Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman! - Richard P. Feynman - E-Book
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Richard P. Feynman

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Beschreibung

Geschichten eines Nobelpreisträgers: Richard P. Feynman erzählt aus seinem Leben  Er hat die Quantenphysik revolutioniert und war einer der ersten Popstars der Physik. Seine Autobiografie zeigt Richard P. Feynman als talentierten Geschichtenerzähler mit Sinn für Witz und Tiefgang.  Theoretische Physik ist staubig? Ein Professor denkt nur an den Nobelpreis und seine Forschung? Nicht so Richard P. Feynman! In zahlreichen Schriften und Büchern hat der Magier der Quantenelektrodynamik schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts bewiesen, dass Wissenschaft spannend, lustig und auch ein Abenteuer für Laien ist.  »Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!« versammelt autobiografische Anekdoten aus dem Leben des Vordenkers zu einem witzigen Einblick in den Aufstieg und die Karriere des nonchalanten Wissenschaftlers.  Feynman-Fans und -Einsteiger lernen einen Menschen kennen, der von Anfang an der Überzeugung gewesen ist, dass Wissenschaft nicht zum Selbstzweck existiert und es keinen Grund gibt, nicht über sich selbst zu lachen.   »Ich würde nicht zwei Mal sterben wollen. Es ist so langweilig.« – Richard P. Feynman   Einen Nobelpreisträger für Physik erlebt man selten als derart mitreißenden Geschichtenerzähler. »Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!« begeistert Leser authentischer Biografien genauso wie Neugierige und aufstrebende Wissenschaftler.  Quantenphysik von ihrer menschlichen Seite – mit einem Vorwort von Bill Gates  Mehr von Richard P. Feynman? Entdecken Sie im Piper Verlag sein Grundlagenwerk »QED« oder lassen Sie sich »Vom Wesen physikalischer Gesetze« mitreißen. Neue Erkenntnisse und Physik von ihrer spannendsten Seite sind hier garantiert!  »Der Kernphysiker Hans Bethe beschrieb Dr. Feynman eins als ›Zauberer‹. Er hatte Recht. Es bedarf in gewissem Maß der Zauberei, um Wissenschaft so unterhaltsam, überzeugend und einfach zu machen, wie Feynman das getan hat.« Bill Gates in seinem Vorwort

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  Gesammelt von Ralph Leighton Herausgegeben von Edward Hutchings Aus dem Amerikanischen von Hans-Joachim Metzger Vorwort zur deutschen Ausgabe von Harald Fritzsch

ISBN 978-3-492-96944-4 © 1985 Richard P. Feynman und Ralph Leighton Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Surely You’re Joking, Mr. Feynman!«, W. W. Norton, New York 1985 Deutschsprachige Ausgabe: © Piper Verlag GmbH, München 1987 Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München Covermotiv: akg-images/ESTATE OF FRANCIS BELLO. COLOURED BY SCIENCE PHOTO LIBRARY Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck  

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Im Dezember des Jahres 1984 besuchte ich für ein paar Tage meine frühere Arbeitsstätte, das Lauritsen-Laboratorium für Kern- und Teilchenphysik des California Institute of Technology in Pasadena. Wie stets bei solchen kurzen Aufenthalten am Caltech traf ich mich mit Richard Feynman, mit dem ich befreundet bin und der mich immer mit den neuesten Nachrichten aus der Gerüchteküche der Physik zu versorgen pflegt. Am letzten Tag meines Aufenhalts war ich mit Dick Feynman zusammen beim Mittagessen im Restaurant des Atheneums, des Gästehauses des Caltech. Diesmal sprachen wir nicht über Physik. Enthusiastisch erzählte Dick von seinen jüngsten Erlebnissen in einem Nachtklub von San Francisco, in dem er in einer Band die Rolle des Schlagzeugers übernommen hatte. Wieder einmal wies ich ihn darauf hin, daß er seine Geschichten, insbesondere die Erlebnisse in Los Alamos zur Zeit des Manhattan Projects, einmal zu Papier bringen sollte. Wahrscheinlich seien nicht nur Physiker an den kuriosen Erlebnissen eines Richard Feynman interessiert. Dicks Antwort war ein breites Grinsen. »Bevor du wegfliegst, gehen wir nochmal schnell in mein Büro – ich will dir etwas geben.« So kam es dann auch. Dick drückte mir ein Buch in die Hand: »Surely You’re Joking, Mr. Feynman!« Die Überraschung war ihm gelungen. Feynman hatte das Buch, das ich ihm suggerieren wollte, bereits fertig. Am Caltech wußte noch niemand davon. Da ich aber im Begriff war, nach Europa zurückzufliegen, gab mir Dick sein Buch mit den Worten: »Ich habe es gerade heute morgen mit der Post erhalten und selbst noch nicht reingeschaut. Nimm es ruhig mit – ich bekomme nächste Woche eine ganze Ladung davon. Es ist nichts Besonderes, aber du kannst es ja im Flugzeug einmal überfliegen. Viel Spaß«.

Im Flugzeug von Los Angeles nach Frankfurt las ich Dicks Buch. Meine Nachbarn haben sich sicher über jenen seltsamen Fluggast gewundert, der immerfort in seinem Buch las und offensichtlich Mühe hatte, dabei einigermaßen ernst zu bleiben. Dieses Buch, das nunmehr in der gelungenen Übersetzung von Hans-Joachim Metzger vorliegt, sollte vom Leser nicht mißverstanden werden. Nur wenig erfährt er von Richard Feynman als einem der bedeutendsten Physiker der Gegenwart und dem zur Zeit wohl einflußreichsten akademischen Lehrer der physikalischen Wissenschaften. Statt dessen lernt der Leser amüsante und teilweise bizarre Details aus Feynmans Leben kennen. In »Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!« wird keineswegs ein vollständiges Bild von Richard Feynman gezeichnet, sondern eher eine Karikatur, in der einige wenige Seiten aus dem Leben Feynmans dargestellt werden. Ein Teil der Öffentlichkeit wird sicher enttäuscht sein von dem Buch, in dem man vergeblich nach tiefen philosophischen Gedanken sucht und statt dessen beispielsweise über die Tricks aufgeklärt wird, mit denen man Frauen an der Bar dazu bringt, am Ende ja zu sagen. Aber der unvoreingenommene Leser wird seine Freude an der unkonventionellen Art der Darstellung haben. Feynman erzählt Geschichten in der Tradition von Mark Twain. Er beweist, daß auch ein sonst ernsthaft seinen Forschungen nachgehender Naturwissenschaftler gleichzeitig lachen und nachdenken kann. Und oft erzielt Feynman den größten Erfolg, wenn er unverblümt sagt, was er denkt, etwa indem er den Vortrag seines Philosophieprofessors zusammenfaßt mit den Worten »wugga mugga mugga wugga wugga« (»grummel, brummel, brummel, grummel, grummel«).

In meinem Leben habe ich niemanden kennengelernt, der in seiner Meinung unabhängiger von seiner Umwelt und von Autoritäten, gleich welcher Art, gewesen wäre als Richard Feynman. In den USA ist diese persönliche Unabhängigkeit weithin bekannt. Diese, und nicht der Nobelpreis, den Feynman im Jahre 1965 erhielt, war wohl der Grund dafür, daß Präsident Reagan ihn zum Mitglied der Untersuchungskommission zur Aufklärung des Challenger-Unglücks im Jahre 1985 ernannte. Feynman war es auch, der seinen Finger sofort auf die wunde Stelle legte, die letztlich die Katastrophe in Florida ausgelöst hatte. Während der Sitzung der NASAKommission, vor den Augen von einigen zehn Millionen Fernsehzuschauern, führte Feynman, der Theoretiker, ein Experiment durch. Er legte einen von der NASA zur Verfügung gestellten Gummidichtungsring in ein Glas eiskalten Wassers und zeigte anschließend, daß der kalte Dichtungsring erheblich an Elastizität eingebüßt hatte. Damit wollte Feynman demonstrieren, daß die Explosion der Raumfähre seiner Meinung nach durch die bei kaltem Wetter unzulänglich funktionierenden Dichtungsringe verursacht wurde – ein Sachverhalt, der später durch eingehende Untersuchungen bestätigt wurde.

In seinem Gutachten für den amerikanischen Kongreß zeichnete Feynman kein rosiges Bild der NASA-Organisation. Seiner Meinung nach waren es letztlich die nicht mehr überschaubare Bürokratie und die mangelnde Effizienz der Organisation, die zu dem Unglück geführt haben. Feynman schreibt: »Die Challenger-Katastrophe war das letzte Glied einer Kette von Zwischenfällen, bei denen jedesmal Warnzeichen auftraten. Das Problem mit den Dichtungsringen wurde zehn Jahre lang diskutiert. Getan wurde aber nichts, denn niemand hatte detaillierte Informationen. Diese waren nur auf der niedrigsten Ebene vorhanden, bei den Ingenieuren. Warum die Ingenieure auf der niedrigsten Ebene der Entscheidungsprozesse eingestuft wurden, weiß ich nicht, aber dies scheint ein allgemeines Gesetz zu sein: Jene, die etwas über die wirkliche Welt wissen, bilden in diesen großen Organisationen die unterste Stufe, und jene, die nur wissen, wie man andere Leute beeinflussen kann, indem man ihnen sagt, wie schön die Welt im Idealfall sein könnte, sind an der Spitze.« Soweit Feynman zur Organisation der NASA. Mir gegenüber hat er oft ähnliche, manchmal drastischere Worte gebraucht, um vergleichbar große Organisationen, einschließlich der modernen Staatsgebilde, zu charakterisieren.

Feynman wurde am 11. Mai 1918 geboren. Obwohl er seit mehr als 30 Jahren in Kalifornien lebt, hat er seinen typischen New Yorker Akzent beibehalten. Nach seinem Studium am Massachusetts Institute of Technology und an der Princeton University ging er 1941 als frisch promovierter Physiker nach Los Alamos, um am Manhattan-Projekt mitzuarbeiten. Nach dem Ende des Weltkrieges wurde Feynman Professor für Theoretische Physik an der Cornell University im Staat New York. Im Jahre 1950 wechselte er an die berühmteste Technische Hochschule des Westens, an das »California Institute of Technology«. Seit 1959 hat er am Caltech den Richard-Chace-Tolman-Lehrstuhl für Theoretische Physik inne.

Physikern braucht man Feynman nicht vorzustellen. Seine anschaulichen Vorlesungen sind in aller Welt berühmt.

Seine Bücher, die »Feynman Lectures«, sind nahezu in alle bedeutenden Kultursprachen übersetzt und jedem Student der Physik bekannt. Als kleiner Beleg dafür kann der denkwürdige Besuch Feynmans 1978 an der neu gegründeten Universität Wuppertal dienen, übrigens sein erster Besuch Deutschlands überhaupt. Ich hatte als Mitglied der Physikfakultät die Einladung an Feynman ausgesprochen. Daß der Besuch schließlich zustande kam, ist auch der großzügigen Unterstützung durch den Kanzler der Universität, Dr. Klaus Peters, zu verdanken. Der Vortrag sollte im größten Hörsaal der Universität stattfinden. Wir hatten mit vielen Hörern – vor allem auch aus den umliegenden Universitäten Nordrhein-Westfalens – gerechnet. Was wir jedoch nicht wissen konnten, war, daß viele Stunden vor dem Feynman-Vortrag ganze Wagenkolonnen mit Physikstudenten weit entfernt gelegene Universitätsstädte wie München, Heidelberg oder Hamburg verließen, weil die Studenten den legendären Autor der »Feynman Lectures« einmal persönlich erleben wollten. So kam es, daß bereits lange vor Vortragsbeginn der Hörsaal überfüllt war und so viele der Wuppertaler Studenten das Nachsehen hatten.

Zu vielen Forschungsgebieten der modernen Physik, insbesondere zur Kernphysik, Teilchenphysik und Festkörperphysik, hat Feynman wichtige Beiträge geleistet. Den Nobelpreis erhielt er zusammen mit seinem Landsmann Julian Schwinger und dem Japaner Tomonaga für seine Untersuchungen auf dem Gebiet der fundamentalen Wechselwirkung zwischen elektrisch geladenen Teilchen, der Quantenelektrodynamik. Feynmans Stärke ist seine außergewöhnliche Fähigkeit, sehr komplexe Sachverhalte auf einige wenige fundamentale Einsichten zu reduzieren. Das versetzte ihn in die Lage, die Anfang der fünfziger Jahre herrschende Konfusion über die Rolle der Quantenphänomene bei der elektromagnetischen Wechselwirkung auf eine geniale Art zu klären, insbesondere durch die Einführung anschaulicher Bilder der Wechselwirkungen. Diese nach ihm benannten Feynman-Diagramme sind aus der heutigen Physik nicht mehr wegzudenken. Feynman selbst ist recht stolz auf seine Erfindung, die eine Art symbolische Zeichensprache der Physiker geworden ist. Auf seinem Caravan sind zwei seiner Diagramme groß abgebildet. Er erzählt gern, was sich einmal an einer Tankstelle in Arizona zugetragen hat. Feynman fuhr an der Tankstelle vor. Der Tankwart begrüßte ihn mit den Worten »Was, zum Teufel, machen Sie denn mit den Feynman-Diagrammen?«, worauf Feynman antwortete: »Nichts, aber ich bin Feynman.« Darauf weigerte sich der Tankwart, ihm das Benzin in Rechnung zu stellen.

Feynmans wichtigste Beiträge zur physikalischen Forschung in den vergangenen 25 Jahren liegen zweifellos auf dem Gebiet der Elementarteilchenphysik. Insbesondere betreffen sie die Klärung wichtiger Fragen der schwachen Wechselwirkungen zwischen den Elementarteilchen und die Physik der Quarks. Feynman ist ein eindrucksvolles Gegenspiel zu der oft gehörten These, theoretische Physiker seien jenseits der 40 nicht mehr produktiv. Selbst in einem Alter von mehr als 60 Jahren hat Feynman noch wichtige Arbeiten zur Physik der Quarks publiziert.

Bei aller Popularität, die Feynman genießt, erwartete niemand den Erfolg des jetzt vorliegenden Buches von Feynman und Leighton, am wenigsten Feynman selbst. Binnen kurzer Zeit erschien es auf allen Bestsellerlisten der USA. Zufällig traf ich Feynman in Pasadena, als das Buch auf Platz sieben der Bestsellerliste der Washington Post erschien. »Rate mal, welches Buch ich geschlagen habe?« fragte er mich. »Den ›Arthur Young Tax Guide‹. Und weißt du, welches Buch mich gerade noch geschlagen hat, Lassers ›Your Income Tax‹. Hieraus schließe ich, daß ich genauso populär bin wie die Einkommensteuer«.

In den USA kann man die Hunderttausende von Lesern des Feynmanschen Buches ziemlich genau in zwei Klassen einteilen. Entweder ist der Leser über das Buch in hohem Maße erfreut, oder er ist enttäuscht und verärgert. Sollte der Leser zu den letzteren gehören, möchte ich ihn bitten, einmal darüber nachzudenken, warum er letztlich verärgert ist. Auch möchte ich ihn daran erinnern, was Feynmans Lehrer und Mentor Hans Bethe, selbst ein führender Theoretiker in den USA, über das Buch gesagt hat:

»Feynmans Buch ist so hinreißend wie Richard Feynman selbst. Der Leser wird nicht entdecken, daß Feynman einer der bedeutendsten theoretischen Physiker der Gegenwart ist. Aber er wird erfahren, wie seine direkte und unverbildete Art, die Dinge zu betrachten, ihm Freude bereitet und anderen in seiner Umgebung auch«.

Dem unvoreingenommenen Leser wünsche ich beim Lesen von »Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!« genau das, was mir Feynman selbst wünschte, als er mir das erste Exemplar seines Buches übergab: »Viel Spaß«.

Harald Fritzsch

Vorwort

Die Geschichten in diesem Buch wurden ganz zwanglos im Laufe von sieben Jahren bei sehr vergnüglichen Trommeleien mit Richard Feynman gesammelt. Ich fand jede Geschichte für sich amüsant und die Sammlung insgesamt erstaunlich: Daß einem einzelnen Menschen in einem einzigen Leben so viele wunderbar verrückte Dinge passieren konnten, ist manchmal kaum zu glauben. Daß sich ein einzelner Mensch in einem einzigen Leben so viele harmlose Possen ausdenken konnte, ist sicherlich Inspiration!

Ralph Leighton

Einleitung

Ich hoffe, dies werden nicht die einzigen Memoiren Richard Feynmans bleiben. Gewiß vermitteln diese Erinnerungen ein zutreffendes und recht umfassendes Bild von seinem Charakter – von seinem beinah zwanghaften Drang, Rätsel zu lösen, von seiner provozierenden Schalkhaftigkeit, seiner heftigen Abneigung gegen Anmaßung und Heuchelei und von seinem Talent, jedem um eine Nasenlänge voraus zu sein, der versucht, ihm um eine Nasenlänge voraus zu sein! Dieses Buch ist eine großartige Lektüre: ausfallend, schokkierend, dennoch herzlich und sehr menschlich.

Trotzdem wird der Grundpfeiler seines Lebens: die Wissenschaft, in diesem Buch nur gestreift. Wir nehmen sie da und dort wahr, als Hintergrundmaterial in der einen oder anderen Skizze, doch nie als den Brennpunkt seines Daseins, als den Generationen seiner Studenten und Kollegen sie kannten. Vielleicht geht es nicht anders. Vielleicht ist es unmöglich, eine solche Folge von wunderbaren Geschichten über ihn selbst und seine Arbeit zusammenzustellen: über die Herausforderung und die Enttäuschung, die Begeisterung, die die Einsicht krönt, die tiefe Freude des wissenschaftlichen Verstehens, die die Quelle des Glücks in seinem Leben gewesen ist.

Ich erinnere mich an die Zeit, als ich bei ihm studierte, wie es war, wenn man eine seiner Vorlesungen besuchte. Er pflegte vorne im Hörsaal zu stehen und uns alle anzulächeln, während wir eintraten, wobei seine Finger einen komplizierten Rhythmus auf der schwarzen Platte des Experimentiertisches klopften, der an der Stirnseite des Vorlesungssaales stand. Während die Nachzügler Platz nahmen, hob er die Kreide auf und begann sie wie ein Berufsspieler, der mit einem Pokerchip spielt, rasch zwischen seinen Fingern zu drehen, wobei er immer noch glücklich lächelte wie über einen heimlichen Scherz. Und dann – immer noch lächelnd – sprach er zu uns über die Physik, wobei seine Diagramme und Gleichungen uns halfen, sein Verständnis zu teilen. Es war kein heimlicher Scherz, der ihn lächeln und seine Augen funkeln ließ, es war die Physik. Die Freude an der Physik! Diese Freude war ansteckend. Wir hatten das Glück, uns diese Infektion zu holen. Hier nun ist Ihre Gelegenheit, die Lebensfreude kennenzulernen, die sich in Feynmans Stil ausdrückt.

 

Jet Propulsion Laboratory,

California Institute of Technology

Albert R. Hibbs

Lebensstationen

Einige Fakten meines Lebens: Ich wurde 1918 in einer kleinen Stadt namens Far Rockaway geboren, die ganz in der Nähe von New York am Meer liegt. Dort lebte ich bis 1935, als ich siebzehn Jahre alt wurde. Ich ging für vier Jahre ans MIT und dann, ungefähr 1939, nach Princeton. Während ich in Princeton war, fing ich an, am Manhattan Project zu arbeiten, und ging schließlich im April 1943 nach Los Alamos, wo ich etwa bis Oktober oder November 1946 blieb, um anschließend einen Ruf nach Cornell anzunehmen.

1941 heiratete ich Arlene, die 1946, während ich in Los Alamos war, an Tuberkulose starb.

In Cornell war ich ungefähr bis 1951.1950 besuchte ich Brasilien, verbrachte dort 1951 ein halbes Jahr und ging dann ans Caltech, wo ich seitdem geblieben bin.

Ende 1951 ging ich für ein paar Wochen nach Japan, und dann noch einmal, ein oder zwei Jahre später, kurz nachdem ich meine zweite Frau, Mary Lou, geheiratet hatte.

Ich bin jetzt mit Gweneth, einer Engländerin, verheiratet, und wir haben zwei Kinder, Carl und Michelle.

R. P. F.

1. Teil: Von Far Rockaway zum MIT

Er repariert Radios durch Denken!

Als ich ungefähr elf oder zwölf Jahre alt war, richtete ich mir zu Hause ein Labor ein. Es bestand aus einer alten Holzkiste, in die ich Regalbretter einbaute. Ich hatte eine Kochplatte und machte mir dauernd Pommes frites darauf. Ich hatte auch einen Akku und eine Schaltung mit Lampen.

Um die Schaltung mit den Lampen zu bauen, ging ich ins Kaufhaus, besorgte mir Fassungen, die man auf einem hölzernen Sockel befestigen kann, und verband sie mit Klingeldraht. Ich wußte, daß ich durch unterschiedliche Schaltungen – in Serie oder parallel – unterschiedliche Spannungen bekommen konnte. Aber mir war nicht klar, daß der Widerstand einer Glühbirne von ihrer Temperatur abhängt, und deshalb stimmten die Resultate meiner Berechnungen nicht mit dem überein, was aus dem Stromkreis herauskam. Aber das machte nichts, und wenn die Birnen hintereinandergeschaltet waren und alle mit halber Helligkeit brannten, dann glüüüüüüüüüühten sie so schön – es war toll!

Ich hatte eine Sicherung in das System eingebaut, die durchbrannte, wenn ich irgend etwas kurzschloß. Nun brauchte ich aber eine Sicherung, die schwächer war als die Sicherungen, die im Haus verwendet wurden, also machte ich mir meine eigenen Sicherungen, indem ich Stanniolpapier um eine alte, ausgebrannte Sicherung wickelte. An meine Sicherung hatte ich eine Fünf-Watt-Birne angeschlossen, so daß die Spannung aus dem Ladegerät, das dauernd den Akku auflud, die Glühbirne aufleuchten ließ, wenn die Sicherung durchbrannte. Die Birne war auf der Schalttafel hinter einem braunen Bonbonpapier (das rot aussieht, wenn es von hinten beleuchtet wird) – wenn also irgend etwas nicht funktionierte, schaute ich auf die Schalttafel, und da war dann ein großer roter Punkt, wo die Sicherung durchgebrannt war. Das war ein Spaß!

Ich hatte Freude an Radios. Ich fing mit einem Kristallempfänger an, den ich im Geschäft gekauft hatte, und hörte nachts im Bett beim Einschlafen über Kopfhörer. Wenn meine Mutter und mein Vater ausgingen und spät nachts zurückkehrten, kamen sie in mein Zimmer, um mir die Kopfhörer herunterzunehmen – und machten sich Gedanken darüber, was mir da im Schlaf wohl so in den Kopf ging.

Ungefähr zu dieser Zeit erfand ich eine Alarmanlage, eine ziemlich einfältige Sache: sie bestand einfach aus einer großen Batterie, an die mit etwas Draht eine Klingel angeschlossen war. Wenn sich die Tür zu meinem Zimmer öffnete, drückte sie den Draht gegen die Batterie, schloß den Stromkreis, und die Klingel ging los.

Eines Abends waren meine Eltern ausgegangen, und als sie spät nachts nach Hause kamen, machten sie, um das Kind nicht zu stören, ganz, ganz leise die Tür zu meinem Zimmer auf, um mir die Kopfhörer abzunehmen. Plötzlich ging mit einem Riesenkrach diese fürchterliche Alarmglocke los – BONG BONG BONG BONG BONG!!! Ich sprang aus dem Bett und rief: »Es hat geklappt! Es hat geklappt!«

Ich hatte eine Ford-Spule – eine Zündspule aus einem Auto – und die Pole der Zündleitung hatte ich oben an meiner Schalttafel. Ich schloß eine Raytheon-RH-Röhre, in der Argongas war, an die Pole an, und die Zündung erzeugte im Vakuum ein dunkelrotes Glühen – es war einfach großartig!

Eines Tages spielte ich mit der Ford-Spule, indem ich mit den Zündfunken Löcher in ein Stück Papier brannte, und das Papier fing Feuer. Bald konnte ich es nicht mehr halten, weil ich mir sonst die Finger verbrannt hätte, und warf es in einen Papierkorb aus Blech, in dem eine Menge Zeitungen lagen. Zeitungen brennen ja schnell, und die Flamme sah im Zimmer ganz schön groß aus. Ich machte die Tür zu, damit meine Mutter – die im Wohnzimmer mit ein paar Freundinnen Bridge spielte – nicht merkte, daß es in meinem Zimmer brannte, nahm eine Zeitschrift, die in der Nähe lag, und legte sie auf den Papierkorb, um das Feuer zu ersticken.

Als das Feuer aus war, nahm ich die Zeitschrift herunter, aber jetzt füllte sich das Zimmer schnell mit Rauch. Der Papierkorb war immer noch zu heiß, um ihn anzufassen, deshalb holte ich eine Kombizange, trug ihn damit durchs Zimmer und hielt ihn aus dem Fenster, damit der Rauch sich verzog.

Aber weil es draußen windig war, fachte der Wind das Feuer wieder an, und jetzt war die Zeitschrift außer Reichweite. Also zog ich den Papierkorb, aus dem die Flammen schlugen, wieder durch das Fenster zurück, um die Zeitschrift zu holen, und dabei bemerkte ich die Vorhänge am Fenster – es war ziemlich gefährlich!

Na ja, ich holte die Zeitschrift, machte das Feuer wieder aus und nahm diesmal die Zeitschrift mit, während ich die glühenden Zeitungsfetzen aus dem Papierkorb auf die Straße schüttelte, die zwei oder drei Stockwerke tiefer lag. Dann verließ ich mein Zimmer, schloß die Tür hinter mir und sagte zu meiner Mutter: »Ich geh’ spielen«, und der Rauch verzog sich langsam durch die Fenster.

Ich machte auch einiges mit Elektromotoren und bastelte einen Verstärker für eine Photozelle, die ich mir gekauft hatte und mit der ich eine Glocke läuten lassen konnte, wenn ich meine Hand davorhielt. Ich kam nicht dazu, alles zu machen, was ich gerne wollte, denn meine Mutter schickte mich dauernd zum Spielen nach draußen. Trotzdem war ich oft im Haus und fummelte in meinem Labor herum.

Bei Ramschverkäufen kaufte ich mir Radios. Ich hatte eigentlich kein Geld, aber es war nicht sehr teuer – es waren alte, kaputte Radios, und ich kaufte sie und versuchte, sie in Ordnung zu bringen. Meist konnte man ganz leicht herausfinden, warum sie kaputt waren – irgend ein Draht war lose, oder eine Spule war kaputt oder teilweise abgewickelt –, deshalb konnte ich manche davon wieder zum Laufen bringen. Auf einem dieser Radios bekam ich eines Nachts die Station WACO in Waco, Texas – das war unheimlich aufregend!

Mit diesem selben Röhrenradio konnte ich oben in meinem Labor einen Sender in Schenectady empfangen, der WGN hieß. Wir Kinder – meine beiden Vettern, meine Schwester und die Nachbarskinder – hörten im Radio, das unten stand, immer eine Sendung, die Eno Crime Club hieß und von der Firma, die Eno-Badesalz herstellte, gesponsert wurde – das war die Sache! Na ja, ich fand heraus, daß ich diese Sendung oben in meinem Labor über WGN eine Stunde früher hören konnte, bevor sie in New York ausgestrahlt wurde! So kriegte ich heraus, was passieren würde, und wenn wir dann alle unten vor dem Radio saßen und Eno Crime Club hörten, sagte ich: »Wißt ihr, wir haben schon lange nichts mehr von Soundso gehört. Ich wette, der taucht gleich auf und rettet die Situation.«

Zwei Sekunden später, klopf-klopf, ist er da! Das fanden sie alle aufregend, und ich sagte noch ein paar andere Dinge voraus. Da merkten sie, daß da irgendein Trick dahinter stecken mußte – daß ich irgendwie Bescheid wußte. Also gab ich zu, was los war, daß ich die Sendung oben eine Stunde früher hören konnte.

Man kann sich natürlich denken, was die Folge war. Jetzt wollte keiner mehr bis zur regulären Sendezeit warten. Sie mußten alle oben in meinem Labor vor diesem winzigen, knackenden Radio sitzen und eine halbe Stunde lang den Eno Crime Club aus Schenectady hören.

Wir wohnten damals in einem großen Haus; mein Großvater hatte es seinen Kindern vererbt, und außer dem Haus besaßen sie nicht viel. Es war ein sehr großes Holzhaus, und ich zog außen herum überall Drähte und hatte in allen Zimmern Stecker, so daß immer eine Verbindung zu meinen Radiogeräten bestand, die oben in meinem Labor waren, und ich immer Radio hören konnte. Ich hatte auch einen Lautsprecher – keinen ganzen Lautsprecher, nur den Teil, auf dem sonst der große Schalltrichter sitzt, aber der fehlte.

Eines Tages hatte ich meine Kopfhörer auf und schloß sie an den Lautsprecher an, und dabei entdeckte ich etwas: Ich legte meinen Finger auf den Lautsprecher und konnte das im Kopfhörer hören; ich kratzte auf der Membran herum und hörte das dann im Kopfhörer. Auf diese Weise entdeckte ich, daß der Lautsprecher wie ein Mikrophon wirken konnte, und dazu brauchte man nicht einmal Batterien. In der Schule nahmen wir gerade Alexander Graham Bell durch, also führte ich den Lautsprecher mit dem Kopfhörer vor. Ich wußte es damals nicht, aber ich glaube, das war die Art Telephon, die er ursprünglich verwendete.

Jetzt hatte ich also ein Mikrophon und konnte im Haus von oben nach unten und von unten nach oben senden, wobei ich die Verstärker aus meinen Ramsch-Radios verwendete. Meine Schwester Joan, die neun Jahre jünger war als ich, muß damals ungefähr zwei oder drei gewesen sein, und im Radio gab es einen Typ, der Uncle Don hieß und den sie sich gern anhörte. Er sang Liedchen über »brave Kinder« und so weiter und las Karten vor, die Eltern geschickt hatten, in der Art wie »Mary Soundso in der Fiatbush Avenue Nr. 25 hat diesen Samstag Geburtstag«.

Eines Tages sagten mein Vetter Francis und ich zu Joan, sie solle sich hinsetzen, es gebe eine besondere Sendung, die sie sich anhören müsse. Dann rannten wir die Treppe hoch und fingen an zu senden: »Hier spricht Uncle Don. Wir kennen ein sehr liebes kleines Mädchen, es heißt Joan und wohnt am New Broadway; es hat bald Geburtstag – nicht heute, aber dann und dann. Sie ist ein hübsches Mädchen.« Wir sangen ein Liedchen, und dann machten wir Musik: Diedel diedel die, dudel dudel du; diedel diedel die, dudel dudel du …« Wir zogen die ganze Sache durch, und dann kamen wir wieder herunter: »Na, wie war’s? Hat dir die Sendung gefallen?«

»Es war gut«, sagte sie, »aber warum habt ihr die Musik mit dem Mund gemacht?«

Eines Tages bekam ich einen Anruf: »Mister, sind Sie Richard Feynman?«

»Ja.«

»Hier ist ein Hotel. Wir haben ein Radio, das nicht funktioniert, und wir würden es gern reparieren lassen. Wir haben gehört, daß Sie vielleicht etwas daran machen können.«

»Aber ich bin ja nur ein kleiner Junge«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie –«

»Ja, das wissen wir, aber wir hätten trotzdem gern, daß Sie mal rüberkommen.«

Es war ein Hotel, das von meiner Tante geführt wurde, aber das wußte ich nicht. Ich ging hin – man erzählt sich die Geschichte heute noch – mit einem großen Schraubenzieher hinten in der Hosentasche. Na, ich war ja noch klein, da sah hinten in meiner Hosentasche jeder Schraubenzieher groß aus.

Ich nahm mir das Radio vor und versuchte es in Ordnung zu bringen. Ich verstand überhaupt nichts davon, aber es gab auch ein Faktotum in dem Hotel, und entweder ihm oder mir fiel auf, daß am Regelwiderstand – mit dem man die Lautstärke reguliert – ein Knopf locker war, so daß sich die Welle nicht drehte. Er ging weg und feilte irgend etwas zurecht und brachte es in Ordnung, und so lief es dann.

Das nächste Radio, das ich zu reparieren versuchte, ging überhaupt nicht. Das war leicht: der Stecker steckte nicht richtig in der Steckdose. Je komplizierter die Reparaturaufträge wurden, desto besser und geschickter wurde ich. Ich kaufte mir in New York ein Milliamperemeter und verwandelte es in ein Voltmeter mit verschiedenen Skalen, indem ich feine Kupferdrähte in der richtigen Länge verwendete (die ich mir ausgerechnet hatte). Es war nicht besonders genau, aber es genügte, um anzuzeigen, ob bei den verschiedenen Anschlüssen in diesen Radiogeräten alles im richtigen Bereich lag.

Der Hauptgrund dafür, daß die Leute mir Arbeit gaben, war die Depression. Sie hatten nicht genug Geld, um ihre Radios reparieren zu lassen, und dann hörten sie von diesem Jungen, der es für weniger Geld machte. Also kletterte ich auf Dächer, um Antennen und alles mögliche andere in Ordnung zu bringen. Die Aufträge wurden immer schwieriger, so daß ich dabei eine Menge lernte. Schließlich bekam ich sogar Aufträge wie den, ein Gleichstromgerät in ein Wechselstromgerät umzubauen. Es war ziemlich schwierig, das Brummen aus dem System herauszubringen, und ich kriegte das nicht ganz hin. Ich hätte mir das nicht zutrauen sollen, aber das wußte ich nicht.

Ein Job war wirklich sensationell. Ich arbeitete damals bei einem Drucker, und jemand, der diesen Drucker kannte, erfuhr, daß ich versuchte, Reparaturaufträge für Radios zu bekommen; so schickte er jemanden bei der Druckerei vorbei, um mich abzuholen. Der Bursche ist offensichtlich arm – sein Auto ist ein völliges Wrack –, und wir fahren zu ihm nach Hause, in einen heruntergekommenen Stadtteil.

Unterwegs frage ich ihn: »Was ist denn los mit dem Radio?«

Er antwortet: »Wenn ich es anstelle, macht es so einen Krach, und dann dauert’s eine Weile, und alles ist in Ordnung, aber der Krach am Anfang gefällt mir nicht.«

Ich denke bei mir: »Verflixt nochmal! Wenn er kein Geld hat, sollte er das bißchen Krach ruhig ’ne Weile ertragen können.«

Und auf dem Weg zu seinem Haus stellt er mir die ganze Zeit Fragen, wie: »Verstehst du denn überhaupt was von Radios? Wie kommt es, daß du was von Radios verstehst – du bist doch noch ein kleiner Junge!«

Während der ganzen Fahrt macht er mich runter, und ich denke: »Was ist denn mit dem los? Das Radio macht also ’n bißchen Krach, na und?«

Aber als wir ankamen, ging ich ans Radio und schaltete es ein. Ein bißchen Krach? Du lieber Himmel! Kein Wunder, daß der arme Kerl das nicht aushalten konnte. Das Ding fing an zu röhren und zu jaulen – WUH BUH BUH BUH BUH – ein unheimlicher Lärm. Dann wurde es leiser und spielte schließlich richtig. Also fing ich an nachzudenken: »Woran kann das liegen?«

Ich fange an, hin und her zu gehen und zu überlegen, und mir fällt ein, daß es daran liegen kann, daß die Röhren in der falschen Reihenfolge warm werden, das heißt: der Verstärker ist ganz heiß, die Röhren sind startbereit, und es fließt kein Strom, oder es fließt Strom in die falsche Richtung, oder es stimmt irgend etwas am Anfang nicht – im Empfangsteil –, und deshalb macht es so einen Lärm, weil es irgend etwas empfängt. Und wenn dann der Eingangskreis steht und die Gitterspannungen angepaßt sind, ist alles in Ordnung.

Da sagt der Kerl: »Was treibst du denn da? Kommst mit, um das Radio in Ordnung zu bringen, rennst aber nur hin und her!«

Ich darauf: »Ich denke nach!« Dann sagte ich mir: »Also, nimm die Röhren raus und setze sie in umgekehrter Reihenfolge wieder in das Gerät ein. (Damals wurden in vielen Radios an verschiedenen Stellen die gleichen Röhren verwendet – 212er, glaube ich, oder 212-A’s.) Also vertauschte ich die Röhren, stellte mich vor das Radio, schaltete den Kasten ein, und es ist ruhig wie ein Lamm: es wartet, bis es warm ist, und spielt dann einwandfrei – kein Krach.

Wenn einen jemand schlecht behandelt hat, und man bringt dann so etwas fertig, sind die Leute gewöhnlich wie ausgewechselt, um das wiedergutzumachen. Er besorgte mir andere Aufträge, erzählte jedem, was für ein ungeheures Genie ich sei und sagte: »Er repariert Radios durch Denkend Die Vorstellung allein: durch Denken ein Radio in Ordnung zu bringen – ein kleiner Junge hält inne, denkt nach und findet heraus, was zu tun ist –, er hätte das nie für möglich gehalten.

Die Schaltkreise in Radios waren damals viel leichter zu verstehen, denn alles war bequem zugänglich. Nachdem man das Gerät auseinandergenommen hatte (das größte Problem war, die richtigen Schrauben zu finden), konnte man sehen, dies ist ein Widerstand, das ist ein Kondensator, hier ist dies, dort ist das: alle Teile waren beschriftet. Und wenn Wachs aus einem Kondensator herausgetropft war, war dieser zu heiß, und es war klar, daß der Kondensator durchgebrannt war. Wenn Kohle auf einem der Widerstände war, wußte man, wo der Schaden lag. Oder wenn man durch Hinsehen nicht herausfand, was los war, testete man ihn mit dem Voltmeter und schaute, ob Spannung durchkam. Die Geräte waren einfach, die Schaltkreise unkompliziert. Die Gitterspannung betrug immer anderthalb oder zwei Volt, und die Spannung an den Anoden hundert oder zweihundert Volt Gleichstrom. Deshalb war es für mich nicht schwer, ein Radio auf diese Weise zu reparieren: ich verstand, was innen vor sich ging, ich stellte fest, daß irgend etwas nicht richtig arbeitete und behob den Schaden.

Manchmal dauerte das ziemlich lange. Ich erinnere mich, daß ich einmal einen ganzen Nachmittag brauchte, um einen durchgebrannten Kondensator zu finden, der schwer zu entdecken war. In diesem Fall handelte es sich zufällig um eine Bekannte meiner Mutter, deshalb hatte ich Zeit – es stand niemand hinter mir und fragte: »Was treibst du da?« Statt dessen fragte man: »Möchtest du ein Glas Milch oder ein Stück Kuchen?« Schließlich brachte ich es in Ordnung, denn ich hatte – und habe immer noch – Ausdauer. Wenn ich mich erstmal auf ein Rätsel einlasse, komme ich nicht mehr davon los. Wenn die Bekannte meiner Mutter gesagt hätte: »Mach dir nichts draus, das ist zuviel Arbeit für dich«, wäre ich in die Luft gegangen, denn wenn ich schon einmal so weit gegangen bin, will ich das verdammte Ding auch in den Griff kriegen. Ich kann einfach nicht davon lassen, nachdem ich so viel darüber herausgefunden habe. Ich muß weitermachen, um letzten Endes doch herauszukriegen, was eigentlich damit los ist.

Das ist ein Rätsel-Trieb. Das erklärt, warum ich Maya-Hieroglyphen entziffern möchte, warum ich versuche, Safes zu öffnen. Ich erinnere mich, daß es mir auf der High School oft passierte, daß in der ersten Stunde ein Typ mit einem geometrischen Rätsel oder mit irgendeiner Aufgabe in höherer Mathematik, die in seiner Klasse gestellt worden war, zu mir kam. Ich hörte nicht auf, bis ich die verdammte Sache rausgekriegt hatte – dazu brauchte ich eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten. Aber im Laufe des Tages kamen dann andere mit dem gleichen Problem, und für die löste ich das dann blitzschnell. Bei dem einen brauchte ich also zwanzig Minuten, aber die fünf anderen hielten mich für ein Supergenie.

Auf diese Weise bekam ich einen phantastischen Ruf. Während der High-School-Zeit muß ich es mit jedem der Menschheit bekannten Rätsel zu tun bekommen haben. Jede verflixte, verrückte Knobelei, die man sich hatte einfallen lassen, kannte ich. Als ich dann ans MIT kam, gab es einmal einen Tanzabend, und einer der älteren Studenten hatte seine Freundin bei sich, die eine Menge Rätsel kannte, und er erzählte ihr, daß ich ziemlich gut im Rätsellösen sei. Im Laufe des Abends kam sie deshalb zu mir herüber und sagte: »Du sollst ja schwer was los haben, dann zeig mal, was du kannst: ›Ein Mann soll acht Klafter Holz schlagen …‹«

Und ich sagte: »Er fängt damit an, daß er jeden zweiten in drei Teile zerhackt«, denn das Rätsel kannte ich schon.

Darauf ging sie weg und kam mit einem neuen zurück, und ich kannte auch das wieder.

Das ging eine ganze Weile so, und schließlich, als der Tanzabend fast zu Ende war, kam sie mit einem Gesichtsausdruck herüber, als würde sie mich diesmal sicher hereinlegen und sagte: »Eine Mutter reist mit ihrer Tochter nach Europa …«

»Die Tochter hatte die Beulenpest.«

Sie brach fast zusammen! Das waren kaum genug Anhaltspunkte, um die Antwort zu finden: Es war eine lange Geschichte, wie eine Mutter mit ihrer Tochter in ein Hotel geht und beide getrennte Zimmer nehmen, und am nächsten Tag geht die Mutter in das Zimmer der Tochter, und es ist niemand da, oder jemand anders ist da, und sie fragt: »Wo ist meine Tochter?«, und der Hotelbesitzer sagt: »Was für eine Tochter?«, und im Gästebuch steht nur der Name der Mutter und so weiter und so weiter, und es ist ein großes Geheimnis um das, was passiert ist. Die Antwort ist, daß die Tochter die Beulenpest hatte, und das Hotel, das nicht zumachen will, läßt die Tochter verschwinden, säubert das Zimmer und beseitigt alle Hinweise, daß sie da war. Es war eine lange Geschichte, aber ich kannte sie, und als das Mädchen anfing mit: »Eine Mutter reist mit ihrer Tochter nach Europa«, fiel mir ein Rätsel ein, das so begann, also habe ich blind drauflosgeraten und traf das Richtige.

Auf der High School hatten wir das sogenannte Algebra-Team, dem gehörten fünf Jungen an, und wir fuhren zusammen zu anderen Schulen, um dort an Wettbewerben teilzunehmen. Wir saßen in einer Reihe, und das andere Team saß in einer anderen Reihe. Die Lehrerin, die den Wettkampf leitete, nahm einen Umschlag heraus, und auf dem Umschlag steht: »Fünfundvierzig Sekunden«. Sie öffnet den Umschlag, schreibt die Aufgabe an die Tafel und sagt: »Los!« – also hat man in Wirklichkeit mehr als fünfundvierzig Sekunden Zeit, denn während sie schreibt, kann man überlegen. Das Spiel ging so: Man hat ein Stück Papier, und darauf kann man alles schreiben, was man will. Das einzige, was zählte, war die Antwort. Wenn die Antwort »sechs Bücher« lautete, mußte man eine »6« hinschreiben und einen großen Kreis darum machen. Wenn das, was in dem Kreis stand, richtig war, hatte man gewonnen; wenn nicht, hatte man verloren.

Eines war sicher: Es war praktisch unmöglich, das Problem in irgendeiner herkömmlichen, direkten Weise zu lösen, zum Beispiel indem man hinschreibt, »A ist die Anzahl der roten Bücher, B ist die Anzahl der blauen Bücher«, ächz, ächz, ächz, bis am Ende »sechs Bücher« herauskommt. Dazu hätte man fünfzig Sekunden gebraucht, denn die Leute, die die Zeiten für diese Aufgaben festlegten, hatten sie alle ein bißchen kurz angesetzt. Also mußte man überlegen: »Kann man die Lösung irgendwie sehen?« Manchmal konnte man die Lösung blitzartig sehen, und manchmal mußte man einen anderen Weg erfinden und dann die Algebra-Aufgabe so schnell wie möglich erledigen. Es war eine wunderbare Übung, und ich wurde immer besser und war schließlich der Anführer des Teams. Auf diese Weise lernte ich, Algebra-Aufgaben sehr rasch zu lösen, und das kam mir auf dem College zugute. Wenn wir ein Problem in Differential- oder Integralrechnung hatten, sah ich sehr rasch, wie es ging, und löste dann die Algebra-Aufgabe – und zwar schnell.

Was ich noch auf der High School tat, war: Probleme und Theoreme erfinden. Das heißt, wenn ich überhaupt etwas Mathematisches machte, dann fand ich irgendein praktisches Beispiel, für das man es gebrauchen konnte. Ich erfand eine Reihe von Aufgaben mit rechtwinkligen Dreiecken. Aber statt die Länge von zwei der Seiten anzugeben, um die dritte zu finden, gab ich die Differenz der zwei Seiten an. Ein typisches Beispiel war: Von der Spitze einer Fahnenstange hängt ein Seil herunter. Wenn man das Seil gerade nach unten zieht, ist es drei Fuß länger als die Stange, und wenn man es straff von der Stange wegzieht, berührt es fünf Fuß von deren Basis entfernt den Boden. Wie hoch ist die Fahnenstange?

Ein paar Jahre später, als wir die Trigonometrie in der Schule durchnahmen, hatte ich immer noch meine Notizen und sah, daß sich meine Herleitungen oft von denen im Lehrbuch unterschieden. Manchmal, wenn ich keinen einfachen Weg sah, machte ich einen Riesenumweg, bis ich es herausbekam. Ein anderes Mal war meine Methode äußerst geschickt – die Standard-Herleitung im Lehrbuch war viel komplizierter! Manchmal also steckte ich die in die Tasche, und manchmal war’s auch umgekehrt.

Als ich mich mit der Trigonometrie beschäftigte, gefielen mir die Symbole nicht, die normalerweise für Sinus, Kosinus, Tangens und so weiter verwendet werden. Für mich sah »sin f« wie s mal i mal n mal f aus! Deshalb erfand ich ein anderes Symbol, so ähnlich wie ein Quadratwurzel-Zeichen, nämlich ein Sigma, das einen langen Arm ausstreckt, und darunter schrieb ich das f. Für den Tangens war es ein Tau, bei dem der obere Strich verlängert war, und für den Kosinus machte ich eine Art Gamma, aber es sah ein bißchen so aus wie das Zeichen für die Quadratwurzel.

Der Arkussinus war das gleiche Sigma, aber spiegelverkehrt von rechts nach links, so daß das Zeichen mit der horizontalen Linie anfing, unter der der Wert stand, und dann kam das Sigma. Das war der Arkussinus, NICHT, sin-1 f – das war verrückt! Das stand in den Büchern! Für mich bedeutete sin-1 den Kehrwert, 1/sin. Meine Symbole waren also besser.

Das Zeichen f(x) gefiel mir auch nicht – für mich sah das aus wie f mal x. Ebensowenig mochte ich dy/dx – man läßt die d’s leicht weg –, deshalb machte ich ein anderes Zeichen, so etwas wie ein &-Zeichen. Für Logarithmen war es ein großes, nach rechts hin verlängertes L, in das das, wovon man den Logarithmus nimmt, hineingeschrieben wurde, und so weiter.

Ich fand, meine Symbole seien ebenso gut – wenn nicht besser – wie die regulären Symbole – es ist ganz egal, welche Symbole man verwendet –, aber später entdeckte ich, daß es doch nicht egal ist. Als ich nämlich einmal auf der High School einem anderen Jungen etwas erklärte, machte ich zunächst, ohne zu überlegen, diese Symbole, und er fragte: »Was zum Teufel ist das denn?« Da wurde mir klar, daß ich, wenn ich mit jemand anderem sprach, die Standardsymbole benutzen mußte, und deshalb gab ich schließlich meine eigenen Symbole auf.

Ich hatte auch eine Reihe von Symbolen für die Schreibmaschine erfunden, so ähnlich wie bei FORTRAN, damit ich Gleichungen tippen konnte. Ich reparierte auch Schreibmaschinen, und zwar mit Büroklammern und Gummibändern (die hielten in New York länger als hier in Los Angeles); aber ein professioneller Handwerker war ich nicht; ich brachte sie bloß in Ordnung, damit sie wieder funktionierten. Aber das ganze Problem: zu entdecken, was los war, und herauszukriegen, was man tun muß, um sie wieder in Gang zu bringen – das hat mich interessiert, wie ein Rätsel.

Grüne Bohnen

Ich muß siebzehn oder achtzehn gewesen sein, als ich einen Sommer in einem Hotel arbeitete, das von meiner Tante geführt wurde. Ich weiß nicht, wieviel ich verdiente – zweiundzwanzig Dollar im Monat, glaube ich –, und ich arbeitete abwechselnd den einen Tag elf Stunden und den nächsten dreizehn als Portier oder als Aushilfskellner im Restaurant. Und nachmittags, wenn man Portier war, mußte man Mrs. D., einer körperbehinderten Frau, die uns nie Trinkgeld gab, die Milch hinaufbringen. So war nun mal die Welt: Man arbeitete viele Stunden lang und bekam nichts dafür, und das jeden Tag.

Es war ein Urlaubshotel, am Strand, an der Peripherie von New York. Die Männer fuhren zur Arbeit in die Stadt, und die Frauen blieben da, um Karten zu spielen, deshalb mußte man immer die Bridge-Tische hinausstellen. Abends spielten die Männer dann Poker, da mußte man die Tische für sie bereitstellen – die Aschenbecher sauber machen und so weiter. Ich war immer bis spät nachts auf, so bis gegen zwei Uhr, das heißt, es waren wirklich elf oder dreizehn Stunden pro Tag.

Manche Sachen konnte ich nicht ausstehen, zum Beispiel Trinkgelder. Ich fand, es sei besser, mehr bezahlt zu bekommen und keine Trinkgelder nehmen zu müssen. Aber als ich das der Chefin vorschlug, erntete ich nichts als Gelächter. Sie erzählte jedem: »Richard will kein Trinkgeld, hi, hi, hi; er will kein Trinkgeld, ha, ha, ha.« Die Welt ist voll von solchen blöden Schlaubergern, die überhaupt nichts verstehen.

Jedenfalls, irgendwann wohnten da ein paar Männer, und wenn die aus der Stadt von der Arbeit zurückkamen, wollten sie sofort Eis für ihre Drinks haben. Nun, der andere Bursche, der mit mir arbeitete, war wirklich Portier gewesen. Er war älter als ich und viel professioneller. Eines Tages sagte er zu mir: »Hör mal, wir bringen diesem Kerl, diesem Ungar, doch immer das Eis rauf, und der gibt uns nie Trinkgeld – nicht mal zehn Cents. Das nächste Mal, wenn die Eis haben wollen, tust du einfach gar nichts. Die werden dich dann noch mal anrufen, und wenn sie wieder anrufen, sagst du: ›Oh, tut mir leid. Habe ich vergessen. Wir sind ja alle mal vergeßlich.‹«

So machte ich’s dann auch, und Ungar gab mir fünfzehn Cents! Aber wennn ich mir das jetzt im nachhinein überlege, wird mir klar, der andere Portier, der professionelle, der hat wirklich gewußt, wie man’s macht: rede dem anderen ein, daß er das Risiko eingehen muß, Ärger zu bekommen. Er hat mich das erledigen lassen, diesen Kerl darauf zu trimmen, Trinkgeld zu geben. Er selbst hat nie was gesagt; er brachte mich dazu, es zu tun!

Als Aushilfskellner mußte ich im Speisesaal die Tische abräumen. Man stapelt das ganze Zeug von den Tischen auf ein Tablett an der Seite, und wenn genug drauf ist, trägt man es in die Küche. Dann holt man sich ein neues Tablett, nicht? Man sollte es in zwei Schritten machen – das volle Tablett wegnehmen und ein neues hinlegen –, aber ich dachte: »Ich werde das in einem Schritt machen.« Also versuchte ich, das neue Tablett darunterzuschieben und gleichzeitig das alte vorzuziehen, und es rutschte weg – PENG! Das ganze Zeug fiel auf den Boden. Und dann war natürlich die Frage: »Was hast du gemacht? Wie konnte das runterfallen?« Na ja, wie sollte ich erklären, daß ich versuchte, eine neue Art zu erfinden, mit Tabletts zu hantieren?

Bei den Desserts gab es so eine Art Kuchen zum Kaffee, der ganz hübsch auf einem Zierdeckchen serviert wurde, das auf einem kleinen Teller lag. Aber wenn man nach hinten ging, sah man da einen Mann, der der Küchenmeister genannt wurde. Seine Aufgabe war, das Zeug für die Desserts fertig zu machen. Also, der Mann muß vorher Bergarbeiter gewesen sein oder so etwas Ähnliches: kräftig gebaut, mit ganz kurzen, dicken, runden Fingern. Er nahm diesen Stapel Zierdeckchen, die mit einer Stanze hergestellt werden und deshalb alle aneinanderhingen, und versuchte, die Zierdeckchen mit seinen Wurstfingern auseinanderzubekommen, um sie auf die Teller zu legen. Ich hörte immer, wie er dabei »Diese verdammten Dinger!« sagte, und ich erinnere mich, daß ich dachte: »Was für ein Gegensatz – der Gast am Tisch bekommt diesen schönen Kuchen auf einem Teller mit Zierdeckchen, und der Küchenmeister da hinten mit seinen Stummeldaumen sagt: ›Diese verdammten Dinger!‹« Das war also der Unterschied zwischen der Welt, wie sie wirklich war und wie sie zu sein schien.

Als ich dort den ersten Tag arbeitete, erklärte mir die Küchenmeisterin, daß sie gewöhnlich für den, der Nachtschicht habe, ein Schinkenbrot oder etwas anderes mache. Ich sagte, ich äße gern Desserts. Wenn vom Abendessen ein Dessert übrig sei, dann würde ich das gerne nehmen. In der nächsten Nacht hatte ich Spätschicht bis 2 Uhr morgens, weil diese Kerle Poker spielten. Ich saß herum, hatte nichts zu tun und langweilte mich, als mir plötzlich einfiel, daß ich ein Dessert essen konnte. Ich ging zum Kühlschrank und öffnete ihn, und da hatte sie sechs Desserts hingestellt! Es gab Schokoladenpudding, ein Stück Kuchen, einige Pfirsichhälften, etwas Milchreis, Wackelpeter – was man sich nur wünschen konnte! So setzte ich mich hin und aß die sechs Desserts – es war sagenhaft!

Am nächsten Tag sagte sie zu mir: »Ich habe ein Dessert für dich stehenlassen …«

»Es war wunderbar«, sagte ich, »ganz wunderbar!«

»Aber ich hatte dir sechs Desserts hingestellt, denn ich wußte ja nicht, welches du am liebsten hast.«

Von da an stellte sie mir immer sechs Desserts hin. Jeden Abend hatte ich sechs Desserts. Sie waren nicht immer verschieden, aber es waren immer sechs Desserts.

Einmal, als ich Portier war, ließ ein Mädchen neben dem Telephon beim Empfang ein Buch liegen, als sie zum Essen ging, und ich schaute es mir an. Es war Das Leben Leonardos, und ich konnte nicht widerstehen. Das Mädchen lieh es mir aus, und ich habe das ganze Ding gelesen.

Ich schlief in einem kleinen Zimmer auf der Rückseite des Hotels, und es gab immer etwas Zoff, weil man das Licht ausmachen sollte, wenn man sein Zimmer verließ, und ich brachte es nie fertig, daran zu denken. Angeregt von dem Leonardo-Buch, bastelte ich einen Apparat, der aus einem System von Schnüren und Gewichten bestand – Cola-Flaschen voller Wasser – und der so funktionierte, daß, wenn ich die Tür öffnete, an dem Kettchen gezogen wurde und das Licht anging. Man öffnete die Tür, und die Dinger wurden in Bewegung gesetzt und machten das Licht an; dann schließt man die Tür hinter sich, und das Licht ging aus. Aber meine beste Erfindung kam später.

Ich mußte in der Küche Gemüse kleinschneiden. Grüne Bohnen mußten in Stücke geschnitten werden, ungefähr ein Inch lang. Das sollte man folgendermaßen machen: Man hält zwei Bohnen in der einen Hand, das Messer in der anderen, und dann drückt man das Messer gegen die Bohnen und den Daumen und schneidet sich dabei fast. Das ging sehr langsam. Also gebrauchte ich meinen Verstand und kam auf eine ziemlich gute Idee. Ich setzte mich draußen vor der Küche an den Holztisch, stellte mir eine Schüssel auf den Schoß und steckte ein sehr scharfes Messer in einem Winkel von fünfundvierzig Grad von mir aus gesehen nach unten in den Tisch. Dann tat ich auf jede Seite einen Haufen grüne Bohnen, nahm eine in jede Hand und bewegte sie so rasch auf mich zu, daß sie zerschnitten wurde und die Stücke in die Schüssel auf meinem Schoß fielen.

Ich sitze also da und schneide eine Bohne nach der anderen – schip, schip, schip, schip, schip –, und alle bringen mir Bohnen, und es geht mir unheimlich schnell von der Hand, als auf einmal die Chefin vorbeikommt und fragt: »Was machst du denn da?«

Ich sage: »Guck mal, wie ich die Bohnen schneide!« – und genau in dem Moment schneide ich mir in den Finger, statt eine Bohne zu zerschneiden. Es fing an zu bluten, das Blut tropfte auf die Bohnen, und es gab große Aufregung: »Schau dir an, wie viele Bohnen du verdorben hast! Wie kann man nur so dumm sein!« und so weiter. So kam ich nie dazu, irgendwelche Verbesserungen anzubringen, was einfach gewesen wäre – mit einem Schutz oder etwas Ähnlichem –, aber nein, es gab keine Chance für Verbesserungen.

Ich machte noch eine andere Erfindung, bei der es ähnliche Schwierigkeiten gab. Für irgendeinen Kartoffelsalat mußten wir Kartoffeln schneiden, nachdem sie gekocht waren. Sie waren klebrig und feucht, und man konnte sie nur schwer halten. Ich stellte mir eine ganze Reihe von Messern vor, parallel eingespannt, die heruntergehen und das ganze Zeug zerschneiden würden. Ich dachte lange darüber nach, und schließlich kam mir die Idee, daß man auch Drähte einspannen könnte.

Also ging ich ins Kaufhaus, um mir Messer oder Drähte zu kaufen, und sah da genau den Apparat, den ich haben wollte: damit schnitt man Eier in Scheiben. Als am nächsten Tag die Kartoffeln drankamen, holte ich meinen kleinen Eierschneider, schnitt in Null Komma nix die ganzen Kartoffeln und ließ sie dem Küchenchef bringen. Der Küchenchef war ein Deutscher, ein riesenlanger Kerl, der war der King in der Küche, und er kam herausgestürmt – die Adern traten an seinem Hals hervor –, hochrot im Gesicht. »Was ist denn mit den Kartoffeln los?« fragte er. »Die sind ja überhaupt nicht geschnitten!«

Ich hatte sie geschnitten, aber die Scheiben klebten alle aneinander. Er fragte: »Wie soll ich die denn auseinanderkriegen?«

»Tun Sie sie in Wasser«, schlage ich vor.

»IN WASSER? IHHHHHHHHHH!!!«

Ein andermal hatte ich eine wirklich gute Idee. Als Portier mußte ich mich um das Telephon kümmern. Wenn jemand anrief, ertönte ein Summen, und an der Vermittlung fiel eine Klappe herunter, so daß man sehen konnte, welcher Anschluß es war. Manchmal, wenn ich den Frauen mit den Bridge-Tischen half oder am Nachmittag (wenn es sehr wenige Anrufe gab) auf der Veranda saß, war ich ziemlich weit von der Vermittlung weg, wenn es plötzlich summte. Ich rannte dann hin, um den Anruf anzunehmen, aber so, wie der Empfang gebaut war, mußte man, um an die Telephonvermittlung heranzukommen, erst an der Theke vorbeigehen, dann um sie herum, dann hinter sie und schließlich noch ein Stück zurückgehen, um zu sehen, von woher der Anruf kam – das dauerte zusätzlich.

Da hatte ich eine gute Idee. Ich befestigte Fäden an den Klappen, die an der Vermittlung waren, und zog sie über die Theke hinweg und dann nach unten, und am Ende jedes Fadens befestigte ich ein Stückchen Papier. Dann legte ich das Teil des Telephons, in das man hineinsprach, oben auf die Theke, so daß ich es von vorne erreichen konnte. Wenn jetzt ein Anruf kam, sah ich an dem Papierstück, das hochgegangen war, welche Klappe heruntergefallen war, so daß ich den Anruf entsprechend beantworten konnte, und zwar von vorne, um Zeit zu sparen. Natürlich mußte ich trotzdem noch um die Theke herumgehen, um den Anruf zu vermitteln, aber zumindest nahm ich ihn an. Ich sagte: »Einen Moment«, und ging dann hinter die Theke, um die Verbindung herzustellen.

Ich fand, das sei perfekt, aber eines Tages kam die Chefin, und diesmal wollte sie selbst einen Anruf annehmen und kam damit nicht zurecht – zu kompliziert. »Was sollen denn all diese Papierchen? Wieso liegt das Telephon hier? Warum tust du nicht… aaaaaaaaaah!«

Ich versuchte ihr zu erklären – sie war schließlich meine Tante –, daß es keinen Grund gab, das nicht zu tun, aber man kann das niemandem erzählen, der es besser weiß, der ein Hotel führtl Da habe ich gelernt, daß in der wirklichen Welt Innovation etwas sehr Schwieriges ist.

Wer hat die Tür gestohlen?

Am MIT veranstalteten die verschiedenen Studenten-Verbindungen alle »Herrenabende«, bei denen sie die neuen Erstsemester dazu bringen wollten, bei ihnen Mitglied zu werden, und in dem Sommer, bevor ich ans MIT ging, wurde ich von Phi Beta Delta, einer jüdischen Verbindung, zu einem Treffen in New York eingeladen. Wenn man Jude oder in einer jüdischen Familie aufgewachsen war, hatte man in anderen Verbindungen damals keine Chance. Die guckten einen nicht mal an. Ich war nicht unbedingt darauf aus, mit anderen Juden zusammenzusein, und den Leuten aus der Phi-Beta-Delta-Verbindung war es egal, wie jüdisch ich war – eigentlich glaubte ich nichts von diesem Zeug, und ich war sicher in keiner Weise religiös. Jedenfalls stellten mir ein paar Leute aus der Verbindung einige Fragen und gaben mir einen kleinen Tip – daß ich die Analysis-I-Prüfung machen sollte, damit ich den Kurs nicht belegen müßte –, der sich als guter Tip erwies. Ich mochte die Burschen von der Verbindung, die nach New York gekommen waren, und die beiden, die mich dazu überredeten, Mitglied zu werden. Ich wohnte später mit ihnen zusammen auf einem Zimmer.

Am MIT gab es noch eine andere jüdische Verbindung, die hieß »SAM«, und die hatten die Idee, mir eine Fahrt hoch nach Boston zu bezahlen, und ich konnte bei ihnen wohnen. Ich nahm das Angebot an und schlief in jener ersten Nacht oben in einem der Zimmer.

Am nächsten Morgen schaute ich aus dem Fenster und sah, wie die beiden Jungs von der anderen Verbindung (die ich in New York getroffen hatte) die Treppe hochkamen. Ein paar Typen von der Sigma-Alpha-Mü-Verbindung liefen hinaus, um mit ihnen zu sprechen, und es gab ein großes Palaver.

Ich rief aus dem Fenster: »Heh, ich gehöre eigentlich zu denen!«, und beeilte mich, aus dem Verbindungshaus hinauszukommen, ohne daran zu denken, daß sie sich alle darum bemühten und bewarben, daß ich bei ihnen Mitglied wurde. Dankbarkeit für die Fahrt oder für sonst etwas verspürte ich nicht.

Die Phi-Beta-Delta-Verbindung war im Jahr zuvor beinahe auseinandergebrochen, denn es gab darin zwei verschiedene Cliquen, die die Verbindung gespalten hatten. Die eine Gruppe bestand aus Leuten, die aus der feinen Gesellschaft kamen und gerne tanzen gingen und danach in ihren Autos Spielchen trieben und so weiter, und die andere Gruppe bestand aus denen, die nichts anderes taten als studieren und nie zum Tanzen gingen.

Kurz bevor ich in die Verbindung eintrat, hatten sie ein großes Treffen abgehalten und einen wichtigen Kompromiß geschlossen. Sie wollten sich einigen und gegenseitig unterstützen. Jeder mußte mindestens den und den Notendurchschnitt haben. Wenn welche dahinter zurückfielen, sollten diejenigen, die die ganze Zeit studierten, ihnen Unterricht geben und ihnen bei ihrer Arbeit helfen. Auf der anderen Seite mußte jeder zu jeder Tanzveranstaltung gehen. Wenn einer nicht wußte, wie er zu einer Verabredung mit einem Mädchen kommen konnte, sollten ihm die anderen eine Verabredung besorgen. Wenn er nicht tanzen konnte, sollten sie es ihm beibringen. Die einen brachten den anderen bei, wie man denkt, während die anderen ihnen beibrachten, wie man gesellig ist.

Das war genau das richtige für mich, denn was Geselligkeit betraf, war ich nicht besonders gut. Ich war so schüchtern, daß ich, wenn ich die Post hinausbrachte und an einigen älteren Semestern vorbei mußte, die mit ein paar Mädchen auf der Treppe saßen, wie versteinert war: Ich wußte nicht, wie ich an ihnen vorbeigehen sollte! Und es half überhaupt nichts, wenn ein Mädchen sagte: »Oh, der ist aber süß!«

Ein bißchen später brachten die Studenten aus dem zweiten Jahr ihre Freundinnen und auch noch deren Freundinnen mit, um uns das Tanzen beizubringen. Viel später hat mir einer von ihnen Fahrunterricht in seinem Auto gegeben. Sie legten sich ziemlich ins Zeug, um uns Intellektuelle dazu zu kriegen, geselliger und lockerer zu sein, und umgekehrt. Das hielt sich gut die Waage.

Es war für mich einigermaßen schwierig, zu begreifen, was es genau bedeutete, »gesellig« zu sein. Bald nachdem mir diese geselligen Typen beigebracht hatten, wie man sich mit einem Mädchen trifft, sah ich in einem Restaurant, in dem ich eines Tages alleine aß, eine hübsche Serviererin. Mit großer Anstrengung faßte ich mir schließlich ein Herz und fragte sie, ob sie mit mir zum nächsten Tanzabend der Verbindung kommen würde, und sie sagte ja.

Als wir uns in der Verbindung über die Verabredungen für den nächsten Tanzabend unterhielten, erzählte ich den anderen, daß sie mir diesmal keine Verabredung zu besorgen bräuchten – ich hätte mich selbst verabredet. Ich war sehr stolz auf mich.

Als die Studenten aus dem dritten oder vierten Jahr herausfanden, daß das Mädchen eine Serviererin war, waren sie entsetzt. Sie sagten mir, das sei unmöglich; sie würden mir eine »passende« Verabredung besorgen. Sie gaben mir das Gefühl, als hätte ich mich verirrt, als sei etwas mit mir nicht in Ordnung. Sie beschlossen, die Situation selbst in die Hand zu nehmen. Sie gingen zu dem Restaurant, fanden die Serviererin, redeten ihr die Verabredung aus und besorgten mir ein anderes Mädchen. Sie versuchten sozusagen ihren »ungeratenen Sohn« zu erziehen, aber ich denke, das hätten sie nicht tun sollen. Ich war damals bloß ein Erstsemester und hatte noch nicht genug Selbstvertrauen, um sie daran zu hindern, meine Verabredung abzusagen.

Als ich Mitglied wurde, hatten sie verschiedene Methoden, einen zu schikanieren. Eine war, uns mitten im Winter mit verbundenen Augen irgendwo weit hinaus aufs Land zu bringen und uns einige hundert Fuß voneinander entfernt in der Nähe eines zugefrorenen Sees zurückzulassen. Wir waren in einem völligen Nirgendwo – keine Häuser, nichts – und sollten den Weg zurück zum Verbindungshaus finden. Wir hatten ein bißchen Angst, denn wir waren jung, und wir sagten nicht viel – außer einem, der Maurice Meyer hieß: man konnte ihn nicht davon abbringen, Witze zu reißen, blöde Sprüche zu machen und diese unbekümmerte Haltung an den Tag zu legen: »Ha, ha, kein Grund, sich Sorgen zu machen. Macht doch Spaß!«

Wir wurden sauer auf Maurice. Er ging die ganze Zeit ein Stückchen hinter uns und amüsierte sich über die ganze Situation, während wir anderen nicht wußten, wie wir je da herauskommen sollten.

Wir kamen an eine Kreuzung nicht weit von dem See – es gab immer noch keine Häuser oder irgend etwas –, und wir anderen diskutierten, ob wir diesen Weg gehen sollten oder den, da holte Maurice uns ein und sagte: »Geht da lang.«

»Woher, zum Teufel, willst du denn das wissen, Maurice?« fragten wir niedergeschlagen. »Du reißt ja die ganze Zeit bloß Witze. Wieso sollen wir da lang gehen?«

»Ganz einfach: Schaut nach den Telephonleitungen. Wo mehr Drähte sind, geht’s in Richtung Fernamt.«

Dieser Kerl, der aussah, als würde er auf gar nichts achten, war auf eine tolle Idee gekommen! Wir marschierten schnurstracks in die Stadt, ohne einen Umweg zu machen.

Am nächsten Tag sollten an der ganzen Schule die Erstsemester bei einem »Mudeo« (Ringkämpfe und Tauziehen im Schlamm) gegen die Studenten aus dem zweiten Jahr antreten. Am späten Abend kommt ein ganzer Haufen älterer Studenten in unser Haus – ein paar aus unserer Verbindung und einige von draußen –, um uns zu entführen: Sie wollen, daß wir am nächsten Tag müde sind, damit sie gewinnen.

Die älteren Studenten hatten ziemlich leichtes Spiel, die ganzen Erstsemester zu fesseln – außer bei mir. Ich wollte nicht, daß die anderen in der Verbindung herausbekamen, daß ich ein »Schwächling« war. (Ich war nie besonders gut im Sport. Ich hatte immer Angst, wenn ein Tennisball über den Zaun flog und in meiner Nähe landete, denn ich bekam ihn nie über den Zaun – gewöhnlich flog er in die verkehrte Richtung.) Ich dachte mir, dies sei eine neue Situation, eine neue Welt, und ich könnte mir einen neuen Ruf erwerben. Damit es also nicht so aussah, als wüßte ich nicht, wie man kämpft, kämpfte ich wie ein Wilder (wobei ich nicht wußte, was ich tat), und drei oder vier von den anderen mußten ein paarmal Anlauf nehmen, bis sie mich schließlich fesseln konnten. Die älteren Studenten brachten uns in ein Haus, das weit weg im Wald lag, und banden uns alle an großen Krampen fest, die im Holzboden steckten.