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Das Buch beschreibt in dialogischer Perspektive – aus Sicht des Menschen und des Katers – das Lebensende des tierischen Begleiters. Die Atmosphäre der Erzählung ist teilweise schwer, traurig und gleichzeitig durch die Charakterisierung des Katers in seiner ganz eigenen Art auch humorvoll und bringt den Leser zum Schmunzeln. Es zeigt auf, wie Intuition, Vertrauen und die Tierkommunikation eine Unterstützung in den Sterbephasen sein können. Die Autorin will zu dieser Thematik informieren und den Lesern die Möglichkeit geben, neue/andere Perspektiven auf das Sterben einzunehmen und daraus eine Haltung zu entwickeln, mit der sie vielleicht selbst in ähnlichen Situationen gut vorbereitet sein können. In unserer Gesellschaft verändert sich die Beziehung zu den Tieren; sie bekommen zunehmend Raum im Alltag und werden oft zu einem Familien-Mitglied. Viele Tier-Halter beschäftigen sich deshalb auch mit dem Lebensende und möchten auch hier das Beste für ihr Tier. "Sieben Wochen Abschied von Bert" gibt den vielschichtigen Erfahrungen mit dem Sterbeprozess Raum, und holt durch die Informationen zur Tierkommunikation und der Sterbebegleitung den Leser mit seinen Fragen in den Prozess hinein. Das Buch dient damit der konstruktiven Auseinandersetzung und Vorbereitung für den Leser selbst. Der Leser wird eingeladen, Berts Weg mitzugehen. Seine Geschichte wird zum direkten Miterleben beschrieben und dabei das Wissen über die Tierkommunikation und Sterbebegleitung in die Erzählung hineingewoben. Einzigartig wird das Buch durch die Botschaften des Katers selbst. Er hat sich beim Schreiben aus der geistigen Welt zugeschaltet und kommentiert, ergänzt und korrigiert die Texte.
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Seitenzahl: 214
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Zeit:5 Std. 41 min
Veröffentlichungsjahr: 2024
Sprecher:Bianca StorkRomeo NielandDr. Kathrin KirschbaumAnja Link
Anja Link
Sieben Wochen Abschied von Bert
ISBN: 978-3-946723-84-4
ISBN der Printversion: 978-3-946723-83-7
Lektorat: Johanna Furch, www.wortwuehlmaus.de
Verlag: Begegnungen, Schmitten, www.verlagbegegnungen.de
Fotos Cover hinten, S. 10 + 168: Andreas Link Alle anderen Fotos: Anja Link
Copyright 2024
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags und der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Widmung
Meine Erzählung über die letzten Tage mit Bert ist den Menschen gewidmet, die ihr Tier aus tiefstem Herzen lieben und den Abschied fürchten:
Du kennst die Melodie Eures gemeinsamen, unverwechselbaren Liedes. Du weißt um den Gleichklang Eurer Seelen.
Er hat Dich stets getragen, und wird es immer tun.
Du kennst den sehnlichen Wunsch, zu beschützen. Und Du weißt, es ist nicht immer möglich.
Das Buch ist für Dich, wenn Du denkst, Dein Herz wäre im Abschied gebrochen. In dem Schmerz zeigt sich die unbeschreibliche Liebe. Für Dich habe ich diese Geschichte geschrieben, damit Du verstehst, die Verbundenheit ist immer da. Über den Tod hinaus.
Du hast den großartigsten Lehrmeister in Deinem Leben – auf dieser oder der anderen Seite der Regenbogenbrücke. Vertraue ihm. Der gemeinsame Weg ist so wertvoll!
Möge unsere Geschichte Dich mit diesem Wissen verbinden!
Inhalt
Danke …
Botschaft von Bert
Vorwort
Bert von Oberndorf
Kapitel 1 – Erste Woche
Eine schreckliche Diagnose
Kapitel 2 – Erste Woche
Die anderen – Tinka, Cindy, Lucy, Ernie und Smilla
Kapitel 3 – Zweite Woche
Abschied, Wiedersehen und wieder von vorne
Kapitel 4 – Dritte und vierte Woche
Die Veränderung beginnt
Kapitel 5 – Fünfte Woche
Unsere Zeit läuft ab
Kapitel 6 – Sechste Woche
Heim kommen zum Sterben
Kapitel 7 – Siebte Woche
Letzte Botschaften im Wandeln
Kapitel 8 – Drei Jahre später
Ein besonderer Geburtstag
Interview mit der Tierärztin Kathrin Kirschbaum
Schlusswort
Über die Autorin
Nachbearbeitung
Valeska, für die Entwirrungen. Ja, ich kann es alleine, und doch ist die Begleitung wertvoll.
Carola, für die Wegbegleitung.
Bianca, für die Ermutigung im richtigen Moment.
Danke, Lucy, Ernie und Smilla, dass ihr in meinem Leben seid.
Als alle Kapitel aufgeschrieben waren, meldete sich Bert bei Bianca* mit einer Botschaft, die so wunderschön ist, dass sie hier ihren Platz bekommen soll.
*Bianca Stork, Seelenleuchten
Ich lebe in Deinem Herzen weiter –was immer geschieht, welches Wort Du auch wählst.
Es ist Dein heilsamer Weg und ein wenig auch meiner.Weil es unser Weg ist.
Jenseits von Zeit und Raum wache ich über Dich und schicke Dir die Leichtigkeit,die Du benötigst, immer weiterzugehen.
Ja, Du wirst sagen, Du spürst keine Leichtigkeit.Aber wenn Du dich dafür öffnest,wirst Du wissen, dass es stimmt.
Der Tag wird kommen, an dem Du verstehst,an dem Du so bereit bist, wie nie zu vor,Dich vollständig hinzugeben und dem Lebenzuzuwenden.
So werde ich sterben und neu geboren,als Leitstern in Deinem Herzen.
Unsere Geschichte wird Dein Antrieb sein.
Es wandelt sich und der Weg geht nach vorn weiter.JETZT ist immer der richtige Zeitpunkt.
Gehe mutig weiter und weiter.
Teile uns mit der Welt.Nicht für Dich – für alle anderen!
Es ist die Liebe, die heilt, wenn Du sie lässt.Unter all dem Schmerz war sie vielleicht manchmalvergraben … aber niemals weg.
Auch ich werde niemals weg sein.
Danke für Dein Vertrauen in mich.Nun vertraue dem Leben.
In Liebe – Dein Bert
von Bianca, deren Ermutigung an der richtigen Stelle eine Geburtshilfe für das Buch war.
„Meine Aufgabe als Tierkommunikatorin sollte es sein, Berts Botschaften zu empfangen, so war Anjas Idee.
Für Bert aber war klar, dass sie diesen Weg mit sich gehen muss und ich einfach den Raum halte, indem ich Anja ermutige und an sie glaube.
Ein Heilungsweg ist nicht immer leicht und gestaltet sich nicht immer so, wie wir es gerne hätten. Diese Beschreibung passt wunderbar auch auf den Sterbeprozess, den Pfad des Abschieds.
Anja hat gelernt, das Unvermeidbare anzunehmen und damit umzugehen. Sie hat Bert im Sterben begleitet und ihm dennoch seine Freiheit gelassen.
Sie hat viele Ängste überwunden und wahre Verbundenheit erlebt.
Der Abschied ist nicht leicht, dennoch leider unvermeidbar.
Wir Tiermenschen spüren diese innige Verbindung zu unseren Gefährten und nicht selten „bricht es uns das Herz“, wenn sie sterben.
Im bewussten Abschied können wir die wahrhaftige und ewige Verbundenheit erleben und auch erkennen, dass dieses Band unzerstörbar ist. Auch über den Tod hinaus.
Warum ist also die bewusste Begleitung im Abschied so wichtig und wertvoll?
Weil dieser gemeinsame Weg uns persönlich wachsen lässt und Frieden bringt.
Und auch, weil unsere Tiere gern mit uns leben und diese besondere Zeit ganz intensiv mit uns verbringen möchten.
Wenn Du mit Deinem Tier im Sterbeprozess sprichst, wirst Du erleben, dass wir Menschen oft sehr viel dramatisieren und unsere Tiere mit all ihrer Liebe und Weisheit sogar dann noch gute Ratschläge geben, und nicht selten für den einen oder anderen Lacher sorgen.
Wir können lernen, den Tod anzunehmen und ihm mit Leichtigkeit zu begegnen.
Wir werden im Herzen berührt und finden die Freiheit unserer Seele.
Kann man denn mit einem verstorbenen Tier wirklich sprechen und ernstzunehmende Botschaften empfangen? Lies selbst und lass Dich berühren von Anjas und Berts magischer Reise.
Voller Dankbarkeit und Ehrfurcht in das Leben wünsche ich Dir, liebe Leserin, lieber Leser, heilsame Berührungen im Herzen auf Deinem eigenen Heilungsweg.
Danke, Anja, dass ich ein Teil Eures Weges sein darf.
Von Herzen – Bianca Stork“
Anmerkung zu den Botschaften von Bert, die die folgenden Kapitel begleiten:
Im Entstehungsprozess des Buches wurde für Anja deutlich, dass Bert selbst zu Wort kommen und seine Ansichten in die Texte einbringen möchte. Es brauchte insgesamt sechs Workshops und Ausbildungen in Tierkommunikation, bis sie schließlich genügend Mut und Vertrauen aufbringen konnte, die Botschaften von Bert selbst zu empfangen und aufzuschreiben.
Das ist Bert, wunderbarster Kater, Fels in der Brandung. Er hat sich dieses Buch ausgedacht, großartig Regie dazu geführt und sich letztlich mit den Botschaften, die ihm wirklich wichtig sind, persönlich eingeschaltet. Ohne ihn wäre so einiges nicht passiert.
Bert ist, nachdem er einen beeindruckenden Pakt mit dem Universum geschlossen haben muss, am Ende des Sommers im Jahr des Tagpfauenauges (BUND) in einem kleinen Dorf in Oberfranken als fröhliches, mutiges und einfach nur perfektes Katerkind geboren.
Im Tierheim packte er ein halbes Jahr später seine Koffer und zog mit seiner Schwester Cindy bei Anja ein. Dort lebte er elf Jahre lang augenscheinlich ein unauffälliges, ganz normales Leben als Teilzeit-Streuner – bis er fand, es wäre an der Zeit, seinen irdischen Körper zu verlassen.
Dies allerdings nicht, ohne noch mal eben im Turbo-Gang ein paar überfällige Veränderungen in Anjas Leben vorzunehmen, Vernetzungen anzubahnen und eine sehr wichtige Lektion in Sachen Leben und Sterben zu lehren.
Die Mitbewohner:
Lucy wurde zwei Jahre nach Bert geboren und von ihm adoptiert. Nun ja, eigentlich war es andersrum. Aber Bert akzeptierte schließlich seine Rolle als Zieh-Papa und die beiden verband fortan ein inniges Band der Freundschaft. Lucy ist heute eine überaus freundliche, neugierige Katzen-Dame mit einem leichten Hang zu Nervosität. Sie schätzt ihre eigenen Rituale und haut den anderen im Vorbeigehen heimlich auf den Hintern.
Ein weiteres Jahr später wurde Ernie geboren und ist in diese Katzen-Mensch-Familie eingezogen. Nach einer einwöchigen Auszeit war in Bert die Entscheidung gereift, auch für Ernie ein liebevoller, geduldiger, bei Bedarf strenger Papa zu sein. Geduld gehört nicht gerade zu Ernies Stärken, dafür aber Entschlussfähigkeit, das Finden heruntergefallener Leckerlies und der Sinn für Familie. Er hat sehr feine Antennen und ist hilfsbereit (Familienmitgliedern gegenüber).
Smilla wurde unter Berts Fittiche genommen, als er selbst fünf Jahre war und bis sie sehr schnell die hausintern geltenden Regeln (Respekt und Freundlichkeit) verinnerlicht hatte. Wenn Smilla morgens aufwacht, freut sie sich, auf dieser Welt zu sein. Ihr Wesen ist klar und hell, sie ist sehr klug und witzig.
WANN STERBEN TIERE? WERDEN SIE AUS IHREM LEBEN HERAUSGERISSEN? ODER GEHEN SIE BEWUSST, WENN DIE AUFGABEN ERFÜLLT SIND?
Das Wissen, dass Bert bald sterben wird, setzt sich an einem Nachmittag im November in eine tiefe Ebene meines Bewusstseins. Ich sitze im Auto, habe gerade noch etwas Zeit bis zum nächsten Termin, als ich wie aus dem Nichts eine Veränderung wahrnehme, die ich nicht orten kann. Wie ein Donnergrollen, das man manchmal hört, obwohl der Himmel strahlend blau ist. Ich klicke durch die Musiktitel des USB-Sticks. Zufallswiedergabe. Lauter altes Zeug, kaum etwas, das zu meiner undefinierbaren Stimmung passt. Die meisten Lieder schalte ich schon mit dem ersten Akkord weiter, mein Finger erstarrt jedoch, als „Nada te turbe“ anläuft – „Nichts soll dich ängstigen“. Eigentlich bin ich nicht ängstlich, trotzdem fühle ich durch dieses Lied plötzlich ein „Gehaltenwerden“. Meine Intuition sagt mir sofort, dass ich diesen Trost sehr bald brauchen werde. Gleichzeitig ist mir klar: Für nichts würde ich mehr Halt und Trost brauchen als für den Tod von Bert!
Augenscheinlich gibt es keine Hinweise darauf, dass Bert bald sterben würde. Er wirkt insgesamt putzmunter mit seinen elf Jahren, putzt sich munter und erledigt seine täglichen Routinen. Ausgiebige Dehn- und Streckübungen an frischer Luft, auf dem Gartentisch sitzend das Revier mit seinen Bewohnern betrachten und an sehr vergnüglichen Tagen wird der kleine Fußball durch die Wohnung gekickt. Er erledigt all diese Kateraufgaben sehr souverän. Der Blick und sein Verstand sind glasklar, stark und immer sehr liebevoll. So stupst er zum Beispiel seine Nase oft an meine Stirn, wenn wir auf dem Sofa nebeneinandersitzen. Ich genieße es, meine Nase in seinen seidenweichen, sehr würzig duftenden roten Pelz zu graben.
Was auf dieser Welt sollte diesem wunderbaren Geschöpf den Atem nehmen und sein tapferes großes Katerherz aufhören lassen zu schlagen? Ich verscheuche dieses unbequeme Wissen um eine baldige Veränderung aus meinen Gedanken und wir leben unser gewohntes Leben erstmal weiter – Lucy, Smilla, Ernie, Bert und ich.
Ich liebe dieses gewohnte, ganz normale Leben sehr – zu jeder Jahreszeit, tags und nachts. Gerade jetzt im Winter liegen alle vier häufig auf dem Sofa und verströmen so viel Schlafgas, dass meine eigenen Grübeleien darin ersticken. Gibt es etwas Schöneres?
Kann es sein, dass Bert die Entscheidung bald zu sterben an diesem November-Tag getroffen hat?
Bert: „Ja, es war genau der richtige Zeitpunkt, um alles ins Rollen zu bringen. Ich habe in diesem Leben erfahren, was meine Seele für die Entwicklung erfahren musste. Die eigenen Themen waren geheilt und die Uhr war abgelaufen. Es war eine klare, lichte Entscheidung, im Einklang mit allen Ebenen und zum höchsten Wohl für alle. Ich musste einen Prozess in Gang bringen, es war der bedeutendste Part meiner Lebensaufgabe, mit der ich zu Dir gekommen bin, der an diesem Tag in Bewegung gekommen ist. Alle Vorbereitungen dafür waren abgeschlossen.“
Ernie und Bert konkurrieren diesen Winter um den kugelrundesten Wohlstands-Bauch. Bert hat es mit seiner Vorliebe für Sahne, Frischkäse und veganem Schafskäse geschafft, eine Schnurrhaar-Nasenlänge weiter vorn zu liegen. Die Kälte hält als Vorwand her, die Bewegung an der frischen Luft zu vernachlässigen. Wer muss denn auch Mäuse fangen, wenn leckere Mahlzeiten Mithilfe des Dosenöffners den Weg in die eigentlich niemals wirklich leeren Mägen finden?
Draußen taucht in diesen sehr kalten Nächten dieses Winters ein schwarzweißer Kater auf – auch für ihn bleibt etwas übrig. Bürgermeister, so nenne ich ihn, weil ich ihn schon an den unterschiedlichsten Orten im Dorf angetroffen habe. Er hat offensichtlich kein Zuhause.
Es ist Mitte Januar, als ich in Berts Bauch bei der Knuddel-Routine ein etwa zwei bis drei Zentimeter großes „Irgendwas-wahrscheinlich-ein-schlimmer-Tumor“ ertasten kann. Dieser Knubbel mitten in Berts weichem Bauch ist wie aus Gelee, lässt sich bewegen und scheint ihm keine Schmerzen zu bereiten. Vielleicht auch nur ein angeschwollener Lymphknoten? Also nur etwas Harmloses, das bald wieder weg geht?
Die Frage, wie schnell wir jetzt in die Tierarztpraxis müssen, klärt Bert in einer der nächsten Nächte mit einem lauten Scheppern. Sein Sprung auf den zwei Meter hohen Kühlschrank ist schon sehr gewagt, und dass dort eine Teekanne aus Glas steht, weiß er, oder weiß er vielleicht auch nicht. Jedenfalls landen beide unsanft auf den Küchenfliesen. Die Teekanne, eine bis dahin langjährig Überlebende im Haushalt, zerbricht und Bert humpelt.
Eine Tierärztin untersucht also Anfang Februar Berts Schulter und auf meine Bitte hin auch den Bauch. Ihr Ergebnis: „Da ist nichts.“ Wie schön. Alles in Ordnung. Zu Hause spaziert Bert direkt in seinen Garten. Er begrüßt die 133 Goldfische, trinkt ihnen das Wasser weg. Er läuft durch den Pavillon, nicht ohne sich ausgiebig auf den Terrassenbrettern zu strecken und den Stress in das Holz zu kratzen.
War dies eine Fehldiagnose? Gehörte es zum Plan? Wofür war dieser Tierarzt-Besuch gut, wenn der Tumor noch nicht entdeckt werden konnte? Warum hatten wir keine Chance?
Bert: „Es war in diesem Stadium schwierig, den Tumor zu erkennen. Für Dich war es wichtig, ein ‚Schein-Wissen‘ zu haben. Dein Kopf musste sich wieder beruhigen. Dafür war es gut. Die Absprachen waren bereits getroffen. Es ging mir gut, ich war stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“
Es geschah also nichts davon zufällig? *Bert lacht*
Als er die Grillecke am Ende des Grundstücks und gleichzeitig am Ende unseres Dorfes passiert, betritt er sein eigentliches Revier: das Niemandsland. Von hier bis zur Dorfstraße sind es etwa dreihundert Meter. Eine große Wiese auf der einen Seite, ein Maisfeld auf der anderen und ein langgezogener wild bewachsener Weg in der Mitte führen zu einem kleinen Biotop mit ein paar Büschen und Bäumen. Von dort ist es nur einen Katersprung bis zur Straße. Ich denke, Bert beobachtet sie gerne. Beinahe bin ich mir sicher, dass er weiß, die Nachbarn werden mir wieder erzählen, dass sie ihn dort gesehen haben. Vielleicht lächelt er dann weise wie Buddha, weil er weiß, ich habe die Lektion mit dem Vertrauen noch zu lernen. Aber was soll ich machen? Ihn einsperren? Das Risiko eines Unfalls in Kauf nehmen? Vertrauen? Er soll frei sein, sein Leben genießen und die Geborgenheit und Sicherheit haben, wenn er sie haben möchte.
Der Gedanke, Bert könnte überfahren werden, ist immer präsent. Jeden Abend radle ich auf dem Weg nach Hause diese Straße entlang und denke in der letzten Kurve vor der Garage erleichtert: „Heute war nicht der Tag, an dem Bert überfahren wurde.“ Ich hielt dies tatsächlich schon immer für die wahrscheinlichste Option, wie Bert sterben würde.
Allmählich mischt sich zu der üblichen Sorge noch die Angst, Berts Sinne könnten nachlassen und er könnte vielleicht schon bald die eigene Geschwindigkeit und die der anderen Verkehrsteilnehmer nicht mehr richtig einschätzen, wenn er zum Feld auf der anderen Straßenseite wechselt. Vielleicht verknüpft sich hier auch einfach meine Sorge mit dem verborgenen Wissen, dass er nicht mehr lange leben würde.
Uns sind noch gut drei Monate Normalität vergönnt. Später werde ich mich fragen, was in dieser Zeit alles passiert ist, und ob ich vielleicht zu sehr abgelenkt war, um zu merken, wie ein Tumor sich in rasender Geschwindigkeit in Berts Körper ausbreitete. Ich werde Fotos aus der Zeit anschauen, jeden einzelnen Tag aus meinem Kalender gedanklich rekonstruieren. Aber es war nichts anders als sonst. Wir teilten Sofa und Bett, Bert schlief jede Nacht an meiner Seite und ich atmete die Luft ein, die er gerade ausgeatmet hatte – den Tod würde ich kommen hören, oder etwa nicht? Der Himmel, das Universum und alle guten Engel würden mich aufmerksam machen, wenn etwas nicht in Ordnung wäre, richtig? Gut möglich, dass es Hinweise gab, die ich nicht sehen wollte, die ich gar nicht merken sollte. Möglicherweise stand Berts Entschluss zu gehen auch einfach fest.
Bert: „Felsenfest, ja. So war es, meine Liebe. Und auch wenn es für eure Ohren falsch klingt: Es war das Beste. Die guten Engel haben Dich nicht gewarnt, sie haben Dich vorbereitet und getragen.“
Noch ist es nicht so weit. Lucy, Smilla, Ernie, Bert und ich leben als Wohngemeinschaft zusammen. Wir pflegen einen freundlichen, möglichst respektvollen Umgang miteinander. Jeder geht seiner Wege, erfüllt die eigenen Aufgaben und ein starkes unsichtbares Band verbindet uns stets. Ich für meinen Teil erledige zuverlässig meine Arbeit, der ganze Luxus für die Katzenfreunde muss schließlich irgendwie finanziert werden. Die Alltags-Routinen vermitteln mir ein sicheres Gefühl. Auch wenn ich immer mal wieder den Gedanken habe, das alles könnte zerbrechlich sein, laufe ich in diesem Alltag wie auf einem Teppich auf sicherem Boden.
Smilla und Lucy, die hübschen Katzenmädels, machen einfach immer eine gute Figur, ernähren sich ausgewogen, machen ausgiebige Spaziergänge und ich kann nicht ausschließen, dass sie sich mit den anderen vierbeinigen Damen aus der Siedlung zum Yoga treffen. Sie verlieren nicht viele Worte darüber. Die Jungs – Ernie und Bert – sind da eher … wie soll ich sagen … sie geben sich hin, unkontrolliert, zügellos, tun das, was ihnen gerade in ihren Katerköpfen einfällt.
In den Sommermonaten vernebelt die Natur ihre Sinne, im Winter üben ein gefüllter Futternapf und das bequeme Sofa eine starke Anziehungskraft aus. Sie tun dies ohne erkennbar schlechtes Gewissen, haben keine Skrupel, sich gehen zu lassen, die Kontrolle zu verlieren.
Als es wieder wärmer wird, beginnt die Zeit, in der wir uns manchmal sogar tagelang nicht sehen. Ich bin erstmal nicht alarmiert, als Bert Gewicht verliert. Eher sogar beruhigt, weil es zu den Routinen im Jahresverlauf dazu gehört.
Das ändert sich am Sonntag, 2. Mai. Meine Freunde Kerstin und Bernd sind zu Besuch, ich hatte vegane Burger versprochen und gebe mein Bestes, um die sonst auch Fleisch essenden Freunde kulinarisch von einer Alternative zu überzeugen. Wir pflegen dieses Ritual seit einigen Jahren: Derjenige, der die Katzen der anderen während dessen Abwesenheit verpflegte, wird mit einem guten Essen belohnt. Der gerade erst entdeckte pflanzliche Schafskäse passt prima mit in Pesto Rosso angebratenen Kräutersaitlingen und karamellisierten Zwiebeln zu den Burger-Pattys. Zur Feier des Tages lässt auch Bert sich blicken. Er spekuliert auf etwas Schafskäse.
„Der ist aber dünn geworden!“, fällt Kerstin auf und sie hat recht. Ich hatte dies in den vergangenen Tagen nicht sehen wollen, aber plötzlich bahnt es sich unwiderruflich in mein Bewusstsein: Das ist nicht mehr normal. Mit dieser Bemerkung ist die beinahe sorglose Zeit endgültig vorbei. Die Katzenklappe schließt sich wieder hinter Bert und ich weiß, dass ich so schnell wie möglich einen Tierarzt-Termin brauche.
Während die Sprechstundenhilfe der Tierarztpraxis die Dringlichkeit sofort versteht, ist Bert anderer Meinung. Drei mühsam ergatterte NotfallTermine muss ich kurzfristig absagen, weil Bert einfach untergetaucht ist.
Am Dienstag, 11. Mai, sind wir früh morgens endlich in der Praxis – nun hätte ich gerne eine händelbare Diagnose. Ich weiß ja, es ist etwas Ernstes. Vielleicht, so verhandele ich mit dem Universum, könnte es eine akute Nierenschwäche sein. Die kann man doch behandeln. Hauptsache, ich kann etwas tun! Nicht denken oder fühlen, nur tun.
Wir sind die ersten Patienten an diesem Tag und setzen uns. Bert auf dem einen, ich auf dem anderen Stuhl vor dem Behandlungszimmer. Die Stimmung wirkt gedämpft. Durch die Praxis fließen nur ein paar Sonnenstrahlen, die von draußen durch den Nebel hereinkommen, der über dem Garten schwebt.
Die Luft ist noch unverbraucht, dennoch bahnt sich der vertraute Geruch von Desinfektionsmitteln und nassem Hundefell in meine Nase. Als die Tierärztin um die Ecke kommt und uns begrüßt, kann ich sie wegen der OP-Maske nicht leicht einschätzen, doch ihre Stimme wirkt geduldiger als sonst. Sie bittet uns in das kleinere Behandlungszimmer. Zwischen dem Schrank, durch dessen gläsernen Türen man hunderte Globuli-Glasfläschchen sehen kann, und der gegenüberliegenden Wand mit dem Röntgenbildbetrachter über dem schmalen Schreibtisch, passt gerade so der Behandlungstisch.
Die Tierärztin, sie ist die Chefin der Praxis, wird sich nicht daran erinnern, dass sie vor beinahe genau zehn Jahren schon einmal in diese große Box geblickt, und das rote Katerkind angelächelt hat.
Ruhig beobachtet sie, wie ich Bert in seiner Box auf den Behandlungstisch stelle und heraushole. „Was ist mit ihm?“
„Er nimmt ab, wahnsinnig schnell. Er nimmt im Frühling immer ab, aber nicht so schnell wie in den vergangenen Wochen.“
„Frisst er? Trinkt er?“
„Er frisst weniger als sonst. Wieviel er trinkt, weiß ich nicht, er trinkt immer aus dem Gartenteich.“
Sie stellt weiter ihre Fragen und setzt ihn auf die Waage. Nur 3,75 Kilo! Das ist wenig für einen nicht sehr zierlichen Kater, normal hatte er mindestens 5,5 Kilo. Die Tierärztin legt beide Hände um seinen Brustkorb, tastet den Bauch ab und hält sofort inne. Sie scheint etwas in seinem Bauchraum fühlen zu können, tastet weiter behutsam, bevor sie sagt: „Er hat einen Tumor, etwa so groß.“ Sie nimmt ihre Hände von Bert und formt in der Luft eine Art Kugel, so groß wie Berts Kopf: „Da fließt die ganze Energie hin!“.
Die Welt hört auf, sich zu drehen.
Mir wird schwindelig. Jetzt durchhalten. Für Bert. Atmen. Aufmerksam bleiben. Bert beschützen.
„Wir machen jetzt erstmal einen Ultraschall“, höre ich die Tierärztin durch meine immer lauter werdenden Gedanken sagen. Ich setze mich mit Bert in der Box wieder in das Wartezimmer. Vielleicht entpuppt sich der schlimme Verdacht gleich einfach als ein schreckliches Missverständnis?
Bert wird im Zimmer nebenan von einem ihrer Kollegen sanft, aber bestimmt, rücklings auf einen Untersuchungstisch gelegt. Ich nehme seinen Kopf in meine Hände und streiche über die weißen Schnurrhaare, während die Tierarzthelferin eine kleine Stelle am Bauch rasiert. Das Tierarzt lobt Bert für seine Geduld und warnt ihn, dass es nun etwas kalt werden wird. Berts Augen wandern zu mir, während still meine Tränen auf seine Ohren tropfen. Der Ultraschall-Kopf bringt schwarze, graue und weiße Flecken auf einen kleinen Bildschirm. Mein wunderbarer, starker, lebensfroher, schöner Bert lässt die Untersuchung geduldig über sich ergehen. Ich flüstere Bert leise zu, dass ich ihn liebe, während die Diagnose auf dem Bildschirm unwiderrufbar zur Realität wird. „Das ist alles Gewebe, das da nicht hingehört. Hier sieht man auch“, der Tierarzt deutet auf einen schwarzen kleinen See, „dass sich schon freie Flüssigkeit um den Tumor gebildet hat. Es handelt sich also um einen schon fortgeschrittenen Prozess.“
„Der Tag fängt ja nicht mit guten Nachrichten an“, sagt die Tierärztin, als wir zurück im Behandlungszimmer sind. Ihr Mitgefühl wirkt routiniert, aber sie meint es ehrlich.
„Die Welt zerbricht gerade, kann es irgendeine schrecklichere Nachricht geben?“, denke ich und wische eine Träne von meiner Wange. „Was können wir für ihn tun?“, frage ich.
„Es geht nicht darum, ihn sofort einzuschläfern. Aber man kann nicht operieren. Der Tumor ist zu weit fortgeschritten.“
„Können Sie sagen, wie lange er damit leben kann?“
Sie schüttelt den Kopf.
In diesem Moment weiß ich nicht, was ich sagen soll. Vielleicht bin ich nur sprachlos, vielleicht weiß ich auch, dass wir wenig Optionen haben. Ich sollte Fragen stellen, aber mein Gehirn produziert nur irgendwelche Wortfetzen und Gefühle. Keine Sätze, mit denen in der Tierarztpraxis jemand etwas anfangen könnte. Bert bekommt eine hoch dosierte Cortison-Spritze. Ich verstehe nicht, warum er Cortison bekommt, aber bin nicht in der Lage zu hinterfragen, zu diskutieren. Ich fühle mich ohnmächtig und kopflos und versuche, in diese Entscheidung zu vertrauen.
Bert wird für heute entlassen. Durch einen dichten emotionalen Nebel schaffen wir es nach Hause. Erst dort merke ich, wie froh ich bin, dass ich ihn mit heim nehmen konnte. Dass keine sofortige Entscheidung über eine mögliche Euthanasie von mir verlangt wurde. Wie hätte das auch gehen sollen? Mir fehlten Informationen, eine Grundlage, Alternativen. Entsetzlich die Vorstellung, mir wäre in der Praxis direkt gesagt worden, man
muss ihn sofort „einschläfern“, weil man ihm nicht mehr helfen kann und er leidet und Schmerzen hat. Wenn mir keine Wahl gelassen worden wäre, keine Zeit zum Überlegen, denken, abwägen. Wäre ich in der Lage gewesen, mein Bauchgefühl überhaupt wahrzunehmen und mich sogar gegen die Euthanasie zu stellen? Wie viel Verantwortung birgt diese kleine Sequenz des Lebens? Und wie wenig bin ich vorbereitet?
An dieser Stelle hätte die Geschichte – das Leben von Bert – fast ein anderes Ende gehabt. Eine andere Tierarztpraxis, Anzeichen, dass er Schmerzen hätte, und es wäre vermutlich der Vorschlag oder sogar die Entscheidung vom Tierarzt gekommen, sofort zu euthanasieren. Was hätte ich dann getan? Um nichts in der Welt wollte ich, dass Bert leidet! Alle eigenen Wünsche und Bedürfnisse nach mehr Lebenszeit und behütetem Sterben würden von diesem Argument erstickt.
Wählen Tiere die todbringende Krankheit? Warum war es ein Tumor?
Bert: „Es entwickelt sich das, was in das System passt. Die Botschaften und Aufgaben der Seelenebene manifestieren sich auf der körperlichen Ebene.
Der Tumor waren angestaute, verknäuelte Emotionen – meine Wutkugel. Du wirst es erst später verstehen können. Der Tumor war ein endgültiges Signal. Da war kein Platz mehr für Hoffnung und Aktionismus, andererseits ließ er uns noch genügend Zeit, um Abschied zu nehmen. Für mich war er auf eine Art angenehm – er bereitete mir keine Schmerzen, ich konnte eine Weile gut mit ihm leben.“
Als wir zuhause ankommen, schüttelt er sich leicht empört den Tierarztbesuch aus dem Pelz und verkrümelt sich erstmal ins Niemandsland. Bei mir dagegen überschlagen sich die Fragen in meinem Kopf: Wieviel Zeit bleibt uns? Sind es zwei Tage? Drei Wochen? Wie wird es sein, was wird passieren, was wird er brauchen? Brauche ich mehr Informationen? Oder nur Vertrauen in Bert? Ich wünsche mir, ich könnte diesen schlimmen Film in meinem Kopf anhalten.