Shattered World - Larissa Moritz - E-Book

Shattered World E-Book

Larissa Moritz

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Beschreibung

Sina Esche ist eine Außenseiterin. Den Kopf voller Fantasien lebt sie ein überschaubares Leben, als eines Tages ihre Welt im wahrsten Sinne des Wortes zerbricht und sie erkennt, dass einige ihrer Fantasien mehr als bloße Hirngespinste sind. In der magischen Welt Elvastron, dem Zentrum des Weltengefüges, gerät sie zwischen die Fronten eines seit unzähligen Äonen tobenden und alles vernichtenden Krieges zwischen den Völkern der Alben und Elfen und muss dabei nicht nur um ihr eigenes Überleben kämpfen, sondern auch um die Existenz aller Welten. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge, und in Elvastrons düsterer Vergangenheit schlummern die Überreste einer verlorenen Zivilisation, mit deren Untergang der Krieg einst begann - und deren letzte und erste Nachfolgerin Sina ist, deren Name nun Shimounah - die Lichtlilie - lautet.

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Für jene, deren Welt nun in Scherben liegt. Niemand kann euch zurückgeben, was ihr verloren habt, doch ihr könnt die Scherben zu etwas Neuem zusammensetzen, für das es sich zu kämpfen lohnt.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Erster Teil: Dunkelheit

Elvastrons Wunden

Erwachen

Im Reich der Alben

Schatten der Zukunft

Ein erster Schritt

Wissen und Legende

Zerbrich mich

Gefesselt

Zweiter Teil: Albtraum

Zeitlos

Ins Ungewisse

Des Jägers Beute

Auf leisen Sohlen

Gnadenlose Wildnis

Dunkle Nacht

Am Tor zur Hölle

Dritter Teil: Schattenspiel

Im Namen der Götter

Das Zittern in der Luft

Geisterstimmen

Ungewissheiten

Unverhofft

Der Geist in der Nacht

Seelenblick

Nebeljagd

Spiel um Leben und Tod

Aufbruch

Vierter Teil: Nebelschleier

Vergessene Zeiten

Zwei Ansichten

Sterne, Mond und Knochen

Verzweigtes Blut

Gemeinsam getrennt

Stille Schatten

Ein Fall für einen Ork

Sturm am Horizont

Schlacht um Klagenfeld

Zorn und Rache

Schließe den Kreis

Unsichtbare Vorboten

Fünfter Teil: Zwielicht

Erkenntnisse

Sand und Asche

Die Stadt der Drachen

Spiel der Dämonen

Straßenfalle

Über den Ozean

Gebirgsabenteuer

Schattensuche

Elben macht man nicht wütend

Epilog

Anhang: Namen und ihre Aussprache

Prolog

Rithymna kam nicht allein. In ihren Armen hielt sie vorsichtig ein in seidene Tücher gewickeltes Bündel, das perfekt in ihre Armmulden zu passen schien. In ihren eisblauen Augen schimmerten gleichsam Freude, tiefe Traurigkeit – und namenlose Angst. Sie wusste, dass sie für ihre Taten würde bezahlen müssen, und doch hatte sie den Mut gefunden, diesen einen letzten Schritt zu tun.

Sie bereute es aber nicht. Sie würde selbst ihr Leben geben.

Er hatte sie bereits erwartet, verborgen in den Nebeln, die durch diesen vergessenen Ort jenseits von Raum und Zeit trieben. Manchmal bildeten sie merkwürdige Konturen, Zerrbilder anderer Welten und Zeiten. Dann wieder reckten sie sich nach ihm, als wollten sie ihn greifen, ihn fortlocken, tiefer hinein in die Dunkelheit, die aus einer seltsamen Gegebenheit dennoch mit Licht gefüllt war. Es schien von überall und nirgends zu kommen und brachte seine goldenen Augen zum Leuchten. Nun trat er auf sie zu und in ihren Augen flammte zusammen mit ihrer Liebe alle Verzweiflung auf, die damit verbunden war.

Denn ihre Völker waren von verdorbenen unsterblichen Mächten zu ewiger Feindschaft verdammt, und alles, was vielleicht einmal davor gewesen sein mochte, war verloren in den Nebeln der Zeit und den Stoffen der Legenden.

Ihre Verzweiflung wurde seine eigene, als er die Schrecken auf ihrem Gesicht las. Ohne zu zögern schloss er seine einzige wahre Geliebte in die Arme, in seiner Brust tobten das Verlangen, sie für immer zu beschützen, und das nagende Wissen, dass ihm dies nicht möglich war. Auch wenn dieser geheimnisvolle Schleier die vielleicht einzige Ebene war, in der SIE sie nicht berühren konnten, so war es ihnen doch nicht möglich zu bleiben, wollten sie nicht in der endlosen Leere zwischen den Welten verloren gehen.

„Weißt du noch“, murmelte sie, ihre Stimme bebte, „als du mich nach dem Schicksal gefragt hast?“

Für sie lag es schon einige Zeit zurück, doch für ihn nicht länger als einen Wimpernschlag. Die Erinnerung war glasklar.

„Du hast mich verspottet. Du hast mich gefragt, wie es etwas geben kann, das alles vorherbestimmt. Ich konnte dir diese Frage nicht beantworten… Kann es jetzt nicht einmal.“

„Ich glaube, manche Antworten sind dazu da, niemals gegeben zu sein. Du hattest Recht – es gibt Mächte, die so unermesslich sind, dass wir sie mit unserem sterblichen Verstand niemals werden begreifen können. Nicht einmal, wenn wir eine Ewigkeit leben. Das Schicksal gehört wohl dazu.“

Sie löste sich von ihm, auch wenn sie es sichtlich widerwillig tat. Dabei hielt sie das Bündel fest umschlungen.

„Ich glaube“, fuhr sie fort, „dass es vielleicht wirklich das Schicksal war, das uns zusammenführte, so lächerlich das auch aus dem Mund einer Elfe klingen mag. Sie verbinden uns auf eine Art, die ich niemals für möglich gehalten hätte. Vielleicht haben jene vergessenen Mächte einzig und allein hierauf hingearbeitet. Es treibt mich in den Wahnsinn zu wissen, dass…“, sie schluckte, „dass unsere Tochter in Zukunft niemals eine wirkliche Wahl haben wird, ihren Weg selbst zu wählen, denn die Götter – zumindest die meines Volkes – wollen sie vernichtet sehen. Mir gelang gerade eben die Flucht…“

Die Worte waren Paukenschläge. Es war nicht allein die Tatsache, dass er unverhofft erneut Vater geworden war, noch dazu von einem Kind, dessen Einzigartigkeit es ihm niemals möglich machen würde, wie alle anderen Kinder aufzuwachsen. Er hatte die Schrecken nicht gänzlich benennen können, bis jetzt. Nun konnte er in ihrem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch, ihre Angst traf ihn mit der Wucht einer gewaltigen Flutwelle.

Aber er las auch ihre Hoffnung, von der er sich nicht sicher war, ob er sie wirklich würde erfüllen können.

„Bitte zeig mir unsere Kleine“, flüsterte er.

Er nahm das Bündel von ihr entgegen, als sie es ihm wortlos hinhielt, und hielt unwillkürlich den Atem an, als er auf das winzige Neugeborene hinabsah, so zart und zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe, das ovale Gesicht mit der kleinen Nase umrahmt von silbernen Strähnchen. Erneut überkam ihn der Beschützerinstinkt, diesmal mit einer schmerzenden Heftigkeit, die ihn alles zerfetzen lassen wollte, was seiner kleinen Tochter auch nur zu nahe kam.

„Du musst sie beschützen. Bitte…“

Rithymnas zutiefst verzweifelter Blick war ein schmerzhafter Speer. Doch er konnte ihn ihr nicht abnehmen.

„Nein“, flüsterte er. Ihre Hände zitterten, als sie sich an ihm festklammerte. Er hielt seine Tochter nur noch mit einem Arm fest, mit der freien Hand umfing er ihre Wange, über die bereits schimmernde Tränen rannen.

„Ich kann sie nicht in meiner Nähe beschützen. Wenn ER mich mit IHRER Hilfe wieder überwältigt, wird es zu spät sein. Sie ist in Elvastron nicht sicher. Jedenfalls nicht jetzt, nicht, solange sie ein hilfloses Kind ist.“

Eine Idee hatte in seinem Kopf angefangen, Gestalt anzunehmen, zunächst genauso unstet wie der Nebel, doch sie kristallisierte sich rasch heraus.

Es war eine sehr, sehr lange Zeit her, dass ihm einmal jemand diese Worte gesagt hatte, doch in diesem Falle … waren sie doch wahr. Manchmal ist die Kälte der Distanz ein besserer Schutz als die Wärme der Nähe. Er konnte sich nicht mehr an die Frau erinnern, die diese Worte in sein Ohr geflüstert hatte, mit einer Eindringlichkeit, die die vielen langen Zyklen überdauerte, auch wenn ihr Gesicht und ihr Name längst verblasst waren.

Er sah seine Geliebte fest an. „Es gibt eine Möglichkeit, sie anderweitig zu verbergen, aber sie wird dir wahrscheinlich nicht gefallen. Ich könnte ihr zumindest zeitweilig eine andere Gestalt verleihen, ihr den Körper eines Volkes geben, das dem unseren so ähnlich wie möglich ist. Es würde bedeuten, dass sie als eine völlig Andere aufwachsen wird, bis ich sie eines Tages aufsuchen werde. Bis dahin werde ich wohl oder übel über ihre Sicherheit verhandeln müssen, und ich weiß jetzt bereits, dass eine sofortige Umerziehung Teil dieses Kompromisses sein wird.“ Gerade das gefiel ihm am wenigsten.

„Du hoffst aber darauf, dass ihr Alter sie vorher misstrauisch genug machen wird, sodass sie dafür unempfänglich ist“, führte sie seinen Gedankengang zu Ende. Es gefiel ihr tatsächlich nicht, doch in ihrem Blick spiegelte sich harte Objektivität. Sie sah die Chance und sie würde sie nutzen. „Welches Volk in welcher Welt hast du dabei im Sinn?“

„Die Menschen auf der Erde“, erklärte er. „Sie gehören zu den jüngsten Völkern, doch nach allem, was ich weiß, sind sie willensstark und viele Gesellschaftsstrukturen weisen Ähnlichkeiten zu den unseren auf. Der einzige große Unterschied ist ihre Lebensspanne im Vergleich zu unserer, aber ich habe nicht vor, sie gänzlich auszuschöpfen.“

Ihr Blick verirrte sich im Nebel. „Ich war einmal dort“, erinnerte sie sich. „Sie sind ein unstetes Volk, deren Gesichter sich so schnell wandeln wie kaum andere. Sie sind schwach, aber viele. Ein einzelner fällt in ihrer Masse nicht auf.“ Sie ergriff seine Hand und drückte sie an die Lippen, dann beugte sie sich vor und hauchte ihrer Tochter einen langen Kuss auf die Stirn.

„Du sollst ihren Namen wissen“, flüsterte sie. „Er lautet Shimounah – hergeleitet von der Shí’monua.“

„Ich dachte, du glaubst nicht an die Legende?“

Sie lachte leise. „Weißt du es noch immer nicht? Du hast mein ganzes Weltbild erschüttert, von dem Moment an, als du mich auf dem Schlachtfeld vor IHM bewahrt hast. Mit ihr ist bereits eine uralte Legende wieder auferstanden. Warum sollten nicht noch mehr Legenden der Wahrheit entsprechen? Einen Ansatz gibt es, das kann niemand bestreiten, der sich mit seltenen und außergewöhnlichen Pflanzen beschäftigt.“

Als sie erneut seinen Blick suchte, war der ihre hart wie Diamant.

„Lass mich dir helfen, einen Platz für sie zu finden. Gemeinsam sollten wir dazu imstande sein, etwas zu bewirken, das seit der Grauen Zeit vielleicht nicht mehr bewirkt wurde. Außerdem … gibt es etwas, das ich ihr noch geben möchte.“

Seit der Grauen Zeit… Vielleicht mochte es närrisch sein, aber da war sie, die letzte Hoffnung. Auch wenn alles in ihnen beiden dagegen rebellierte, ihre nur wenige Teile alte Tochter schon jetzt eine beinahe unumstößliche Zukunft beschert zu haben bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese seit unzähligen Äonen tobende Schlacht endgültig entschieden war. Sie wussten, es gab zwar Schlachten, die in einem Unentschieden enden konnten. Doch das galt nicht für diese.

Sie ergriffen einander die Hände. Die acht Energien, aus denen die Welten im Kern bestanden, wirbelten um sie herum in einem Einklang, der seit Beginn der Schlacht zerstört worden war, und nun brachte er das Fundament zum Beben, als das mächtige Gefüge sich um ein winziges Bisschen verschob, um Platz zu schaffen für ein kleines Mädchen.

Elvàstrôniá ni’ráî protakár uyek dai. [Elvastron wird über dich wachen.]

***

Erster Teil: Dunkelheit

Und die Götter erhoben sich, strahlend, herrlich über Elvastrons verwüstete Lande, die rot waren von dem Blute der erschlagenen Dämonen und Bestien des Chaos. Als sie das Land wiederherstellten, erkannten sie, dass es einen fundamentalen Irrtum gab: Es konnte nur ein Quatrium der Elemente herrschen, nur ein Volk, das sich ihrer bemächtigen konnte. Und so begannen die Zeitalter der Konflikte, aus denen nur der Stärkste eines Tages würde hervorgehen können und die unzählige Äonen lang das Gefüge der Welten erschütterten.

~ Aus den Ältesten Schriften: Der Aufstieg der Götter

*** *** ***

Elvastrons Wunden

„Sina, du träumst schon wieder.“

Mein Kopf schoss ruckartig herum und ich schnauzte ein schroffes „Nein!“, was nur dazu führte, dass mein gesamter Englischkurs sich vor Lachen bog. Entnervt verdrehte ich die Augen und widmete mich mit gespieltem Feuereifer meiner Schreibaufgabe, die da lautete: „Analysieren und interpretieren Sie Parris‘ Situation und seine Reaktionen darauf“. Aktuelles Thema im Englischkurs: The Crucible von Arthur Miller. Irgendwas mit Hexenjagden irgendwo in Amerika. Na ja, immer noch interessanter als Romeo und Julia.

Mein Name ist Sina Esche, bin achtzehn Jahre alt und wohne in einem x-beliebigem Kaff irgendwo in Norddeutschland. Kannst dir was aussuchen. Von meinem Leben hab ich grundsätzlich keinen Plan, außer, dass meine Fantasie übermäßig aktiv ist und ich mit dem Gedanken spielte, Autorin zu werden. Wobei ich mich fragte, ob ich dafür überhaupt das Abitur brauchte. Die Leute in meinem Umfeld behaupten immer mal gerne wieder, ich sei nicht normal. Woraufhin ich meistens antworte: „Definieren Sie bitte normal“. Doch im Grunde weiß ich ganz genau, was die meinen.

Erstens, ich bin ein totaler Außenseiter. Nicht einfach bloß, weil ich kaum Freunde habe und gerne allein bin mit mir und meinen Gedanken, sondern auch, weil ich mich selbst als solchen sehe. Aber hey, wer kann schon von sich behaupten, merkwürdige Visionen und anderen Scheiß zu haben, wodurch man hin und wieder die Zukunft sieht oder komplett andere Welten und Orte. Du wahrscheinlich nicht, oder? Wahrscheinlich denkst du dir schon, ich habe einen an der Klatsche, und vermutlich habe ich das auch. Wobei in meinem Herzen weiß ich einfach, dass ich nicht „normal“ bin, wie die Leute es formulieren.

Zweitens, eben dieses Herz spürte, dass sich irgendetwas anbahnte, und genau das war der Grund, weshalb meine Aufmerksamkeit bezüglich des Unterrichts gleich null war. Das hatte schon vor einigen Tagen angefangen, doch heute hatte es einen neuen Höhepunkt erreicht. Der eiskalt rationale Teil in mir fauchte mich ständig an, ich wäre paranoid, doch ich konnte nicht umhin, dass mich vermeintliche Schatten am Rande meines Blickfeldes ablenkten, Schatten, die denen riesiger Risse glichen, die die Welt durchzogen. Und nun suchte ich ständig nach weiteren solcher Risse, wobei ich insgeheim tatsächlich hoffte, dass ich dank meiner überaktiven Fantasie einfach nur paranoid geworden war. Was im Grunde bedeutete, ich war reif für die Irrenanstalt. Von daher lautete meine beliebteste Maxime, einfach die Klappe zu halten. Erspart peinliche Situationen und komische Blicke. Das hieß, noch mehr komische Blicke.

Die Fahrt mit dem Fahrrad nach Hause – etwa eine halbe Stunde bis zum Nachbarort – nahm ich in gewohnt halber Aufmerksamkeit. Ich könnte die Strecke selbst bei völliger Dunkelheit radeln, so gut kannte ich sie, ich wusste sogar, wo sich welches Schlagloch befand, während andere sich immer noch bei der kleinsten Unaufmerksamkeit deswegen langlegten. Aber die Stadt hatte natürlich kein Geld übrig, um die Wege mal neu zu machen, nö. Dafür aber der anderen Schule im Ort mal eben einen neuen Sportplatz hinklatschen, dafür reicht das. Scheißwirtschaft. Vielleicht sollte ich in die Politik gehen. Wobei das auch wieder zu stressig wäre.

Ich radelte also nach Hause und ums Verrecken willen, ich konnte mir irgendwann nicht mehr vorstellen, dass diese Risse nur reine Einbildung waren. Denn als ich an der Fußgängerzone vorbeigekommen war, hatte ich im langsamen Vorbeifahren so manches Wort aufgeschnappt: „Ich könnte schwören, das sah aus wie ein riesiger Spalt mitten in der Luft, aber er war so schnell wieder weg, da habe ich nur wieder falsch geguckt…“

Meine Beunruhigung wuchs. Mein rationales Ich demonstrierte heftig gegen diese Befürchtungen, doch ich hatte zu oft Kurioses erlebt, um mein Bauchgefühl zu ignorieren. (Ich erinnerte mich an so manche Situation, wo ich genau wusste, dass da gleich ein verdammtes Auto um die Ecke kommen würde und mich als Deko auf die Straße geklatscht hätte, wäre ich nicht stehengeblieben. Ja, so geht’s da manchmal zu!) Etwas tief in mir flüsterte mir eine Warnung zu, doch es schien zu weit entfernt, um die Worte zu verstehen… Es klang wie „Elvastrons Wunden“.

Elvastron. Das ist eine Welt, die ich schon häufig in meinen Träumen sah. Die Träume selbst schienen keine Verbindung zueinander zu haben, außer der einen: Jedes Mal hatte ich das Gefühl, ich wäre wirklich daheim, an einem Ort, wo ich hingehörte. Natürlich hatte ich noch zusätzliche Vorstellungen zu dieser geheimnisvollen Welt entwickelt, häufig inspiriert durch andere Geschichten oder auch alte Mythen wie die Sagen von magischen Völkern, die tief verborgen in den Wäldern hausten. Elvastron war für mich eine Welt aus lauter Fantasmen geworden, in die ich mich immer wieder gerne flüchtete und mir vorstellte, eine Elfenkriegerin zu sein, die die spektakulärsten Abenteuer erlebte. Das war übrigens auch der Grund, weshalb ich ein Buch schreiben wollte.

Dass nun die Worte „Elvastrons Wunden“ durch meinen Geist hallten, beunruhigte mich zutiefst. Wenn ich mir vorstellte, dass meine geliebte Fantasiewelt in meinem Kopf irgendwie zu Bruch ging, wurde etwas in mir geweckt, das bis aufs Blut kämpfen wollte, um all das zu verteidigen, zur Not mit bloßen Zähnen und Klauen. Doch diese Vorstellung brachte auch eine Frage mit sich, die nicht von der Hand zu weisen war. Wenn Elvastron von etwas Wunden davontrug, was auch immer es war, wieso waren diese Wunden auch hier zu sehen? Gab es eine Verbindung, von der ich nichts ahnte, die ich mir nicht einmal vorzustellen wagte? Ich möchte an dieser Stelle dir ein wenig von Yggdrasil erzählen. Wie, das sagt dir nichts? Dann guck mal Thor. Netter Film, ist von den Marvel Studios, ne, weißte schon, die, die die Comics auch rausgebracht haben, so auch mit Superman und Batman (ah nee, die waren ja von DC Comics) und Spiderman und den X-Men und noch jede Menge anderer Männer. Spaß beiseite, ursprünglich kommt der Yggdrasil aus der nordischen Mythologie und wird auch der Weltenbaum genannt, der die neun Welten miteinander verbindet, unter anderem Asgard und die Erde. Angenommen, eine dieser Welten würde vernichtet werden, hätte das Folgen für alle Welten. Meine Überlegung war also, dass es so etwas wie Yggdrasil vielleicht wirklich gab und Elvastron war ein wichtiger Teil davon. Und eben dieser Teil schwebte in großer Gefahr.

Ich achtete peinlich genau darauf, dass niemand von diesen Überlegungen erfuhr. Etwas in mir gebot mir zu schweigen, es als ein Geheimnis zu hüten, das niemals ans Licht kommen sollte (zumal man mich dafür garantiert in die Irrenanstalt stecken würde). Das hinderte mich jedoch nicht daran, meine Gedanken in irgendeiner Form aufzuschreiben, und dafür hatte ich mir die schönsten Notizbücher rausgesucht, die ich in irgendeiner Form finden konnte (ich mag Ledereinbände und gelbes Papier in Kombination, das ist so schön altmodisch). Und um die Sache mit einem nicht knackbaren Schloss zu verriegeln, schrieb ich alles in einer selbst erdachten Sprache. Ich nannte sie das Ni’sînskh; in meiner Vorstellung war das die Sprache, die in Elvastron gesprochen wurde. Grammatik, Schriftsystem und was eben so alles dazugehört, hatte ich mir in monatelanger Arbeit erdacht, wobei ich manchmal das seltsame Gefühl hatte, dass eine alte, lange vergessene Erinnerung wieder an die Oberfläche kam. Die Worte kamen mir einfach instinktiv über die Lippen und ich schrieb sie auf, meine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen. Es gab vieles, von dem bekannt war, dass ich es hütete wie meinen Augapfel – dazu gehörte meine stolze Sammlung von Büchern, die fast schon reif für eine Bibliothek waren –, doch diese Notizbücher waren meine größten Schätze und ich mochte es überhaupt nicht sehen, wenn jemand ungefragt darin herumblätterte. Obwohl er natürlich kein Wort lesen konnte, aber das war mir in dem Moment völlig latte. Nicht einmal meine Eltern ließ ich da ran.

Die trieb ich ja damit gerne mal in den Wahnsinn und an den Rand der Verzweiflung. Die beiden versuchten ständig, mich in irgendeiner Form in die Welt hinaus zu locken – „Komm schon, such dir ein paar neue Freunde…“ oder „Schau doch mal, was deine Klassenkameraden so machen“ waren da noch das Meistgehörte –, obwohl ich schon was weiß ich wie oft immer wieder betont hatte, dass es mich schlichtweg nicht interessierte, was wildfremde Menschen machten. Ey komm, wie würde das zudem klingen, wenn ich irgendwen mitten auf der Straße anquatsche, „Hallo, ich bin Sina, und wer bist du und was machst du grade?“. Bescheuert, oder? Meine Klassenkameraden waren mir ebenfalls scheißegal, einfach deswegen, da diese Weiber Klamotten shoppen gingen. Ich shoppte Bücher und Games, was die natürlich überhaupt nicht nachvollziehen konnten. Das führte auch meistens dazu, dass Mom kopfschüttelnd mein Zimmer verlässt und vor sich hin murmelt: „Du bist nicht mein Kind.“

Jedes Mal denke ich mir darauf insgeheim: „Laï dainyë saiye’rë – Wenn du wüsstest“, auf Ni’sînskh. Denn in meinen Träumen sah ich nicht nur atemberaubende Landschaften, die ich mir nie hätte ausdenken können, sondern auch Personen, die unter anderem zu meiner Vorstellung als Elfenkriegerin führten. Und das waren Elfen und ähnliche Wesen. Eine von ihnen sah ich immer wieder, eine hochgewachsene Frau mit hüftlangem weißgoldenem Haar und eisblauen Augen. So, jetzt kommt der Hammer: Jedes Mal, wenn ich sie in meinen Träumen sehe, will ich laut „Mama!“ rufen und auf sie zu rennen, doch nie kann ich sie erreichen. Eine unüberwindbare Distanz scheint zwischen uns zu stehen. Es mag ja vollkommen durchgeknallt sein, doch ich fühle mich zu dieser mysteriösen Frau hingezogen. Falls ich auch einen „Vater“ habe, so habe ich ihn jedoch nie gesehen… Was mich ein wenig wunderte. Hatte mich aber nie darin gehindert, ihn mir bildlich vorzustellen, und dann kam immer das Bild eines düsteren Elfenmannes mit ebenfalls langem Haar, doch es war schwarz wie Obsidian. Manchmal war ich mir wegen dieses Bildes ein wenig unsicher, doch irgendein anderes wollte partout nicht passen.

In meiner Besessenheit suchte ich natürlich häufig nach irgendwelchen Äußerlichkeiten, die mit denen meiner „Eltern“ im Traume übereinstimmten (Ich weiß, dass ich durchgeknallt bin!), doch logischerweise fand ich keine. Ich war leicht dick, ein Sportmuffel, hatte dickes straßenköterblondes Haar, wie Mom das nannte, und wässrig blaue Augen. Also nichts sonderlich Auffallendes. Und spitze Ohren hatte ich schon lange nicht, aber dafür eine Nerdbrille. Manche behaupteten, ohne sei ich total hübsch, aber ich weigerte mich partout, auf Kontaktlinsen umzusteigen. Ich konnte allein die Vorstellung schon nicht ab, dass sich da ein Fremdkörper in meinem Auge befand. Außerdem bot die Brille den Vorteil, dass sie die ewigen Augenringe kaschierte. Nun, Hausaufgaben wollen gemacht werden, trotz Schlafmangel. Seufz.

Doch nun war ich zu aufgekratzt, um mich länger als zehn Minuten lang auf irgendetwas zu konzentrieren, zumal ich geistig schon wieder völlig platt war. Was macht also ein Teenager, der nichts Besseres zu tun hat? Musik hören und Facebook durchchecken. Ich liebte Lindsey Stirling. Auf jeden Fall half mir Musik grundsätzlich dabei, meine Gedanken einfach mal zur Ruhe kommen zu lassen, und das hatte ich auch bitter nötig. Es war so… beruhigend…

Die Musik verstummte abrupt. Genervt sah ich auf. Hatte sich die CD etwa wieder aufgehängt? Doch dann flackerte auch die Schreibtischlampe und erlosch, der Fernseher im Wohnzimmer verstummte und es wurden dumpfe Beschwerden meiner Eltern laut. Na toll, Stromausfall… Missmutig starrte ich auf die tote Technik, als draußen plötzlich ein Donnerschlag zu hören war, der ohrenbetäubend durch mein Zimmer rollte und die Fensterscheiben klirren ließ. Ich ließ das Handy fallen und presste mir die Hände auf die Ohren, was leider nicht ziemlich viel brachte.

Die nachfolgende Stille war erdrückend, selbst als die überraschten und beunruhigten Stimmen meiner Eltern zu hören waren. Mein Herz schlug schwer in meiner Brust. Etwas war passiert, etwas Furchtbares. Die Neugierde in mir drängte mich dazu, ans Fenster zu gehen und nach draußen zu schauen, doch da war auch eine namenlose Angst vor dem, was ich womöglich zu sehen bekam.

Elvastrons Wunden. Es hatte mit ihnen zu tun, das spürte ich.

Trotzdem musste ich es wissen. Langsam, fast wie ferngesteuert stand ich auf. Der erste Blick aus dem Fenster schien völlig normal zu sein. Ich sah den Vorgarten, den Hof, dahinter das Tor und die Bäume auf der anderen Straßenseite. Der Himmel war leicht bewölkt und die Sonne neigte sich schon dem Horizont entgegen. Doch ich wäre nicht ich, würde ich nicht zweimal hinsehen, und das zweite Mal blickte ich immer genauer hin.

Mir blieb beinahe das Herz stehen.

Kaum sichtbare Risse verzerrten das Bild, das sich mir bot. Es war, als sähe man die haarfeinen Risse in einer Glasscheibe, nur hingen diese mitten in der Luft und durchzogen sogar die Materie. Ich beschirmte meine weit aufgerissenen Augen mit der Hand und trat so dicht ans Fenster, dass meine Nasenspitze das Glas berührte. Und als sich mein Blickwinkel um diese paar Zentimeter verschob, sah ich es. Das namenlose Grauen, die Befürchtung, die mir den ganzen Tag über eine Heidenangst eingejagt hatte, war nun so deutlich sichtbar, dass es einfach keine Einbildung oder Sinnestäuschung sein konnte. Es war ein gigantischer Riss, der den blauen Himmel mit den weißen, spätsommerlichen Wattewolken zerteilte, eine schwarze, gezackte Linie, hinter der nichts zu sein schien, außer… nun ja, da war Nichts. Eine unendliche Leere, wie die Leere zwischen den Welten.

Elvastrons Wunden.

Ich taumelte zurück, weg vom Fenster und riss die Gardinen davor zu. Meine Gedanken überschlugen sich. Wie konnte das passieren? Was würde noch passieren? Ging jetzt etwa die Welt unter?! Oh mein Gott oh mein Gott OH MEIN GOTT! Hysterisch kreischend verkroch ich mich unter meiner Bettdecke, zwar wohlwissend, dass das gegen einen überdimensionalen Riss im Himmel überhaupt nichts brachte, zumal ich auch noch flüchtig gesehen hatte, dass er sich erweiterte und über den Himmel kroch, geschweige denn gegen einen Weltuntergang, aber irgendwie war ich da doch ein bisschen das kleine Mädchen, das Nachts Angst vor den Monstern unterm Bett hatte und sich zum Schutz unter der Bettdecke versteckte. Alles in mir schrie, wollte fliehen, wollte diesen Riss nicht wahrhaben – bis auf ein winziger Teil ganz tief in mir, der der Sache auf den Grund gehen wollte. Doch meine Panik vertrieb diesen kleinen Teil und ich rollte mich winzig klein zusammen, in der stillen Hoffnung, dass alles nur ein Albtraum war, aus dem ich irgendwann aufwachen würde.

Es war kein Albtraum. Papa trat beinahe meine Zimmertür ein, als er hereinkam, er wirkte genauso wie ich mich fühlte, verängstigt, fassungslos, bereit zur Flucht.

„Komm, schnell“, grunzte er und zog mich ohne weitere Erklärung vom Bett hinunter und auf den Flur hinaus.

„Wohin willst du?“, quiekte ich am Rande der Hysterie.

„Weg von hier“, sagte er nur knapp und schob mich aus der Haustür. Ich versuchte krampfhaft nicht zum Himmel aufzusehen und nach Möglichkeit auch die Haarrisse zu ignorieren, was nicht so leicht war. Einige hingen so dicht über dem Boden, dass ich mich unter sie hindurchducken oder drüber wegsteigen musste. Ich wollte lieber nicht testen, was bei einer Berührung passierte.

Papa fuhr das Auto aus dem Carport, in dem bereits meine vollkommen hysterisch kreischende Mom saß. Hoffentlich hört das irgendwann auf, flehte ich, als ich mich auf die Rückbank unseres Renault setzte und Papa die Reifen durchdrehen ließ, sodass der Wagen mit lautem Quietschen auf die Straße bretterte, auf der ebenfalls schon die Hölle los war. Wer auch immer den Riss am Himmel bemerkt hatte, wollte einfach nur fort von ihm, ohne Rücksicht auf Verluste.

Der kleine verborgene Teil in mir wusste, dass es nichts bringen würde. Elvastrons Wunden würden überall sein.

***

Ums Verrecken willen, ich hasste es wenn ich Recht hatte. Immer wieder donnerte es und weitere Risse erschienen ohne Vorwarnung. Dabei breitete es sich kontinuierlich von einem Punkt über die Welt aus, sodass jeder davor floh, in der Hoffnung, dass es irgendwo noch eine Stelle gab, an der die Risse nicht auftauchen würden. Papa fuhr immer weiter, über verstopfte Autobahnen, durch verstopfte Städte, er schiss regelrecht auf die Verkehrsregeln – aber wenn eine Massenpanik ausbrach, waren Verkehrsregeln offenbar ohnehin nichtig geworden – und bretterte Straßen lang, wo man normalerweise sofort den Führerschein verloren hätte. Mom war tatsächlich ruhiger geworden, doch wahrscheinlich nur, weil sie in Schockstarre gefallen war. Auch ich war wie betäubt und starrte nur hinab auf meine Hände. Manch anderer hätte meinen können, dass auch ich einfach nur geschockt war, doch in meinem Innersten brodelte es. Der kleine verborgene Teil in mir, der sich gern als Elfenkriegerin sah, hatte es tatsächlich geschafft, die Angst mehr oder weniger zu verdrängen, und stattdessen war eine wilde Entschlossenheit an ihre Stelle getreten, gepaart mit einer kalten Analytik, die mich sogar selbst beeindruckte. Keine Ahnung, woher ich diesen Scharfsinn auf einmal nahm. Die Risse waren Risse im Raumgefüge selbst, so erklärte ich es mir. Was auch immer sie ausgelöst hatte, es musste etwas Fundamentales sein, das stark genug war, alle existierenden Ebenen zu erreichen, noch dazu von einem Punkt aus, von wo aus man alle erreichen konnte. Und wenn es sich dabei tatsächlich um wortwörtlich Elvastrons Wunden handelte, dann musste der Ursprung dieses Chaos in Elvastron liegen, da führte keine Logik dran vorbei.

Problem: Außer mir besaß niemand diese Logik, da außer mir die Zusammenhänge sonst niemand so sah. Vielleicht war ich aber wirklich einfach nur völlig durchgeknallt.

Es war längst Nacht geworden, eine mondlose Nacht. Die Wolken zogen sich zu und verdeckten die Sterne, jedoch nicht die Risse, die immer wieder aufblitzten. Mehrmals wären wir beinahe in einen solchen Riss hineingefahren, hätte ich nicht im letzten Augenblick die drohende Gefahr erkannt und „Stopp!“ geschrien. Nach dem fünften oder sechsten Mal hielt Papa es nicht mehr länger aus.

„Woher weißt du, wo diese … diese Risse sind?!“, fragte er schroff. Ich zuckte zusammen. Verdammte Axt, wie sollte ich darauf jetzt antworten, ohne dass es total bekloppt klang?

„Mir ist aufgefallen, dass die Luft in der Nähe der Risse eigenartig flimmert“, plapperte ich drauf los und erkannte eine Sekunde später, dass das sogar stimmte. Boah, da hatte ich mir echt selbst den Arsch gerettet. Papa schien das überhaupt nicht zu beeindrucken.

„Flimmern, ich seh kein Flimmern“, brummelte er verdrossen. „Außerdem, warum hattest du dich so komisch geduckt bevor wir losgefahren sind?“

Mir klappte die Kinnlade runter. „Du hast die Haarrisse nicht gesehen?“, fragte ich verblüfft. „Also… Die kleinen Risse, die sieht man ganz schlecht—“

„Welche Risse… Willst du etwa damit sagen, da waren noch welche und ich bin da durchgelaufen? Warum hast du nichts gesagt?!“, bellte er und das Herz rutschte mir in die Kniekehlen.

„Weil ich dachte, du siehst die auch“, winselte ich kläglich. „Sie sind überall… Keine Ahnung, durch wie viele wir inzwischen gefahren sein mögen, doch sie scheinen keinen Schaden zu machen. Noch nicht… Und warum kann nur ich die sehen?“

„Ja, das wüsste ich auch gerne“, knurrte er ungehalten und starrte finster auf die dunkle Waldstraße vor uns. Ich blieb stumm. Nicht etwa, weil ich keine Ahnung hatte, sondern eben weil ich Ahnung hatte. Doch ich wusste nicht, wie ich das zwei völlig verängstigten Menschen erzählen sollte, also blieb mir nichts anderes übrig als zu schweigen.

Nie hatte ich mir so sehr gewünscht, mein Schweigen brechen zu können wie jetzt…

Die Straße setzte sich endlos fort. In einem surrealen Gefühl dachte ich allmählich, wir würden seltsamerweise im Kreis fahren. In der Dunkelheit sah alles gleich aus und sogar die Risse schienen immer wieder in gleichen Abständen aufzutauchen. Und dann begann auch noch das Navi im Armaturenbrett rum zu spacken und schien uns immer wieder an einen bestimmten Punkt zurückzusetzen. Als ich das bemerkte, bekam ich eine Gänsehaut.

„Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu!“, schnauzte Papa plötzlich und trat auf die Bremse. Der Wagen blieb mitten auf der Straße stehen, vollkommen einsam. Papa schaltete in den Leerlauf und stieg aus. „Ihr bleibt hier drin.“

Ich wollte ihm noch sagen, dass der Tank bald leer war, da knallte er auch schon die Tür zu. Mom und ich sahen, wie er sich vor das Auto stellte und die Scheinwerfer seinen langen Schatten auf den Asphalt warfen.

„Hoffentlich ist da draußen nichts“, wimmerte Mom, kreidebleich im Gesicht. Mir wurde immer kälter.

„Weißt du, was in Horrorfilmen passiert, wenn jemand sagt, Hoffentlich ist da draußen nichts?“, murmelte ich tonlos. „Dann ist da immer etwas.“

Super, du kannst auch wunderbar die Laune heben, echt klasse…

Dann sah ich den Schatten aus dem Augenwinkel. Mein Kopf fuhr so schnell herum, dass es in meinem Hals knackte, und ich starrte hinaus in die Dunkelheit, ehe ich die Tür einen Spalt breit öffnete.

„Papa, steig ein, schnell!“

Mein leicht panischer Tonfall ließ ihn nicht zögern. Doch in dem Augenblick, als er die Fahrertür aufriss, landete etwas mit einem dumpfen Knall auf dem Autodach. Papa brüllte auf, zuckte zurück – ein zweiter Schatten kam von hinten und hieb ihm über den Kopf, sodass er zu Boden ging und regungslos liegen blieb. In diesem Moment erstarb der Motor und die Nacht senkte sich über die Straße. Mom schrie.

Purpurne Lichter erglühten in der Finsternis, sie glichen Leuchtkugeln, die über den klauenartigen Händen der Schatten schwebten. Nein, keine Klauen, sondern Rüstungen. Glänzende dunkle Rüstungen, die Handschuhe waren lediglich mit Metallplättchen versehen, die die Finger wie Klauen aussehen ließen. Immer mehr Lichter glommen auf, bis es schließlich etwa ein Dutzend Schatten waren, die das Auto umringten. Ich strengte meine Augen an und suchte nach Gesichtern, doch ich sah nur die Visiere von Helmen, die kunstvoll mit Hörnern und Dornen verziert waren, gleichfalls schön, gefährlich und fremd.

Völlig synchron öffneten die Schatten die Autotüren. Mom kreischte und begann wild um sich zu schlagen, als man sie auf die Straße zerrte. Ich stieß einen Protestlaut aus und wollte zu ihr, wurde dann jedoch zurückgehalten. Der Schatten, der sie wie eine Puppe aus dem Wagen gezogen hatte, hob die freie Hand – und Mom erstarrte, die Augen starr und weit aufgerissen. Ich meinte einige geflüsterte Worte zu vernehmen, gesprochen in einer anderen Sprache, fremd und doch merkwürdig vertraut.

Konnte das sein…?

Mom sackte in sich zusammen und blieb nun ebenfalls reglos auf dem nackten Asphalt liegen. Die geballte Aufmerksamkeit der mysteriösen Fremdweltler ruhte nun auf mir.

„S…sôn ni dainyë’î…?“, würgte ich hervor. Ich hatte völlig intuitiv auf Ni’sînskh gefragt. Wer seid ihr? Ein seltsamer Verdacht stieg in mir auf, doch ich wollte ihn bestätigt wissen, falls er tatsächlich stimmte…

Der Schatten, der Mom paralysiert hatte, drehte sich zu mir um, das purpurne Licht auf seiner Hand hielt er vor sich ausgestreckt. In dem Spalt in seinem Visier sah ich ein paar violette Augen glitzern.

„Es ist so, wie der König sagte“, murmelte er auf Ni’sînskh. Seine Stimme klang wie ein mit Samt umsponnenes Schwert, scheinbar weich, und doch gefährlich für denjenigen, der nicht aufpasste. Heilige Scheiße, ich verstand ihn problemlos. Plötzlich schien ein Hebel in meinem Kopf umgelegt worden zu sein, sodass sämtliche Wörter des Ni’sînskh auf einmal da waren, die Grammatik mit allen Feinheiten…

„Welcher König?“, fragte ich. Oh Gott, OH GOTT! Was geschah hier?! „U-und was sagte er?“

„Der Dunkle König, unser hochverehrter Herrscher“, antwortete er mit einer ausschweifenden Geste. „Er ahnte, dass Ihr trotz Eures bisherigen Lebens einen Anschluss an die unsere haben würdet. Wir sind die Alben, auch das Volk des Zwielichts genannt. Doch fürchtet Euch nicht, Prinzessin, denn der Dunkle König hat Euch unter seinen Schutz genommen.“

Die Kinnlade klappte mir runter. „Prinzessin?“, hauchte ich fassungslos.

Nein.

„Ihr seid niemand von denen aus dieser Welt“, verkündete der Mann aus einer fremden und doch nicht fremden Welt erbarmungslos. „In Euren Adern fließt albisches Blut, von mächtiger Magie unterdrückt und verwandelt in etwas, das Ihr eigentlich nicht seid. Doch nun, da wir Euch gefunden haben, kann unser Herrscher seine Tochter wieder in seine Arme schließen.“

Was—

Nein, hämmerte es in meinem Kopf, nein, nein, NEIN!!! Das konnte doch nicht…! Wo sollte das denn…!? OH MEIN VERFICKTER SCHEISS GOTT!!!

Meine durchgedrehten Gedanken kamen jäh zum Erliegen, als ein unheilvolles Donnergrollen zu hören war.

„Wir müssen uns beeilen“, sagte der … Alb hieß das, oder? – und zog mich ohne Umschweife aus dem Auto. Beinahe hätte ich mich langgelegt, so schnell wie der sich bewegte, konnte ich noch nicht mal gucken. Eine plötzliche Hektik machte sich unter den Schatten breit. „Verschwinden wir, schnell!“

Ein ohrenbetäubendes Krachen ertönte und die Welt wirbelte in schwarzen und dunkelblauen Schlieren um mich herum, als die Alben mich so schnell mit sich zogen, dass ich das Gefühl hatte, im Raumschiff Enterprise mit mindestens Warp fünf zu sitzen. Genauso abrupt wie das Wirbeln einsetzte, hörte es jedoch auch wieder auf, kaum eine Sekunde später. Benommen sah ich mich um, ein eisiger Windstoß ließ mich frösteln.

Das Auto, in dem ich bis eben noch gesessen hatte, war verschwunden. Stattdessen klaffte dort ein Riss im Raum, so breit, dass er alles vor mir auszufüllen schien und der gesamte Straßenabschnitt einfach weg war. Der eisige Windstoß kam aus dem endlosen schwarzen Nichts, das sich im Riss auftat, und noch immer sah ich Trümmerstücke hineintrudeln und für immer verschwinden. Und nicht nur das Auto und die Straße waren verschwunden…

„Mama, Papa!“, schrie ich und wehrte mich mit aller Macht gegen den stählernen Griff des Alben. Fort! Sie waren fort, verschwunden im Nichts, und niemand hatte etwas dagegen unternommen! „Lasst mich los!“, brüllte ich und versuchte nach dem Alben zu treten, zu schlagen oder ihn sonst anderweitig zu erwischen, doch er fing mit seiner freien Hand alles ab, als wäre es nichts. Das war nicht fair! Wut kochte in mir hoch, vermischte sich mit der grenzenlosen Trauer und dem blanken Entsetzen zu einer hochexplosiven Mischung, und ich schrie und schrie den Schmerz in die Nacht und ins Nichts hinaus, bis ich das Gefühl hatte, meine Stimmbänder würden reißen. Schließlich sackte ich kraftlos in mich zusammen.

„Ihr hättet nichts tun können“, sagte der Alb leise. „Früher oder später wären sie ohnehin ins Nichts gegangen, wenn auch diese Welt zerbricht. Es kann sich nur noch um wenige Teile handeln.“

Ein kleiner Teil fragte sich, was bitteschön mit Teilen gemeint war, doch es war mir im Moment völlig egal.

„Ihr hättet sie von dort wegziehen können, genau wie mich“, sagte ich rau. Der eisige Wind ließ die Tränen auf meinen Wangen gefrieren und verwandelte meine Wimpern in Eissplitter. Ich rieb mir übers Gesicht.

„Um ihr seelisches Leid noch weiter zu verlängern? Nein, manchmal ist es besser, wenn es schnell endet.“

Die Wut nahm noch weiter zu. „Ihr habt keinen Schimmer, was es heißt, jemanden zu verlieren, oder? Meine Familie… meine Heimat, alles bricht zusammen und ich weiß, dass ich nichts dagegen machen konnte, kann und können werde!“ Mit jedem Wort wurde ich lauter, mit jedem Wort wuchs der Schmerz in meinem Herzen noch weiter. Ich würde allein sein. Vollkommen allein… Und diese Typen sahen dabei tatenlos zu!

„Wir wissen besser als sonst jemand, wie es ist, Geliebte und Heimat zu verlieren, selbst wenn man weiß, man konnte etwas unternehmen“, fauchte der Alb. Ein Vibrieren von Macht erfüllte die Luft, und es kam von ihm. Ich glaubte, kleine Blitze flackern zu sehen, und begriff schlagartig, dass das nur Magie sein konnte. Dass selbst die wundersamen leuchtenden Kugeln von Magie geschaffen wurden.

Ich wich vor ihm zurück. Die violetten Augen blitzten wütend. „Das wisst Ihr natürlich nicht, Prinzessin, doch wir Elvastroniri – ganz gleich, welchem Volk wir angehören – leben eine sehr lange Zeit, und diese Zeit bietet viele Möglichkeiten, in denen man verliert, was man niemals verlieren will, in denen man mit seinem Schmerz vollkommen allein steht und man nichts lieber möchte, als ebenfalls ins Nichts überzugehen. Doch täten wir das, wo stünden wir alle heute? Wer würde dafür sorgen, dass überhaupt noch verhindert werden kann, dass noch weitere Welten dem Nichts zum Opfer fallen? Wer sonst könnte noch den Bestien des Ewigen Chaos entgegentreten? Wir Elvastroniri sind dazu geboren, bis in alle Ewigkeit zu kämpfen, denn geben wir unserem Schmerz nach, bliebe nichts. Also redet nicht von den Dingen, von denen Ihr noch lange nichts versteht, sondern akzeptiert den Schmerz und wachst an ihm!“

Nach diesem Ausbruch herrschte erdrückendes Schweigen. In mir tobte ein Kampf zwischen zwei Seiten; die eine wollte den Alben weiterhin die Schuld an allem aufdrücken, was heute geschehen war, doch die andere erkannte die Wahrheit in den Worten. Aber…

Oft hatte ich mir schon selbst gesagt, dass ich manchmal nicht mehr tun konnte, als das Schicksal zu akzeptieren, so grausam es auch war. Ich hatte so viele Bücher gelesen, in denen die Protagonisten ihre Liebsten verloren und darüber Tränen vergossen, dass ich glaubte zu wissen, was es hieß, jemanden zu verlieren, der mir nahestand. Hatte geglaubt, dass ich damit fertig werden könnte. Vergieße ein paar Tränen, sprich ein letztes Gebet für die entschwundene Seele, danach lebe weiter. Ich war so dumm, zu glauben, mein Herz wäre wie mein Verstand. Der heutige Tag hatte mich das gelehrt.

Ein Zittern schien durch die Welt zu laufen und in der Ferne meinte ich einen Klang wie zerbrechendes Glas zu hören.

„So leid es uns auch tut, wir müssen fort von hier.“ Der Alb klang noch immer leicht angespannt, was aber nun weniger mit meiner Trauer denn mit dem bevorstehenden Ende der Erde zu tun hatte. Gott, was würde ich noch alles verlieren, wenn nicht bloß Familie und Heimat? Zumindest die Familie, die ich kannte, die Heimat, die ich wirklich hatte. Es mochte ja sein, dass ich … eine andere Familie hatte. Eine andere Heimat. Doch all das war mir völlig fremd. Ich hatte keine Ahnung, ob ich mich dort so fühlen würde wie in meinen Träumen, und ehrlich gesagt glaubte ich nicht wirklich daran. Doch welche Wahl wurde mir gelassen?

Ich nahm den letzten Rest Kraft, den ich noch hatte und stand auf. Ganz kurz erwog ich, noch einen letzten Blick auf den Riss hinter mir zu werfen, entschied mich jedoch dagegen.

„Dann los“, murmelte ich tonlos. Ich spürte die Blicke der Alben auf mir ruhen, als ich in ihre Mitte trat, damit sie mich führten, wohin auch immer wir gehen mussten. Tief in meinem Inneren nahm ich Abschied von allem, was ich zurücklassen musste.

Und so seltsam und verstörend es war, es gab da diesen einen Teil von mir, der sich darauf freute, was die Zukunft bringen mochte. Erschrocken zwang ich ihn zurück in die dunkelsten Winkel meiner Seele. Nein, ich freute mich überhaupt nicht darüber. Es stand mir nicht zu.

Die Alben stellten sich in einem großen Halbkreis auf. Mit in der Dunkelheit purpurn glühenden Fingerspitzen zeichneten sie Schriftzeichen in die Luft, Runen des Ni’sînskh, die vom Weltengefüge erzählten, von Grenzen, die durchlässig wurden. Ein Netz feiner leuchtender Linien ging von jedem Schriftzeichen aus und verband alle miteinander, dann begannen sie hell zu leuchten. Es gab ein dumpfes Krachen und innerhalb des Halbkreises tat sich eine kreisrunde Öffnung auf. Die Ränder des Portals schimmerten und tausende Blitze zuckten um es herum und tauchten die Umgebung in ein unheimliches Licht. Im Inneren des Portals herrschte Dunkelheit, doch es war eine andere Dunkelheit als die des Nichts. Sie wogte und strudelte und ich spürte einen mächtigen Sog von ihr ausgehen. Ich unterdrückte den Drang, davor zurückzuweichen.

Nacheinander verschwanden die Alben in dem wirbelnden Strudel. Der Alb, der mich die ganze Zeit über festgehalten hatte, wandte sich an mich, bevor ich an der Reihe war.

„Wenn Ihr Elvastron erreicht, wird die Magie, die Euch menschliche Gestalt gab, verblassen. Der König ist sich nicht sicher, was genau dann geschehen wird, aber es ist besser, Ihr bereitet Euch darauf vor. Diese Wandlung könnte Euch in einen Zustand schweren Schocks versetzen.“

Wunderbar wie er es fertigbrachte, mir Mut zuzusprechen. Ich brachte ein leises Okay“ hervor, dann ergab ich mich meinem Schicksal. Die Tiefen des Portals erstreckten sich vor mir, ein hypnotischer Wirbel, anziehend und doch gleichzeitig unheilvoll. Ich fühlte mich an jenen Tag zurückversetzt, als ich das erste Mal vom Fünfer springen sollte, nur dass ich hier keine Ahnung hatte, was sich am Grund des Beckens befand. Ob ich überhaupt sicher unten ankommen—

Jemand stieß mich heftig in den Rücken. Ich ruderte wild mit den Armen, drauf und dran noch einmal loszuschreien, da wurde ich von dem dunklen Mahlstrom zwischen den Welten verschluckt. Haltlos raste ich durch die Dunkelheit, mein gellender Schrei verlor sich ungehört im Nirgendwo. Gleißende Blitze jagten durch den Strudel und ich schlug in panischer Angst die Hände vors Gesicht. Und plötzlich verstummte alles. Völlige Schwärze umgab mich und ich schien schwerelos in dieser Unendlichkeit zu schweben. Es gab nichts, kein Oben und Unten, keinen Anhaltspunkt. Nicht einmal ein Geräusch drang an meine Ohren. Ich war am Rande der kopflosen Panik, da gab es einen so grellen Lichtblitz, dass alles weiß wurde und ich hatte das Gefühl, dass ich wie aus einem Kanonenrohr irgendwo am Ende dieses Tunnels zwischen den Welten hinausgeschossen wurde. Mit einem dumpfen Schlag, der alle verbliebene Luft aus meinen Lungen drückte, landete ich auf einer harten Oberfläche, rollte ein paar Meter weiter und blieb schließlich völlig benebelt liegen.

Ich war in Elvastron.

***

Erwachen

Alles drehte sich in meinem Kopf, mein Herz raste wie eine Dampflok und überall tat mir alles von dem Aufschlag auf unbekanntem Boden weh. Stöhnend wälzte ich mich herum, bis ich auf dem Rücken lag und wartete, bis der Schwindel in meinem Kopf nachließ. Um mich herum hörte ich Stimmen, dumpf und wie von weit her, die sich nach meinem Befinden erkundigten.

„Moment, da trampelt noch ein Elefant über mein Gehirn“, nuschelte ich. Gelächter war zu hören. Unfassbar, dass ich noch in der Lage war, flache Witze zu reißen! Irgendwer legte mir je zwei Finger an die Schläfen. Die Fingerspitzen wurden warm und plötzlich legte sich der Schwindel. Ich schlug die Augen auf.

Äh, wo zum Geier war der Himmel? Oder waren das fremdartige Wolken, die wie riesige Felsformationen vom Himmel herabhingen?

Vorsichtig setzte ich mich auf, wobei die Alben respektvoll zurückwichen (seeeeehr strange). Das Portal hatte uns alle auf einem Felsplateau aus dunklem Stein ausgespuckt. Kleine Büschel eines kurzen rötlichen Grases wuchsen hier, dazu noch braunviolettes Moos. Ich sah erneut nach oben. Nö, das waren definitiv keine Wolken, sondern da hingen wirklich Felsen hinunter, wie riesige Tropfsteine. Leuchtende Kristalle ragten aus vielen Spalten hervor und ich erkannte ganze Wälder, die einfach auf dem Kopf wuchsen. Waren wir etwa in einer so riesigen Höhle gelandet, dass es die Ausmaße der Distanz zwischen Himmel und Erde annahm?! Ich sag mal so, das ist schlichtweg Hammer.

Mein Blick wanderte in die Ferne, auf der Suche nach den Höhlenwänden, falls ich die überhaupt sehen konnte, doch natürlich verlor sich alles in verschwommenem Nebel. Schemenhaft erkannte ich noch die gewaltigen Felssäulen, die wie Stalaktiten herabhingen. Um ihre Spitzen wogten düstere und zugleich seltsam schöne Wolken. Stellenweise drangen bläulich-weiße Lichtstrahlen von unten durch die Wolkendecke und ließen die dunklen Felsen in tausend Facetten glitzern. Ich rutschte näher an die Kante ran, um einen Blick nach unten zu werfen, um zu sehen, was unter den Wolken war. Die dichte Wolkendecke wogte beinahe wie das Meer, doch manchmal sah ich Lücken. Und hinter denen war … der Himmel?! Sah man durch die Lücken, so erkannte man einen veilchenvioletten Himmel, an dem eine blauweiß strahlende Sonne stand. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Aber wer hatte schon einmal gesehen, dass quasi die Erde die Decke war und die Sonne unter seinen Füßen entlangwanderte? Da konnte ich einfach nur noch „Wow“ sagen.

„Ihr werdet noch vieles sehen, das Euch die Sprache verschlägt.“ Ich warf einen Blick über die Schulter. Auch der letzte der Alben war nun durch das Portal gegangen und lehnte jetzt lässig an der Felswand hinter ihm, die ebenfalls zu einem riesenhaften Stalaktiten gehörte. Fremdartige Pflanzen wuchsen an der Wand, sie erinnerten ein wenig an Efeu. Ich meinte irgendein Tier an den Ranken hochklettern zu sehen, doch es war zu schnell verschwunden, um zu erkennen, was es war. Der Alb stieß sich von der Felswand ab und stemmte die Hände in die Hüfte. Ich nahm mir die Zeit, in dem Licht der blauen Sonne nun eingehend seine Rüstung zu begutachten. Sie war zum Großteil in einem dunklen Silber gehalten und mit schwarzen Lederstreifen versehen und besaß eine unglaublich coole Verzierung in Form von elegant geschwungenen Dornen an den Schultern, Ellenbogen und Stiefeln, die gleichzeitig elegant und wild aussahen. Alle hier anwesenden Alben trugen diese Art von Rüstung, doch der erste hatte zudem noch ein goldenes Emblem in Form zweier Quadrate über der Brust, die so übereinander gelegt waren, dass sie einen achtzackigen Stern ergaben, in dessen Mitte ein dunkler Funken glomm. Ich vermutete, dass er in irgendeiner Form ranghöher war als die anderen.

Seine violetten Augen musterten mich abschätzend. „Mir scheint, die Magie hält sich hartnäckiger, als der König vermutete. Vielleicht dauert es, bis die Wandlung einsetzt.“

Ich sah an mir herunter und taste an meinen Ohren herum. Nichts. Beinahe war ich schon ein wenig enttäuscht.

Ich darf nicht vergessen, was ich verloren habe. Der Funke Euphorie angesichts Elvastrons verschwand. Ich konnte das nicht vergessen, und es würde gewiss lange dauern, bis die Wunden nur noch Narben waren. Herrgott, ich war als Mensch aufgewachsen und erzogen worden, nicht als Elfe oder Albin (wurden die Frauen hier so genannt?) oder sonst irgendwelche Typen aus dieser Welt! Ich war nicht auf Verlust vorbereitet, also lasst mich mit meinem Leid in Ruhe! Beinahe bereute ich, das nicht laut ausgesprochen zu haben.

Der Hauptmann (ich nenn den jetzt einfach mal so, und ich traute mich auch irgendwie nicht, nach dem Namen zu fragen) gedeutete seiner Truppe mit einer Geste, sich abmarschbereit zu machen. Ich fragte mich, wohin wir wohl gehen würden, obwohl ich es mir eigentlich denken konnte. Zum Palast dieses Dunklen Königs, wo auch immer der war. Vermutlich bedeutete das auch, dass ich auch eine Stadt der Alben zu sehen bekam. Ich konnte mir schlecht vorstellen, dass der König in einem Palast ohne Untertanen in der Umgebung wohnte. Es sei denn, sie wohnten alle in diesem Palast. Unten in den Kellern, höhö.

„Dies ist das Unterreich von Elvastron“, erklärte der Hauptmann, während wir ihm über das Plateau folgten. „Man kann Elvastron mit einer Münze vergleichen. Wenn die eine Seite das Unterreich ist, so wird die andere das Oberreich genannt. Wir Alben und unsere Lakaien leben im Unterreich, an der Spitze aller steht der Dunkle König. Die Völker des Oberreichs regieren sich jeweils selbst, sehen sich jedoch zeitweilig als Verbündete. Ich halte das für Schwachsinn.“ Er schnaubte verächtlich. „Wenn die ihre Schlachten planen, frage ich mich, wie die sich überhaupt einigen können. Glaubt mir, Ihr findet dort oben nur Egoisten, das einzige, was sie überhaupt zu vereinen scheint, sind ihre verfluchten Götter.“

Klasse, Religionskriege. Beinahe hätte ich entnervt gestöhnt. Es war anscheinend doch überall dasselbe, es gab Leute mit unterschiedlichen Ansichten, die sich wegen den kleinsten Meinungsverschiedenheiten in die Wolle bekamen und ganze Kriege anzettelten.

Vor uns war das Felsplateau zu Ende, doch große Felsbrocken schwebten hier in der Luft, zusammengehalten von diesen Kletterpflanzen. Ein bisschen erinnerte mich das ja an die Halleluja-Berge aus Avatar.

Hör auf.

Die Alben begannen mit flinken Schritten über die dicken Äste und Wurzeln zu hüpfen, von einem Felsen zum nächsten. Mir als Sportmuffel sank das Herz wieder in die Kniekehlen. Wenn ich da abstürzte…

„Wir werden dafür sorgen, dass Ihr nicht in den Himmel stürzt“, tönte die Stimme des Hauptmannes von hinten. Komm schon, sei ein starkes Mädchen, dachte ich, nahm Anlauf und sprang mit ganzer Kraft. Krampfhaft versuchte ich den Abgrund unter mir zu ignorieren, sondern starrte stur auf den ersten Felsen, der rasend schnell auf mich zukam. Mit rudernden Armen kam ich auf und wäre fast weggeknickt, hätte nicht einer der anderen Alben mich festgehalten. Mit klopfendem Herzen stolperte ich auf dem wackeligen Felsen so weit es ging vom Abgrund weg. Irgendjemand lachte unterdrückt.

„Das ist überhaupt nicht komisch“, zischte ich leise. Ja, streut noch Salz in die Wunde, verpasst mir noch nen Kratzer, aber wisst ihr was? Leckt mich am Arsch! Die Wut vertrieb die Angst vor dem Abgrund und ich entwickelte trotz meines Sportmuffeltums eine erstaunliche Sicherheit, um über diese verdammten Felsen zu springen. Der ewige Clown in mir musste mir sofort ein Bild von mir im Super Mario-Kostüm in den Kopf ballern – oh ja, auch noch schön unterlegt mit der berühmten Melodie! – bis ich ihn energisch verprügelte. Keine Erinnerungen, nur das Jetzt…

Es dauerte trotzdem elendig lange, bis wir den nächsten Stalaktiten erreicht hatten. Obwohl ich mich wacker geschlagen hatte, war mir klar, dass die Alben im Handumdrehen auf der anderen Seite hätten sein können, wären sie ohne mich unterwegs gewesen. Und warum musste ich eigentlich zu Fuß latschen? Machte man das immer so, selbst wenn man Prinzessin war? Also ein wenig beleidigend war das ja irgendwie. Wobei, vielleicht ging das bei dem Gelände auch nicht anders. Meine Füße protestierten dennoch gegen die Tortur und ich war nur allzu erleichtert, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Gott, war das ermüdend…

Ein plötzlicher Schwindel ließ mich taumeln und ich landete mit der Schulter unsanft an der Felswand. Die ganze Formation stoppte abrupt.

„Schon okay“, sagte ich mit fester Stimme und stand rasch wieder auf. „Ich bin nur müde. Hab ne Menge durchmachen müssen.“

Der Hauptmann sah ganz und gar nicht überzeugt aus. „Wenn es Euch nicht gut geht, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass die Magie ihre Kraft verliert“, sagte er halb besorgt, halb sachlich. Na hoffentlich lief das nicht so übel. Ich hatte keine Lust, mitten auf dem Weg zusammenzuklappen wie ein Häufchen Elend.

„Einen Schluck Wasser hat keiner, oder?“, fragte ich zaghaft. „Hilft manchmal gegen Schwindel.“

„Wir kommen gleich an einem Bach vorbei“, sagte einer der rangniederen Alben. „Nichts für ungut, Hoheit, aber wir sind zugegeben keine Experten für den Stoffwechsel der Menschen.“

„Ich hab auch keinen Plan von eurem“, konterte ich und erntete erneutes Gelächter. Hm, vielleicht war ein wenig Small-talk ein gutes Mittel, um mich auf den Beinen zu halten.

***

„Mal ’ne Frage, wo gehen wir überhaupt hin?“, fragte ich laut, während wir durch eine schlauchartige Höhle im Inneren dieses Stalaktiten gingen. An den Wänden befanden sich ebenfalls leuchtende Kristalle, deren weißes Licht die feuchten Höhlenwände und Tropfsteine glitzern ließ. Der Boden sah künstlich geebnet aus, vermutlich wurde der Weg des Öfteren benutzt. Der Höhleneingang hatte hinter einem Wasserfall gelegen, an dem ich erstmal meinen Durst gelöscht hatte.

„Nach Zi’kôràz“, sagte der Hauptmann, der vor mir herging. „Das ist die größte Stadt im gesamten Unterreich und das Machtzentrum des Dunklen Königs. Sie wird hauptsächlich von uns Alben bewohnt, jedoch sind Besucher und Bewohner aus anderen Völkern keine Seltenheit. Leider ist sie auch ein brodelnder Kessel verschiedenster Ansichten. Wir mögen zwar alle unter dem Banner des Dunklen Königs vereint sein, doch jeder hat genügend Freiraum, um gelegentliche Scharmützel zu verursachen. In solchen Fällen zieht die Stadtwache die Verantwortlichen aus dem Verkehr.“

Die letzte Bemerkung hatte einen zugegeben beunruhigenden Beigeschmack. „Inwiefern zieht sie die aus dem Verkehr?“, hakte ich vorsichtig nach. Wobei ich mir nicht sicher war, ob ich das wirklich hören wollte.

„Bestrafungen eben. Erst wird festgestellt, aus welcher Kaste die Verantwortlichen kommen, und entsprechend dieser und der Schwere des Vergehens können Haftstrafen verhängt werden, Herabsetzung in der Ranghöhe, Einteilung zu Wartungsarbeiten am Palast oder den öffentlichen Gebäuden, seltener Einstellung als persönliche Leibeigene oder im Extremfalle Exekution. Es kann aber auch zu … spezielleren Strafen kommen, was allerdings situationsbedingt ist.“

Ich schluckte. Vielleicht hatte er das nur heruntergespielt, weswegen er so lässig klang, aber ich war mir sicher, dass die aufgeführten Arten der Strafe nicht unbedingt harmlos waren. Außerdem…

„Leibeigene? Meint Ihr Sklaven oder was?“ Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme zwei Oktaven höher klang.

„Beunruhigt Euch der Gedanke etwa?“

„Sklaverei ist in meinen Augen barbarisch“, erklärte ich brüsk. „Ich hab mir das anhören müssen, was die Menschen mit ihren Sklaven gemacht haben, und das war schlichtweg barbarisch. Ich meine, Unterdrückung war da noch das Harmloseste, die wurden bei dem geringsten Fehler bestraft, niedergeschlagen und wie Tiere behandelt, dabei waren es alles Menschen!“

Nicht an meine Eltern denken…!

Der Hauptmann warf mir über die Schulter einen Blick zu, von dem ich nicht wusste, was er bedeuten sollte.

„Menschen sind in der Tat barbarisch“, sagte er ohne jede Gefühlsregung, wie jemand, der auf andere hinabsah und in ihnen nicht mehr sah als das, was sie an der Oberfläche zeigten. „Wenn die Menschen eines gut konnten, dann war es die gegenseitige Auslöschung. Im eigenen Volk hatten wir nie Kriege. Unsere Leibeigenen bestehen zum Großteil aus Mitgliedern primitiver Völker wie Trollen oder Goblins, die von Natur aus sich dem Stärkeren unterordnen. Gewiss gibt es einige Stämme, die intelligenter sind als andere, und diesen wird ihr höherer Wert auch anerkannt, damit ihre Mitglieder nicht in den Dienst eingeteilt werden, solange sie sich an die Gesetze des Königs halten. Und wegen der Gesetze, Prinzessin, solltet Ihr wissen, dass sie uns heilig sind, denn viele von ihnen wurden von den ehrwürdigen Göttern geschaffen, damit unsere Völker nicht verblassen. Selbst der König muss sich ihnen beugen.“

„Gut zu wissen“, murmelte ich. Ich war inmitten von feudalen Fanatikern gelandet, wunderbar. Allein der Gedanke bereite mir Magenschmerzen.

Es dauerte zwei Minuten, bis ich realisierte, dass die Magenschmerzen in diesem Sinne nicht bloß sarkastisch gemeint waren. Ein dumpfer Schmerz pulsierte in meinem Bauch, noch nicht so stark, dass es wirklich wehtat, aber auch nicht besonders angenehm. Verdammte Axt, war da irgendwas in dem Wasser gewesen?!

Es wurde rasch schlimmer. Meine Hände begannen zu zittern und ich konnte regelrecht sehen, wie meine Haut fahl wurde. Die Adern darunter schienen ungewöhnlich dunkel zu sein. Der Schmerz in meinem Bauch war zu einem wütenden Glühen geworden, das schneidende Wellen in jeden Winkel meines Körpers sandte. Längst musste man mich stützen, sonst wäre ich auf der Stelle eingeknickt. Der Hauptmann hatte nur etwas von der einsetzenden Wandlung gemurmelt und uns alle zu höchster Eile gedrängt, was für mich überhaupt nicht gerade rosig war. Oh Gott, lass es bald vorbei sein…

Dann färbten sich meine Adern schwarz. Einen Moment starrte ich fassungslos auf meine Hände. Und dann brandete der Schmerz über mich hinweg, warf mich wie eine Puppe zu Boden, wo mein Körper unkontrolliert zuckte und zappelte. Dunkle Flecken tanzten vor meinen Augen und mein Blick verschwamm, während in mir ein Feuer entflammte, in dem ich zu schmoren begann, ohne es löschen zu können. Glühende Eisenspitzen bohrten sich in mich und ich schrie, wie ich noch nie in meinem Leben geschrien hatte. Nicht einmal, als meine Eltern ins Nichts stürzten.

Plötzlich erlosch das Feuer. Keuchend lag ich auf dem Höhlenboden, gelähmt und völlig fertig. Die Stimmen der Alben waren zu einem unverständlichen Gemurmel geworden. Am Rande meines Blickfeldes flimmerte Dunkelheit.

Ein anderes Gefühl machte sich nun breit. Alle Wärme, alles Leben schien aus mir hinauszufließen, eine so tiefe Kälte ergriff von mir Besitz, dass sogar die Taubheit, die meine Glieder lähmte, wehzutun schien. Die Kälte fraß sich tief in mich, hüllte mich in einen eisigen Kokon und die Dunkelheit wuchs. Mein Herz begann zu stocken.

Sterbe ich? Ich könnte zu meinen Eltern gehen, zu den Seelen derjenigen, die ins Nichts gezogen wurden. Ich könnte glücklich sein.

Die Kälte zog den letzten Funken aus mir hinaus und ich hielt der Dunkelheit nicht länger stand, sondern hieß sie willkommen. Manchmal war der Tod eben doch besser als das Leben…

***

Erinnerungen zogen vor meinen Augen vorbei, mein ganzes Leben wurde rückwärts abgespult. Ich sah mich selbst, wie ich immer jünger wurde. Teenager, Kind, Kleinkind, Baby. Dann waren da Erinnerungen, an die ich mich nicht erinnern konnte, doch irgendetwas stimmte nicht. Meine Geburt…

Ich sah nur Dunkelheit, und doch schien von irgendwoher Licht zu kommen. Es gab kein Oben und Unten, jedoch hatte ich das Gefühl auf festem Boden zu stehen. Suchend drehte ich mich im Kreis, auf der Suche nach einem Anhaltspunkt. Leise Stimmen wehten durch die Dunkelheit.

„Weißt du noch, als du mich nach dem Schicksal gefragt hast?“

Ich wandte mich der Richtung zu, aus der die Stimmen kamen.

„Du hast mich verspottet. Du hast mich gefragt, wie es etwas geben kann, das alles vorherbestimmt. Ich konnte dir diese Frage nicht beantworten… Kann es jetzt nicht einmal.“

„Ich glaube, manche Antworten sind dazu da, niemals gegeben zu sein. Du hattest Recht – es gibt Mächte, die so unermesslich sind, dass wir sie mit unserem sterblichen Verstand niemals werden begreifen können. Nicht einmal, wenn wir eine Ewigkeit leben. Und das Schicksal gehört wohl dazu.“

Mitten in dieser lichten Dunkelheit standen zwei Personen, ein hochgewachsener Mann und eine schlanke Frau. Nebelschleier trieben umher und schränkten meine Sicht ein, sodass ich nicht mehr sah als Silhouetten. Heilige verdammte Axt, beide hatten spitze Ohren!

„Ich glaube“, fuhr sie fort, „dass es vielleicht wirklich das Schicksal war, das uns zusammenführte, so lächerlich das auch klingen mag, wenn diese Worte von einer Elfe gesprochen werden. Sie verbinden uns auf eine Art, die ich niemals für möglich gehalten hätte. Vielleicht haben jene vergessenen Mächte einzig und allein hierauf hingearbeitet. Es treibt mich in den Wahnsinn zu wissen, dass… dass unsere Tochter in Zukunft niemals eine wirkliche Wahl haben wird, ihren Weg selbst zu wählen, denn die Götter – zumindest die meines Volkes – wollen sie vernichtet sehen. Mir gelang gerade eben die Flucht…“

Oh Gott. Ich war mir noch nicht wirklich sicher, um wen es hier genau ging und wer zur Hölle die beiden waren, aber ich hatte eine Ahnung in mir, die mich in Angst und Schrecken versetzte.

„Bitte zeig mir unsere Kleine“, flüsterte er.

Die Frau reichte ihm das Bündel. Ein Kind!, erkannte ich schockiert.

„Du musst sie beschützen. Bitte…“

Was—

„Nein“, flüsterte er. „Ich kann sie nicht in meiner Nähe beschützen. Wenn ER mich mit IHRER Hilfe wieder überwältigt, wird es zu spät sein. Sie ist in Elvastron nicht sicher. Jedenfalls nicht jetzt, nicht, solange sie ein hilfloses Kind ist.“

Wer verdammt!?

Er schien sich zu straffen.