Silvia-Duett - Folge 16 - Ute von Arendt - E-Book

Silvia-Duett - Folge 16 E-Book

Ute von Arendt

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Beschreibung

Seitensprünge sind gefährlich.

Verwundert lauscht Lianne dem Klang der Türglocke nach. Wer mag jetzt um diese späte Stunde noch stören? Ob Frank -?

Mit einem glücklichen Lächeln reißt sie die Tür auf - und starrt in die Mündung eines Revolvers, der drohend auf sie gerichtet ist.

"Ich will kein Geld!", zischt die junge schwarzhaarige Frau, die ihn hält, und senkt die Waffe um keinen Millimeter. "Ich will Frank, den Mann, den du heiraten wirst. Aber er gehört mir!"

Schlagartig weiß Lianne, wer da vor ihr steht: Juana, die temperamentvolle kleine Spanierin, die sie schon einmal gesehen hat - in Franks Hotelzimmer ...

Wonach ein Herz sich heimlich sehnt.

Sonja Laurentius kehrt nach dreizehn Jahren in die Heimat zurück. Sie war damals gerade fünfzehn Jahre alt, als sie das Gut ihrer Eltern verlassen musste, weil ihre Großtante es strikt abgelehnt hat, das eben verwaiste Mädchen zu sich zu nehmen.

Nun feiert Camilla Laurentius bald ihren achtzigsten Geburtstag, und sie hat Sonja eingeladen. Die junge Frau ist auch gekommen - aber was will sie wirklich hier? Rache? Vergeltung? Oder vielleicht sogar Versöhnung? Und was wird bloß geschehen, wenn Sonja dem Mann begegnet, der inzwischen das Gut ihrer Familie besitzt? Das kann doch gar nicht gut gehen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Seitensprünge sind gefährlich

Wonach ein Herz sich heimlich sehnt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Peter Bernik shutterstock / conrado

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-0642-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Seitensprünge sind gefährlich

Verwundert lauscht Lianne dem Klang der Türglocke nach. Wer mag jetzt um diese späte Stunde noch stören? Ob Frank …?

Mit einem glücklichen Lächeln reißt sie die Tür auf – und starrt in die Mündung eines Revolvers, der drohend auf sie gerichtet ist.

»Ich will kein Geld!«, zischt die junge schwarzhaarige Frau, die ihn hält, und senkt die Waffe um keinen Millimeter. »Ich will Frank, den Mann, den du heiraten wirst. Aber er gehört mir!«

Schlagartig weiß Lianne, wer da vor ihr steht: Juana, die temperamentvolle kleine Spanierin, die sie schon einmal gesehen hat – in Franks Hotelzimmer …

Das Taxi hielt mit quietschenden Reifen vor dem kleinen Hotel am Stadtrand von Barcelona. Der Fahrgast, eine schlanke junge Frau in einem naturfarbenen, modischen Leinenkostüm, das schmale, aparte Gesicht von halblangem, honigblondem Haar umrahmt, bezahlte rasch, stieg aus und eilte mit einer kleinen Reisetasche in der Hand die Stufen zum Hotel hinauf.

Lianne Maiwald wollte ihren Verlobten, den Bauingenieur Frank Lohaus, besuchen. Er betreute zurzeit ein großes Bauprojekt und wohnte deshalb hier im Hotel. Frank hatte heute Geburtstag und würde sich bestimmt riesig freuen, dass Lianne zur Feier dieses Tages extra herübergeflogen war.

Bei dem Gedanken, gleich in seinen Armen zu liegen, wurde es der jungen Frau ganz warm ums Herz. Glücklich befühlte sie in der Tasche ihres Kostüms das kleine Päckchen, das die Armbanduhr enthielt, die sie ihm schenken wollte.

Als Lianne im Eilschritt die Hotelhalle betrat, musste sie feststellen, dass der Portier nicht in seiner Loge war. Nun, dann würde sie eben einen Augenblick warten, bis er wiederkam. Dabei fiel ihr Blick auf das Brett mit den Zimmerschlüsseln. Nummer 38 war nicht da, Frank musste also in seinem Zimmer sein.

Ohne weiter zu überlegen, eilte Lianne mit freudig klopfendem Herzen die Treppen hinauf. Etwas atemlos kam die junge Frau im dritten Stock an und lehnte sich einen Moment lang erschöpft an die Wand. Dann setzte sie zielstrebig ihren Weg fort. Endlich stand sie vor der Tür zu Franks Zimmer. Sie klopfte kurz und drückte gleich darauf die Klinke herunter.

»Herein!«, rief Franks nur zu vertraute Stimme. »Stellen Sie das Tablett auf den Tisch!«

Im ersten Augenblick begriff Lianne nicht, was er damit meinte und sie begriff ebenso wenig die Szene, die sich ihrem fassungslosen Blick bot: Da lagen ein Mann und eine Frau in zärtlicher Pose im Bett, und der Mann war Frank, ihr Verlobter. Er war so mit seiner Partnerin beschäftigt, dass er gar nicht auf die Idee kam, zur Tür zu schauen.

Doch seine Partnerin hob kurz den Kopf, und ihr Blick traf sich mit dem von Lianne. Verwunderung, Erkennen und schließlich Begreifen spiegelten sich auf dem schönen Gesicht der dunkelhaarigen Frau, und dann überzog es sich mit verlegener Röte.

Lianne aber starrte sie wie versteinert an und versuchte zu begreifen, was sie sah. Der Mann, den sie liebte, dem sie vertraute und den sie heiraten wollte, lag mit einer anderen Frau im Bett.

Eine Welle der Übelkeit und der Abscheu stieg in ihr auf, und Lianne musste die Lippen aufeinanderpressen, um nicht laut zu schreien, so verletzt war sie. Sekundenlang war sie wie gelähmt, dann hatte sie plötzlich nur noch einen Gedanken: Weg von hier, nur fort aus diesem Zimmer, aus diesem Hotel und dieses Bild der zwei ineinander verschlungenen Körper abschütteln wie einen Albtraum!

Augenblicke später knallte die junge Frau die Tür hinter sich zu und eilte, wie von Furien gehetzt, die Treppe hinunter und zum Hotel hinaus.

»War das nicht der Zimmerkellner?« Frank Lohaus sah die Frau in seinen Armen fragend an, während er mit dem Zeigefinger die Konturen ihres schönen Gesichtes nachzog. »Ich könnte jetzt nämlich einen Schluck gebrauchen, querida. Dein Feuer trocknet einem die Kehle aus.«

Juana Ortega schüttelte den Kopf, wich aber seinem Blick aus, denn sie hatte die junge Frau, die fassungslos in der Tür gestanden hatte, sofort erkannt. Ihr Bild hatte in der ersten Zeit ihres Kennenlernens auf Franks Nachttischchen gestanden.

»Das war jemand, der sich in der Zimmertür geirrt hatte, mi querido«, murmelte sie schließlich und drängte sich leidenschaftlich an ihn. Er gehörte ihr, ihr rubio, ihr blonder Mann, auch wenn die alemana seinen Ring trug. Juana würde sie aus seinem Herzen und aus seinem Blut vertreiben.

***

Viel später verließen Juana und Frank das Hotel, um irgendwo in einer Bodega seinen Geburtstag zu feiern. Sie waren schon auf der Straße, als ihnen Pepe, der Portier, nachgerannt kam. Mit einem verlegenen Blick auf Juana, von der er wusste, dass sie die Dolmetscherin und auch die Geliebte von Senior Lohaus war, entschuldigte er sich wortreich bei ihm, dass er nicht zugegen gewesen sei, als das Fräulein Braut gekommen sei. Er habe nur noch gesehen, wie sie völlig verstört aus dem Hotel gestürzt sei und ein vorbeifahrendes Taxi genommen habe.

Frank Lohaus wurde blass, der Schreck fuhr ihm in die Glieder. Lianne war hier gewesen? Plötzlich erinnerte er sich an den Besucher auf seinem Zimmer, dem er keinen Blick geschenkt hatte. Aber dafür hatte Juana sich umgeblickt.

»Es war niemand, der sich in der Tür geirrt hatte!«, fuhr er sie zornig an. »Sie war es! Du hast sie erkannt, nicht wahr?«

Als Juana trotzig nickte, packte er sie und schüttelte sie, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass Pepe dabeistand.

»Warum, zum Teufel, hast du es mir nicht sofort gesagt? Jetzt stecke ich ganz schön in der Patsche! Wie ich Lianne kenne, ist sie schon auf dem Weg nach Hause und wird ihrem Vater brühwarm die Geschichte erzählen! Jetzt bin ich die längste Zeit sein Schwiegersohn gewesen. Wer weiß, ob ich überhaupt meinen Job behalte! Lianne ist nämlich …«

Weiter kam er nicht mehr, denn Juana, der es nicht gelungen war, seinen schmerzhaften Griff abzuschütteln, hatte ihn einfach in die Hand gebissen.

»Lass mich los, du … Macho du!«, fauchte sie mit blitzenden Augen. »Bist du verrückt geworden? Was ist denn schon dabei, wenn du diesen albernen Job verlierst und diese Deutsche? Du hast doch mich, und einen neuen Job findest du auch schnell! Papa kann dir bestimmt dabei helfen.«

»Du weißt nicht, wovon du redest!«, höhnte Frank so böse und verächtlich, dass Juana sich fragte, ob das derselbe Man war, der sie vorhin noch so zärtlich und leidenschaftlich umarmt hatte. »Das ist kein Job wie jeder andere. Wenn ich Lianne heirate, werde ich eines Tages Chef der Firma sein, verstehst du? Ich, Frank Lohaus, ein Kind aus dem Waisenhaus, das sich alles mühsam erarbeiten musste! Glaubst du, das lasse ich alles wegen deiner schönen, schwarzen Augen sausen?«

»Du Schuft! Ich hasse dich!«

Juana Ortega sah ihren Geliebten zornbebend und verächtlich an. Sie hob bereits die Hand, um ihn zu schlagen, doch im letzten Moment beherrschte sie sich. Eben noch hatte er ihr seine Liebe versichert, und jetzt tat er ihr Beisammensein wie ein billiges Abenteuer ab! Der jungen Spanierin krampfte sich das Herz zusammen. Wie konnte er nur so gefühllos, so gemein sein? Und doch … Sie wusste schon jetzt, dass sie ihm das verzeihen würde.

Mit Tränen in den Augen funkelte sie ihn an.

»Ich werde jetzt heimfahren! Mit mir kannst du nicht mehr rechnen!«

Damit stolzierte sie auf ihren hochhackigen Schuhen davon, eine schlanke, schwarzhaarige Gestalt im bunten Sommerkleid.

Frank starrte ihr, plötzlich ernüchtert, nach. Nun ließ sie ihn auch noch allein! Das war vielleicht ein Geburtstag! Den würde er so schnell nicht vergessen. Sei es drum! Er pfiff auf alle Liannes und Juanas dieser Welt! Er konnte auch allein Geburtstag feiern!

***

Lianne Maiwald kam erst wieder zur Besinnung, als das Flugzeug auf dem Rollfeld aufsetzte. Bis dahin hatte sie wie ein Roboter gehandelt.

Immer wieder hatte sie sich gefragt, wie Frank ihr so etwas hatte antun können, er, der ihr Liebe und Treue geschworen hatte. Waren seine Worte nichts wert, sondern nur leeres Gerede gewesen? Lag ihm gar nichts an ihr, spekulierte er nur auf die Firma? War das vielleicht nicht sein erstes Abenteuer? Gab es andere, ähnliche Erlebnisse?

Liannes erster, spontaner Gedanke, sich von Frank zu trennen, erwies sich als kaum durchführbar, weil sie damit ihren Vater zu sehr getroffen hätte. Er schätzte Frank und liebte ihn wie einen Sohn, vor allem, da Liannes Bruder Dirk, der erstgeborene Sohn und Erbe, vor vier Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Danach war ihr Vater lange Zeit todunglücklich gewesen, denn nun hatte er niemanden mehr, dem er sein Lebenswerk übergeben konnte.

Dann war Frank in die Firma eingetreten. Lianne und er hatten sich ineinander verliebt, dann verlobt, und ihr Vater war richtig aufgeblüht, weil er jetzt wieder einen Sinn in seiner Arbeit gesehen hatte. Und diese Hoffnungen sollte Lianne ihm nun zunichtemachen? Nein, das schien ihr, trotz ihrer eigenen Betroffenheit, doch zu grausam zu sein.

Aber was sollte sie dann tun? Frank zur Rede stellen? Sich anhören, wie er sich verlegen zu rechtfertigen suchte? Ihm das Versprechen abnehmen, sie nie mehr zu betrügen? Wie hässlich, wie entwürdigend das für sie beide sein würde.

Oder sollte sie alles auf sich beruhen lassen und hoffen, dass Frank nicht erfuhr, dass sie dort gewesen war, ihn heiraten und doch immer das Bild vor Augen haben, wie er mit dieser anderen Frau im Bett gelegen hatte?

Lianne seufzte tief bekümmert auf. Nein, sie hatte keinen blassen Schimmer, was sie jetzt tun sollte.

In Frankfurt empfing sie Nieselregen, was auch nicht dazu beitrug, dass sich ihre Stimmung besserte. Am liebsten hätte sie kehrtgemacht, das nächste Flugzeug bestiegen und wäre irgendwohin geflogen, ganz egal wohin, nur möglichst weit weg.

Eine vergnügte, nicht ganz unbekannte Männerstimme riss sie aus ihren trüben Gedanken.

»Das nenne ich aber einen Zufall, Lianne! Grüß dich! Wo kommst du denn her, oder wo willst du hin?«

Lianne wandte sich überrascht um und erkannte den Mann sofort.

»Hellmuth, du?«

Sie reichte dem Freund ihres Verlobten mit einem gezwungenen Lächeln die Hand.

»In voller Lebensgröße«, erwiderte der Rechtsanwalt schmunzelnd. Doch die grauen Augen hinter der Goldrandbrille schauten Lianne fragend an. »Nun sag schon, kommst du oder gehst du?«

»Ich komme gerade.«

»Das ist ja prima! Dann hast du bestimmt einen Augenblick Zeit! Ich bin nämlich mal wieder viel zu früh dran. Meine Maschine geht erst in etwas über einer Stunde. Darf ich dich zu einer Tasse Kaffee einladen?«

Es lag Lianne auf der Zunge, abzulehnen, denn sie war jetzt nicht in der Stimmung für eine belanglose Plauderei. Aber irgendetwas in den grauen Augen ihres Gegenübers ließ sie schließlich zustimmend nicken.

»Wunderbar«, versicherte Dr. Hellmuth Steinhoff erfreut und nahm ihren Arm.

Zusammen stiegen sie die Treppe zum Flughafenrestaurant hinauf. Insgeheim musterte Hellmuth seine schöne Begleiterin. Er musste sich schon sehr täuschen, aber Lianne kam ihm irgendwie verstört vor. Was mochte sie erlebt haben, und wo kam sie überhaupt her? Er nahm sich vor, sie behutsam danach zu fragen.

Das Flughafenrestaurant war um diese Tageszeit nicht sehr voll, und so fanden Lianne und ihr Begleiter noch einen Platz am Fenster, von wo aus sie sehr gut über das Rollfeld blicken konnten.

Hellmuth Steinhoff bestellte für sie beide Kaffee und zündete sich eine Zigarette an. Eigentlich wollte er sich das Rauchen abgewöhnen, brachte es aber nicht endgültig fertig, besonders dann nicht, wenn er unter Spannung stand, was jetzt zum Beispiel der Fall war. Liannes Gegenwart, das konnte er sich ruhig eingestehen, verursachte bei ihm immer Unruhe und Erregung, und zwar seit dem Moment, da sein Freund Frank Lohaus sie einander auf einer Party vorgestellt hatte.

Da hatte er den Freund zum ersten Mal um diese junge Frau mit dem herrlich schimmernden Haar, den großen, sprechenden Augen und der süßen Nase, auf der sich ein paar Sommersprossen verirrt hatten, richtig beneidet.

Lianne war keine Schönheit im landläufigen Sinne, aber eine ungeheuer aparte Erscheinung. In Gedanken hatte Dr. Hellmuth Steinhoff damals Lianne Maiwald sein Herz zu Füßen gelegt und gewusst, dass es für ihn keine andere Frau mehr geben würde als sie, die Verlobte seines Freundes.

Jetzt saßen sie sich gegenüber, und Lianne schwieg immer noch, was so ganz und gar nicht ihre Art war. Demnach musste wirklich etwas Schwerwiegendes vorgefallen sein. Der Rechtsanwalt beschloss, auf lange Reden zu verzichten und gleich zur Sache zu kommen.

»Lianne, was ist los mit dir? So kenne ich dich gar nicht! Du bist doch sonst nicht so schweigsam.«

»Ich … ach, lass mich, Hellmuth! Ich glaube, es war ein Fehler, dass ich mitgekommen bin! Am besten gehe ich gleich wieder. Heute bin ich kaum eine gute Gesellschafterin!«

Lianne machte Anstalten, aufzustehen, doch ihr Gegenüber hielt sie energisch fest.

»Oh nein, so kommst du mir nicht davon! Ich spüre, dass du Probleme hast! Als Franks und auch als dein Freund bitte ich dich, sie mir zu sagen. Vielleicht kann ich dir ja helfen. Hängen sie vielleicht mit ihm zusammen?«

»Erraten, Sherlock Holmes! Ich habe … es ist … Oh Hellmuth, ich kann nicht!«

Lianne schüttelte gepeinigt den Kopf. Wie konnte sie über das reden, was sie erlebt hatte?

»Versuche es doch«, ermunterte der Rechtsanwalt sie. »Denk einfach, ich wäre der Onkel Doktor, dem du deine Wehwehchen erklären müsstest, weil er dir sonst nicht helfen kann.«

Lianne gewahrte den mitfühlenden, besorgten Blick ihres Gegenübers und spürte seine warme Hand, die die ihre ergriffen hatte. Plötzlich wusste sie, dass sie mit niemand anderem als mit ihm über ihr Erlebnis reden konnte. So begann sie mit vor Verlegenheit roten Wangen zunächst zögernd, dann aber immer flüssiger von dem Schock zu erzählen, den sie in Franks Hotelzimmer erlebt hatte.

»Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich fix und fertig war, Hellmuth«, endete sie mit einem bitteren Auflachen. »Da glaubte ich, Frank überraschen zu können und wurde selbst überrascht! Übrigens glaube ich nicht einmal, dass er mich bemerkt hat, so beschäftigt war er. Natürlich habe ich auf dem Absatz kehrtgemacht und die nächste Maschine nach Hause genommen. Den ganzen Flug über habe ich gegrübelt, was ich jetzt tun soll und warum Frank so etwas überhaupt getan hat. Glaubst du …« Sie suchte verzweifelt nach Worten. »Glaubst du, dass das nur eine einmalige Sache war, ich meine, dass Frank sich nur aus Langeweile mit dieser Frau eingelassen hat?«

Dr. Hellmuth Steinhoff zuckte mit den Schultern.

»Woher soll ich das wissen, Lianne? Wir sind zwar Freunde, aber Frank erzählt mir längst nicht alles.«

Insgeheim aber war er sehr wütend auf seinen Freund, der auch nach seiner Verlobung die Finger nicht von anderen Frauen lassen konnte.

Er brauchte nur mit dem kleinen Finger zu winken, dann schmolzen die Frauen reihenweise dahin, denn Frank war nun mal der Prototyp des blonden, breitschultrigen, blauäugigen Mannes, nach dem sich jede Frau insgeheim sehnte.

Frank soll sich nur in Acht nehmen, dachte der zornige Mann, denn wenn er ihn in die Finger bekam, würde er ihm die Leviten lesen, dass ihm Hören und Sehen verging. Einer Frau wie Lianne tat man so etwas einfach nicht an.

»Schau, Lianne, Frank ist nun mal ein gut aussehender Mann!«, sagte Dr. Hellmuth Steinhoff mit einem, wie er meinte, beschwichtigenden Lächeln. »Er hat es leicht bei den Frauen. Da kann es schon mal passieren, dass er schwach wird. Betrachte das Ganze als einmalige Entgleisung und versuche, ihm zu verzeihen. Er ist doch sonst ein feiner Kerl, und dein Vater hält große Stücke auf ihn.«

»Eben drum.« Lianne nickte bekümmert und nippte an ihrem Kaffee, der schon kalt geworden war. »Sonst würde ich mich auf der Stelle von Frank trennen. Aber mein Vertrauen in ihn ist erschüttert. Das kannst du doch verstehen, oder?«

»Natürlich. Aber kein Mensch ist vollkommen, Lianne, auch Frank nicht. Und Verzeihen ist nun mal die Grundlage jeder Beziehung.«

Während er das sagte, schimpfte sich Dr. Hellmuth Steinhoff einen ziemlichen Idioten.

Statt Frank zu verteidigen und den Seelentröster zu spielen, solltest du lieber die Chance wahrnehmen, Lianne klarzumachen, dass es auch noch andere Männer gibt, solche, die ihr niemals so etwas antun würden!

Doch im gleichen Augenblick schob er diese Überlegung beiseite. Nein, das brachte er nun einmal nicht fertig, dazu war er zu anständig und zu ehrlich. Lianne gehörte zu Frank, trotz dieser leidigen Geschichte.

»Jetzt haben wir die ganze Zeit über mich geredet«, unterbrach Lianne seinen Gedankengang mit einem kleinen Lächeln. Ihr war schon ein wenig wohler, seit sie sich ausgesprochen hatte. »Nun mal zu dir. Was machst du so, und vor allem, wo fliegst du heute hin? Du sagtest eben, deine Maschine geht in einer Stunde.«

»In vierzig Minuten, genauer gesagt«, stellte der Rechtsanwalt richtig, froh darüber, dass Liannes Gesicht wieder heller geworden war. »Nun, was mache ich? Das, was ich immer tue, ich verhelfe den Leuten zu ihrem Recht. Und gleich fliege ich nach Paris, weil ich dort beruflich zu tun habe. Ich muss mit einem Klienten sprechen, der dort im Gefängnis sitzt.«

»Paris!« Lianne seufzte neidvoll auf. »Dahin wollten Frank und ich im vergangenen Herbst. Leider schickte ihn Papa dann zu dieser Baustelle in Schweden, und aus war der Traum. Jetzt muss es herrlich dort sein, Frühling in Paris … Oh Hellmuth, du bist ein Glückspilz!«

»Ich werde wohl nicht viel davon zu sehen bekommen«, wehrte er kopfschüttelnd ab. »Ich sagte ja schon, ich fahre beruflich dorthin.«

Lianne hatte seinen Einwand kaum mehr gehört, denn in ihrem Kopf begann es zu arbeiten. Ihr war ganz plötzlich eine fantastische Idee gekommen.

»Sag mal, Hellmuth, du fliegst doch allein dorthin. Hättest du nicht gern Begleitung? Würdest du mich eventuell mitnehmen?«

»Du meinst, mit nach Paris? Bist du verrückt, Lianne? Das ist unmöglich!« Er schüttelte entgeistert den Kopf.

»Wieso?« Die junge Frau sah ihn provozierend an. »Ich habe noch eine ganze Woche Urlaub, die ich eigentlich mit Frank verbringen wollte. Was spricht dagegen, dass ich stattdessen mit dir nach Paris fliege? Ich wollte schon immer dorthin.«

»Aber dein Vater … Frank … Was werden sie dazu sagen?«

»Darüber mach ich mir jetzt noch keine Gedanken«, wehrte Lianne energisch ab.

Die neue Idee hatte entschieden ihre Lebensgeister gehoben. Ihre Augen funkelten unternehmungslustig, und ihre Wangen röteten sich vor Eifer.

»Frank soll sich gefälligst an seine eigene Nase fassen«, fuhr sie lebhaft fort. »Und Papa … mit dem werde ich schon fertig!«

»Aber vielleicht ist in der Maschine ja kein Platz mehr frei.«

Dr. Hellmuth Steinhoff war die ganze Sache nicht geheuer, obwohl ihm natürlich der Gedanke, mit Lianne nach Paris zu fliegen, unerhört reizvoll erschien. Was konnte es Schöneres geben, als ihr die Stadt zu zeigen, mit der er schon so vertraut war? Aber hinterging er damit nicht Frank, seinen Freund? Beschwor er damit nicht neue Komplikationen herauf?

»Das werden wir sofort feststellen«, erklärte Lianne lachend und erhob sich. Wenn sie sich einmal zu etwas entschlossen hatte, konnte nur noch ein Erdbeben sie davon abhalten.

Schon hatte sie Handtasche und Reisetasche ergriffen, und während ihr Begleiter zahlte, eilte sie bereits zu den Buchungsschaltern hin. Und sie hatte Glück: Es waren tatsächlich noch ein paar Plätze frei. Sie bezahlte ihr Ticket mit ihrer Kreditkarte und wandte sich dann triumphierend zu Hellmuth Steinhoff um, der ihrem Tun mit gemischten Gefühlen zusah.

»Siehst du, es hat geklappt! Jetzt hast du mich eine Woche lang am Hals. Hoffentlich wirst du mich so lange ertragen können.«

Wenn du wüsstest, Lianne, dachte der Rechtsanwalt. Ich könnte dich ein ganzes Leben lang ertragen!

»Werde ich ja wohl müssen!«, meinte er schmunzelnd. »Die Suppe habe ich mir selbst eingebrockt. Und nun komm, der Flug ist schon aufgerufen worden!«

Als Lianne sich wie selbstverständlich bei ihm einhakte, schob Dr. Hellmuth Steinhoff alle Vorbehalte und Einschränkungen beiseite und begann, sich auf diese Woche zu freuen, die er mit der Frau verbringen würde, die er liebte. Und er nahm sich vor, ihr so viel Zeit zu widmen wie eben möglich, denn so eine Gelegenheit würde nie wiederkommen, das wusste er.

***

Paris war genau so, wie Lianne es sich vorgestellt hatte, oder doch noch schöner, aufregender, verwirrender! Schon allein das Hotel »du Midi« in der Rue Lourmel, wo der Rechtsanwalt immer abstieg, wenn er in Paris war, und wo er auch noch für Lianne ein Zimmer bekommen hatte, war so ganz anders als die Hotels, die sie gewohnt war. Es war eines der einfacheren Kategorie, denn Hellmuth hatte Lianne gestanden, dass er sich in diesen luxuriösen Riesenkästen nicht wohlfühlen würde.

Die Zimmer waren hoch, mit einer nachgedunkelten Stuckdecke und altmodischen Möbeln. Das Messingbett mit dem bunten Überwurf quietschte bei jeder Bewegung, und das Bad war einfach, wenn auch zweckmäßig eingerichtet.

Die gusseiserne Badewanne stand auf vier Füßen, und der Wasserhahn tropfte beharrlich. Aber die Handtücher waren schneeweiß und dufteten frisch. Das alles aber wog nichts gegen die Tatsache, dass sie von ihrem Zimmer den Eiffelturm und das Marsfeld überblicken konnte, fand Lianne, und sie konnte sich von diesem Anblick kaum losreißen.

Monsieur und Madame Patrin, die Besitzer des Hotels, waren typische Pariser, gastfreundlich, redselig … und neugierig.

Pierre Patrin verwickelte Hellmuth Steinhoff gleich bei ihrer Ankunft in eine lebhafte Diskussion über die Irrungen und Wirrungen der Politik und goss ihm großzügig einen Pernod nach dem anderen ein. Indes versuchte Madame Patrin sich mit Lianne zu unterhalten, die aber zu ihrer Beschämung feststellen musste, dass von ihrem Französischunterricht nicht mehr viel hängen geblieben war.

Das schien Madame Patrin aber nicht zu stören. Sie redete munter drauflos und musterte dabei unauffällig die junge Frau, die sie für die Freundin, wenn nicht gar für die Geliebte von Monsieur l’advocat hielt. Ihrer Meinung nach war es höchste Zeit geworden, dass er in dieser Hinsicht endlich etwas unternommen hatte.

Sie hatte sich jedes Mal gewundert, wenn der nette Monsieur Steinhoff wieder einmal ohne Begleitung hierhergekommen war. Aber nun war er wohl auf den Geschmack gekommen, und er hatte nicht schlecht gewählt, das konnte sie wohl beurteilen.

Nachdem Hellmuth und Lianne ausgepackt hatten, bummelten sie zum Seine-Ufer hinunter, wo sie in einem kleinen Restaurant ein ausgezeichnetes Menü zu sich nahmen.

Da es schon spät am Tage war, begnügten sie sich mit einem Bummel rund um den Eiffelturm und kehrten dann in ihr Hotel zurück.

Trotz der vielen fremden Geräusche, wie etwa das Klopfen der Wasserrohre und das ständige, ächzende Auf und Ab des altmodischen Fahrstuhls, der ganz in der Nähe ihres Zimmers war, schlief Lianne in dieser Nacht ausgezeichnet.

***

Heller Sonnenschein weckte sie am nächsten Morgen, und barfuß tappte Lianne zum Fenster hinüber. Mit prickelnder Vorfreude genoss sie den Ausblick über die Dächer der Stadt, deren Grau mit dem sanften Blau des Himmels verschmolz. Durch das geöffnete Fenster tönten die Geräusche der Großstadt, und ein milder Wind sandte seinen würzigen Duft herein.

Lianne duschte rasch und zog nach einigem Überlegen ein Sommerkleid an, das sie sich für die Reise nach Spanien gekauft hatte, und darüber einen passenden Blazer mit einem farblich abgestimmten Einstecktuch. Dann ging sie hinunter ins Frühstückszimmer.

Dort empfing sie der Duft von frischem Kaffee und Hörnchen und Madame Patrin, die ihr wortreich mitteilte, das Monsieur l’advocat schon gefrühstückt habe, da er dringend fort musste. Er lasse Madame ausrichten, sie möge sich mittags mit ihm am Louvre treffen.

Lianne bedankte sich bei ihrer freundlichen Gastgeberin und genoss in Ruhe ihr Frühstück. Sie war nicht enttäuscht, dass Hellmuth schon fort war, denn schließlich war er ja nicht zum Vergnügen hier. Nachdem sie sich gestärkt hatte, fühlte sie sich richtig unternehmungslustig und beschloss, auf eigene Faust ein wenig die Stadt zu erkunden.

Auf dem Weg zur Metrostation kaufte sie sich deshalb an einem Kiosk einen Stadtplan und einen Reiseführer und entschied, zunächst zum Place de la Concorde zu fahren. Sie war mehr als beeindruckt, als sie schließlich dort ankam.

Mitten auf ihm stand ein fast dreiundzwanzig Meter hoher Obelisk, der Obelisk von Luxor, ein Monolith aus Granit, der aus den Tempelruinen von Theben stammte. Vizekönig Muhammad Ali hatte ihn einst dem französischen König Louis Philippe zum Geschenk gemacht.

Es wimmelte hier natürlich von Touristen, die gleich wie Lianne diese Sehenswürdigkeit bestaunen wollten, und zu ihrem heimlichen Vergnügen vernahm die junge Frau ein fast babylonisches Sprachengewirr. Nach einer Weile schlenderte Lianne weiter, die Rue Royal hinunter bis zur Eglise de la Madeleine, einer Kirche, die ursprünglich als Ruhmeshalle in Form eines griechischen Tempels gebaut worden war. Auch heute war das an den zweiundfünfzig korinthischen Säulen noch deutlich erkennbar.

Nachdem Lianne alles nachgelesen hatte, was der Reiseführer über die Madeleinekirche zu berichten wusste, beschloss sie, sich eine Ruhepause zu gönnen.

Sie fand ein kleines Straßencafé und ließ sich einen Milchkaffee und ein knuspriges Croissant bringen.

Dabei beobachtete sie mit großem Vergnügen die vorbeiflanierenden Menschen, eilige Hausfrauen mit Netzen voller Obst und Gemüse, langsam und bedächtig einherschlurfende Pensionäre, die alle Zeit der Welt hatten, und junge Leute aus aller Herren Länder, die sich unglaublich viel zu erzählen hatten und mit Händen und Füßen redeten.

Das ist Paris, so, wie ich es mir vorgestellt habe, dachte Lianne glücklich, und in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie den ganzen Morgen nicht mehr an Frank und seinen Treuebruch gedacht hatte. Das war auch gut so, fand sie, denn das war ja der Sinn ihrer Reise.

***

Dr. Hellmuth Steinhoff erwartete Lianne schon vor dem Haupteingang des Louvre, denn sein Besuch im Gefängnis hatte nicht so lange gedauert, wie er geglaubt hatte. Lianne hakte sich gleich bei ihm ein und erzählte ihm lebhaft von ihrem morgendlichen Entdeckungsrundgang.

»Es ist wirklich fantastisch, Hellmuth! Ich bin unendlich begeistert! Aber ich fürchte, dass ich in der einen Woche gar nicht alles zu sehen bekommen werde, was ich möchte. Im Reiseführer ist noch so vieles aufgezählt …«

»Nun halt mal die Luft an!«, unterbrach er sie lachend mit liebevollem Blick. »In einem muss ich dir gleich zustimmen, Lianne, du kannst Paris nicht in einer Woche erobern, selbst wenn du zehn Stunden täglich auf den Beinen wärst. Aber ich werde versuchen, dir zu zeigen, was du unbedingt sehen möchtest. Vertrau dich ruhig mir an, ich kenne mich schon ein wenig aus.«

»Das werde ich, und ich könnte mir keinen netteren Fremdenführer vorstellen als dich.«

Lianne blinzelte ihren Begleiter so schelmisch an, dass diesem ganz heiß wurde. Sekundenlang war er versucht, sie an sich zu reißen und ihr zu sagen, dass er sich keine liebere Begleiterin vorstellen könnte. Aber er unterdrückte diese Aufwallung und steuerte Lianne unter leichtem Geplauder zu einem kleinen Bistro, wo sie einen Imbiss nahmen.

Am Nachmittag besuchten sie dann den Invalidendom, den Louvre und das Palais de Chaillot, dessen vier Museen sie aber nicht alle besichtigen konnten, dazu reichte die Zeit nicht mehr.

Als sie mit ziemlich müden Füßen wieder auf der Straße standen, fand Hellmuth Steinhoff, dass es nun genug für heute sei, und schlug vor, sich für den Abend etwas weniger Anstrengendes vorzunehmen.

Lianne war sofort einverstanden. Gespannt wartete sie in einem kleinen Café auf Hellmuth Steinhoffs Rückkehr. Der Anwalt hatte sich aufgemacht zu erkunden, was das Nachtleben zu bieten hatte. Glückstrahlend kam er mit zwei Theaterkarten zurück.

Trotz ihrer mangelnden Sprachkenntnisse war Lianne von dem Stück begeistert und folgte der Handlung mit ungeteilter Aufmerksamkeit. Hellmuth Steinhoff beobachtete sie dabei mit heimlichem Vergnügen. Selten hatte er eine Frau kennengelernt, die sich so begeistern konnte.

Unbewusst suchte seine Hand die ihre, und Lianne ließ es geschehen, dass er sie festhielt. Erst als die Pause nahte, machte sie sich mit leisem Bedauern frei, denn es war ein überaus angenehmes Gefühl gewesen, die warme, feste Männerhand zu spüren.

In angeregter Stimmung bummelten sie nach der Vorstellung durch das nächtliche Paris, das brodelnd und voller Leben war. Später, vor ihrem Hotel, seufzte Lianne bedauernd auf.

»Schade, schon ist ein Tag dieser Woche vorbei. Ich mag gar nicht daran denken, dass wir Samstag zurückfliegen müssen!«

»Ich auch nicht«, gestand ihr Begleiter mit seltsam rauer Stimme, wobei er es vermied, sie anzuschauen.