Sexualerziehung bleibt Familiensache - Regula Lehmann - E-Book

Sexualerziehung bleibt Familiensache E-Book

Regula Lehmann

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  • Herausgeber: Fontis AG
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Mütter und Väter sind nicht zu toppen! In einer Welt, in der Sex omnipräsent und Pornografie nur einen Klick weit entfernt ist, brauchen Kinder mehr denn je engagierte Mütter und Väter, die Verbundenheit und Orientierung anbieten. Nichts prägt und schützt Kinder verlässlicher als ein warmes «Familiennest», in dem selbstverständlich und altersgerecht über Körper, Liebe, Lust und Sexualität gesprochen wird.

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Seitenzahl: 373

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Regula LehmannSexualerziehung bleibt Familiensache

www.fontis-verlag.com

Widmung

Für Mario, Jael, Simone und Pietro

«Mutter zu werden war etwas vom Besten,was mir passieren konnte. Eure Liebe, Unterstützungund Wertschätzung bedeuten mir mehr, als ich esin Worte fassen kann.»

Danke sagen möchte ich an dieser Stelle auch:

Iris Muhl für die Ermutigung zum Schreiben,

dem Lektorat des Fontis-Verlags für die fachkundige Begleitung,

Lea Braun für die vielen Stunden, die sie am Zeichentisch in mein Buch investiert hat,

meinem Mann Urs, der Teil dieser Geschichte ist und dieses Buch als Erster probegelesen hat,

all den Müttern und Vätern, die mitgelesen und Feedbacks gegeben haben,

Georg Walter für seine Einführung in das Geheimnis unverkrampfter Elternschaft,

meiner Mutter, die meine Kinderfragen bezüglich Sexualität immer sehr offen beantwortete,

und natürlich meinem himmlischen Vater

und all den vielen Menschen, die mich bis heute unterstützen und begleiten, aushalten und lieben. Danke!

Regula Lehmann

SexualerziehungbleibtFamiliensache

Mit Illustrationen von Lea Braun____________________________

www.sexualerziehung-familiensache.com

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2023 by Fontis-Verlag BaselUmschlag: spoon design, Olaf Johannson, LanggönsIllustration Umschlag U1: GoodStudio/Shutterstock.comIllustrationen Innenteil: Lea Braun, Herisau(außer Illustrationen von Seite 142 und 143, 302 und 303:gezeichnet von Claudia Weiand) E-Book-Vorstufe: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel E-Book-Herstellung: Textwerkstatt Stefan Jäger

ISBN (EPUB) 978-3-03848-525-4

Inhalt

Vorwort der Autorin

Prolog: Eigentlich wollte ich nie ein Buch schreiben

Kapitel 1Schwangerschaft und Geburt: Annahme und Geborgenheit

Kapitel 2Erstes Lebensjahr: Versorgung und Vertrauen

Kapitel 3Zweites Lebensjahr: «Entdecken und Erobern»

Kapitel 4Drittes Lebensjahr: Kleine Leute, große Gefühle!

Kapitel 5Von 4 bis 6 Jahren: Junge oder Mädchen?(Neugier, Fragen, Doktorspiele)

Kapitel 6Von 7 bis 9 Jahren: Persönlichkeit entwickeln(Kinder vor Cybergrooming und Pornografie schützen)

Kapitel 7Von 10 bis 12 Jahren: Vorpubertät:Wertesysteme entwickeln und verinnerlichen

Kapitel 8Von 12 bis 16 Jahren: Halt mich fest und gib mich frei!(Kein Kinderspiel: Zeitgeistphänomen Transgender)

Kapitel 9Von 16 bis 25 Jahren: Selbständig werden – lieben lernen

Quellenangaben und Literaturhinweise

Adressenverzeichnis Beratungsstellen

Gute Bücher für Kinder, Teenager und Jugendliche

Vorwort der Autorin

In einer Zeit, in der große gesellschaftliche Umbrüche stattfinden und das Internet alles zu dominieren scheint, sind Mütter und Väter herausgefordert, beherzt und leidenschaftlich in die Erziehung ihrer Kinder zu investieren. Mehr denn je brauchen Kinder echte Beziehungen und reale Ansprechpersonen, die ihnen Orientierung, innere Verankerung und Heimat schenken. Wenn es um Ihr Kind geht, sind Sie als Mutter oder Vater Experte. Niemand kann Ihren Platz einnehmen, Beziehung toppt das beste Computer-Game. Was Ihr Kind mehr als alles andere braucht, sind Sie! Überlassen Sie die Begleitung und Prägung Ihrer Kinder nicht den digitalen Medien, der Schule oder den Gleichaltrigen. Sie sind dazu prädestiniert, Ihrem Kind tragende Werte, Selbstvertrauen, Identität und Beziehungsfähigkeit mit auf den Lebensweg zu geben. Auch in Bezug auf Themen wie Körper, Geschlecht, Ehe und Familie, Liebe und Sexualität.

Kinder müssen sich gegenwärtig in einer stark sexualisierten und gleichzeitig zutiefst beziehungskranken Welt zurechtfinden. Sie brauchen starke Eltern, treue Weggefährten, die mitten im Dschungel verschwimmender Identitäten, grenzenloser Vielfalt und variabler Lebensentwürfe den Weg aufzeigen, der zu tragfähigen Beziehungen und langfristig beglückender Sexualität führt.

Für diese anspruchs- und gleichzeitig überaus hoffnungsvolle Aufgabe möchte ich Ihnen mit diesem Buch an «Ausrüstung» mitgeben, was mir möglich ist. Gerne teile ich mit Ihnen das, was ich in unterdessen mehr als dreißig Jahren als Mutter, Kursleiterin und Elterncoach erarbeitet und gelernt habe.

Dazu gehört auch der Umgang mit dem eigenen Versagen und mit dem des Partners.

Wer erzieht, macht Fehler, da kommt niemand drum herum. Immer wieder mal fügen wir gerade den Menschen, die wir am meisten lieben, Verletzungen zu. Kinder locken neben viel Positivem eben auch manche der «inneren Ungeheuer», die wir längst besiegt zu haben glaubten, aus uns heraus.

Kein Grund zu verzweifeln. Die Eltern-Kind-Beziehung erträgt viel mehr, als wir vielleicht zu hoffen wagen. Und überhaupt: Wo sollen Kinder denn das Fehlermachen und Wiederaufstehen lernen, wenn nicht bei uns, in der Familie?

Auch wenn diese Ausführungen kein Freipass sein sollen, ungebremst unsere Emotionen und Charakterschwächen am Kind abzureagieren, so entlasten sie uns doch von zu hohen Ansprüchen, denen weder wir als Eltern noch unsere Kinder genügen können und die deshalb nur Sand im Getriebe sind. Als Mutter von vier erwachsenen Kindern staune ich immer wieder neu darüber, wie großzügig und vergebungsbereit meine Söhne und Töchter mir begegnen. Auch und gerade, wenn wir über schwierige Abschnitte oder Momente unserer Erziehungs- und Familiengeschichte austauschen.

Was Kinder brauchen, sind nicht perfekte, sondern lernbereite Eltern – Mütter und Väter, die für Kurskorrekturen offen und nicht zu stolz sind, um auch mal Hilfe zu suchen und anzunehmen. Ich staune immer wieder darüber, zu welch genialen Menschen unsere Kinder trotz all unserer Schwächen und Fehler herangewachsen sind.

Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen ein gewinnbringendes und fröhliches Unterwegssein mit diesem Praxisbuch zum Thema «Sexualerziehung in der Familie».

Regula Lehmann

Prolog:Eigentlich wollte ich nie ein Buch schreiben

Wie es dann trotzdem dazu gekommen ist …

Ich wuchs inmitten von Büchern auf und fragte mich als Kind immer wieder ernsthaft, warum jedes Jahr so viele neue Bücher geschrieben wurden, obwohl in unserer Buchhandlung die Regale bereits aus allen Nähten platzten.

Unterdessen habe ich selbst mehrere Bücher geschrieben, und Sie halten mein erstes Buch in einer komplett aktualisierten und ergänzten Neuauflage in den Händen.

Wie es dazu gekommen ist?

Schon während meiner Ausbildung zur Familienhelferin wurde ich intensiv mit dem Thema Familie und Kindererziehung konfrontiert. Ich erlebte die unterschiedlichsten Familienstrukturen mit, machte mir Gedanken, überprüfte und lernte dazu.

Im Juni 1989 heiratete ich meinen Mann Urs und wurde zwei Jahre später zum ersten Mal selber Mama.

Jetzt konnte ich Gelerntes ausprobieren und in der eigenen Familie umsetzen. Mit mehr oder weniger Erfolg.

Nach und nach kamen drei weitere Kinder hinzu, das Familienleben wurde herausfordernder.

Immer wieder stieß ich dabei an meine Grenzen, wurde mit persönlichen Charakterschwächen und Defiziten konfrontiert. Die Beziehung zu meinem Mann war über weite Strecken alles andere als harmonisch. Wir brauchten dringend Hilfe.

Diese fanden wir in der Person von kompetenten Beratern und Seelsorgern. Schritt für Schritt erlebte ich Veränderung und inneres Heilwerden. Der Wahrheit über mich selbst ins Auge zu blicken war zwar schmerzhaft, aber doch immer noch tausendmal besser, als in all den destruktiven Mustern und Lebenslügen stecken zu bleiben.

Die positiven Auswirkungen dieses persönlichen Veränderungsprozesses auf unser Familienleben ließen nicht lange auf sich warten. Manche Erziehungsprobleme lösten sich buchstäblich in Luft auf, wenn wir als Eltern die notwendigen persönlichen Veränderungen anerkannten und einleiteten. Unsere Kinder wuchsen trotz unserer Fehler und Defizite zu lebens- und beziehungsfähigen Menschen heran. Unterdessen sind alle vier von zu Hause ausgeflogen, docken jedoch auch immer wieder gerne im Heimathafen an.

Als unser Jüngster vier Jahre alt war, begann ich mich in der Begleitung ungeplant schwangerer Frauen zu engagieren und baute mit einer Kollegin eine Schwangeren-Beratungsstelle auf.

Aus diesem Engagement für Mutter und Kind heraus entwickelte sich der Wunsch, mit Teenagern und Jugendlichen über einen guten und sorgfältigen Umgang mit Sexualität ins Gespräch zu kommen. Und daraus entstand – für mein Empfinden ganz natürlich und folgerichtig – das Anliegen, Eltern in ihrer herausfordernden Aufgabe zu ermutigen und zu schulen, damit gerade auch im sensiblen Bereich Sexualerziehung von Anfang an gute Grundlagen gelegt werden.

Mit Begeisterung gebe ich Kurse und unterstütze Eltern als persönlicher Coach dabei, ihre Kinder zu lebens- und liebesfähigen Menschen zu erziehen.

Sexualerziehung beginnt in der Schwangerschaft und endet mit dem Erwachsenwerden unserer Kinder. Der dafür am besten geeignete Ort? Eindeutig und noch immer die Familie!

Ein paar grundlegende Gedanken

Was Sie in diesem Ratgeber vorfinden, ist das Ergebnis meines persönlichen Weges als Mutter von vier Kindern und einer Pflegetochter, aber auch als freiberufliche Präventionsfachfrau, Kursleiterin und Elterncoach. Eigene Erfahrungen und langjähriges Beobachten, das Studium von Fachliteratur sowie der Austausch mit Pädagogen und Freunden bilden die Grundlage meiner Ausführungen zum Thema «Sexualerziehung in der Familie». Gerne möchte ich Ihnen damit für jeden Altersabschnitt, den Sie gemeinsam mit Ihrem Kind durchleben, ermutigende Anregungen und Hilfestellungen geben.

Dabei geht es mir jedoch nicht darum, pfannenfertige Rezepte zu liefern. Das würde nicht funktionieren. Als Mutter und Vater werden Sie auch im Umgang mit dem Thema Sexualerziehung Ihren ganz persönlichen Stil entwickeln.

Ziel dieses Buches ist es, Ihnen als Eltern erprobte Leitlinien und Prinzipien vorzustellen, die ein gesundes Aufwachsen von Kindern mitten in einer sexualisierten, beziehungskranken und zunehmend orientierungslosen Gesellschaft unterstützen und fördern.

Nicht jede Ihrer Fragen wird beim Lesen beantwortet werden können. Das würde den Rahmen dieses Buches schlichtweg sprengen. Doch Sie finden im Anhang verschiedene Adressen von Internetplattformen und Beratungsstellen, an die Sie sich mit persönlichen Anliegen wenden können.

Unter der Überschrift «Als Christ erziehen» werden die jeweiligen Themen vom biblischen Zusammenhang und der biblischen Ethik her erklärt und beleuchtet. Bewusst stelle ich diese Abschnitte eher ans jeweilige Ende der Kapitel. Dies, weil das Buch auch für jene Eltern, die kein besonderes Interesse am christlichen Glauben haben, verständlich und gewinnbringend sein soll. Und weil ich es wichtig finde, dass Christen nicht nur wissen, was die Bibel über diese Themen sagt, sondern auch, warum sie dies tut. Außerdem möchte ich zeigen, was es uns als Familien, aber auch der Gesellschaft ganz praktisch und konkret bringt, wenn wir uns an Gottes «Wegweisern für gelingendes (Zusammen-)Leben» orientieren.

Buchtitel verfehlt?

Ab und zu werden Sie sich beim Lesen meiner Ausführungen vielleicht fragen, wo denn das Thema Sexualerziehung bleibt. In manchen Abschnitten geht es um allgemeine Erziehungsthemen, und man könnte mit gutem Recht die Frage stellen, ob ich als Autorin nicht den Titel meines Buches verfehle.

Gerne erkläre ich Ihnen, weshalb ich nicht einen viel kürzeren Ratgeber, der sich auf die rein sexualerzieherischen Fragen beschränkt, verfasst habe:

Meine Erfahrung ist, dass Sexualerziehung nicht vom allgemeinen Erziehungsgeschehen abgekoppelt werden kann. Erziehung gelingt grundsätzlich nur im Zusammenhang mit Beziehung. Wenn Ihr Kind Ihnen nicht zuhört, wird es schwierig sein, mit ihm über Sexualität zu reden. Wenn Eltern gar keinen Zugang zu ihrem Teenager haben, weil die Beziehung durch Genörgel, Dauerstreit oder was auch immer total verhärtet ist, werden die besten Tipps über Sexualerziehung wenig bewirken können. Und ein Buch schreiben, das nichts nützt, wollte ich auf keinen Fall. Dafür wäre mir Ihre und meine Zeit zu schade.

Sexualerziehung ist (auch) Männersache!

Wenn ich Seminare über Sexualerziehung halte, kommt es häufig vor, dass Väter stark untervertreten sind. Auch wenn es als galant gilt, Frauen den Vortritt zu lassen: in der Sexualerziehung ist es elementar, dass Väter den Part übernehmen, den nur sie ausfüllen können. Unzählige Biografien zeugen davon, wie zentral die Rolle des Vaters im Leben eines Kindes ist. Ob ein Mädchen von seinem Papa hört (und erlebt), dass es kostbar und schön ist, fördert nicht nur die Entwicklung eines gesunden Selbstwerts, sondern prägt auch das spätere Beziehungsverhalten dieses Mädchens. Ob ein Junge vom Vater in seiner Männlichkeit bestätigt wird und mit Papa zusammen Zugang zur Welt der Männer erhält, prägt sowohl sein Selbstverständnis wie auch seine Sicherheit im Umgang mit Männern. Und natürlich prägen Väter mit der Art, wie sie mit Mädchen und Frauen umgehen, auch den Umgang des Jungen in einer späteren Partnerschaft. Auch zum Körper, zu Geschlechtlichkeit und Fruchtbarkeit finden sowohl Jungen wie auch Mädchen einen positiveren und selbstverständlicheren Bezug, wenn auch die Väter über diese Themen Bescheid wissen, sie ansprechen und sich damit als kompetente Begleiter anbieten. Jungs sollen nicht denken, dass beispielsweise der Zyklus Mädchenkram ist, der sie nichts angeht oder der beschämt verschwiegen werden muss.

Ich erinnere mich lebhaft an einen Unterrichtstag zum Thema Sexualität, den ich zusammen mit einem Kollegen leitete. Die Begeisterung, mit der er als Mann der versammelten Mannschaft den weiblichen Zyklus erklärte, flashte mich total und war für so manchen Jungen wohl eine prägende Erfahrung. Sexualerziehung ist Männersache, also bitte keine falsche Bescheidenheit. Ihre Söhne und Töchter brauchen Sie!

Wodurch Kinder geprägt werden

Wenn wir uns in den folgenden Kapiteln über Sexualerziehung Gedanken machen, erscheint es mir sinnvoll, als Erstes darüber nachzudenken, durch welche Einflüsse und Faktoren unsere Kinder maßgeblich geformt werden.

Wie viel Einfluss haben wir als Eltern denn überhaupt? Und wer sind unsere Miterzieher oder Konkurrenten, wenn es um das Prägen unseres Nachwuchses geht?

Kinder werden meiner Erfahrung nach durch vier Hauptfaktoren gesteuert, beeinflusst und geprägt: durch ihre Erbanlagen und ihren Charakter, durch die Umwelt und Gesellschaft, in der sie aufwachsen und sich bewegen, durch digitale Medien sowie durch ihre Eltern und nahe Bezugspersonen.

1. Erbanlagen und Charakter

Was unser Kind ins Leben mitbringt, welche Charaktereigenschaften es besitzt und was seine DNA beinhaltet, können wir als Eltern nur beschränkt beeinflussen. Wir wissen heute zwar beispielsweise, dass äußere Einwirkungen, die Befindlichkeit und das Verhalten der Mutter usw. sich auf das Ungeborene auswirken, doch trotzdem bleibt in diesem Geschehen im Mutterleib vieles letztlich doch ein Geheimnis. Mit jedem Kind wird uns etwas ganz Neues, Einzigartiges anvertraut und damit die Aufgabe, diesen kleinen Menschen seiner Art und seinen Fähigkeiten entsprechend zu begleiten.

Fasziniert entdecken wir an unserem Kind äußerliche Ähnlichkeiten mit Verwandten oder schmunzeln über familientypische Gesten und Verhaltensweisen. Und kaum etwas bringt uns mehr in Verzweiflung als die Feststellung, dass unserem Kind auch manche unserer negativen Eigenschaften mit in die Wiege gelegt wurden.

Auf das, was unserem Kind ins Leben mitgegeben wurde, haben wir als Eltern also nur beschränkt Zugriff. Entscheidend mitprägen können wir jedoch, wie es damit umgehen lernen wird und was es aus dem macht, was in sein Leben hineingelegt wurde. Doch keine Angst: Der Auftrag besteht für uns als Mütter und Väter in dieser herausfordernden Aufgabe nicht darin, alles richtig zu machen. Sondern vor allem anderen darin, als Eltern unseren Charakter immer wieder neu schleifen zu lassen und an den Stellen zu arbeiten, die noch entwicklungsbedürftig sind oder Pflege brauchen.

2. Umwelt, Gesellschaft und Freundeskreis

Auch die Umwelt oder die Gesellschaft, in die unser Kind hineingeboren wird, können wir nur in beschränktem Maß beeinflussen. Es steht nicht in unserer Macht, unserem Nachwuchs ideale Umstände oder eine heile Welt zu schaffen. Wir sind beauftragt, ihm in dieser Welt, in den gegebenen Umständen, Begleiter, Vorbild, Grenzen-Setzer und Heimat zu sein.

Den Spielraum, der uns in diesem Punkt zur Verfügung steht, sollten wir jedoch unbedingt entschlossen und hoffnungsvoll nutzen. In der direkten, unmittelbaren Umgebung unserer Kinder haben wir als Eltern mehr Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten, als uns dies oft bewusst ist. Unser Freundeskreis beispielsweise prägt unsere Kinder maßgeblich mit. Es lohnt sich, Kontakte zu anderen Familien und Einzelpersonen zu pflegen, die gleiche oder ähnliche Werte vertreten und leben.

Auch bei der Freizeitgestaltung stellen wir als Eltern immer wieder Weichen.

In welchem Club oder Verein, in welcher Kirche oder Gemeinschaft engagieren Sie sich?

Wo und mit wem soll Ihr Kind einen großen Teil seiner Freizeit verbringen?

Die Freunde, Kameraden und Vorbilder, mit denen unser Kind außerhalb der Familie in Kontakt kommt, beeinflussen sein Verhalten und seine charakterliche Entwicklung entscheidend mit. Achten Sie deshalb darauf, Ihr Kind zu Freizeitaktivitäten zu ermutigen, bei denen es nicht nur seine sportlichen, musikalischen oder kreativen Fähigkeiten entwickeln kann, sondern auch in seinen sozialen Kompetenzen und in seiner Charakterbildung unterstützt und gefördert wird.

3. Digitale Medien

Dass die digitalen Medien gegenwärtig einen der stärksten Einflüsse auf den Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes darstellen, ist Fakt. Und es nützt leider wenig, dies zu ignorieren oder sich in die «gute» analoge Welt zurückzusehnen. Auch wenn die digitale Revolution viel Gutes und Nützliches hervorgebracht hat – zum Beispiel, dass ich Fehler im Manuskript mit einem Mausklick beheben kann, statt das ganze Kapitel neu schreiben zu müssen –, stellt sie Eltern vor große Herausforderungen. Persönlich habe ich das Internet und im Besonderen Computergames vor allem bei unserem Jüngsten als reale Konkurrenz erlebt. Waren unsere älteren Kinder mit Begeisterung dabei, wenn wir gemeinsame Unternehmungen wie beispielsweise einen Ausflug in den Zoo planten, fand unser Kleinster dies «langweilig» oder zumindest langweiliger als das Game, in dem er um jeden Preis das nächste Level erreichen wollte. Während unser Ältester eher die Anfänge des Internet-Zeitalters erlebte und unsere beiden Töchter nur eine mäßige Faszination für die digitale Welt zeigten, zogen Bildschirme unseren Jüngsten magisch an. Über nichts habe ich mit ihm so viel gestritten wie über Bildschirmzeit und die Inhalte, die er sich reinzieht. Bis heute bin ich jedoch überzeugt, dass es richtig war, ihm Grenzen zu setzen und ihn nicht einfach kampflos der digitalen Welt zu «überlassen».

Unser Jüngster hat seinen Weg gefunden, nicht nur, aber auch dank Eltern, die ihm Grenzen setzten und immer wieder neu ihr Herz in die Waagschale warfen, in Beziehung und echte, reale gemeinsame Erfahrungen investierten.

Ein weiterer Einflussfaktor, der vielen Eltern im Zusammenhang mit den digitalen Medien Kummer bereitetet, sind sexualisierte und pornografische Inhalte. Immer jüngere Kinder werden immer früher mit Bildern und Szenen konfrontiert, die zutiefst verstören und ein komplett pervertiertes Bild von Beziehung und Sexualität vermitteln. Unter der Überschrift «Kinder wirksam vor Pornografie schützen» werde ich im sechsten Kapitel vertieft auf dieses Thema eingehen. Jetzt gerade nur so viel: Auch beim Schutz vor Pornografie haben gut versorgte und sicher gebundene Kinder eine hilfreiche Ausgangslage, und es geht darum, in positive und wertschätzende reale Erfahrungen und in die 1:1-Beziehung zum Kind zu investieren.

Herzens-Beziehung toppt Technik. Und Kinder, deren Eltern nicht loslassen, haben gute Chancen, zu innerlich gefestigten und beziehungsfähigen Menschen heranzureifen.

4. Eltern und nahe Bezugspersonen

Es ist unbestritten, dass die Herkunftsfamilie einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung eines Menschen hat. Eltern und Geschwister sind normalerweise die ersten Bezugspersonen des Kindes, an denen es sich orientiert und denen es abschaut, wie man sich in den verschiedensten Situationen des Lebens verhält – und wie nicht.

Als Eltern sind wir die ersten und prägendsten Vorbilder unseres Kindes. Ob wir das wollen oder nicht, ob wir uns dafür geeignet halten oder nicht, ändert daran überhaupt nichts.

Erziehung wirkt dort am effektivsten, wo wir sie mit unserem ganzen Leben unterstreichen. Und am stärksten beeinflusst und geprägt werden unsere Kids eben gerade nicht durch das, was wir sagen oder tun, sondern durch das, was wir sind. Und durch das, wer wir sind.

Aus diesen Gründen erscheint es mir unverzichtbar, dass wir als Eltern uns mit unserer Persönlichkeit, aber auch mit der eigenen Biografie auseinandersetzen. Dass wir – auch was das Thema Sexualität und unseren Umgang damit betrifft – immer wieder mal genau hinschauen und an Problemen oder persönlichen Defiziten arbeiten.

In meiner Beratungspraxis begegnen mir immer wieder Eltern, die zwar gerne mit ihrem Kind über Sexualität reden würden, sich jedoch nicht trauen, weil sie (Zitat) «es selber ja gar nicht so gemacht haben, wie es richtig gewesen wäre». Andere Mütter und Väter meiden das wichtige Thema, weil sie in ihrer eigenen sexuellen Identität verletzt wurden oder weil sie ihre eigene Sexualität gar nicht als schön und erfüllend erleben. Oder weil tausend andere Gründe vorliegen …

Unbearbeitetes bremst, Schuldgefühle und Frustration blockieren, setzen uns als Eltern nur allzu oft «schachmatt». Steigen Sie aus diesen Mustern aus – sich selbst, aber auch Ihrem Kind zuliebe. Die Beratungspraxis zeigt, dass familiäre Belastungen, Zwänge und destruktives Beziehungsverhalten oft von Generation zu Generation weitergegeben werden. Wie schade!

Von meiner eigenen Geschichte her weiß ich, dass es möglich ist, Verletzungen zu bearbeiten und negative Muster abzulegen. Ich bereue keine Minute, die ich ins eigene «Heilwerden» investiert habe, und bin dankbar für die verschiedenen Berater und Seelsorgerinnen, die mich in diesem Prozess begleitet haben.

Schauen wir uns doch einige der entscheidenden Faktoren und Erfahrungen einmal an:

Eine kleine Standortbestimmung

Erlebte ich mich in meiner Kindheit angenommen und bejaht als Mädchen oder Junge?

Was haben meine eigenen Eltern mir gefühlsmäßig zum Thema Sexualität «übermittelt»?

Wie wurde ich diesbezüglich von meinen Eltern aufgeklärt und begleitet?

Wie erlebte ich meine (ersten) Liebesbeziehungen und sexuellen Erfahrungen?

Wo stehe ich heute: Bin ich gerne eine Frau bzw. ein Mann?

Was waren meine (unsere) Vorstellungen und Ziele in Bezug auf den Umgang mit Sexualität?

Habe ich, haben wir als Paar, diese umgesetzt und erreicht, oder bin ich, sind wir, daran «gescheitert»?

Gibt es Dinge, die ich mit meinem Partner besprechen oder bereinigen muss?

Trage ich Schmerz, ungetröstete Trauer oder Verletzungen mit mir herum?

Wird unsere Paarbeziehung durch Pornografiekonsum geschädigt und belastet? Brauchen wir in diesem Bereich Hilfe?

Gibt es Schuldgefühle, die mich bis heute runterziehen und blockieren?

Die Wahrheit befreit uns. Auch zum Elternsein. Sie werden neue Sicherheit und festen Stand finden, wenn Sie den Weg ins eigene Herz unter die Füße nehmen. Suchen Sie sich kompetente Begleiter oder Seelsorger, die Sie in diesem wichtigen Prozess unterstützen. Im Anhang finden Sie dazu Adressen und Informationen.

Grundsätzliches zum Thema Sexualaufklärung

Was heute an sexualisierenden Inhalten auf unsere Kinder losgelassen wird, ist wirklich erschreckend, und es stellt sich uns als Eltern die Frage, wie wir damit möglichst hilfreich umgehen können. Müssen wir einfach bei jedem Thema die ersten Informanten sein, damit das Kind es wenigstens von uns hört statt von irgendwelchen anderen Informationsquellen? Das könnte schwierig werden!

Erstens, weil wir oft nicht im Voraus wissen, was auf unser Kind zukommt. Und zweitens, weil vieles ja eh völlig daneben oder viel zu früh ist. Ich empfinde es als wenig sinnvoll, meine Neunjährige mit einer Information über Kondome zu belästigen, nur weil ich früher sein will als die Informanten der Aidspräventionsfachstelle. Und ich habe wirklich keine Lust, mir mit meinem zehnjährigen Sohn einen Porno anzuschauen, weil er den vielleicht irgendwann mal bei einem Schulkameraden auf dem Smartphone zu Gesicht bekommen könnte.

Als Eltern selbst Sexualaufklärung zu machen, bedeutet für mich nicht, jedes Thema, auf das unsere Kinder stoßen könnten, zu Hause einfach noch früher anzusprechen. Ich mag mich in diesem Punkt nicht (nur) von außen bestimmen, diktieren und hetzen lassen.

Wichtig erscheint mir, dass Eltern sich ihrem Kind als beste, vertrauenswürdigste und kompetenteste Begleiter und Gesprächspartner präsentieren, was Sexualität und das Leben überhaupt anbelangt. Und dass sie ihren Nachwuchs so randvoll wie möglich mit Gutem füllen, seine Intuition und Selbstwahrnehmung, eigenes Denken und Entscheidungsvermögen schärfen. Falls dies gelingt, haben Stimmen von außen weniger Einfluss oder Macht.

Imprägnieren Sie Ihre Söhne und Töchter mit wertvollen Gedanken und Inhalten, und Sie werden erleben, dass Schlechtes an ihnen abprallt wie die Regentropfen von einer Goretex-Jacke. Kinder, die das Gute, das Positive und Lebensbejahende kennen, können Destruktives und Lebenszerstörendes erkennen und ablehnen. Wer das Original kennt, kann Fälschungen entlarven.

Lassen Sie sich nicht von einer sexualisierten Gesellschaft diktieren, wie Sexualaufklärung auszusehen hat. Suchen und gehen Sie den Weg, den Sie als zielführend erkennen.

In den folgenden Kapiteln finden Sie konkrete Angaben darüber, was Ihr Kind in der jeweiligen Altersstufe braucht. Auch allgemeine Hinweise zum Thema Erziehung haben in diesem Praxis-Ratgeber ihren Platz. Sexualerziehung kann nicht isoliert behandelt werden, sondern steht in engem Zusammenhang mit dem gesamten Erziehungsgeschehen und dem Familienklima. Das Vermeiden von körperlichen und emotionalen Defiziten beispielsweise fällt in der Sexualerziehung stärker ins Gewicht als alle Vorträge, die Sie Ihrem Kind über Sexualität halten könnten.

In jedem Abschnitt finden Sie überdies Hinweise und Praxistipps, wie Sie Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter tragende Werte in Bezug auf Beziehungen und Sexualität altersentsprechend vermitteln können. Und Sie erhalten konkrete Hilfestellung zur Frage, wie Sie Ihre Kinder im Umgang mit der digitalen Welt begleiten und sie bestmöglich vor Pornografie und sexuellen Übergriffen schützen können.

Zu beachten ist bei diesen Ausführungen, dass die kindliche Entwicklung sehr individuell verläuft. Zeitangaben sind deshalb nur ungefähre Richtwerte. Variationen von einigen Monaten bis zu ein oder sogar zwei Jahren sind möglich und meist kein Grund zur Panik. Sollten Sie jedoch den Eindruck haben, Ihr Kind entwickle sich nicht altersentsprechend, dann kontaktieren Sie bitte Ihren Kinderarzt.

Startklar? Es geht los!

Kapitel 1

Schwangerschaft und Geburt:Annahme und Geborgenheit

Umfassende Sexualerziehung nimmt im Mutterleib ihren Anfang. Geborgen unter dem Herzen seiner Mutter wächst ein neuer Mensch heran. Ein Wunder von Anfang an, vom Schöpfer persönlich bejaht und willkommen geheißen.

Egal, in welche Umstände ein Kind hineingeboren wird, ob ein Kind geplant war oder uns ungefragt in den Schoß fällt, ihm gilt die Zusage eines «ins Leben verliebten» Gottes.

Als Eltern dürfen und sollen wir uns ganz bewusst in dieses große «JA» zu unserem Kind hineinstellen. Ein Leben lang lernen wir daran, immer wieder neu Ja zu sagen zum Mutter- oder Vater-Sein. Ja zu unserem Kind, zu seiner Einzigartigkeit, zu seinen Stärken und Schwächen und (nicht zu vergessen) zu seinem Körper und seinem Geschlecht. Es ist für gelingende Sexualerziehung sehr wesentlich, dass wir unser Kind auch in seinem Junge- oder Mädchen-Sein annehmen und bejahen. Je entspannter und selbstverständlicher wir unser Kind in seinem Geschlecht annehmen, desto entspannter kann es – in einer großen Breite und Individualität – sein Junge- oder Mädchen-Sein schätzen und genießen.

Dieses Annehmen kann durchaus eine Herausforderung sein: Vielleicht haben Sie sich so sehr ein Mädchen gewünscht und müssen sich jetzt an den Gedanken gewöhnen, dass Sie Eltern eines Knaben werden. Oder Ihr Kind entspricht bei seiner Geburt nicht dem, was Sie als schön empfinden.

Vielleicht ist Ihr Kind krank oder hat eine Einschränkung, die Ihnen zu schaffen macht.

Oft spielen in dieser Thematik auch eigene Verletzungen eine Rolle. Möglicherweise haben Sie als Tochter in Ihrer Familie ein Stück weit die Rolle des Jungen übernommen, weil Ihr Vater so gerne einen Sohn gehabt hätte. Oder Sie hätten ein viel mädchenhafteres Mädchen sein sollen, als Sie es nun mal waren. Vielleicht versuchten Sie in Ihrer Kindheit krampfhaft, dem Bild, das Ihre Eltern von einem «echten Jungen» hatten, zu entsprechen, und es hat nie gereicht …

Was auch immer es sein mag: Sprechen Sie mit Ihrem Partner oder mit einer anderen Vertrauensperson darüber und suchen Sie sich Unterstützung, wenn Sie merken, dass es Ihnen schwerfällt, Ihr Kind, so wie es ist, als Geschenk anzunehmen.

Es ist keine Schande, sich selbst und anderen Menschen Schwierigkeiten oder Begrenzungen einzugestehen. Sie müssen – gerade auch als Mutter oder Vater – nicht alles alleine schaffen. Gemeinsam geht manches leichter, und Sie werden entdecken, dass andere Eltern genau das auch erlebt oder durchgestanden haben, was Ihnen vielleicht gerade Schwierigkeiten bereitet.

Zum Nachdenken

Kann ich mein ungeborenes Kind als Geschenk annehmen?

Bin ich bereit, mein Kind so lieben und schätzen zu lernen, wie es ist?

Sage ich Ja zum Körper und zum Geschlecht meines Kindes?

Bin ich bereit, Hilfe anzunehmen, wenn ich nicht weiterkomme?

Welches sind meine «Weggefährten» im Unterwegssein als Mutter oder Vater?

In späteren Kapiteln werden wir uns mit dem Entdecken und Fördern der geschlechtlichen Identität befassen. Bereits in der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren werden dazu wichtige Grundlagen gelegt.

Verbundenheit

In der Schwangerschaft beginnt etwas zu wachsen, das sich nur schwer in Worte fassen lässt: das Wunder der Eltern-Kind-Bindung. Auf sie werden wir ein Leben lang aufbauen. Auch in der Sexualerziehung.

Pflegen Sie den Kontakt zum Ungeborenen, reden Sie mit ihm. Genießen Sie, auch als Paar, die Momente, wo Sie Ihr Kind spüren. Nehmen Sie Kontakt auf mit diesen strampelnden kleinen Füßchen, die gegen die Bauchwand drücken. Singen Sie abends ein Schlaflied für Ihr Kleines, hören Sie schöne Musik. Nehmen Sie sich Zeit für ein Nickerchen, kümmern Sie sich auch gut um sich selbst als «Gastgeber eines Wunders».

Verwöhnen und entlasten Sie Ihre Frau, wo dies möglich und notwendig ist. Gehen Sie sorgsam mit Ihrer schwangeren Partnerin um. Das verbindet Sie als Paar und schafft gleichzeitig auch zum ungeborenen Kind eine liebevolle Beziehung.

Gedanken zum Thema Geburt

Kaum ein Erlebnis berührt uns als Eltern so stark, so tief im Innersten, wie die Geburt eines Kindes. Schmerz und Freude, Lachen und Weinen, Vorfreude und Angst vermischen sich in diesem Moment, bringen uns an den Rand unserer Möglichkeiten und Vorstellungen.

Und dann der große Moment, wo wir diesen uns vertrauten und doch ganz neuen kleinen Menschen zum ersten Mal in die Arme schließen dürfen. Unbeschreiblich, was da an Gefühlen abgeht.

Auch für das Kind ist die Geburt ein einschneidendes Erlebnis. Ungewohnt laute Geräusche, gleißende Helligkeit und eine veränderte Umgebung bestimmen diesen Augenblick. Und doch ist da auch Bekanntes: In unseren Armen, auf unserer Brust kommt das Neugeborene zur Ruhe. Es lauscht dem vertrauten Herzschlag, erkennt die Stimmen von Mutter und Vater wieder, genießt die Wärme und den Hautkontakt.

In welcher Art das Geburtserlebnis die seelische Entwicklung eines Kindes beeinflusst, ist ein spannendes, aber auch komplexes Forschungsfeld. Persönlich bin ich überzeugt, dass das Geburtserlebnis Einfluss hat; ich halte es durchaus für möglich, dass Ängste oder andere seelische Schwierigkeiten von Kindern mit traumatischen Geburtserfahrungen zusammenhängen können. Gleichzeitig kann ich vom Beobachten unserer eigenen vier Kinder her wenig eindeutige Schlüsse ziehen; manche Kinder sind mit einer hohen Resilienz gesegnet, andere sind zarter besaitet und brauchen mehr Sicherheit und Unterstützung beim Verarbeiten. Wichtig erscheint mir, dass auch Sie als Paar das Geburtserlebnis verarbeiten. Was war wohltuend, was belastend? Wie hat der Partner, die Partnerin mich erlebt? Was tut noch weh, löst möglicherweise Angst vor einer nächsten Geburt aus?

Gebären kann tatsächlich eine körperliche und psychische Grenzerfahrung oder gar ein traumatisches Erlebnis sein. Nirgends kam ich bis heute so sehr an die Grenzen meines Durchhaltevermögens, nie habe ich verzweifelter gebetet als bei unseren ersten zwei Geburten. Und nie fühlte mein Mann sich hilfloser, machtloser.

Das geht unter die Haut und löst unter Umständen tiefe Ängste aus. Suchen Sie sich fachliche Hilfe, wenn Sie auch nach Monaten noch nicht über Ihr Geburtserlebnis hinwegkommen. Sprechen Sie im Hinblick auf eine nächste Geburt mit Ihrem Gynäkologen. Mir tat es gut, mit befreundeten Müttern die verschiedenen Erfahrungen auszutauschen. Was dem ach so geduldigen Ehemann irgendwann abgeschlossen erscheint, ist unter Frauen immer wieder beliebtes Thema. Doch aufgepasst: Es ist wenig konstruktiv, wenn die eigenen Kinder mitbekommen, dass wir bei ihrer Geburt «fast durchgedreht» sind, qualvolle Schmerzen hatten, uns zu sterben wünschten oder was auch immer unsere Gefühle dabei waren und sind. Bereits kleine Kinder bekommen viel mehr mit, als Sie vielleicht denken.

Betonen Sie deshalb in der Gegenwart Ihrer Kinder das Schöne, die Freude, Eltern zu werden, die allen momentanen Schmerz weit überwiegt (immerhin habe ich das ja freiwillig noch zwei Mal auf mich genommen!). Bücher und Filme über Schwangerschaft und Geburt sollten mit Bedacht und unbedingt altersgerecht ausgewählt werden. Was wir Erwachsenen aus der Erfahrung heraus einordnen können, erschreckt ein Kind unter Umständen zutiefst.

Und ich möchte ja irgendwann mal noch Großmutter werden! Meine Töchter sollen vom Frausein und vom Mutterwerden ein grundsätzlich positives Bild mitbekommen und sich nicht jetzt schon Sorgen machen, die vielleicht total unbegründet sind.

Kommentieren Sie die Geburt im Fotoalbum unbedingt positiv. Drücken Sie aus, wie sehr Sie sich über die Ankunft Ihres Kindes gefreut haben. Dies ist eine lohnenswerte Investition in das gesunde Selbstwertgefühl Ihres Nachwuchses.

Unsere Kids haben ihre Fotoalben zeitweise fast täglich angeschaut. Das Bewusstsein «Ich war im Bauch meiner Mami, und die hat sich mit Papa zusammen ganz doll auf mich gefreut» schafft eine Reserve an Geborgenheit und Bestätigung. Spätestens in der Pubertät, wenn Ihr Kind auf der Suche nach dem eigenen Wert und der persönlichen Identität sein wird, werden Sie als ganze Familie von diesem Vorrat an Bestätigung und Liebe profitieren.

Kapitel 2

Erstes Lebensjahr:Versorgung und Vertrauen

Die ersten drei Monate

Die Zeit nach der Geburt wird stark vom Trink- und Schlafrhythmus des Säuglings bestimmt.

Das Stillen der Grundbedürfnisse unseres Neugeborenen ist ein wichtiger Baustein für die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühles und der Beziehungsfähigkeit unseres Kindes.

Beziehung steht ja immer in engem Zusammenhang mit der Erfahrung des Wahrgenommenwerdens, mit dem Erleben von Vertrauen und Verlässlichkeit.

Schenken Sie Ihrem Kind viel Zuwendung, viel Haut- und Körperkontakt. Die Haut ist das größte Organ des Menschen und weit mehr als nur die äußere Hülle des Körpers. Unsere Haut ist eine Art Schutzschild, gleichzeitig aber auch Ausdrucksmittel und Sinnesorgan. Über die Haut erhält schon das Ungeborene im Mutterleib Informationen aus seiner Umgebung: Mit der Haut fühlt unser Kind Berührungen, Temperatur oder Schmerzen. Der am unmittelbarsten mit der Haut verbundene Sinn ist der Tastsinn. Er wird vom menschlichen Embryo als erster entwickelt und ist dadurch gewissermaßen der «Ursprung aller Empfindungen».

Stillen Sie Ihren Säugling, wenn immer möglich, mindestens ein halbes Jahr lang. Falls es damit jedoch trotz aller Anstrengungen nicht klappen sollte, ist dies kein Grund zu Selbstvorwürfen oder Verzweiflung. Hautkontakt kann auch auf andere Weise als beim Stillen hergestellt werden: Legen Sie Ihr Kind beim Trinken aus der Flasche an Ihre nackte Brust, tragen Sie es «oben ohne» herum, oder gönnen Sie sich ein Bad zu zweit.

Säuglinge nehmen ihre Umgebung sehr intensiv über Hautkontakt und Berührungen wahr.

Lassen Sie Ihr Kind deshalb, falls es dafür warm genug ist, immer wieder mal unter Ihrer Aufsicht ein Weilchen nackt strampeln, oder massieren Sie es sanft mit Babyöl.

Unsere Kleinen genossen es jeweils, im Schwimmbad nackt neben mir auf dem Badetuch zu liegen und den Wind sanft über ihre Haut streichen zu spüren.

Beim Windeln-Wechseln oder beim Baden berühren wir die Geschlechtsteile unseres Kinder ganz natürlich, ohne Scham, aber auch ohne darum irgendwie eine Sonderzeremonie zu machen. (Die Empfehlung mancher Fachpersonen, den Säugling absichtlich an der Klitoris oder am Penis zu stimulieren, empfinde ich als abwegig bzw. übergriffig.) Mir war und ist es wichtig, auch als Mutter oder Vater von Anfang an eine gesunde Grenze zwischen mir als erwachsener Person und dem Kind einzuhalten.

Baby-Jungen können übrigens schon sehr früh eine Erektion bekommen, und bei Baby-Mädchen kommt es vor, dass die Klitoris leicht anschwillt. Beides ist eine natürliche Reaktion auf Berührung und kein Grund zur Besorgnis. Falls der Penis Ihres kleinen Jungen beim Wickeln steif wird, kann dies auch ein Zeichen dafür sein, dass er gleich pinkeln wird und Sie «in Deckung gehen» sollten.

Bedürfnisse wahrnehmen, Signale richtig deuten

Achten Sie im Umgang mit Ihrem Säugling auf Ihr «Bauchgefühl». Sie werden dabei die Signale Ihres Kindes immer besser deuten lernen. Reagieren Sie unbedingt, wenn Ihr Kleines weint. Damit meine ich nicht, dass Sie beim kleinsten Pieps Ihres Kindes jede Tätigkeit fallen lassen sollen. Weinen muss auch nicht sofort unterbunden werden, denn es ist das Sprechen des Säuglings – und deshalb natürlich und erlaubt. Stopfen Sie Ihrem Kind nicht gleich beim ersten Schrei mit dem Schnuller oder der Brust den Mund, sondern versuchen Sie zu verstehen, was Ihr Kind ausdrückt, und reagieren Sie dann dementsprechend.

Anna Tardos, die Leiterin eines Säuglingsheimes in Budapest, schreibt dazu im Elternbuch Miteinander vertraut werden. Wie wir mit Babys und kleinen Kindern gut umgehen: «Es ist uns wichtig, dass dem Kind tatsächlich geholfen wird, und nicht, dass es zu weinen aufhört.»1 Ein sehr hilfreicher und fortschrittlicher Ansatz, meine ich.

Viel Stress im Umgang mit Säuglingen kann dadurch vermieden werden, dass wir als Mütter und Väter unsere Einstellung dem Weinen gegenüber verändern. Wenn unser Kind weint, sagt es damit nicht: «Du machst alles falsch.» Oder: «Du bist eine schlechte Mama.» Oder was auch immer in unserem Herzen an negativen Interpretationen abgerufen wird, wenn ein Kind nicht zu trösten ist. Versuchen Sie herauszufinden, was Ihr Kind Ihnen sagt. Falls dies (noch) nicht gelingt, wird Ihr Kind deshalb nicht gleich einen Schaden davontragen.

Entfernen Sie sich für eine Minute, wenn Sie merken, dass Sie mit Ihrer Geduld am Ende sind. Es schadet Ihrem Kind mit Sicherheit weniger, wenn Sie kurz den Raum verlassen, um sich zu beruhigen, als wenn Sie die Nerven verlieren.

Suchen Sie sich unbedingt Entlastung, wenn Sie merken, dass Sie an den Rand Ihrer seelischen oder körperlichen Kräfte kommen. Bitten Sie Großeltern, Freunde oder Nachbarn, Sie zu unterstützen, Ihr Schreikind stundenweise zu übernehmen oder regelmäßig mit ihm einen Spaziergang zu machen. Sie müssen nicht alles alleine schaffen, und manchmal hat eine außenstehende Person schlicht und einfach die Ruhe, die uns selbst in solch herausfordernden Zeiten fehlt. Falls Sie niemanden finden, der Sie unterstützt, dürfen Sie Ihr Baby in einem Überlastungs-Notfall übrigens auch in die Babystation oder in die Notaufnahme Ihres Krankenhauses bringen

Tragen Sie Sorge zu Ihren Kräften. Seien Sie – auch den eigenen Bedürfnissen gegenüber – aufmerksam und barmherzig.

«Kindererziehung ist», wie es der bekannte amerikanische Referent und Autor James Dobson ausdrückte, «kein Kurzstreckenlauf, sondern mit einem Marathonlauf zu vergleichen. Man muss seine Kräfte für alle Erziehungsjahre klug aufteilen und darf sie nicht gleich in den ersten Jahren aufbrauchen.»

Viele Eltern tragen ihr Baby mehr oder weniger den ganzen Tag auf sich; die modernen Traghilfen ermöglichen einen engen Körperkontakt, der Babys Geborgenheit schenkt und die Eltern-Kind-Bindung stärkt. Falls Sie Ihren weinenden Säugling trotzdem einmal nicht sofort zu sich nehmen können, weil Sie kurz etwas erledigen müssen, dann sprechen Sie mit ihm oder vermitteln Sie ihm auf andere Weise, dass Sie da sind. Singen Sie ein beruhigendes Lied, nehmen Sie Blickkontakt auf, ziehen Sie die Musikdose auf …

Durch unsere Reaktion und Aufmerksamkeit erlebt das Kind, dass es gehört und wahrgenommen wird. Es erfährt, dass es durch sein Aktivwerden (in diesem Fall das Weinen) beim Gegenüber etwas bewirken kann. Daraus entwickelt sich im Unterbewusstsein des Kindes unter anderem die Fähigkeit, mit Bezugspersonen vertrauensvolle Beziehungen einzugehen, und es bildet sich ein Bewusstsein dafür, dass Probleme lösbar sind, dass es sich lohnt, sich zu äußern und sich für etwas zu engagieren. Es entwickelt – im Fachjargon gesprochen – Selbstwirksamkeit.

Wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrung zeigen, welch starken Einfluss die elterliche Zuwendung und die verlässliche Versorgung eines Säuglings auf dessen ganzes Leben hat. Auch wenn es viel Energie braucht, sich Tag und Nacht um ein Neugeborenes zu kümmern, ist dies eine Investition, die sich vielfach auszahlt! Sie legen jetzt in Ihrem Kind den Vorschuss an Grundvertrauen und Sicherheit an, auf dem Sie ein Leben lang aufbauen werden.

Die Paarbeziehung pflegen

Nach ungefähr drei Monaten hat sich das Leben mit dem kleinen Erdenbürger etwas eingespielt, das Geburtsgeschehen ist mehr in den Hintergrund gerückt, und Sie haben einen gewissen Rhythmus gefunden. Es wird Zeit, wieder bewusster in die Partnerschaft zu investieren. Sie als Paar waren zuerst da und werden hoffentlich auch noch zusammen sein, wenn der Nachwuchs längst wieder ausgeflogen ist. Dieses Bewusstsein hilft, sich nicht nur noch in die «Brutpflege» zu investieren, sondern bewusst auch wieder Paar-Zeiten einzuplanen.

Zu einer gesunden, funktionierenden Ehebeziehung gehört das Pflegen der sexuellen Zweisamkeit. Manchen frischgebackenen Eltern fällt dies leicht, andere tun sich schwerer, und es entstehen Spannungen, die sich zu ernsthaften Konflikten entwickeln können.

Sich trotz tropfender Brüste sexy fühlen? Nie wissen, wann der kleine Schreihals wieder loslegt? Ob die Geburtsverletzungen wirklich gut abgeheilt sind?

Es braucht gegenseitiges Verständnis und Sorgfalt, um einen gemeinsamen Weg zu finden. Und eine gute Prise Humor. Genießen Sie die Situationskomik des Familienlebens. Es ist nicht verboten, sich bei der trauten sexuellen Zweisamkeit auch mal halbtot zu lachen, weil einfach gar nichts so klappt, wie es geplant war! Nutzen Sie die Zeiten, in denen Ihr Baby schläft, um zusammen Kaffee zu trinken und zu plaudern. Oder für ein kuschliges Powernap zu zweit, wenn Ihnen wegen Übernächtigung die Augen zufallen. Lange Spaziergänge mit Baby im Tragtuch oder im Kinderwagen tun nicht nur dem neuen Erdenbürger, sondern auch Ihrer Zweierbeziehung gut und sorgen zudem für Bewegung und Sauerstoffaufnahme.

Jede Lebensphase birgt eine Fülle an Schätzen, und wer es versteht, diese zu entdecken, wird auch in der intensiven Baby- und Kleinkindphase viel Schönes und Verbindendes genießen können. Dass Babys die Effizienz behindern, ist eine Chance, das Lebenstempo herunterzufahren, inneren Antreibern die Peitsche aus der Hand zu nehmen und das Leben im Moment neu zu lernen.

Kinder sind nicht, wie teilweise suggeriert wird, Schmarotzer und Störfaktoren, die unsere Entwicklung behindern und unsere Ehen schwächen. Kinder verbinden uns als Paar in einer lebenslangen, zutiefst beglückenden und sinnstiftenden Aufgabe.

Martin Luther schrieb dazu: «Kinder sind das lieblichste Pfand in der Ehe; sie binden und erhalten das Band der Liebe.» Als Paar betten Kinder uns in den im Musical Lion King so schön besungenen «Circle of Life» ein und lassen uns dadurch weit über uns selbst hinauswachsen. Glücklich die Eltern, die sich diese positive Haltung zu eigen machen, statt darüber zu jammern, dass das Kinderhaben – wie jede andere große Aufgabe übrigens – auch Verzicht und Hingabe beinhaltet.

Vielleicht fragen Sie sich gerade, warum ich dem Thema Partnerschaft und «Intimität als Paar», über das ja bereits viele Ratgeber existieren, in diesem Kapitel so viel Beachtung schenke.

Ganz einfach: Weil unser persönliches Erleben von Beziehung und Sexualität einen starken Einfluss auf unsere Sexualerziehung hat. Auf das, was wir nonverbal ausdrücken und an unsere Kinder weitergeben.

Familienplanung und Geburtenregelung

Aktuell ist in dieser Phase des Elternseins auch das Thema Familienplanung. Wie viele Kinder wünschen Sie sich? In welchen Abständen – jetzt gleich wieder schwanger werden, oder erst mal eine Pause einlegen?

Nehmen Sie sich Zeit, um in dieser Frage einen gemeinsamen Weg zu finden. Ich meine, dass wir hier, auch von Gott her, einen großen Gestaltungsfreiraum haben. Freiheit bedeutet aber auch Verantwortung. Für die Paarbeziehung und auch für unsere Kinder ist dieses Thema bedeutsamer, als uns dies vielleicht bewusst ist.

Wichtige Stichworte in Bezug auf Familienplanung sind für mich: «Partnerschaftlichkeit», «Lebensbejahung» sowie «Offenheit und Flexibilität».

Stichwort Partnerschaftlichkeit

Nicht immer stimmen unsere inneren Bilder bezüglich der idealen Kinderzahl mit denen unseres Partners überein. Eine Einigung, ein bewusstes Einander-Entgegenkommen ist jedoch wichtig, wenn Verbundenheit und Liebe durch diese zutiefst persönliche Frage nicht allzu sehr strapaziert werden sollen.

Heute steht uns zur Familienplanung ein breites Spektrum an Methoden und Medikamenten zur Verfügung, und Ärzte raten oft recht schnell zu hormonellen Verhütungsmethoden wie Pille oder Hormonspirale. Doch nicht jede Frau verträgt Hormone gut. Nicht immer sind Hormonpräparate oder Spirale wirklich eine sinnvolle Lösung. Bitten Sie deshalb Ihren Arzt, Ihnen verschiedene andere Methoden vorzustellen und deren Wirkung (wie auch alle möglichen Nebenwirkungen) zu erklären. Fragen Sie nach, wenn die erhaltene Auskunft Sie nicht befriedigt, und finden Sie sich nicht mit der erstbesten oder für Ihren Gynäkologen finanziell einträglichsten Lösung ab.

Viele Paare erleben beispielsweise die natürliche Empfängnisregelung2 als körpergerechten, verlässlichen und partnerschaftlichen Weg, der sich wohltuend von vielen anderen Methoden abhebt, bei denen mehr oder weniger ein Partner alleine für die Verhütung zuständig ist.

Informieren Sie sich über verschiedene Möglichkeiten zur Familienplanung, fragen Sie Ihre Freunde nach deren Erfahrungen, oder machen Sie sich im Internet schlau. Wie erfüllend Ihr Sexualleben ist, hängt entscheidend davon ab, ob Sie auch in puncto Familienplanung als Paar gut miteinander unterwegs sind.

Stichwort Lebensbejahung

Ich wünsche mir, dass das bedingungslose Ja des Schöpfers zu allem, was lebt, unser Familienleben prägt und auch ins Thema Familienplanung einfließt.

Bei allem Rechnen und Planen möchten wir nicht vergessen, dass Fruchtbarkeit ein Geschenk ist. Und nicht eine Krankheit, die es um jeden Preis zu bekämpfen gilt.

Bei der Suche nach für uns geeigneten Methoden behielten wir als Paar diesen Grundwert im Auge. Verhütungsmittel, die das Einnisten einer bereits befruchteten Eizelle verhindern, widersprechen für uns der Entscheidung zur Lebensbejahung und wurden demzufolge gleich zu Beginn von der Liste der für uns in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gestrichen.

Familienzuwachs

Das nächste Kind hat sich angemeldet. Familienplanung wird vorläufig kein Thema mehr sein. Andere, mindestens so schwergewichtige Themen drängen sich auf. Unter anderem, weil das Angebot möglicher vorgeburtlicher Abklärungen kontinuierlich ausgebaut wird.

Als Paar treffen wir gemeinsam wesentliche Entscheidungen:

Wie viel an unserem Kind wollen wir testen lassen? Und wozu?

Wäre ich, wären wir bereit, auch zu einem «besonderen Kind» Ja zu sagen?

Darf unser Nachwuchs Defizite oder Schönheitsfehler wie beispielsweise eine Lippen-Gaumenspalte haben?

Was, wenn unser Kind krank oder behindert sein sollte?

Es lohnt sich, auf diese herausfordernden Fragen eine persönliche Antwort zu formulieren und die Konsequenzen unserer Entscheidung zu überdenken. Unsere Einstellung zu diesen Themen hat langfristig gesehen in jedem Fall Einfluss auf das Lebensgefühl unserer Kinder.

Dazu einige Gedanken aus meiner Erfahrung im Begleiten von Familien: Eine der größten Herausforderungen für Eltern besteht darin, sich immer wieder vom Wunsch nach Perfektion und Harmonie zu verabschieden. Wo wir als Eltern «Nicht-Perfektes» um jeden Preis vermeiden wollen oder ablehnen, leiden unsere Kinder früher oder später unter zu viel Druck und überhöhten Ansprüchen.

Je früher es Müttern und Vätern gelingt, sich immer wieder neu auf das Leben, «so wie es jetzt gerade eben ist», einzulassen, desto entspannter wird das Familienklima und desto einfacher, fröhlicher und kooperativer funktioniert das Zusammenleben.

Wir können das Leben oder die Umstände nur in sehr begrenztem Maß unseren Bedürfnissen entsprechend einrichten oder zurechtbiegen. Vieles entzieht sich unserem Zugriff. Auch gesund geborene Kinder können verunfallen, behindert werden oder sich anderweitig nicht unseren Wünschen entsprechend entwickeln. Ob mit oder ohne vorgeburtliche Untersuchung, eine Frage begleitet uns als Eltern ein Leben lang:

Bin ich, sind wir bereit, unserem Kind auch dann bedingungslose Liebe und Annahme zu schenken, wenn es unseren Vorstellungen nicht gerecht werden kann (oder will)?

Offenheit und Flexibilität

Ich habe mir als frischgebackene Mutter die Empfehlung: «Halt in deinem Herzen immer Platz für ein ungeplantes Kind frei», zu Herzen genommen. Bei allem Planen wollte und will ich doch offen sein für das, was mir unverhofft in den Schoß fällt. Ich will mich auf Zugemutetes einlassen, das Beste daraus machen, daran wachsen und mich entwickeln. Ich bin nicht das «Maß aller Dinge», meine Sicht ist beschränkt.

Und wer weiß, ob mir nicht gerade das, was ich niemals freiwillig so ausgewählt hätte, letztlich zum Segen wird?