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Sex/Life E-Book

B.B. Easton

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Beschreibung

BB ist frustriert. Denn das Sexleben mit ihrem sehr attraktiven, aber leider wenig einfallsreichen Mann ist nach vielen Jahren Ehe alles andere als aufregend. Der Alltag, der Stress, die Kinder ... Um wenigstens in der Fantasie ein wenig Prickeln zu erleben, beginnt sie — mit viel Witz und Esprit — Tagebuch über die erotischen Erlebnisse mit ihren Verflossenen zu führen. Was sie nicht weiß: Ihr Ehemann liest heimlich mit, was sie schreibt, und legt sich von da an richtig ins Zeug ...

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Seitenzahl: 338

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Ähnliche


Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Vorbemerkung der Autorin

Widmung

Einführung

Glossar

1. Der Robogatte

2. Skeletor

3. Freinde

4. Requisiten

5. Senf ist nicht für jedes Würstchen

6. Auftritt der bösen Professorin

7. The Notorious K.E.N.

8. Call Me Crazy

9. Die Lady und der Strolch

10. Ken, darf ich vorstellen: Fantasy-Harley

11. Inception-Style, Scheißkerl!

12. Genau wie Billy I… Nein, doch nicht

13. Klopf, klopf. Wer ist da? Ding-dong.

14. Mein Schwanz ist wieder abgefallen

15. Hokuspokus

16. Oh nein, ich bin inzestuös

17. Hoodie und der Blowjob

18. Härtetest (Wortspiel beabsichtigt)

19. BB leidet

20. Der Mieseste

21. Kann bitte jemand Oprah anrufen?

22. Hänsel und Metal

23. Im Keller umzingelt von Phantom Limbs

24. Bassgitarristen tun es mit Rhythmus

25. Lattiläum

26. Schützen Sie Ihre Schenkel

27. Skynet hat ein Bewusstsein entwickelt! Skynet hat ein Bewusstsein entwickelt!

28. Wenn der SUV schaukelt

29. Mark McKen

30. Mission(arsstellung) erledigt!

31. Blödes Safeword

32. Kobolde mögen es anal

33. Wir haben beide ein Gmail-Konto. Als wollten wir gefeuert werden.

34. 867-5309

35. Hasta la vista, Knight

36. Rosen sind rot, Veilchen sind scheiße

37. What a Difference a Year Makes

38. Strandsex

39. Adieu

40. Haiku der Schande

41. Was für ein Problem hast du mit Frühstück, Ken?

42. Mach ein Foto. Dann hast du mehr davon.

43. You Can’t Always Get What You Want

44. Kavaliersschmerzen

Epilog

Fußnoten

Über das Buch

BB ist frustriert. Denn das Sexleben mit ihrem sehr attraktiven, aber leider wenig einfallsreichen Mann ist nach vielen Jahren Ehe alles andere als aufregend. Der Alltag, der Stress, die Kinder … Um wenigstens in der Fantasie ein wenig Prickeln zu erleben, beginnt sie – mit viel Witz und Esprit – Tagebuch über die erotischen Erlebnisse mit ihren Verflossenen zu führen. Was sie nicht weiß: Ihr Ehemann liest heimlich mit, was sie schreibt, und legt sich von da an richtig ins Zeug …

Über die Autorin

BB Easton lebt in einem Vorort von Atlanta, Georgia, zusammen mit ihrem langmütigen Ehemann Ken und zwei entzückenden Kindern. Ihren Job als Schulpsychologin gab sie auf, um hauptberuflich Geschichten über ihre Punkrock-Zeit und etwas andere sexuelle Vergangenheit zu schreiben

B.B. EASTON

SEX/LIFE

Roman

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Angela Koonen

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der amerikanischen Originalausgabe:»44 Chapters about 4 Men«

Für die Originalausgabe:Copyright © 2016 44 Chapters about 4 Men by BB EastonPublished by arrangement with Bookcase Literary Agency

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Anne Schünemann, Lektorat am Meer, SchönbergUmschlaggestaltung: zero-media.net, München unter Verwendung eines Motivs von Composition FinePic®, MüncheneBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-9486-3

luebbe.delesejury.de

VORBEMERKUNG DER AUTORIN

Sex/Life beruht auf wahren Ereignissen, die um des Humors willen und/oder wegen der Neigung der Autorin, im betrunkenen und übermüdeten Zustand zu schreiben, ausgeschmückt, der Wahrheit angenähert und übertrieben wurden. Alle Namen, Orte und erkennungstauglichen Merkmale wurden geändert, um die Identität der beschriebenen Personen zu schützen. Sollten Sie die wahre Identität von Ms. Easton oder einer anderen Figur in diesem Buch entschlüsseln, bittet die Autorin Sie um eine kurze Liste von Forderungen, die sie im Ausgleich für Ihr Schweigen erfüllen wird.

Wegen des obszönen, vulgären und plastisch geschilderten sexuellen Inhalts ist dieses Buch nicht für unter Achtzehnjährige bestimmt und sollte am besten sorgfältig vor ihnen versteckt werden.

Zuerst wollte ich das Buch meinem Mann widmen, aber da er nicht weiß und auch nie herausfinden darf, dass es existiert, widme ich es stattdessen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser.

EINFÜHRUNG

Ja, ganz richtig. Wenn aus diesem Experiment für Sie nichts weiter herausspringt, können Sie wenigstens Ihren Freunden erzählen, dass Ihnen jemand ein Buch gewidmet hat.

Und zwar einen ganzen Roman. Nicht bloß eine Novelle. Oh nein.

Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Schließlich habe ich diesen peinlichen Haufen persönlicher Tagebucheinträge, E-Mails und Schweinkram vor allem Ihretwegen veröffentlicht. Eine schreckliche Entscheidung (eine von vielen schrecklichen Entscheidungen, von denen Sie bald lesen werden), aber ich tue das für Sie.

Wissen Sie, ich bin Schulpsychologin. Verhaltensänderung ist praktisch mein Ding. Sie wollen, dass Ihr Kind aufhört, sich wie ein Arschloch zu benehmen? Dann bin ich genau die Richtige für Sie. Sie möchten wissen, ob Klein Johnny eine Störung im Autismusspektrum hat oder wirklich richtig auf Minecraft steht? Bringen Sie ihn zu mir. Aber wenn Sie wissen wollen, wie Sie Ihren kühlen, reservierten, unkommunikativen Partner dazu bringen können, mehr Zuneigung zu zeigen? Ähm …

Das weiß ich selbst nicht. 2013 kam es mir vor, als wären wir in unserer Ehe nicht Mann und Frau, sondern Sitzkissen und Besitzer, und es wurde nur schlimmer. Bis zu dem Tag, da sich alles änderte – weil Kenneth Easton angefangen hatte, mein Tagebuch zu lesen.

Danach stieß ich auf eine bahnbrechende psychologische Methode, die so simpel, so lächerlich, so perfekt ist, dass sie meinen introvertierten, zahlenverliebten Ehemann im Laufe weniger Monate in einen glühenden Sexgott verwandelte. Vor lauter Freude habe ich meine Notizen im Schutz der Nacht zu einem Frankensteinbuch zusammengetackert. Die Kopien wollte ich zwischen Ost- und Westküste herabregnen lassen, auf jeden bemitleidenswerten Trottel, der in einer monotonen Langzeitbeziehung ausharrt. »Es gibt Hoffnung!«, wollte ich in die Dunkelheit plärren und sie dabei aus meinem gestohlenen Streuflugzeug werfen. »Ihr müsst euch nicht mit langweiligem Mist abfinden!«

Aber statt einen Pilotenschein für einmotorige Flugzeuge zu machen, um meine kleine Entdeckung unters Volk zu bringen, werde ich das Nächstbeste tun und sie von einem Verlag drucken lassen.

Sicher, wenn jeder, den ich kenne, das Zeug gelesen hat, werde ich vielleicht gefeuert, bekomme die Scheidungspapiere überreicht und/oder werde vom Jugendamt zu Elternkursen verpflichtet (die Teilnahme wird kompliziert, wenn erst mal mein Wagen konfisziert wurde). Aber mein Motto lautete immer »No risk, no fun«. (Was die meisten Ereignisse in diesem Buch erklärt.)

Hoffentlich wird Ihnen die Lektüre helfen, Ihrem eigenen komatösen Partner ein bisschen Leben einzuhauchen. Hoffentlich bekommen Sie die dringend nötige Auszeit von Ihrem Alltag, um eine Weile über meinen zu lachen. Aber wenn das alles nicht eintrifft, können Sie wenigstens Ihren Freunden erzählen, dass BB Easton Ihnen ihre Memoiren gewidmet hat … was ungefähr eins Komma fünf Sekunden lang sensationell klingt, bis einer fragt: »BB wer?«

GLOSSAR

(An die Redaktion des Dudens: Sie dürfen sich gerne melden, wenn Sie etwas entdecken, was Ihnen gefällt.)

Emolatte, die – siehe Emorektion

Emorektion, die – Versteifung eines Penis aufgrund eines emotionalen anstelle eines physischen oder visuellen Reizes

fanverdammtastisch (Adj.) – Neubildung von jemandem, der ein randvolles Glas Pinot Grigio getrunken hat

Frankensteinbuch, das – wahlloser Haufen von Tagebucheinträgen, E-Mails, Fotos, schmutzigen Gedichten und pornografischen Kurzgeschichten, die jemand zusammengeschmissen hat und als Buch ausgibt

Freinde, die – Freunde? Feinde? Hängt von der Tagesform und der beteiligten Menge Schnaps ab

gargamelisch (Adj.) – nach Art Gargamels, des Schurken und Erzfeinds der Schlümpfe, oder von Gargamel herrührend

Lattengatte, der – verheirateter Mann, der eigentlich die Vagina der Mutter seiner Kinder leid sein könnte, sich aber aufführt wie ein unersättlicher Erotomane

Lattiläum, das – jährlich wiederkehrendes Ereignis, bei dem der Mann, der gewöhnlich bei allen sexuellen Handlungen reglos daliegt wie ein desinteressiertes wirbelloses Tier, mit seinem Mann oder seiner Frau schläft. Gedenken mit oder ohne Schweigeminute möglich.

Monstie, das – 1. Kreuzung aus Monster und Genie 2. Ein monstermäßiges Genie 3. Hier Foto von Dr. Sara Snow einfügen

Robogatte, der – verheirateter Mann, der sich mehr wie ein Roboter und nicht wie ein menschliches Wesen verhält. Solch ein Cyborg ist meist gehorsam, aufgabenorientiert, introvertiert, hält sich streng an Regeln und gewohnte Abläufe, ist sexuell gehemmt und eine Spaßbremse.

Stalkee, der – Person, von der ein Stalker besessen ist. Logo.

Vagabundist, der – Anhänger des Vagabundismus; jemand, der als Vagabund ohne festen Wohnsitz und Arbeitsverhältnis lebt, sich aber Lederhosen und halb fertige Tätowierungen leistet

vandalös (Adj.) – zerstörungswütig; praktisch die sexy Variante von »vandalisch«

unterweltlich (Adj.) – die Unterwelt betreffend

Wurstfest, das – gesellige Zusammenkunft von Leuten mit Penis

1 | DER ROBOGATTE

BBs geheimes Tagebuch

16. August

Liebes Tagebuch!

Dieser Motherfucker bringt mich um.

Er ist frisch geduscht. Ständig weht mir der Duft seines Irish-Spring-Duschgels in die Nase. Seine Haare sind feucht und sexy, und sein Dreitagebart hat genau die richtige Länge – heißt, er fühlt sich weich an, lässt aber seine fein gemeißelten Züge noch erkennen. Und wie sich sein Unterhemd an den Bizeps schmiegt und über den harten Flächen seiner Brust spannt … ich könnte ihn den ganzen Abend angaffen. Habe ich praktisch getan – aus dem Augenwinkel. Aber das reicht mir nicht.

Ich will ihn anfassen.

In der halben Stunde, seit er sich neben mir auf die Couch geworfen und das Spiel der Braves eingeschaltet hat, habe ich tausend und ein Mal überlegt, wie ich mich nach ihm ausstrecken und ihn streicheln könnte. Ich könnte zum Beispiel die Finger mit seinen verschränken oder mit den Fingerknöcheln über sein raues, kantiges Kinn streichen. Vielleicht sollte ich mich spielerisch geben und mit meinen minzgrün lackierten Nägeln an seinen definierten Bauchmuskeln hinaufwandern, und sobald ich seine Aufmerksamkeit habe, könnte ich mich rittlings auf seinen feuchten, sauberen, harten Körper setzen und meine Fingerspitzen in seinem nassen Haar vergraben.

Aber ich tue gar nichts, denn er wird mich ja doch nur kurz anblicken und sich dann zur Seite lehnen, um an mir vorbeizuschauen.

Mein Mann ist ein Fels. Nicht im Sinne von: Er ist so stark und beschützerisch, ich weiß gar nicht, was ich ohne ihn täte. Sondern mehr wie: Er ist so verdammt kalt, ich frage mich, ob er überhaupt einen Puls hat. Ken hat nicht ein Mal meine Hand gehalten, liebes Tagebuch. Jedenfalls nicht absichtlich. Im Schlaf hat er sich die Hand von mir halten lassen, aber wenn ich das tun wollte, während er wach war, hat er sein Unbehagen bei dem menschlichen Kontakt höflich ertragen für … sagen wir fünfeinhalb Sekunden und mir dann seine weiche, schlaffe Hand ruhig entzogen.

Beim Sex ist es praktisch dasselbe. Stets Gentleman legt er sich auf den Rücken und lässt mich mit ihm anstellen, was ich will, wobei er sich still zu dem obligatorischen minimalen Petting bequemt. (Selbst als ich etwas Neues ausprobieren und die Eiscreme-Szene aus dem zweiten Teil von Fifty Shades of Grey nachspielen wollte. Zu seiner Verteidigung: Die Rolle des Christian muss natürlich ich übernehmen, weil Ken den Text nicht kennt. Und ich gebe zu, das knisternde Rauschen eines Babyphons klingt nicht gerade wie Al Green. Und aus irgendeinem Grund haben wir nie Vanilleeis wie in dem Buch. Wir kaufen nur Cherry Garcia, was zum Ablecken ziemlich blöd ist, weil so viele Stückchen zum Kauen darin sind. Aber trotzdem. Ein bisschen Beteiligung wäre schon schön.)

Auch wenn dafür manchmal ein wenig Schauspieltalent nötig ist, küsse und knuddle ich meinen schlanken, schönen Ken hinterher, um ein bisschen Wärme aus dem menschenförmigen Felsen herauszuquetschen. Dabei kann ich ihn beinahe zählen hören – eintausendeins, eintausendzwei, eintausenddrei –, bis er mir einen Klaps auf den Hintern gibt, sein Wink an mich, endlich von ihm runterzusteigen.

So scheint es jedenfalls.

Kens Problem ist nicht seine kühle Art – seine mangelnde Bedürftigkeit, Lust oder Fähigkeit zu Intimität. Diese Eigenschaften sorgen dafür, dass wir eine stabile Ehe ohne Drama führen. Genauso wie der Umstand, dass er nie etwas falsch macht.

Kenneth Easton ist ein Rasen mähender, Rechnungen bezahlender, gesetzestreuer, defensiv fahrender, Müll raustragender Robogatte – ein Cyborg, speziell darauf ausgelegt, siebzig bis achtzig Jahre lang den Stürmen der Ehe standzuhalten. Ich habe ihn nie dabei ertappt, wie er einer anderen Frau hinterherschaut. Ich habe ihn ja nicht mal bei einer Lüge erwischt.

Nein, Kens Problem ist, dass er mit mir verheiratet ist.

Bevor ich ihn kennenlernte, Tagebuch, war ich schon in dreiundsiebzig Prozent aller Kamasutra-Stellungen verdreht worden, hatte mir den Kopf rasiert und alle intimen Körperteile gepierct, bevor ich das Alter für nicht jugendfreie Filme erreicht hatte. In meiner Freizeit ließ ich mich mit Handschellen ans Bett ketten, von Typen, die mehr Partner-Tattoos hatten, als bei einem Guns-n’-Roses-Reunion-Konzert zusammenkommen. Ken kann da einfach nicht mithalten.

Also warum, wirst du dich vielleicht fragen, hat eine kleine Punkschlampe wie ich einen so prüden Typen geheiratet?

Wegen seiner Vorgänger. Weil der widerlich süße Duft von Calvin Kleins Obsession for Men bei mir zuverlässig eine Kampf-oder-Flucht-oder-Fick-Reaktion auslöst, bei der mein Adrenalinspiegel in die Höhe schießt und sich meine Pupillen weiten. Weil ich Lust bekomme, wieder mit dem Rauchen anzufangen, wenn ich eine gepiercte Unterlippe sehe. Weil der Anblick einer vollständigen Armtätowierung in mir das Bedürfnis weckt, in einen Tourbus zu steigen und alles hinter mir zu lassen, wofür ich so hart gearbeitet habe. Weil ich mit den Nerven am Ende war, als ich Ken kennenlernte, mein Herz auf dem letzten Tropfen fuhr und die Stabilität, Sicherheit und Normalität, die er verhieß, Balsam für meine müde, verbrannte Seele waren.

Jene tätowierten Kindmänner aus meiner Vergangenheit waren vielleicht wilde Lover, aber sie konnten ihren Schwanz nicht in der Hose lassen, ihren Arsch nicht aus dem Knast und ihren Kontostand nicht aus den Miesen raushalten. Ken war dagegen einfach so … ungefährlich und verantwortungsbewusst, so angenehm. Er trug Nikes und Gap-T-Shirts. Sein Haus gehörte ihm. Er joggte. Sein Vorstrafenregister hatte noch keinen Tropfen Tinte gesehen, genau wie seine sommersprossige Haut. Und zu allem Überfluss hatte er einen Abschluss in … du wirst es kaum glauben … Rechnungswesen.

Ich habe vielleicht ein bisschen überreagiert.

Versteh mich nicht falsch. Ich liebe Kenneth Easton über alles. Er ist mein bester Freund, der Vater meiner Kinder, und wir sind wahnsinnig glücklich miteinander. Oder zumindest bin ich glücklich. Wirklich. Man kann gleichzeitig zu Tode gelangweilt und glücklich sein, oder? Das nennt man glückliche Langeweile. Glückliche, sterbensöde Langeweile. Ken gibt sich ziemlich emotionslos, sodass man schwer sagen kann, was in ihm vorgeht. Ich glaube, dass er auch glücklich ist. Aber seien wir ehrlich – er hat vielleicht gar keine Gefühle.

Dafür hat er allerdings ein Kinn wie Captain America mit einem dezenten Grübchen und einem permanenten Bartschatten. Und beneidenswerte Wangenknochen. Und wasserblaue Augen mit dunklen Wimpern und hellbraune Haare, die oben gerade so lang sind, dass sie an der Stirn auf süße Art abstehen. Er ist schlank und muskulös, hat einen trockenen Humor, ist brillant, bescheiden und toleriert meinen Blödsinn.

Der Mann ist für mich wenigstens zu neunzig Prozent der richtige, aber in letzter Zeit gehen mir nur noch die restlichen zehn oder weniger Prozent durch den Kopf: die fehlende Leidenschaft und Körperkunst. Zwei Dinge, die ich bedauern und dann hinter mir lassen sollte, um meine schöne, monotone Ehe zu schützen.

Aber ich kriege das nicht hin.

Tätowierte Bad Boys sind wie eine Droge, von der ich nicht die Finger lassen kann. Liebesromane mit Bad Boys verschlinge ich in rauen Mengen wie ein Grundnahrungsmittel. Mein iPhone quillt über von hauchigen, ängstlichen Altrocker-Songs, die auf Knopfdruck meinen Kopf füllen, wann immer ich der Realität entfliehen will. Mein Festplattenrekorder ist randvoll mit geheimnisvollen Vampiren, rebellischen Bikern, vergnügungssüchtigen Rockstars und Überlebenden einer Zombie-Apokalypse, also Alpha-Männern, in deren tätowierte Arme ich flüchten kann, wenn es mir hier zu … häuslich wird.

Und weißt du, was mir bei meinen Fluchten in diese imaginären dystopischen Gesellschaften und illegalen Boxclubs klar geworden ist? Ich kenne diese Männer. Ich war mit ihnen zusammen – mit dem knallharten Skinhead, der zuerst US-Marine und dann Motorradclub-Outlaw wurde, mit dem Ex-Knacki, der illegale Rennen mit frisierten Autos fuhr und eine Scheißegal-Einstellung hatte, und mit dem sensiblen Heavy-Metal-Bassgitarristen, der einen Lidstrich trug …

Ich hatte sie alle, Tagebuch. Wieso habe ich die Parallelen zwischen meinen Fantasiemännern und meinen Ex-Freunden nicht eher gesehen? Und da nenne ich mich Psychologin!

Tatsächlich ist Knight, mein Highschool-Freund, wahrscheinlich der Grund, weshalb ich überhaupt Psychologin geworden bin. Dieser verdammte Psycho. Ich erzähle dir morgen von ihm. Ken geht gerade ins Bett. Das heißt, ich habe ein Zeitfenster von fünf Minuten, um ihm hinterherzuschleichen und auf ihn zu springen, bevor der History Channel ihn in den Schlaf lullt. Wünsch mir Glück!

2 | SKELETOR

BBs geheimes Tagebuch

17. August

Knight, Knight, Knight. Wo soll ich überhaupt anfangen, Tagebuch? Als Knights Freundin war ich fast so etwas wie ein Entführungsopfer mit Stockholm-Syndrom. Ich war nicht gefragt worden – Knight entschied, dass ich ihm gehörte, und zu Knight sagte niemand Nein. Aber mit der Zeit ging meine Angst in freundschaftliche Gefühle über, und schließlich liebte ich meinen Entführer sogar, mitsamt seiner psychopathischen Tendenzen.

Knight war ein Skinhead. Oder vielmehr: Knight war der Skinhead – der einzige in unserer wachsenden Vorstadtgegend von Atlanta. Er war so unglaublich zornig, dass ihm keine von den zornigen weißen männlichen Subkulturen an der Peach State Highschool genügte. Die Sportler waren ein bisschen zu gesellig. Die Punks, obwohl ausreichend gewalttätig und vandalös, hatten ein bisschen zu viel Spaß. Die Goths waren bloß Weicheier. Nein, Knights Wut war derart vernichtend, dass ihm nur die Gruppe blieb, deren Image schrie: Wenn du auch nur dieselbe Luft atmest wie ich, werde ich dich den Bordstein fressen lassen, dir den Arm ausreißen und dich damit verprügeln. Weil Knight bei seiner Einschüchterungsmission derart erfolgreich war, bildete er während der Schulzeit eine Ein-Mann-Subkultur.

Ich glaube, sein Zorn entstand schon bei seiner Geburt, als seine Mutter ihm den Namen Ronald McKnight gab. Das war 1981, und wie ich Candi kenne, wollte sie wahrscheinlich den verheirateten Börsenmakler, der sie geschwängert hatte, damit beeindrucken, dass sie das Kind ihrer Liebe nach dem berühmtesten Republikaner benannte, der ihr einfiel. Und ich nehme an, weil der Junge jahrelang von Candis ständig wechselnden gewalttätigen, saufenden und vermutlich verheirateten Freunden wie ein Boxsack behandelt worden war und weil seine Mutter, die die Gesellschaft von Mistkerlen mehr schätzte als die ihres Sohnes, ihm ständig das Gefühl gegeben hatte, eine Last zu sein, und er immer, wenn er mal von zu Hause wegkam, Ronald-McDonald-Witze über sich ergehen lassen musste – wurde im Lauf der Zeit aus Ronald ein Knight und aus Knight ein echter Satansbraten.

Knight hatte das jungenhafte gute Aussehen und den permanent mürrischen Blick von Eminem – helle Haut, fünf Millimeter kurze platinblonde Haare und praktisch durchsichtige Brauen und Wimpern. Die arktisch-blaue Farbe seiner Augen unterstrich seine gespenstisch farblose Erscheinung.

Er war dünn, aber durchtrainiert. Wie ein Straßenkämpfer. Das Gewichtheben absolvierte er mit heiligem Ernst (Fällt den staatlichen Schulen für ihre Schüler wirklich nichts Besseres ein als das?), und er hat der Football-Mannschaft einmal dreihundert Dollar abgenommen, indem er auf der Bank hundertdreißig Kilo stemmte, das Doppelte seines Körpergewichts.

Immer wenn er das erzählte, sagte er nachdenklich: »Es kommt bei einem Kampf nicht darauf an, wie groß der Hund ist, sondern wie viel Kampf in dem Hund steckt.«

Und ich kann dir sagen, es steckte eine ganze Menge Kampf in Ronald McKnight – oder in Skeletor, wie ihn an der Highschool jeder nannte (aber nur hinter seinem Rücken).

Interessant war auch, dass er zwar Skinhead, aber eigentlich kein Rassist war. Ich habe ihn nie irgendwelchen Arierstolz-Blödsinn quatschen hören und habe ihn auch keine Naziinsignien tragen sehen. Hakenkreuze und Eiserne Kreuze besaß er nicht.

Schon damals Psychologin, fand ich es faszinierend, dass er sich mit keinerlei faschistischer Symbolik umgab, und brachte schließlich sogar den Mut auf, ihn danach zu fragen.

Statt den rechten Arm in die Luft zu strecken und »Sieg Heil!« zu brüllen, sah Knight hastig den Flur hinunter, um sich zu vergewissern, dass niemand lauschte, neigte sich dann dicht zu mir, sodass ich seinen Atem am Hals spürte, und flüsterte: »Ich bin eigentlich kein Rassist, ich hasse nur jeden.«

Und ich glaubte ihm. Der Scheißkerl hasste jeden.

Dachte ich jedenfalls.

1996 lebten fünf Milliarden Menschen auf dem Planeten. Ronald »Knight« McKnight hasste 4.999.999.999 davon. Er hasste seine Eltern. Er verachtete seine Freunde. Er schüchterte fremde Leute absichtlich ein. Aber aus einem mir unbekannten Grund beschloss Knight, mich zu mögen. Und der einzige Mensch zu sein, den der furchteinflößendste Junge im Universum mochte, war berauschend.

Bei meiner ersten Begegnung mit ihm war ich in meinem ersten Collegejahr und eine spindeldürre, rehäugige, sommersprossige Schülerin mit schulterlangen, welligen rotblonden Haaren – und total verknallt in den King der Punks, Lance Hightower. Ich hatte mir die Haare immer kürzer und kürzer geschnitten, immer mehr Sicherheitsnadeln an meinen Hoodie und den Rucksack gesteckt und mich stückchenweise an Lance und den Mensatisch herangearbeitet, an dem die Punk-Goth-Junkie-Elite saß und an dem er seit dem ersten Schultag präsidierte. (Wie sich herausstellte, war Lance durch und durch schwul, was ich gern gewusst hätte, bevor ich mir den größten Teil des Kopfes rasiert und mir allerhand Piercings zulegt habe, weil ich ihn um jeden Preis dazu bewegen wollte, mit mir rumzumachen.)

Knight, der zu der Zeit in seinem zweiten Collegejahr war, war automatisch an unserem Mensatisch gelandet. Da es keine anderen Skinheads gab, mit denen er abhängen konnte, adoptierten ihn die Punks gewissermaßen als ihre Hausklapperschlange. Jeden Tag saß er dort mit gerunzelter Stirn und gesenktem Kopf, hielt die Gabel so fest gepackt, dass er sie beinahe verbog, und wenn jemand sich traute, ihn anzusprechen, brummte er: »Fick dich.«

An einem milden Tag Ende September hörte ich zufällig, wie eine Schülerin an unserem Mittagstisch ihrem Freund, der eine Stachelfrisur trug, erzählte, dass Skeletor heute Geburtstag habe. (Keine Ahnung, wieso das jemand wusste. Außer Knight hätte das kurz zuvor durchblicken lassen, um zu beweisen, dass sein Leben noch mieser war als gedacht. Das hätte dann vermutlich so geklungen: »Unfassbar, dass meine verfickte Nuttenmom mir an meinem Geburtstag die Zigaretten klaut und mit ihrem Schwuchteltypen wegfährt. Hey, was glotzt du denn so, Arschloch?«) Also habe ich ihm natürlich bei meinem Gang zur Essenstheke ein Hähnchenbrust-Sandwich gekauft.

Als ich damit breit grinsend an unserem Tisch ankam (ich sollte vielleicht erklären, dass ich immer abstoßend aufgedreht und enthusiastisch war – ich hätte eine exzellente Cheerleaderin abgegeben, wenn ich nicht so nonkonformistisch und ungeschickt gewesen wäre), hielt ich es ihm hin und flötete: »Alles Gute zum Geburtstag!«

Darauf hob Knight seinen mürrischen Blick und fixierte mich mit zwei stechend blauen Laserstrahlen. Reglos stand ich da, als hätte jemand den Film angehalten, und erkannte einen Moment zu spät, dass ich gerade die Klapperschlange gereizt haben könnte.

Während ich mich noch auf einen Schwall Schimpfwörter gefasst machte, sah ich, wie Knights mürrische Dauermiene aufweichte und verschwand.

Seine Stirn glättete sich, die Brauen hoben sich, seine eisigen Augen wurden größer, und seine Lippen öffneten sich zu einem ergreifenden stillen Keuchen. Es war ein herzzerreißender Ausdruck ungläubiger Dankbarkeit. Es war, als ob der Junge, den wir Skeletor nannten, noch nie ein Geschenk bekommen hätte. Fast hörte ich seinen Schutzpanzer zu Boden fallen, als ich in das Gesicht eines verletzlichen, bedürftigen und einsamen Jungen blickte.

Ich konnte nicht sprechen. Hatte vergessen, wie man atmet. Als mir die Lunge brannte, riss ich endlich den Blick von ihm los und holte tief Luft, wobei ich so tat, als bewunderte ich meine neuen weißen Doc Martens (auch so eine Anschaffung, um Lance Hightower zu verführen), aber da war es schon zu spät. In den paar Sekunden hatte ich alles gesehen: ein Leben voller Schmerz, eine Sehnsucht nach Bedeutung und eine Flutwelle von Liebe, die den ersten überschwemmen würde, der mutig oder dumm genug war, zu nah heranzugehen.

Ich dachte, er würde seinen Schutzpanzer wieder anlegen und das mürrische Gesicht wieder aufsetzen – schließlich war es nur ein blödes Sandwich. Aber peinlicherweise und völlig überraschend stand Knight auf, zeigte auf mich und rief: »Deshalb ist BB der einzige verdammte Mensch auf dem verdammten Planeten, den ich überhaupt ausstehen kann! Keiner von euch Arschlöchern hat mir was zum Geburtstag geschenkt!« Nachdem er jeden der erschrockenen pickeligen Außenseiter mit einem mörderischen Blick bedacht hatte, schloss er mit: »Ich hasse euch wie die Pest!«

Skeletor hatte einen Hang zum Dramatischen.

Zu verblüfft, um reagieren zu können, sah ich zu, wie er sich mit der selbstgefälligen, trägen Anmut eines satt gefressenen Löwen auf seinen Stuhl niederließ, offensichtlich zufrieden mit seiner Szene und dem geschockten Schweigen, das in der Cafeteria herrschte. Ich stand als Einzige, und alle Blicke waren auf mich gerichtet, einschließlich Knights, der von einem Ohr zum anderen grinste und mich gierig musterte.

Auf einmal wollte ich mein Geld zurück.

Weißt du, Tagebuch, ich hatte gedacht, ich kaufe lediglich ein Sandwich, und mit ein bisschen Glück habe ich bei dem Typen, der höchstwahrscheinlich beschlossen hatte, uns alle mit einem Kantholz voll rostiger Nägel umzubringen, vielleicht einen Stein im Brett. Mehr nicht.

Ich mochte Knight nicht. Ich wollte nicht mit ihm befreundet sein (sofern eine Freundschaft mit ihm überhaupt möglich war). Er war furchteinflößend und wütend, und ich hatte nur gewollt, dass er minimale Sympathie für mich entwickelt und mich deshalb nicht anschreit oder umbringt. Wer hätte wissen können, dass mir ein Dollar fünfzig die einzigartige, obsessive, unsterbliche Zuneigung des einzigen Skinheads der Stadt einbringen würden?

Während ich dastand, gerieten meine großen grünen Augen in das Fadenkreuz von Knights wildem Blick – es wurde klar, dass er mich vereinnahmen würde, ob mir das gefiel oder nicht.

Und anfangs gefiel mir das definitiv nicht.

3 | FREINDE

BBs geheimes Tagebuch

24. August

Der Einzige, den ich vor der Highschool-Zeit geküsst habe, war Colton. Er war ein höllisch gut aussehender Bad Boy mit Stachelfrisur, mit dem ich in der achten Klasse ging. Und mit »gehen« meine ich, dass wir miteinander telefonierten, in der Schule Händchen hielten, zusammen Klopapierrollen über ein Haus warfen und ein Mal miteinander rummachten. Colton erinnerte mich an einen Elfen – was nicht bedeutete, dass er schwul wirkte, aber er hatte spitze Ohren, wildes Haar und ein verwegenes Funkeln in den Augen.

Moment mal. Verdammt. Vielleicht sehe ich gerade Peter Pan vor mir.

Ja, Colton erinnerte mich total an Peter Pan, denn er kam mir vor wie der sexy, durchtriebene Anführer der verlorenen Jungen.

Colton lebte ab und an bei Peggy, seiner ungepflegten, traurigen, alleinstehenden Mom, die vier verschiedene Jobs hatte. Peg war dünn wie eine Bohnenstange, hatte dünne, lange schmutzig blonde Haare und passte noch in ihre hautenge, taillenhohe gebleichte Jeans von 1983. Zwischen ihren langen zittrigen Fingern hielt sie immer eine Virginia Slim, und ihre Stimme klang so rau, als hätte sie tagelang mit keinem gesprochen.

Peggy wirkte wie ein ehemaliges Groupie einer Hair-Metal-Band aus den Achtzigern. Und soviel ich weiß, war Coltons Dad ein Gründungsmitglied von Whitesnake. Auf jeden Fall musste sein Haus in Las Vegas um einiges schöner sein als Peggys Bruchbude. Denn wahrscheinlich hielt sich Colton deshalb nie länger als zwei Monate am Stück bei ihr auf.

Während seines letzten längeren Besuchs bei ihr wurde Knight von den beiden praktisch adoptiert – teils weil es ihnen leidtat, wie beschissen sein Zuhause war, und teils – wie ich vermutete – weil er ein Auto hatte.

Als gerade mal zwei Monate des zweiten Collegejahrs vorbei waren, stieg Colton wie so oft in einen Linienbus nach Las Vegas und ließ Peggy wieder allein. Da sie einen Sohn brauchte und Knight eine neue Mom, fuhr er einfach jeden Tag nach der Schule zu ihr, als ob Colton noch da wäre.

Das war wirklich süß. Knight ließ Peggys betagten Schäferhund nach draußen und besserte die verfaulten, schimmligen Stellen im Haus aus, während sie bei einer ihrer siebenundvierzig Teilzeitstellen arbeitete. Er bat nie um eine Gegenleistung, und dafür bekam er einen Schlüssel für das Haus.

Das war toll – nicht das Haus natürlich. Das Haus war völlig heruntergekommen. Aber Knight hatte es praktisch für sich allein und ließ uns nach der Schule dort abhängen. Pegs Kühlschrank war immer voller Dosenbier, wir durften drinnen rauchen, und sie hatte Kabelfernsehen. Es war ein Teenagerparadies.

Jeden Nachmittag fuhr die ganze Punkrock-Cafeteria-Crew rüber zu Peggys Haus. Wir quetschten uns auf ihre kratzigen, durchgesessenen Siebzigerjahre-Sofas (ich versuchte dabei immer, einen Platz neben Lance zu ergattern), rissen ein paar Bierdosen auf und lachten über die durchgeknallten Transsexuellen oder die Kleinwüchsigen-Bikergang oder den Kung-Fu-Hillbillie-Zuhälter oder wer sonst noch bei der Jerry-Springer-Show auftrat. Dabei schnippten wir Zigarettenstummel in den überquellenden Aschenbecher.

Knight war während der ersten Stunde immer damit beschäftigt, den Hund rauszulassen und etwas im Haus instand zu setzen, sodass ich genug Zeit hatte, mir einen Schwips anzutrinken und mit dem Typen, auf dessen Schoß ich gerade saß, einen netten kleinen Flirt anzuschieben. Sobald Knight seine Aufgaben erledigt hatte, warf er sich mit einer Dose Bier in der Hand auf Peggys tabakbraunen, mit Stahlwolle gepolsterten Sessel und fixierte den armen Kerl, mit dem ich gerade redete, mit einem drohenden Blick, worauf der zur Tür raus war, bevor mein knochiger Hintern den Boden berührte.

So ging das wochenlang, bis ich eines Tages feststellte, dass nur noch Knight und ich übrig waren. Mir war schon aufgefallen, dass die Clique nach und nach schrumpfte, aber nicht, wie sehr. Ich fuhr immer mit Knight zu Peggy, weil a) ich erst fünfzehn war und kein Auto hatte und b) weil Knight jedem, der mir anbot, mich mitzunehmen, den Arm umdrehte und das Gesicht auf die Motorhaube knallte, bis der das Angebot zurückzog.

Ich konnte nicht mal mit dem Schulbus heimfahren, weil ich eigentlich nicht in dem Schulbezirk wohnte.

Im November des zweiten Collegejahrs hatte Knight es geschafft, sich zu meiner einzigen Mitfahrgelegenheit zu machen, ohne dass ich es überhaupt richtig bemerkt hatte.

Jeden Tag nach Schulschluss, ob ich wollte oder nicht, wurde ich vom Strom der Teenager, die begierig zum Ausgang drängten, mitgerissen wie ein leichtes Blatt im Fluss und nach draußen geschwemmt auf den Rasen, direkt vor Knights Füße. Mit verschränkten Armen an den Fahnenmast gelehnt, wirkte er wie eine Figur aus der Skinhead-Version der Outsider – enges weißes T-Shirt, die klassische Levi’s 501, gehalten von schmalen roten Hosenträgern, schwarze Springerstiefel mit Stahlkappen und ein mörderisches Leuchten in den Augen. Es fehlte nur das Päckchen Zigaretten im aufgekrempelten Ärmel – und natürlich Haare.

Obwohl sein ikonischer Stil, seine Selbstsicherheit und Gewaltbereitschaft unverkennbar sexy waren, fühlte ich mich nicht zu ihm hingezogen – hauptsächlich, weil mir unterschwellig klar war, dass er mich umbringen könnte. Aber ich musste mir eingestehen, dass mir die Aufmerksamkeit gefiel. Zu wissen, dass die ganze Schule sah, wie dieser moderne Marlon Brando tagein, tagaus auf mich wartete, gab mir das Gefühl, auch ein bisschen hart drauf zu sein.

Ich war immer das spleenige, freche, künstlerische Mädchen gewesen, das eine irre Frisur trug und sich kleidete wie Gwen Stefani. Ich war jemand, den jeder kannte. Denn mit meinen leuchtend roten oder orangefarbenen oder violetten Wellen, Glitzerlidschatten und Leopardenmuster-Stretchsamthosen, die in weißen Doc Martens steckten, fiel ich auf wie ein bunter Hund – aber eigentlich war ich niemand von Bedeutung.

Jetzt dagegen … jetzt war ich unberührbar.

Außerdem wurde ich allmählich Knights Schatz. Er achtete derart konzentriert auf mich, dass ich mir unter seinem Blick vorkam wie eine Ameise unter dem Brennglas. Es war, als ob er sich die Größe, Form und Lage jeder einzelnen Sommersprosse und jedes Pickels in meinem jungfräulichen Gesicht einprägte. Gott, das war mir mega unangenehm. Ich hatte nie ein Problem damit gehabt, Blickkontakt zu halten, bis ich Knight kennenlernte.

Sechzehn Jahre später ertappe ich mich noch immer dabei, wie ich Leuten auf die Schulter starre, wenn ich mit ihnen rede.

Zuerst machte es mich ziemlich nervös, allein mit Knight abzuhängen, aber ich wusste nicht, wie es sich vermeiden ließe. Ohne Bus, ohne Auto, ohne jemand Tapferen, der Skeletors Zorn riskieren wollte, indem er mir eine Mitfahrgelegenheit anbot, und da meine Eltern beide arbeiteten (okay, einer von ihnen arbeitete und der andere schlief seinen Rausch aus), hatte ich keine andere Option als Knight.

Und ich spielte mit, weil ich, na ja, nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Ich hatte noch nie mit jemandem zu tun gehabt, der so wütend oder so aggressiv oder so mächtig war. Meine Eltern waren friedliebende kiffende Hippies. Bei mir zu Hause erhob nie jemand aus Wut die Stimme oder die Hand. Die meiste Zeit konnten meine Eltern nicht mal die Lider heben.

Also gab ich mich gelassen. Das tut man schließlich in Gegenwart großer, furchteinflößender, unberechenbarer Kreaturen, die einen umbringen können, stimmt’s? Man bleibt ruhig. Man macht keine schnellen Bewegungen. So fuhr ich jeden Tag mit Knight zu Peggy, um ihn bei Laune zu halten, und außerdem tat ich alles Erdenkliche, damit er auf jeden Fall in der Kumpelzone blieb.

Und weißt du was, Tagebuch? Es klappte.

In den müßigen Stunden in Peggys Haus, wo außer uns niemand war, wo wir nach der Schule tranken und rauchten und fernsahen, schloss ich Freundschaft mit Ronald McKnight.

Wenn wir allein waren, wurde aus Knight ein ganz anderer Mensch. Dann war er nett und freimütig und höflich. Er trug meinen Rucksack, öffnete meine Bierdosen und zündete mir die Zigaretten an wie ein Gentleman. Er fiel über mich her und kitzelte mich, bis ich kreischte. Und einmal, als ich mich beschwerte, wie übel es war, ein paar neue Stiefel einzulaufen, hob er meine Füße auf seinen Schoß, zog mir die zwanzig Kilo schweren Stahl-und-Leder-Monstren aus und massierte mir mit seinen großen, schwieligen Händen die Füße, während wir uns unterhielten.

In solchen intimen Momenten kam es manchmal vor, dass ich ihn dazu brachte, sich zu öffnen. Ich erfuhr von dem Stiefvater, den er hasste, von der Parade ausfälliger Vorgänger, von seinem Zorn auf seine Mutter und der heimlichen Sehnsucht nach seinem tatsächlichen Vater. Für eine angehende Psychologin waren die intensiven Gespräche fesselnd. Ich war nicht nur fasziniert von den vielen Panzerschichten, mit denen sich dieser sommersprossige Junge schützte, sondern es berauschte mich auch, dass ich der einzige Mensch war, der dahinterblicken durfte.

Die ganze Zeit dachte ich, ich würde Knights Mauern einreißen, aber in Wirklichkeit war er dabei, meine zu untergraben. Indem er mir das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein. Indem er die Illusion erzeugte, ich sei bei ihm in Sicherheit.

Dann griff er an.

4 | REQUISITEN

BBs geheimes Tagebuch

25. August

Liebes Tagebuch,

an einem ungewöhnlich warmen Dezembernachmittag, den wir in Peggys Haus verbrachten, geriet ich in einen besonders aggressiven Kitzelkampf mit Knight. Es begann als gewöhnliche Kitzelattacke, aber jedes Mal, wenn ich mich von ihm befreit hatte, jagte mir der verdammte GhostNinja nach und fing mich wieder ein. Ich schaffte es von der Couch auf den Boden, vom Boden hinter den Sofatisch, von dort zum Sessel und vom Sessel auf den Teppich vor Peggys holzfurniertem Fernseher aus den Fünfzigern. Nach jeder Attacke wehrte ich mich ein bisschen heftiger, ein bisschen panischer. Zuerst kitzelte ich mich frei, dann rang ich meinen Arm frei, dann stieß ich Knight von mir und hastete auf allen vieren von ihm weg, aber das schien ihn nur noch mehr anzustacheln.

Als ich schließlich vor dem Fernseher auf dem Rücken lag und er mich zu Boden drückte, war klar, dass unser Kampf sich von einem koketten, lustigen Fangspiel zu einer Vollkontakt-Katz-und-Maus-Jagd entwickelt hatte. Und jetzt hatte das Spiel ein Ende. Abgesehen von meiner heftig arbeitenden Lunge und meinem klopfenden Herzen war ich bewegungsunfähig, gefangen von Knights Gletscherblick und seinen unglaublich starken Armen, die sich unter dem Stoff seiner engen T-Shirt-Ärmel wölbten. In dem Moment erkannte ich, wie dumm und leichtsinnig ich gewesen war.

Knight und ich waren keine Freunde. Wir waren Raubtier und Beute. Er machte seit einem Jahr Jagd auf mich, und jetzt war ich ihm in die Falle gegangen.

Ohne lockerzulassen oder auch nur kurz wegzusehen, senkte er sich langsam auf mich, um seine Absicht zu verdeutlichen, und ich ergab mich. Adrenalin flutete meinen Körper, während ich mich auf ein aggressives, möglicherweise blutiges Geschehen gefasst machte. Ich überließ es meinem Körper, sich selbst zu helfen, und stieg mit meinem Bewusstsein zum nikotingelben Popcornrelief der Zimmerdecke auf, um durch die Finger spähend zu verfolgen, was sich da unten entwickeln würde.

Doch anstatt sich über mich herzumachen, drückte Knight mir einen sehnsüchtigen Kuss auf die Lippen. Der Schock über seine Zärtlichkeit ließ mein Bewusstsein zurückschnellen wie ein gespanntes Gummiband, und plötzlich standen alle meine Sinne in Flammen und die Wahrnehmungen überwältigten mich – der starke Geruch von Trocknertüchern und moschushaltigem Rasierwasser in meiner Lunge, warme Lippen auf meinen, eine harte Brust auf meiner Brust, starke Arme, die meine dünnen Arme an meine Seiten drückten, und der Geschmack von Winterfresh-Kaugummi, der sich mit Bier und Zigarettenrauch vermischte.

Als Knight den zarten Kuss beendete, tat er noch etwas Unerwartetes: Er lehnte die Stirn an meine und stieß einen langen, gequälten Seufzer aus. Dabei lockerte er auch den Griff um meine Oberarme. Ich spürte seine schwieligen Hände an meinen Armen hinabgleiten bis zu meinen kleinen Fäusten, die er nahm und über meinen Kopf führte, ohne dass ich Widerstand leistete. Seine Bewegungen wirkten so kontrolliert und seine Atmung so bewusst, dass es mir vorkam, als müsse er seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um mich nicht in Stücke zu reißen.

Oh ja, wir waren definitiv Raubtier und Beute.

Ganz bestimmt spürte er die Schwingungen meines Pulsschlags, die von mir ausgingen wie die Schwingungen einer Basstrommel, während ich in erregender Angst dalag. Als er seine innere Ruhe zurückgewonnen hatte, küsste er mich wieder. Ich konnte mich nicht bewegen, nicht atmen. Stattdessen waren meine Ressourcen an mein Gehirn umgeleitet, das Mühe hatte, einen klaren Gedanken zustande zu bringen, sobald Knights Zunge mit hypnotischer Ruhe um meine kreiste.

Als er meine Handgelenke losließ und ein letztes Mal genießerisch an meiner Unterlippe saugte, schossen mir die Gedanken, die ich während unserer Berührung nicht hatte fassen können, plötzlich alle auf einmal durch den Kopf. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. In meinen fünfzehn Jahren auf dem Planeten war ich zweimal von zwei anderen Jungen geküsst worden, Colton und Brian, und kein Mal war es so gewesen wie jetzt. Diesmal war es heiß. Diesmal war es …

Oh, Scheiße … was war es diesmal?

Während ich noch immer ausgestreckt auf dem Boden unter einem labilen, Kraftsport treibenden Skinhead lag, kristallisierten sich aus dem Gedankengewirr in meinem Kopf zwei Erkenntnisse heraus. Erstens: Ronald McKnight war in mich verliebt, und zweitens: Ich würde ihm nicht mehr entkommen.

Einerseits gefiel es mir sehr, wie aufregend anders ich mich durch ihn fühlte und wie leidenschaftlich er zu mir war, und in einem gewissen Maße sogar, wie dominant und einschüchternd und aufregend er war. Andererseits, und das überwog doch deutlich, hatte ich eine Scheißangst und wollte unbedingt, dass die ganze Sache unser kleines Geheimnis blieb.

Knight hatte mir zwar noch nie etwas getan, aber ich hatte mit angesehen, wie er vielen anderen wehgetan hatte, und manchmal ohne jeden Anlass. Wie würde er reagieren, wenn ich ihn zurückwies? Ich hatte nicht vor, à la Schweigen der Lämmer unter Peggys Haus zu enden. Nein, ihn zurückzuweisen kam definitiv nicht infrage.

Genauso wenig durfte ich mich bei irgendetwas Romantischem mit ihm in der Öffentlichkeit erwischen lassen. Klar, ich wusste, dass Knight nicht das faschistische, rassistische Monster war, für das die Leute ihn hielten, aber da war ich die Einzige. Was würden meine Freunde denken? Meine BF, Juliet, war halb Schwarze, halb Japanerin, um Himmels willen!

Was für ein Riesenschlamassel. Das durfte auf keinen Fall rauskommen. Nie und nimmer.

Mein kleines Geheimnis überstand ungefähr drei Tage. Wie sich zeigte, wollte Knight die Sache in die ganze Welt hinausschreien. Er begleitete mich überall hin, gab mir vor jeder Unterrichtsstunde einen Abschiedskuss, legte beim Mittagessen den Arm um mich und schoss jedem eisige Blicke zu, der auch nur den Kopf in meine Richtung drehte.

Scheiße, Scheiße, Scheiße. Plötzlich war ich offiziell Skeletors Freundin.

In fast jeder Unterrichtsstunde schrieb er mir Liebesbriefe mit erschreckend plastischen Illustrationen und machte mir jeden Morgen Geschenke – einen Beutel mit Goldfischen, Löwenzahn, den er unterwegs gepflückt hatte, einen abgetrennten Kopf.

Für einen Typen, dem man nachsagte, unnahbar und mordsgefährlich zu sein, war es ihm erstaunlich egal, wie viel Aufmerksamkeit er mit diesem Verhalten erregte. Es hätte ihm nicht gleichgültiger sein können, wer ihn dabei sah, wenn er wie ein Schwachsinniger Blumen pflückte und flammende Herzen in seine Schulhefte malte. Ich hatte mich in meiner letzten Stunde gerade auf einem der hintersten Plätze niedergelassen, um unbeobachtet einen von Knights kunstvoll zusammengefalteten Zetteln zu lesen. Sofort sprangen mir drei Wörter in seiner hastigen, psychotischen Erpresserhandschrift entgegen. Er hatte ungefähr Folgendes hingekritzelt:

LIEBE BB,

ICH KANN ES KAUM ERWARTEN, DASS ES NACHMITTAG WIRD. ICH HAB WAS VOR, DAS MIR IM KOPF RUMGEHT, SEIT ICH DICH ZUM ERSTEN MAL GESEHEN HABE. BITTE MACH DIR KEINE SORGEN. ICH WEISS, DU DENKST WAHRSCHEINLICH, DASS ICH DICH NUR FÜR SEX AUSNUTZEN WILL, ABER DAS STIMMT NICHT.

ICH LIEBE DICH.

KNIGHT

Mein jungfräuliches fünfzehnjähriges Gehirn erfasste lediglich die Wörter Sorgen, Sex und Liebe.

Oh mein Gott.

Ich musste mich an der Tischkante festhalten, um nicht vom Stuhl zu fallen.