Sidecar Crush - Claire Kingsley - E-Book
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Sidecar Crush E-Book

Claire Kingsley

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Beschreibung

Bootleg  Springs - die erfolgreiche Small Town-Reihe der Bestsellerautorinnen Claire Kingsley und Lucy Score!

Reality TV-Star Leah Mae Larkin wollte immer berühmt sein. Nun ist sie mit ihrem Manager Kelvin verlobt, doch glücklich ist sie nicht. Als ein Skandal ihre Karriere bedroht und Kelvins Verhalten immer sonderbarer wird, kehrt Leah nach Bootleg Springs zurück, um ihr Leben neu zu ordnen. Sie trifft ihren Freund aus Kindertagen, Jameson Bodine, wieder und je länger sie bleibt, desto klarer erkennt sie, was im Leben wirklich zählt ...

Jameson verbringt seine Freizeit am liebsten mit seinen Brüdern und der Schwester. Als Leah, sein Schwarm aus Kindertagen, nach Bootleg Springs zurückkehrt, sieht er den Verlobungsring an ihrer Hand und das gefällt ihm nicht. Was findet sie nur an diesem Kelvin, der ganz offensichtlich nicht gut für sie ist? Als sein verstorbener Vater immer mehr in Verdacht gerät, etwas mit dem Verschwinden von Calie Kendall zu tun zu haben, wächst Jameson der ganze Ärger über den Kopf. Nur mit Leah vergisst er all die Sorgen des Alltags. Und leider auch, dass sie nur eine gute Freundin ist …

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Bootleg  Springs - die erfolgreiche Reihe der Bestsellerautorinnen Claire Kingsley und Lucy Score!

Reality TV-Star Leah Mae Larkin wollte immer berühmt sein. Nun ist sie mit ihrem Manager Kelvin verlobt, doch glücklich ist sie nicht. Als ein Skandal ihre Karriere bedroht und Kelvins Verhalten immer sonderbarer wird, kehrt Leah nach Bootleg Springs zurück, um ihr Leben neu zu ordnen. Sie trifft ihren Freund aus Kindertagen, Jameson Bodine, wieder und je länger sie bleibt, desto klarer erkennt sie, was im Leben wirklich zählt ...

Jameson verbringt seine Freizeit am liebsten mit seinen Brüdern und der Schwester. Als Leah, sein Schwarm aus Kindertagen, nach Bootleg Springs zurückkehrt, sieht er den Verlobungsring an ihrer Hand und das gefällt ihm nicht. Was findet sie nur an diesem Kelvin, der ganz offensichtlich nicht gut für sie ist? Als sein verstorbener Vater immer mehr in Verdacht gerät, etwas mit dem Verschwinden von Calie Kendall zu tun zu haben, wächst Jameson der ganze Ärger über den Kopf. Nur mit Leah vergisst er all die Sorgen des Alltags. Und leider auch, dass sie nur eine gute Freundin ist …

Über die Autoren

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen. Ein Leben ohne Kaffee, E-Reader und neu erfundene Geschichten ist für sie nicht vorstellbar. Claire Kingsley lebt mit ihrer Familie im pazifischen Nordwesten der USA.

Lucy Score ist New York Times- und USA Today-Bestsellerautorin. Sie wuchs in einer buchverrückten Familie in Pennsylvania auf und studierte Journalismus. Wenn sie nicht gerade ihre herzzerreißenden Protagonist:innen begleitet, kann man Lucy auf ihrer Couch oder in der Küche ihres Hauses in Pennsylvania finden. Sie träumt davon, eines Tages auf einem Segelboot, in einer Wohnung am Meer oder auf einer tropischen Insel mit zuverlässigem Internet schreiben zu können.

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Claire Kingsley, Lucy Score

Sidecar Crush

Aus dem Amerikanischen von Juna-Rose Hassel

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

Newsletter

Widmung

1: Jameson

2: Leah Mae

3: Jameson

4: Leah Mae

5: Jameson

6: Jameson

7: Leah Mae

8: Leah Mae

9: Jameson

10: Jameson

11: Leah Mae

12: Leah Mae

13: Jameson

14: Leah Mae

15: Jameson

16: Leah Mae

17: Leah Mae

18: Jameson

19: Leah Mae

20: Leah Mae

21: Jameson

22: Leah Mae

23: Leah Mae

24: Jameson

25: Leah Mae

26: Leah Mae

27: Jameson

28: Jameson

29: Leah Mae

30: Jameson

31: Jameson

32: Leah Mae

33: Jameson

34: Jameson

35: Leah Mae

Epilog: Jameson

Liebe Leserin, lieber Leser,

Danksagung

Impressum

Lust auf more?

Für die Liebenden und die Künstler, die in uns allen stecken

1

Jameson

Egal, was meine Schwester sagte – heute Abend hier zu sein, war nicht gut für mich.

Sie hatte mich mindestens ein halbes Dutzend Mal angerufen und darauf bestanden, dass ich aus dem Haus gehe. Warum? Wer konnte das bei Scarlett schon wissen? Wenn sich diese Frau etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es verdammt schwer, sie davon abzubringen. Und offenbar hatte Miss Scarlett Rose entschieden, dass ihr Bruder heute einen Drink im Lookout brauchte.

Und nun, da ich hier schon eine ganze Weile herumsaß, war mir klar geworden, dass sie sich getäuscht hatte. Ich sollte nicht hier sein. Viel glücklicher wäre ich gewesen, wenn ich in meiner Werkstatt geblieben wäre. Ich verdiente meine Brötchen als Metallkünstler und arbeitete gerade an einem großen Auftrag – damit hatte ich weiß Gott genug zu tun. Wie jeder Kerl trank ich natürlich gern ein kaltes Bier, und Nicoletta schenkte gut ein. Was ich aber nicht mochte, war, dass die Hälfte der Leute zu mir herüberschaute.

Sie dachten, sie würden es verdammt geschickt anstellen. Kurze Schulterblicke. Dann Köpfe zusammenstecken und tuscheln.

Ich wandte mich wieder meinem Tisch zu und rutschte auf meinem Barhocker herum. Das Geräusch von einem Dutzend Gespräche waberte um mich herum. Ich wusste, worüber die Leute tuschelten. Wir Bodines wussten das alle. Sie fragten sich, ob unser Dad – der nicht mehr unter den Lebenden weilte – verantwortlich war für das Verschwinden und die mutmaßliche Ermordung von Callie Kendall vor zwölf Jahren.

Ob ich glaubte, dass er es getan hatte? Das wusste ich nicht so recht. Mein Vater und ich hatten uns nicht gerade geliebt, aber das hieß nicht, dass ich ihn für einen Mörder hielt.

Überhaupt konnte zwischen uns und unserem Vater von Liebe keine Rede sein, mit Ausnahme von Scarlett. Sie hatte sich immer am meisten um ihn bemüht. Vielleicht, weil sie die Jüngste war oder das einzige Mädchen. Verdammt, wenn ich das nur wüsste.

Es hatte auch gute Zeiten mit ihm gegeben und mit unserer Mama auch. Ziemlich oft sogar. Doch Dad hatte es uns schwer gemacht. Hatte viel zu viel getrunken. Hatte uns Kindern die Schuld an jedem einzelnen Problem in seinem Leben gegeben. Mein Bruder Gibson hatte das Schlimmste abbekommen. Er war zu einem ganz fiesen Mistkerl herangewachsen, vor allem denen gegenüber, die nicht mit ihm verwandt waren. Manchmal aber auch uns Geschwistern gegenüber. Bowie schien beschlossen zu haben, das Gegenteil von Dad zu werden. Netter Kerl, unser Bowie. Eine Art aufrechter Bürger. Unser Halbbruder Jonah, der nach unserem Vater benannt worden war, hatte nicht das Vergnügen – beziehungsweise Missvergnügen – gehabt, mit unserem Dad aufzuwachsen. Soweit ich das beurteilen konnte, schien das ein Segen gewesen zu sein.

Und ich? Ich war ihm immer aus dem Weg gegangen. Hatte den Kopf eingezogen. Mich unsichtbar gemacht. Das tat ich generell, und meistens bewährte sich das auch.

Aber jetzt klappte das nicht mehr. Nicht, wenn das ganze Städtchen über Jonah Bodine senior und Callie Kendalls verdammte Strickjacke tuschelte. Jetzt zog ich die Blicke auf mich, und das gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht.

Kondenswasser hatte sich auf meiner Bierflasche gebildet, und ein Hauch von Knoblauch-Pommes und Whiskey stieg mir in die Nase. Ich trank einen Schluck und fuhr mit dem Daumen über das kalte Glas der Flasche.

Gegenüber von mir saß Bowie und starrte in sein Bier. Normalerweise war er ein bisschen gesprächiger, doch heute war er ruhiger als sonst. Ich hatte ihn nicht nach dem Grund dafür gefragt. Neben ihm saß June Tucker, sie war in ein Buch vertieft. Ich mochte Juney. Manchmal verwirrte sie mich, aber sie quatschte nicht zu viel und erwartete das auch nicht von mir. Allerdings neigte sie dazu, unangenehme Fragen zu stellen.

Auf ihrer anderen Seite saß Jonah. Wir hatten erst vor ein paar Monaten, als er hier aufgetaucht war und uns gesucht hatte, mitbekommen, dass es ihn überhaupt gab. Er hatte von Dads Tod erfahren und herausgefunden, dass er Geschwister hatte, die er nicht kannte. Natürlich hatte ihn Scarlett ungefähr neunzig Sekunden, nachdem wir ihn kennengelernt hatten, als Bodine anerkannt. Und das war wohl auch richtig so. Jonah war ein anständiger Kerl. Er war sich nicht sicher gewesen, ob er in Bootleg bleiben wollte, und ich wusste nicht, ob er sich hier langfristig niederlassen würde. Keine Ahnung, wie genau es dazu gekommen war, da die Abmachung im sechsten Inning eines Softballspiels der Bootleg Cock Spurs getroffen wurde und ich vom Selbstgebrannten schon total hinüber war –, aber Jonah ist neuerdings mein Mitbewohner.

Ich trank noch einen Schluck Bier, und Scarlett bedachte mich mit einem liebreizenden Lächeln. Sie stand mit ihrem Beau, Devlin, an einem anderen Tisch. Meine Brüder und ich hatten widerstrebend eingewilligt, dass Dev okay war für Scarlett. Wir mussten ihr versprechen, dass wir ihn nicht noch mal in den See werfen würden. Wir haben uns eine Hintertür offengehalten, indem wir versprachen, es nur zu tun, wenn er es verdient hätte. Irgendwann würde sie uns bestimmt dankbar dafür sein. Devlin war offensichtlich völlig vernarrt in Scar, aber jeder Kerl hatte es verdient, dass man hin und wieder seinen Hintern im See versenkte. Selbst die guten.

Normalerweise brach ich kein Gespräch vom Zaun und mischte nur mit, wenn schon eins stattfand, doch nun sah ich June an. »Wo ist Cass heute Abend, Juney?«

Sie zwinkerte mich ganz kurz an. »Sie hat ein Date.«

Mein Blick flackerte zu Bowie. Er presste die Kiefer zusammen, sein Augenlid zuckte. Jetzt wusste ich, dass Bowie heute Abend die Rolle des niedergeschlagenen Bodine übernehmen würde. Er hatte mehr als nur ein Auge auf Junes Schwester, Cassidy Tucker, geworfen, doch aus Gründen, die keiner von uns begreifen konnte, hatte er dahin gehend nie etwas unternommen.

»Soso, ein Date, was?«, meinte ich. »Mit wem trifft sie sich denn?«

»Mit jemandem, den sie online kennengelernt hat«, erwiderte June. »Ich habe ihr erklärt, dass die Wahrscheinlichkeit, mithilfe einer geeigneten Online-Ressource einen passenden Partner zu finden, sehr hoch ist.«

»Du hast ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt?«, fragte Bowie.

»Das ist vollkommen logisch«, sagte June. »Cassidy würde gern einen Mann kennenlernen und daten, der sich voraussichtlich längerfristig binden will. Die Benutzung einer Dating-App wird die Auswahl möglicher Sexualpartner vergrößern.«

»Sexualpartner?«, hakte Jonah nach. »Bei dir klingt das, als wäre sie ein Tier.«

»Streng genommen sind wir alle Tiere«, erklärte June. »Der Homo sapiens wird dem Tierreich zugeordnet.«

»Danke für die Lektion in Naturwissenschaften, Juney«, sagte Bowie.

»Bowie, verspürst du ein Gefühl der Eifersucht, weil Cassidy eine womöglich romantische Begegnung mit einem anderen Mann hat?«, fragte June völlig nüchtern. In ihrer Frage lag weder Sarkasmus noch Witz – sie wollte es einfach nur wissen.

Ich versuchte, mein Grinsen zu verbergen, indem ich einen Schluck Bier trank.

»Nein«, erwiderte Bowie. »Mir geht es gut.«

June zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder ihrem Buch zu.

Scarlett tauchte neben mir auf und versetzte mir mit dem Ellbogen einen Rippenstoß. »Siehst du, Jame? Hab ich doch gleich gesagt, dass dir das guttun würde. Bist du nicht froh, dass du aus deinem Schneckenhaus herausgekommen bist?«

»Nicht besonders.«

»Oh, stopp jetzt mal«, hielt sie dagegen. »Was seid ihr denn bloß alle so negativ drauf? Bowie, guck nicht so finster. Du siehst schon aus wie Gibs.«

»Wer sieht aus wie ich?«, fragte Gibs.

Er war hinter Scarlett getreten, in der Hand eine Flasche Wasser. Der Älteste und die Jüngste der Bodines waren totale Gegensätze, und zwar nicht nur, was das Geschlecht anging. Scarlett war winzig, während Gibson der größte von uns allen war. Und er ähnelte Dad am meisten, was ihm bestimmt überhaupt nicht gefiel.

»Bowie«, meinte Scarlett. »Er versucht da drüben gerade, sein Bier sauer zu machen.«

Gibson grunzte nur.

»Ihr seid echt ein trauriger Haufen«, sagte Scarlett. »Und ihr wisst genau, warum.«

»Warum denn?«, fragte Bowie.

Ich hätte ihn gern unter dem Tisch getreten, da er sie auch noch ermutigte.

»Weil ihr Singles seid«, entgegnete Scarlett. »Hier bin ich, die Jüngste der Bodines, und ich habe diesen atemberaubenden Mann. Und ihr armen Kerle wartet immer noch darauf, dass ihr jemanden findet.«

»Wer sagt denn, dass wir das wollen?«, hakte Gibson nach.

Sie schlug ihm auf den Arm. »Um dich geht es doch gar nicht, du Miesepeter. Solltest du eine Frau finden, die es mit dir aufnimmt, dann schwöre ich, kochen zu lernen, damit ich ihr den besten Pecan Pie in ganz Olamette County backen kann. Den hat sie sich dann verdient.«

Gibson schnaubte und trank einen Schluck Wasser.

»Aber ihr anderen.« Sie deutete auf uns Übrigen am Tisch. »Ihr solltet darüber nachdenken. Sucht euch jemanden. Lasst euch nieder. Das würde euch guttun.«

»So wie es mir guttut, auf ein Bier hierherzukommen?«, fragte ich.

»Ja«, sagte sie und bohrte mir den Zeigefinger in die Schulter. »Genau so, nur besser. Komm schon, Jame, diese Frau, mit der du da zusammen bist, zählt nicht, wenn du sie nicht mal mitbringst, damit sie deine Familie kennenlernt.«

»Ich bin nicht mehr mit ihr zusammen.«

»Was?«, fragte Scarlett, und ihre Stimme hob sich dabei um mehrere Oktaven. Devlin, der hinter ihr aufgetaucht war, hielt inne, als wäre er sich nicht sicher, ob er näher kommen oder lieber abwarten sollte, ob es gefährlich wurde. »Seit wann denn das?«

Ich verdrehte die Augen und beugte mich über mein Bier. Die Hälfte der übrigen Gäste sah nun unverhohlen zu uns herüber. Die andere Hälfte spitzte die Ohren.

»Himmel, jetzt mach doch keine Szene«, sagte ich. »Es ist schon eine ganze Weile beendet. Und das ist gut so.«

Ich war ein paar Jahre lang mit Willa Sawyer zusammen gewesen, einer Frau, die drüben in Maryland lebte. Es war so eine On‑off-Geschichte gewesen. Fernbeziehung. Manchmal war sie hierher zu mir gekommen, manchmal ich zu ihr. So richtig ernst war es nie, aber wenn wir uns sahen, hatten wir eine gute Zeit miteinander gehabt. Dann hatte sie etwas Festeres gewollt, als ich ihr geben konnte. Sie hatte einen anderen kennengelernt und wollte bald heiraten. Ich hatte nichts dergleichen und stand allein da, aber ich freute mich für sie. Sie war sehr nett und hatte es verdient.

»Na, das hättest du uns doch sagen können«, meinte Scarlett. »Ich dachte, du hättest deine Gründe, sie vor uns geheim zu halten. Weil du dich für uns schämst oder so.«

Devlin schien beschlossen zu haben, dass es ungefährlich war, näher zu kommen. Er trat neben Scarlett und schlang ihr den Arm um die Taille.

»Sei nicht albern, Scar«, antwortete ich. »Ich habe sie nicht geheim gehalten, und du weißt genau, dass ich mich nicht für euch schäme. Es war eben nur nichts Ernstes.«

»Ein Jammer, dass es vorbei ist«, sagte Gibson. »Scheint, als hättest du da was Gutes am Laufen gehabt. Ein wenig Action, wenn dir danach ist, und sonst keine Scherereien.«

»Ist das nicht genau die Art von Beziehung, wie du sie hast?«, fragte Scarlett. Ihr Tonfall verriet, was sie von Gibsons Dating-Gepflogenheiten – beziehungsweise dem Mangel daran – hielt. »Action, wenn einem danach ist. Keine Scherereien … Das heißt, keine Verpflichtungen gegenüber jemandem, keine feste Bindung.«

»Scarlett, nur weil ihr euch wie liebeskranke Welpen aufführt, heißt das noch lange nicht, dass wir Übrigen nun alle losziehen müssen, um uns zu binden«, sagte Gibson.

Scarlett verdrehte die Augen und wandte ihm den Rücken zu. »Was ist mit dir, June? Hast du ein Auge auf irgendjemand Bestimmtes geworfen?«

June sah sie über den Rand ihres Buches hinweg an. »Nein.«

»Jonah?«, fragte Scarlett.

»Sorry, Scarlett«, erwiderte Jonah. »Eigentlich nicht.«

Scarlett schnaubte und packte Devlin am Arm. »Ihr seid alle langweilig. Komm, lass uns Billard spielen gehen.«

Sobald Scarlett weg war, wurde es an unserem Tisch merklich ruhiger. Sie tänzelte um den Billardtisch herum und wackelte mit ihrem Hinterteil vor Devlin herum. Es brachte mich noch immer auf die Palme, wie er sie anschaute, und ich musste mir ins Gedächtnis rufen, dass Scarlett nun seine Freundin war. Er durfte sie so anschauen. Ehrlich gesagt, sollte er sie sogar so anschauen.

Wahrscheinlich konnte überhaupt kein Kerl in Scarletts Leben je gewinnen, nicht mit uns als ihren Brüdern. Wenn er sie mit diesem hungrigen Blick ansah, hätte ich ihm am liebsten eine reingehauen. Aber wenn er sie nicht so angeschaut hätte, hätte ich ihn dafür gehasst, dass er sie nicht zu schätzen wüsste.

Der Fernseher hinter mir erregte meine Aufmerksamkeit, und der Geräuschpegel in der Bar senkte sich ein wenig. Nicolette hatte soeben zu einer Realityshow mit dem Titel Roughing It umgeschaltet.

Das Konzept hinter der Show war nichts Besonderes. Eine Gruppe B‑Promis steckte in einer Hütte im Wald oder sonst wo fest und musste ohne modernen Komfort zurechtkommen. Meistens kam es dann zu irgendwelchen Dramen zwischen den Mitwirkenden, während sie durch den Wald stolperten. Eindeutig nichts, was ich mir unter normalen Umständen anschauen würde.

Doch mein Interesse – und das Interesse aller anderen in Bootleg – rührte von der Tatsache her, dass Leah Mae Larkin in der Show mitspielte.

Leah Mae war eine von uns. Eine aus Bootleg. Sie hatte hier gelebt, bis sie zwölf war. Dann hatte sich ihre Mama von ihrem Daddy scheiden lassen und war mit ihr weggezogen. Danach hatte sie eine Zeit lang den Sommer hier verbracht – bis der Rest der Welt gemerkt hatte, wie hübsch sie war, und sie Model wurde. Inzwischen ließ sie das Mae in ihrem Namen weg und nannte sich Leah Larkin.

Damals, als sie noch Leah Mae gewesen war, gehörte sie zu meinen wenigen Freunden. Vielleicht war sie sogar meine beste Freundin gewesen.

Ich hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Und es war auch nicht so, dass ich irgendwelche törichten unerwiderten Gefühle für sie hegte. Im Prinzip war sie ja nun berühmt. Mich interessierte nur, was sie machte, schließlich war nicht jeden Tag jemand aus Bootleg im Fernsehen.

Ich verlagerte mein Gewicht ein wenig auf meinem Hocker, um den Bildschirm besser sehen zu können. Da war sie: Leah Mae stand vor dem Spiegel und fasste ihre langen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie wollte schon immer ins Fernsehen. Als Kind hatte sie sich immer Stücke ausgedacht und die Hauptrolle darin gespielt. Ich konnte gar nicht zählen, wie viele Stunden wir damit verbracht hatten. Sie hatte sich verkleidet und war herumgewirbelt. Dabei hatte sie mir erzählt, dass sie später mal eine berühmte Schauspielerin werden wollte.

Es folgte ein Schnitt, und die Kandidatinnen und Kandidaten waren zu sehen, die auf den nahe gelegenen See hinausruderten, um zu angeln. Wohl eine dieser Challenges, die sie immer bewältigen mussten. Jede Woche wurde jemand vom Publikum aus der Show herausgewählt, und Leah Mae hatte es bisher immer geschafft, drinzubleiben.

Ich versuchte, dem Ganzen nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken, doch dann wurde gezeigt, wie Leah Mae mit ihrer Angelrute kämpfte. Irgendwie sah es so aus, als wüsste sie nicht, wo vorne und hinten war, aber das konnte gar nicht sein. Leah Mae würde es beim Angeln mit jedem aufnehmen, und das wussten wir alle. Klar, bei dem glamourösen Lebensstil, den sie inzwischen pflegte, posierte sie für Fotos und spazierte über den Laufsteg. Bestimmt kam sie da nicht oft zum Angeln. Aber Angeln war wie Fahrradfahren, man verlernte es nicht.

Der Kerl, der mit ihr im Boot saß, fragte sie, ob sie Hilfe brauchte. Brock Winston. Das Weichei mit der Gitarre. Seine Musik war gar nicht so übel, dennoch hatte ich ihn von der ersten Minute, in der ich ihn mit Leah Mae in dieser Show gesehen hatte, gehasst. Er war mit einer Schauspielerin verheiratet, aber offensichtlich schmiss er sich auf eine Art und Weise an Leah Mae ran, wie es ein Mann, der bereits vergeben war, nicht tun sollte.

Verdammte Promis. Genügte diesem Typen nicht eine berühmte Frau? Musste er auch noch mit einer anderen flirten?

Brock richtete die Angelrute, und die Kamera zoomte heran. Ihre Augen erregten meine Aufmerksamkeit, bannten mich. Damals, als wir Kinder waren, hatte sie immer dieses Funkeln in den Augen gehabt, wenn sie eine Rolle gespielt hatte. Doch jetzt war da kein Funkeln mehr. Ihre Augen waren ausdruckslos. Sie war zwar immer noch verdammt hübsch, aber das war nicht Leah Mae. Sie sah gar nicht mehr wie das Mädchen aus, das ich einst kannte. Sondern wie eine Frau, die man in einen Käfig gesperrt hatte und dazu zwang, Kunststückchen aufzuführen.

Leah Mae wandte sich Brock zu, und die Kamera schwenkte auf ihn. Er sah sie mit einem Blick an, den ich nur allzu gut kannte. Ein eindeutiger Ich-will-dich-heute-Nacht-ficken-Blick. Den hatten alle Männer drauf, und bei aufmerksamer Beobachtung konnten wir ihn bei den anderen wahrnehmen. Und genau so sah Brock Winston nun Leah Mae Larkin auf Nicolettes dämlichem Großbildschirm an.

Ich wandte mich wieder meinem Bier zu. Den Rest wollte ich gar nicht sehen.

»Ich wette, die beiden treiben es miteinander, sobald die Kameras aus sind«, sagte Rhett Ginsler hinter mir.

»Meinst du?«, fragte Trent McCultry.

»Hundertpro«, erwiderte Rhett. »Sie tut so unschuldig, aber ich wette zehn Dollar und eine Flasche Selbstgebrannten, dass sie sich nachts von diesem Brock nageln lässt.«

Meine Rückenmuskeln verkrampften sich, und ich umklammerte mein Bier.

»Vielleicht dreht sie nur für die Kamera so auf«, meinte Trent.

»Kann sein«, räumte Rhett ein. »Aber Leah Mae ist ohnehin ein geltungssüchtiges Luder.«

Ich stand so schnell auf, dass mein Hocker hinter mir umfiel und mit lautem Krachen auf dem Boden aufschlug. Ohne mir dessen bewusst zu sein, wie ich dort hingeraten war, stand ich plötzlich hinter Rhett und Trent, die Hände zu Fäusten geballt.

»Du hörst jetzt mal besser auf, Scheiße über sie zu labern«, knurrte ich leise.

Ehe ich den Satz zu Ende gebracht hatte, flankierten mich bereits Bowie und Gibs, zum Kampf bereit. Wahrscheinlich hatten sie gar nicht mitbekommen, was mich so in Rage versetzt hatte, aber das war ihnen ohnehin egal. So wurden die Dinge bei uns eben geregelt. Wir standen einander bei. Vielleicht traten sie mir später dafür in den Hintern, falls ich sie in etwas Dummes hineinzog – allerdings war es meist Gibson, der uns in etwas Dummes hineinzog, nicht ich. Ich war gewillt, die Konsequenzen zu tragen. Niemand benutzte das Wort Luder in einem Satz, in dem Leah Maes Name vorkam. Jedenfalls nicht in meiner Hörweite.

Rhett drehte sich auf seinem Hocker zu mir um. »Was geht’s dich an?«

»Sie ist eine von uns.«

Er schnaubte und trank einen Schluck von seinem Bier. »Ja, klar. Und wie lange ist es her, seit sie einen Fuß nach Bootleg gesetzt hat?«

»Das spielt keine Rolle«, sagte Bowie, und Gibson knurrte zustimmend. »Jameson hat recht.«

»Und dagegen willst du wohl was unternehmen?«, fragte Rhett.

Alle Blicke waren nun auf uns geheftet. Grenzen wurden gezogen. Ein paar weitere Typen standen in der Nähe, sie waren eindeutig auf Rhetts Seite. Als würde mich das jucken. Jonah stand zu Gibsons Rechten. Er war zwar nicht hier aufgewachsen, wusste aber, wie der Hase lief.

»Da hast du verdammt recht, dagegen werde ich etwas unternehmen«, sagte ich.

Rhett stand auf. Er war ungefähr so groß wie ich und konnte mir in die Augen sehen. Ich starrte mit hartem Gesicht und zusammengepressten Kiefern zurück.

»Ihr tretet mal besser von meiner Bar zurück, wenn ihr euch prügeln wollt«, meinte Nicolette.

»Ach, Shit.« Scarletts Stimme.

Devlin tauchte neben Bowie auf, er krempelte die Ärmel hoch, doch dann beugte er sich vor und sagte leise: »Ruhig, Jungs. Ihr sollt euch von Ärger fernhalten.«

»Gerechtigkeit à la Bootleg, Dev«, entgegnete Bowie, wobei er Rhett und Trent keine Sekunde aus den Augen ließ.

»Ich weiß, ich weiß«, sagte Devlin.

Ich war nicht dumm. Zuerst zuzuschlagen, war keine gute Idee, wenn es sich vermeiden ließ. Aber wenn ich nicht zuerst zuschlug …

»Warum hängst du hier überhaupt ab, Rhett?«, fragte ich. »Solltest du nicht besser deine Freundin im Auge behalten?«

»Was soll das denn heißen?«, wollte Rhett wissen.

Ich zuckte mit den Schultern. »Die Leute sagen, Misty Lynn macht mit Wade Zirkel rum. Wahrscheinlich kriegst du keinen hoch, so dass sie sich anderswo umschauen muss.«

»Du Wichser.« Rhett holte mit der Faust aus, und ich ließ es auf mich zukommen. Er erwischte mich am Kiefer.

Rhetts Schlag war die Einladung, die ich gebraucht hatte. Ich versetzte ihm voll eins auf die Nase, während um mich herum die Hölle losbrach. Rhett hielt sich die Hände vors Gesicht und brüllte, Blut tropfte ihm vom Kinn. Gibson und Bowie stürzten sich ins Getümmel, stießen und schlugen alle, die ihnen entgegentraten. Sogar Dev und Jonah mischten mit.

Das Handgemenge war schnell vorbei, und ich ließ zu, dass mich jemand nach hinten zog. Ich hatte Rhett die Nase blutig geschlagen, und das erfüllte mich mit Genugtuung. Wie es aussah, war niemand schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Rhett war der Einzige, der blutete, aber Trent sah aus, als würde er ein blaues Auge bekommen. Gibson bog ein paarmal die Finger durch. Alle anderen funkelten sich gegenseitig finster an und gingen dann zurück auf ihre Plätze.

»Jameson, was zum Teufel sollte das denn?«, fragte Scarlett. Sie fasste mir an den Kiefer und neigte mein Gesicht nach hinten, um nachzusehen, ob ich verletzt war.

»Rhett sollte sich mal zusammenreißen, das ist alles«, sagte ich und befreite mit einem Ruck mein Kinn aus ihrem Griff. »Ich gehe nach Hause. Wir sehen uns.«

»Wenn du so dringend nach Hause wolltest, hättest du auch einfach gehen können, ohne zuerst jemandem ins verdammte Gesicht zu boxen«, rief Scarlett mir nach.

Ich trat hinaus und ignorierte dabei die Blicke, die mir folgten. Ja, wenn man eine Schlägerei anfing, schauten die Leute her – und tratschten. Allerdings war ein kleines Handgemenge freitagabends im Lookout an der Tagesordnung. Aber ich konnte nicht hinnehmen, dass Rhett Ginsler, der nutzlos und dumm war wie eine Amöbe, so über Leah Mae redete. Ich war mal mit ihr befreundet gewesen, und das bedeutete mir immer noch was. Der Volltrottel sollte sich an seine Manieren erinnern.

Als ich zu Hause war, scrollte ich möglicherweise ein wenig durch ihren Instagram-Account. Und möglicherweise hatte ich mir das in letzter Zeit ein wenig angewöhnt. Eine Angewohnheit, die ziemlich dumm war, und das wusste ich. Zwischen mir und Leah Mae war nie was gelaufen, als sie noch ein normales Mädchen gewesen war und im Sommer ihren Daddy besucht hatte. Und ganz sicher würde es nie dazu kommen, dass je etwas zwischen uns laufen würde.

2

Leah Mae

Die Landschaft rauschte als grün-brauner Streifen an uns vorbei. Ich hatte mich auf diese Fahrt gefreut – ich war schon so lange nicht mehr da draußen gewesen –, aber ich konnte an nichts anderes denken als an die Episode von Roughing It gestern Abend.

»Wie konnten sie mir das nur antun?«, fragte ich.

Kelvin hatte die Hände am Lenkrad unseres Mietwagens, sein Handy steckte in einem Halter am Armaturenbrett und zeigte eine Karte mit der Route nach Bootleg Springs. Er trug ein Hemd von Ralph Lauren und graue Slacks. Auf seiner Nase prangte eine Versace-Sonnenbrille. Kelvin Graham sah wie ein Model aus, auch wenn ich diejenige war, die in dieser Branche Karriere machte. Aber er hatte im zarten Alter von sechzehn ebenfalls als Model angefangen. Er hatte diesen adretten Abercrombie-and-Fitch-Look. Dunkles Haar und haselnussbraune Augen. Muskulöser Körper. Perfekter Knochenbau.

Allerdings gefiel ihm der geschäftliche Teil der Modelbranche mehr, als selbst vor der Kamera zu stehen. Er war nicht der Typ, der sich gern sagen ließ, was er zu tun hatte. Inzwischen hatte er seine eigene Agentur und managte meine Karriere und die Dutzender anderer Models. So konnte er sich Bartstoppeln wachsen lassen, seine Haare schneiden oder ein paar extra Kilo magerer Muskeln zulegen, und niemand konnte ihm das verbieten.

»Babe, du machst aus einer Mücke einen Elefanten«, sagte er, ohne mich anzusehen. »Wir wussten beide, dass sie es so aussehen lassen würden, als würdet Brock und du flirten.«

»Das haben wir aber nicht. Und ich sage dir, die Angelrute hat irgendwer manipuliert. Ich weiß, wie man angelt. Sie haben mich absichtlich wie eine Idiotin hingestellt.«

»Du hast großartig ausgesehen.« Er lächelte mich an.

Ich blickte auf mein Handy hinunter. Die Klatschspalten quollen davon über, ob sich wohl zwischen Leah Larkin und Brock Winston aus Roughing It etwas anbahnen würde. Würde sie Brock seiner liebreizenden Ehefrau Maisie Miller ausspannen?

Es war zum Kotzen. Beim Dreh hatte Brock wie ein netter Kerl gewirkt, doch selbst wenn wir beide Single gewesen wären, hätte ich mich nicht für ihn interessiert. Er war zu oberflächlich. Zu eindimensional. Er hatte eine schöne Singstimme, aber er schrieb keine eigenen Songs. So kreativ war er nicht. Bei den Dreharbeiten hatte ich viel Zeit mit ihm verbracht – keine Ahnung, ob er überhaupt je eigenständig gedacht hatte.

Und Brock war definitiv nicht Single. Er hatte in aller Öffentlichkeit eine Liebesaffäre mit Maisie Miller angefangen, als sie in der Promi-Jury von Talent USA gesessen hatten. Das ganze Land war gefesselt gewesen von ihren schmachtenden Blicken und geflüsterten Koketterien vor der Kamera. Als die Paparazzi sie eines Abends in einem abgelegenen Bistro bei einem Kuss erwischt hatten, waren alle durchgedreht. Die Leute hatten die Daumen gedrückt, dass sie sich ineinander verliebten, und als es dann passierte, war es so etwas wie das große Happy End, auf das die ganze Welt gewartet hatte. Und nun prophezeiten alle, dass ich das Luder war, das diese perfekte Liebe zerrüttete.

Nun, das hatte ich aber nicht getan. Die Dreharbeiten für die Show waren bereits beendet, und soweit ich wusste, war Brock inzwischen wieder bei Maisie in L. A. Sie hatten sich ruhig verhalten in den sozialen Medien, genau wie alle anderen Mitwirkenden auch. Unsere Verträge legten fest, was wir vor der Ausstrahlung der Episoden preisgeben durften und was nicht, deshalb war es am einfachsten, für eine Weile abzutauchen.

Ich blickte auf den Ring an meiner linken Hand hinunter. Ich war auch kein Single mehr, auch wenn die Welt das noch nicht wusste. Kelvin hatte darauf bestanden, dass wir unsere Verlobung geheim hielten, bis die komplette Staffel von Roughing It ausgestrahlt wäre. Während der Dreharbeiten hatte ich meinen Ring zu Hause gelassen, wir mussten es also allen noch mitteilen außer meiner Mom und meinem Stiefvater. Und die hielten es unter Verschluss.

Nun waren wir unterwegs in meine Heimatstadt, um es meinem Dad zu sagen.

Ich war in Bootleg Springs, West Virginia, aufgewachsen, und nach der Scheidung meiner Eltern hatte ich dort immer den Sommer bei meinem Dad verbracht. Ich hatte so viele gute Erinnerungen an Bootleg. Lange Tage draußen in der Sonne, Limonade und Eisteeschlürfen. In den See springen, der warm wie Badewasser war. Durch die Wälder pirschen. Bei Sonnenuntergang hungrig, schmutzig und müde nach Hause kommen.

Mit sechzehn war ich zum letzten Mal in Bootleg gewesen. Das war der Sommer gewesen, in dem Callie Kendall verschwunden war. Sie war in meinem Alter gewesen und hatte ebenfalls jeden Sommer in Bootleg verbracht. Sobald meine Mutter von ihrem Verschwinden erfahren hatte, hatte sie darauf bestanden, dass ich nach Jacksonville zurückkehrte.

Kurz danach hatte meine Modelkarriere Fahrt aufgenommen. Dauernd hatte ich Vorsprechen und Castings, Fotoshootings und Modenschauen. Alles ging schnell, und mein Leben hatte sich praktisch über Nacht völlig verändert. Es war leichter gewesen, meinen Dad im Flieger dorthin kommen zu lassen, wo immer ich mich gerade aufhielt, als selbst den Trip nach West Virginia auf mich zu nehmen.

Doch dieses Jahr war es meinem Dad nicht besonders gut gegangen. Er hatte zwar schon vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört, aber trotzdem andauernd Lungenprobleme. Letzten Winter war er mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus gekommen und hatte mir erst davon erzählt, als er schon wieder zu Hause war. Ich war immer noch sauer auf ihn, weil er mir das verheimlicht hatte, aber er hatte verhindern wollen, dass ich mir Sorgen machte.

Er war mein Daddy. Natürlich hätte ich mir Sorgen gemacht.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn nicht schon früher besuchen gekommen war. Aber die Dreharbeiten zu Roughing It waren dazwischengekommen, und danach musste ich noch ein paar Fotoshootings über mich ergehen lassen. Doch für die absehbare Zukunft war mein Terminplan übersichtlicher, Kelvin und ich wollten über meinen nächsten Karriereschritt nachdenken. Weil wir ausnahmsweise mal freihatten und obendrein nun verlobt waren, hatte ich beschlossen, dass es an der Zeit war, mal wieder nach Bootleg Springs zu fahren.

Auch wenn ich seit gut zwölf Jahren nicht mehr hier gewesen war, war mir die Straße immer noch vertraut. Und als wir in das Städtchen hineinfuhren, schien es mir, als würde ich eine Zeitreise machen.

»Willst du mich verarschen?«, entfuhr es Kelvin, als die ersten Gebäude in Sicht kamen.

»Was?«, fragte ich.

Er blickte mich über seine Sonnenbrille hinweg an. »Nichts. Es ist nur … du hattest gesagt, es sei eine Kleinstadt in West Virginia. Mir war nicht klar, dass du Kuhkaff in West Virginia meintest.«

»Komm schon, Kelvin, sei kein Snob. Es ist bezaubernd hier.«

»Das ist nicht das Wort, das ich verwenden würde«, erwiderte er. »Aber okay.«

Ich verdrehte die Augen und sah aus dem Fenster. Man musste um das Städtchen herumfahren, um zum Haus meines Vaters zu gelangen. Ich würde Kelvin später herumführen. Soweit ich sehen konnte, sah Bootleg Springs noch so aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Dad hatte mir erzählt, es sei gewachsen, weil die Touristen die heißen Quellen für sich entdeckt hätten. Doch bisher hatte es noch denselben Charme, an den ich mich noch so gut erinnerte.

Mein Dad wohnte etwa fünf Minuten außerhalb. Kelvin warf mir einen fragenden Blick zu, als wir auf die geschotterte Zufahrt abbogen, sagte aber nichts. Wir holperten über die Schotterpiste, bis das Haus in Sicht kam.

Dads Haus war ein wenig heruntergekommener, als ich es in Erinnerung hatte. Die Holzlatten waren verwittert, und die Veranda vorne hing neuerdings ein bisschen durch.

Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht, als ich meinen Dad entdeckte. Er saß in seinem alten Schaukelstuhl auf der Veranda, genau wie immer. Kelvin hielt an, und ich sprang aus dem Wagen.

»Hey, Daddy.«

Mein Herz zog sich zusammen, als ich sah, wie langsam er sich aus dem Stuhl erhob. Und dann auch noch der Schlauch unter seiner Nase, der an ein Sauerstoffgerät angeschlossen war – fast wäre ich in Tränen ausgebrochen bei seinem Anblick.

»Leah Mae, mein Sonnenschein«, grüßte er mich und streckte die Arme aus. Sein Haar war inzwischen eher grau als blond, und die Falten in seinen Augenwinkeln und auf der Stirn waren tiefer geworden. Er trug ein verwaschenes gestreiftes Arbeitshemd und eine Jeans, die schon bessere Tage gesehen hatte.

Ich ging die knarrenden Stufen hinauf. »Dad, du hast mir gar nicht erzählt, dass du Sauerstoff brauchst.«

»Ach das?«, sagte er und zupfte an dem durchsichtigen Gummischlauch. »Das ist nichts. Nur ein bisschen zusätzliche Unterstützung. Ich brauche das nicht mehr lang.«

Vorsichtig erwiderte ich seine Umarmung und war überrascht, wie weit meine Arme um ihn herumreichten. Dad war immer ein kräftiger Mann gewesen – hochgewachsen, mit einem Brustkorb wie ein Fass und von harter Arbeit gestählten Armen. Groß war er noch immer – ich maß knapp eins achtzig, doch neben seinen eins fünfundneunzig kam ich mir immer noch ein wenig wie ein kleines Mädchen vor. Aber er fühlte sich so viel schmaler an – sein Umfang schwand, sei es durch das Alter oder durch seine Krankheit.

Er war erst vierundfünfzig – viel zu jung für so etwas.

»Wie schön, dich zu sehen«, sagte ich, während ich mich von ihm löste. Hinter mir knarrten die Stufen unter Kelvins Füßen. »Daddy, das ist Kelvin Graham. Kelvin, das ist mein Dad, Clay Larkin.«

Das Lächeln verschwand aus Dads Gesicht, und er richtete sich auf. Er war knapp zehn Zentimeter größer als Kelvin, und offenbar wollte er dieses Pfund in die Waagschale werfen.

»Mr. Larkin«, sagte Kelvin glatt, während er seine Hand ausstreckte.

Dad zögerte einen Moment, ehe er sie schüttelte. »Kelvin, was?«

Kelvins Blick flackerte zu mir, als wäre er nicht sicher, wie er darauf reagieren sollte. »Ja, also schön, Sie endlich kennenzulernen. Ich glaube, als Sie Leah das letzte Mal besucht haben, war ich geschäftlich unterwegs.«

»Das mag sein«, sagte Dad.

Ich hatte schon damit gerechnet, dass mein Dad Kelvin gegenüber anfangs ein wenig unterkühlt wäre. So war das mit den Vätern aus Bootleg. Er würde sich bestimmt bald für ihn erwärmen.

Hoffte ich.

»Na, Daddy, dürfen wir reinkommen? Es war eine lange Fahrt vom Flughafen hierher.«

Dads Lächeln kehrte zurück. »Natürlich, Liebes. Komm rein.«

Kelvin trat zurück und blickte mit den Händen in den Hosentaschen am Haus hinauf, während Dad hineinschlurfte. Sein Sauerstoffgerät zog er hinter sich her.

Drinnen war es sauber und gemütlich, in der Ecke standen ein Holzofen und ein durchgewetztes Sofa, auf dem eine Decke ausgebreitet war. Es roch ein wenig nach Kiefern und Zimt. An den Wänden hingen in nicht zusammenpassenden Bilderrahmen ein paar Fotos von mir als kleines Mädchen.

Dad ging zu seinem alten Fernsehsessel hinüber und ließ sich hineinsinken. Es dauerte einen Moment, bis er seine Schläuche zurechtgerückt hatte. Kelvin folgte mir hinein, blieb aber stehen, während ich mich auf die Couch setzte.

»Schön hast du es hier«, sagte ich. »Betsy Stirling kommt doch noch her und hilft dir, oder?«

»Ja, Betsy kommt regelmäßig«, erwiderte er. »Sie sieht nach mir und hilft mir, hier Ordnung zu halten.«

Dad hatte sich dagegen gesträubt, jemanden einzustellen, der ihm im Haushalt unter die Arme griff, doch nach seinem Krankenhausaufenthalt hatte ich darauf bestanden. Und Betsy Stirling war perfekt. Sie arbeitete Teilzeit als Krankenschwester unten in der Bootleg Springs Clinic und hatte nach einem Nebenjob gesucht. Betsy unterstützte Dad beim Einkaufen und Putzen, und außerdem hatte sie ein Auge auf seine Gesundheit. Ich fühlte mich viel besser, seit sie da war.

»Wie lange habt ihr vor, hierzubleiben?«, fragte Dad.

»Ein paar Tage«, sagte Kelvin.

Ich blickte zu ihm auf und zog die Augenbrauen nach oben. Unser Rückflug nach L. A. war erst in einer Woche. Aber wir würden Bootleg Springs am Freitagnachmittag verlassen, weil Kelvin darauf bestanden hatte, von Pittsburgh aus zu fliegen – als wäre mit den Flughäfen in West Virginia irgendwas nicht in Ordnung. Trotzdem waren das mehr als ein paar Tage.

»Eigentlich sind wir bis Freitag hier.«

Kelvin räusperte sich, widersprach jedoch nicht.

»Jedenfalls gibt es da etwas, worüber Kelvin und ich mit dir sprechen wollten.« Mein Herz schlug schneller, und meine Finger prickelten. Ich wusste nicht, weshalb es mich so nervös machte, ihm zu erzählen, dass wir heiraten würden. Bei Mom war es nicht so schwierig gewesen. Aber bei ihr konnte ich besser einschätzen, wie sie reagieren würde. Bei Dad? Da konnte es so und so laufen. Und so hinfällig, wie er gerade schien, wollte ich ihn nicht zu sehr schockieren.

»Okay«, sagte er und legte die Hände auf den Oberschenkeln ab. Sein Blick flackerte kurz zu Kelvin hinüber, ehe er wieder auf mir ruhte.

»Nun, du weißt, dass Kelvin und ich schon ein paar Jahre zusammen sind«, begann ich. »Wir haben beschlossen zu heiraten.«

»Ach«, sagte Dad. »Ist das so?«

»Ja.« Ich bemühte mich, meine Stimme weiterhin fröhlich klingen zu lassen. »Wir können noch nicht in der Öffentlichkeit darüber reden, aber wir wollten es dir mitteilen, solange wir hier sind.«

Dad verschränkte die Arme und musterte Kelvin mit hartem Blick. »Hast du schon um ihre Hand angehalten?«

Kelvin blinzelte. »Um ihre Hand angehalten? Wir haben beschlossen zu heiraten, ja.«

»Hast du da nicht was vergessen, mein Junge?«, fragte Dad.

»Ich glaube, ich verstehe nicht …«

»Ich erinnere mich nicht daran, dass du je zu mir gekommen bist und mich um Erlaubnis gefragt hast.«

Kelvin zog die Augenbrauen zusammen und brachte ein kleines Lächeln zustande. »Na ja, nein, aber das ist auch ein sehr altmodischer Brauch, finden Sie nicht?«

»Hier wird das aber so gemacht«, erwiderte Dad.

»Okay …«, sagte Kelvin. »Aber Leah ist eine achtundzwanzigjährige Frau, kein Mädchen, das mit einer Mitgift übergeben wird.«

»Daddy.« Ich legte ihm die Hand aufs Knie. »Kelvin hat nicht gewusst, dass dir das so wichtig ist. So etwas macht inzwischen nicht mehr jeder. Es ist meine Schuld, ich hätte es ihm sagen sollen.«

Dad sah mich an, sein Blick bohrte sich tief in meine Augen. »Willst du diesen Mann heiraten?«

»Ähm, ja.«

Er hielt meinen Blick noch eine Sekunde länger, nahm mich unter die Lupe. Ich bemühte mich, nicht herumzuzappeln. Er seufzte, als würde er sich mit etwas Unangenehmem abfinden. »Wann ist die Hochzeit?«

»Wir haben noch kein Datum festgelegt.«

»Das hängt von unseren Terminkalendern ab«, erklärte Kelvin. »Wahrscheinlich haben wir gar keine Zeit für etwas Ausgefallenes. Ich habe mir gedacht, wir fliegen einfach nach Vegas, sobald Roughing It ausgestrahlt wurde.«

Überrascht sah ich Kelvin an. Er hatte bisher noch nie erwähnt, dass er in Vegas heiraten wollte. »Du willst keine Hochzeitsfeier?«

»Die können wir immer noch nachholen, Babe«, sagte er. »Aber so können wir es irgendwo dazwischenschieben, wenn wir beide ein paar Tage freihaben. Komm schon, willst du etwa nicht von Elvis verheiratet werden?«

Mir fiel die Kinnlade herunter. »Nein, ich will nicht von Elvis verheiratet werden.«

Er lächelte. »Weißt du, was? Du hast ja recht. Wenn wir eine pompöse Hochzeitsfeier veranstalten, könnten wir das in eine große PR‑Nummer umwandeln. Wir könnten die Rechte an unseren Hochzeitsfotos verkaufen.«

Ich glotzte ihn an. »Wir werden die Rechte an unseren Hochzeitsfotos nicht verkaufen. Wovon sprichst du eigentlich?«

»Gut, dass du es angesprochen hast«, sagte Kelvin. »Wir wären verrückt, wenn wir das nicht täten. Wir sollten sofort anfangen zu planen, wenn wir aus deinem Auftritt in der Show Kapital schlagen wollen.«

Er ging nach draußen und zog unterwegs sein Handy aus der Tasche. Die Fliegengittertür knallte hinter ihm zu.

»Echt jetzt?«, fragte Dad.

Ich seufzte. »Ich weiß, er wirkt … opportunistisch. So ist er eben. Deshalb ist er so erfolgreich.«

Dad zog die Augenbrauen nach oben. Das kaufte er mir nicht ab.

»Er ist einfach nur nicht … der Bootleg-Typ«, sagte ich.

»Nein, das ist er nicht.«

»Aber das heißt nicht, dass er nicht andere gute Seiten hat«, wandte ich ein. »Er ist nur anders als das, was du gewohnt bist.«

»Leah Mae, ich kenne den Menschenschlag, mit dem du jetzt verkehrst. Aalglatte Großstädter. Schwätzer. Ich gebe zu, dass ich nichts von alldem halte. Aber das ist dein Traum, und ich bin stolz auf dich und sonst nichts. Und wenn es das ist, was du willst, dann freue ich mich für dich.«

»Danke, Dad.« Ich drückte seine Hand. »Hör mal, ich fahre mit Kelvin in die Stadt und zeige ihm alles. Wenn wir zurückkommen, bringen wir Abendessen für uns alle mit. Danach checken wir in unsere Ferienhütte ein. Brauchst du etwas aus dem Laden?«

»Nein, alles gut.«

Das glaubte ich ihm nicht. Ich würde für alle Fälle ein paar Sachen holen. »Wir sind bald wieder zurück.«

Ich stand auf und ging auf die Veranda, wo Kelvin gerade etwas in sein Handy tippte. Wahrscheinlich schrieb er an seine Assistentin und bat sie darum, nach einer Location für unsere Hochzeit zu suchen. Wieder seufzte ich. Typisch Kelvin, immer volle Kraft voraus. Ich sollte mich wohl glücklich schätzen, dass ich ihm diese hanebüchene Nach-Vegas-durchbrennen-Idee so schnell hatte ausreden können. Nicht immer ließ er sich so rasch umstimmen.

»Komm, lass uns in die Stadt fahren«, schlug ich vor. »Und später bringen wir uns etwas zu essen mit.«

»Werden wir dort überhaupt ein Lokal finden, das glutenfreies Essen und Paleo anbietet?«

Ich unterdrückte ein Seufzen. Die Chancen standen mehr als schlecht, aber ich wollte nicht, dass er einen Groll auf meine Heimatstadt bekam, noch ehe er alles gesehen hatte. In Sachen Gesundheit war er sowieso nur ein Mitläufer, es war nicht so, dass er irgendwelche echten Unverträglichkeiten hätte. »Da bin ich mir nicht so sicher. Wir schauen uns einfach mal um.«

Wir stiegen wieder ins Auto und machten uns auf den Weg in die Stadt.

3

Jameson

Es war voll im Pop In. Aber das war um diese Jahreszeit normal, vor allem samstags. Im Sommer platzte Bootleg aus allen Nähten vor lauter Touristen, die meisten von ihnen wohnten in Ferienhütten rund um den See. Ich wollte nur kurz rein und dann so schnell wie möglich wieder raus.

Mein Kiefer fühlte sich heute okay an. Rhett hatte nicht besonders hart zugeschlagen. Herrgott, von meinen Brüdern hatte ich mehr als nur einmal schlimmere Prügel bezogen. Es war nicht mal blau geworden.

Ich ging durch die Regale und nahm mir, was ich brauchte. An der Kasse war keine Schlange, deshalb stellte ich meine Einkäufe auf den Tresen und zog den Geldbeutel heraus. Opal Bodine arbeitete heute hier.

»Hey, Jameson«, sagte sie.

»Opal.«

»Das ist alles?«

Ich beäugte meine Einkäufe. »Ich könnte wohl noch etwas Süßes vertragen. Hast du etwas Gutes da?«

»Klar doch«, sagte sie. »Zwei Zimtschnecken sind noch da, falls du welche willst.«

Ich überlegte, beide zu nehmen und Jonah eine davon mitzubringen, aber er würde mir nur wieder erklären, dass wir nicht so viel Zucker essen sollten. Wenn ich beide kaufte und er seine nicht äße, bliebe mir natürlich keine andere Wahl, als seine ebenfalls zu essen.

»Ich nehme beide.«

»Klingt gut«, entgegnete sie. »Bin gleich wieder da.«

Jemand streifte mich im Vorbeigehen, und ich zuckte zusammen. Das hasste ich. So klein war der Laden nun auch wieder nicht, kein Grund, die Leute anzurempeln. Ich sah demjenigen nach, aber es war niemand, den ich kannte, und er ging ohnehin gerade zur Tür hinaus. Achselzuckend ging ich darüber hinweg und hielt Ausschau nach Opal und meinen Zimtschnecken.

Hinter mir hatte sich eine junge Frau angestellt, und ich musste zweimal hinschauen, als ich sie sah. Meine Kinnlade fiel praktisch bis auf den Boden herunter. Oder wäre heruntergefallen, wenn mein Kiefer dazu in der Lage gewesen wäre. Es war Leah Mae Larkin.

Sie war groß und gertenschlank, mit endlos langen Gliedern. Ihr blondes Haar fiel ihr in Wellen über den Rücken, ihre Haut war wie Milch und Honig, mit ein paar Sommersprossen auf der Nase. Strahlende Augen, die einen so verblüffenden Grünton hatten, dass man unwillkürlich ganz fasziniert war.

Ich schluckte, und es fiel mir extrem schwer, etwas anderes zu tun, als sie anzustarren.

»Jameson?«

Ihre Stimme war sanft und melodisch, und als sie lächelte, fiel mir die kleine Lücke zwischen ihren Schneidezähnen auf. Die hatte sie schon immer gehabt – und schon immer gehasst –, aber sie war zu ihrem Markenzeichen als Model geworden.

»H‑hey, Leah Mae.« Ich ärgerte mich, dass meine Stimme so erstickt klang. Es passierte öfter, dass ich einen Knoten in der Zunge hatte, wenn ich mit einer hübschen Frau sprach, aber das hier war eine ganz andere Liga.

»Jameson Bodine?«, fragte sie, als hätte sie meinen Namen nicht gerade eben schon gesagt.

Ich bemerkte, dass ihr Akzent verschwunden war. Das war mir schon im Fernsehen aufgefallen, aber diesen nördlichen Einschlag hier, in Bootleg Springs, zu hören, war umso auffälliger.

»Ja«, erwiderte ich. Na toll, du Idiot. Mit deinem Charme wirst du sie bestimmt im Sturm erobern.

»Wow, das ist echt lange her.« Leah Mae musterte mich von oben bis unten.

Plötzlich war ich froh, dass Jonah mich dazu überredet hatte, mit ihm und Devlin zu trainieren. Ich hielt mich auch sonst in Form, aber in letzter Zeit hatte ich dadurch ein paar Muskeln zugelegt.

Nicht, dass das eine Rolle spielen würde. Das war Leah Mae, nicht irgendeine x‑beliebige Frau, die ich versuchte zu beeindrucken.

Ich klappte den Mund auf, um noch etwas zu sagen, aber es kamen keine Worte heraus. Verdammt. Das passierte mir echt oft. Mir ging so viel durch den Kopf, nur manchmal wollten die Worte einfach nicht den Weg von meinem Gehirn zu meinem Mund finden.

Was würde Gibson jetzt tun? Nein, ihn sollte ich mir jetzt nicht zum Vorbild nehmen. Bowie? Nee, Bowie würde einfach so tun, als wäre er nicht interessiert. Jonah hatte ich noch nicht oft genug mit Frauen gesehen, um zu wissen, wie er sich benahm. Und Dev … na ja, er war in meine Schwester verliebt, das machte das Ganze seltsam.

Verdammt. Ich sagte immer noch nichts.

»Ja, ganz schön lange«, brachte ich heraus.

»Wie ist es dir so ergangen?«

Nun ja, mein Dad ist gestorben, und jetzt ist er im Callie-Kendall-Fall eine Person von polizeilichem Interesse. Nein, sag das nicht. Himmelherrgott, Jameson, was zum Teufel ist bloß los mit dir?

»Ähm, ganz okay. Und dir?«

»Auch gut«, sagte sie. »Ich hab mich schon gefragt, ob ich dir wohl über den Weg laufen würde, solange ich hier bin.«

»Du bist wohl zu Besuch bei deinem Dad?«

Sie nickte und rückte die Einkäufe zurecht, die sie mit den Armen umklammerte. »Ja, heute angekommen.«

»Warte, ich helfe dir.« Ich nahm ihr einen Brotlaib, zwei Liter Milch und ein paar andere Dinge ab. Dann schob ich mit dem Ellbogen meine Sachen beiseite, um Platz auf der Theke für sie zu schaffen.

»Oh, danke«, sagte sie.

Sie lächelte mich an, und mir blieb das Herz stehen. Überraschenderweise kippte ich nicht gleich hier und jetzt, im Pop In, um. Konnte man weiterleben, wenn das Herz aussetzte?

»Bitte.«

Ich stand eine weitere Sekunde lang da, unfähig, zu entscheiden, ob ich froh sein sollte, dass Opal sich ewig Zeit ließ, oder nicht. Eigentlich wollte ich gar nicht aufhören, mit Leah Mae zu plaudern, auch wenn plaudern ein sehr großzügig ausgelegter Begriff für das war, was vor sich ging. Aber ich scheiterte gerade kläglich, und es wäre besser, wenn mich jemand lieber früher als später von meinem Elend erlöste.

»Ich habe mir deine Show angeschaut«, sagte ich.

»Echt?«

Ich nickte. »Klar. Die ganze Stadt ist mächtig stolz auf dich.«

»Oh, ja, die Stadt«, sagte sie.

»Nicht jeden Tag ist jemand aus Bootleg im Fernsehen zu sehen.«

Sie strich sich das Haar hinter die Ohren. »Wow, ich hätte nicht gedacht, dass sich das alle hier anschauen.«

»Doch, alle sind ganz aus dem Häuschen. Es läuft im Lookout, und ein paar Leute haben sogar Partys organisiert, auf denen es geschaut wurde.«

Ihre Wangen färbten sich ein wenig rosa, und sie schob die Zähne über die Unterlippe. Das tat sie immer, wenn sie nervös war. »Ich nehme an … ich hoffe, allen gefällt es.«

»Ich glaube schon.« Die Anspannung in meinen Schultern ließ ein wenig nach, und die Worte kamen mir dadurch etwas leichter über die Lippen. »War interessant zu sehen, was du so machst, auch wenn du weit weg bist.«

Wieder lächelte sie, und dieses Mal gelang es mir sogar zurückzulächeln.

Ein Mann trat neben sie, und mein Lächeln verblasste. Er hatte dunkles Haar und eine markante Kieferpartie. Augen, die ziemlich geringschätzig im Laden umherblickten. Er erinnerte mich an einige der reichen Touristen, die durch die Stadt fegten und dachten, sie wären etwas Besseres als wir Einheimische. Seinen Klamotten nach sah er aus wie jemand, der in ein Büro gehörte und nicht in einen Mini-Markt in irgendeinem Provinznest wie unserem.

»Hey, Babe, haben wir alles?«, fragte er.

Er stand ganz dicht bei Leah Mae, und da wurde mir klar, was ich übersehen hatte. Sie hatte einen Ring am Finger.

Ich hatte mich vorhin getäuscht, als ich geglaubt hatte, mein Herz hätte ausgesetzt. Hatte es nicht. Es hatte in seinem gleichmäßigen Rhythmus weitergeschlagen. Aber jetzt hörte es auf damit. Hielt abrupt inne in meiner Brust.

Ich musterte den Typen rasch. Er trug keinen Ring, und es gab zwei Möglichkeiten, was das bedeuten konnte: Entweder sie waren noch nicht verheiratet, oder sie waren verheiratet, und er trug keinen. Wenn Letzteres der Fall war, war er ein Mistkerl. Bei Ersterem gäbe es noch ein wenig Hoffnung.

Hoffnung? Worauf? Dass Leah Mae und ich nach zwölf Jahren noch an etwas anknüpfen konnten? Als würden wir zusammen losziehen und in Kindheitserinnerungen schwelgen. Oder uns über die Sommer unterhalten, als wir Teenager gewesen waren und ich zu schüchtern gewesen war, die Initiative zu ergreifen.

Nicht, dass ich das gewollt hätte. Leah Mae und ich waren nur Freunde. Schon immer.

Verdammt, ich redete schon wieder nicht. Wo zum Teufel blieb Opal?

»Kelvin, das ist Jameson Bodine«, sagte Leah Mae und deutete auf mich. »Wir sind zusammen aufgewachsen.«

Zum ersten Mal schien Kelvin Notiz von mir zu nehmen. Mit raschem Blick musterte er mich von oben bis unten. Ich war nicht so schick und ausgefallen angezogen wie er. Aber ich trug ein sauberes T‑Shirt und eine ordentliche Jeans – nichts, was ich in meiner Werkstatt trug. Dort bekamen die Kleider dauernd Brandlöcher ab.

»Jameson, das ist Kelvin Graham«, sagte Leah Mae.

»Leahs Verlobter«, erklärte Kelvin.

Leah Mae blickte ihn an, als würde sie das, was er gerade gesagt hatte, überraschen. Kelvin hob das Kinn, während er mich ansah.

Ich beschloss, Größe zu zeigen, und streckte ihm die Hand hin. Manche Dinge musste man wie ein Gentleman regeln. »Schön, dich kennenzulernen.«

Kelvin hatte einen festen Händedruck, und da tauchte auch Opal endlich wieder auf. Sie sah Leah Mae und Kelvin an, dann mich, und zuckte kaum merklich mit der Schulter.

»Babe, ist das der einzige Laden in dieser Stadt?«, fragte Kelvin Leah Mae, während Opal damit begann, meine Einkäufe einzutippen.

Ich wandte mich von den beiden ab und konzentrierte mich darauf, mein Geld herauszuholen. Dabei blendete ich das Gespräch aus, das sie führten. Ich bezahlte, und Opal reichte mir die Tüte.

»Bis dann, Jameson«, sagte sie.

Ich wollte schon gehen, ohne noch etwas hinzuzufügen, doch mein Stolz gewann die Oberhand. Ich hatte Leah Mae doch noch was mitzuteilen und würde nicht einfach so weggehen. Daher blieb ich stehen und drehte mich zu ihr um. Unsere Blicke trafen sich. »Ich weiß, dass das mit der Angel nicht deine Schuld war. Sie sah gefakt aus, wenn ich das mal so sagen darf.«

Sie nickte langsam. »Ja, danke.«

»Schön, dich wiedergesehen zu haben, Leah Mae«, sagte ich. »Ich hoffe, du genießt deinen Aufenthalt.«

Ihr Lächeln erhellte die ganze Welt. »Danke, Jameson. Ich freue mich auch, dass wir uns gesehen haben.«

Ich umklammerte meine Tüte, nickte ihr zu und wandte mich zur Tür. Weil ich ein Gentleman war, warf ich einen Blick über die Schulter und hob das Kinn in Richtung ihres Verlobten. »Kevin.«

»Ich heiße Kelvin …«

Die Tür fiel hinter mir zu, ehe ich hören konnte, was er sonst noch zu sagen hatte. Falls er noch etwas zu sagen hatte.

Mein Puls raste, als ich in meinen Truck stieg und die Einkäufe auf den Beifahrersitz schob. Hatte ich gerade wirklich Leah Mae Larkin im Pop In gesehen? Oder befand ich mich mitten in einem seltsamen, schrecklichen Traum, in dem meine Kindheitsfreundin die schönste Frau war, die ich je gesehen hatte und die nun einen Ring am Finger trug, den ihr ein anderer Mann geschenkt hatte?

Verdammt. Das war kein Traum, es war alles wahr.

Ich schüttelte den Kopf, als würde das gegen meine Benommenheit helfen. Ich musste mich zusammenreißen. War ja klar, dass ich Leah Mae früher oder später über den Weg laufen würde. Ihr Dad lebte hier, deshalb war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie ihn irgendwann besuchen kam. Und wir waren alt genug, dass die Möglichkeit bestand, dass einer von uns verlobt oder verheiratet wäre.

Nicht, dass ich je auch nur annähernd mit einem Mädchen so weit gewesen wäre. In der Highschool hatte ich Cheyenne Hastings eine Zeit lang gedatet, aber sie hatte mich für Cody Wyatt verlassen. Danach war ich mit einer Handvoll anderer Mädchen ausgegangen, nichts davon war von Dauer gewesen. Dann war da noch Willa Sawyer. Doch das war keine richtige Beziehung gewesen. Sie war jemand gewesen, an den ich mich wenden konnte, wenn es notwendig war, aber keiner von uns hat viel vom anderen erwartet. Wir hatten beide gewusst, dass das nicht ewig halten würde.

Nun war also Leah Mae hier, und sie war verlobt. Das war in Ordnung. Ich sollte mich für sie freuen. Immerhin waren wir früher befreundet gewesen. Sollte man nicht glücklich sein, wenn den eigenen Freunden etwas Gutes widerfuhr?

Doch als ich zurück nach Hause fuhr, war ich alles andere als glücklich.

4

Leah Mae

Die Sonne schien in die kleine Küche unseres Ferienhauses. Ich stand an der Spüle und sah auf den See hinaus. Ich war weit in der Welt herumgekommen, aber nichts ging über einen Bergsee in West Virginia. Besonders an einem Sommertag. Das Wasser glitzerte, und die Bäume schwankten im Wind. Ich öffnete das Fenster und ließ die frische, saubere Luft herein, schloss die Augen und atmete tief durch.

Kelvin saß am Küchentisch vor seinem Laptop. Eigentlich hatten wir diese Woche frei, nur dass er überhaupt nicht wusste, was freihaben