich nicht alleine lassen, weil sie sich Sorgen um mich machte.
Einmal im Jahr besuchte Angelina ihre Familie zum Geburtstag ihrer Großmutter Enzina. Angelina liebte ihre Großmutter und so war es auch umgekehrt. Enzina war der einzige Mensch aus der Familie, der Angelina so nahm wie sie war. Enzina machte auch keinen Hehl daraus, wer ihr Lieblingsenkelkind war.
Im letzten Jahr hatte Angelina wegen mir darauf verzichtet ihre Familie zu sehen. Daran versuchte ich allerdings nicht zu denken und es zu verdrängen.
Angelina war meine beste Freundin, außerdem waren wir Arbeitskolleginnen. Wir arbeiteten beide in einem fünf Sterne Hotel. Es war ein Familienbetrieb und wir hatten einen sehr netten Chef. Allerdings war seine Tochter das genaue Gegenteil. Oktober war Nebensaison und wir hatten kaum Gäste, deshalb konnten wir zu dieser Zeit immer gemeinsam unseren Urlaub antreten.
Angelina ließ mir keine Ruhe und brachte das Thema erneut zur Sprache.
„Komm doch bitte mit!“, drängte sie.
„Sei mir nicht böse Angie, aber ich möchte mir einige Städte ansehen und einfach nur das Meer genießen.“, erklärte ich ihr.
Außerdem war mir die Fürsorge ihrer Familie im Moment zu viel.
Angelinas Familie kannte meine Vergangenheit. Sie hatten mir viel geholfen. Sie waren die einzigen, außer meiner Schwester und natürlich Angelina, die so etwas wie eine Familie für mich waren. Sonst hatte ich niemanden mehr.
Angelina streichelte mir über meine Schulter. „Na schön!“ murmelte sie.
Darauf sagte ich nichts und wieder stopfte ich die Erinnerungen ganz tief bei Seite, wie in eine Schublade, die man zumachte und nie wieder öffnen wollte, um zu sehen was darin verborgen lag.
Mit sichtlich schlechtem Gewissen versuchte Angelina das Thema zu wechseln.
„Meinst du unsere liebe Juniorchefin hat ohne uns alles unter Kontrolle?“, grinste Angelina.
„Ja sicher!“, sagte ich ironisch und beide begannen wir gleichzeitig zu lachen.
„Was meinst du was sie dieses mal alles anstellt? Wie viel Durcheinander sie fabriziert, bis wir wieder zurück sind?“, fragte ich.
Es war klar, dass nach dem Urlaub immer viel Arbeit auf uns wartete.
„Vielleicht sieht unser Chef dann endlich was für eine tüchtige und intelligente Tochter er hat.“, sagte Angelina voller Hohn.
Sie wechselte den Gesichtsausdruck von lachend zu streng. Ihre Stimme wurde hart.
„Eine verwöhnte dumme Ziege, die keine Ahnung hat wie man ein Hotel führt!“, schimpfte sie.
Kaum hatte sie es ausgesprochen, sahen wir uns an und mussten beide schon wieder lachen.
Angelina hasste sie. Es lag vielleicht auch daran, dass unsere Juniorchefin sie auch nicht mochte, da Angelina die Männerherzen nur so zu flogen und sie neben Angelina keine Chance bei einem Mann hatte.
Konstanze sah nicht unbedingt schlecht aus, aber an Angelina reichte sie einfach nicht heran. Verzweifelt versuchte Konstanze ihre Reize an den Mann zu bringen, vor allem wenn vermögende alleinstehende Männer bei uns eincheckten. Die meisten hatten allerdings nur Augen für Angelina. Nicht dass Angelina sich auf jeden eingelassen hätte, aber sie bekam doch viele Avancen, im Gegensatz zur Tochter unseres Chefs. Deshalb gab es oft Differenzen zwischen den beiden.
Wir saßen immer noch da und lachten. Auf einmal wurde Angelina still. Sie streckte ihren Arm aus und strich mir über die Wange.
„Es ist schön dich lachen zu sehen, vor allem nach all diesen Jahren der Anspannung und Angst.“, sagte sie.
„Es geht mir gut.“, entgegnete ich und hoffte sie würde es dabei doch bitte belassen!
In diesem Jahr konnte ich ein neues Leben beginnen. Die ganzen schrecklichen Jahre zuvor versuchte ich damit endlich hinter mir zu lassen.
„Rede mit mir darüber! Es wird dir besser gehen, wenn du darüber sprichst. Wir haben immer über alles miteinander sprechen können.
Aber seit einiger Zeit kapselst du dich komplett ab!“
Sie war in ihrer Sorge um mich so hartnäckig!
Darüber wollte ich nicht mehr sprechen. All das Vergangene sollte endlich ruhen.
„Ich möchte wirklich nicht darüber sprechen. Vor allem nicht mit einer so schönen Aussicht vor mir. Ich fühle mich gut – wirklich!“ Und es stimmte.
„Aber falls doch, nehme ich dein Angebot gerne an.“, ergänzte ich.
Sie beugte sich zu mir rüber.
„Ich weiß, das alles ist schwer zu verkraften. Der Prozess, das Baby...!“
„Oh, bitte nicht!“, flehte ich sie an, doch sie stocherte weiter.
„Wir haben inzwischen ein Alter erreicht indem sich vieles verändert.“, äußerte sie auf einmal.
„Was hat das Ganze mit dem Alter zu tun?“ fragte ich.
„Die biologische Uhr!“, antwortete sie.
„Mit 27 Jahren?“, sagte ich abfällig.
„Wenn du so weiter machst, wirst du nie eine Familie haben!“, entgegnete sie.
„Da redet genau die Richtige. Zudem weißt du, dass ich das nicht möchte!“, konterte ich.
Ich musste mich zusammenreisen, damit mir vor Wut nicht die Tränen über die Wangen liefen. Soviel zu meiner verschlossenen Schublade!
„Tut mir leid, das war wohl taktlos von mir. Ich meine doch nur, dass es sehr schwierig ist sich in ein normales Leben hineinzufinden, wenn man über Jahre hinweg so grauenhafte Dinge – Szenen wie aus einem Horrorfilm – erlebt hat, wie du.“, erklärte sie sich.
Ja, es war schwierig und in gewisser Weise hatte sie recht, doch nicht mit allem!
Ich wusste was sie in erster Linie mit „normales Leben“ meinte: Endlich einen Mann an meiner Seite zu haben, aber das konnte und wollte ich nicht!
„Willst du nicht endlich ins Wasser gehen?“, seufzte ich gereizt.
„Schon gut, ich will dir helfen und dich nicht zusätzlich aufregen.“,
beschwichtigte sie.
Auch wenn sie mich manchmal wütend machen konnte und für mich über das Ziel hinaus schoss, war sie dennoch meine einzige und beste Freundin und der Mensch, der mir den nötigen Halt gab und immer für mich da war.
Sie wollte aufstehen, aber ich hielt sie am Arm zurück.
„Ich weiß, dass du es nur gut meinst – danke!“, sagte ich.
Sie wollte immer nur mein Bestes. Und auch ich hätte ihr nie absichtlich Schaden zufügen können.
„Na gut, ich kapituliere!“, sagte sie schließlich und stand auf. „Ich bin im Wasser und du?“
„Ich komme auch gleich nach und hänge meine Füße rein.“, sagte ich grinsend zu ihr.
„Wie du willst!“, stöhnte Angelina und gab somit endlich auf.
„Hoffentlich ist das Wasser nicht schon zu kalt. Schrei mir, wenn du ein Eiszapfen bist!“, sagte ich.
„Ja, wenn du mich von da draußen noch hören kannst!“, entgegnete sie und joggte lässig Richtung Meer los.
„Bitte nicht wieder so weit raus!“, rief ich ihr noch nach.
Angelina war oft sehr waghalsig. Es war ein öffentlicher Bereich und es gab hier keine Rettungsschwimmer, die einem im Ernstfall wieder an Land gezogen hätten.
Ich hatte meine Beine angezogen und meine Arme darum gelegt und schaute auf das Meer. Es war einfach nur schön. Stunden hätte ich so dasitzen können. Allerdings ließ mir Angelina keine Ruhe. Sie winkte mir zu und wollte dass ich auch ins Wasser ging. Ich verdrehte die Augen, holte meine Badeschuhe aus meiner Tasche, zog sie mir an und trottete langsam Richtung Wasser. Es waren keine Menschen hier, nur weit oben an der Straße konnte man ab und an jemanden sehen, so dass wir ungestört waren.
Noch einen Schritt war das Wasser von mir entfernt. Langsam trat ich nach vorn und kontrollierte die Wassertemperatur. Es war kalt.
Noch langsamer ging ich ins Wasser rein. Der Untergrund war steinig. Die Wellen waren so stark, dass ich erst nur Knöcheltief im Wasser stand und bei der nächsten Welle schon bis zu den Knien nass geworden war. Angelina sah mein Minenspiel und grinste.
„Ganz schön kalt!“, schrie ich ihr zu.
Sie war bereits ein ganzes Stück weit raus geschwommen. Ich machte mir Sorgen um sie, da die Wellen sehr hoch waren und sie im Wasser stark hin und her gezogen wurde. Wie sonst an vielen Strandabschnitten war es hier unmöglich weit im Wasser raus zu laufen, denn es wurde schnell tief. Angelina konnte da draußen unter keinen Umständen mehr stehen.
Bei diesem Seegang war es schwer bis auf den Grund zu sehen, aber trotzdem stand ich schon weit über den Knien im Wasser. Wenn eine Welle kam, ging sie mir bereits bis über die Hüfte. Ich versuchte mich zu konzentrieren, mir einzureden dass nichts passieren konnte, doch die Angst übermannte mich. Schnell ging ich wieder zurück, so dass ich trotz des Wellengangs nur Knietief im Wasser stand.
Angelina kicherte über mich und schüttelte resigniert den Kopf.
Schnell bückte ich mich und fuhr mit meinen Händen durchs Wasser.
Natürlich wollte ich mich so vor ihrem Blick verstecken. Dabei stöberte ich nach Muscheln, um meine Ausrede aufrecht zu erhalten. Nebenbei sah ich immer kontrollierend, ob nicht doch irgendetwas Unbekanntes mit der nächsten Welle angespült wurde.
Ich nahm eine Muschel hoch, betrachtete sie mir, doch dann fand ich eine schönere und schmiss die andere wieder ins Wasser zurück. Bestimmt 2 Minuten suchte ich, ohne dass ich eine fand, die mir besonders gut gefiel. Angelina rief meinen Namen und das riss mich von den Muscheln und meiner Kontrolle über das Wasser los. Ich streckte mich und sah, dass sie noch viel weiter raus geschwommen war.
Sie winkte mir mit ganz ausgestrecktem Arm schwungvoll zu.
Ich imitierte ihre Bewegung und winkte ihr genauso zurück.
Was machte sie nur? Es schien als wollte sie Kraulen, aber es ihr nicht recht gelingen. Merkwürdig sah es aus.
Da rief sie wieder meinen Namen, aber es war kein zurufen. Es hörte sich eher wie ein Hilfeschrei an.
„Angie was ist los?“ rief ich.
Ich bekam keine Antwort. Hatte sie mich überhaupt gehört?
„Angelina!“, versuchte ich es erneut.
„Hilf mir Casy, ich habe eine Krampf im Bein!“, schrie sie verzweifelt.
„Darauf fall ich nicht rein!“, entgegnete ich.
Ich kannte ihre Tricks und ich wusste, dass sie manchmal auch in dieser Hinsicht über das Ziel hinausschoss, nur um ihren Willen zu bekommen.
„Ich mache keine Scherze!“ brüllte sie.
Beim letzten Wort brach ihre Stimme und sie tauchte kurz unter.
„Versuch zurück zu schwimmen!“, rief ich.
Es war lächerlich ihr das zuzurufen. Wenn sie mich ins Wasser locken wollte, würde sie nicht zurück kommen und wenn sie wirklich einen Krampf hatte, konnte sie nicht zurück.
Angelina war eine gute Schwimmerin, aber ein Krampf? – Hatte sie wirklich einen und konnte sie damit ertrinken?
„Bitte Casy, bitte hilf mir!“, jammerte sie verzweifelt. „Das ist kein Spaß, hilf mir!“, rief sie und tauchte erneut unter.
Dann erkannte ich den Ernst der Lage.
Ich sah mich um, ob irgendjemand uns helfen konnte, da schrie sie wieder meinen Namen.
Angelina war da draußen und sie war am Ertrinken!
Kurz schrie ich um Hilfe, aber ich sah niemanden, der es hören konnte.
Für einen Augenblick war ich hin und her gerissen. Schließlich überwand ich all meine Ängste, stürzte mich ins tiefe Wasser und schwamm in ihre Richtung. Früher war ich eine gute Schwimmerin gewesen, aber dies lag weit zurück. Der Seegang war stark und ich war lange nicht mehr im Meer geschwommen. Es war nicht zu vergleichen mit einem Pool.
Ich hörte sie wieder meinen Namen schreien.
Es war schwer die Angst auszublenden, aber das Adrenalin, das durch meinen Körper sauste, half mir anscheinend dabei.
Erneut schrie sie nach mir.
Ich hatte nur noch wenige Meter zu überwinden bis ich bei ihr war. Es musste ernst sein, schließlich war ich bereits im Wasser und fast bei ihr und trotzdem rief sie panisch um Hilfe. Sie streckte ihre Hände in meine Richtung und ich griff nach ihr.
„Ich hab dich, bleib ganz ruhig!“, sagte ich mit keuchendem Atem zu ihr.
Da grinste sie mich an. „Du bist im Wasser, ich hab es geschafft!“,
jubelte sie.
Ich war geschockt! „Bist du verrückt?“ Das konnte doch nicht wahr sein! Wie unverfroren!
Sie lachte berauscht. War sie nicht ganz bei sich und sich der Konsequenzen nicht bewusst?
„Ich habe lauthals um Hilfe geschrien, wenn es nun jemand gehört hat und Hilfe holt, obwohl wir gar keine benötigen?“, fuhr ich sie an.
„Gern nehme ich alle Konsequenzen auf mich, wenn ich dir dabei helfen konnte.“, antwortete sie grinsend.
Meine Stimme klang hysterisch: „Helfen?“
Ich fasste es nicht. So eine Dreistigkeit! Das hätte ich wissen müssen.
Es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie so etwas versucht hatte. Allerdings war sie noch nie so dreist gewesen und hatte es darauf angelegt, dass andere es mit bekamen. Sie war diesmal eindeutig zu weit gegangen. Ich war stocksauer und schrie sie weiter an.
„Das bringt man ja schon kleinen Kindern bei, dass man nicht um Hilfe rufen soll, wenn man keine benötigt. Wenn es dann wirklich so ist, glaubt dir keiner mehr.“, zürnte ich. „Nächstes Mal passiert dir tatsächlich etwas, dann komme ich dir bestimmt nicht mehr zu Hilfe!
Und wenn du dann ertrinkst, werde ich deswegen bestimmt kein schlechtes Gewissen haben.“
„Egal, das war es wert. Du bist im Wasser Casy!“, freute sie sich siegestrunken.
Mir wurde eben bewusst, wie weit ich raus geschwommen war. Ich schaute mich um. Außer uns sah ich keine Menschen im Wasser und vor allem nicht so weit draußen auf dem Meer. Allerdings konnte man es auch bei diesem Wellengang schlecht erkennen. Wir waren inzwischen zu weit vom sicheren Ufer entfernt, auf dem unendlich weiten Tyrrhenischen Meer. Unter uns, neben uns, um uns herum waren die Weiten, Tiefen und das Unbekannte. – Panik!
„Casy, was ist los? Bleib ruhig, ich bin doch bei dir!“, versuchte sie besänftigend auf mich einzureden, doch die Verzweiflung durchfuhr mich.
Ich blickte nach allen Seiten hin. Zwar versuchte ich langsam und ruhig zu atmen, doch es klang eher nach einem Hecheln.
„Casy, beruhige dich! Es kann dir nichts passieren!“, sagte sie.
Nichts passieren? – Ha! Hier konnte alles geschehen!
Vor lauter Angst überfuhr es mich heiß über den ganzen Körper, trotz des kalten Wassers.
Ich versuchte mich von meinem Paddeln auf der Stelle zu lösen und Richtung Land zu schwimmen, aber es gelang mir nicht.
Es kam eine größere Welle und schwappte über mich, so dass ich kurz unter Wasser gedrückt wurde. Als ich wieder auftauchte keuchte ich, atmete schnell und hatte Angst. Die Hitze in mir war inzwischen kochend heiß geworden.
„Alles in Ordnung? Ich glaube das war doch keine gute Idee. Komm wir schwimmen zurück! Du brauchst keine Angst zu haben! Ich bin bei dir und gebe auf dich acht!“, versuchte sie mich weiter zu beruhigen.
Ich schnaufte tief ein, aber nur ein wimmern kam wieder aus mir heraus.
Da strich mir etwas über meinen Fuß.
„Ahh! Was ist das?“, brüllte ich hysterisch auf.
Wie verrückt zappelte ich und versuchte das Etwas los zu bekommen.
Das war der Auslöser, der meine Panik zum explodieren brachte und die Angst nahm mich komplett ein.
„Was denn?“, versuchte Angelina ruhig zu fragen.
Ich brüllte so hoch, dass meine Stimme kreischte. „An meinem linken Fuß!“
Angelina tauchte ein Stück und fuhr mir mit der Hand an meinem Bein entlang.
Als sie wieder an die Oberfläche kam, hatte sie grüne Grasbüschel in der Hand.
„Schau! Keinen Grund zur Sorge, alles gut!“, meinte sie.
Ihre Worte konnte ich nicht richtig aufnehmen. Die Furcht überfiel mich so sehr, dass ich nicht mehr klar denken konnte.
In hohem Bogen schmiss Angelina das grüne Zeug weit von uns weg.
Doch zu spät! Gegen meine Panik konnte ich nichts mehr tun. Ich hyperventilierte. Mir wurde schwindlig und in meinen Armen und Beinen begann es zu kribbeln.
„Es ist alles gut. Beruhige dich doch!“, versuchte sie weiter behutsam auf mich einzureden.
Ihre Stimme verschwamm in meinem Kopf. Der Schwindel wurde immer stärker. Ich wirbelte in rasender Geschwindigkeit im Wasser herum und schaute mich immer wieder um, nur dass ich es so nicht schaffte, mich von der Stelle zu bewegen.
„Entschuldige bitte! Lass uns zurück schwimmen!“, sagte Angelina.
Trotz allem merkte ich, dass nun auch ihre Stimme ängstlich klang und das machte die Sache natürlich nicht besser.
Wieder sagte sie etwas zu mir. Antworten konnte ich ihr darauf nicht mehr, denn die Schwärze kam zu schnell über mich.
„Casy? – Casy, bitte wach auf!“, hörte ich jemand zu mir durchdringen. Gleichzeitig spürte ich, dass irgendwer an mir rüttelte.
„Casy, bitte! Es tut mir so leid!“ Es war Angelinas verheulte Stimme.
Antworten konnte ich ihr nicht, zu tief war ich noch in der Dunkelheit gefangen.
„Nach allem was du durchstehen musstest, auch das noch! Entschuldige bitte! Wach auf!“, jammerte sie.
„Sie wird gleich zu sich kommen. Beruhigen Sie sich! Es ist ihr nichts passiert. Sie atmet ganz ruhig, hören Sie?“, sagte eine Männerstimme.
Obwohl ich in meinen Tiefen noch gefangen war, bemerkte ich, wie beruhigend und angenehm diese Stimme wirkte.
„Es ist alles meine Schuld! Warum war ich nur so dumm? Casy? Es tut mir so leid!“, keuchte Angelina.
Langsam kehrte ich an die Oberfläche zurück und öffnete meine Augen. Die Sonne blendete mich, aber trotzdem konnte ich Angelinas verweintes Gesicht sehen. Sie kniete links über mir und sah mich reuevoll an.
„Geht es dir gut?“, wimmerte sie.
Ich wollte ihr antworten, aber dabei musste ich Husten. Gleich versuchte ich mich aufzusetzen. Doch so schnell wurde mir schwindlig, dass ich die Augen schloss und mich mit einem Stöhnen langsam wieder zurücksinken ließ. Zwei Hände hielten mich von rechts. Eine Hand war unter meinem Kopf, die andere lag auf meinem Rücken.
Die Hände halfen mir dabei, mich wieder langsam hin zu legen. Trotz meines Zustandes fühlte ich, dass die Berührung angenehm warm und äußerst sanft war.
Ein Lächeln schwang in der schönen Männerstimme mit: „Gehen Sie es langsam an!“
So wie sie sich anhörte musste es die Stimme eines jungen Mannes sein.
„Casy, sag doch bitte etwas! Geht es dir gut?“, fragte Angelina verzweifelt.
Erneut öffnete ich meine Augen.
„Es geht mir gut!“, beruhigte ich sie.
„Es tut mir so leid! Kannst du mir bitte verzeihen? So etwas mache ich bestimmt nie wieder. Das verspreche ich dir!“ Beim letzten Wort versagte ihre Stimme und sie fing an zu weinen.
„Schon gut!“, sagte ich, streckte eine Hand nach ihr aus und Angelina ergriff sie.
Eigentlich hätte ich noch sauer auf sie sein sollen, aber sie tat mir zu leid.
„Sie wird sich wieder erholen. Aber vielleicht sollte sie noch etwas liegen bleiben.“, sagte die schöne schmeichelnde Männerstimme.
Und dann sah ich sein Gesicht. Vor mir kniete ein wunderhübscher Mann und lächelte mich an. Er hatte die schönsten Züge, die ich je gesehen hatte. Ich war absolut überwältigt von ihm. Einen Moment lang starrte ich ihn an, bis ich verstand was ich da tat und geniert abzulenken versuchte.
„Das wird nicht nötig sein. Ich fühle mich gut und ich glaube, dass ich ohne Gefahr aufstehen kann.“ Schnell setzte ich mich auf, sogleich spürte ich, dass ich nicht ganz so fit war.
„Langsam!“, sagte der Mann mahnend zu mir, als ich mir dabei die Stirn hielt.
Nur ein paar Meter lag ich vom Wasser entfernt auf großen Pflastersteinen, allerdings ein ganzes Stück entfernt von der Stelle, an der wir ins Wasser gegangen waren. Angelina und der Fremde halfen mir gemeinsam auf zu stehen.
„Bitte, geht doch!“, triumphierte ich.
Leicht torkelte ich, aber trotzdem fühlte ich mich einigermaßen sicher auf den Beinen.
„Ich hole unsere Sachen!“, sagte Angelina zu mir und ließ mich los.
Sie richtete sich an den Unbekannten: „Würden Sie, bis ich zurück bin, bei ihr bleiben?“
„Natürlich!“, sagte er freundlich.
Er trug schwarze Shorts und Socken?
Angelina rannte davon, während er mich weiterhin festhielt.
Er folgte meinen Blick zu seinen Füßen und grinste mich an.
„Ich hatte nicht viel Zeit. Hätte ich die Socken noch ausgezogen, wären Sie wahrscheinlich ertrunken.“, erklärte er.
„Sie haben mich aus dem Wasser gezogen?“, war ich verblüfft.
„Ja! Obwohl Sie erst die Retterin waren, musste ich plötzlich Sie in Sicherheit bringen.“, erzählte er.
Er hatte mich also gehört. Ich hatte niemand gesehen, zudem wäre er mir sofort aufgefallen, denn er passte optisch absolut in Angelinas Beuteraster. Er sah ebenfalls aus wie ein Model. Er war einfach wunderschön. Sein hellbraunes Haar war nass und zerzaust, aber es stand ihm gut.
„Ich habe Sie gar nicht gesehen. Wo waren Sie denn?“, fragte ich ihn.
„Ich war gerade angekommen!“, antwortete er. „Dort hinten!“, informierte er mich. Es war die Stelle wo wir ebenfalls zum Meer herunter gelaufen waren.
„Wie konnten Sie mich so weit hören?“, war ich verblüfft.
„Als ich Sie sah, war mir sofort klar, dass da irgendetwas nicht stimmen konnte!“, schmunzelte er mich an.
„Was war mit Angelina, sie ist eigentlich eine gute Schwimmerin?“,
fragte ich.
„Sie geriet etwas in Panik. Sie schaffte es zwar Sie über Wasser zu halten, aber nicht mit Ihnen an Land zurück zu schwimmen.“, erklärte er.
„Aber Sie schon! Sind Sie Rettungsschwimmer?“, war ich neugierig.
„Nein, aber ich kann ganz gut schwimmen!“, grinste er.
Er hatte ein schönes Lächeln.
Und dann schämte ich mich und wurde aus Verlegenheit rot. Da stand ich und fragte ihn aus, aber auf das Wichtigste war ich natürlich nicht gleich gekommen.
„Danke!“, sagte ich mit gesengtem Kopf. „Ich rede und rede und vergesse dabei ganz mich bei Ihnen zu bedanken. Sie haben mir mein Leben gerettet!“
„Sehr gern geschehen!“, schmunzelte er.
Er hielt mich immer noch am rechten Arm fest. Normalerweise wäre mir eine solch enge Berührung nicht recht gewesen, aber es war in Ordnung. Ich fand seine Nähe sogar angenehm. Wie seltsam für mich!
Angelina war wieder bei uns. Sie reichte mir mein Handtuch, damit ich mich trocknen konnte, da ließ er mich schließlich los.
„Ich hole schnell meine Sachen!“, sagte er. „Bin gleich zurück!“
Und schon war er verschwunden.
Ich konnte ihm nicht nachschauen wohin er ging, denn Angelina wandte sich sofort mir zu.
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut. Kannst du mir verzeihen? So etwas mache ich bestimmt nie wieder! Ich hab mich so erschrocken!“, sagte sie.
Selten hatte ich sie so bestürzt erlebt, obwohl wir schon viel miteinander durchgemacht hatten. Es musste daran liegen weil sie, an dem was geschehen war, die Schuld trug.
„Natürlich verzeihe ich dir. Aber bitte tu so etwas wirklich nie wieder!“, antwortete ich ihr.
Es war ein dummer Plan, gleichwohl wusste ich, dass sie es nur gut gemeint hatte.
„Mm...hm!“, seufzte sie betroffen.
Als wir uns abgetrocknet hatten, zogen wir unsere Strandkleider wieder über unsere Badekleidung. Dabei schaute ich unauffällig wo er blieb, allerdings konnte ich ihn nirgends finden.
„Was meinst du, kommt er zurück?“, fragte ich sie beiläufig, während wir unsere Schuhe anzogen.
„Sieht so aus! Der ist süß, nicht wahr?“, schwärmte Angelina.
„Er ist sehr nett!“, antwortete ich ihr knapp.
Im Gegensatz zu Angelina war ich nicht an Männern interessiert.
Aber er machte tatsächlich einen netten Eindruck.
Angelina sah mich verwundert an und begann überrascht zu grinsen.
Männer waren mir zuwider. Nie sagte ich über einen, dass er nett sei, egal was er getan hatte. Also war dies eine Premiere. Und obwohl mir dieser Mann fremd war, hatte ich das Gefühl, dass er ein sehr lie benswürdiger Mensch war. Dazu kam, dass er mir mein Leben gerettet hatte.
„So, so! Er ist also nett?“, wiederholte sie mich.
Ich zuckte mit den Schultern, denn ich wusste nicht was ich ihr darauf sagen sollte. Es fehlte Angelina die Zeit mich weiter darüber zu löchern, denn er kam auf uns zu.
Er war angezogen, als er wieder vor uns stand. Sein nasses, braunes Haar schimmerte leicht rötlich in der Sonne. Er trug ein dunkelblaues kurzärmliges Hemd und eine schwarze Hose. Es stand ihm sehr gut.
Ich war davon überzeugt, dass er tragen konnte was er wollte, er würde immer gut aussehen.
„Ich begleite Sie noch! Wo wohnen Sie denn?“, fragte er uns.
„Im Grand!“, antwortete Angelina sofort.
„So ein Zufall! Da haben wir denselben Weg, ich wohne auch im Grand.“, sagte er.
Wo sollte jemand wie er auch sonst wohnen? Es war das beste und luxuriöseste Hotel weit und breit.
Ich nahm Angelina meine Tasche ab und hängte sie mir über die rechte Schulter.
Angelina war auf meiner linken und er auf meiner rechten Seite.
Wie selbstverständlich nahm er meinen Arm und hielt mich.
„Das ist nicht nötig!“, sagte ich zu ihm.
„Bitte? Sicherheitshalber!“, antwortete er mit einem grandiosen Lächeln.
„Es geht mir gut.“, informierte ich ihn.
„Tun Sie mir den Gefallen!“, bat er.
Die ganze Zeit über lächelte er mich an. Wie konnte ich jetzt nein sagen? Ich sah zu Boden und nickte verlegen, während mir langsam die Röte ins Gesicht stieg.
Er nahm erst meine Tasche und dann meinen Arm. Ich sah ihn währenddessen in die Augen. Es war ein eigenartiges Gefühl, als er mich erneut berührte, doch angenehm. So gingen wir langsam los. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Angelina mich angrinste. Mir war klar warum sie das tat. Es war nicht normal für mich in Gegenwart eines Mannes zu erröten. Doch Angelina war ganz Herrin der Lage, im Gegensatz zu mir. Und dann kam sie richtig in Fahrt – wie immer!
Unbekümmert fragte sie ihn aus: „Wie heißen sie eigentlich?“
„Mein Name ist Adam Carmichael!“, antwortete er.
Adam? – Welch Wink des Schicksals!
„Dann nochmals vielen Dank Mr. Carmichael!“, sagte Angelina.
„Nichts zu danken, aber nennen Sie mich doch bitte Adam!“
„In Ordnung – Adam! Das ist meine Freundin Casy Adams und ich bin Angelina Zarella!“
„Adams?“, hakte er schmunzelnd nach.
„Ja, das muss wohl Schicksal sein.“, antwortete Angelina, bevor ich irgendetwas sagen konnte. Aber ich empfand es ebenso.
Sie sah ihn an, wie Angelina immer Männer ansah, die ihr gefielen.
Trotz dieser Situation, war sie ganz die Alte. Irgendwie störte mich das. Er gehörte eindeutig zu den Männern, die in ihr Beutenetz passten. Doch um ein kurzer Urlaubsflirt für Angelina zu sein und dass sie ihm zweifellos das Herz brechen würde, fand ich ihn zu nett. Das sollte nicht sein.
„Sieht ganz so aus!“, sagte er auf Angelinas Bemerkung hin und strahlte mich wieder an.
Was hatte er nur? Warum lächelte er mich derart an? – Da wusste ich es! Er sah Angelina und dachte sich, warum eine Traumfrau wie sie, so eine unbedeutende Freundin wie mich hatte! Ich war mir absolut sicher, warum sollte er mich sonst so ansehen?
Für einen Moment sah er nachdenklich und ernst aus, als würde ihn etwas belasten.
Angelina machte derweil ungeniert weiter mit dem Ausfragen.
„Sie sind Amerikaner!“, stellte sie fest.
„Ja!“, antwortete er.
„Sind Sie allein hier?“, fragte sie.
„Ja!“ Er war freundlich zu Angelina, aber es sah eher aus, als wäre er gar nicht an ihr interessiert. Ungewöhnlich, da sonst alle Männer auf Angelina flogen. Natürlich gönnte ich ihr einen Mann, der anschei nend ein richtiger Gentleman war, doch irgendwie wäre ich froh darüber gewesen, wenn er nichts von ihr gewollt hätte.
„Machen Sie Urlaub hier?“, hakte sie weiter nach.
„Ja!“ Jetzt klang er amüsiert und grinste.
„Warum können Sie unsere Sprache so gut?“, wollte sie wissen.
„Ich spreche mehrere Sprachen, es fällt mir sehr leicht.“, antwortete er.
„Verblüffend! – Sagen Sie, wo ist Ihre Frau oder Freundin?“, fragte sie.
Hoppla! Da plumpste Angelina mal wieder voll mit der Tür ins Haus.
Das klang mehr als neugierig.
„Ich bin nicht verheiratet und Single.“, antwortete er.
Unmöglich! Oder er war doch so ein Mann, der sich lediglich einem reizenden Urlaubsflirt hingab, genau wie es Angelina immer machte?
Eine peinliche Stille trat ein. Anscheinend hatte Angelina ihn alles gefragt, was ihr wichtig erschien. Und wahrscheinlich grübelte sie jetzt darüber nach, wie sie es am besten anstellen könnte, ihn um den Finger zu wickeln.
Wir hatten schon den halben Weg zum Hotel hinter uns gebracht, als auf einmal er mit den Fragen begann.
„Wie kommt es, dass Sie beide allein unterwegs sind? Wo sind Ihre Begleitungen?“, wollte er wissen.
„Wir sind beide Single!“, antwortete Angelina sofort.
Es war so offensichtlich, dass sie ihm verfallen war. So wie es oft bei ihr passierte. Wie peinlich! Und er war anscheinend nicht abgeneigt oder warum fragte er nach unseren Begleitungen?
Es passte mir nicht, dass er an Angelina Interesse hatte. War mir allerdings nicht sicher, weshalb das so war. Mir ging so viel durch den Kopf.
Wieder trat eine kurze peinliche Stille ein. Wobei Adam sichtlich vergnügt wirkte.
Wir liefen weiter und ich sah vor allem hinunter auf die Pflastersteine.
Ich spürte dennoch, dass zwei Blicke auf mir lagen. Wie unangenehm, wenn man zwischen zwei turtelnden Menschen stand.
„Machen Sie beide Urlaub hier?“, fragte er in die Stille hinein.
„Zum Teil!“, sagte Angelina und erklärte weiter: „Casy bleibt hier und ich fahre in 2 Tagen weiter und besuche meine Familie. Ich konnte Casy nicht überreden mich zu begleiten. Also treffen wir uns in 3 Wochen hier wieder und fliegen gemeinsam zurück.“
„Und woher kommen Sie?“, fragte Adam.
Was plauderte Angelina da nur aus? Adam war eindeutig besser im Aushorchen als Angelina und das sollte schon was heißen!
Von der Seite sah ich sie streng an, damit sie aufhörte noch mehr zu erzählen, doch sie grinste nur frech zurück. Zum Glück standen wir endlich vor unserem Hotel.
„Vielen Dank, jetzt schaffen wir es allein!“, sagte ich höflich zu ihm und er gab mir meine Tasche wieder. Unsere Hände berührten sich dabei und wir sahen uns an. Meine Hand zog ich nicht gleich weg, sondern verharrte kurz, bis ich schließlich wahr nahm, was ich da machte. Schnell hängte ich mir meine Tasche über die Schulter und tat so, als wäre nichts geschehen.
„Essen Sie auch im Hotel zu Abend?“, fragte er und sah mich dabei an. Wollte er meine Zustimmung, um mit Angelina den Abend zu verbringen?
„Ja, natürlich!“, kam mir Angelina mit der Antwort zuvor.
„Dürfte ich Sie beide dazu einladen? Es speist sich besser in charmanter Gesellschaft.“, meinte er.
„Wir haben Vollpension“, antwortete ich.
Im selben Moment hätte ich mich Ohrfeigen können. Was war das für eine bescheuerte Auskunft!
„Dürfte ich Ihnen zumindest Gesellschaft leisten?“, ließ er nicht locker.
„Selbstverständlich! Sagen wir um acht?“, antwortete Angelina.
Sie war so schnell mit ihrer Antwort, dass ich keine Zeit hatte nachzudenken und etwas dazu zu sagen.
„Ich werde da sein!“, sagte er und ging schon Richtung Eingangstür.
An der Tür drehte er sich noch einmal nach uns um, lächelte uns zu und war verschwunden.
Kaum war er weg, begann Angelina auf der Stelle zu hüpfen, mit ihren Händen auf und ab zu zappeln und zu jauchzen. Sie schien total von ihm ergriffen zu sein. Zeit um sie auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen.
„Peinlicher ging es wohl nicht?“, fragte ich sie vorwurfsvoll.
„Wieso? Jetzt weißt du schon mal das Wichtigste über ihn. Der Rest folgt heute Abend beim Essen.“, sagte sie und rieb sich dabei die Hände, als hätte sie bereits einen Plan ausgeheckt.
„Wieso ich?“ Das verstand ich nicht.
„Dir muss doch aufgefallen sein, wie er dich angehimmelt hat. Oder ist dir das etwa entgangen?“, fragte sie.
„Ja klar!“, sagte ich spöttisch. „Als ob mich jemand wahr nehmen würde, wenn du dabei bist! Mir kam es eher so vor, als würde er sich vorsichtig an dich heran pirschen.“, versuchte ich sie aufzuklären.
„Bin ich ein Eber?“, klang sie belustigt.
„Nein, aber ein durchtriebener Fuchs!“, sagte ich.
Sie wusste genau, dass ich damit ihre listige Art meinte, wie sie es immer mit Männern anzettelte.
Erst sah ich sie streng an, doch hielt dabei nicht lange durch. Böse konnte ich ihr sowieso nie sein und wenn wir uns ansahen, brachte sie mich dabei immer sofort zum Lachen.
„Ehrlich, der steht auf dich!“, sagte sie.
Angelina schien es ernst zu meinen.
„Na und wenn – ich habe kein Interesse.“, sagte ich belanglos.
Aber was seltsam war, zum ersten Mal in meinem Leben, war ich von meinen eigenen Worten nicht überzeugt.
„Na gut, dann gehen wir einfach mit ihm Essen und sehen was der Abend uns bringt.“, schlug Angelina vor.
„Nur wenn du diese Peinlichkeiten lässt!“, schränkte ich ein.
Sie zuckte mit den Schultern. „Mal sehen!“ Dann stolzierte sie durch die Eingangstüre des Hotels.
Typisch für sie! Angelina hatte ihren eigenen sturen Kopf. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass sie recht hatte, das Wichtigste wussten wir nun über ihn. Aber hatte er auch die Wahrheit gesagt?
Angelina holte sich ihre Abendgarderobe und wir gingen gemeinsam auf mein Zimmer. Unter keinen Umständen wollte sie mich, nach dem was geschehen war, alleine lassen und machte sich bei mir fertig.
Das schlechte Gewissen plagte sie immer noch und sie hatte Angst, dass ich als Spätfolge einen Schock erleiden könnte. Schließlich war mir so etwas in der Vergangenheit schon einmal passiert.
Sie kam aus meinem Badezimmer und schaute mir zu, wie ich mir in Unterwäsche passende Kleidung zum Abendessen suchte. Vor niemand sonst hätte ich mich bauchfrei zeigen können, nicht einmal vor einem Arzt. Das konnte ich nur vor Angelina, obwohl es mir auch vor ihr unangenehm war.
„Ehrlich Casy! Er mag dich.“, sagte sie unerwartet.
Dann wurde sie nachdenklich. „Wie liebevoll er dich angesehen hat.“
„Hör bitte auf damit!“, versuchte ich sie zu stoppen.
„Warum? Flirte doch einfach ein bisschen!“, meinte sie locker.
„Ich will keinen Mann! Du weißt, im Moment sind mir Männer zuwider.“, entgegnete ich.
„Im Moment?“, sagte sie abfällig. „Wann gab es je einen, der Chancen bei dir hatte? –Noch nie!“
Ich versuchte nicht darauf einzugehen und suchte weiter im Schrank nach etwas Passendem zum Anziehen. Am liebsten hätte ich eine alte Pyjamahose angezogen und ein kaputtes T-Shirt, einfach nur um Angelina zu ärgern. Aber da sie mit mir zusammen meine Koffer gepackt hatte, konnte ich nur unter meinen besten Kleidungsstücken wählen.
Sie machte beim Packen keine Kompromisse und da ich fertig werden wollte, ließ ich ihr den Spaß. Sogar für die Nacht hatte sie mir ein paar Seidenpyjamahosen und edle Tops eingepackt.
Wir wurden komplett von unserem Arbeitgeber ausgestattet. Und da er viele Angestellte hatte und ein guter Kunde in einer nahen exklusiven Boutique war, bekamen wir oft zusätzlich etwas geschenkt, wie zum Beispiel Spitzenunterwäsche und Seidenpyjamas. Nur ich machte mir nicht viel aus diesen Sachen. Die Spitzenunterwäsche schenkte ich immer sofort Angelina weiter.
„Nicht alle Männer sind gleich!“, durchschnitt Angelina meine Gedanken.
Laut stöhnte ich daraufhin aus. „Ich weiß, aber ein Mann ist ein Mann! Und leider denken viele Männer auf die gleiche Weise.“ So!
Hatte sie es jetzt endlich verstanden?
„Viele, doch nicht alle! Hast du etwa Vergleichsmöglichkeiten?“, fragte sie.
Ich verdrehte die Augen, ohne ihr zu antworten und zog mir eine schwarze Hose und eine dunkle Bluse aus dem Schrank. Angelina stand immer noch an der Badezimmertür und musterte mich mit ernstem Blick.
„Ich weiß wie du dich fühlst.“, sagte sie.
Das glaubte ich ihr nicht, dass sie es mir nachempfinden konnte!
„Wirf dein Leben nicht weg!“, fuhr sie fort.
„Das tue ich nicht!“, konterte ich sofort.
„Auch wenn du dich nach außen hin gelassen gibst, weiß ich wie es tief in dir aussieht.“, meinte sie.
„Es geht mir gut!“, versicherte ich ihr erneut. Sie ging allerdings nicht darauf ein.
„Irgendwann wird es heraus kommen und wenn es soweit ist, werde ich für dich da sein. Lass dir so viel Zeit wie du brauchst! Aber versuche dein Leben weiter zu leben und es zumindest ein bisschen zu genießen!“, sagte sie.
„Und du glaubst, das ist nur mit einem Mann möglich?“, konfrontierte ich sie.
„Gib einen Mann die Chance dich glücklich zu machen. Glaube mir, nicht alle sind gleich. Und ich denke, dass dieser Adam gar nicht mal so übel ist.“
„Du kennst ihn doch gar nicht!“, warf ich ein.
„Du doch auch nicht!“, entgegnete sie. Darauf wusste ich erstmal nicht was ich sagen sollte.
„Es tut mir leid, dass es dir so schwer fällt. Aber nicht nur du hast in all den Jahren gelitten. Für mich war es auch nicht leicht.“, konfrontierte sie mich.
„Ich weiß!“, sagte ich mit sichtlich schlechtem Gewissen.
Wir gingen gleichzeitig aufeinander zu, trafen uns in der Mitte des Raumes und umarmten uns. Ich wusste erst nicht was ich zu ihr sagen sollte, doch es gab nur eins zu sagen:
„Danke, dass du immer für mich da warst. Nur durch dich konnte ich das alles ertragen.“ Es sagte das Wichtigste aus und kam aus der Tiefe meines Herzens.
Normalerweise waren rührselige Momente nichts für Angelina. Doch die vergangenen Jahre hatten auch sie verändert. Sie versuchte sich unter Kontrolle zu halten und die Tränen nicht heraus kommen zu lassen.
„Schon gut!“, antwortete sie schließlich.
Sie schob mich ein Stück weg, ließ ihre Hände auf meinen Armen liegen, lächelte mich an und musterte mich zufrieden.
„Machen wir uns zu Recht für einen schönen Abend und zeigen den Männern welch armselige Wesen sie sind!“, äußerte sie.
Wie so oft, brachte sie mich mit ihrer Bemerkung zum Lachen. Es war ihre Art, die mich immer aufmunterte und mir half über vieles hinwegzukommen.
„Du wirst mir fehlen!“, sagte ich.
„Soll ich hier bei dir bleiben?“, fragte sie hoffnungsvoll.
Ihre Familie wäre ihr nicht böse, wenn sie mich als Ausrede vorschob, um das Familientreffen zu umgehen. Außerdem meinten ihre Eltern, dass ich einen guten Einfluss auf sie hätte. Ich würde sie bodenständiger machen und im Temperament zügeln.
„Kommt gar nicht in Frage! Du drückst dich nicht!“, stellte ich klar.
„Aber was willst du denn ohne mich machen?“, versuchte sie es weiter.
„Das was ich sowieso vor hatte. Ich werde mir einen Mietwagen nehmen und mir einige Städte ansehen...“ Dann schaute ich ihr vorwurfsvoll tief in die Augen. „... und das Meer!“, ergänzte ich streng.
Sie schaute weg. Das schlechte Gewissen holte sie wieder ein.
Sofort tat es mir leid, dass ich Anspielungen auf den heutigen Nachmittag gemacht hatte. Auf keinen Fall sollte sie sich Sorgen machen, weil sie mich allein zurück ließ.
„Schon gut, ich kapituliere!“, meinte sie schließlich.
Ich war bereits fertig für das Abendessen angezogen, während Angelina noch brauchte. Als sie dann endlich fertig war, wollte sie auf ihr Zimmer, um sich zu schminken. Meine Schminke genügte ihr nicht.
Wenn ich mich schminkte, dann sehr dezent und nur zu besonderen Anlässen, im Gegensatz zu Angelina.
„Jetzt kann es sich nur noch um Stunden handeln!“, stöhnte ich, als sie aus dem Zimmer gehen wollte.
„Warte hier auf mich! Wenn ich fertig bin, dann hole ich dich ab!“,
sagte sie.
„Soll ich nicht gleich mit kommen?“, fragte ich, aber ich wusste ihre Antwort.
„Nein, du machst mich nur nervös. Du verstehst das nicht, alles Schöne braucht eben seine Zeit.“, antwortete sie und stellte sich in Pose, wie ein Model. Es sah lustig aus.
„Solange wir heute noch im Restaurant ankommen.“, ächzte ich und ließ mich prustend auf das Bett fallen.
Grinsend huschte sie zur Tür hinaus.
Ich hatte mich gar nicht geschminkt und überlegte für einen Moment, ob ich mich noch etwas zu Recht machen sollte. Aber warum? Darüber war ich mir nicht sicher. Doch dann ging ich zum Schrank, stöberte und suchte etwas, das mich noch etwas aufwertete. Letztendlich zog ich mich noch einmal komplett um. Dann hastete ich ins Badezimmer, kämmte mir erneut durch mein Haar und schminkte mich dazu.
Wir betraten pünktlich um acht Uhr das Restaurant. Ein Wunder, dass Angelina ausnahmsweise einmal rechtzeitig fertig war.
Wieder war der Unterschied zwischen uns nicht zu übersehen. Angelina hatte sich, trotzdem wir zum Essen gingen, einen knalligen, pinken Lippenstift aufgelegt. Verzweifelt würde sie versuchen, dass er das Essen überstand. So wie sie aussah, stach sie aus jeder Menge heraus. Aber sie konnte alles tragen und war wie immer wunderschön.
„Du siehst hübsch aus!“, sagte sie zu mir, mit einem schellmischen grinsen auf dem Gesicht, denn selten zog ich mir ein Kleid an.
Es saßen nicht viele Gäste im Restaurant. Das Hotel war höchstens halb belegt. Auch hier war Nebensaison. Der riesige Essbereich war sehr modern, aber auch gemütlich.
Der Kellner kam auf uns zu.
„Wir sind hier mit Mr. Carmichael verabredet. Ist er schon da?“, fragte ihn Angelina. Sie redete nicht auf Italienisch, was sie selten tat, wenn sie auf Landsleute stieß.
„Si Signorina, darf ich Sie beide zu ihrem Tisch führen?“, antwortete er. Seine Aussprache war sehr gut.
„Bitte!“, entgegnete sie.
Wir gingen quer durch den großen Raum. Es gab jeden Abend ein Buffet mit internationalen Gerichten. In der Mitte des Saales war es aufgebaut. Für so wenige Gäste war es überaus reichhaltig und sah auch äußerst appetitlich aus. Sobald ein Gericht zu Neige ging, wurde es von verschiedenen Köchen wieder frisch aufgefüllt.
Der Kellner führte uns daran vorbei, zu einer kleinen Nische. Dort war genau Platz für drei Personen.
„Falls Sie etwas benötigen, mein Name ist Giovanni. Ich bringe Ihnen gleich die Getränkekarten!“, sagte der Kellner.
„Danke Giovanni!“, antwortete ich.
Und dann sah ich Adam dort sitzen. Als er uns kommen sah, stand er sofort auf.
Mein Blick lag auf Giovanni, denn so versuchte ich Adam nicht anzustarren, doch der Kellner war zu schnell verschwunden.
Adam sah perfekt aus. Er trug einen dunklen Anzug. Jetzt da seine Haare trocken waren, war ihr Glanz noch schöner.
Angelina streckte ihm die Hand entgegen, als er auf uns zu kam. Er nahm sie und gab ihr einen Handkuss. Das hatte ich im richtigen Leben noch nie gesehen, nur in alten Filmen. Zudem fand ich es im Film immer kitschig. Aber er machte es auf eine Weise, die elegant wirkte und nichts mit Kitsch zu tun hatte.
„Sie sehen nett aus!“, sagte Adam zu Angelina.
Er hielt ihre Hand und begleitete sie zum Kopfende des Tisches. Angelina setzte sich und Adam rückte ihren Stuhl zurecht.
Dann kam er auf mich zu und streckte mir seine Hand entgegen, während er mich anlächelte. Ich kam näher und legte meine Hand in seine. Auch mir gab er einen Handkuss. Leicht zitterte ich dabei. Ich konnte nicht dagegen an und ein kribbeln ging von meiner Hand bis in meinen Bauch, als seine Lippen meinen Handrücken berührten. Es fühlte sich eigenartig schön an.
Adam schaute auf und sah mir tief in die Augen, ohne mich los zu lassen. Es war so, als ginge von ihm eine magnetische Kraft aus, der man sich nicht entziehen konnte.
„Sie sehen wunderschön aus!“, sagte er.
Er klang, als wäre er erstaunt. Hatte er vielleicht gedacht ich käme wirklich in einer Pyjamahose und war nun erfreut, dass ich es mir anders überlegt hatte?
Adam lachte wieder, es war mir nur nicht klar warum?
Langsam drehte er meine Hand in seiner und roch an meinem Handgelenk.
„Sie duften so gut!“, sagte er.
Parfum benutzte ich so gut wie nie und so war es auch heute.
„Das ist mein Shampoo!“, antwortete ich schlicht, aber ehrlich.
Das war wieder typisch für mich, immer gleich mit der Wahrheit raus.
Auch wenn sie mich dieses Mal erröten ließ und ich nicht einmal genau wusste weshalb.
Er schaute überrascht und liebenswürdig zu gleich. Dann führte Adam auch mich an den Tisch, an den Platz ihm gegenüber, rückte mir ebenso den Stuhl zurecht, setzte sich und sah mich an.
Na toll! Ich mochte es nicht, wenn mir jemand beim Essen zu sah und mir die ganze Zeit über in die Augen schauen konnte. Noch dazu er!
Adam grinste in sich hinein. War mir ein Witz entgangen?
„Wie fühlen Sie sich?“, fragte er mich schließlich.
„Mir geht es gut. Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe!“
Meine Worte versuchte ich wirklich dankbar klingen zu lassen, denn das war ich auch.
Giovanni war zurück und reichte uns die Getränkekarten. Diskret wartete er, damit wir in Ruhe wählen konnten.
Adam studierte sie und nach einer angemessenen Überlegungszeit fragte er uns, was wir zu trinken wollten. Erst schaute er zu Angelina, dann blieb sein Blick auf mir haften. Er hatte so gute Manieren. Entweder war er ein Gentleman oder der gewiefteste Macho, der mir je untergekommen war.
„Möchten Sie Sekt, Champagner oder Wein? Der Weinkeller hier hat einen guten Chianti Jahrgang anzubieten.“, erläuterte Adam.
„Ich trinke keinen Alkohol!“, erklärte ich. „Ich hätte gerne Wasser!“
Wenn ich Alkohol getrunken hätte, wäre ich nach einem Glas betrunken gewesen und es wäre wirklich peinlich geworden.
Sein Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen.
Angelina wollte auch Wasser.
Er lachte immer noch, als er bei Giovanni bestellte. „Drei Mal Wasser bitte!“
Für eine kurze Zeit blieb es daraufhin still, während Adam und ich uns ansahen.
„Wollen wir uns nicht das Essen holen? Ich sterbe vor Hunger!“, sagte Angelina in die Stille hinein, dass ich dadurch sogar erschrak.
Während des Essens kam es mir vor, als hätte Adam mich von oben bis unten gemustert. Er sah mir mit einer Freude auf dem Gesicht genau zu, wie ich den Salat auf die Gabel piekte, wie ich meinen Fisch aß und wie ich das Dessert löffelte. Eigentlich hätte mir unwohl sein müssen, da er mich ständig betrachtete, aber es fühlte sich im Laufe des Essens anders an. Ich fühlte mich geschmeichelt. – Wie merkwürdig?
Er wandte sich Angelina nur zu, wenn sie ihm ganz locker persönliche Fragen stellte. Sehr höflich und ungezwungen beantwortete er sie, obwohl ich am liebsten vor Scham im Erdboden versunken wäre. Es war wirklich seltsam, dass ich mir Gedanken machte, was ein Mann dachte und dass ich gespannt zu hörte, was er über sich erzählte.
Angelina fand heraus, dass er 28 Jahre alt war, im Immobilienhandel tätig war und in den USA ein großes Unternehmen führte. Sein Urlaub war auch teilweise Geschäft. Ihm gehörten schon einige Häuser in Italien und er wollte sich noch welche dazu kaufen. Er nannte es eine gute Kapitalanlage. Es klang allerdings nicht protzig wie er es sagte, eher informativ.
Mich wunderte es, dass er ganz allein unterwegs war. Hatten solche Männer nicht immer irgendwelche Sekretärinnen bei sich? Es passte so gar nicht zusammen.
Wir waren mit dem Essen fertig und Adam bezahlte diskret die Getränke.
Er war wieder sehr galant und als wir aufstanden, rückte er unsere Stühle weg. Erst bei Angelina, dann ließ er sie stehen und kam schnell zu mir gesaust, so dass ich es nicht schaffte vorher aufzustehen.
Als er uns in die Hotellobby begleitete, nahm er geschickt meine Hand und wollte sie nicht mehr los lassen. Jedoch behutsam entzog ich sie ihm.
Etwas unbeholfen standen wir da. Doch Angelina hatte wie immer alles im Griff.
„Zeit für unseren Abendspaziergang!“, sagte sie und wand sich sofort Adam zu. „Begleiten Sie uns?“
„Es wäre mir ein Vergnügen. Das heißt, wenn es Ihnen recht ist?“,
meinte er und schaute mich fragend an.
„Natürlich!“, sagte ich. Aber was hätte ich denn sonst sagen sollen?
Ich war damit schon wieder einmal überrumpelt. Wir gingen im Urlaub oft abends spazieren. Nur, wir hatten für heute nichts verabredet.
Wie ich Angelina kannte, hatte sie das Lasso geworfen, jetzt wollte sie ihn einfangen.
Ich war mir nicht sicher, dass sie das alles für mich machen wollte. Er hatte mich zwar den ganzen Abend über angegrinst und Angelina wenig Beachtung geschenkt, aber was hatte das schon zu bedeuten?
Zudem kannte Angelina meine Einstellung was Männer betraf. Und sie hatte vorher noch nie versucht zu kuppeln. So eine Situation hatte es allerdings vorher auch noch nie bei mir gegeben. Doch ich wusste dass Angelina so etwas nicht einfach versuchen würde, nicht das!
Adam war äußerst galant und gut aussehend. Und so wie sie ihn den ganzen Abend über gelöchert hatte, war sie offenbar selbst an ihn interessiert. Mir war es zwar recht, wenn er uns begleitete, aber hätten er und Angelina nicht lieber allein sein wollen?
„Brauchst du eine Jacke?“, fragte ich Angelina.
„Nein und du?“, entgegnete sie.
Es wäre für mich der perfekte Vorwand gewesen, um mich zurück zu ziehen und Angelina und Adam letztendlich allein gehen zu lassen.
Ich wusste nicht warum, aber meine Antwort war: „Nein!“
„Na dann!“ Adam ging zur Hoteltüre und hielt sie uns auf, bevor der Portier es tun konnte.
Angelina zog mich am Arm mit sich und wir gingen hinaus.
Als wir den Weg Richtung Promenade entlang liefen, ließ sie mich los.
Sie war einfach durchtrieben.
„Wir nehmen Sie in die Mitte Adam!“, sagte sie.
Wieder ging alles so schnell, dass ich davon überrumpelt war.
Er wölbte seine beiden Arme und wir hingen uns bei ihm ein. So liefen wir weiter.
Es war ein eigenartiges Gefühl so nah bei ihm zu sein. Er duftete so gut. Anscheinend benutzte er dasselbe Parfüm wie am Nachmittag, denn schon dort war mir sein wunderbarer Duft aufgefallen. Wieder fühlte ich mich, wie von einem Magneten angezogen. Normalweise hätte ich mich nicht bei einem Mann eingehakt, doch bei ihm war das anders. Es war schön.
Es war inzwischen dunkel und die Sterne waren am Himmel zu sehen.
Ich bemerkte, dass er immer wieder zu mir rüber oder eher runter sah. Adam war ein ganzes Stück größer als ich. Angelina war nicht ganz so groß wie er, doch sie passten optisch gut zusammen, stellte ich fest.
Ein paar Mal begegnete ich Adams Blick. Wieder hatte er dieses unwiderstehliche Lächeln. Mir wurde ganz anders dabei und verstand das nicht? Ich wollte doch keinen Mann in mein Leben treten lassen.
Genau das wollte ich nicht! So nah bei ihm fiel es mir allerdings schwer darüber nachzudenken.
„Sollen wir runter ans Wasser gehen?“, fragte Angelina.
„Es wäre schön zum Wasser zu gehen.“, antwortete Adam sofort.
Nachdem Angelina seinen Arm los gelassen hatte, ließ ich ihn ebenfalls los.
„Oh, Mist!“, schimpfte Angelina plötzlich.
„Was hast du?“, wollte ich wissen.
„Ich habe mein Telefon im Hotel liegen lassen und ganz vergessen meine Eltern anzurufen. Wir müssen noch einiges wegen Enzinas Geburtstagsgeschenk besprechen.“, sagte sie.
„Hat das nicht Zeit bis morgen?“, fragte ich.
„Nein, sonst wird es nicht mehr rechtzeitig fertig!“, meinte sie.