Sid(e) Effects - Emma Smith - E-Book

Sid(e) Effects E-Book

Emma Smith

4,8

Beschreibung

Sidney Prescott ist nicht nur jung und sexy, sie leitet auch die renommierteste Werbeagentur an der Ostküste. Umso genervter ist sie, das ausgerechnet ihr neuer Kunde all den Erfolg und ihre Kontrolle ins Wanken bringen könnte. Denn Kontrolle ist für sie alles im Leben ... Slim Shadows ist nicht nur Rockstar durch und durch, sein Ruf ist so miserabel das gute Werbung her muss. Er hat sich fest vorgenommen den Job durch zuziehen, um schnell wieder in eines der vielen Betten seiner ,,Dinger“ zu hüpfen. Der Plan könnte so gut sein, wäre Slim nur nicht Sidney begegnet. Die geheimnisvolle Frau mit der großen Klappe fasziniert ihn. Er möchte unbedingt hinter ihrer Fassade blicken. Aber es gibt einen Grund, warum das noch keiner tun durfte ... Nacht gegen Finsternis, ein Spiel beginnt, das keiner gewinnen kann ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 358

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (59 Bewertungen)
48
11
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sid(e) Effects

eBook Ausgabe 11/2016

Copyright ©2016 by Eisermann Verlag, Bremen

Umschlaggestaltung: Sabrina Dahlenburg

Satz: André Ferreira

Lektorat: Marie Weißdorn

http://www.Eisermann-Verlag.de

ISBN: 978-3-946172-91-8

Emma Smith

SID(E) EFFECTS

LEBE, ALS WENN ES KEIN MORGEN GIBT

Prolog

»Die Musik steht, alle sitzen.« Lexie musterte mich akribisch. »Jetzt fehlen nur noch wir.«

Ich nickte verstehend und starrte immer wieder zur Tür. Dahinter saßen gerade über 250 Leute und der Mann, den ich gleich heiraten sollte. Ich schnappte wie verrückt nach Luft.

»Atme einmal tief durch, du schaffst das. Ist ganz einfach.« Meine beste Freundin zuckte so beiläufig mit den Schultern, dass es niemals ehrlich so gemeint sein konnte.

»Mmh.« Ich nickte wieder, weil ich einfach zu nichts anderem fähig war. Der Blumenstrauß in meiner Hand wurde mir langsam lästig, dennoch wickelte ich meine Hand darum, als würde ich ertrinken.

»Ist wirklich alles in Ordnung, Sid?«

»Klar.« Ich nickte zustimmend, setzte sogar noch mein bestes Lächeln auf. Diesmal schien sie mir auch wirklich zu glauben, denn wenige Augenblicke später richtete sie ihr Kleid, nahm ihren kleinen Blumenstrauß und setzte sich auf. Gleich werden sich die Türen öffnen.

»Warte«, verzögerte ich das Ganze hier.

Seufzend wandte sie sich mir wieder zu.

»Wusst ich‘s doch. Also, was ist los?«

Ich machte nur zwei Schritte auf sie zu, doch das verdammte Kleid wog tausend Tonnen, dementsprechend war meine Bewegung … Eine 80-Jährige wäre gerade vermutlich gelenkiger als ich.

»Er war gestern bei mir.«

»Wer?«

Ich rollte mit meinen Augen. Jetzt schien sie begriffen zu haben.

»Oh. Und?«

»Was und? Er … er hat mir gesagt, dass wir zusammengehören.« Ich dachte an seine Worte von letzter Nacht zurück. »Dass er sich geändert hat und ...«

»Und was?«, hing sie an meine Lippen. Mir war klar, dass Lexie ihn vorzog. Das war mir schon immer klar gewesen, aber jetzt wirkte sie sogar euphorischer als ich.

Ich dachte an ihn. Wie er vor mir stand, auf meinem Balkon, noch völlig außer Atem, weil er wie bekloppt meine Fassade hochgeklettert war. Sein Blick durchbohrte mich.

»Ich werde sicher morgen nicht auf deiner Hochzeit auftauchen und wie ein Affe nach dir verlangen. Das bin ich nicht und das weißt du. Aber ich bin jetzt hier, Sid. Das ist deine letzte Chance. Komm mit mir.«

Ich öffnete meine Augen wieder, um in Lexies Gesicht zu sehen.

»Das hat er wirklich gesagt?«, fragte sie ungläubig. Ich nickte einfach nur bestätigend.

»Du stehst hier. Also ... hast du dich entschieden. Gegen ihn und für ...« Lexie sah zur noch geschlossenen Tür.

»Werde ich wohl«, flüsterte ich und starrte meinen Blumenstrauß an. Es waren weiße Rosen, die von meinem cremefarbenen Kleid hervorstachen. »Weiß für die Unschuld«, hatte mein zukünftiger Ehemann schmunzelnd erwähnt.

Unschuld? Das ist das Wort, das mich wohl am wenigsten beschreibt. Und doch stehe ich jetzt hiermit vor den Türen der Kirche und warte darauf, zu ihm zu laufen.

»Sid? Hey, Sid?«

Lexie hatte mich bereits an den Armen gepackt und kräftig geschüttelt.

»Was?«

»Gott, du bist völlig fertig. Du kannst da so nicht raus. So kannst du nicht heiraten.«

»Was?!« Jetzt war meine Stimme eine Oktave höher und zu laut.

»Sieh dich doch mal an. Du bist fix und fertig, weil er wieder aufgetaucht ist. Wenn dein Herz wirklich gerade da draußen auf dich warten würde«, sie zeigte mit einer großen Geste zur Tür, »dann würdest du nicht eine Minute länger mehr an ihn denken, Sid. Du kannst das jetzt nicht tun.«

Ich dachte daran, warum ich jetzt hier stand. Was er mir für Optionen, Möglichkeiten gegeben hatte. Und dann dachte ich an die Schmerzen, die Verletzung, die Scham, die mich dazu brachten, überhaupt erst hier zu stehen. Nein. Ich kann das nicht. Ich tue das Richtige.

»Und Lucas? Was ist mit ihm?«, fragte ich sie und kannte bereits ihre Antwort. Denn plötzlich konnte sie nicht mal mehr meinen Blick erwidern. »Richtig. Er braucht einen Vater, Lexie. Glaubst du allen Ernstes, ich riskiere jetzt alles? Das kann und werde ich nicht tun.«

Seufzend strich sie sich eine Strähne hinters Ohr.

»Klar. Am Ende musst du wissen, was du tust. Lucas ...« Sie setzte an, brachte ihren Satz aber nicht zu Ende.

»Gut.« Ich zog meine Schultern hoch und nickte. »Es kann losgehen.«

1

SidneyEin Jahr zuvor:

Mein Name ist Sidney. Sidney Prescott. Ja, die Sidney Prescott. Die es innerhalb von drei Jahren zur Overclass der Werbeindustrie geschafft hatte. Wenn jemand einen guten Werbespot drehen wollte, rief er mich an. Außerdem stellte ich neben meiner Werbeagentur noch die Darsteller dazu. Die größten Models der Welt schuf ich, oder sie kamen bettelnd in meinen Laden, um in die Kartei aufgenommen zu werden. Ja, ich hatte mir einen verfluchten Namen in diesem Haifischbecken gemacht. Als Frau. Als alleinstehende Frau. Kein reicher Sack nährte meine Kasse. Ich hatte auch keinen Star-Daddy, der die Finger über mich hielt.

»Wir haben ein Problem.«

Annie stürmte in mein Büro, bepackt mit einem riesigen Zettelstapel. Wann lernte sie es? In unserem Job war Ordnung die halbe Miete.

Ich sah über meine Lesebrille hinweg, die ich selbstverständlich nur auf der Arbeit trug. Ich war gerade in meine Quartalszahlen vertieft. Annie war meine persönliche Assistentin. Sie hielt es bisher am längsten aus, das schätzte ich. Was ich ihr natürlich niemals sagen würde. Als sie vor sechs Monaten für die Stelle vorsprach, trug sie den alten Omafaltenrock, in dem sie auch heute steckte. Ihre Hornbrille war einfach … eine Hornbrille und ihr Dutt vervollständigte das trostlose Bild. Ich wusste, dass fast jeder Mitarbeiter hier ihr täglich Beautytipps gaben. Und alle ignorierte sie. Auch dafür schätzte ich sie. Klar, das würde ich auch niemals sagen. Aber dass sie ihr »Ding« durchzog, das war genau das, was mich so erfrischte. Gut, und sie machte dazu noch ihren Job fabelhaft.

»Was?«, seufzte ich, nahm die Brille ab und starrte sie abwartend an. Annie blieb sofort stehen und verlor den Faden.

Ja, diesen Effekt hatte ich öfter mal. Auch wenn es mir gefiel, dass hier jeder wusste, wer der Boss war, es war manchmal echt gruselig. Ich war jünger als die meisten hier. Aber Geld regiert nun mal die Welt.

»A-also … ich ...«

Sie stand noch immer mitten in meinem Büro. Ich hatte einen tollen Blick über Manhattan, wir befanden uns hier im zehnten Stockwerk an der Second Avenue. Mein Büro war in hellen Tönen eingerichtet, die Wände waren in Weiß gestrichen und die Möbel hatten ein helles Grau. Aber meine Deko war kunterbunt. Wie ich.

»Annie.« Ich seufzte noch einmal und lehnte mich in meinem Lederstuhl zurück. Ich überkreuzte die Beine und wartete wieder mal ab. »Wir hatten doch schon mal darüber gesprochen. Wenn Sie mit mir sprechen wollen, dann?«

»Ich klopfe an, warte, dass Sie … oh.« Sie biss sich nervlich schon fast völlig fertig auf die Unterlippe. »Ich hätte … es tut mir leid, aber da kam gerade ein Anruf. Und das Fax hier ...«

Sie hob den Stapel mit den ganzen Papieren an.

»Okay. Und was soll das jetzt alles?«

Sie kicherte wie eine Verrückte.

»Das Management von Slim Shadows hat angerufen.«

Ich runzelte die Stirn. Sie sprach den Namen so anzüglich aus, dass es bei mir klingeln müsste. Tat es aber nicht.

»Slim Shadows. Der Rockstar.«

»Sagt mir nichts.« Sollte es aber anscheinend. Denn jetzt sah Annie mich an, als hätte ich wirklich keine Ahnung von meinem Job. Aber wäre er bereits in unserer Kartei gewesen, wüsste ich das.

»Und was will das Management von uns?«

Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust und drehte mich mit meinem Stuhl etwas hin und her.

»Prada Parfum will mit ihm einen Spot drehen und sie haben uns ...«

Sofort wurde meine Haltung eine ganz andere. Meine Sinne verschärften sich. Ich verstand nur Prada.

»Sie beauftragen uns?«, fragte ich sie und meine Stimme klang verdammt schrill.

Annie nickte breit grinsend. Oh verdammt noch mal. Das ist der Wahnsinn!

»Das ist ja fabelhaft! Prada hat einen riesigen Etat. Wir sprechen hier nicht von ein paar zehntausend Dollar, Annie. Da sind wir bei einer sechsstelligen Summe, wenn nicht noch mehr!«

Meine Assistentin schluckte merklich. »Wow ...«

»Ja, wow. Also, was haben Sie in den Händen?«

Ich blickte auf den Stapel.

»Nun, das sind … unter anderem die Anweisungen von Prada. Die sich übrigens nächste Woche melden wegen eines Termins.«

»Gut, und was ist noch dabei?«

»Nun ja, Slim Shadows hat da noch einige Forderungen?«

Ich zog die Braue hoch. »Wie bitte?«

»Nun ja ...« Sie räusperte sich. »Er hat ja noch nie mit unserer Agentur zusammengearbeitet. Also, er kann ja nicht wissen ...«

»Dass ich die Einzige bin, die Forderungen stellt? Selbst ein verbrauchter Rockstar bekommt keine Sonderbehandlung. Sagen Sie das dem Management.«

Zehn Minuten später war Annie verschwunden. Sie sollte sich um andere Dinge kümmern, während ich meine nächste Gelddruckmaschine googelte. Wieso sagt mir dieser Slim Shadows nichts? Ich lebe doch nicht hinter dem Mond!

Mein Laptop zeigte mir sofort 56 Millionen Ergebnisse an. Holla. Ich klickte auf den ersten Link.

Mir blieb der Mund offen stehen. Da stand tatsächlich irgendein Kerl auf dem Balkon und pinkelte in hohem Bogen die Fassade herunter.

Wie immer ohne Manieren!

Slim Shadows, 27, auch bekannt als der übelste Rockstar seiner Generation, urinierte am gestrigen Abend mitten auf dem Balkon des Hyatt Hotels in Paris. Einige Zuschauer beobachteten danach, wie Slim Shadows auf wackligen Beinen den Fotografen beleidigende Worte zurief. Als wir den Sänger - der mit Rocksongs wie »If I could be with you« und »She« zum Star der Musikbranche wurde - am späten Nachmittag vor dem Hotel antreffen, ist sein Statement zu der Aktion folgendes: »Ich wollte nur mal die Champs-Elysées sehen. Dass sich ausgerechnet dann meine schwache Blase bemerkbar macht, ist nicht mein Problem.«

Slim Shadows ist seit Monaten in den Schlagzeilen. Insider vermuten schon, dass es ihm zu schaffen macht, dass er seit einiger Zeit keinen echten Hit mehr landen konnte. Andere betonten wiederholt, dass übermäßiger Drogen- und Alkoholmissbrauch schuld wären.

Ich starrte das unscharfe Bild des Typen genauer an. Man konnte seinen kleinen Freund nicht sehen, aber dennoch versuchte ich unbeirrt, etwas zu erkennen. Verrückt.

Wundervoll, wirklich. Der Typ schien nicht nur ein echt übler Egozentriker zu sein. Er genoss den Scheiß auch noch.

Ich klickte weiter und starrte auf blaue Augen, die die Kamera wütend fixierten. Wooow.

Seufzend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. Man hatte ihn genau erwischt und auf irgendeinem Flughafen geknipst. Er trug eine Lederjacke. Klischee. In der rechten Hand hatte er eine Sonnenbrille, seine Augen waren in ein klares Blau getaucht. Wirklich, das ist eine … Ich war ganz in diesen Blick vertieft. Slim Shadows war ganz ohne Frage ein attraktiver Mann. Kurzes dunkles Haar, aber wuschelig genug, sodass Frau sich genauestens vorstellen konnte, danach zu greifen. Er hatte natürlich ein markantes Gesicht, leichte Bartstoppeln und … diesen einen Blick. Er sah heiß aus, sicherlich gab es genug Groupies für ihn. Wieso auch nicht. Aber es war mehr als das. Slim Shadows war Rockstar und strahlte das auch aus. Ein Bad Boy, keine Frage. Denn auch, wenn er gut aussah, konnte man sagen, dass ihn eine gefährliche Attraktivität umgab. Die für einige Frauen sicherlich zum Verhängnis werden konnte.

Ich klickte weiter. Ein Bild zeigte ihn mit irgendeiner Blondine. Sie schienen zusammen torkelnd aus einem Club zu kommen. Für die Fotografen interessierten sie sich anscheinend nicht. Ich klickte weiter. Ich fand Brünette, wieder Blondinen, ab und an fand sich auch eine Rothaarige in seinen Klauen.

Kopfschüttelnd fragte ich Dr. Google noch ein paar Dinge über unseren nächsten Klienten. Ich fand so einiges aus den letzten sieben Jahren. Aber irgendwie waren seine Kindheit und seine Familienverhältnisse ein kleines Geheimnis.

»Annie?«, rief ich, weil sie wie immer meine Tür offen stehen gelassen hatte. Wann lernt sie es?

»Ja?« Sie hastete in mein Büro, bepackt mit Block und Kuli.

»Wieso verdammt noch mal steht hier nichts über seine Vorgeschichte? Es wäre besser, wenn ich mehr wüsste als das, was mir TMZ hier auftischt.«

Ich wollte nicht so barsch klingen, aber ich hasste so etwas. Ich musste alles über meine Kundschaft erfahren. Ich konnte es mir nicht leisten, zu schwächeln. Denn wenn meine Agentur Schwächen hatte, hatte ich sie auch. Nein. Du wirst das in den Griff bekommen. Der Typ ist nicht der erste Rockstar auf deiner Einnahmeliste.

»Ähm … klar. Ich werde Bob drauf ansetzen«, antwortete Annie und verließ schnell mein Büro.

Ich nickte, brummte und klappte meinen Laptop wieder zu. Wieso mache ich mir solche Sorgen? Hängen doch nur ein paar Millionen davon ab … und Slim Shadows stellt sicherlich kein Problem dar.

Mein Handy klingelte neben mir. Ich hatte es vorsichtshalber auf den Schreibtisch gelegt. Ich nahm es in meine Hand und grinste. Jackson.

2

Slim

Es war zu viel. Bei der zweiten Flasche war mir das klar, aber hörte ich auf mein Unterbewusstsein? Fuck, nein Mann!

Auch der pochende Schmerz in meinem Schädel ließ mich nicht anders darüber denken, als ich die Augen öffnete und die Sonne mir die Sicht nahm. Joa, da hatte ich kurz Zweifel, dass ich es wieder mal nicht so weit hätte kommen lassen sollen. Und als ich dann auch noch einen fremden Arm über meinem Rücken spürte, war ich ganz sicher, dass ich einen Fehler gemacht hatte.

Shit.

Ich lag auf dem Bauch und stöhnte, als mir klar wurde, dass ich das Ding, wie ich sie so einfach alle immer nannte, noch nicht losgeworden war.

»Maaaaaatt«, rief ich in die Matratze und blinzelte wie wild gegen das scheiß Licht an. Wieso hatten Hotels eigentlich immer nur diese verschissenen Vorhänge? Hallo? Wir hatten Sommer und ich zahlte mich dumm und dämlich, damit mir die Sonne in die Fresse schien?

Die Tür öffnete sich. Matt. Kein anderer würde sich trauen, reinzukommen, ohne anzuklopfen.

Ich hörte einen Seufzer, war aber echt noch zu platt, um mich nur einen Millimeter zu bewegen.

»Komm schon, Mädchen. Steh auf. Meine Güte, was hast du ihr zu trinken gegeben? Jetzt komm … steh auf. Ich hab noch was anderes zu tun.«

Die Matratze bewegte sich, ich schloss seufzend die Augen. Jetzt kann ich schlafen.

»Hey, ich geh ja schon.« Das Ding meckerte Matt natürlich an, aber dennoch wurde ihre schrille Stimme langsam leiser, bis sie ganz weg war. Jepp, sie war aus meinem Zimmer.

»Was soll das werden? Aufstehen, aber schnell.« Hatte er mir jetzt echt meine Bettdecke geklaut?

»Mann, Alter«, stöhnte ich und vergrub mein Gesicht unter meinem Kissen.

»Jetzt steh schon auf. Wir müssen in einer Stunde im Studio sein. Und wieso verdammte Hacke noch mal ist hier wieder kein Fenster offen? Es riecht einfach nur zum kotzen.«

Bla bla bla … jeden Morgen dasselbe.

»Was für ein Studio?«

Ich hatte meinen Kopf leicht erhoben. Dennoch blinzelte ich immer noch gegen das grelle Licht an. Jepp, der Bastard hatte wirklich die Vorhänge weggeschoben.

Matts breite Statur war sofort am Fenster zu erkennen. Er sah hinaus.

»Wir hatten darüber gesprochen. Bevor du dir mal wieder irgendwas reingezogen hast.«

»Es war Kokain. Du kannst es ruhig aussprechen, Kumpel.« Ich setzte mich auf und rieb mir durch mein Gesicht. Egal, wie spät es war, es war zu früh.

»Gott, bedeck dich mal.«

Der Mistkerl warf mir wieder die dünne Decke zu. Ich riss sie mir vom Kopf.

»Da hat ja mal wieder einer eine super Laune.«

»Entschuldige bitte, dass ich heute mal erwartet hatte, dass du nüchtern und angezogen um zehn Uhr vor mir stehen würdest! Ach, vergiss es. Geh duschen, zieh dich an. Ich versuche, die Prescott zu besänftigen.«

Ich hatte nicht mal ganz die Augen öffnen können, da war er schon wieder abgedampft.

Was zum Teufel hatte der Mistkerl denn jetzt schon wieder für ein Problem? Ja gut, seit einem Jahr schmiss er mir jeden Monat seine Kündigung ins Gesicht, nur um dann kurz vorher zu erwähnen, dass ich ohne ihn eh nicht klar käme. Ich hielt natürlich jedes Mal meine Klappe. Matt war nämlich unabkömmlich. Kein anderer könnte mich überhaupt ertragen. Auf ihn war Verlass, schon immer.

Deswegen und weil ich wusste, wie verdammt zickig mein Manager sein konnte, stand ich tatsächlich auf, um mir das Ding von letzter Nacht abzuwaschen.

Eine halbe Stunde später trat ich ins Wohnzimmer unserer Suite. Matt stand direkt vorm großen Panoramafenster und telefonierte mit irgendwem. Ich hatte mir meine Sonnenbrille geschnappt und lief direkt zur Minibar. Nichts half mir besser als ein kaltes Bier am Morgen.

»Ja, Miss … ich verstehe. Mir ist bewusst, dass …. Natürlich. Er wird dort sein.«

Mann, seit wann ließ sich Matt so unterbuttern?

Brummend legte er auf und schien mich gehört zu haben.

»Was zum Teufel tust du da?«

Ich hielt in der Bewegung inne. Mein erster Schluck war mir heute wohl nicht vergönnt.

Matt stapfte fuchsteufelswild auf mich zu, krallte sich meine Bierflasche und schmiss sie verdammt unsanft in die Ecke. Ach, und das war jetzt in Ordnung, oder was?!

»Wir haben heute den Werbespot mit Prada, du Vollidiot.«

Heute? Shit.

Matt konnte praktisch sehen, wie mir die Gesichtszüge entglitten.

»Ganz genau, mein Freund. Seit zwei Jahren trällerst du nur noch deine alten Songs durch die Staaten. Die Leute reden, Slim. Einige meinen, das war es schon von dir. Und dann kommt Prada daher und will dein Gesicht. Weißt du, was das für eine Chance ist?!«

Ich wedelte abwertend mit den Händen herum.

»Mir ist scheißegal, was die sagen. Und mit den Leuten von Prada redest du einfach. Fuck, Mann. Dann komm ich halt später. Als wäre das je ein Problem gewesen.«

»Ich glaube, du verstehst nicht ganz die Lage. Prada will dich. Richtig. Aber zu Bedingungen, mein Freund. Diese Werbeagentur ...« Er fasste sich seufzend ins Gesicht. »Keine Ahnung, wie die noch mal heißt, aber diese Prescott, die Chefin, ist jetzt schon angepisst. Und bei ihr kannst du es dir nicht versauen. Denn in den Verträgen steht ganz explizit, dass du dich zu benehmen hast. Darunter versteht sich auch Pünktlichkeit. Das heißt: kein Bier um zehn Uhr! Du siehst eh schon beschissen aus. Der Fahrer wartet unten, beweg dich.«

»Du scheißt dir wegen einer Tussi in die Hosen?«

»Würdest du auch, wenn du wüsstest, wie hoch die Konventionalstrafe wäre«, murmelte er neben mir her, während wir unsere Suite verließen.

Rechts und Links standen wie immer direkt vor der Tür. Meine Bodyguards oder Personenschutz. Natürlich hasste Matt es, wenn ich sie tatsächlich so nannte. Also Rechts und Links. Aber hey, sie sprachen kein einziges Wort mit mir. Es sei denn, irgendwelche Fans kamen mir zu nahe. Mehr als irgendeine Richtung hatten sie nicht als Namen verdient.

Ich ignorierte die kreischende Masse, blendete sie voll aus, als wir zum Eingang des Hotels kamen. Ich hatte echt keinen Nerv gerade. Ich gab zwar in der Lobby dem einen oder anderen Fan ein Autogramm, das war es aber auch schon. Als wir hinausgingen, wartete dort auch das Übliche: Sie kreischten, schrien meinen Namen, wollten Babys. Der ganz normale Wahnsinn. Als ich das Leder unseres SUV unter meinem Arsch fühlen konnte, seufzte ich erst einmal erleichtert auf. Matt stieg mit ein. Wie immer waren die Scheiben getönt, denn ansonsten hätten die beschissenen Fotografen mich getroffen. Wichser. Alle miteinander.

»Fahren Sie los«, befahl Matt und wir schlängelten uns in den Verkehr ein.

»Gott, mein Schädel.« Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.

»Wie viel hast du gesoffen gestern? Als ich ins Bett ging warst du beim vierten.«

»Keine Ahnung.« Ich wusste es wirklich nicht mehr. Irgendwann saß die Kleine, die ich mir vom Konzert mitgenommen hatte, auf meinem Schoß und na ja … da war mein Hirn nicht mehr aufnahmefähig. Oder war es nach der Line Koks?

»Hier. Sieh dir das an: Slim Shadows mit Band zeigte mal wieder eine tolle Show im Madison Square Garden. Genau die gleiche Show sah ich vor zwei Jahren. Gleiche Songs, gleiche Sprüche. Als würde er sich nicht weiterentwickeln ...«

Matt las irgendeine beschissene Kritik vor. Und er wusste, ich hasste das.

»Das war das Arschloch von der Times. Ich hätte noch den Equisitor.«

Ich hob warnend die Hand, ohne meinen Kopf zu heben.

»Ich hab’s verstanden.«

»Wir brauchen dringend neuen Input. Neue Songs, Slim. Die Plattenfirma macht Druck, will bis Ende des Jahres zehn verdammte Songs und ...«

»Ich weiß«, antwortete ich ihm kapitulierend. Mir war das alles klar. Mit dem Scheiß kam er mir fast jeden Tag.

»Wirklich? Alles, was ich sehe, ist Slim Shadows, die wandelnde Matratze, die sich ab und an die Nase zukokst und säuft wie ...«

»Ich hab’s verstanden«, antwortete ich barsch und hob den Kopf. Ich trug immer noch meine Sonnenbrille, aber die Warnung kam an. Matt hielt dem Blick nicht stand, schüttelte den Kopf und las weiter in der Times.

Matt hatte Recht. Mit allem. Es wäre falsch gewesen, mich zu verteidigen. Mir war bewusst, dass das alles falsch lief. Aber ich konnte nicht anders. Nicht heute. Nicht in diesem Jahr. Denn es waren zehn Jahre … zehn, seitdem man mir Sandy weggenommen und mein Leben völlig umgekrempelt hat. Ich hab es echt versucht, jedes Mal. Aber ich komme da einfach nicht raus. Nie.

Ich brauchte den Alkohol. Ich brauchte die Kippen und ich brauchte die Drogen. Ohne sie war ich wieder der 17-Jährige Junge, der voller sinnloser Gefühle war. Denn sie war nicht mehr da. Ihr konnte ich sie nicht mehr geben. Also brauchte ich sie auch nicht mehr.

Ich war Champion darin, zu verdrängen. Gib mir eine Flasche Tequila, zwei Weiber und Zugang zu einer Minibar und die Party lief.

»Folgendermaßen. Du wirst dich benehmen. An dem Deal hängt viel, Slim. Der Clip läuft international, das heißt viel Presse. Und wenn du ab nächster Woche im Tonstudio stehst – du hast ja die ersten Songs fertig, richtig?«

Abwartend starrte mich meinen Manager an.

»Klar.« Ich klang völlig locker. War es aber nicht. Denn Fakt war: Song Nummer eins war grottenschlecht. Der Takt war für‘n Arsch, der Text völlig sinnlos. Song Nummer zwei existierte nicht mal. Aber ich kannte ja Matt. Der würde wieder im Dreieck springen, wenn er das wüsste.

Er entspannte sich sichtlich.

»Gut. Denn das bringt positive Aufmerksamkeit und die können wir echt gebrauchen. Also, du wirst dich benehmen. Regel Nummer eins: Du schmachtest kein Model an.«

Ich öffnete den Mund, aber er wedelte sofort mit der Hand herum.

»Lass mich aussprechen. Das ist alles vertraglich so erlassen worden. Regel Nummer zwei: Rauchen nur in den Pausen. Und die wirst du, nach der Verspätung jetzt, vermutlich nicht mal mehr zugestanden bekommen. Die dritte Regel bindet sich an Nummer eins. Kein Sex.«

»Sag mal, sind das deine Regeln oder was?«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Das wurde ja immer besser.

»Anordnung von Miss Prescott. Selbstverständlich auch vertraglich festgesetzt.«

»Das nächste Mal sagst du mir, was ich da unterschreibe.«

»Herrgott noch mal, Slim. Reiß dich einfach mal zusammen!«

Matt wollte wirklich wütend klingen, das war er mit Sicherheit auch. Aber mal im Ernst: Vor einem Jahr saß er noch mit mir im Hotelzimmer und ließ sich von den Weibern einen blasen. Wieso hatte sich das überhaupt so krass geändert? Gesagt hatte er nie etwas.

»Diese Prescott … wie ist die überhaupt so?«

Matt zuckte mit den Schultern.

»Wie soll sie sein? Sie ist Unternehmerin, Slim. Sie macht Kohle mit Werbung. Soweit ich weiß, ist sie eine große Nummer hier an der Ostküste. Vermutlich will sie einfach nicht, dass sie wegen dir irgendein Problem bekommt.«

Nett, wirklich nett. Vermutlich war die alte mit der Arbeit verheiratet und ließ ihren Frust über ihren Alterungsprozess an Leuten wie mir aus. Geil. Echt. Wir hatten nicht mal Mittag, nicht mal eine rauchen konnte ich und irgendeine alte Schnepfe war dafür verantwortlich. Wenn sie noch grundsätzlich untervögelt war, was in dem Alter einen Dauerzustand bedeutete, konnte ich eh einpacken. Aber Matt wäre es nicht so wichtig, wenn es nun mal nicht wichtig wäre.

Ich hatte mit zwanzig meinen ersten Hit. Danach erinnerte ich mich nur noch bruchstückhaft. Hey, wer sollte mir da einen Vorwurf machen? Ich machte Kohle, jeder wollte mein Freund sein und beschaffte mir alles, was ich wollte. Und ihr könnt euch vorstellen, was ein gerade mal 20-Jähriger gerne wollte. Richtig: Sex, Sex und nochmals Sex. Nebenbei arbeitete ich an Songs, machte wieder Kohle und wurde noch bekannter. Ach … und dazwischen gab es wieder nur Sex, Sex und nochmals Sex. Sieben Jahre später war das von mir übriggeblieben.

Ein reicher Wichser, der alles hatte und doch nichts besaß. Ergab das irgendeinen Sinn? Vielleicht hatte ich mir meine Birne mittlerweile auch weggekokst. Was weiß ich?

Hätte ich Matt nicht, wäre ich sicherlich längst tot in der Badewanne irgendeines Hotels gefunden worden. Auch wenn ich es wie gestern Nacht wieder übertrieben hatte, Matt zuliebe drehte ich nicht völlig durch. Denn das wollte ich. Schon lange. Nach ihr … ergab alles keinen Sinn mehr. Nichts war mehr von Bedeutung für mich. Wieso sollte ich überhaupt noch an das Leben glauben? Es hatte mir das genommen, was es für mich überhaupt erst lebenswert machte.

Also war nun das hier aus mir geworden. Ein kaputter Rockstar, der seinem Image mehr als gerecht wurde. Matt sah das mittlerweile anders.

»Du wirst bald dreißig, Junge. Du kannst diese Bad-Boy-Sache gerne weiter spielen. Aber die Exzesse müssen aufhören«, mahnte Matt und ich konnte gut erkennen, wie müde er es bereits war, mir das schon wieder zu erklären. »Keiner interessiert sich mehr für deine Musik. Nein, sie wollen den nächsten Skandal, das nächste Fettnäpfchen fotografieren oder filmen, in das du dich wieder rein reitest. Das kann ja auch nicht dein berufliches Ziel sein, oder?«

Abwartend blickte er mich an. Vielleicht bildete ich mir das auch ein, aber Matt war in den Jahren, die er jetzt schon für mich arbeitete, verdammt alt geworden. Ich wollte den Job jetzt nicht schlecht reden, aber es war harte Arbeit. Matt war meine rechte Hand, er organisierte alles. Konzertauftritte, Promotion, selbst für die Presse war er der Ansprechpartner. Ich vertraute nach sieben Jahren Showbusiness niemandem mehr. Außer ihm.

Der Wagen hielt. Ich sah hinaus. Wir hatten im Hintereingang irgendeiner großen Halle geparkt. Die Presse wusste anscheinend nicht Bescheid. Nur ein einziger Security-Kerl stand vor dem Eingang.

»Du benimmst dich.« Matt hielt den Augenkontakt verdammt lange, er verzog nicht mal eine Miene. Ich hätte gerne gelacht, zumindest gegrinst, aber es ging auch um Matts Arsch. Sein Ansehen. Es wurde nicht nur einmal an seiner Arbeit und Kompetenz gezweifelt, weil ich wieder mal aus der Rolle tanzte.

»Ja, ist okay.«

Das schien ihm zu genügen. Bei Gott, mehr hätte er von mir jetzt auch nicht bekommen.

Meine Birne dröhnte immer noch, Kippen hatte ich auch keine. Der Tag war doch einfach beschissen.

»Mr. Sinclair, Mr. Shadows. Es ist uns eine große Freude, dass Sie es noch einrichten konnten.«

Die Kleine, die mir hier wie wild meine Hand schüttelte, grinste mich so freundlich an, dass ich erst mal über den Rand meiner Sonnenbrille meinen Manager anstarrte und dann wieder zur grauen Maus. Will sie mich verarschen? Selbst Matt schien etwas überrascht. Auch er hatte mit einer komplett anderen Begrüßung gerechnet.

»Kann ich meine Hand wieder haben?«, fragte ich gewohnt lässig. Jetzt bemerkte auch die graue Maus, wie lange sie diese schon schüttelte. Ihre Augen wurden riesengroß, hastig beendete sie den Hautkontakt und räusperte sich verlegen. Sie war süß, aber so unvorteilhaft angezogen, dass sie überhaupt nicht hier reinpasste. Das war ein verfluchter Prada-Werbespot! Was machte die Kleine hier?

»Mein Name ist Annie …« Sie schüttelte den Kopf, setzte dann wieder an. »Nennen Sie mich einfach Annie. Ich bin die persönliche Assistentin von Miss Prescott. Wenn Sie irgendeinen Wunsch haben, dann bitte ich Sie, nicht zu zögern, es mir mitzuteilen. Der Regisseur ist mit Miss Prescott noch eben in einer Besprechung. Setzen Sie sich ruhig noch einen Moment, die Visagistin wird sich auch gleich um Sie kümmern.«

Sie war also die Assistentin von dieser Prescott. Interessant. Annie war klein, dünn und schüchtern. Völlig unqualifiziert, wenn man sie so betrachtete. Sie legte keinen Wert auf die perfekte Frisur, ihre Brille hing ihr schief, ihr Rock war … großer Gott, der war sicher schon älter als sie selbst. Aber als ich mich mit Matt in die Lounge setzte, beobachtete ich eine ganz andere junge Frau. Sie redete mit den Mitarbeitern, erklärte ihnen einige Dinge und sie hörten ihr konzentriert zu.

Doch, sie war qualifiziert.

Mein Blick fiel auf die große Halle. Überall liefen Menschen herum, der Tontechniker wickelte Kabel auf, die Requisite verteilte noch mal genug Sand. Jepp, der Spot spielte wohl in irgendeiner Wüste. Dahinter stand eine Greenwall. Anscheinend wollten sie unsere Wüste digital einarbeiten.

»Ach du Scheiße, du bist tatsächlich Slim Shadows.«

Eine gertenschlanke Blondine, nur mit einem Bikini bekleidet, stellte sich direkt vor mich. Ihr Grinsen war heimtückisch und perfekt für mein Rockstar-Image. So viel hatte ich dazugelernt.

»Der bin ich.« Ich grinste genauso affektiert, ohne meine Sonnenbrille abzunehmen. Gut, ich hab auch Schiss, dass meine Birne das Licht hier gar nicht mehr verträgt.

»Ich bin ...«

»Komm Süße, bring Slim mal einen Kaffee. Zwei Zucker, ein Schuss Milch.«

Matt tippte an seinem Handy herum, während er die unmissverständliche Anweisung gab. Die Blondine sah mich fragend an, ich zuckte nur unschuldig mit den Schultern. Sie war heiß, keine Frage. Aber hatte ich deshalb Bock, mich mit ihr zu unterhalten? No Way.

»Na gut.« Stampfend lief sie irgendwohin, wo sie mich nicht störte.

»Danke, Mann.« Ich lehnte mich zurück, legte mein Bein auf meinem Knie ab und seufzte. Es ist einfach zu früh.

»Dank nicht mir. So, wie du aussiehst, hältst du den Spot nicht ohne legales Aufputschmittel durch. Bete nur, dass sie dir nicht in den Kaffee rotzt oder sowas.«

Er blickte wieder nicht auf, war immer noch mit seinem Blackberry beschäftigt. Hoffentlich besorgte er mir nicht noch mehr solcher Spots. Ich strich mir die Haare aus der Stirn. Durch die Sonnenbrille konnte ich alles genau im Auge behalten. Einige starrten mich bereits an, das kannte ich nicht anders. Die meisten aber waren mit ihrer Arbeit beschäftigt. Viele von denen arbeiteten ständig mit Stars zusammen. Es war nichts Besonderes mehr und das beruhigte mich etwas. In den letzten Jahren lernte ich viele Leute kennen, die sich vor Freude einen runterholten, wenn sie dachten, sie wären mit Slim Shadows befreundet. Was das alles für Idioten waren. Und dann gab es diese Sorte von »Freunden«, die alles, was du gesagt und gemacht hattest, supergeil fanden. Vermutlich hätte ich noch die eine oder andere Ehefrau bumsen können, solange deren Kerle mich zu ihren Buddys zählen konnten. Krank, aber das hatte die Sache mit der Berühmtheit so an sich.

»Da ist sie.« Matt räusperte sich verlegen und schielte in eine bestimmte Richtung.

»Wer?«

Ich folgte seinem Blick, konnte aber nur Annie sehen. Sie sprach mit jemandem vor ihr. Ich konnte die Person nicht erkennen.

»Die Prescott. Also … ab in die Höllengrube.«

Verdammt noch mal, wieso hatte Matt so einen Schiss vor ihr? Oder war es eher Respekt? Verwechselte ich da was?

Ich starrte weiter zu Annie, die ergeben mit dem Kopf nickte. Immer wieder. Definitiv. Da stand ihre Chefin.

»Hier, dein Kaffee, Slim.«

Blondie hatte sich neben mich auf die Couch gesetzt und hielt mir meinen Kaffee hin.

»Mhm?«

Ich sah nur kurz auf, um dann wieder zu Annie und Miss Unbekannt zu blicken.

»Zwei Zucker und einen Schuss Milch, so wie du wolltest.«

Sie drückte ihren Oberschenkel an mein Bein. Die Wirkung verfehlte es nicht, denn jetzt bekam sie meine gesamte Aufmerksamkeit. Ich sah ihr in das geschminkte Gesicht. Bei den vielen Schichten Make-up, die sie trug, bräuchte sie den ganzen Abend, um den Scheiß wieder abzukratzen. Blondie biss sich auf die Unterlippe, wartete auf meine Reaktion. Die kam. Ich legte meine Hand auf ihren Oberschenkel, bereit, mich vorzubeugen, um ihr die Anweisung ins Ohr zu flüstern, dass wir uns gleich ein stilles Örtchen suchen würden, damit ich sie windelweich vögeln konnte. Mein Mund stand bereits offen, mein Schwanz begann sich auch zu rühren, aber da blickte ich noch mal in Annies Richtung. Wieso ich das gemacht hatte, war mir nicht klar. Aber als ich sie sah, hätte ich mir am liebsten in den Arsch gebissen. Sie stolzierte mit so einer Leichtigkeit an Annie vorbei, dass selbst sie wie erhaben zu ihr aufsah. Dabei war Annie nicht viel kleiner als sie.

Miss Prescott trug ein verflucht heißes Businesskleid. Nicht zu kurz, aber kurz genug, damit ihre gebräunten Beine in diesen Highheels so krassgeil zur Geltung kamen, dass mein Schwanz jetzt ihretwegen Regung zeigte. Mit zittrigen Händen, ja mit verdammt zittrigen Händen, nahm ich die Sonnenbrille ab. So einen Anblick durch dunkles Glas hindurch zu genießen glich einer Straftat.

Mein Blick wanderte ihre Beine entlang, hielt für einen kurzen Augenblick in ihrem Schritt inne, und richtete sich dann auf ihre Brüste. Der Ausschnitt war nicht tief, nur angedeutet – und das regte meine Fantasie nur noch mehr an. Ihr Hals glich dem einer Göttin, zierlich, dünn … sicherlich parfümiert. Aber so eine Frau trug kein Eau de Toilette, Fuck, an ihren Hals durfte nur das Kostbarste. Wenn es überhaupt ausreichte. Mein Schwanz zuckte in meiner Hose. Und dann ihr Gesicht. Großer Scheiß, ihr Körper war schon oberheiß, aber ihr Gesicht? Sie hatte weiche Züge, hohe Wangenknochen, dazu trug sie diesen Fick-mich-Lippenstift. Knallrot. Scheiße, ich war steinhart. Von ihrem Lippenstift. Lippenstift!

Ihre Wimpern waren lang und geschminkt. Das musste in der Branche sein, aber es war nicht zu überladen. Und dann diese Haare. Kastanienbraun, knapp schulterlang. Sie redete mit Annie, während sie auf uns zuging. Bemerkte mich also nicht. Während ihre Lippen sich bewegten, fuhr sie sich durch ihr Haar. Ich musste schlucken. Als wäre irgendein Irrer auf die Idee gekommen, dieses ganze Szenario in Slow Motion ablaufen zu lassen, ergötzte ich mich an ihrem Anblick. Ob sie sich so weich anfühlte wie ich glaubte? Verdammt noch mal, von wegen alte Schnepfe, sie konnte unmöglich älter sein als ich!

»Slim?«

Irgendwas, oder besser irgendwer riss mich aus meinen Gedanken. Es war Blondie, sie saß immer noch neben mir und starrte mich nachdenklich an. Wieso ist die noch hier?

»Miss Prescott. Entschuldigen Sie die Verspätung.«

Mein Kopf drehte sich sofort wieder zu ihr. Sie stand direkt neben Matt, Annie hatte sich ein paar Schritte entfernt. Ja, hier ist klar, wer das Sagen hat.

Ich stand hastig auf, Blondie ebenfalls. Sie nervte gerade echt.

Miss Prescott. Scheiße, allein der Name war ja schon heiß auszusprechen. Sie schüttelte Matt lächelnd die Hand. Jetzt, da sie noch näher stand, konnte ich ihre Augen sehen. Grüne Augen.

»Kein Problem. Noch sind wir im Zeitplan.« Ihre Stimme klang wie süßer Honig. Verdammt noch mal, süßer Honig? Was ist das denn für eine Scheiße? Ich esse nicht mal Honig!

Sie wandte sich mir zu.

»Miss Prescott, das ist Slim Shadows. Slim, das ist ...«

Doch so weit ließ sie Matt nicht mal kommen.

»Mister Shadows. Es freut mich, sie endlich kennenzulernen. Ihren Manager habe ich ja bereits letzte Woche bei unserem ersten Meeting getroffen.«

Wieso klingt das gerade ganz und gar nicht so, als würde sie sich freuen?

Sie hielt mir ihre zarte Hand hin, ich ergriff sie. Ihre Nägel waren rot lackiert. Hot.

Und wie ich es gerade bereute, nicht bei diesem Meeting gewesen zu sein.

»Freut mich ebenso.«

Für einen kurzen Augenblick blickten wir uns beide an. Sie lächelte formell, so wie sie es vermutlich immer bei ihren Kunden machte. Ich konnte deutlich ihre Körperwärme durch ihre Haut spüren. Sie ließ meine Hand schneller wieder los, als es üblich war und wandte sich sofort ab, um ihrer Assistentin irgendwas zu sagen. Jetzt war ich verwirrt.

»Gut, dann fangen wir mal an. Mr. Shadows ...«

Ich zuckte leicht zusammen, als sie mich wieder persönlich ansprach. Wieder trafen sich unsere Blicke. »Die Visagistin wartet bereits. Bitte lassen Sie sie nicht noch länger warten. Und die anderen auf ihre Plätze!«

Dann drehte sie sich um und ging. Gefolgt von Annie und ihrer Mannschaft.

»Hör auf damit«, brummte mir ein angepisster Matt ins Ohr. Ich starrte mit schief gelegtem Kopf ihrem geilen Hintern nach.

»Mhm ...«

Die Visagistin puderte mir wie so oft dieses scheiß Weiberzeug ins Gesicht. Selbst mein Oberkörper bekam wieder mal was davon ab. Jepp, Prada fand es wichtig, so viel Haut wie möglich zu zeigen. Was hatte der Scheiß eigentlich noch mit Parfum zu tun?

Während ich auf dem Stuhl saß und dieses Prozedere über mich ergehen ließ, schaute ich mich immer wieder nach ihr um. Matt indes las mir das Skript vor. Ich hörte nur mit einem Ohr zu. Ich verstand immer nur: Heiß aussehen, Frau betatschen, nicht in die Kamera glotzen. Alles verstanden, so tun als ob.

»Alle auf ihre Plätze«, rief der Regisseur, als ich zum Set kam. Natürlich stand Blondie vor mir und wieder hatte sie dieses Lächeln im Gesicht. Das falsche Lächeln. Das Lächeln, das nur eines sagte: »Fick mich, wie du sie alle schon gefickt hast. Ich will dazu gehören.« Das Problem war nur: Sie schien sich so wenig wert zu sein, dass sie sich nicht mal zurückhalten konnte. Ihre Hand ruhte sofort verboten tief auf meiner Hüfte, als wir die erste Szene drehten. Ich war mir auch nicht sicher, wieso sie den Scheiß überhaupt Skript nannten. Wir sollten einfach verboten heiß miteinander rummachen, ohne uns zu küssen.

An einem anderen Tag, oder ohne diese verboten heiße Werbetussi, hätte ich sicherlich großen Bock darauf gehabt, mit Blondie rumzumachen. Aber mein Schädel war immer noch mein Schädel, das Pochen war immer noch ein Pochen und die verboten heiße Tussi war immer noch die verboten heiße Tussi.

»Uuund … Action!«, rief der Regisseur.

Das Licht wurde gedimmt, alle Leute um uns herum wurden still. Blondie, deren Name mich immer noch nicht interessierte, wobei ich mir sicher war, dass sie ihn mir genannt hatte, legte den Arm um meinen Hals. Sie presste sich dicht an mich. Ihre prallen Brüste drückten sich auf meinen Oberkörper. Und endlich … ja, endlich wurde mir auch wieder körperlich bewusst, dass sie nun mal eine absolut heiße Braut war.

Die Kamera fuhr um uns herum, als wir begannen, uns zu streicheln. Ihre langen Haare strichen immer wieder über meine Schulter, während sie meinen Hals küsste. Scheiße, wenn die Kameras nicht wären, würde ich denen zeigen, was dieses Nicht-Küssen mich interessierte.

Ich trug eine enge Lederhose. Wer zum Teufel kam auf die Idee, bei so einer Szene sowas enges anzuziehen, verflucht noch mal? Bevor ich es überhaupt kommen sah, übernahm mein Schwanz die Führung. Ich packte ihre linke Arschbacke fest und drückte sie noch näher an mich. Sie quiekte mir verdammt laut ins Ohr.

»Cut!«, rief der Regisseur und lief auf uns zu.

Meine Hand lag noch immer auf ihren Arsch. Sie war etwas zu groß für ihre Backe.

»Was?«, fragte ich.

»Mr. Shadows … Sie sollten ruhiger an die Sache gehen. Sie beide sind betört, Sie wollen sie riechen. Nicht … na ja …« Der, der hier das Sagen hatte, wedelte wie bekloppt mit den Händen herum. »Das, was sie da gerade gemacht haben.« Mit rotem Kopf drehte sich der leicht übergewichtige Kerl wieder um. Der Typ war angetan. Der Wichser weidete sich an meiner Show mit Blondie! Professionell ist das nicht, aber wen wundert das.

Mir war klar, wie ich auf andere reagierte. Ich war heiß, begehrt und wusste, wie der Hase lief.

»Uuund … los!«

Blondie begann die gleiche Show wie zuvor. Sie drängte sich an mich, mein Schwanz reagierte wieder sofort auf sie. Diesmal berührte ihre Zunge sogar meinen Hals. Wie zum Teufel sollte man da …

»Stopp!«

Ich sah auf, Blondie hatte ihren Kopf an meinem Hals vergraben. Miss Prescott lief auf uns zu. Ihre Augen funkelten wie verrückt, irgendwas ärgerte sie. Ich ärgerte sie. Von wegen kühl und distanziert. In ihr brodelte es.

»Tanya. Was soll das?«

Blondie schaute auf. Das war also ihr Name.

»Was meinst du?«

Sie waren beim Du? Beide blickfickten sich gerade, aber eher wie zwei heiße Tussis, die sich etwas zu sagen hatten, es aber nicht laut aussprachen.

»Pause. Zehn Minuten«, rief die Prescott, ohne Tanya aus den Augen zu lassen. Zu mir sah sie nicht ein einziges Mal. Merkwürdig, so langsam pisste mich das an. Die Leute bewegten sich nach ihrer Anweisung wie scheue Katzen. Bis nur noch sie mit Anhang, der Regisseur, Blondie und ich mitten im Sand standen.

»Gott, Sid.« Sie hieß also Sid? Blondie hatte den Körperkontakt zwar beendet, stand mir aber dennoch ziemlich nah.

»Jetzt komm doch mal wieder runter. Ist doch völlig bescheuert, sich nicht zu berühren. Wir stehen mitten in der Wüste.« Sie gestikulierte durch den Sand. Recht hatte sie ja. Der Regisseur drückte seufzend seinen Nasenrücken, Matt holte einmal tief Luft. Und Sid? Sie verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und blickte sie weiterhin an, als würde sie über irgendwas nachdenken.

»Tanya ...«, ergriff sie jetzt das Wort. Honig, definitiv Honig. »Du bist die Beste … das weißt du. Du bekommst die meisten Jobs, du verdienst am meisten.«

Was sollte das denn jetzt? Blondies Ego pushen? Sie wirkte jetzt schon mehrere Zentimeter größer als eben noch.

»Aber ...« Sid ging plötzlich auf sie zu. Trotz Highheels lief sie durch den Sand wie eine Fee. Eine Fee? Sie blieb direkt vor ihr stehen. »Ich zahle deine Gehaltschecks. Ich besorge dir die Aufträge. Somit hast du einen Vertrag abgeschlossen. Dir ist hoffentlich noch bekannt, welche Klauseln dieser beinhaltet?« Abwartend blickte sie Blondie an.

»Ja«, antwortete diese seufzend.

»Schön. So lange du dich daran hältst, wirst du weiter der Stern am Himmel der Werbeindustrie sein. Wenn nicht ...« Sid drehte sich zu mir und sah mich an. Fuck, ist sie schön. Ich hätte sie am liebsten gepackt und ihren autoritären Arsch gefickt. Es ihr rausgevögelt. Wobei … dieses ganze Gehabe, wer hier das Sagen hatte und wer nicht, machte mich verdammt noch mal so richtig scharf. Wäre diese enge Lederhose nur nicht.

»... werden Sie mit den Konsequenzen leben müssen. Verstanden, Mr. Shadows?«

Drohte das Miststück mir gerade? Was hatte ich jetzt damit zu tun? Blondie hing an meinem Hals, nicht umgekehrt! Was konnte ich dafür, dass ich gut bei den Frauen ankam?

»Keine Sorge, Miss Prescott.« Ich betonte ihren Namen so würdevoll wie möglich. Achtung, das ist Sarkasmus! »Tanya wird nichts tun, was sie nicht möchte.«

Ich setzte mein bestes Grinsen auf.

3

Sidney

Ich wusste es. Das seltsame Gefühl setzte schon ein, als ich von dem Auftrag erfuhr. Jetzt, zwei Wochen und unzählige Verhandlungen ohne Slim Shadows später, stand es fest. Ich bringe ihn um.

Also, die Freizeit-Sid würde das tun. Die Chefin von Prescott Promotions sah das selbstverständlich anders. Die starrte diesen unverschämt gutaussehenden Musiker an und lächelte so freundlich, wie sie es immer tat.

»Tun Sie Ihren Job, Mr. Shadows. Dafür werden Sie bezahlt.«