Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Der zwölfjährige Simon will eigentlich nur eins: Endlich irgendwo dazugehören. Mama und Papa haben keine Zeit für ihn, seine Großeltern kennt er nicht und auch seine Mitschüler wollen nichts von ihm wissen. Doch dann bietet ihm ausgerechnet der coole Joschi eine Mutprobe an. Simon lässt sich auf den Deal ein und bald gehört er zum Team, das immer weitere Großmuttereinsätze plant. Bis irgendwann ein Feuer alles aus den Fugen reißt …
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2019
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
© 2019 – e-book-Ausgabe RHEIN-MOSEL-VERLAG Zell/Mosel Brandenburg 17, D-56856 Zell/Mosel Tel 06542/5151 Fax 06542/61158 Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-89801-879-1 Lektorat: Sandra Jungen Ausstattung: Stefanie Thur Titelillustration: Tobias Thies Autorenfoto: Sandra Jungen
SIMON
Der Großmuttereinsatz
Rhein-Mosel-Verlag
Für Philipp und Lenny. Für Simon und Benedikt. Und für alle jungen Menschen, die wissen, wie wertvoll echte Freunde sind.
Zuviel Lob
Nach Schulschluss holte Simon sein Mountainbike vom Fahrradparkplatz. Er zurrte die Gurte seines Rucksacks enger und setzte den Helm auf. Der war die Belohnung von Mama für sein letztes Zeugnis gewesen. Sie hatte ihm das nachtleuchtende Teil versprochen und zumindest dieses Versprechen eingehalten. Er schwang sich auf den Sattel und fuhr Schlangenlinien um die Bäume der langen Allee.
Vor dem Gartentor von Joschis Großmutter bremste er. Seine Klassenkameraden Luca und Daniel hockten dort auf den Sandsteinen neben der Haustür.
»Hallo Leute.« Simon hielt sich mit einer Hand am schmiedeeisernen Gartentor fest.
»Achtung, hier kommt der Superstar der Lehrer!« Joschi, der Chef der Clique, sprang aus der Haustür und grinste so breit, dass Simon sogar seine Backenzähne erkennen konnte.
»Zieh Leine«, brummte Luca, ohne aufzuschauen.
Simon atmete durch. Am liebsten hätte er gebrüllt: »Ich wollte doch das dämliche Lob von Herrn Schuster gar nicht!« Stattdessen fragte er: »Was macht ihr denn so?«
»Sicher nicht Mathe lernen«, entgegnete Joschi und drehte ihm den Rücken zu.
Die anderen beiden wandten sich ebenfalls von ihm ab.
Hinter dem Fenster bemerkte er Joschis Oma. Sie lächelte freundlich. Er verharrte am Gartentor und startete noch einmal einen Annäherungsversuch. »Geht ihr Fußball spielen? Und könnt ihr vielleicht noch ’nen Mitspieler brauchen?«
»So viele Tore fallen bei uns nicht. Wir brauchen keinen Taschenrechner.« Joschi gluckste und die anderen beiden klopften sich grölend auf die Beine.
Der Kloß in Simons Hals ließ sich nicht mehr herunterschlucken. Leise sagte er: »Ich wollte eigentlich fragen, ob ich mitspielen kann.« Als keiner der drei reagierte, drückte er sich vom Tor weg und fuhr davon. Hinter sich hörte er das Lachen der Jungs. Er krallte sich an den Lenkergriffen fest und trat kräftig in die Pedale.
Zu Hause lehnte er sein Rad an die Hauswand und rannte die sechs Stufen hoch zum Eingang. Direkt hinter der Haustür kickte er seine Schuhe von den Füßen und knallte den Rucksack auf die Treppe, die zu seinem Zimmer führte. Dann schlurfte er über die Fliesen ins Wohnzimmer. Mit hängenden Schultern ließ er sich aufs Sofa fallen. Er zog sein Handy aus der Hosentasche. Papa hatte sich nicht gemeldet. Das hieß, er würde wohl noch nicht so schnell zuhause sein.
Simon öffnete den Chat mit Mama und schrieb: Hi Mum, ich habe eine Eins in Mathe.
Es dauerte nicht lange, bis sie antwortete. Hey, mein Schatz! Super! Ich freue mich. Belohnungspäckchen folgt. Was hättest du gerne?
Simon: Eigentlich wäre es mir am liebsten, wenn du da wärst.
Das Handy vibrierte und auf dem Display erschien Mamas Profilbild. »Ja, Mum?« Sein Hals brannte und er hatte Mühe, die Tränen hinunterzuschlucken.
»Hallo Großer.« Mama schwieg einen Moment. »Entschuldige, bei mir steht schon wieder jemand vor der Bürotür. Ich wollte dir nur sagen, dass ich nächste Woche heimkomme.«
»Ehrlich?« Simons Herz schlug schneller vor Freude. »Und wie lange bleibst du dann?«
»Wahrscheinlich zwei oder drei Tage.«
»Nur?« Es knackte in der Leitung. »Mama?«
»Ja, ich bin noch da. Es ist nur gerade jemand hereingekommen. Stell dir vor, die neue Brücke hier in Indien ist bald fertig.«
»Ach so. Schön.«
»Die sieht großartig aus mit den riesigen Stahlaufhängungen zwischen den Felsen.«
Er antwortete nicht.
»Simon? Hörst du mich? Wir machen uns die Tage richtig schön. Das verspreche ich dir.«
»Ja.« Simons Brust schmerzte, weil er schon jetzt daran dachte, wie er sich wieder von Mama verabschieden musste. Er zuckte die Achseln und rutschte auf dem kühlen Leder des Sofas hin und her.
»Es tut mir leid, mein Junge. Ich muss weitermachen. Sei fleißig. Und sag Paps liebe Grüße. Tschüss, mein Großer.«
»Tschüss. Ach, Mama …«
Tut-tut-tut-tut … Sie hatte schon aufgelegt.
Simon sah noch einmal auf das Display. Er wischte sich die Tränen von den Wangen und schob das Handy zurück in seine Hosentasche. Dann rappelte er sich auf, schulterte im Flur die Schultasche und trottete die Treppe hoch zu seinem Zimmer.
»Fleißig sein. Hervorragend«, murmelte er und nahm das Foto von seinem Schreibtisch, auf dem er mit Mama zu sehen war. Auf dem Bild lächelten sie sich an und seine Hand lag auf ihrer Wange. Die Jungs-Clique fiel ihm ein. Joschi ist ein cooler Typ. Der wird bestimmt mal Chef. Aber das ist er ja irgendwie jetzt schon. Je länger er an die drei Jungs dachte, desto mehr wünschte er sich, einmal mit ihnen einen Nachmittag zu verbringen. Und er wusste auch schon, was er tun würde, um dazu zu gehören.
Er nahm sein Englischheft aus der Schultasche, begann seine Hausaufgaben und lauschte immer wieder nach unten.
Eiscafé
Die Zeiger der Uhr wanderten unaufhörlich weiter. Es war schon fast sechs, als er Papas Schlüssel hörte. Sofort sprang er vom Stuhl auf und lief die Treppe hinunter. Auf der untersten Stufe blieb er stehen.
»Hallo Sohnemann. Na, alles klar bei dir?« Papa hielt ihm die Hand zum High Five entgegen.
Simon schlug ein. »Ja, alles klar. Und bei dir?«
»Alles bestens. Nur müde. Das war ein langer Tag heute.«
»Ich soll dich von Mama grüßen.« Simon versuchte, möglichst gleichgültig zu wirken, doch kaum hatte er sie erwähnt, war da wieder dieser stechende Schmerz im Bauch, den er oft hatte, wenn die Sehnsucht nach Mama zu groß wurde.
Papa bückte sich und nestelte an seinen Schuhbändern. »Gibt’s was Besonderes?«
»Nee. Ich hab nur ne eins in Mathe.«
Sofort richtete Papa sich auf und sah ihn mit leuchtenden Augen an. »Na hör mal. Nur ne eins. Das ist doch großartig!« Er legte einen Arm um Simons Schulter und drückte ihn fest an sich. Simon schmiegte den Kopf an seine Brust.
»Wie wärs? Ich lade dich ein. Eis, Pizza, Döner. Was willst du?«
»Eis.« Simon sprang von der Stufe.
»Na dann können wir gleich los.«
Das Cabrioverdeck war noch offen. So wehte Simon der Wind um die Nase, als Papa auf die Hauptstraße einbog. Mit einem rasanten Schwung fuhr er kurz darauf in die Parklücke direkt vor dem Eiscafé. Die gelben Sonnenschirme waren schon fast alle geschlossen. Papa knuffte Simon in die Seite. »Aussteigen, Nummer eins.«
Simon zog die Augenbrauen zusammen. »Was heißt das denn?«
»Na, du hast doch schon wieder eine Eins geschrieben. Und meine Nummer eins bist du auch.« Papa stieg aus und deutete eine Verbeugung an. Simon tippte sich grinsend gegen die Stirn. Als sie die Terrasse des Eiscafés betraten, entdeckte er Joschi, der mit seiner Großmutter an einem der hinteren Tische saß. Zum Glück konnte der nicht hören, was Papa eben gesagt hatte. Der Anführer der Clique schaufelte mit einem langen Löffel dicke Eisbatzen aus einem riesigen Becher in seinen Mund. Die freundliche Großmutter schien ihn dabei zu beobachten. Jedenfalls ruhte ihr Blick auf Joschi. Hoffentlich sieht der mich jetzt nicht. Schnell wandte Simon sich um.
Er suchte einen Tisch vorn auf der Terrasse und setzte sich so hin, dass er Joschi im Blick hatte. Papa zog sich den gegenüberliegenden Stuhl heran, nahm Platz und fragte: »Sag mal, was ist jetzt eigentlich mit eurem Nachholspiel? Hat der Trainer endlich einen Termin?«
Simon schüttelte den Kopf.
»Es wäre schon gut, wenn ich das bald wüsste. Ich muss dann ja auf der Arbeit …«
Simon versuchte ihm zuzuhören. Aber Papas Arbeitspläne interessierten ihn aktuell überhaupt nicht. Vielmehr überlegte er, ob er seine eigene Oma erkennen würde, wenn er sie irgendwo träfe. Papa rüttelte an seinem Arm und sagte laut: »Simon, was ist denn los mit dir?«
Schnell sah er zu Joschi hinüber, der sich langsam in seinem Stuhl umdrehte. Der Cliquenchef verdrehte die Augen und seine Großmutter lächelte genauso freundlich wie vorhin hinter dem Fenster.
Simon stammelte: »Das da drüben ist einer aus meiner Klasse.«
»Aha. Und was ist mit dem?«
»Nichts, nichts«, beeilte Simon sich zu antworten.
»Hat der Typ dich sprachlos gemacht?« Mit dem Kinn deutete Papa in Joschis Richtung.
Simon strich sich die Haare zurück und erklärte dann leise: »Nein, es ist nur … ach, ich bin immer allein zuhause.«
»Was?« Papa riss die Augen auf. »Aber du weißt doch, dass Mama und ich arbeiten müssen.«
»Schon, nur, also Joschi zum Beispiel. Der geht nach der Schule zu seiner Oma.«
Papas Gesicht verfinsterte sich. »Was willst du damit sagen?«
»Warum darf ich denn nicht zu meiner Oma?« Er sah Papa herausfordernd an.
Papa verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast keine Oma.«
Die Worte schepperten in Simons Ohren. Tränen stiegen ihm in die Augen. »Darf ich sie denn nicht einmal besuchen? Nur einmal.« Seine Stimme zitterte.
»Schluss jetzt. Ich will nicht mehr darüber diskutieren. Ich weiß ja nicht einmal mehr, wo sie ist.«
Simon blinzelte die Tränen weg. Papas Gesicht verschwand hinter der Eiskarte. In diesem Moment stand Joschi neben ihm am Tisch, klopfte ihm mit dem Fingerknöchel auf den Kopf und grinste breit. »Na, Simmi, hast du ordentlich gelernt für morgen?«
Simon zuckte die Schultern ohne seinen Vater aus den Augen zu lassen. Doch der rührte sich gar nicht mehr hinter der Karte.
»Na dann, wir sehen uns.« Joschi folgte seiner Oma, die mit ihrem Rollator am Ausgang stand. Er half ihr die Stufen hinunter, schob ihre Gehhilfe vor sie und ging langsam neben ihr her.
Simon blickte ihnen hinterher, bis sie um die Ecke verschwunden waren.
Simons Plan
Am nächsten Tag stand in der dritten Stunde Englisch auf dem Stundenplan. Simon lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ die Arme baumeln. Als die Lehrerin die Klasse betrat, gähnte er laut auf. Die Köpfe der beiden vor ihm sitzenden Klassenkameraden schossen zu ihm herum. Auch die Mitschüler in den anderen Reihen glotzten ihn an. In seinen Ohren rauschte das Blut, so aufgeregt war er. Noch einmal gähnte er, richtete sich auf und fixierte die Tafel. Es war gar nicht so leicht, die Reaktionen der Mitschüler zu ignorieren.
Frau Klein stellte ihre Tasche aufs Pult. Simon sah sie nicht an.
»Good morning boys and girls.«
»Good morning, Misses Klein.« Die Antwort aus der Klasse klang genauso lahm wie jeden Tag.
»Ich hoffe, ihr habt eure Vokabeln ordentlich gelernt.«
Niemand reagierte. Die Lehrerin sah von einem zum anderen. Schließlich blieb ihr Blick an Simon hängen. »Na, wer kann uns denn die zehn neuen Wörter übersetzen?«
Simons Herz polterte und seine Hände wurden schweißnass. Jetzt musste er seinen Plan durchziehen. Er sah die Lehrerin an, rieb die Hände an der Hose. »Ich nicht.«
Frau Klein, die gerade ein Buch aus der Tasche zog, erstarrte mitten in ihrer Bewegung und kniff die Augen zusammen. Wieder schnellten die Mitschüler auf ihren Stühlen herum. Simon drehte sich zu Joschi, der ein Gesicht machte, als hätte er einen Frosch gefressen.
»Hab ich das gerade richtig gehört? Du hast vergessen zu lernen?« Joschi lachte und schlug die Faust auf den Tisch.
Erleichtert nickte Simon. Er fühlte sich bestätigt, in dem, was er tat und genoss die Überraschung der anderen. Nur Frau Klein tat ihm irgendwie leid. Die Lehrerin schüttelte den Kopf, setzte sich aufs Pult und presste das Buch vor ihren Bauch. »Es wäre nicht schlecht, wenn ihr alle bis morgen die Vokabeln könnt. Ich werde sie ganz sicher bei der Klassenarbeit abfragen.«
Nach der Englischstunde hatten es Joschi, Luca und Daniel eilig. Sie rannten so schnell die Stufen hinunter, dass Simon sie aus den Augen verlor. Er suchte in den Toilettenräumen, wo sie sich oft versteckten, um nicht nach draußen gehen zu müssen. Doch dort waren sie nicht. Auch nicht in der Nische hinter dem Verkaufsstand des Hausmeisters. Schließlich entdecke er sie auf dem Pausenhof beim Haselnussstrauch. Joschi hatte eine Zigarette in der Hand und reichte sie gerade an Daniel weiter, als Simon auf sie zutrat.
»Mann, der schon wieder.« Daniel stöhnte.
Luca baute sich vor Simon auf. »Zieh ab, Alter.«
»Halt, halt, halt. Lass ihn.« Joschi schob sich zwischen Simon und Luca und hielt Simon grinsend die Zigarette entgegen. »Willste auch mal?«
Simon hob die Hand, hielt dann aber inne. Er sah die Jungs nacheinander an. Dann starrte er auf den qualmenden Stängel zwischen den Fingern des Anführers.
Luca und Daniel klatschten sich ab. »Er traut sich nicht.«
Der Qualm stieg Simon in die Nase und er musste einen Hustenanfall unterdrücken. Er hasste diesen Gestank. Trotzdem griff er nach der Zigarette, klemmte sie zwischen Zeige- und Mittelfinger und führte sie zu den Lippen. Er sog an dem feuchten Mundstück, der Rauch drang in seinen Mund und in die Lunge. Im nächsten Moment musste er husten, beugte sich nach vorn und hatte den Eindruck, seine Brust zerreißt.
Joschi nahm ihm die Zigarette aus der Hand, die anderen beiden krümmten sich vor Lachen und Simon fühlte sich, als kippte die ganze Welt plötzlich zu Seite. Kaum hatte er sich wieder aufgerappelt, klopfte Joschi ihm auf die Schulter.
»So, nun hau mal raus, was du von uns willst, Simmi.«
»Ich … also … ich meine.«
»Na, was denn nu?«
»Ich wollte fragen, ob ihr nicht doch noch jemanden in eurer Clique gebrauchen könnt.«
Luca stellte sich breitbeinig zwischen Joschi und Simon. »Komm, lass den Langweiler. Den Streber. Den … ach, da fallen mir noch tausend Sachen ein. Was willst du denn mit dem?«
»Chill mal.« Joschi schob die Ärmel seines T-Shirts hoch. Deutlich konnte Simon die Muskeln des Anführers in den Oberarmen erkennen. Joschi gab dem hageren Luca einen Schubs und wandte sich Simon zu. »Gut, wenn du willst, kannst du mitkommen. Wir treffen uns heute Nachmittag um 15 Uhr.«
Simon fiel sofort die morgige Englischarbeit ein. Offenbar sah man ihm den Zweifel an, denn Joschi fragte: »Is was?«
»Nein, nein. Alles okay. Bis später dann.« Langsam schlenderte er Richtung Schulhaus, holte sein Brot aus der Dose und nahm einen großen Bissen. Endlich hatte er es geschafft, bei der Clique dabei sein zu dürfen. Das fühlte sich verdammt gut an.
Zuhause warf Simon seine Schultasche neben den Schreibtisch. Die neuen Fußballschuhe packte er in einen Rucksack, und holte eine Packung Schokokekse aus seiner Geheimschublade. Die legte er ins vordere Fach. Aus seinem Fußballschrank, in dem er alles aufbewahrte, was er für Training und Spiele brauchte, holte er das neue Trikot seines Lieblingsspielers Niklas Süle heraus und streifte es sich über. Süle hatte er bei einem Spiel des FC Bayern München im Stadion beobachtet und fand ihn toll. Als er abends mit Papa durch München schlenderte, trafen sie den Fußballstar. Das war ziemlich cool, als Papa den Abwehrspieler ansprach. Der ließ sich mit Simon fotografieren und schenkte ihm eine Autogrammkarte. Seither trug Simon nur noch Süle-Trikots. Die Autogrammkarte hatte er über seinem Bett aufgehängt. Er lächelte sein Idol an, dann schaute er zur Uhr. Halb drei. Mit großen Schritten fegte er die Treppe hinunter, denn auf keinen Fall wollte er zu spät zum Park kommen. Er schwang sich aufs Rad und sauste los.
Schon von Weitem sah er Joschi, der einen Ball auf dem Fuß balancierte. Simon verstärkte den Tritt in die Pedale, bremste knapp vor dem Cliquenchef und hüpfte gekonnt vom Sattel. Achtlos ließ er sein Rad ins Gras fallen. »Hi, Joschi.«
»Hi, Simmi.« Joschi rollte den Ball vor Simons Füße. Da tauchten Luca und Daniel zwischen den Büschen auf.
»Das hätte ich nicht gedacht.« Luca verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
»Was?«, fragte Simon.
»Na, dass du wirklich hier aufkreuzt. Und das heute.« Daniel schubste ihn an.
»Wieso nicht heute?«
»Na hör mal. Morgen ist Englischarbeit angesagt. Da müsstest du über deinen Büchern hängen.« Daniels dicke, runde Wangen glühten.
In Simon rührte sich für einen Moment das schlechte Gewissen. Er dachte an Frau Klein, die Englischlehrerin und spürte ein Ziehen im Bauch, als ob er gleich zur Toilette müsste. Schnell schoss er den Ball zu Luca hinüber. »Kein Bock auf Lernen.« Er lief los, Luca rollte den Ball wieder zu ihm zurück und nach kurzer Zeit entwickelte sich ein spannendes Spiel. Simon und Joschi bildeten ein Team. Die beiden anderen hatten keine Chance gegen sie. Ein Tor nach dem anderen fiel, und erst als Joschi rief: »Leute, ich glaube, es reicht für heute!«, setzte Simon sich neben den Anführer ins Gras. Von seinen blonden Haarsträhnen tropfte der Schweiß. Er zerrte seinen Rucksack heran und bot den Jungs Schokokekse an. Dann nahm er einen Schluck aus seiner Trinkflasche, während die anderen drei eine Dose Energy-Drink hin und her wandern ließen.
Nach einer Weile rutschte Joschi näher an ihn heran. »Na, Kollege, hat Spaß gemacht, oder?«
Simon nickte begeistert.
»Das würdest du sicher gern wiederholen.«
»Klar!«
»Kein Problem. Nur musst du vorher die Aufnahmeprüfung für unsere Clique bestehen.«
Sofort polterte Simons Herz gegen die Rippen. »Eine Prüfung?«
Lucas dünne Finger krallten sich in Simons Schulter fest. »Na ja, Prüfungen kriegst du doch hin. Oder geht das nur, wenn es Noten gibt?«
»Was muss ich denn da machen?«, fragte er mit zitternder Stimme und versuchte gleichzeitig Joschis Blick auszuweichen.
»Zuerst musst du uns sagen, ob du bereit bist für einen echten Test.«