Shattered Colors - Lauren Jane - E-Book

Shattered Colors E-Book

Lauren Jane

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Pixie Violet kehrt zurück in ihre Heimat New York, nachdem sie damals am Tiefpunkt ihres Lebens angelangt war. Schnell merkt die 24-Jährige jedoch, dass dort immer noch die Geister ihrer Vergangenheit lauern. Sie tritt erneut die Flucht an und reist in das sonnige Kalifornien, wo sie auf den charismatischen Frauenhelden und Sheriff der Stadt trifft: Jackson Lancaster. Zwischen den beiden knistert es heftig und Pixie lässt sich auf ihn ein – auch wenn sie ihre inneren Dämonen immer wieder heimsuchen. Verstoßen von der Außenwelt versucht Pixie, mit dem Mann an ihrer Seite zurück ins Leben zu finden. Doch was ist, wenn sie das Schicksal erneut einholt?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 324

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Table of Contents

Kurzbeschreibung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Impressum:

Shattered Colors – Violet

von Lauren Jane

Erstausgabe März 2017

Copyright © Lauren Jane

https://www.facebook.com/laurajane.kohler?fref=ts

Alle Rechte vorbehalten!

Dies ist ein fiktiver Roman. Orte, Events, Markennamen und Organisationen werden in einem fiktiven Zusammenhang verwendet. Alle Handlungen und Personen sind frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer

Cover: Art for your book by Sabrina Dahlenburg

Lektorat: Buchstabensalat & Wortzauber

Korrektorat: Damla Bal, Anke Neuhäußer, Bethy Zimmermann

Satz und eBook: Anke Neuhäußer

Veröffentlicht beim:

A.P.P. Verlag

Peter Neuhäußer

Gemeindegässle 05

89150 Laichingen

Tel.: 07333-9545750

email: [email protected]

www.a-p-p-verlag.de

Mobi:  978-3-96115-053-3

E-pub:  978-3-96115-054-0

Print:   978-3-96115-055-7

Für Alex

Ein einfaches Danke würde bei all dem, was du für mich getan hast, nicht ausreichen.

Kurzbeschreibung

Pixie Violet kehrt zurück in ihre Heimat New York, nachdem sie damals am Tiefpunkt ihres Lebens angelangt war. Schnell merkt die 24-Jährige jedoch, dass dort immer noch die Geister ihrer Vergangenheit lauern. Sie tritt erneut die Flucht an und reist in das sonnige Kalifornien, wo sie auf den charismatischen Frauenhelden und Sheriff der Stadt trifft: Jackson Lancaster. Zwischen den beiden knistert es heftig und Pixie lässt sich auf ihn ein – auch wenn sie ihre inneren Dämonen immer wieder heimsuchen. Verstoßen von der Außenwelt versucht Pixie, mit dem Mann an ihrer Seite zurück ins Leben zu finden.

Doch was ist, wenn sie das Schicksal erneut einholt?

Kapitel 1

Lady Gaga – Paparazzi

Die Vergangenheit …

»Bitte«, kam es von meinen Lippen. »Bitte, hör auf!«

Mittlerweile spürte ich meine Arme nicht mehr, und ich konnte nichts gegen den Drang tun, meine Augen zu schließen, auch wenn ich Angst davor hatte, was als Nächstes passieren würde.

»Nein«, drang die wutverzerrte Stimme an mein Ohr und Gänsehaut machte sich auf meinem Körper breit. »Du hast es einfach nicht verstanden, oder?«

»W … was habe ich nicht verstanden?«, hauchte ich. Mein Körper war mittlerweile entkräftet und mein Kopf dröhnte. »Bitte mach mich los«, fügte ich leise hinzu.

Doch er lachte nur höhnisch. »Wieso sollte ich dich kleine Schlampe losbinden? Du hast es nicht anders verdient. Findest du nicht auch?«

Ich wusste, dass es keinen Sinn ergeben würde zu antworten.

Mom!, rief ich in Gedanken, doch wie sollte sie mich hören? Wahrscheinlich würde er mir nur Schlimmeres antun, wenn ich laut wurde, stattdessen fügte ich mich meinem Schicksal.

Was war geschehen, dass ich nun hier enden würde?

»Was …«, brachte ich abermals krächzend hervor und versuchte in seine Augen zu sehen: Eine letzte schwache Bemühung, dass er vielleicht noch Mitleid mit mir bekam.

»Was, was?«, donnerte er wütend. »Sprich, du dummes Flittchen!«

»Was habe ich getan?«, wisperte ich.

Er stand direkt vor mir, wodurch ich seine nackten Füße sehen konnte. Seine Jeans war inzwischen voller roter Flecken. War das Blut? Womöglich sogar meines? Die Beule in seiner Hose zeigte mir deutlich, welch gehörigen Spaß ihm das Ganze bereitete.

Ich schloss die Augen, denn ich hatte mit einem Mal das Gefühl, ich müsste mich vor seine Füße übergeben, wenn ich weiter darüber nachdachte. Allerdings hatte ich der Konsequenzen wegen Angst. Doch ergab es überhaupt noch Sinn, sich vor irgendetwas zu fürchten?

Ein dumpfer Schmerz durchfuhr meinen Körper, und es schien, als hätte ich mich gestoßen. Ein Blick auf meinen Bauch belehrte mich eines Besseren. Stumme Tränen liefen über meine Wangen, und ich unterdrückte nur mit Mühe und Not ein lautes Schluchzen, als er mir die lange Messerklinge in den Bauch drückte und damit nicht nur eine dünne Linie zog.

»Nein!«, versuchte ich es erneut mit einem schwachen Protest.

Langsam, aber stetig, spürte ich, wie die Müdigkeit durch meinen Körper floss und ich kaum noch die Augen offenhalten konnte. Ich merkte nichts mehr von dem, was er mir antat.

Wenigstens war er so gütig gewesen und hatte mir eine womöglich tödliche Dosis, gemischt aus Morphium und Heroin, gespritzt.

Ich realisierte nichts dergleichen, fühlte mich eher, als würde ich neben meinem Körper stehen. Wie ich ihn aus weiter Ferne beobachtete, um zuzusehen, was ihm angetan wurde.

An einer Decke in irgendeinem Kellerverlies hängend, glaubte ich, mich noch in New York zu befinden. Geschwächt von der Tortur sackte mein Kreislauf alle paar Minuten zusammen, und ich hatte den Eindruck, mein Herz liefe einen Marathon, weil ich so in Panik war. Während mein Körper mich im Stich ließ, arbeitete mein Gehirn auf Hochtouren. Was hatte ich ihm getan, wieso war er so grausam?

Ich war ratlos.

Nun ergötzte er sich an meinem blutenden und schwitzenden Körper, der nackt und wie auf einem Präsentierteller vor ihm hing.

Unbedeckt und schutzlos war ich ihm ausgeliefert.

Geräuschvoll ließ er die mit Blut befleckte Klinge auf den kalten und steinigen Boden fallen, sodass einige Spritzer seine Füße benetzten, und griff stattdessen zu einer Waffe, die direkt auf einem kleinen Tisch lag, begutachtete sie, als sei sie ein großer Schatz.

»Und jetzt, Pixie, wirst du mir alles erzählen, was ich hören will.«

PIXIE

Die Gegenwart …

»Ist das dein Ernst?«

In einer schier endlosen Schockstarre gefangen, fixierte mich meine beste Freundin Sophia mit geweiteten Augen, als könnte sie nicht glauben, was ich ihr da gerade erzählte.

Ich nickte dennoch stur, niemals würde und könnte ich sie anlügen. Als meine beste Freundin hätte mich Sophia binnen Sekunden durchschaut, und ich konnte es mir nicht erlauben, sie zu verlieren. Schon alleine, weil sie beinahe jedes Detail aus meinem Leben kannte. Egal wie schmutzig es auch war.

So nun auch diese Geschichte.

»Und du bist einfach abgehauen?«, hakte sie noch einmal ungläubig nach, während ich innerlich ein weiteres Mal die Augen verdrehte. Sie würde es sowieso niemals in ihr ziemlich melancholisch-romantisches Gehirn hineinkriegen.

»Ja, Sophia. Ich habe mit ihm geschlafen und bin dann in der Nacht abgehauen«, druckste ich nun schon zum dritten Mal rum.

»Und?«

»Was, und?«

»Willst du ihn wiedersehen?« Oh nein! Das verräterische Glänzen in ihren Augen verriet mir nur allzu gut, dass sie sich gerade all den möglichen romantischen Quatsch in ihrem hübschen Kopf zusammenbraute.

»Liebste Mrs. Burns, ich hatte heute Nacht Sex. Nur Sex, okay? Ich habe dabei nichts gefühlt, außer vielleicht … Nein, eigentlich nichts«, erklärte ich ihr noch einmal und hoffte, sie würde es endlich verstehen.

Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, so wie bei einem Kind, welches erfuhr, dass es den Weihnachtsmann doch nicht gab, und ihre Körperspannung schien gleichzeitig von ihr abzufallen, sodass sie auf dem Stuhl, auf dem sie saß, gleich zehn Zentimeter kleiner und zierlicher aussah.

Jetzt hatte ich womöglich gerade ihr Weltbild zerstört.

»Weißt du denn wenigstens, wie er heißt?«, flüsterte sie mir zu und tat so, als würden wir verschwörerische Theorien miteinander besprechen.

Ehm … »Ehm …« Fehlanzeige.

»Pixie!«, ermahnte sie mich schrill, und ihre perfekt gezupften Augenbrauen stießen dabei fast zusammen.

Ich zuckte wegen der durchdringenden Höhe, die ihre Stimme angenommen hatte, zusammen und schaute sie entschuldigend an.

»Ist doch egal, wie er hieß, oder? Ich werde ihn sowieso nie wiedersehen.«

Es war einer dieser aberwitzigen und ebenfalls ziemlich idiotischen Einfälle meiner Therapeutin gewesen, einen Abend meiner Wahl dafür zu nutzen, gegen meine Ängste zu kämpfen und mit einem Mann zu sprechen. Ich hatte das Ganze dabei leider ein wenig zu ernst genommen und war in alte Muster verfallen.

Sophia blies erschöpft den Atem aus und pustete sich damit eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht.

»Du bist echt hoffnungslos, Pixie«, stellte sie nüchtern fest und nippte an ihrem Latte Macchiato.

»Danke, ich weiß.«

»Wäre Dean damals nicht gewes…«

»Lass es, Sophia!«, unterbrach ich mit zusammengebissenen Zähnen barsch ihren bevorstehenden Satz. Exfreund-Gespräche waren augenblicklich am ganz falschen Platz. Erst recht nach der Mitteilung an meine beste Freundin, dass ich … ich in der vergangenen Nacht seit langer Zeit mal wieder jemanden für unverbindlichen Sex gefunden hatte.

»Okay, tut mir leid«, murmelte sie reumütig und starrte mich dabei traurig an.

»Ist okay. Musst du gleich nochmal zurück ins Geschäft?« Sie nickte und schaute abwesend auf ihre Armbanduhr.

»Ja, in genau drei Minuten.«

Gerade wollte sie zu ihrer Handtasche greifen, als ich sie mit den Worten: »Ich zahl!« davon abhielt.

Schnell verabschiedete sie sich mit einem Kuss auf die Wange von mir, ehe sie sich eilig auf den Weg aus dem Café, einen Häuserblock weiter zu dem kleinen Modegeschäft machte, in dem sie seit dem Abschluss ihres Modedesignstudiums arbeitete.

***

Es war August in New York, und die Sonne brannte förmlich am Himmel, sodass man auf dem kochenden Asphalt aufpassen musste, dass einem die Schuhe nicht kleben blieben, wenn man zu lange auf einer Stelle stand. Vor allem dann, wenn man wie ich Flip-Flops trug, die zu hundert Prozent aus Plastik zu bestehen schienen.

Es war für mich immer noch ein ungewohntes Gefühl, wieder zurück im Big Apple zu sein, auch wenn schon fast vier Monate seit meinem Totalausfall vergangen waren. Vier lange Monate voller Schrecken, Qualen und … allem eben. Wahrscheinlich hatte meine beste Freundin auch irgendwie recht, und ich hatte mich seit der Trennung von meinem Exfreund Dean wirklich verändert. Selbst das Denken seines Namens bereitete mir eine erhebliche Gänsehaut, und das auf keinem Fall eine angenehme. Eher entwickelte mein Magen dabei so etwas wie ein Eigenleben und mir wurde schlagartig speiübel. Vielleicht musste ich auch einfach wieder lernen, mein Leben in die Hand zu nehmen und glücklich zu sein, auch wenn das im großen und weiten New York nicht annähernd so einfach war wie es sich immer anhörte. Alle kamen hierher – Touristen, Auswanderer, Umsiedler – und wollten ein neues Leben in dieser tollen Stadt beginnen, sich selbst und das Glück finden. Sie verstanden jedoch einfach nicht, dass sie sich damit nur selbst belogen.

Alles, was ich hier in der letzten Zeit gefunden hatte, waren Dreck und ein Haufen idiotischer Menschen. Man konnte kaum noch jemandem über den Weg laufen, ohne darüber zu spekulieren, ob dieser Jemand nicht vielleicht ein Geisteskranker war. Womöglich war auch ich der Psychopath unter ihnen und begriff es einfach nur nicht.

Alles in allem fand ich nach dieser schlimmen Sache weder Anschluss an meinen zugegeben nicht wirklich großen Freundeskreis noch an mein altes Leben. Ich hätte vielleicht besser dort weitermachen sollen, wo ich aufgehört hatte.Aber hatte ich nicht gerade noch darüber nachgedacht ein neues Leben anzufangen?

Ja, definitiv geisteskrank.

Selbst mein neues, altes Apartment schien mich irgendwie abzustoßen. Auch wenn meine Eltern keine Kosten und Mühen gescheut hatten, um es nach meiner Wiederkehr in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Allerdings hatte ich das Gefühl, die hellen Wände sowie die freundliche Einrichtung – die keineswegs meinem Stil entsprachen – verspotteten mich jeden Tag aufs Neue. So flüchtete ich schon früh nach dem Aufstehen aus dem Haus, um mich lieber von der erdrückenden Lautstärke New Yorks erschlagen zu lassen.

Niemals ließ mich mein Dad ohne Bodyguards aus dem Haus, was zu meiner miesen Stimmung ebenfalls einiges beitrug, doch ich konnte ihn verstehen. Er war womöglich mehr als nur ein bisschen um meine Sicherheit besorgt.

Als Sänger der Rockband The Celtic Roses war er, Trevor Violet, so etwas wie ein Superstar, und somit waren die dazugehörigen Familienmitglieder leider keine Unbekannten. Während meine Brüder sich ebenfalls im Rampenlicht suhlten und nichts ausließen, um endlich von den Kameras abgelichtet zu werden, so war ich der schüchterne Part des Violet-Clans. Obwohl die Schüchternheit eher gegenwärtig war, wenn es um die Öffentlichkeit und die Paparazzi ging, ansonsten war ich leider allzu bekannt – vor allem als Partygirl.

Seitdem ich meinen ersten Tropfen Alkohol hatte trinken dürfen – vor etwas mehr als drei Jahren – gab es bei mir eigentlich selten oder gar kein Wochenende, an dem ich nicht zum Feiern ausging. Schnell hatte ich mir den Status »hartgesottenes Partygirl« erarbeitet.

Wobei ich fand, dass das Wort »hart-besoffenes« viel treffender war.

Ich kicherte bei dem Gedanken. Mein Dad hätte womöglich getobt und jedes Klatschblatt um seine Millionen gebracht, wäre ihm bewusst gewesen, wie meine Wochenenden derzeitig aussahen, während meine Mom, die gut und gerne die feine Dame spielte, einen Herzinfarkt bekommen hätte.

Nichtsdestotrotz ging ich stiften, sobald ich eine Kamera sah. Und jetzt, da ich wieder in New York war, hatte ich das Gefühl, die Kameras stünden an jeder verdammten Ecke.

Das neue Album meines Vaters und das meines drei Jahre älteren Bruders Tyler, der in einer Metal Band namens Dark Suicide spielte, waren fast gleichzeitig rausgekommen, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis diese Paparazzi überall zu sehen sein würden.

Ich hörte die Musik meines Bruders wirklich gerne, auch wenn meine Mom sie eher als unzumutbar und Geschrammel betitelte. Doch was hatte sie eigentlich erwartet, wenn sie einen Musiker geheiratet hatte? Da war es nicht fraglich, ob das oder alle Kinder musikalisch werden würden, sondern nur wann. Bei Tyler war es ziemlich früh abzusehen gewesen, dass er mit einer Gitarre besser umgehen konnte, als mit einem Fußball. Mein Dad war natürlich ungeheuer stolz gewesen, nachdem er bei meinem ältesten Bruder Mike zuvor schon das eine oder andere graue Haar ergattert haben musste. Der hatte sich nämlich schon von klein auf für jede nur erdenkliche Ballsportart interessiert, womit für ihn schnell klar gewesen war, dass er entweder Profifootballspieler oder aber Sportjournalist werden würde. Letzteres war jedoch schnell aus dem Rennen, denn nach einigen erfolgreichen Jahren des Collegefootballs, hatte er einen Vertrag bei den Michigan Wolfes erhalten.

Ich allerdings verfolgte in meinem Leben andere Pläne. Schon immer hatte ich davon geträumt, Kunst zu studieren und ein eigenes Tattoo-Studio zu eröffnen. Doch mit der Präsenz des Namens Violet hatte sich das Ganze schnell erübrigt. Spätestens als das Album Mad Silence von Dads Band in den Himmel schoss, war es mit der Stille um uns geschehen. Schon in den frühen Achtzigern hatten sich The Celtic Roses einen Namen in der Musikindustrie erarbeitet, bis alle Bandmitglieder nacheinander Frauen geheiratet, Kinder bekommen und sich daraufhin ein wenig zurückgezogen hatten.

Während meine Brüder allesamt schon das College besuchten, war ich gerade in den letzten Zügen der Highschool gewesen. Und gar nicht damit klargekommen, dass mir unbekannte Leute auf einmal auch Fotos sowie Autogramme von mir wollten oder mich ständig mit Fragen bombardierten. Meine Noten gingen schlagartig den Bach runter, sodass ich nur mit Biegen und Brechen die Schule schaffte und letztendlich mein Studium vergessen konnte. Seitdem hatte sich in meinem Leben eine ganze Menge verändert und mein lang ersehntes Kunststudium lag zusammen mit anderen größeren Träumen in einer Kiste und verstaubte unter meinem Bett.

Bis vor einigen Jahren hatte ich noch aus Langeweile gemalt, einfach, um den Kopf frei zu bekommen, doch auch dieses letzte Hobby hatte ich irgendwann an den Nagel gehängt. Das war ungefähr zu dem Zeitpunkt gewesen, als ich Dean kennen und lieben gelernt hatte. Seitdem trug ich die Kunst nur noch auf meinem Körper. Es war so eine Art Selbsttherapie, mich tätowieren zu lassen, so, wie für manch andere ein Trip in ein unbekanntes Land. Jedes Mal, wenn es mir schlecht ging und ich ein neues Bild auf meinen Körper bekam, fühlte ich mich ein wenig freier.

Da ich in den letzten Jahren und vor allem Monaten leider mehr schlechte als gute Tage, Wochen und Monate hinter mich gebracht hatte, glich mein Körper mittlerweile einem einzigen Kunstwerk. Nichts Buntes hatte sich auf meiner Haut verewigt, was nur allzu deutlich zeigte, wie ich mich oft gefühlt hatte.

Mein Tätowierer und mittlerweile auch bester Freund, Kyle, hatte es sich zur Passion gemacht, meinen Körper mit neuen Werken zu zieren, und inzwischen verstand er fast stumm, was genau ich jetzt brauchte. So war es nicht verwunderlich, dass wir uns, als ich gerade den ersten Schritt in sein Studio in Brooklyn gesetzt hatte, kennen und so etwas wie lieben gelernt hatten. Ich hatte nicht mehr viele freie Stellen an meinem Körper übrig. Nur noch wirklich wenig Haut war nicht übersät von großen und schwarzgrauen Zeichen, Linien und Gemälden. Schon zu Anfang hatte ich mir vorgenommen, die mir wichtigste Stelle – meinen Brustkorb – nicht stechen zu lassen, denn diese befand sich meiner Meinung nach zu nah an meinem Herzen. Ein Symbol, das auch ich als ziemlich heruntergekommener Misanthrop poetisch fand.

Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen schon wieder viel zu abgedrifteten Gedanken, und erst jetzt bemerkte ich, dass die Lichter über New York angegangen waren, ich seit gut einer Stunde auf meiner Couch saß und die beige, langweilige Wand vor mir anstarrte.

»Hey Dad!«

»Hey Kleines, geht es dir gut?«

Die Sorge meines Vaters war eindeutig aus seiner Stimme herauszuhören. Seitdem ich wieder zuhause war, hörte er gar nicht mehr auf, mich zu fragen, ob es mir gut ginge. Womöglich war das eben so, wenn man ein Elternteil war, doch nicht selten erwischte ich mich dabei, wie ich die Augen verdrehte. Nur schwer konnte ich mich manchmal davor zurückhalten Nein, ich habe mich noch nicht umgebracht! ins Telefon zu brüllen. Doch ich verstand Dad, immerhin war er fast das ganze Jahr über auf Tournee und eigentlich nur zu den wichtigen Terminen wie Weihnachten und Geburtstagen daheim, weswegen auch meine Mom und die übrigen Frauen der Bandmitglieder sich angewöhnt hatten, einfach mit auf Reisen zu gehen. So blieb ihm nur das Telefon.

»Mir geht es gut«, murmelte ich verlegen, und das schlechte Gewissen überkam mich sofort, als mir die Lüge, ohne zu zögern, über die Lippen glitt.

»Was machst du, Liebes? Wir sind gerade in der Arena angekommen, in der wir gleich spielen werden, und ich wollte mir nur dein Glück abholen.«

Ich schnaubte lautlos. Kann ich von dem Glück bitte auch etwas abhaben?

»Ich sitze auf der Couch und … war mit Sophia heute im Café«, wechselte ich schnell die Spur, damit er nicht auf die Idee kam, ich würde schon den ganzen Tag dort sitzen.

»Das ist super, Pixie! Sophia ist ja wirklich ein tolles Mädchen«, erwiderte er in der alten Leier. Oh Gott, Eltern konnten so peinlich sein.

Sophia war meine älteste Freundin – sogar schon seit dem Sandkasten. Uns hatte so schnell nichts auseinandergebracht. Dennoch war es jetzt verwunderlich, dass mein Dad sie in letzter Zeit immer in den höchsten Tönen lobte.

Ich hörte am anderen Ende des Telefons Gemurmel und wusste gleich, dass das Herumdrücken und Lügen nun ein Ende haben würde, denn jetzt würde der Don unserer Familie ans Telefon treten. Mom konnte ich nichts vormachen. Sie roch meilenweit gegen den Wind, wenn etwas nicht in Ordnung war, und nicht selten war ich erleichtert.

»Deine Mom will dich sprechen. Wir hören uns, okay Pix?« Seine Stimme klang fast ein wenig erleichtert, als er das Gespräch beenden konnte und ich schaffte es nicht, ihm deshalb böse zu sein. Wer wollte schon mit einer Gestörten unnötig lange telefonieren?

»Ja, okay! Hab dich lieb.«

Er lachte. »Ich dich auch!«

»Warum lobt dein Dad Sophia, als sei sie seit Neustem deine beste Freundin?«, fiel der Don gleich mit der Tür ins Haus, sobald ihr Mann nicht mehr in ihrem Umkreis war.

Wie ich bereits erwähnt hatte, diese Frau roch alles, und ich hatte bisher noch gar nichts zu ihr gesagt.

Ich seufzte. »Ich habe ihm erzählt, dass ich heute mit Sophia im Café war und nun auf der Couch sitze, mehr nicht«, erklärte ich mich und wusste, sie würde nun zwischen den Zeilen lesen.

»Dir geht es immer noch nicht gut«, stellte sie mit trauriger Stimme fest.

»Nein.« Lügen war eben zwecklos.

»Was ist denn los? Willst du noch mal zurück? Hast du einen Rückfall?« Ihre Stimme klang in höchstem Maße alarmiert, und ich sah sie förmlich vor meinen Augen, wie sie von einem Stuhl aufsprang, um in ihrem Notizbuch nach einer geeigneten Nummer zu suchen. Vielleicht für einen neuen fähigen Seelenklempner oder eine Klinik ganz in meiner Nähe.

»Nein, Mom, das ist es nicht. Es ist einfach so: New York nervt mich. Ich finde es schön, wie viel Mühe ihr euch mit dem Apartment gegeben habt, aber das bin ich nicht. Samuel ist die ganze Zeit mit von der Partie, sodass ich manchmal schon befürchte, er würde mir bald in die Dusche folgen, wenn ich ihm nicht schon vor der Haustür verklickern würde, dass ich ihn nicht mehr brauche. Seitdem ich wieder da bin, habe ich das Gefühl, irgendwie ausgegrenzt zu sein.« Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, und doch tat es gut, wieder einmal Dampf abzulassen.

Natürlich hätte ich auch Sophia all das erzählen können. Allerdings wäre sie nur damit gekommen, dass ich mich einfach nur mal richtig verlieben müsste. Sie wusste eben doch manchmal nicht alles, und das war auch gut so … denke ich.

Nun war es an meiner Mom zu seufzen, und alles, was sie fragte, war: »Wie oft warst du in den letzten Wochen bei Kyle?«

»Es waren acht Besuche, Mom, aber das ist es nicht. Es ist so …«

»Was ist es dann, Pixie?«, unterbrach sie mich unsanft. »Glaubst du, ich erkenne deine Absichten nicht, wenn du Kyle einen Besuch abstattest? Das hat nichts mehr mit deiner Leidenschaft für Kunst zu tun.«

Ich wollte gerade einen Gegenangriff starten, doch sie redete einfach weiter.

»Ich habe dich schon lange durchschaut, Pix. Ich bin deine Mutter, hast du es noch nicht bemerkt? Wir werden eine Lösung finden, okay? Ich ruf dich morgen an, bis dahin überlege ich mir etwas und du legst dich erst mal schlafen. Du klingst müde.«

»Okay«, gab ich kleinlaut zurück. »Gute Nacht, Mom.«

»Gute Nacht, Pixie. Wir schaffen das.«

Diesen Kampf hatte ich verloren.

Kapitel 2

In too deep – Sum 41

PIXIE

Das schrille Klingeln an meiner Apartmenttür zog mich abrupt auf die Beine, noch lange, bevor ich überhaupt die Augen richtig geöffnet hatte.

Gleich nach dem gestrigen Telefonat mit meinen Eltern, war ich – wie mir befohlen worden war – ins Bett gegangen, und jetzt dankte ich meiner Mom für ihre Intuition, denn ich hatte den Schlaf wirklich gebraucht. Nach nicht einmal fünf Minuten war ich im Traumland.

Erneut schrillte das Klingeln durch mein Apartment, ehe ich es an meiner Tür rütteln hörte und ein »Guten Morgen, Sonnenschein!« gebrüllt wurde.

»Sophia, was zur Hölle …?«, brachte ich krächzend hervor, mein Körper war noch nicht ganz auf Hochtouren.

»Wir machen Urlaub!«, quietschte sie begeistert, und erst jetzt bemerkte ich den großen pinken Koffer in ihrer Hand.

Wieso genau hatte ich meiner besten Freundin eigentlich einen Schlüssel für mein Apartment überlassen?

»Urlaub? Wohin fährst du denn? Und mit wem?«

Noch etwas schlaftrunken und nicht in der Lage ihre Wörter richtig zu erfassen, schlenderte ich in die große Wohnküche, stellte eine Tasse unter die Kaffeemaschine, wartete darauf, dass das schwarze Gold hineinlief und mein Kopf endlich in der Lage war, ihre Worte zu verstehen.

»Na, wir!«, jubelte sie begeistert und klatschte in die Hände. »Deine Mom hat mich gestern angerufen und mir gesagt, dass wir für eine Woche nach Malibu fliegen. Ist das nicht toll?«, trällerte sie.

»Ja, total toll«, murrte ich und starrte immer noch auf meine Kaffeetasse, die sich einfach nicht füllen wollte. Brauchte ich nun auch noch einen neuen Kaffeeautomaten? Dieser Morgen war schon jetzt eine reine Katastrophe.

»Willst du die Maschine nicht vorher einschalten?«, unterbrach Sophia meine Gedanken, die wie aus dem Nichts neben mir aufgetaucht war und den Einschalt- sowie den Startknopf an der Seite der Maschine drückte. Endlich floss Kaffee in meine Tasse.

Verdammt! Anschalten, das war es, was ich vergessen hatte. Morgens war ich ungefähr so sehr zu gebrauchen, wie Skistöcke auf dem Meer.

Nachdem ich die volle Tasse endlich in der Hand hielt und genüsslich einen heißen Schluck probierte, drehte ich mich noch immer etwas benebelt zu der blonden und längst aufgedonnerten Person in meiner Küche herum, die mich mit hochgezogenen Augenbrauen anstarrte.

»Willst du nicht lieber packen?«

Verdutzt schaute ich sie an. »Das war dein Ernst?«

»Natürlich war das mein Ernst, glaubst du, ich verarsche dich? In drei Stunden geht unser Flieger und bis dahin solltest du deinen Koffer fertighaben und dir zumindest etwas anziehen. Dein Make-up scheinst du dir ja beibehalten zu haben, wenn auch Smokey-Eyes längst out sind. Warst du gestern noch aus, oder warum bist du so wild geschminkt?«

Wie? Was?

Zu viele Informationen am Morgen!

Ich liebte meine Sophia ja von ganzem Herzen, aber am Morgen wollte ich sie wirklich nicht sehen, denn diese Frau machte es möglich, dass mein Gehirn mir öfters mal das Wort ERROR vor die Nase hielt.

»Wir fliegen nach Los Angeles?«, vergewisserte ich mich noch einmal und grübelte bei einem weiteren Schluck Kaffee darüber nach.

Sie nickte und schien zu merken, dass ich gerade Informationsverarbeitung betrieb.

»Meine Mom hat dich angerufen und uns quasi weggeschickt?«, fasste ich weiter zusammen.

Ein erneutes Nicken.

»Wo werden wir wohnen?«

»Sie hat von einer befreundeten Maklerin ein kleines Haus am Strand in Malibu gemietet. Es ist nicht der Luxus, den du gewohnt bist, sagte sie. Allerdings meinte sie auch, du bräuchtest den Urlaub dringend, weswegen sie vorerst das Erstbeste genommen hat. Sie würde sich melden, sobald sie etwas … «

Schnell erhob ich meine Hand, um Sophia zum Schweigen zu bringen, denn diese Frau besaß heute einen unmenschlichen Redefluss.

Gut, dann gab es anscheinend jetzt Urlaub. Danke Mom?

Ohne ein weiteres Wort verschwand ich in meinem Schlafzimmer und sprang in die erstbesten Klamotten, die ich finden konnte.

Eine Jeans-Hotpants und ein schwarzes Tank-Top müssten ja wohl reichen, dazu irgendwelche Sandalen und fertig. Schnell im Bad verschwunden putzte ich mir die Zähne und verstand auch endlich die einseitige Diskussion über mein Make-up. Ich war gestern einfach geschminkt ins Bett gefallen und hatte mir wohl heute Nacht den Eyeliner zusammen mit meiner Wimperntusche quer über das Gesicht geschmiert, was meine Freundin als Smokey-Eyes titulierte. Vielleicht brauchte sie ja eine Brille?

Ich sah eher aus wie ein Waschbär auf Drogen. Zugegeben, das war ein ziemlich schlechter Scherz.

Mittlerweile war Sophia ebenfalls in meinem Schlafzimmer angelangt und machte sich geradewegs an meinem Kleiderschrank zu schaffen. Was so viel hieß wie: Sie warf alles ihrer Meinung nach Passende für einen Urlaub aufs Bett, und ich durfte dann die Klamotten begutachten und entscheiden, was ich mitnehmen wollte. Diskussionen waren übrigens auch hier zwecklos, denn meine beste Freundin Schrägstrich Modedesignerin hatte in diesem Punkt leider die Oberhandund würde mich niemals wie einen Ottonormalverbraucher vor die Tür gehen lassen.

Nachdem ich eine knappe Stunde für das Kofferpacken gebraucht hatte und dabei auch einige hitzige Gespräche über das eine oder andere Kleidungsstück hatte führen müssen, war es für uns an der Zeit, zum Flughafen zu fahren. Natürlich durften auch bei diesem kurzen Weg der Chauffeur meines Dads und Samuel, der Bodyguard, nicht fehlen.

Schon wieder sank meine Laune auf den Tiefpunkt, denn während Sophia sich wirklich auf den Urlaub zu freuen schien, fragte ich mich im Stillen, was mir das Ganze bringen sollte.

Ich kramte mein Handy aus meiner Handtasche und schrieb unserem Familienoberhaupt eine kurze Nachricht.

Danke, für den Urlaub. Brauche ich so was? XO Pix.

Ihre Antwort folgte prompt und kurz. Wahrscheinlich hatte Sophia meine Mutter erst kürzlich darüber informiert, wie ihr Vorhaben verlief. Wenn meine Mom erst mal Pläne schmiedete, dann bitte auch mit ihren persönlich eingestellten Handlangern, die ihr womöglich sogar die Füße küssten.

Du wirst mir irgendwann mal dafür danken. Habt Spaß und pass auf dich auf, Schatz. Kuss

Gut, wenn die Seelenexpertin also meinte, Priscilla Violet bräuchte einen Urlaub, dann würde ich eben einen bekommen. Aber war es wirklich nötig, dafür ins noch heißere Los Angeles zu fliegen? Mir entwich bei der Ironie ein Kichern. Ich wollte mich vor den Menschen verstecken und fuhr dafür an einen der größten Urlaubsorte in ganz Amerika. Coole Sache, Mutter!

***

Der knapp fünfstündige Flug endete schnell. Ich hatte die Zeit damit verbracht darüber zu grübeln, wieso Samuel nicht mitgekommen war. Also würde ich im Urlaub keinen Babysitter haben? Wie kam das?

»Die Luft hier ist ganz anders als in New York, findest du nicht?«, seufzte Sophia und schloss dabei genießerisch die Augen, um einmal tief einzuatmen.

»Ja, die Luft ist so schön, es fühlt sich an, als würdest du den Kopf in einen verdammten Backofen stecken«, murmelte ich und schnappte meinen Koffer, um Ausschau nach einem freien Taxi zu halten.

»Was bist du denn so mies drauf?«, fragte Sophia, als sie gekonnt an den Straßenrand ging und eines dieser gelben Gefährte anhielt. Egal, ob ich mich in New York befand oder nicht, für mich würden sie Yellow Cabs bleiben.

Dieses Biest hatte auch immer so ein Glück!

»Ach, ich weiß auch nicht, Soph. Der Morgen hat mich ein wenig überfordert, und auch wenn du denkst, ein Urlaub ist in diesem Moment was Tolles, das ist er nicht!«, erklärte ich aufgebracht.

Sofort weiteten sich die Augen meiner besten Freundin, die nebenbei wie ferngesteuert dem netten Taxifahrer ihren Koffer in die Hand drückte.

»Warum hast du denn nichts gesagt?«

Ich schüttelte den Kopf. »Weil ich damit alleine klarkommen muss, Soph. Ich kann nicht immer alle mit meinen Problemen befallen. Immerhin bin ich erwachsen und sollte mich auch dementsprechend verhalten«, erklärte ich mit zitternder Stimme, nachdem Sophia dem Fahrer die Adresse genannt und dieser sich auf den Weg gemacht hatte.

Sie sah mich traurig an, während ich hinter ihr schemenhaft das Meer ausmachen konnte und nur am Rand bemerkte, dass wir an der Küste entlangfuhren.

Schon den ganzen Flug über war ich aufgekratzt gewesen. Das Verlangen nach mehr war schier nicht auszuhalten, und ich fragte nicht nach dem Wieso, sondern eher nach dem Wann. Wann würde es so weit sein, dass ich es nicht mehr aushielt?

Ich schwitzte die ganze Zeit über leicht, und das nicht, weil hier knappe dreißig Grad im Schatten herrschten. Es war der Stress, der meinem Körper fortwährend zu schaffen machte.

»Pixie, ich bin deine beste Freundin. Du kannst immer zu mir kommen, wenn etwas ist, auch wenn es noch so oft ist. Womöglich bist du einfach nur einsam.«

Ich nickte, sie würde es vielleicht nie verstehen.

Kapitel 3

Queens of the Stone Age – I sat by the Ocean

PIXIE

Das Haus, das wir die nächste Woche unser Eigen nennen würden, stand direkt an der Küste. Doch zu meinem Erstaunen war es nicht zentral in Malibu, sondern für amerikanische Verhältnisse sehr, sehr weit vom Stadtrand entfernt und somit vor allem für mich ziemlich wundervoll. Ganz anders empfand das übrigens meine Mitbewohnerin auf Zeit.

»Wenn wir im Zentrum von Los Angeles feiern wollen, müssen wir uns ein Taxi nehmen! Kannst du dir das vorstellen? Wir sind hier am Arsch der Welt!«, zeterte Sophia, als wir gerade das niedliche kleine Häuslein betraten, das im Gegensatz zu dem Rest der hier vorhandenen Villen geradezu verloren wirkte und genau aus diesem Grund in meinen Augen perfekt erschien.

Niemand würde mir hier auflauern, geschweige denn mit mir rechnen, denn jemand, der eine berühmte Familie im Rücken hatte, würde sich mit nicht weniger als fünf Schlafzimmern zufriedengeben. Und dieses Exemplar hatte genau zwei. Wobei eines das Elternschlafzimmer war und das andere das Kinderzimmer, mit einem einfachen Bett für eine Person und bunt bemalten Wänden.

Ebenfalls besaß diese Luxusimmobilie nur ein Badezimmer mit einer Badewanne, die man mit höchst supermoderner Technik – einer Stoffbahn aus feinstem Polyester – zu einer Dusche umfunktionieren konnte.

Alles in allem war dieses Haus ziemlich rustikal, von innen wie von außen. Durch die raue Küste, Salzwasser und womöglich auch durch die Möwen – diese gingen nicht wie Katzen zu ihrem Klo, um ihre Notdurft zu verrichten, sondern flogen in einem ständigen Kreis umher und ließen dabei alles einfach fallen –, blätterte die weiße und hellblaue Farbe an der Außenfassade teilweise ab und ließ den Untergrund aufquellen.

Innen war das Haus in hellen und dunklen Farben gehalten, genauso wie die Möbel, die nicht wirklich zusammenpassten und dennoch tausendmal einladender wirkten, als mein topdesigntes Apartment in New York. Natürlich befanden sich auch neuere Möbel wie das Sofa darunter. Allerdings fügte es sich perfekt in das Flair des Gebäudes ein und ließ einen annehmen, man würde nicht in dem vor Geld strotzendem Malibu leben. Meine Mom hatte gewusst, dass ich es lieben würde!

Das Haus besaß sogar einen Kamin, den man zu meinem Bedauern leider kaum entzünden konnte, da es mitten im August hier viel zu heiß war. Doch alleine das Wissen, einen zu haben, ließ mich wohlig schaudern. Es war so etwas wie ein Heimatgefühl, obwohl ich in Los Angeles lediglich ein paar Mal gewesen war, und das nur in irgendwelchen Stadien und Hotels. Nichts im Vergleich zu dem hier. Einzig und allein die Küche erstrahlte hell, weil sie möglicherweise erst kürzlich hier eingebaut worden war, und glänzte hochpoliert in einem strahlenden Weiß, gepaart mit den feinsten Edelstahlarmaturen. Von der Küche aus gelangte man auf eine kleine, bis zur Hälfte überdachte Terrasse, von der eine Treppe direkt zum Strand und Meer führte.

Vielleicht würde ich hier niemals wieder weggehen.

***

Während ich es mir in dem kleinen Kinderzimmer gemütlich machte und den Inhalt meines Koffers in den überschaubaren Schrank räumte, vernahm ich das verdächtige Klappern von High Heels auf der Holztreppe. Nicht mal ganze fünfzehn Sekunden später stand Sophia bei mir im Zimmer. Gekleidet in einem dunkelblauen Minikleid mit silbernem Rand, von dem ich wusste, dass es aus ihrer eigenen Kollektion vom letzten Jahr stammte, dazu passend silberfarbene Schuhe. Ihr langes blondes Haar hatte sie zur Hälfte seitlich an den Kopf gesteckt, wobei der Rest in großen Locken über ihre Schultern fiel. Auch ihr Make-up saß wie immer perfekt.

»Was machst du da?«, fragte sie sichtlich geschockt mit einem Blick auf meinen Koffer.

»Äh … auspacken?«

»Herrgott, in fünf Minuten ist das Taxi hier! Ich dachte, du machst dich schon längst fertig!« Ihrem Gesichtsausdruck nach schätzte ich sie auf einer Hysterie-Skala gerade auf ungefähr 6,5.

»Wir gehen aus?«, erkundigte ich mich deutlich genervt und versuchte mich daran zu erinnern, welche Information ich am heutigen Tage eventuell ignoriert haben könnte. Aber keine hatte damit zu tun, dass wir ausgehen wollten.

»Ich habe doch vorhin gesagt, wir würden ein Taxi brauchen, um in die Stadt zu gelangen«, erklärte sie und kniff dabei wütend die Augen zusammen.

»Ich habe das eher als rein informativ angesehen, Sophia. Du hast mit keinem Wort erwähnt, dass du heute feiern gehen möchtest«, versuchte ich es ruhig und diplomatisch und wusste, es würde nicht mehr viel fehlen, bis sie platzte. Wenn es um Partys ging, war meine beste Freundin ganz oben auf der Liste, so wie ich damals. Doch bei mir war dieser Zug schon vor einer ganzen Weile abgefahren. Nur vergaß sie das leider all zu oft.

Es wäre idiotisch gewesen, mich sofort – wo ich doch gerade von vorne beginnen wollte – auf die Piste zu stürzen und allem ausgesetzt zu werden, dem ich versuchte, den Rücken zu kehren.

»Wir sind im Urlaub, Pixie! Wenn wir nicht hier feiern gehen, wo denn sonst? Wir können uns richtig gehenlassen und dann morgen früh darüber lachen! Wir sind in Los Angeles! Malibu ist das Mekka der Wellen! Denk doch mal an die ganzen Surferboys …«

Ich verdrehte die Augen. Ja, Sophia hatte wirklich ein Faible für diese blonden, langhaarigen Typen, deren Körper nur aus Muskeln bestanden und deren Haut so dermaßen gebräunt war, dass man überlegte, ob man aus ihnen nicht auch eine Jacke schneidern konnte, wenn sie sich weiterhin der Sonne aussetzen würden. Immerhin wirkte ihre Haut bereits wie das feinste Leder. Hautkrebs war hierbei wahrscheinlich inklusive.

»Nein danke, Sophia. Fahr ruhig. Ich wette mit dir, du hast Amber und die anderen Leute doch längst angerufen und sie warten auf dich. Ich lasse mich schon genug gehen, als dass ich einen Abend voller betrunkener Leute aushalten könnte.«

Und mehr … fügte ich in Gedanken hinzu.

»Okay, vielleicht ja die Tage mal?«, fragte sie ergeben und etwas niedergeschlagen.

Ich nickte: »Lass mich erst mal ankommen, okay?«

***

Sophia kam in dieser Nacht natürlich nicht nach Hause und hatte womöglich zum fünfzehnten Mal ihre große Liebe kennengelernt, oder aber sie war einfach nur noch zu betrunken, um überhaupt die Adresse zu nennen, immerhin wohnten wir wirklich ziemlich weit ab vom Schuss.

Wenn auch mit einigem Drehen und Wenden, hatte ich wie eine Tote geschlafen und war mehr als erholt aufgestanden. Den guten Start in den Tag nutzte ich aus und ging zuerst duschen. Die Sonne lachte am Himmel und ich musste einmal mehr darüber schmunzeln, wie sich zwei hintereinander folgende Morgen so sehr voneinander unterscheiden konnten. Während ich gestern einem Zombie ähnlich durch meine Küche geschlurft war, hatte ich mir heute vorgenommen, das Frühstück gleich auf der kleinen Terrasse direkt am Meer einzunehmen.

Der Wind blies sanft und ruhig über die See, sodass man kaum das Rauschen wahrnahm, sondern nur das Kreischen der Möwen. Doch selbst dieses sonst so verhasste Geräusch ließ mich heute ganz locker werden. Weder vermisste ich New York noch meine Familie oder meine Freunde. Ich war glücklich hier mit einem Buch, einem Kaffee und meinem Croissant, welches ich mir zuvor im Backofen aufgewärmt hatte.

Es war, als könnte ich das erste Mal ein wenig freier atmen und Malibu wäre das Heilmittel gegen diese kranken Albträume, die mich nächtlich plagten. Erst vor einigen Wochen hatte ich die Tabletten abgesetzt, die mir verschrieben worden waren und somit gestaltete sich das Schlafen nicht immer sehr leicht.

Die Sonne brannte heiß vom Himmel herab, weshalb ich froh war, dass zumindest der Teil der Terrasse, auf dem ich mich gerade befand, durch den kleinen Balkon auf der oberen Etage, geschützt war. Denn ich persönlich hätte meine Haut nicht als hell bezeichnet, doch manchmal betitelte man mich zu unrecht als Albino. Immerhin hatte ich dunkles Haar – fast schwarz –, was ich übrigens von meinem Dad, der mittlerweile ergraut war, geerbt hatte. Und zwar als einziges von uns drei Kindern.

Ich glaubte nicht an das Schicksal, doch als just in diesem Moment mein Telefon klingelte, musste ich doch schon etwas grinsen.

»Hey, Mike.«

»Hallo kleine Schwester, wie geht es dir? Ich habe von deinem Zwangsurlaub gehört.«

Angesichts seiner Wortwahl musste ich schmunzeln. »Ja, es ist ein herrlicher Zwangsurlaub, wenn du mich fragst.«

»Malibu, hm?« Wortkarg traf meinen Bruder nicht einmal ansatzweise.

»Ja, Mom dachte wohl, ich müsste etwas gesünder aussehen«, murmelte ich und setzte gleichzeitig meine Sonnenbrille auf.

»Ich bin nächste Woche für ein Spiel in der Nähe, hast du Lust, mit mir und Meredith etwas essen zu gehen?«, schlug er vor und ich verzog augenblicklich das Gesicht, als hätte ich eine Zitrone gebissen.

Meredith? Kotz, würg.

Tut mir leid, aber bei diesem Thema werde ich wohl ewig die kleine Schwester bleiben, das verwöhnte Nesthäkchen.

Denn bei Gott ich hasste diese Frau.

Ich wusste nicht, ob es ihre nervtötende Stimme war, die mich immer an ein paar gackernde Delfine erinnerte, oder, ob mich einfach ihr Aussehen abschreckte. Ich war keineswegs oberflächlich, wirklich nicht, aber würde sie mit dem Gesicht vor eine weiße Wand laufen, müsste man sie wohl streichen.