Sieben Jahre kopflos - Elvira Kempe - E-Book

Sieben Jahre kopflos E-Book

Elvira Kempe

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Beschreibung

"7 Jahre kopflos" beschreibt die Erlebnisse einer Mutter, von der Geburt ihres Kindes bis zu der Erkenntnis, dass Ihr Kind eine hochgradige Hörschädigung hat. Ein langer Weg, verbunden mit dem Besuch vieler Ärzte und der Hoffnung auf Hilfe, bei jedem der einzelnen Besuche. Das Buch erklärt nicht nur betroffenen Eltern, dass man die Hoffnung nicht aufgeben sollte und ein stetiger Kampf mit den Tücken des Alltags letztendlich dem Kind behilflich ist, seinen Weg auf dieser Welt zu finden. Erleben Sie in dem ersten Teil eine Achterbahnfahrt der Gefühle und wie man als Mutter lernt, sein Kind zu verstehen und in seine Welt abzutauchen. "7 Jahre kopflos" ist eine wahre Geschichte und alle Beteiligten Personen leben heute glücklich und zufrieden in einer gewissen Harmonie.

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Einführung

Mein Erwachsensein fing an wie ein Bilderbuch, alles perfekt. Ausbildung erfolgreich beendet, über beide Ohren verliebt, kleine Wohnung und ein Baby im Bauch. War ganz kribbelig und konnte es kaum erwarten, bald meine kleine Tochter in den Armen zu halten. Den ersten Zahn zu fühlen, den ersten Schritt zu erleben und das erste „Mama“ zu hören. Träumte davon ihr Geschichten und Märchen vorzulesen. Alles, einfach alles war so schön und ich der glücklichste Mensch auf Erden. Doch schon bald stellten sich gesundheitliche Probleme bei ihr ein. Meine schöne heile Welt fing an zu bröckeln, Stück für Stück, immer wieder neue Probleme. Wie sag ich's meinem Kind, das war die größte Hürde. Konnte ihr nicht's sagen oder erklären, sie hat mich nicht gehört. Hatte nur zu tun, von ihrer Welt in meine Welt zu schlüpfen, um allem gerecht zu werden. All das hat mich knülle, kraftlos und traurig gemacht. Mein Kind, es war behindert, das ist keine heile glückliche Welt, wie geht man damit um, ich wusste es nicht. Nach langen, fast unerträglichen 7 Jahren, öffnete mir ein Kinderpsychologe die Augen. Mein Leben nahm wieder Gestalt an, ich stellte mich dieser Herausforderung, konnte endlich offen darüber reden. Diese andere, ihre Welt, war viel schöner als meine, ich verstand sie immer besser. Sie war so einfach und unkompliziert, trotz der vielen Hürden. Heute lebt sie in einer großen Stadt, hat sich vieles selbst erkämpft, hat sich durchgeschlagen. Lebt glücklich in ihrer eigenen Welt und ich bin froh, auch diese kennen gelernt zu haben, ich möchte sie nie mehr missen. Danke dafür an meine Tochter.

Endlich, mein Leben beginnt, endlich kann ich mein Weg selbst bestimmen. Kann meine eigenen Entscheidungen treffen, muss niemanden mehr fragen. Ausbildung vorbei und ich freu mich auf das was kommt. Endlich richtig Geld verdienen, so sparsam wie ich bin, werd ich ganz viel sparen. Vorher noch ein kleiner Umzug, raus aus dem Internat und in ein kleines Mitarbeiterzimmer umsiedeln, auch das wird noch spannend. Obwohl die Beziehung zu meinem Freund noch nicht so fest ist, haben wir uns doch geeinigt zusammen zu ziehen. Eigentlich sind wir erst seit einem halben Jahr zusammen, mehr oder weniger, aber wir denken dass es klappen wird, denken aber auch nicht weiter drüber nach, wir tun es einfach. Ja so bin ich, einfach tun. Schließlich bin ich verliebt, über beide Ohren und da denkt man nicht über solche Dinge nach. Er hat schulterlange Haare und ganz weite Hosen, dazu noch DJ, auf so was stehen wir Mädchen. Jedes mal bin ich baff wenn er das Mikro in die Hand nimmt, er quatscht einfach drauf los und den Leuten gefällt das auch noch. Also ich würde kein Wort raus kriegen und dann noch vor so vielen Leuten, ne das ist nix für mich, dazu muss man wohl geboren sein. Ich tanz lieber in der 3. Reihe, immer dabei sein, aber nicht ganz vorn und schon gar nicht gesehen werden.

Die ersten 1 1/2 Jahre unserer Ausbildung hat er mich absolut nicht interessiert, ich fand ihn sogar doof. In der Schule hat er immer geschlafen, trotzdem konnte er die richtigen Antworten geben, für mich unfassbar wie so was geht. Mein Traummann sollte immer groß, schlank, blond und blaue Augen haben, so wie es sich alle Mädchen wünschen. Aber all das hat er ganz und gar nicht, ist schon verrückt im Leben. Im 2. Ausbildungsjahr waren wir Azubis alle zusammen im Urlaub und er hat rein zufällig, denke ich jedenfalls, meine Reisetasche getragen, das fand ich cool und echt, seit diesem Tag hat es bei uns gefunkt.

Im Zugabteil haben wir die ganze Fahrt nur geknutscht und gekuschelt, im Urlaubsort im Hotel haben wir uns jede Nacht heimlich getroffen. Verbotene Früchte schmecken eben am besten. Wir fanden es einfach spannend und wurden, wie soll's anders sein, schon am 3. Tag von den Erziehern erwischt, obwohl die nicht besser waren, dumm gelaufen. Hat uns aber trotzdem nicht weiter gejuckt, wir waren eben verliebt. Zurück im Internat gab's dann richtig Ärger und unsere Eltern wurden informiert, war natürlich sehr peinlich aber ein Nachspiel gab's glücklicherweise nicht. Neben unserem Internat gab es auch ein Kino, natürlich sind wir viel ins Kino gegangen, hat ja nur 50 Pfennig gekostet, aber nicht wegen des Films, es war einfach schön zusammen zu sein. Nachmittags waren wir mit Freunden oft am Strand, abends meistens in einem der Hotels zum Umtrunk oder mein Freund hat selbst irgendwo Musik gemacht. Es ist schon ein schönes Leben, hier an der Ostsee, mit so vielen Menschen. Jetzt fängt für uns eine Neue, sicher auch eine aufregende Zeit an und alle sind gespannt drauf.

Wir sind ab sofort erwachsene Menschen, für uns selbst verantwortlich und ziehen zusammen, ohne an die Folgen zu denken, sicher wird auch das eine Umstellung für uns Beide, aber wir wollten es ja so. Unser Zimmer ist sehr klein, in der Kelleretage eines unserer vielen Hotels. Die Firma hat hier an der Ostsee ganz viele Hotels und Pensionen. Wir sind stolz und fühlen uns als hätten wir unsere erste eigene Wohnung bekommen, na ja ist ja auch so. Das Zimmer ist aber nur 3,5 x 4 Meter, dazu noch eine kleine Toilette mit Dusche und ein Miniflur, wo wir uns dann notdürftig ein 2 Plattenkocher aufstellen können, um mal was zu kochen. Weil wir in der Gastronomie arbeiten und auch hier die meiste Zeit essen, reicht uns diese kleine Küchenecke. So gut es geht machen wir es uns gemütlich, mit dem was wir haben. Also wir haben ja noch nichts für eine eigene Wohnung angesammelt, an so was haben wir doch noch gar nicht gedacht. Aber wir kriegen das eine und andere von den Eltern und Bekannten. Ein Kleiderschrank und zwei Betten stehen schon im Zimmer. Die Möbel sind von der Firma, die hier alle Mitarbeiterzimmer so eingerichtet hat. Gardinen, Lampen und sonstige notwendige Sachen besorgen wir uns, ist zwar alles schon gebraucht, aber es erfüllt den Zweck und reicht fürs Erste.

Für heute ist nun der große Einzug in unser schönes Heim geplant. Wir stehen ganz früh auf, packen unsere 7 Sachen, ist ja nur eine Reisetasche voll und sind ganz aufgeregt. Endlich raus hier und ab in die eigenen 4 Wände, einfach ein geiles Gefühl. Schnell noch von allen Zurückgebliebenen verabschieden und los geht’s. Nach 10 Minuten Fußweg sind wir angekommen, ich schließ mit zittrigen Händen die Tür auf, es riecht frisch nach Farbe, aber alles ist sauber und ordentlich für uns neuen Mieter. Gardinen und Lampen hatten wir letzte Woche schon montiert. Auf dem Flur herrscht großer Trubel, viele der neuen jungen Facharbeiter beziehen ihr neues Heim. Jeder hilft jeden und es wird mehr gequatscht als gearbeitet. Es fühlt sich an wie eine große WG, man ist eben nicht alleine und das ist für den Neuanfang auch gut so und wenn man Ruhe braucht schließt man einfach seine Tür zu. Was uns gar nicht gefällt, dass hier 2 Einzelbetten getrennt stehen. Klar ist unsere erste Aktion diese Betten zusammen zu stellen, schließlich sind wir ein Pärchen und da schläft man doch nicht getrennt. Räumen schnell unsere Sachen in den Schrank und treffen uns bei den anderen auf dem Flur, packen hier und da mit an. Manche haben ihr Zimmer selbst farbig gestrichen oder haben massenweise Poster an die Wand geklebt. Jeder macht es sich nach seinem Geschmack gemütlich und alle sind nur happy.

Auf dieser Etage wohnen auch die Eltern von meinem Freund, die allerdings eine größere Wohnung haben, weil da noch 2 Kinder mit im Haushalt leben. Sie sind auch sehr hilfsbereit, bieten ständig ihre Hilfe an, aber wir wollen das alles alleine packen, schließlich sind wir erwachsen. Unser neues Heim ist sehr schön, groß genug für zwei, ab Oktober wohne ich sowieso alleine, weil mein Freund zur Armee muss. Das ist leider so, dass die jungen Burschen gleich nach der Ausbildung zur Armee eingezogen werden. Bin schon ziemlich traurig wenn ich nur dran denk, aber die Männer müssen ja alle für 1 1⁄2 Jahre ihren Dienst antreten, da kann auch ich nichts dran ändern. Aber ich hab eine tolle Arbeit, viele Freunde und seine Eltern sind auch noch da, die gehe ich dann bestimmt öfter besuchen. Die Zeit wird schon vergehen und er wird hoffentlich öfter mal auf Urlaub kommen. Außerdem wohnen wir direkt an der Ostsee, Tür auf, über die Promenade und schon sind wir am Strand. Darum ist auch das Arbeiten und Leben hier einfach wunderschön und abwechslungsreich, vor allem für junge Leute wie wir. Wir fangen früh 6 Uhr an mit arbeiten, bei An- und Abreise können wir schon 4 oder 5 Uhr anfangen, dann treffen wir uns ab Mittag alle am Strand. Also von Langeweile oder Einsamkeit keine Spur.

Mitte September, wir haben uns super eingelebt, es macht Spass hier zu wohnen, in der großen WG. Abends besuchen wir uns gegenseitig, spielen Rommé oder quatschen einfach nur. An der Rezeption gibt's für alle Mitarbeiter die hier wohnen, sogenannte Postfächer und ich hol gleich nach der Arbeit immer meine Post ab. Mist, heute ist für mein Schatzi der Einberufungsbefehl gekommen, jetzt ist er nur noch fünf Tage hier, obwohl wir es wussten, ist es doch wie ein Schock. Jetzt haben wir eigentlich so viel Zeit uns richtig kennenzulernen und nun geht er weg, die Trennung für so lange Zeit ist zum greifen nah. Mir schießen tausend Gedanken durch den Kopf, wie geht es jetzt weiter, halten wir beide diese lange Zeit aus?

Eigentlich mag ich ihm den Brief gar nicht geben, aber ich komm nicht drum herum. Er kommt grad von der Arbeit, ist gut gelaunt, ich mit Tränen in den Augen als ich ihn sehe und gebe ihm den ach so tollen Brief. Sein Gesichtsausdruck verändert sich schlagartig, er schmeißt den Brief mit einer Handbewegung quer durchs Zimmer. Sprachlos sitzen wir uns gegenüber und jeder grübelt in sich hinein. Ich denke viele Beziehungen gehen wegen der Entfernung irgendwann auseinander, hoffe aber, dass es bei uns nicht so kommen wird, es darf einfach nicht so kommen. Egal, ich will und werde das schaffen, egal wie. Schließlich bin ich ein Kämpfertyp und weiß immer was ich will. Wir haben jetzt beide noch Urlaub genommen, machen uns 5 schöne Tage und suchen diverse Sachen für seine Dienstzeit zusammen. Einiges müssen wir noch besorgen, wie die tollen weißen Kragenbinden, dicke Socken für den Winter und all solche Dinge. Abwechselnd besuchen wir noch unsere engsten Freunde und feiern ein bisschen Abschied. Natürlich nur etwas, denn so etwas trauriges muss man nicht groß feiern.

Die letzten Tage ist es immer wieder spät geworden, sind mächtig kaputt und müde. Das letzte Wochenende, der letzte Abend den wir zusammen haben und wir gehen noch mal schön aus, essen und trinken ein lecker Weinchen in unserer Stamm Nachtbar. Hier treffen wir uns oft mit Freunden und verbringen tolle Abende. Unser Freund, der hier Barkeeper ist, verspricht auf mich aufzupassen, wenn etwas sein sollte wird er mir immer helfen. Wir versprechen uns jeden Tag ein Brief zu schreiben, damit wird die Zeit für uns beide noch schneller vergehen und jeder weiss vom anderen wie es ihm geht und was er so treibt.

Wieder zu Hause quatschen wir noch sehr sehr lange in die Nacht und sind beide mehr als traurig. Sprechen über unsere Zukunft und was nach der Armeezeit passiert. Als Koch möchte er dann nicht mehr arbeiten. Vielleicht übernimmt er als Hoteldirektor ein eigenes Hotel, das würde ihm schon gefallen, na mir natürlich auch. Wir sprechen sogar über Kinder, also ich wünsche mir mal irgendwann 2 Kinder oder auch 3. Na und so spinnen wir noch die halbe Nacht rum und haben immer wieder neue Ideen und Pläne. Aber die Armeezeit wird lang und wir wollen uns jetzt erst mal darauf konzentrieren und versprechen uns für immer zusammenzubleiben, egal was passiert, so wie es frisch Verliebte eben tun.

Sonntag, mein Schatzi muss los, wir brauchen lange bis wir uns verabschiedet haben, mir laufen die Tränen übers Gesicht, bin unendlich traurig, ich komm mir jetzt schon wie eine Verlassene vor, so einsam und allein. Ich hoff, dass es nur die ersten Tage so schlimm wird, ab Morgen gehe ich wieder arbeiten und bin dann bestimmt etwas abgelenkt, dann geht's bestimmt.

Die Tage vergehen wirklich schnell, hab mich schon an die Einsamkeit gewöhnt und es fällt mir leicht den Tag rum zu kriegen. Nur die erste Woche war schlimm, täglich arbeiten und im Hinterkopf die Gedanken an meinen Freund, ich war nur genervt, von allem nur noch genervt und zickig, wollte nur meine Ruhe haben. Er ist schon 4 Wochen weg und mir ist noch nicht ein Tag langweilig gewesen, jeden Tag arbeiten, oft auch an den Wochenenden, da rennt die Zeit förmlich. Jeden Tag freue ich mich auf den Feierabend, auf den versprochenen Brief, der auch wirklich immer kommt.

Ich komm von der Arbeit, stürme meist gleich ganz aufgeregt zur Rezeption und hol meine Post, die netten Damen dort schmunzeln schon immer und meist schwatzen wir noch bisschen. Riesige Freude, täglich, wirklich jeden Tag kommt ein Brief, ist das nicht toll. Den muss ich dann auch immer gleich lesen, nichts ist dann wichtiger, meistens reiß ich ihn schon auf dem Weg in mein Zimmer auf und muss aufpassen, dass ich nicht die Stufen runter flieg. Natürlich muss ich ihn auch sofort immer beantworten, meistens werden es 2 – 3 Seiten, die ich schreib.

Alles schreib ich ihm auf, alles was ich von früh bis zum Schlafen gehen erlebt und gemacht hab. Es macht richtig Spass seine Zeilen zu lesen, so erleb ich mit, wie es ihm in der Ferne ergeht.

Die ganze letzte Woche ging es mir nicht so gut, hatte Magenprobleme, musste mich sogar übergeben, aber das schreib ich ihm lieber nicht, sonst macht er sich noch Sorgen. Warte noch ein paar Tage ab, werd, wenn es nicht besser wird, zum Arzt gehen. Vielleicht hatte ich zu viel Stress in letzter Zeit, der Abschied und die ganze Umstellung, das soll es ja geben. Allerdings, wenn ich richtig überlege, wäre auch möglich, dass ich sogar schwanger bin, hab ja nie die Pille genommen, wollte ich auch nie. Aber solch verrückte Gedanken verdränge ich ganz schnell und hoffe nur, dass es nicht so ist.

War bestimmt alles zu stressig, ja es ist einfach der Stress und fertig. Bin doch gerade erst erwachsen geworden, will Erfahrungen sammeln, Geld verdienen und meinen Freund richtig kennen lernen. Mit gerade mal 18 kann ich so was gar nicht gebrauchen. Meine Eltern haben mich immer gewarnt und wollten nie, dass ich in der Ausbildung ein Kind bekomme. Mein Vater hat immer gesagt, wenn es passiert dann passiert's, dann kriegen wir das Kind auch groß, aber muss nicht so früh sein.

Klar hatte ich diese Worte immer in meinem Hinterkopf und hab in der Ausbildungszeit auch immer aufgepasst, dass da nichts passiert. Aber ich kenne ganz viele junge Frauen die gerade 18 sind und schon ein Baby haben. Eigentlich auch was Schönes, später hat man bestimmt ein tolles, kumpelhaftes Verhältnis zu seinem Kind, weil man ja selbst noch sehr jung ist, bestimmt hat man auch als junge Mama eher Verständnis für die kleinen Streiche und sieht alles lockerer. Die wollte ich nie vor dem ersten Kind nehmen, viele Leute haben mir erzählt, dass man später dann vielleicht nie welche bekommen kann. Davor hatte ich Angst, will ja Kinder, mindestens zwei. An andere Verhütung haben wir nicht gedacht, war für uns einfach nicht wichtig.

Aber muss ich mir darüber keine Gedanken mehr machen, einfach abwarten was passiert. Entweder wächst mein Bäuchlein oder es ist doch nur einfach eine Magen-Darmgrippe.

Wieder hab ich drei Seiten geschafft zu schreiben, schnell den Brief in den Umschlag und eine Marke drauf. Werd ihn aber morgen früh, wenn ich zur Arbeit geh, in den Kasten werfen. Geh noch für eine halbe Stunde meine Mitbewohnerin und Freundin besuchen. Sie will hier in der Firma kündigen und zu ihren Eltern aufs Dorf zu ziehen. Finde es richtig schade, wir verstehen uns so gut und haben immer viel Spaß zusammen. Wollen uns aber weiterhin besuchen und an den Freitagen was unternehmen. Ziehen uns noch eine Flasche Wein rein und albern herum bis wir endlich kaputt ins Bett fallen.

Schon November, es wird kälter und ungemütlicher draußen. Was mach ich nur, glaub dass ich wirklich schwanger bin. Mag gar nicht dran denken. Was mach ich bloß, wie geht's weiter? Wenn ich richtig zunehmen werde, besser gesagt mein Bauch dicker wird, dann brauch ich noch größere Wintersachen. Die ich jetzt hab, passen gerade so und das wird bestimmt bald vorbei sein, der Winter kommt erst noch. Zum Arzt gehen? Was sollte ich da.

Bin mir fast sicher, dass ich schwanger bin, muss ich doch dem Arzt nicht sagen, bin schließlich nicht krank und außerdem, wenn ich jetzt hin gehe, dann muss ich laufend bei ihm antreten.

Ich denke, das hat noch Zeit, jedenfalls so lange es mir gut geht. Hoffe nur, dass es keine Zwillinge werden, na das wäre dann echt der Hammer. Hab ein Cousin mit Zwillingen, ist ja süß, aber nein, das muss nun wirklich nicht sein. Wollte nie so früh ein Kind und mein Freund hat sicher auch noch nicht an solche Sachen gedacht und schon gar nicht an ein eigenes Kind. Wenn ich jetzt zum Arzt gehe, sehen mich so viele Bekannte und die würden bestimmt gleich alles herum erzählen. Muss es doch erst dem Vater und unseren Eltern sagen. Sie sollen es nicht von fremden Leuten erfahren, das wäre schon gemein. Aber ich warte noch den November ab. Im Dezember werde ich es dann genau wissen und kann es immer noch allen beichten. Noch ist ja nichts zu sehen, es wird erst einmal mein Geheimnis bleiben, bis ich mir ganz sicher bin.

Unsere Eltern werden mich bestimmt beeinflussen, wie es Eltern gerne tun und das will ich schon gar nicht, weil die Entscheidung, ein Kind zu kriegen oder nicht, will ich schließlich selbst treffen. Es gibt doch nichts Schöneres auf der Welt, als ein Kind groß zu ziehen, egal wie alt man ist.

Als erstes werd ich es meinem Freund sagen, bin schon gespannt wie er reagiert. Wird er sich freuen? So lange sind wir ja wirklich noch nicht zusammen, wir kennen uns kaum. Oh man, mir wird übel bei dem Gedanken. Hab die letzten Tage sehr schlecht geschlafen, muss immer früh raus und bin ganz schön kaputt.

Abends im Bett dreht sich alles, Gedanken schwirren durch mein Kopf, was ist wenn.

Mein Freund ist schon zwei Monate bei der Armee, weiß nicht wann er mal auf Urlaub kommt, also werd ich es ihm heute endlich schreiben. Theoretisch bin ich ja schon im zweiten Monat, oh man wie die Zeit vergeht. Muss es ihm vorsichtig erklären, sonst denkt er noch, dass ich es unbedingt wollte, aber das ist nicht so. Ist jetzt wie es ist und das erste Kind werde ich mir bestimmt nicht abnehmen lassen. Das habe ich mir immer vorgenommen, egal wie alt ich bin und ein Kind bekomme, das Erste will ich einfach bekommen. So schreib ich es ihm auch im Brief.

Es werden wieder drei Seiten, kann trotzdem nicht aufhören, immer wieder fällt mir was ein. Hoffe nur, dass ich die richtigen Worte gefunden hab und er mich versteht.

Er kriegt bestimmt ein Schock wenn er diesen Brief ließt, fällt vielleicht in Ohnmacht und darf wegen Krankheit nach Hause.

Aber er ist ja nicht schwanger, ich bin es und ich trage die Verantwortung für das Kind, also ist die Entscheidung auch erst mal meine, er muss es einfach verstehen.

Komm gerade von der Arbeit und hole aufgeregt die Post von der Rezeption. Wie immer auch ein Brief von meinem Schatzi dabei. Bin ganz aufgelöst und hoffe, dass er jetzt den Horrorbrief gelesen hat und hier die Antwort kommt. Schwitze schon Blut und Wasser, die Hände zittern, schmeiß mich aufs Bett und reiß den Brief auf. Mach es mir gemütlich, will diesen Brief in aller Ruhe lesen, ist ja schließlich wichtig und spannend. Wie immer sind es drei Seiten. Ich lese und lese und auf der letzten Seite kommen endlich die wichtigen Zeilen, auf die ich gewartet hab. Aber da steht nicht, dass er sich freut. Er schreibt, dass er noch kein Kind will, ist ihm noch zu früh. Will, dass wir uns erst richtig kennenlernen und erst mal Geld verdienen. Er schreibt, dass er sich mit 18 noch zu jung fühlt und noch nicht an solche Sachen wie Familie denkt. Zuerst muss er die Armeezeit schaffen und sich dann einen guten Job suchen. Bin völlig platt und traurig, die Tränen kullern, mit solch klaren Worten hatte ich nicht gerechnet. Das Kind ist schließlich von ihm und er hat es mir gemacht. Ich trage das Problem in mir und nicht er. Verstehen kann ich ihn ja, aber eine Abtreibung kommt für mich niemals in Frage, das hatte ich ihm auch mitgeteilt.

Jetzt steh ich mit meinem Problem erst mal allein da, na toll, denn niemand soll es wissen und darum kann ich niemanden um Rat fragen. Was mach ich jetzt nur. Dicke Tränen kullern die Wange runter, jetzt aber sintflutartig, kann auch nicht auf den Brief antworten, weiß nicht was ich ihm schreiben soll, bin fix und fertig. Geh duschen und verkrieche mich im Bett, da fällt mir sicher ein wie es weiter geht und außerdem muss ich morgen wieder früh raus. Hab das Gefühl mein Kopf platzt, mir ist schwindelig als hätte ich eine Flasche Wodka auf ex getrunken.

Mir fällt nichts ein. Ich weiß nur, dass ich dieses Kind bekommen werde, mit oder ohne Vater. So innerlich aufgewühlt kann ich nicht schlafen, steh wieder auf, koch mir ein Kaffee und hol doch das Briefpapier. Fange irgendwie an zu schreiben, schreib ihm, dass es für mich nur eine Möglichkeit gibt, nämlich das Kind zu kriegen. Wenn er es nicht will, dann werden wir uns trennen, werde das Kind auch alleine groß ziehen. Davor hab ich keine Angst, nur ist es schade, dass mein Kind dann kein Papa hat. Der Brief ist schon fünf Seiten lang, mach jetzt besser Schluss sonst werden es noch zehn. Schreib ihm noch, dass ich jetzt nicht jeden Tag schreibe, sondern erst auf seine Rückantwort warte. Er soll noch mal in Ruhe drüber nachdenken, dann erst werde ich eine Entscheidung treffen, obwohl eine Entscheidung wird es ja nicht geben. Bestimmt ist er mächtig sauer auf mich, wenn er diesen Brief ließt, aber irgendwie müssen wir doch auf einen Nenner kommen.

Die nächsten Tage überlege ich immer und immer wieder, ob meine Entscheidung richtig ist. Hab ich über alles genau nachgedacht, werd ich's wirklich alleine schaffen?

Irgendwie bin ich total durcheinander, komplett durch den Wind. Für ein Kind braucht man Zeit, Geld, Liebe und Erfahrungen. Ich kenne viele Frauen, die mit 18 ein Kind bekommen haben und die haben es auch geschafft und außerdem bin ich dann schon 19 wenn das Kind geboren wird. Ich guck auf meinen Bauch und denk, dass ist richtig und gut so und streichel sanft drüber, da ist mein Baby drin, ist schon ein komisches Gefühl.

Von meinem Freund kommt keine Post, schon drei Wochen kein Lebenszeichen von ihm. Keine Rückantwort, keine endgültige Entscheidung, ich werde irre. Macht er sich jetzt doch große Sorgen um mich? Vielleicht ist für ihn die Beziehung auch schon zu Ende, wäre möglich. Aber das sollte er mir dann schon langsam mal mitteilen. Ich versuch diese bösen Gedanken zu verdrängen, konzentriere mich nur auf mich und mein Baby, auf meine Arbeit und dass ich ab sofort jeden Pfennig zur Seite legen muss.

In ein paar Tagen ist Weihnachten, hab mir heute einen kleinen Tannenbaum geholt. Ein richtig hübscher, nur 60 cm hohes Bäumchen, hänge ein paar Papiersterne dran und etwas Lametta. Such noch ein paar Dekosachen fürs Zimmer und schmücke unsere kleine Wohnung, sieht richtig gemütlich und weihnachtlich aus. Draußen schneit's wieder, die Flocken rieseln leise ans Fenster, sehr romantisch und träum so in die Zukunft. Da fällt mir ein, dass ich heute noch keine Post geholt hab, erwarte ja auch nichts, aber vielleicht ist ja doch was gekommen. Gehe gleich mal hoch zur Rezeption, aber in aller Ruhe und nicht wie sonst im Eiltempo. Da ist ein Brief, ein Brief von meinem Schatz, ich werd nicht wieder. Freue mich wahnsinnig drauf ihn zu lesen. So wie ich es eigentlich von ihm kenne, sind's bestimmt wieder drei Seiten. Ich reiß ihn auf. Er schreibt, dass er mich liebt, meine Entscheidung richtig findet, er hat lange überlegt und freut sich doch auf das Kind, auf unser gemeinsames Kind und unsere Zukunft. Ich lese diesen Satz drei mal, vier mal und kann es kaum glauben. Ich bin so glücklich, kann es nicht beschreiben. Dachte schon jetzt kommt der Trennungsbrief, bin so froh, bin einfach happy. Dann schreibt er noch, dass es ein Mädchen werden muss, weil Mädchen müssen nicht zur Armee, aber das kann ich ja nicht beeinflussen, voll witzig, hat er sich wohl doch lange Gedanken gemacht. Dieses Jahr wird mein schönstes Weihnachten, hab gerade das schönste Geschenk bekommen. Muss ihm gleich antworten, dass ich wahnsinnig glücklich bin und mich freue wenn er bald auf Urlaub kommt. Wir haben so viel zu erzählen, zu besprechen und zu planen. Müssen es auch bald unseren Eltern sagen, denn langsam wächst mein Bauch, möchte mein Glück mit den Anderen teilen.

Sie sollen sich auch mit uns freuen, sie werden schließlich Oma und Opa. Wie sagend wir ihnen am besten, Stress können wir jetzt nicht gebrauchen. Wir einigen uns, mein Freund sagt es seinen Eltern und ich meinen. Jeder kennt schließlich seine Eltern am besten und ist auf entsprechende Reaktionen vorbereitet. Am besten ich geh einfach hin und sag, dass ich schwanger bin, was soll ich da lange herum labern, ist ja Quatsch, schließlich bin ich alt genug und weiß was ich will.

Besser ich sage es ihnen erst nach Weihnachten, wenn es doch Diskussionen gibt, dann wenigstens nicht zu den Feiertagen. Die Festtage muss ich arbeiten, bekomme dann mehr Geld was ich gut gebrauchen kann. Außerdem heißt Weihnachten immer den ganzen Tag herumsitzen, essen und quatschen, da geh ich doch lieber arbeiten.

Im Moment geht es mir mal wieder nicht so gut. Jeden Früh, wenn ich zur Arbeit komm, muss ich mich übergeben. Hab das Gefühl, das komische Etwas gehört schon zu mir, jeden Tag zur gleichen Zeit, das gleiche Ritual. Aber ist wohl in der Schwangerschaft so. Also jetzt bin ich mir ja zu 100 Prozent sicher, kann es nicht mehr leugnen, es müsste der dritte Monat sein. Mein Bauch fängt an zu wachsen, ist schon ein schönes Gefühl, dass da ein Kind drin wächst.

Draußen eisig kalt, der Wind pfeift und Weihnachten ist vorbei. Mein Schatzi ist endlich auf Urlaub, sein erster Besuch, wir haben gleich so viel zu erzählen. Haben einen Plan gemacht, wo wir in dem kleinen Zimmer das Kinderbett aufstellen, ist so schon bannig eng. Eine Wohnung bekommen wir nicht, schließlich sind wir nicht verheiratet, ja leider ist das so. Wir bekommen nur eine Wohnung wenn wir verheiratet sind, wer hat bloß so einen Mist erfunden. Aber deswegen heiraten, nein, ich brauch schon ein Stückchen Freiheit, nicht mit mir. Außerdem hab ich nicht vor, überhaupt jemals zu heiraten, warum auch. Wenn wir uns gut verstehen, geht das auch ohne Ring und „Jawort“. Ehrlichkeit und Vertrauen ist auch in einer normalen Beziehung das Wichtigste, das ergibt sich nicht erst durch die Hochzeit, jedenfalls denke ich so.

Wir diskutieren schon über mögliche Namen für das Baby, ist zwar noch viel Zeit, aber so oft sehen wir uns nicht und im Brief kann man das schlecht diskutieren. Oh man, konnte mir nicht vorstellen, dass das so schwierig ist. Schließlich muss der Vorname auch zum Nachnamen passen, auf was man da alles achten muss, finde es alles so kompliziert. Die Auswahl an Namen ist so riesig und die Entscheidung darüber kann man später nicht mehr rückgängig machen, das muss schon gleich passen. Der Name Marlen gefällt uns Beiden und der soll es auch sein. Aber das ist ein Mädchenname, ich frag ihn nach einem Jungennamen. Mein Freund sagt, er wünscht sich doch ein Mädchen, da brauchen wir keinen anderen suchen. Hi, ich muss schmunzeln. Finde es schon lustig, dass er sich so auf ein Mädchen einstellt. Na ja, ich frag auch nicht weiter, komme nicht mal auf die Idee selbst einen Namen zu suchen. Das Thema ist vom Tisch, Mädchennamen gefunden, erledigt. Wünsch mir selbst ja auch gern ein Mädchen. Mädchen kann man so süß anziehen, die Haare schick machen, Zöpfe flechten oder hochstecken. Jeden Tag eine andere schöne Frisur, Ohrringe und Tüllkleider. Man kann Puppen und Puppenwagen kaufen. Finde es einfach schöner, man hat viel mehr Möglichkeiten. Aber erst muss es geboren werden und gesund sein, das ist das Allerwichtigste. Wir träumen beide von einer schönen glücklichen Familie und sind trotzdem etwas traurig. Wenn das Baby geboren wird, muss mein Freund noch neun Monate bei der Armee bleiben. Vielleicht kann er nicht einmal zur Entbindung da sein. Wenn er dann endlich mit der Armeezeit fertig ist, dann kann unser Kind bestimmt schon laufen und sprechen, die schönste Zeit kriegt er nicht mit, einfach schade. Frag ihn noch, wann er es denn nun mal seinen Eltern sagt, ich will die nächsten Tage meine besuchen und es ihnen beichten. Mein Freund, stumm wie immer bei solchen Angelegenheiten, meint nur, dass ich mir keine Sorgen machen soll, es klappt schon alles. Er verspricht mir, in der nächsten Woche seine Eltern zu informieren.

Sein Kurzurlaub ist wieder zu Ende, Silvester vorbei, wir hatten viel Zeit für uns und sind beide unheimlich traurig beim Abschied. Aber was soll es, das Leben geht weiter und wir werden uns wieder jeden Tag Briefe schreiben. Jetzt schreiben wir bestimmt noch mehr als vorher, gibt noch so viele Dinge zu besprechen, zu planen, da vergeht die Zeit bis zum nächsten Urlaub wie im Flug. Außerdem haben wir beide mit Arbeiten zu tun und sind abgelenkt. Ich muss anfangen, einige Sachen für das Baby zu organisieren. Müsste nun langsam auch mal zum Frauenarzt und gucken ob alles in Ordnung ist und mir die Bestätigung holen, dass ich schwanger bin. Die muss ich nämlich in der Firma vorlegen, einfach aus versicherungstechnischen Gründen. Darf dann später nicht schwer tragen und heben, bekomme dann ein Schonarbeitsplatz.

Die Tage vergehen, hatte noch keine Zeit und auch noch kein Nerven zu meinen Eltern zu fahren. Draußen eisig kalt und stürmisch, da mag ich nicht über Land fahren. Mein Freund hat es seinen Eltern immer noch nicht gebeichtet. Na ja aber ich nehme es mir jetzt wirklich vor, wird auch Zeit, mein Bauch ist schon ein bisschen zu sehen. Hab mir neue weite Hosen gekauft und trag weite Pullover. Also bisher ging das so ganz gut, aber langsam bekomme ich ein ungutes Gefühl. Trau mich gar nicht mehr überall hin. Zum Glück ist noch Winter, da hat man sowieso mehr Sachen an, ist bis auf die Haut eingewickelt, da kann keiner sehen, was los ist.

Die Vorbereitungen für unsere Faschings-Veranstaltung in der Firma laufen an. Hab jedes Jahr mitgemacht, in der Funkengarde, war immer eine schöne Zeit, mit den Mädels zu tanzen. Der Vater von meinem Freund hat mit uns den Funkentanz einstudiert, er war früher im Ballet und hat richtig Ahnung. Jetzt haben seine Eltern mich schon öfter gefragt, wann ich denn endlich mal das Kostüm anprobieren will. Na ja manchmal müssen da kleine Änderungen gemacht werden oder irgendwelche Nähte müssen repariert werden, weil wir im Vorjahr wahrscheinlich so viel gegessen haben. Gibt nämlich immer ganz leckeres Essen, da schlagen wir alle so richtig zu. Diese ständigen Fragen von den Eltern sind mir langsam peinlich, erfinde immer neue Ausreden, weil ich doch schon einen kleinen Bauch hab. Das sieht man in dem kleinen Rock, außerdem krieg ich den gar nicht mehr zu, hab ja schon heimlich probiert. Schreib es meinem Freund, er soll es endlich seinen Eltern sagen, dann wissen sie wenigstens, warum ich nicht mitmachen kann und sie werden es verstehen und die Fragerei hat ein Ende. Leider kriegt mein Schatzi das nicht gebacken, seinen Eltern zu beichten, ständig vertröstet er mich, also entscheide ich mich es ihnen selbst zu sagen. Sonst ist das Kind da und seine Eltern wissen es immer noch nicht.

Ohne lange drüber nachzudenken, geh ich gleich zu ihnen, seine Mutti freut sich wie immer sehr. Kocht gleich Kaffee und wir klatschen und tratschen wie so oft, wie es Frauen eben so machen. Das macht echt Spaß mit ihr, sie ist so eine liebe und herzliche Frau, kann aber mit Fragen löchern, ich glaube das ist schon einmalig, weltrekordverdächtig. Weil ich aber kaum zu Wort komme, auch wie immer, muss ich das Gespräch dahin lenken.

Ich frag sie einfach wie weit die Vorbereitungen für den Fasching schon sind und ob die Mädchen schon fleißig geprobt haben. Erkläre ihr in gleichem Atemzug und schmerzlos, dass ich in diesem Jahr nicht mit mache, weil mir der Rock nicht mehr passt und dass ich schwanger bin. Sie guckt mich an und lächelt etwas eigenartig, dann sagt sie:“ das wissen wir längst“. Oh Hilfe, wie bitte, bin platt, bin bestimmt weiß wie eine Kalkwand. Was ist denn das jetzt? Hat mein Freund es ihr doch schon gebeichtet? Nein, seine Mutti erklärt mir, dass man es sieht wenn jemand schwanger ist. Das kann ich ja gar nicht verstehen. Wie kann man das sehen. Blaß bin ich immer schon und mein Bauch hab ich mit weiten Pullovern bisher gut versteckt.

Frage aber nicht weiter nach, bin froh dass es so gelaufen ist, dass ich keine langen Erklärungen abgeben muss und mit Fragen bombardiert werd. Sie freut sich, das ist mir erstmal am Wichtigsten und sie bietet mir gleich ihre Hilfe an. Da sie immer erst am Nachmittag zur Arbeit geht, könnte sie notfalls auf das Kind aufpassen, wenn es mal sein muss. Wieder in meinem Zimmer, schreib ich gleich meinem Freund, dass ich sein Part übernommen hab und wie es gelaufen ist. Wie immer schreib ich ihm drei Seiten, kann mal wieder kein Ende finden. Jetzt reicht's, bin müde und geh ins Bett, kann aber nicht schlafen. Dreh mich im Bett hin und her, grübele über den ganzen Tag nach, frag mich immer wieder wie es Eltern sehen können, es lässt mir keine Ruhe. Aber Erwachsene sehen so was gleich wenn jemand schwanger ist, keine Ahnung und ist mir dann irgendwann auch egal, jetzt wird endlich geschlafen.

Früh 8 Uhr, hab heute frei und quäle mich aus dem Bett. Mir ist übel, hab sehr schlecht geschlafen, bin wie gerädert. Erst mal Kaffee und zwei Knäckebrot verdrückt, endlich werde ich wach, jetzt geht's besser. Draußen liegt noch immer viel Schnee und ist bitterkalt. Ich ziehe mich warm an, gehe zum Bus, will heute meine Eltern besuchen. Werde endlich beichten, dass sie Oma und Opa werden. Sie freuen sich wie immer auf meinen Besuch, bin letzte Zeit selten hier gewesen, wurde auch wirklich mal Zeit. Mutter macht leckeren Entenbraten, die Ente ist noch vom Weihnachtsfest übrig und mein Vater schippt Schnee vorm Haus, hat hier auch die ganze Nacht geschneit. Nach dem Essen räum ich schnell alles vom Tisch, setzt mich wieder, will ja meine Beichte ablegen und es auch schnell erledigt haben.

Beide gucken mich fragend an, merken, dass ich was auf dem Herzen hab. Ich zögere nicht, sage ihnen einfach, dass ich schwanger bin. Halte gleichzeitig die Luft an und warte. Warte aufgeregt auf die Reaktion. Ein komisches Gefühl zu warten, wer zuerst anfängt mit unsinnigen Vorwürfen. Mein Vater freut sich, seine Augen funkeln. Er sagt :“na das ist ja toll, ich krieg ein Enkelkind“. Meine Mutter sagt erst nach ein paar Minuten: „Muss das jetzt schon sein, du bist noch so jung“, aber wie ich es schon geahnt hatte, mit einem sehr forschen Ton. Den Kommentar von meiner Mutter hatte ich erwartet und ich erwidere trotzig: „Ja, es muss sein“. Erkläre Ihnen dann, ganz in Ruhe natürlich, dass ich schon bald im fünften Monat bin und dass ich da nichts mehr ändern kann und auch nicht will. Hatte es nicht geplant so früh ein Kind zu kriegen, aber es ist nun mal passiert. Stille, wie selten in der Küche, meine Mutter steht ohne ein Wort auf, wäscht das Geschirr ab. Mein Vater freut sich sehr und streichelt meine Hand, wir lächeln uns beide einfach an, das sagt mir mehr als tausend Worte. Wenn ich noch jünger wäre, dann wäre es ihm, glaube ich jedenfalls, auch egal. Er steht auf, streichelt mir noch über den Kopf. Das tut so gut und dann verschwindet er wieder hinter den hohen Schneebergen auf dem Hof. Ich gehe zu meiner Mutter und helfe ihr beim Abwaschen. Sie ist sehr ruhig und nachdenklich, sagt kein einziges Wort. Sie muss es bestimmt erst verarbeiten, wird sich dann sicher auch freuen und mir bei allem helfen, schließlich wird sie ja Oma, welche Oma freut sich da nicht drauf.

Nach dem Kaffee, meine Mutter immer noch sprachlos und mein Vater immer noch funkelnde Augen, fahr ich wieder nach Hause. Bin froh und erleichtert, dass endlich alle Bescheid wissen, muss mich nicht mehr verstecken, endlich.

Schon wieder Montag, draußen immer noch bitterkalt, es stürmt ohne Ende. Der Schnee peitscht an die Fenster. Heute will ich endlich zum Frauenarzt, mir die Schwangerschaft bestätigen lassen. Der wird ganz schön blöd gucken, nach meiner Rechnung bin ich schon im fünften Monat. Seit Tagen überlege ich wie ich es am Besten anstelle. Normalerweise geht man ja im ersten oder zweiten Monat hin. Ich sag dem Arzt meine Diagnose, na egal, Augen zu und durch. Irgendwann muss ich ja mal hin, komm nicht drum herum. Also mach ich mich auf den Weg und komme mit rot gefrorener Nase in die Praxis. Nach kurzer Wartezeit, sitzen nur zwei Frauen hier, die ich aber nicht kenne, bin auch schnell an der Reihe. Nach kurzem, knappen Wortwechsel untersucht er mich und bestätigt meine Diagnose, ja schwanger im fünften Monat. Bekomme meinen Schwangerenausweis und muss mich, war doch klar, jeden Monat hier melden. Aber sonst alles in Ordnung, dem Kind und mir geht es prima. Obwohl ich noch nicht viel an Gewicht zugenommen hab, müsste wohl eigentlich schon etwas mehr sein, aber der Arzt notiert sich es nur und ich bin erst mal entlassen. Voller Freude verlasse ich, so schnell ich kann, die Praxis. Mir geht es echt gut, habe Schmetterlinge im Bauch, bin überglücklich. Die Eltern wissen Bescheid, der Arzt sagte alles in Ordnung, bin einfach nur happy. Jetzt mache ich mir ein schönen Tag, gehe am Strand zurück, Gedanken schwirren durch den Kopf, der Wind pfeift mir ins Gesicht, aber es tut gut. Einfach allein sein, tief durchatmen und die schöne frische Ostseeluft genießen. Stelle mir gerade vor, bald mit meinem Kind hier herumtoben zu können, die Möwen zu füttern und jeden Tag, im Sommer jedenfalls, das Badewetter zu genießen. Ach ich freue mich einfach, bin glücklich wie nie zuvor. Kann jetzt endlich nach Babysachen schnökern, freue mich riesig drauf und bin aufgeregt wie ein kleines Kind. Gleich morgen, nach der Arbeit, werde ich in die City gehen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Mal gucken was die Sachen so kosten, was es überhaupt alles so gibt und was man alles so braucht, hab doch gar keine Ahnung.

Hoffentlich gefällt mir da auch was, sonst muss ich noch in die nächst größere Stadt fahren, da gibt es bestimmt mehr Auswahl und hoffentlich kaufe ich nicht gleich den ganzen Laden leer, ich ahne Schlimmes.

Das Wetter hat sich leicht beruhigt, die Sonne scheint und der Schnee glitzert, einfach ein traumhaftes Wetter zum Bummeln und Shoppen. Pünktlich Feierabend gemacht spaziere ich in aller Ruhe zum Babyladen, gucke mich um, bin erstaunt was es alles so gibt. Viele junge Muttis und Hochschwangere schleichen hier herum. Einige kenne ich, auch die Verkäuferin, die fragt natürlich gleich ob ich schwanger bin. Sieht sie doch wohl, warum fragt sie mich. Wir quatschen ne Runde und klar, tausend Fragen kommen, grrr das nervt, warum sind Frauen immer alle so neugierig, furchtbar. Genug, jetzt will ich hier herum wühlen und weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Oh man gibt das tolle Sachen, am meisten für Mädchen, hab ich doch geahnt. Hübsche rosa Kleidchen, Röckchen mit und ohne Latz, bunte Slips mit Rüschen und kleine Söckchen mit Kräuselrand. Kriege nicht genug und durchstöbre den ganzen Laden, könnte hier alles kaufen, macht richtig Spaß zu schnökern. Süß und putzig diese winzigen Sachen. Ich kann nicht anders und kauf schon mal ein Paket Baumwollwindeln, die braucht man so oder so und Strampler auch, kleinste Größe, die 62 natürlich. Zieh lieber die Bremse, lege alles andere, was ich schon in der Hand hatte, wieder zurück ins Regal, habe später noch genug Zeit zum Einkaufen. Muss mein Geld für die wichtigsten Sachen einteilen, später kann ich noch genug Klamotten kaufen. Werde mir zu Hause einen Plan machen und alles notieren was man für die ersten Wochen so braucht, was am Wichtigsten ist. Außerdem muss ich sehen ob es ein Junge oder Mädchen wird, aber dann wird geshoppt, im wahrsten Sinne, also jetzt erst mal sparen und noch mal sparen.

Zu Hause alles ausgepackt, gucke ich mir die winzigen Strampler an, habe aber alles in weiß gekauft, da kann dann nichts schief gehen, können Jungen und Mädchen tragen. Die Vorstellung dass das Baby so klein sein soll erschreckt mich schon, diese kleinen Strampler passen ja gerade mal meiner Puppe, mit der ich als Kind ganz lange gespielt hab. Na ja, ist ja noch gar nicht so lange her und mir wird schon wieder mulmig im Bauch.

Aber ach, am Besten nicht weiter drüber nachdenken. Im Babygeschäft gab es auch jede Menge Bücher und Zeitschriften über Schwangerschaft, Geburt, Erziehung und Ernährung und all solches Zeug, aber so was will ich gar nicht erst lesen. Will mich mit so was nicht verrückt machen, denke das tut nicht gut.

Bestimmt bin ich dann nur am vergleichen ob es bei mir auch so ist, wenn nicht, krieg ich gleich Panik und renne zum Arzt.

Ach, ich will das alles gar nicht wissen, irgendwie wird das Baby schon zur Welt kommen, hat ja bis jetzt bei jeder Frau geklappt.

Auch meine Schwägerin, meine zukünftige Schwägerin, die hat vor einem Jahr entbunden, lag, ich glaube, zehn Stunden mit Wehen, bis das Baby dann endlich kam. Ständig will sie mir ihre Geschichte erzählen, ich höre nicht hin, will es nicht wissen, es macht mir Angst und klingt alles so schrecklich. Versuche ihr ständig zu erklären, dass mich das absolut nicht interessiert, ich will solche Sachen nicht hören und sie lässt mich mit dem Thema auch in Ruhe, echt lieb von ihr.

Alle können jetzt sehen dass ich ein Babybauch hab, jedenfalls einen kleinen, bin ja sonst eher sehr schlank geraten. Hab schon immer Größe 36 getragen, was jetzt bestimmt vorbei sein wird, aber das ist auch ok, ein paar Kilo hätte ich schon gern mehr drauf. Habe das große Glück alles essen zu können und