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Mias Leben steht Kopf. Leo hat sich nach fünf Jahren wegen einer anderen von ihr getrennt. Gleichzeitig hat sie gerade einen neuen Job begonnen, endlich in einem Verlag, wie sie es sich immer gewünscht hat. Zum Glück hat sie Nico und ihre anderen Freunde. Nur Dank ihnen findet sie wieder den Weg aus der Wohnung und ins Nachtleben von L.A. Erst da bemerkt sie ihre Wirkung auf das andere Geschlecht und steht bald zwischen zwei Männern: Noah und Chris. Während ihr Liebesleben Fahrt aufnimmt, bleibt auch die Spannung im Job nicht aus. Es gibt da nämlich etwas, das Mia noch nicht weiß ... "O ja, da steht er und er sieht zu mir. Sein Blick, mit dem er mich quasi auszieht, ist voller Begierde. Mir wird heiß."
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Seitenzahl: 670
Veröffentlichungsjahr: 2024
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
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© 2024 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99146-765-6
ISBN e-book: 978-3-99146-766-3
Lektorat: Theresia Riegler
Umschlagabbildung: Milatoo | Dreamstime.com
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Kapitel 1
„Ich glaube, es macht keinen Sinn mehr. Es ist vorbei.“
Immer wieder höre ich diesen Satz in meinem Kopf.
Vor ungefähr zwei Monaten hat mich mein Freund, Exfreund, verlassen. Jetzt sitze ich zu Hause, der Fernseher läuft und ich denke nach. Ich lasse mir die Situation zwischen Leo und mir immer wieder durch den Kopf gehen.
Anfang Juni hat er die Beziehung beendet und ich weiß noch immer nicht genau, weshalb. Er konnte es mir nicht wirklich sagen. „Es fühlt sich nicht mehr richtig an“, hat er gesagt.
Aber das Schlimmste ist, er hat schon eine Neue.
Und ich? Ich sitze hier in meiner neuen Wohnung. Allein.
Bitte nicht falsch verstehen, ich mag meine Wohnung, aber trotzdem bin ich allein.
Vermutlich hat die Neue etwas mit dem Ende unserer Beziehung zu tun. Wieso sonst ist es so schnell gegangen?
Der nächste Morgen verläuft wie immer. Ich bin spät dran.
Ich hole mir meinen Kaffee und gehe ins Büro, wo mich leider wenig Arbeit erwartet. Keine Ablenkung oder nur sehr wenig. Aber mein neuer Chef ist im Urlaub, was die Einarbeitung nicht ganz einfach macht. Zudem hat der Verlag während des Sommers immer weniger Arbeit, weshalb ich im Moment überall helfe, bevor ich meinen Platz als Assistentin des Verlegers einnehmen kann.
Neben dem Verleger gibt es noch mehrere Lektoren, verschiedene Teams für den administrativen und personellen Teil, wie auch die Kreativen Köpfe im Marketing.
Da ich allen anderen helfe, lerne ich alle kennen und integriere mich schnell ins Team.
Ping. Oh, ich habe vergessen, mein Handy auf Vibration zu stellen.
Hi, wie geht es dir? Habe von dir und Leo gehört, es tut mir sehr leid. Falls ich was für dich tun kann, melde dich einfach – Chris
Ich lese die Nachricht noch einmal.
Woher hat Chris von meiner Trennung mit Leo erfahren? Vielleicht hat Lexi meinen Instagram-Account gecheckt. Aber wieso sollte sie es Chris mitteilen? Oder ist es ihm aufgefallen?
So weit so gut. Ich verarbeite das Ganze noch. Wie geht es dir? Wie war dein Urlaub? – Mia
Danach lasse ich mein Handy in der Schublade meines Schreibtisches verschwinden.
Ich will im Moment nicht wissen, was Chris darüber denkt. Klar, wir hatten eine gute Zeit. Ich war damals seine Assistentin und es hat mir Spaß gemacht. Aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass es zwischen uns knistert. Da ich nicht wirklich damit umgehen konnte und meine Beziehung mit Leo nie aufs Spiel setzen wollte, kündigte ich und nahm diesen Job an.
Ich wollte schon länger Lektorin werden. Das war ein weiterer Grund, wieso ich nicht länger in der Anwaltskanzlei arbeiten wollte.
Das Stelleninserat vom Jackson Verlag habe ich im Frühling rein zufällig entdeckt. Ich war erstaunt, als sie mich ohne Erfahrung eingestellt haben.
Leo hat mich damals ermutigt, mich zu bewerben. Kurz nachdem ich die Zusage hatte, hat er mich verlassen.
Erstaunlicherweise hatte ich den ganzen Tag keine Zeit mehr auf mein Handy zu schauen, obwohl es mich teilweise in den Fingern gejuckt hat.
Ich habe an Meetings teilgenommen, die ich später organisieren werde. Ich durfte das Protokoll führen und habe es gleich überarbeitet, damit meine Arbeitskollegin Emma es noch kontrollieren konnte. Sie wird nur noch zwei Wochen hier arbeiten und hilft mir, wo sie kann. Danach werde ich ihren Job selbstständig erledigen.
Mir geht es gut. Der Urlaub war schön, aber kurz. So wie es sich gehört ;-) Kann ich dich anrufen? – C
Oh, er hat schon versucht mich anzurufen, gleich fünfmal. Was wohl so dringend ist?
In dem Moment ruft er mich nochmals an. Ich nehme einen tiefen Atemzug, bevor ich ans Telefon gehe.
„Hallo?“ O Mann, wieso klinge ich so unsicher? Es ist nur Chris. Ich gebe mir mental eine Ohrfeige.
„Mia? Alles gut bei dir?“ Er klingt besorgt. „Natürlich Chris. Ich habe den ganzen Tag viel zu tun gehabt. Was kann ich für dich tun?“ Ich versuche zu lächeln, damit ich mich nicht so deprimiert anhöre, wie ich mich in letzter Zeit immer fühle.
„Ich wollte deine Stimme hören. Außerdem denke ich, wir sollten was gemeinsam unternehmen. Um dich abzulenken.“ Er wollte meine Stimme hören? Wie soll ich denn das verstehen?
Er hat sich, seit ich gegangen bin, kein einziges Mal gemeldet, und jetzt sagt er so was? Außerdem haben wir uns nie privat getroffen, als wir zusammengearbeitet haben.
Ich bin verwirrt.
Um herauszufinden, was er von mir will, muss ich zusagen. Aber eigentlich habe ich überhaupt keine Lust mich mit irgendjemanden zu treffen. „Ich bin so gar nicht in Stimmung. Ich bin gerne zu Hause und sehe fern.“ „Das ist das Problem, Mia. Du solltest was unternehmen. Wie wär’s mit Freitag?“ Ich seufze, aber überlege trotzdem einen Moment. Ob das so eine gute Idee ist?
„Mia, komm schon. Wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen. Es wäre doch nett, uns wieder einmal auszutauschen.“ „Na gut. Unternehmen wir was. Schwebt dir schon etwas vor?“ Seine Überredungskunst mit so wenigen Worten verblüfft mich jedes Mal. Aber bei diesem Ton kann ich einfach nicht Nein sagen.
„Na klar habe ich schon einen Plan. Ich hole dich um achtzehn Uhr dreißig ab. Schick mir doch deine Adresse. Ich freue mich, dich wiederzusehen.“ Er legt auf.
Ich bin einen Moment verdattertet und merke erst, dass ich noch vor dem Bürogebäude stehe, als Emma mir nochmals einen schönen Abend wünscht. Ich lächle schüchtern zurück und gehe mit gesenktem Kopf zu meinem roten Audi A3. Währenddessen sende ich Chris meine neue Adresse.
„Ich weiß Nico, es tut mir leid. Er hat mich überrumpelt.“ „Das verstehe ich ja, Prinzessin, aber warum kannst du nicht absagen? Ich versuche dich schon seit Wochen aus der Wohnung zu locken, ohne großen Erfolg. Nun kommt dieser Chris und du gehst gleich mit ihm aus.“ „Ich geh nicht mit ihm aus, wir unternehmen als Freunde etwas. Nico, versteh doch, ich habe Chris schon lange nicht mehr gesehen. Es hat mich gefreut, dass er sich bei mir gemeldet hat.“
Nico ist mein bester Freund. Er versucht mir zu helfen, über Leo hinwegzukommen. Jeden Vorschlag, mit ihm und Freunden auszugehen, habe ich ausgeschlagen. Meistens sind wir bei mir und schauen uns auf Netflix Serien oder Filme an.
Ich verstehe ihn und es tut mir sehr leid, dass er sich zurückgewiesen fühlt, aber er muss mich doch auch verstehen. Ich kann langsam vorwärtsgehen und mich mit anderen Leuten treffen. Ich brauche Zeit, um mit Leo abschließen zu können und nach dem Gespräch mit Chris fühle ich mich langsam wieder bereit, unter die Leute zu gehen. Ich kann nicht sagen, wie er das geschafft hat, aber es fühlt sich richtig an.
„Na gut, aber wir sehen uns am Samstag, oder?“ „Klar, weißt du schon, was wir unternehmen wollen?“ „Also, wenn du schon den Schritt wagst, dann würde ich mich freuen, wenn wir mit den anderen losziehen würden und was trinken gehen.“ Es hört sich mehr nach einer Frage an, als dass er festentschlossen ist.
Ich seufze, es ist nur fair, wenn ich einwillige, denn wenn ich mich mit Chris treffen kann, kann ich mich auch mit meinen Freunden treffen. Ich bin es ihnen schuldig und irgendwie vermisse ich meine Leute.
„Also gut, aber ich möchte nicht in einen Club gehen, nur ins Circle.“ Das Circle ist unsere Stammbar, die wir normalerweise jeden Samstag mit unseren Freunden besuchen. Ich weiß nicht, ob die anderen in letzter Zeit dort gewesen sind. Ich habe Nico nie gefragt, ich wollte ihn nicht daran erinnern, dass er wegen mir etwas verpasst.
„Das ist super. Du hörst von mir, hab dich lieb“, sagt er enthusiastisch. „Hab dich auch lieb. Mach’s gut Nico.“ Ich lege lächelnd auf.
Zwischendurch merke ich, dass Nico ein paar Jahre jünger ist als ich. Trotzdem kennt er mich besser als sonst jemand und weiß, wie er mich ablenken kann. Deshalb habe ich auch zugesagt. Außerdem kann ich mich nicht für immer in meiner Wohnung verkriechen, auch wenn ich sie sehr mag. Nico hat mir geholfen, sie zu finden. Sie ist nicht gerade riesig, aber für mich reicht sie vollkommen aus.
Wenn man die Wohnung betritt, kommt man in einen kleinen Gang mit einer Garderobe für meine Jacken und Schuhe. Geradeaus ist mein Wohnzimmer. Darin steht mitten im Raum mein hellblaues Sofa, das man zu einem Bett ausziehen kann. An der linken Wand steht der Fernseher, rechts ist eine Kommode mit Gesellschaftsspielen, Filmen und Kram, den ich nicht weiß, wo ich ihn sonst verstauen soll. Nico hat Bilder von unseren Freunden und meiner Familie an die weiße Wand gehängt. Das macht es lebhafter.
Vom Wohnzimmer aus kommt man auf einen Balkon, der die meiste Zeit von der Sonne beschienen wird.
Das Schlafzimmer ist rechts vom Wohnzimmer. Es ist klein. Nur mein Bett, zwei Nachttische und ein Spiegel in der linken hinteren Ecke schmücken den Raum. Gegenüber von meinem Bett ist ein eingebauter Kleiderschrank, der rappelvoll ist. Die Wand, an dem mein Bett steht, haben Nico und ich gelb gestrichen. Die Farbe soll mich aufheitern. Das war ein lustiger Tag. Am Anfang war ich mürrisch und traurig. Nico hat sich „aus Versehen“ angemalt und unschuldig getan. Irgendwann hat mich seine Art zum Lachen gebracht. Ich denke gerne daran zurück.
Links vom Wohnzimmer ist die Küche, in die ich einen weißen Esstisch mit vier Stühlen gestellt habe. Viel mehr Platz ist da nicht.
Noch weiter links ist ein kleines Bad mit einer Dusche und einer Waschmaschine.
Die Woche vergeht wie im Flug. Ich muss ständig an Chris denken.
Auf der einen Seite ist das gut, denn es lenkt mich von Leo ab, auf der anderen Seite macht es mir Angst.
Am Freitagmorgen bin ich nervös. Ich weiß nicht genau, wieso. Es ist schließlich nur Chris. Na ja, gut sieht er schon aus. Er ist sehr groß und sportlich, hat einen Bart, dunkle, kurze Haare, die leicht gewellt sind, wenn er sie ein bisschen länger trägt, dunkle Augen und er ist immer leicht gebräunt. Das ist für L.A. nicht sehr ungewöhnlich, aber er ist Anwalt und arbeitet sehr viel. Er trägt immer einen Anzug. Ich habe ihn nie in legerer Kleidung gesehen.
Doch es ist noch immer Chris, ich kenne ihn. Außerdem hat er eine Freundin und mir macht noch immer die Trennung mit Leo zu schaffen. Was also macht mich so nervös?
Ungefähr um sechzehn Uhr verabschiede ich mich im Büro und gehe ins Wochenende. Ich brauche noch Zeit, um zu duschen und mich umzuziehen, und mich irgendwie seelisch auf den heutigen Abend vorzubereiten, denn die Nervosität hat sich nicht gelegt.
Da ich nicht weiß, was wir unternehmen, wieso habe ich nicht nachgefragt, entscheide ich mich für eine weiße Kurzarmbluse zu einem schwarzen A-Linienrock, der mir bis Mitte des Oberschenkels reicht, und schwarze Ballerinas. Es ist nicht zu chic und nicht zu lässig, es sollte also für jeden Anlass passen.
Ping.
Ich wünsche dir heute Abend viel Spaß. Pass auf dich auf und lass ihn nicht gleich ran! Hab dich lieb – N
Ich schnappe nach Luft. Nico ist manchmal einfach unmöglich! Trotzdem muss ich ein bisschen grinsen. Es ist schön zu sehen, dass er sich Sorgen um mich macht. Aber dieses Spiel können wir beide spielen.
Ups, die Unterwäsche passt zusammen ;-) – M
Mia is back! Du bist unmöglich! Bis morgen – N
Bin da – C
Ich schaue nochmals in den Spiegel. Ich bin zufrieden mit meinem Look.
Meine hohen Wangenknochen habe ich mit etwas Rouge betont. Meine braunen Augen werden von langen dunklen Wimpern umrandet, mein gelocktes braunes Haar fällt mir über meinen Rücken. Zum Schluss habe ich noch etwas Lipgloss aufgetragen, damit meine Lippen leicht glänzen.
Ich schnappe mir meine Handtasche, stecke mein Handy hinein, schließe die Tür ab und gehe langsam die Treppen hinunter. Plötzlich bin ich wieder unsicher. Bin ich wirklich bereit, wieder unter die Leute zu gehen?
Nun ja, jetzt ist es ohnehin schon zu spät. Chris wartet bei seinem schwarzen BMW X5.
Er sieht gut aus, lockerer als bei der Arbeit. Er trägt Bluejeans und ein weißes Hemd, bei dem er die Ärmel nach hinten geschoben hat. Also bin ich weder over- noch underdressed. Das erleichtert mich.
Als er mich sieht, lächelt er. Meine Nervosität ist wie weggeblasen und ich fühle mich richtig wohl.
„Hallo, Mia, schön dich zu sehen. Wie geht es dir?“ „Hi, Chris. Es ist auch schön, dich zu sehen. Mir geht es gut. Ich bin gespannt, was du geplant hast.“ Er umarmt mich und zuckt nur mit den Schultern. Das ist so typisch für ihn. Er hält mir die Tür auf und ich steige in seinen Wagen.
„Mia, du siehst super aus.“ „Ach was, das ist nichts Besonderes.“ Ich muss wegsehen, damit er nicht sieht, dass ich leicht rot werde. Immer wenn er mir Komplimente macht, passiert mir das. Ich musste es schon immer runterspielen. Ob er das schon mal bemerkt hat?
„Ich mag es. Ich weiß nicht, ob du darüber sprechen möchtest, aber wie geht es dir mit der Trennung?“ Uff, darüber will ich wirklich nicht sprechen, aber er versucht mir nur zu helfen. Ich überlege, wie ich ihm meine Situation erklären sollte. Ich will nicht zu viel sagen, aber genug, dass er merkt, dass ich nicht darüber sprechen möchte.
„Na ja, am Anfang ist es mir sehr schlecht gegangen. Ich bin ein paar Tage nicht im Büro gewesen. Weisst du noch? Ich habe mich zurückgezogen und mit niemanden Kontakt gehabt. Da habe ich bei meinen Eltern gewohnt. Nico ist nach ungefähr zwei Wochen gekommen, um mich aufzumuntern. Er hat mich gezwungen, nach vorne zu sehen und mir eine eigene Wohnung zu suchen. Das habe ich dann auch mit seiner Hilfe getan. Aber besser war das nicht. Ich habe mich in meiner Wohnung verkrochen. Ich war jetzt immer zu Hause, bis du dich bei mir gemeldet hast. Ich weiß nicht, aber es zieht mich ziemlich runter, wenn ich daran denke. Es macht mich fertig! Deshalb vermeide ich es, darüber nachzudenken.“ Das war ja doch mehr, als ich eigentlich Preis geben wollte.
Ich lächle leicht, obwohl mir gerade nicht danach ist. Ich hätte gleich wieder losheulen können, aber ich reiße mich wegen Chris zusammen. Er soll mich so nicht sehen.
„Du warst nicht bei der Arbeit? Ihr seid schon so lange nicht mehr zusammen? Und du hast nichts gesagt? Mia, das ist so viel Ballast, du hättest mit mir darüber sprechen können!“ „Na ja, ich wollte niemanden damit belasten. Vor allem ist es etwas peinlich, dass ich so heulen musste, da Leo anscheinend schon länger damit abgeschlossen hat.“ „Das war nicht fair von Leo und das muss dir überhaupt nicht peinlich sein. Du hättest wirklich mit mir darüber sprechen können. So wie mit Nico. Wer ist das überhaupt?“ Ich muss schmunzeln. Wir haben uns bei der Arbeit immer gut verstanden, aber von unseren Privatleben sprachen wir nur selten.
„Nico ist mein bester Freund. Ich kenne ihn seit meiner Collegezeit. Wir haben zusammen in einem Café gearbeitet.“ „Ich finde es toll, dass du so einen guten Freund hast. Aber ich denke, wir sollten das Thema wechseln. Ich wollte dich von Leo ablenken. Außerdem sind wir da.“ Chris parkt sein Auto und grinst mich an. Ich kenne das Restaurant nicht, aber das ist nichts Außergewöhnliches. Ich gehe meistens in der Nähe vom Büro essen oder koche zu Hause selbst.
„Es sieht sehr schön aus.“ „Warte, bis wir drin sind.“ Chris öffnet die Tür vom Restaurant und ich bin überwältigt. Das unscheinbare Beachhaus hat eine Glasfront zum Meer hinaus. Es sieht wunderschön aus. Draußen gibt es eine Terrasse, wo auch gegessen werden kann. Ich bin sprachlos.
„Guten Abend, Mr. Taylor. Ihr Tisch ist bereit, wenn Sie mir bitte folgen.“ Ich bin so überwältigt, dass mir beinahe der Blick der Kellnerin entgangen wäre, aber nur beinahe. Sie ist groß, hat ihr blondes Haar zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden und sieht sehr gepflegt aus. Ich habe mein Haar an der Luft trocknen lassen, alles andere hat bei diesem Klima keinen Sinn.
Wir gehen nach draußen, die Luft ist angenehm. Die Kellnerin bringt uns zu einem Tisch ganz vorne mit der schönsten Aussicht. Wir sehen direkt auf das Meer. Es riecht sogar danach. Ich liebe es.
„Kann ich Ihnen das Übliche bringen?“ „Bringen Sie uns doch ein Bier, einen Martini und einen Krug mit Wasser.“ „Sehr gerne Mr. Taylor.“ Die Kellnerin wirft mir einen kurzen Blick zu, dann geht sie und ich muss lachen.
„Was ist so komisch?“ Chris hat ein verwirrtes Lächeln auf den Lippen. Oh, es ist wie immer.
„Keine Ahnung. Ich glaube, die Kellnerin ist neidisch auf mich oder sie ist wegen Nadine skeptisch.“ „Na ja, ich esse zwar regelmäßig hier, aber Nadine war noch nie dabei.“ „Wieso war sie noch nie hier?“ „Hat sich noch nie ergeben.“ Damit hat er das Thema beendet. Ich merke es an seinem Gesichtsausdruck. Er ist ernster geworden. Es verunsichert mich, aber ich belasse es dabei. Es geht mich schließlich nichts an. Außerdem würde Chris sich schon melden, wenn er darüber sprechen will.
Ich schaue in die Karte und kann mich fast nicht entscheiden, was ich essen soll. Es hört sich alles sehr lecker an. Die Kellnerin kommt mit unseren Getränken und nimmt unsere Bestellung auf. Ich nehme den Fitnessteller und Chris ein Steak mit Reis und Gemüse.
Als wir miteinander anstoßen und ich einen Schluck von meinem Martini nehme, wird mir bewusst, dass Chris für mich bestellt hat. „Woher hast du gewusst, dass ich gerne Martini trinke?“ „Das letzte Mal auf dem Teamevent hast du auch solche getrunken.“ „Das weißt du noch?“ „Natürlich, warum denn nicht? Außerdem trinken den viele.“ Er zuckt leicht mit den Schultern, was mich zum Lächeln bringt. Normalerweise trinke ich Bier, aber zu Martini sage ich nur ungern nein.
Wir unterhalten uns über die Arbeit, wie es bei ihm im Büro aussieht.
Er bringt mich auf den aktuellen Stand aller Arbeitskollegen, so viel er mitbekommen hat. Dass er ohne mich völlig aufgeschmissen sei, erwähnt er ein paar Mal, was ich ihm nicht glaube. Schließlich hat er eine neue Assistentin. Ich habe sie nie kennengelernt, aber ich habe noch mitbekommen, dass sie jemanden eingestellt haben.
Er interessiert sich für meine neue Stelle, ich erzähle ihm von meinem Arbeitsalltag und was auf mich zukommen wird.
Die Kellnerin bringt unser Essen. Sie versucht, Chris’ Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich finde es sehr lustig, denn sie hat wirklich keine Ahnung, dass er eine Freundin hat.
„Was ist?“ „Du ignorierst sie. Ich glaube, das mag sie nicht.“ Chris muss auch lachen.
„Na ja, sonst bin ich mit meinen Freunden hier, da hat sie schon mehr Aufmerksamkeit.“ Wir lachen beide. Ich vermisse das. Dieses unbeschwerte Zusammensein, ohne sich Gedanken über irgendetwas zu machen.
Als wir fertig gegessen haben, geht die Sonne bereits unter. Die Farben sind unbeschreiblich. Ich genieße den Anblick und versuche ihn mir ins Gedächtnis zu brennen, damit ich ihn niemals vergesse.
„Die Aussicht ist unbeschreiblich.“ „Ja, das ist sie.“ Irgendwas in seiner Stimme lässt mich zu ihm schauen und in dem Moment macht Chris ein Foto von mir. Ich werfe ihm einen bösen Blick zu.
„Was? Die Aussicht war oder besser gesagt ist unbeschreiblich.“ „Ich meine den Sonnenuntergang.“ Ich verdrehe die Augen und schaue nochmals der untergehenden Sonne zu, bis sie verschwunden ist.
„Ich weiß“, haucht Chris, was mir einen leichten Schauer den Arm hochtreibt.
Wir sitzen noch einen Moment so da, bis die Kellnerin wiederkommt und nach dem Nachtisch fragt. „Können Sie uns das warme Schokoladenküchlein mit dem Vanilleeis bringen?“ Sie notiert sich die Bestellung und geht wieder davon. Ich finde, sie sieht jedes Mal niedergeschlagener aus. Irgendwie tut sie mir leid. Ignoriert zu werden ist kein schönes Gefühl.
Ein paar Minuten später taucht sie wieder auf. Sie stellt die Teller auf den Tisch und wünscht uns einen guten Appetit.
„Probier, solange es noch warm ist.“ Chris sieht mich erwartungsvoll an. Als ich den Löffel mit dem Kuchen und dem Vanilleeis in den Mund schiebe, muss ich die Augen schließen: „Mmh, einfach himmlisch.“ Chris lächelt mich zufrieden an.
„Wie war eigentlich dein Urlaub? Und glaub nicht, mit ‚er war kurz‘, hat sich das erledigt. Erzähl ein bisschen was.“ Ich bin gespannt auf seine Erzählungen. Ich will Bilder sehen.
Durch die Trennung bin ich nicht im Urlaub gewesen, außerdem war ich auch sonst noch nie weit weg. Bis jetzt bin ich nur einmal mit Leo nach Phoenix in die Wanderferien geflogen. Sonst bin ich immer in der Nähe geblieben.
Wie ich erhofft habe, zeigt er mir Bilder und erzählt von seinem Aufenthalt in Miami. Er erzählt auch, dass er mit Freunden ein Haus angeschaut hat und sie sich überlegten, dieses zu kaufen.
„Es ist wunderschön und so nahe am Meer“, schwärme ich. „Wenn wir es gekauft haben, musst du unbedingt mal mitkommen.“ „Klar, dann kann ich endlich Nadine kennenlernen.“ „Ja, sicher.“ Etwas an seinem Ton lässt mich den Blick von seinem Handy heben. Da er den Blick starr auf seinen Teller richtet und die Kellnerin gerade wieder an unseren Tisch tritt, lasse ich es dabei. Als wir noch zusammengearbeitet haben, hat er nicht viel von ihr gesprochen. Vielleicht möchte er einfach, dass es privat bleibt.
„Entschuldigen Sie, Mr. Taylor. Möchten Sie noch etwas trinken. Wir würden nun die letzte Runde bringen.“ „Oh, schon so spät? Mia, möchtest du noch etwas?“ „Nein, danke. Von mir aus können wir bezahlen.“ „Na dann die Rechnung bitte.“ „Sehr gerne, Mr. Taylor.“
Ein paar Augenblicke später kommt sie mit der Rechnung und dem Kartenlesegerät wieder. Chris ist schneller: „Du bist heute eingeladen.“ „Das haben wir so nicht abgemacht.“ „Das ist nicht ganz richtig. Schließlich musste ich dich überreden, mit mir essen zu gehen. Vielen Dank“, sagt er an die Kellnerin gewandt. „Vielen Dank Mr. Taylor und einen schönen Abend noch.“ „Das wünschen wir Ihnen auch.“ Die Kellnerin geht davon und wir erheben uns.
Bei mir angekommen bedanke ich mich für den schönen Abend.
„Es hat Spaß gemacht. Wir müssen das bald wiederholen. Versprich mir das, Mia.“ „Gerne, aber dann bekoch ich dich, um mich zu revanchieren.“ Er lacht nur, ich steige aus dem Auto, gehe zur Treppe, drehe mich um und winke ihm nochmals zum Abschied. Chris wartet bis ich im Haus bin, dann höre ich ihn wegfahren. Mein Gott, ist er ein Gentleman.
Ich springe kurz unter die Dusche, danach putze ich mir die Zähne und lasse den Abend Revue passieren. Im Großen und Ganzen war es sehr schön. Ich habe mein altes Ich vermisst. So unbeschwert zu sein war zur Abwechslung ganz schön. Aber Chris’ Reaktion bezüglich Nadine verunsichert mich. Bei der Arbeit hat er ein paar Mal über sie gesprochen, nicht viel, aber so abweisend war er nie. Vielleicht stecken sie einfach nur in einer Krise oder er wollte einfach, dass es privat bleibt.
Im Bett nehme ich mein Handy nochmals zur Hand.
Gute Nacht, mein Engel – C
Ich verdrehe die Augen und tippe eine kurze Antwort.
Gute Nacht, Womanizer – M
Danach lege ich mich hin und schlafe zum ersten Mal seit langem, ohne zu weinen ein.
Kapitel 2
„Wie war es?“ Nico sitzt auf meinem Bett und lehnt jedes T-Shirt, das ich anziehen will, ab. Er selbst trägt ein weißes Polo und Jeans. Seine dunkelblonden Haare hat er so gestylt, dass es aussieht, als sei er gerade erst aufgestanden. Seine schwarze Nerdbrille hat er gegen Kontaktlinsen getauscht, was seine grünen Augen mehr zur Geltung bringt.
„Hab ich dir doch schon geschrieben. Es war schön und sehr nett, ihn wiederzusehen.“ „Ja, ich weiß. Habt ihr euch geküsst?“ „Nico!“ Ich werfe ihm das T-Shirt an den Kopf, das ich gerade anziehen will. „Mia, komm schon. Wenn du es mir nicht erzählen kannst, wem dann?“ Da hat er recht, aber es ist nichts passiert. Wieso auch?
„Wir sind nur Freunde.“ „Freunde, die dauernd anrufen?“ Er hält mir mein Handy entgegen. Chris versucht mich nun zum fünften Mal anzurufen. Ich muss den Anruf entgegennehmen, alles andere wäre unhöflich.
„Hallo, Chris.“ „Hallo, Mia, endlich erreiche ich dich. Ist bei dir alles gut?“ „Klar doch, wieso?“ „Ich versuch dich schon den ganzen Tag zu erreichen. Ich habe mir Sorgen gemacht.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Chris, es ist alles in Ordnung. Nico ist da und mein Handy ist auf lautlos eingestellt. Tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast. Was gibt’s denn?“ Nico versucht ein Lachen zu unterdrücken, ich werfe ihm einen finsteren Blick zu. Es ist doch süß, wenn er sich um mich sorgt.
„Ich habe gestern Abend sehr schön gefunden. Ich will mich dafür bedanken und hoffe natürlich auch, dass wir das bald wiederholen werden?“ „Ich muss mich bei dir bedanken. Es hat Spaß gemacht. Ja klar, können wir das wiederholen. Du hast bestimmt schon was im Kopf.“ Chris lacht. „Du kennst mich zu gut, Mia. Deswegen rufe ich auch gleich an. Heute Abend habe ich ein Basketballspiel, hast du Lust zu kommen?“ Oh, das geht schnell. Ich habe eher an nächste Woche gedacht.
„Heute Abend?“ Nico schüttelt den Kopf und will was sagen. Ich hebe den Finger, um ihm zu zeigen, dass er still sein soll. Zu meiner Überraschung sagt er wirklich nichts.
„Ja, heute. Was meinst du? Danach könnten wir was trinken gehen.“ „Vielen Dank für die Einladung, aber heute geht nicht. Ich hab schon was vor, aber ein andermal sehr gerne.“ „Oh, ich habe gedacht, du bist immer zu Hause?“ Ich muss lächeln. „Ja, aber mir ist bewusst geworden, dass das nicht so weitergehen kann. Ich sollte wieder vor die Tür gehen.“ „Braves Mädchen.“ Ich höre ein Lächeln in seiner Stimme. „Dann melde ich mich wieder, wenn das nächste Spiel in der Nähe ist.“ „Das klingt gut, ich warte auf deine Nachricht. Viel Erfolg heute und bis bald.“ „Bis bald, Mia.“ Ich lege auf.
Nico sieht mich fragend an. „Was ist?“ „Seit du mit ihm telefoniert hast, hast du ein dämliches Grinsen im Gesicht.“ „Ach was, das bildest du dir ein. Wie ist dieses Shirt?“ Ich halte ein schwarzes trägerloses Top hoch. „Das ist perfekt.“ Ich weiß nicht, was mit den anderen Shirts nicht stimmt und was nun der Unterschied ist, aber ich bin nun bereit, meinen Freunden gegenüberzutreten.
Unsere Lieblingsbar ist nicht weit von meiner Wohnung entfernt, wir können zu Fuß gehen. Langsam freue ich mich wirklich, meine Freunde wiederzusehen.
Dina und Sam sitzen bereits an unserem Stammtisch. Er ist etwas weiter hinten, rund, fast um den ganzen Tisch ist eine Bank zum Sitzen, vorne stehen noch zwei Stühle. Die Möbel der Bar sind alle aus dunklem Holz, wie auch der Tresen. Dieser befindet sich in der Mitte des Raums und ist, wie es der Name der Bar schon sagt, rund angerichtet.
Als Dina mich sieht, springt sie auf und umarmt mich stürmisch. Ich habe Tränen in den Augen. Ich kenne Dina schon mein ganzes Leben. Wir haben als Kinder in derselben Straße gewohnt. Sie ist zwar ein Jahr älter als ich, aber das hat nie einen Einfluss auf unsere Freundschaft gehabt.
Sie hat sich die Haare wieder dunkler getönt, sie sind nun fast schwarz, was aber ihre strahlend blauen Augen sehr betont. Weil wir etwa gleich groß sind und ungefähr dieselbe Figur haben, haben wir ab und an schon Kleider untereinander ausgetauscht, wie wir auch jedes Geheimnis miteinander teilen.
Ich habe anfangs meiner Trennung von Leo sogar ein paar Nächte bei ihr geschlafen, bevor ich zu meinen Eltern zog. Ich hatte noch die Hoffnung, dass sich Leo anders entscheiden würde.
„Ich hab dich so vermisst! Wie geht es dir?“ „Ganz gut, schätze ich, und dir?“ „Mir geht es gut, danke. Ich muss dir später dringend etwas erzählen.“ Sie zwinkert mir zu und setzt sich wieder. Sie hat dadurch meine Neugierde geweckt. Was kann sie nicht vor den anderen erzählen? Ich weiß aber, dass jetzt nichts aus ihr herauszukriegen ist. Deshalb begrüße ich Sam, ihren Freund, und setze mich auch an den Tisch.
Carter, der Barmann, bringt uns unser Bier. Ich liebe es, hier hineinzuspazieren und bedient zu werden, ohne etwas bestellen zu müssen.
„Mia, erzähl mal, wie ist der neue Job?“ Also fange ich an davon zu erzählen.
Irgendwann kommt dann noch unsere kleine Jule. „Sorry für die Verspätung. Hab die Zeit vergessen.“ Jule hilft oft ihren Eltern. Sie haben eine kleine Familienschreinerei. Meistens hilft sie am Wochenende ihrer Mutter mit den Büroarbeiten. Ich vermute, das ist der Grund ihrer Verspätung. Sie umarmt uns alle schnell und ihr Getränk wird schon gebracht.
Jule hat ihr Haar geschnitten. Es reicht ihr nun bis zu den Schultern. Außerdem ist es durch die Sonne noch heller geworden, es wirkt nun fast weiß. Die Frisur ist erfrischend.
Wir unterhalten uns weiter. Es ist richtig schön, hier zu sitzen. Mir war gar nicht bewusst, wie sehr mir das gefehlt hat. Wie konnte ich nur so doof sein, so lange allein in meiner Wohnung zu sitzen!
„Ich geh kurz zur Toilette.“ Ich stehe auf und Dina kommt gleich mit.
„Ich glaube, Sam macht mir bald einen Antrag.“ „Wie kommst du darauf?“, frage ich verwundert. Na ja, ich habe eine Menge verpasst, vielleicht kommt das ja gar nicht so plötzlich, wie ich denke.
„Er ist in letzter Zeit ein bisschen geheimnisvoll und nächsten Monat sind wir seit fünf Jahren ein Paar. Wir machen dann Urlaub auf Hawaii, aber mehr haben wir noch nicht geplant, was normalerweise nicht der Fall ist. Du kennst uns.“ „Hm, ich weiß nicht. Das sagt noch nicht viel aus.“ „Wenn ich ihn darauf anspreche, meint er immer, wir werden schon sehen oder das kommt schon alles in Ordnung.“ Ich weiß es wirklich nicht. Ich will sie nicht traurig machen, aber zu fest ermutigen kann ich sie auch nicht. Im Moment denke ich nicht an für immer und so weiter.
„Ich würde nicht zu viel hineininterpretieren, aber dass er der Frage immer ausweicht, ist schon seltsam. Aber falls es so weit ist, bin ich die erste, die davon erfährt.“ „Na klar, ich rufe dich gleich an.“ Wir lachen, als wir gemeinsam zurück zu unserem Tisch gehen.
Als mein Blick auf den Tisch fällt, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Dina folgt meinem Blick und wird wütend. Leo steht da und unterhält sich mit meinen Freunden. Es ist das erste Mal nach unserer Trennung, dass ich ihm begegne.
Klar, er ist früher auch ab und an dabei gewesen, trotzdem sind es meine Freunde.
Nico sieht auch nicht begeistert aus, aber er versucht sich zusammenzureißen. Das sehe ich ihm an. Am liebsten würde er ihn rausschmeissen.
„Möchtest du an die Bar?“ Ich atme einmal tief durch. Ich kann das, ich will hingehen und ihn, so gut es geht, ignorieren. „Nein, wir gehen hin und setzen uns. Wir wohnen in derselben Stadt, das musste irgendwann passieren.“ „Wenn es zu viel wird, hau ich ihm eine rein, du musst es nur sagen.“ Das bringt mich zum Lachen. „Ich glaube, Nico würde das schon hinkriegen.“ Kichernd gehen wir zu unserem Tisch.
„Mia, hallo.“ Er klingt überrascht. „Hallo“, antworte ich ein bisschen kalt. Ich sehe Nicos Mundwinkel zucken. Gut, dann habe ich den richtigen Ton getroffen.
Ich merke Leo sein Unbehagen an. Seine angespannte Haltung verrät ihn. Aber das ist mir egal. Er hat sich schließlich an unseren Tisch gestellt. Außerdem soll er verschwinden.
„Ich habe gerade zu den anderen gesagt, dass wir wieder einmal gemeinsam bowlen gehen sollten. Dann könnte ich euch Kim vorstellen.“ „Kein Interesse.“ „Wieso nicht?“ „Ich habe gesagt, ich habe kein Interesse.“ Ich sehe ihm in die Augen. Diese Augen. Shit. Ich muss stark bleiben.
Er sieht mich mitfühlend an. Das kann ich nicht gebrauchen, also sehe ich weg.
„Ich habe gedacht, wir können doch versuchen Freunde zu sein.“
Nico platzt der Kragen. „Leo, sie hat kein Interesse und wir auch nicht. Jetzt verschwinde in das Loch, aus dem du gekrochen bist und lass dich hier nicht wieder blicken!“ Nico ist ein Stück größer als Leo, aber Leo ist trainierter und wirkt auf manche ein bisschen furchteinflößend. Der Millimeterschnitt seiner dunklen Haare trägt nicht gerade dazu bei, freundlicher zu wirken. Aber eigentlich ist er ein total netter Typ.
Leo sieht mich hilfesuchend an. Ich sehe weg und nehme den letzten Schluck von meinem Bier.
„Mia?“ „Du hast Nico gehört.“ Das ist das Einzige, was ich dazu sage. Ich habe keine Lust mich mit ihm zu unterhalten, außerdem hat Nico recht.
„Ich dachte, wir wären Freunde.“ So lässt Leo uns zurück.
„Danke, Nico.“ „Kein Problem, das hätte jeder von uns gemacht.“ „Ich nicht. Ich habe immer noch ein bisschen Angst vor ihm.“ Wir sehen alle zu Jule und müssen lachen.
Und alle sind wieder gelassen, außer mir.
Nico kommt mit zu mir nach Hause, er will mich nicht allein lassen.
Im Bett sehe ich, wie jeden Abend, nochmals auf mein Handy.
Wir haben gewonnen, du hast ein großartiges Spiel verpasst! :-) Wie war dein Abend? – C
Ich tippe schnell eine Antwort, bevor Nico mir das Handy aus der Hand reißt. So macht er es jedenfalls sonst immer. Er ist einfach zu neugierig.
Gratuliere, das nächste Mal bin ich dabei, versprochen. Mein Abend war super. Na ja, jedenfalls bis Leo gekommen ist. Aber Nico hat ihn verbannt. Ich habe meine Freunde wirklich vermisst! – M
Nico ist ein super Typ, das hätte ich für dich auch getan – C
Chris ist süß. Ich habe wirklich super Freunde. Wir sind füreinander da, in jeder Lebenssituation. Ich muss mich dringend bei allen richtig bedanken, dass sie mir beistehen.
Nico kommt in dem Moment zurück in mein Zimmer, als mein Handy auf dem Nachttisch vibriert.
„Oh, das sollte ich noch ausschalten.“ Nico ist schneller als ich. Er starrt auf den Bildschirm und sagt nichts. Was ist nun wieder?
Ich sehe ihn gespannt an. Er gibt es mir einfach, sehr untypisch für ihn. Aber als ich auf den Bildschirm sehe, wird mir klar wieso. Ich schaue verwirrt zu ihm.
Das mit heute Abend tut mir leid. Ich wollte dich nicht überrumpeln. Ich wollte nur unsere Freunde sehen. Apropos, Nico war ein Arsch! Wieso hast du nicht selbst mit mir gesprochen? Sonst lässt du auch niemanden für dich sprechen. Mia, ich wollte dich sehen. Ich vermisse dich – L
Ich sehe nochmals auf mein Display, dann wieder zu Nico. Ich weiß nicht, was ich tun oder fühlen soll, also stelle ich es aus und lege es wieder auf den Nachttisch.
„Schreibst du nicht zurück?“ „Was soll ich ihm denn schreiben?“ „Dass er ein Arsch ist und ich ein Held.“ Ich muss lächeln. Das ist echt süß. Dann schüttle ich den Kopf und lege mich hin.
„Was er geschrieben hat, stimmt schon. Ich hätte das nicht tun sollen. Es ist deine Entscheidung, aber irgendetwas an dir hat mir gesagt, dass du nicht mit ihm reden willst. Was ich natürlich vollkommen verstehen kann. Ich wollte nur, dass er dich in Ruhe lässt und verschwindet. Es tut mir leid.“ „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Das war genau richtig. Ich hätte das nicht gekonnt. Auch wenn ich möchte, dass er so fühlt, wie ich mich fühle, so schrecklich, allein und leer. Ich könnte ihm nicht wehtun. Ich hab auch nicht gewusst, was ich sagen sollte. Ich wollte ihn ignorieren, bis er weggeht. Du hast das Ganze beschleunigt, vielen Dank. Du bist ein großartiger Freund.“ Das meine ich wirklich ernst. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn tun würde.
Er drückt mich an sich, um mich zu trösten, denn ich habe wieder einmal angefangen zu weinen. So schlafe ich dann ein.
Am Sonntag gibt sich Nico alle Mühe, mich von meinem Handy abzulenken.
Wir gehen am Strand spazieren, trinken Kaffee von Starbucks und sprechen über alles Mögliche.
Er weiß nicht, dass ich keine Lust habe, Leo zu antworten, aber ich lasse ihn seinen Plan durchziehen. Es macht mir Spaß, lenkt mich wirklich ab und entspannt mich. Irgendwann können wir das Thema „Leo“ aber nicht mehr umgehen.
„Du musst ihm nicht zurückschreiben, wenn du nicht möchtest. Das weißt du, oder?“ „Ja, ich weiß. Ich weiß noch nicht, wie ich die Nachricht genau verstehen soll. Er wollte unsere Freunde sehen, nannte dich einen Arsch und vermisst mich. Das ist irgendwie zu viel.“ „Dass er uns sehen wollte, kann ich ein bisschen nachvollziehen. Er hat auch dazugehört. Außerdem haben Sam und er sich sehr gut verstanden. Sie stehen sogar noch in Kontakt. Dina findet das scheiße, aber ich habe ihr gesagt, dass du das vermutlich verstehen wirst, oder?“ „Na klar, nur weil wir uns getrennt haben, heißt das nicht, dass Sam ihn nicht sehen darf. Ihr sollt euch nicht zwischen uns entscheiden müssen.“ „Gut, das mit dem Arsch haben wir gestern schon geklärt und dass er dich vermisst, ist falsch. Er hat dich verlassen und ist mit Kim zusammen, oder wie dieses Flittchen heißt. Er darf so was nicht sagen. Also nimm es nicht zu ernst. Vielleicht haben sie sich gestritten und er wollte nur mit jemanden Vertrautem Zeit verbringen.“ Er zuckt mit den Schultern.
Das klingt logisch. Nico hat recht. „Ich schreibe ihm nicht zurück. Er hat sich danebenbenommen und soll mich in Ruhe lassen.“ „Das ist die richtige Einstellung.“
Wir bleiben noch ein bisschen am Strand, bevor Nico nach Hause muss, um sich für den morgigen Tag vorzubereiten. Seine Sommerferien sind vorbei, sein Studium geht weiter. Er studiert Wirtschaftswissenschaften im letzten Jahr.
Zu Hause angekommen, schreibe ich den anderen im Chat, dass ich sie für Samstag bei mir zum Essen einladen will. Danach sehe ich mir auf Netflix weiterDer Denver-Clanan. Ich mag Fallon, sie ist immer so stark. Irgendwann schlafe ich auf meinem Sofa ein.
Am nächsten Morgen gehe ich früher zur Arbeit. Mein Chef kommt heute aus dem Urlaub zurück und ich will einen guten Eindruck hinterlassen.
„Guten Morgen, Miss Williams. Schön, Sie wiederzusehen. Haben Sie sich gut eingelebt?“ „Guten Morgen, Mr. Jackson. Es freut mich auch, Sie wiederzusehen. Ja, ich denke schon. Hatten Sie einen schönen Urlaub?“ „Das freut mich zu hören. Ja, es war sehr schön. Ich besitze ein Haus auf Hawaii. Meine Kinder lieben den Strand dort.“ „Das hört sich toll an.“ „Das ist es. Nun, heute Morgen muss ich mich erst wieder einleben. Bitte stellen Sie keine Telefonate zu mir durch, es sei denn, sie kommen aus der Familie. Und dann würde ich gerne heute Nachmittag mit Ihnen zusammensitzen, damit wir unsere Zusammenarbeit planen können. Ich denke um dreizehn Uhr dreißig?“ „Das sollte passen, ich schaue im Terminkalender nach. Soll ich dies gleich eintragen?“ „Sehr gerne. Dann sehen wir uns später.“ Ich nicke und setze mich wieder an meinen Schreibtisch.
Im Moment teile ich mein Büro mit Emma, danach bin ich allein. Es liegt direkt vor dem von Mr. Jackson. Alle müssen durch mein Büro, wenn sie zu ihm wollen. Das wird mich nicht stören, denn ich sollte zu jederzeit informiert sein. Außerdem war das schon in der Anwaltskanzlei so.
Ich sende Mr. Jackson den Termin für heute Nachmittag und arbeite mich weiter durch die E-Mails.
Emma und ich holen uns am Mittag einen Salat und genießen die Mittagssonne im angrenzenden Park.
Ich finde Emma sehr nett. Es ist schade, dass sie uns verlässt. Wenn sie aber nicht gekündet hätte, hätte ich mich nie um diese Stelle bewerben können. Also musste es so kommen.
Um halb zwei klopfe ich an der Tür zu Mr. Jackson. Er ruft mich herein und deutet auf den Stuhl gegenüber von ihm. Ich lasse mich nieder und klappe meinen Laptop auf.
Wir schauen uns gemeinsam an, was sich Mr. Jackson von mir wünscht, welche E-Mail-Anfragen ich gleich ablehnen und welche ich, ohne groß zu lesen, weiterleiten kann. Außerdem ist Ende dieses Monats eine Reise nach New York geplant. Ich soll ihn begleiten. Mit Emma soll ich besprechen, was organisiert ist und was noch erledigt werden muss. Ich mache mir zu Allem Notizen, damit ich nichts vergesse.
Nach fast drei Stunden haben wir so weit alles besprochen.
„Ach, Miss Williams, wenn Ihnen etwas auffällt, das man besser oder schneller machen kann, lassen Sie es mich wissen.“ „Ja, das mache ich.“ Dann gehe ich an meinen Platz und bereite die Termine für unsere Wochensitzungen vor. Emma sende ich auch einen Termin, damit wir die Buchmesse am Ende des Monats besprechen können.
Nach Feierabend freue ich mich zu sehen, dass meine Freunde für Samstag zugestimmt haben. Weniger begeistert bin ich über Leo’s Nachricht.
Mia, es tut mir wirklich leid. Ich wollte dich nicht überrumpeln. Auch das mit Nico tut mir leid, ich weiß, er ist dir wichtig. Bitte melde dich – L
Nicht in hundert Jahren werde ich mich bei ihm melden.
Ich sitze in meinem Audi und rufe Nico auf der Rückfahrt an.
„Schon wieder? Weiß der auch, dass es mal genug ist?“ „Das habe ich mir auch gedacht. Ich ignoriere ihn einfach weiterhin, oder?“ Leos Nachrichten verunsichern mich und lösen ein komisches Gefühl in mir aus.
„Auf jeden Fall. Wir könnten am Samstag Sam darauf ansprechen und ihm dezent den Hinweis geben, dass er ihm sagt, er soll dich in Ruhe lassen.“ „Hm, ich weiß nicht. Er hat doch nur zweimal geschrieben.“ „Wir können das am Samstag noch besprechen. Brauchst du Hilfe beim Kochen?“ „Nico, du bist eingeladen als Dank für deine Hilfe in letzter Zeit, dann lass ich dich sicher nicht kochen.“ „Okay, aber den Wein darf ich mitbringen.“ „Na sicher.“ Nico, also eigentlich sein Vater, hat einen ausgezeichneten Weingeschmack, deshalb bringt bei unseren Treffen immer Nico den Wein mit. Ich kenne mich da zu wenig aus, also ist es mir auch recht, das nicht entscheiden zu müssen.
„Prinzessin, du weißt, ich spreche liebend gerne mit dir, aber ich muss lernen.“ „Der erste Tag ist gerade mal vorbei und du bist schon hinterher? Ist doch typisch für dich.“ „Haha, sehr witzig. Du weißt, dass es mein Abschlussjahr ist.“ Ich muss mir ein Lachen verkneifen.
„Ist schon okay. Ich bin gleich zu Hause. Ich glaube, ich werde noch eine Runde laufen gehen.“ „Mach das. Pass auf dich auf und melde dich kurz, wenn du wieder zu Hause bist.“ „Mach ich, bis dann.“
In dem Moment parke ich mit meinem Auto zu Hause. Ich gehe in meine Wohnung, ziehe mich um und gehe laufen. Dazu höre ich Musik, damit geht es besser. Der ganze Tag war so kopflastig, dass ich noch etwas für meinen Körper tun muss.
Nach rund einer Stunde bin ich wieder zu Hause. Meine Beine fühlen sich schwer an, aber ich fühle mich gut. Bevor ich unter die Dusche springe, melde ich mich kurz bei Nico, sonst wird er mir die Hölle heiß machen.
Nach der heißen, wohltuenden Dusche setze ich mich mit Stift und Papier aufs Sofa. Ich schalte den Fernseher ein, es läuft irgendeine CSI-Serie. Ich schaue nicht hin, da ich mir das Menü für Samstag überlege.
Vermutlich werde ich einen kleinen Salat mit Tomaten und Ei vorbereiten. Dann, habe ich mir gedacht, könnte ich eine Lasagne selbst machen. Das habe ich schon lange nicht mehr getan. Zum Dessert werde ich Schokoküchlein machen. Die sind schnell gebacken, denn mit der Lasagne werde ich schon genug zu tun haben.
Als ich alles aufgeschrieben habe, mache ich es mir bequem und schaue auf mein Handy.
Mia? – L
Uff, schon wieder. Langsam geht mir der Typ auf die Nerven. Wie konnte ich wochenlang um ihn heulen?
Vielleicht muss ich doch noch von Nicos Idee Gebrauch machen. Aber ich will die Woche abwarten.
Ich bin noch immer am Lernen, aber ich glaube, ich sollte langsam aufhören – N
Ach Nico, immer, wenn die Uni wieder losgeht, ist er fast ununterbrochen am Lernen. Dafür ist er ein guter Student, aber er vernachlässigt unter der Woche andere Dinge.
Du solltest dir den Stoff besser einteilen, nur lernen ist nicht gut für dich – M
Hallo, Mia, wie war dein Tag? Konntest du dich vom Schock vom Samstag erholen? – C
Dass Chris sich so um mich sorgt, finde ich schön, aber es verunsichert mich auch.
Ich kenne das so nicht von ihm. Als wir noch zusammengearbeitet haben, haben wir nur durch die Arbeit Kontakt gehabt, privat eigentlich nie. Aber wir arbeiten auch nicht mehr zusammen, vermutlich schreibt er mir deshalb mehr.
Hallo, Chris, mein Tag war sehr anstrengend. Ich habe heute eine lange Sitzung mit meinem neuen Chef gehabt. Der Job wird hart, aber ich mag Herausforderungen ;-) Wie war dein Tag? Richtig erholen konnte ich mich davon nicht, er schreibt mir andauernd, was mir langsam auf die Nerven geht – M
Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, endlich deine neue Wohnung zu sehen! Können wir irgendetwas mitbringen? – D
Ihr braucht nur Hunger und gute Laune mitzubringen, der Rest steht schon. Nico bringt den Wein mit, also überlegt euch, ob ihr nicht bei mir im Wohnzimmer schlafen möchtet ;-) – M
Mein Tag war auch anstrengend. Seit du dich bei uns verabschiedet hast, muss ich alles selbst erledigen, meine neue Assistentin ist bei weitem nicht so gut wie du. Ich habe gar nicht gewusst, dass ich dir so viel Arbeit gegeben habe :-/Soll ich mir Leo mal vorknöpfen? – C
So viel war das nicht. Ich konnte es mir anders einteilen als du. Nein, ist okay. Ich warte diese Woche ab. Falls er sich dann immer noch aufdrängt, sag ich ihm selbst die Meinung! Ich glaube, ich bin stark genug dafür – M
Das ist die richtige Einstellung – C
Hast du denn genug Platz im Wohnzimmer? – D
Na klar – M
Dann übernachten wir gerne bei dir. Ich freue mich auf Samstag – D
Ich freue mich auch, endlich wieder ein bisschen Normalität in meinem Leben.
Kapitel 3
Die Woche ist eher unspektakulär.
Leo hat versucht, mich ein paar Mal anzurufen. Ich habe es klingeln lassen oder ihn weggedrückt. Er sollte langsam merken, dass er mir auf die Nerven geht.
Am Donnerstag habe ich die Besprechung über die Buchmesse mit Emma.
„Also, Zimmer gibt es zwei, aber ich muss eines noch ummelden und einen Flug für mich muss ich noch buchen. Ist das alles?“ „Ja, das ist alles. Den Ablauf der Messe und die Reservierung für das Abendessen habe ich schon erledigt. Es steht alles hier drin. Schau es dir durch und wenn du noch Fragen hast, schauen wir es morgen gemeinsam an.“ Emma lächelt mir aufmunternd zu und gibt mir ihre Mappe.
Ich bin nervös. Das wird meine erste Geschäftsreise und ich weiß nicht genau, wie ich mich verhalten soll. Aber Emmas Lächeln gibt mir Mut.
Ich gehe an meinen Platz und schaue die Unterlagen durch.
Danach rufe ich im Hotel an, um die Änderung der Buchung durchzugeben, außerdem rufe ich noch bei der Fluggesellschaft an, um einen Flug zu buchen. Es klappt alles. Nun habe ich auch alles für die Wochensitzung am Freitagmorgen bereit.
Am Freitag um zehn Uhr zeige ich Mr. Jackson die Mappe mit allen Daten. „Das ist hervorragend. Das stimmt alles für mich. Am zweiten Abend werden wir getrennt zu Abend essen. Meine Frau wird dann auch in der Stadt sein. Ich werde erst am Sonntag nach Hause fliegen.“ „Ja, das hat Emma mir schon gesagt. Ich denke, ich werde im Hotel essen, da es für mich am Samstag sehr früh wieder zum Flughafen geht.“ „Sehr gut. Dann sind wir bereit für nächste Woche. Wir treffen uns dann hier um fünf Uhr und fahren gemeinsam zum Flughafen.“
Danach besprechen wir noch kurz ein paar Ereignisse der Woche.
Ich übergebe ihm noch das Abschiedsgeschenk für Emma. Heute nach der Arbeit ist ein kleiner Aperitif in der Bar gegenüber dem Büro angedacht. Anscheinend gehen sie dort oft nach der Arbeit etwas trinken, um das Wochenende einzuläuten.
Beim Aperitif lerne ich weitere Arbeitskollegen kennen. Es ist sehr schön, die Leute sind interessant und nett.
Irgendwann höre ich von der Vorderseite der Bar meinen Namen. „Mia, da ist jemand für dich!“ Ich schaue die anderen an, zucke mit den Schultern und entschuldigte mich.
Als ich vorne ankomme, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Leo ist hier. Wieso verdammt weiß er, wo ich bin?
Er grinst mich an. Er hat mich kalt erwischt. Hier kann ich keine Szene machen, also muss ich mir anhören, was er zu sagen hat. Dieser Arsch!
„Hi, Mia.“ Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Sein Schmunzeln bestätigt mir, das er es weiß, und dafür hasse ich ihn.
„Leo, was gibt’s?“ Ich versuche so kalt wie möglich zu klingen, damit er weiß, wie falsch es ist, mich hier aufzusuchen.
„Du reagierst nicht auf meine Nachrichten und Anrufe. Ich mache mir Sorgen.“ Das verärgert mich. Was fällt diesem Mistkerl eigentlich ein?
„Du hast nicht das Recht, dir Sorgen um mich zu machen. Du hast mich verlassen, mich allein gelassen, um bei diesem Flittchen zu sein.“ Nico wäre stolz auf mich. Leo hingegen ist überrascht und scheint leicht schockiert zu sein.
„Seit wann bist du so abweisend? Ich wollte mich für Samstag entschuldigen.“ „Gut, Entschuldigung angenommen und jetzt verschwinde, das ist ein Geschäftsanlass.“ „Na gut, aber wir sprechen uns noch. Ich rufe dich morgen an.“ Er will mich umarmen, ich drehe mich aber um und gehe so schnell ich kann zur Toilette. Es soll mich niemand weinen sehen, sonst halten mich noch alle für einen Jammerlappen.
Der Abend ist für mich gelaufen. Sobald ich mich beruhigt habe, verabschiede ich mich bei Emma und gehe nach Hause.
Nico will mich anrufen, aber ich bin nicht in der Stimmung mit ihm zu sprechen. Ich will einfach nur allein sein.
Ich schalte den Fernseher ein.A Star is bornläuft, ich muss die ganze Zeit heulen.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dasitze, aber irgendwann klingelt mein Telefon wieder.
Ohne auf den Bildschirm zu achten, nehme ich den Anruf entgegen. „Ja?“ Meine Stimme klingt heiser vom Weinen.
„Mia, alles in Ordnung?“ Chris! Innerlich verfluche ich mich, dass ich mich nicht darauf geachtet habe, wer mich anruft.
Er klingt besorgt. Eigentlich will ich mich zusammenreißen und so tun als wäre nichts, aber sobald ich zu einer Antwort ansetze, muss ich wieder weinen. Das Treffen mit Leo setzt mir mehr zu, als es sollte.
„Ich bin in einer halben Stunde bei dir.“ Er legt auf.
Das will ich nicht, aber ich bringe kein Wort heraus, um ihn aufzuhalten.
Genau eine halbe Stunde später klingelt es an der Tür. Bevor ich sie öffne, sehe ich in den Spiegel, der neben der Wohnungstür hängt.
Ich sehe beschissen aus, meine Augen sind vom Weinen rot und meine Haare stehen in alle Richtungen ab. Aber es ist zu spät. Chris steht schon vor meiner Tür. Ich öffne sie und trete zur Seite.
„Was ist passiert?“ Er nimmt mich in den Arm und ich muss schon wieder weinen. Was für eine Heulsuse ich auch bin!
Irgendwie schafft er es, uns ins Wohnzimmer zu dirigieren.
Plötzlich sitze ich auf seinem Schoß, in seinen Armen und weine. Er murmelt beruhigende Worte auf mich ein.
Als ich aufwache, ist es schon hell draußen. Ich schrecke auf und will auf die Uhr von meinem Handy schauen. Wo ist es denn?
Plötzlich fällt mir wieder ein, dass Chris gestern zu mir gekommen ist. Wir waren aber auf dem Sofa.
O nein! Ich hebe die Bettdecke, Gott sei Dank! Ich trage noch immer die Jogginghose und das Top von gestern. Na gut, so viel habe ich beim Aperitif auch nicht getrunken, dass ich mich daran nicht erinnern kann. Ich hole tief Luft und versuche die Ereignisse von gestern Abend zusammenzusetzen. Da höre ich Chris’ Stimme: „Ich kann dich verstehen. Aber sie schläft noch, sie hat eine harte Nacht hinter sich.“ Ruhe. Dann spricht er weiter: „Wo ich geschlafen habe? Auf dem Sofa natürlich, was hast du denn gedacht?“ Er lacht. Mit wem telefoniert er?
Ich stehe auf, blicke in den Spiegel und versuche mich einigermaßen herzurichten.
Ich ziehe ein frisches Shirt an, bevor ich ins Wohnzimmer gehe. Und tatsächlich, da liegen ein Kissen und eine Decke. Oh, Chris! Er steht am Fenster in kurzen Shorts, oben ohne.
Ich schlucke hart. Ich habe gar nicht gewusst, dass er so durchtrainiert ist. Klar sieht man ihm an, dass er sportlich ist. Aber so? Das kann nicht nur vom Basketball kommen.
Er dreht sich um. Ich hebe meinen Blick. „Ah, sie ist aufgestanden. Ich gebe sie dir. Hat mich gefreut, Nico.“ O nein. Ich schließe die Augen, bevor ich langsam das Handy entgegennehme.
„Hallo?“ „Was denkst du dir eigentlich?! Weißt du, was für Scheißsorgen ich mir gemacht habe? Mach das nie wieder!“ „Nico, es tut mir leid.“ „Was ist überhaupt passiert? Chris hat es nicht gewusst. Ach ja, er scheint nett zu sein.“ Ich muss lächeln.
„Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen.“ „Na gut, aber ich komme heute Nachmittag schon, dann wirst du es mir erzählen. Das schuldest du mir.“ „In Ordnung. Nico, sei mir bitte nicht böse.“ Mir kommen schon fast wieder die Tränen.
Er seufzt. „Natürlich nicht, Prinzessin. Hab dich lieb.“ „Ich dich auch.“ Ich blinzele ein paar Mal, damit mir die Tränen nicht runterkullern.
Chris ist sehr schnell bei mir, nimmt mir das Handy aus der Hand, legt es auf den Wohnzimmertisch und nimmt mich wieder in den Arm. Ich will nicht schon wieder heulen. Ich versuche stark zu sein. Ein paar Tränen befreien sich trotzdem aus meinen Augenwinkeln.
Nach ein paar Minuten setzen wir uns aufs Sofa. „Möchtest du was frühstücken?“ Ich lache auf. „Du bist der Gast und bewirtschaftest mich? Was musst du bloß von mir denken?“ „Ist schon in Ordnung. Dir geht es nicht gut, ich möchte dir helfen. Also, Frühstück?“ „Ich geh schon. Was willst du?“ Zum Glück war ich am Donnerstag einkaufen und habe genug zu essen zu Hause.
„Mir reicht ein Kaffee.“ Ich schaue ihn stirnrunzelnd an. „Nur ein Kaffee?“ Er zuckt mit den Schultern und nickt. Na dann.
In der Küche mache ich uns Kaffee und mir Toast mit Erdnussbutter. Chris sieht mir stumm zu. Ich weiß, dass er dringend wissen will, was geschehen ist, aber ich weiß nicht, ob ich stark genug bin, es ihm zu erzählen.
Als wir uns an den Tisch in der Küche setzen, Gott sei Dank hat er in der Zwischenzeit ein T-Shirt angezogen, halte ich die Stille nicht mehr aus. „Na gut, ich erzähle es dir. Aber wenn ich anfange zu heulen, hör ich auf.“ Er schmunzelt mich über seine Tasse hinweg an und bedeutet mir mit der Hand fortzufahren. Ich hole tief Luft und erzähle ihm, was am Vorabend geschehen ist.
Gegen Ende meiner Erzählung sehe ich, dass Chris wütend wird.
„So ein rücksichtsloser Arsch! Nun kann ich deine Verfassung von gestern verstehen. Aber wieso hast du nicht angerufen?“ Chris runzelt die Stirn. „Du hast mich am Telefon gehabt. Du weißt, dass ich kein Wort herausgebracht habe.“ „Das stimmt, dann schreib mir nächstes Mal, bitte, oder Nico.“ „Ja, ich weiß. Heute Nachmittag wird anstrengend.“ Ich seufze. „Das kann ich mir vorstellen.“ Chris schmunzelt.
„Als ich den Anruf von Nico entgegengenommen habe, was ich nur getan habe, weil er schon das zehnte Mal angerufen hat, hat er mich zuerst zur Schnecke gemacht. Er meinte, was ich mir erlauben würde, dich so zu beanspruchen, dass du dich nicht melden kannst. Außerdem hat er mir gedroht, falls ich dir wehtun würde, würde er mir wehtun.“ Ich kann nicht mehr still sein, ich muss einfach lachen. Nico übertreibt wieder einmal.
„Was ist so komisch?“ „Die ganze Situation. Mir geht es schrecklich und Nico hat gedacht, ich würde mit dem Nächstbesten ins Bett gehen.“ Chris sieht mir tief in die Augen, ich bin sofort still. Mir wird bewusst, was ich gesagt habe und beiße mir unsicher auf die Unterlippe. Chris starrt mich noch immer an. Wir sind Freunde. Solche Bemerkungen sollte ich mir in Zukunft besser verkneifen. Wieso sagt er nichts? Und weshalb wird mir heiß, wenn er mich so ansieht?
Plötzlich schüttelt er kaum merklich den Kopf, dann grinst er mich an.
„Was hast du ihm erzählt, dass er zu dieser Annahme gekommen ist?“ „Nichts. Also ich habe ihm vom Essen erzählt und dass wir Freunde sind.“ Ich zucke mit den Schultern. Er wirkt ein wenig gekränkt. Ist das nicht die Wahrheit?
„Gut, dann muss ich keine Angst vor ihm haben.“ Wir lachen beide, aber die Stimmung ist nun angespannter. Ein Knistern liegt in der Luft und in meinem Bauch kribbelt es leicht. Verdammt, wieso löst er solche Gefühle in mir aus?
Wir räumen gemeinsam den Tisch ab. „Falls ich dir bei Leo helfen kann, brauchst du es nur zu sagen.“ Ich seufze, was ich heute ziemlich oft tue, und will gerade zu einer Antwort ansetzen, als mein Telefon klingelt, schon wieder. Chris geht hin und sieht von einem Moment zum anderen sehr wütend aus. Er nimmt den Anruf entgegen. Was zum Teufel denkt er, wer er ist? Ich stehe gleich neben ihm und kann mich selbst mit meinen Freunden unterhalten. Das Kribbeln ist weg, leichte Wut steigt in mir auf.
„Hier ist nicht Mia.“ Stille.
„Es spielt keine Rolle, wer ich bin. Ich rate dir einfach, Mia in Ruhe zu lassen, sonst wirst du mich schon noch kennenlernen.“ O nein, Leo ist am Telefon. Ich kann hören, dass er laut wird, verstehe aber nicht, was er sagt. Ich sehe Chris fragend an.
„Leo, ich meine es ernst. Lass sie in Ruhe.“ Er legt auf.
„Tut mir leid, das kommt nicht wieder vor. Aber es hat mich wütend gemacht, seinen Namen auf dem Display zu lesen. Du solltest seine Nummer sperren lassen.“ „Ist schon in Ordnung. Ich hätte ihn vermutlich einfach weggedrückt. Danke.“ Wieder klingelt mein Telefon. Mein Gott, was ist heute denn los?!
„Hallo, Dina, kann ich dich zurückrufen?“ „Oh, Chris ist noch da? Na, dann will ich nicht stören. Bis später.“ Ich höre ihr schmunzeln und verdrehe die Augen.
„Was ist?“ „Nichts, das war eine gute Freundin von mir. Anscheinend wissen alle, dass du hier übernachtet hast.“ Chris lacht. „Nico?“ Lachend stimme ich zu.
Es ist irgendwie befreiend, bei diesem Gefühlschaos nicht allein zu sein.
Kurz vor zwölf Uhr muss Chris los. Ich begleite ihn zur Tür.
„Vielen Dank für heute … und letzte Nacht. Ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte.“ „Das habe ich sehr gerne gemacht und bevor du dich wieder allein einschließt, melde dich bei mir.“ Er sieht mir tief in die Augen. In diesem Moment verändert sich etwas zwischen uns. Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendetwas ist anders. Ich vertraue ihm voll und ganz, ohne dass ich weiß, wieso.
Zum Abschied nimmt er mich in den Arm.
„Hab ich den Kuss schon verpasst?“ Nico. Ist ja klar, dass er sich nicht an unsere Abmachung hält und früher auftaucht.
Chris lächelt. „Hi, Nico, freut mich dich kennenzulernen.“ Sie schütteln sich die Hände. „Ebenfalls, Chris.“ Nico strahlt. Ich verdrehe die Augen und schüttle den Kopf.
„Ich melde mich bei dir, Mia.“ Chris dreht sich um und geht. Nico folgt mir in meine Wohnung und sieht mich erwartungsvoll an.
„Nein, wir haben uns nicht geküsst. Wir sind nur Freunde und nein, wir haben nicht im selben Bett geschlafen. Seine Sachen liegen noch auf dem Sofa.“ „Warum sagst du das mit einem bedauern in der Stimme?“ „Ach, komm schon Nico, das ist nicht wahr.“
Ich gehe ins Wohnzimmer, um Nicos prüfendem Blick auszuweichen. Bedauere ich wirklich, dass Chris im Wohnzimmer geschlafen hat?
Gedankenverloren beginne ich die Sachen, die Chris zum Schlafen gebraucht hat, wegzuräumen. Nico ist mir gefolgt und hilft mir schweigend.
Hi, D, können wir heute Abend sprechen? Chris ist erst jetzt gegangen und ich habe noch viel zu tun. Nico ist schon hier und wird mir wie immer im Weg stehen ;-) – M
„Wem schreibst du da? Chris?“ Er grinst. „Dina, sie hat vorher angerufen.“
Ich gehe in die Küche und wärme Spaghetti für uns auf.
Nico ist genauso still wie schon Chris am Morgen. Ich mag das nicht, aber ich weiß, sie wollen mich nicht drängen.
Nico schnappt sich seinen Teller, gibt mir einen Kuss auf die Wange und geht durch den Flur ins Wohnzimmer. Ich folge ihm mit meinem Teller.