Skizzen aus Californien und Südamerika. Der deutschen Auswanderer Fahrten und Schicksale - Friedrich Gerstäcker - E-Book

Skizzen aus Californien und Südamerika. Der deutschen Auswanderer Fahrten und Schicksale E-Book

Friedrich Gerstäcker

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Beschreibung

Friedrich Gerstäcker hat den Goldrausch in Kalifornien direkt erlebt und versucht, selbst Gold zu finden. Seine hier vereinigten Erzählungen basieren auf seinen eigenen Erlebnissen und zeichnen uns ein buntes, abenteuerliches Bild der Zeit. Im zweiten Teil schildert er das Schicksal deutscher Auswanderer, die in Nordamerika eine neue Heimat gründen wollen - dabei völlig ahnungslos sind und prompt auf Verbrecher hereinfallen, die zudem noch versuchen, zwei junge Mädchen zu entführen. Wie immer, lohnen sich gerade die Kurzgeschichten Gerstäckers, in denen es immer sehr spannend und abenteuerlich zugeht. Gerade der heutige Leser wird feststellen, dass die von ihm beschriebene Zeit deutlich von dem abweicht, was uns so mancher Film weiß machen will.

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FriedrichGerstäcker

Skizzen aus Californien

und Südamerika.

Gesammelte Erzählungen.

DerdeutschenAuswanderer

Fahrtenund Schicksale

Volks- und Familienausgabe. Band sechzehn

der Ausgabe Hermann Costenoble, Jena

Friedrich-Gerstäcker-Gesellschafte.V.,Braunschweig

Ungekürzte Ausgabe nach der von Friedrich Gerstäcker für die Gesammelten Schriften, H. Costenoble, Jena, eingerichteten Ausgabe „letzter Hand“. Herausgegeben von Thomas Ostwald für die Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V., Braunschweig

©2010, 2024 Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V., Braunschweig

und Edition Corsar, Braunschweig

Alle Rechte vorbehalten.

Eine Nacht am Mosquitogulch.

Erstdruck in: Sächs. Volkskalender auf das Jahr 1853. Hrsg. von G. Nieritz, G. Wigand 1852

„Sorgen? - bah, wer kennt hier Sorgen,

Goldgräber, ho!“

Goldgräber-Lied.

Weit im fernsten Osten der californischen Goldminen, das heißt so weit, als damals die kühnen Miner nach Osten vorgedrungen waren und Gold gefunden hatten, und gerade dort, wo sich die Wasser der südlichen Flüsse Macalome und Calaveres scheiden, läuft mitten durch die mit dem herrlichsten Baumwuchs bedeckten höchst romantischen Berge, dicht im schattigen Grün versteckt, ein kleiner Bergbach, der sich nur eine kurze Strecke weiter unterhalb, aber fast immer steil und schäumend, in den tief unten dahinbrausenden Südarm des Macalome ergießt, oder eigentlich hineinstürzt.

Diesen kleinen Creek oder Gulch (wie sich der kalifornische Name nach und nach durch allgemeinen Gebrauch gebildet, da Gulch eigentlich nur die Schlucht bedeutet, durch welche der Bach läuft) hatten die ersten Entdecker desselben, Deutsche, den Mosquitogulch genannt. In dem wildverwachsenen Dickicht, der den untern Theil des Gulchs füllte und meist aus einer Art wilder Kirschen und Haselbüsche bestand, hielten sich auch in der Sommerzeit eine ganz ansehnliche Menge dieser lieben Thierchen auf, und spornten die Arbeiter zu neuer Thätigkeit, wenn sie einmal kurze Zeit in dem kühlen Schatten der dort wirklich riesenhaften Cedern und Fichten ausruhen und Spitz/6/hacke und Schaufel, wie sie es nannten, wollten „kalt werden lassen". Es sind vortreffliche Aufseher, die Mosquitos. - Gar arg waren sie übrigens, beiläufig gesagt, bei alledem nicht. Die Leute, die den klaren, freundlichen Bach so nannten und ihm dadurch gewissermaßen einen schlechten Namen gaben, hatten nur noch keine Plätze gesehen, wo wirklich Mosquitos sind - sie waren noch nicht am Mississippi gewesen.

Etwa halbwegs also an dem Waldstrom, so weit vielleicht von seiner Quelle als seiner Mündung entfernt, und an dem Hang des Hügels, der an drei Seiten von tiefen Schluchten begrenzt wurde (im Norden von dem Mac Gualome selber, über den hin diese Abdachung eine wundervolle Fernsicht nach seinen nördlichen fichtenbewaldeten Ufern gestattete, während tief von unten herauf sein hohles Brausen, wie er über Felsblöcke und Baumstämme wegsprang, in das Ohr des Lauschenden tönte, - im Osten von einer kleinen, nicht so tiefen trockenen Schlucht, und im Westen von dem tief und scharf eingeschnittenen Mosquitogulch, nach dem ein schmaler Pfad etwa zweihundert Schritt lang steil hinabführte) - dort stand ein kleines Zeltlager oder Camp, wie es in der Minensprache genannt wurde. Die vier kleinen Zelte, drei weiße und ein blaues, waren dicht und heimlich unter wahrhaft großartige Fichten und niedere Eichbäume hineingeschmiegt, und zur Nachtzeit loderten mächtige Feuer in ihrer Mitte.

Diese vier Zelte wurden von eben so vielen „Compagnien" (wie die Zwei, Drei, Vier oder mehr, die zusammen arbeiten, genannt werden) bewohnt. Es waren dies, mit Ausnahme eines einzigen Amerikaners, lauter Deutsche, die meisten sogar mit den Bremer Schiffen Talisman und Reform von Deutschland, einzelne aber auch aus Australien und anderen Theilen der Erde hierher gekommen. Nach ächt californischer Wanderart hatten sie sich hier, meist zufällig, auf dem einsamen, aber reizend gelegenen Hügelrücken zusammengefunden.

Etwa hundert Schritt davon stand noch ein anderes Zelt, in welchem eine Compagnie englischer und irischer Miner hauste, und noch weiterhin lagerten ein Pole und ein Deutscher, beide von Texas herübergekommen, unter freiem Himmel. /7/ Die Regenzeit war noch nicht eingetreten, und die Nächte blieben fast immer sternenhell.

Hast Du, lieber Leser, Lust und nichts Besseres zu thun, so wollen wir einmal den heutigen Abend - es ist ein Sonntag - dort zubringen. Wir finden ein lustiges Völkchen, gute Gesellschaft und jedenfalls einen freundlichen Willkommen.

Es ist etwa vier Uhr Nachmittags und das Lager außergewöhnlich still; was mag aus all' den Menschen geworden sein, die es sonst so lebendig machen?

Ja, Freund, wir leben hier fünf englische Meilen von dem nächsten Store oder Provisionsladen entfernt, und da geht von jeder Compagnie wenigstens Einer (gewöhnlich aber auch Mehrere) Sonntags zu Esel, Maulthier oder Pferd - denn diese drei verschiedenen Beför-derungsmittel existiren hier sämmtlich - nach „Charles' Store". Dies ist ein in der ganzen Gegend wohlbekannter Platz, wo sich die Miner die nöthigen Provisionen an Mehl, Kartoffeln, Fleisch u.s.w. für die nächste Woche, und manchmal auch einen capitalen Rausch für den besondern Abend holten. Vor Dunkelwerden kommen dann diese meist sehr lustigen Leute selten wieder zurück, ja oft wird es zehn und elf Uhr, und wenn die Esel dann nicht klüger wären als - doch das ist vorgegriffen.

Eigentlich bewegte sich bis jetzt nur eine einzige Gestalt um die Zelte herum - ein Mann in einem rein gewaschenen, aber schon alten und oft ausgebesserten rothwollenen Hemd und grauleinenen Bein-kleidern, mit dunkelbraunem, lockigem Haar, kleinen, aber lebendigen Augen, und breiten, Arbeit gewohnten Händen, man könnte sagen Fäusten. - Er arbeitete mit einem Andern, Namens Panning, zusam-men. Panning war in Deutschland Kutscher bei einem Grafen „so und so" gewesen und nach Californien gekommen, sein Glück zu machen. Albert hatte einen Ochsenkarren über die Sierra Nevada für Onkel Sam getrieben - er erzählte gern von dieser Fahrt - später war er, glaub' ich, „freiwillig fortgegangen", wie es die Ausreißer dort gewöhnlich nannten, oder auch entlassen worden, kurz er befand sich hier oben am Mosquitogulch und „machte gut aus". - Lieber Leser, Du wirst Dich /8/ noch an viele solche Minenausdrücke gewöhnen müssen und darfst nicht jetzt schon den Kopf darüber schütteln.

Albert war eifrig beschäftigt, seine Matratzen und Decken, die den Tag über in der Sonne gelegen, wieder ins Zelt zu schaffen, die heute Morgen gewaschenen Kleidungsstücke von der zu diesem Zweck zwischen zwei jungen Eichen ausgespannten Leine zu nehmen, und nachher Holz für den Abend herbei zu schaffen. Er hatte den ganzen Tag schon genäht und ausgebessert, und war überhaupt ein ungemein fleißiger Mann und tüchtiger Arbeiter.

Panning und Albert besaßen gemeinschaftlich ein weißes Maulthier.

In dem blauen Zelte regte sich's auch. Der einsame Bewohner desselben, dessen Kleidern ein paar gute Faden grauer Zwirn eben auch keinen Schaden gethan haben würden, lag ziemlich faul auf seiner Decke vor dem Zelt und schaute in den grünen Baumwipfel hinauf. Das Zelt wurde von drei Deutschen, Renich, Hape und Müller - so wollen wir den Dritten nennen, denn mein eigener Name ist so verwünscht lang, - bewohnt1. - Renich und Hape waren nach dem Store - der Eine auf, der Andere neben Mosquito (wie wir den uns Dreien gehörigen Esel zu Ehren des Gulches tauften) gegangen, und Müller hätte allerdings immer aufstehen und ein Feuer anmachen können; denn wenn seine beiden Compagnons nach Hause kamen, waren sie hungrig und wollten etwas zu essen haben. Erstlich aber war nichts zu essen mehr da, denn die letzten vier Kartoffeln und zwei Zwiebeln - der ganze Rest der vorigen Wochenprovison, etwas fertig gebackenes Brod ausgenommen, hatte eben seine letzte Mittagsmahlzeit gemacht, und dann kannte er auch schon seine Pappenheimer. Die kamen so früh gar nicht, und hatten dann auch immer weit mehr Durst als Hunger. - Wo ein Brauhaus steht, kann kein Backhaus stehen, ist ein altes gutes Sprüchwort.

Vor dem großen Zelte fing eben der einzig Zurückgebliebene, „Försterling", an, Späne und Laub zusammen zu suchen, um das fast ganz niedergebrannte Feuer wieder aufzufrischen. Aber selbst hierbei schien Eigennutz die vor/9/herrschende Leidenschaft (wenn die ungeheure Ruhe, mit der er es that, Leidenschaft genannt werden konnte). Er hatte selber Hunger bekommen und auch einige kalte Kartoffeln von seinem ebenfalls sehr frugalen Mittagsessen übrig behalten, die er sich aufbraten wollte.

Dort hinter den riesigen Fichten und Cedernwipfeln ging jetzt die Sonne unter. Das war ein herrlicher Anblick, wie sie die breitmächtigen Hügelrücken da drüben über dem Fluß mit so zauberisch glühendem Licht übergoß, in dem dunkeln Nadelholz spielte und die Wipfel der stattlichsten Bäume, die je mein Auge gesehen, mit ihrem letzten Kuß berührte.

Eine heilige Stille lag auf dem Wald - nur leise, leise rauschte der leichte Abendwind in dem blitzendfunkelnden Laub. Wie ein feiner Duft zogen dünne luftige Nebelschatten über das ätherreine Firmament, und das dumpfe ferne Brausen des unten dahinschießenden Stromes, zu weit entfernt, um die süße Ruhe des Ganzen zu stören oder zu unterbrechen, tönte wie ferner Orgelklang in gewaltigen, tief in die Seele greifenden Accorden herauf.

„Na, Gott straf' mich, Müller, Sie möchten da wohl heute den ganzen Abend liegen bleiben?" platzte Försterling endlich heraus. - „Wollen Sie denn nicht dafür sorgen, daß Hape und Renich ein Feuer vorfinden?"

„Bah, die kommen noch lange nicht," sagte Müller ziemlich bestimmt, aber doch mit einiger moralischen Zerknirschung, denn sie konnten allerdings jeden Augenblick kommen. Er sprang auch in die Höhe, warf seine Decke an die linke Zeltseite und ging jetzt ernstlich daran, ebenfalls Holz herbei zu tragen, ehe es dunkel würde, und die sonst nöthigen Vorbereitungen zu treffen.

Albert hatte indessen sein Abendessen fertig - Albert und Panning theilten sich die Provision immer so ein, daß sie Sonntags auch noch etwas übrig behielten - und erwartete jetzt mit Ungeduld den gewöhnlich um die Zeit zurückkehrenden Compagnon.

„Auch nicht ein Tropfen Brandy in der Flasche," sagte Försterling endlich, als er mit der leeren Flasche aus dem Zelt kam und sie, wenngleich vergeblich, zuerst gegen das /10/ letzte Abendroth am Himmel, und dann, als ob er dem nicht glauben wollte, gegen das jetzt hell und licht auflackernde Feuer hielt - „haben S i e keinen mehr, Müller?" - „Nicht die Spur," lautete die wenig Trost bringende Antwort, „der Brandy hält sich hier nicht, Försterling, die Flaschen werden zu oft geschüttelt."

„Oh das Schütteln schadet ihm nichts," sagte Försterling, nahm die leere Flasche beim Hals und warf sie, so weit er konnte, in die trockene Schlucht hinab. Diese war schon ganz mit zerbrochenem Glase bestreut und wurde von den dort manchmal umherstreifenden Indianern auf das Sorgfältigste gemieden. „Das verwünschte Umdrehen, das auf den Kopf Halten kann der Brandy aber nicht vertragen. Ich wollte wirklich, Meier und Hammerschmidt kämen. Wo zum Henker die auch wieder so spät in der Nacht stecken!" - Eine halbe Stunde verging noch, ohne daß sich das Mindeste hören ließ. Es war indessen stockdunkel geworden und nicht einmal Mondschein, während der Platz, wo die Zurückkommenden mit den beladenen Thieren, etwa eine halbe Meile weiter aufwärts, durch den Gulch selber mußten, durch die dichten Büsche und mehr noch durch die überall dort gegrabenen Löcher im Dunkeln sehr bös zu passiren war.

Endlich horchte Försterling hoch auf.

„So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage -"

„In der allerschönsten Saufcompagnie!" - klang es klar und deutlich durch die Büsche.

„Ich bin liederlich, Du bist liederlich, sind wir nicht liederliche Leute?" sang eine kreuzfidele feine Stimme dazwischen.

„Das ist der liederliche Hammerstrick!" sagte Försterling kopfschüttelnd, „der bringt sich wieder einen famosen Rausch mit nach Haus."

„Ja, wenn er nur den Esel auch mit bringt," sagte Albert - „und Panning hör' ich noch gar nicht dabei."

„Bumsfallera, wir brauchen keinen König mehr - Bumsfallera, wir brauchen keinen mehr" - fiel eine andere, bis dahin noch nicht gehörte Stimme ein. /11/

„Das ist Haye," sagte Müller, „das wird ein fideler Abend werden."

„So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage!" tönte es wieder mit dem regelmäßig einfallenden Chor von „Bumsfallera" näher und näher, und während die helle Flamme, die durch rasch auf das Feuer geworfenes Reisig hoch aufloderte, mit einem lauten Hurrah von den Zurückkommenden begrüßt wurde, nahte der lang erwartete, höchst fidele Zug. - Voran kamen die Esel, Mosquito im Geschwindschritt, denn er wußte, daß er jetzt seine Last los wurde und Brod zu fressen erhielt - Hans, der andere Esel, kam etwas gemäßigter dahinter her, und danach das Pferd, ein gutmüthiges Thier - von Klaussen und Barkhorn gehalten. - Die Thiere bedurften auch keiner weiteren Leitung. Rasch auf dem schmalen Pfad daherschreitend, der sich bis dahin durch eine Art wilder Kaffeebüsche gezogen hatte und jetzt auf den offenen, freigebrannten Hang auslief, wußte jedes sein eigenes Zelt und suchte das auf, so schnell als möglich sich abladen zu lassen, und dann wieder für die ganze Woche Freiheit zu bekommen.

„So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage!" jubelte Meier.

„Ja, das wäre eine schöne Geschichte," meinte Försterling, „da könnten wir uns gratuliren."

„Aber wo ist denn Panning?" rief Albert in getäuschter Hoffnung. Das heißt er frug nach Panning, meinte aber das weiße Maulthier mit den Provisionen.

„Ist Panning noch nicht hier?" rief Haye lachend - „Donnerwetter, der ist ja mit uns weggeritten, d. h. zu Fuß gegangen, und war dicht hinter uns."

„Hatte er denn 'was?" frug Albert mit bezeichnender Handbewegung.

„Was?" lachte Haye - „Bumsfallera, wir brauchen keinen König mehr!"

Für den Augenblick schien eine allgemeine Verwirrung in dem kleinen Lager zu herrschen. Alles lief und schrie durcheinander, und die einzigen Vernünftigen schienen die Esel zu /12/ sein, die indessen regungslos und geduldig vor ihren resp. Zelten standen und der Abladung entgegen harrten. Während das ein Theil besorgte, brachte der andere das Feuer in Ordnung und Pfannen und Töpfe herbei. Nur Meier und Hammerschmidt fielen sich um den Hals, erklärten Beide, daß sie ganz gute Kerle wären und die anderen verdammten Lumpen alle mitsammen nichts taugten, und legten sich dann Beide in ihr Zelt auf die Decken, um vor dem Abendessen noch ein halbes Stündchen von den überstandenen „Strapazen" auszuruhen.

Albert erkundigte sich indessen vergebens nach Panning, „man wußte nicht, wohin er kam", und er setzte sich zuletzt hin, sein zubereitetes und fast eingekochtes Abendessen in aller Verzweiflung zu verzehren, als plötzlich mehrere Stimmen zugleich riefen:

„Da kommt Panning!" und auch wirklich wenigstens das Maulthier (oder der Maulesel wie die Thiere in Californien stets von den Deutschen geschimpft werden) in dem hellen Licht der Flammen zum Vorschein kam und auf sein ihm wohlbekanntes Zelt mit einem freudigen Wiehern zuschritt.

Das war der Esel, aber wo blieb Panning? - jedenfalls verschwunden, und da das einzige Wesen, was etwa darüber hätte Aufklärung geben können, das Maulthier selber, hartnäckig schwieg, ließ sich weiter nichts thun.

Mosquito hatte indessen seine Zeit ebenfalls vollkommen gut benutzt. Die Provisionen, die er mitgebracht, waren ihm abgenommen und lagen theils in, theils noch vor dem Zelt, und Mosquito bekam - seine gewöhnliche Belohnung nach jedem Sonntagsspaziergang - einen ganzen Schiffszwieback, den er augenblicklich verarbeitete und dann langsam um's Zelt ging, um sich seinen Kameraden anzuschließen. So wenigstens that er, Mosquito wußte aber recht gut, was er mitgebracht hatte, und dachte gar nicht daran, alle die noch dort umhergestreuten guten Sachen so, ohne wenigstens einen Versuch zu machen etwas mehr davon zu bekommen, im Stich zu lassen. Vor dem Zelt lag ein Sack mit getrockneten Aepfeln und Zwiebeln (man muß da immer, der stets fehlenden Säcke wegen, einzelne Gegenstände zusammenpacken, und /13/ getrocknete Aepfel und Zwiebeln lassen sich sehr gut wieder auseinander sortiren). Mosquito wußte das ebenfalls, und als seine Herren den Rücken drehten, brachte er seinen Kopf leise um die Zeltecke und in den Sack hinein, fraß die getrockneten Aepfel sauber zwischen den Zwiebeln heraus - denn Zwiebeln mochte er nicht - und verlor sich hierauf geräuschlos in den dunkeln Wald, ohne sich noch einmal im Licht blicken zu lassen.

Ueberall zischte und brodelte es jetzt auf den Feuern - die Einen kochten, die Anderen sangen, Keiner bekümmerte sich um den Nachbar, bis hie und da der Ruf: „Schaffen, schaffen", den die Leute noch mit von Bord ihrer Schiffe in die Berge gebracht hatten - Einzelne um die an mehreren Stellen etwas roh aufgeschlagenen Tische sammelte. Das Feuer wurde dann mit trockenem Holze versehen, einigermaßen gutes Licht zu geben, und die Mahlzeit ging vor sich.

Försterling hatte aber Mühe, seine Leute munter zu bringen.

„Hammerschmidt - Meier - steht auf, das Essen ist fertig!" - Hammerschmidt stieß einen unarticulirten Laut aus - Meier sagte gar nichts.

„Hammerstrick, verdammter, steh auf - zum Donnerwetter, wie lange soll ich Dich denn hier herumschütteln? das Essen ist fertig - nachher kannst Du Dich wieder hinlegen."

Hammerschmidt hob sich endlich in die Höhe und sah sich erstaunt um - er glaubte augenscheinlich, es wäre Morgen. „Schwere Noth!" sagte er mit seiner feinen Stimme - „es ist ja noch ganz dunkel - was fällt denn dem Landrath heute Morgen ein?" - Försterling hieß nämlich, noch vom Schiffe her, allgemein der Landrath.

Während die Anderen lachten, machte sich Försterling wieder an Meier.

„Meier - ich sage Dir's jetzt zum letzten Mal, wenn Du nun nicht gleich kommst, dann warten wir noch ein bischen - Meier!" und er schüttelte den Schläfer aus Leibeskräften.

„Du, Landrath," murmelte Meier, der der Stimme nach /14/ einen unbestimmten Begriff haben mochte, wer der ihn Weckende sei - „nimm Dich in Acht - gefährlich ist's, den Leu zu wecken."

„Ne," meinte der Landrath, einen neuen Versuch machend, ihn munter zu bekommen, „das kann ich eben nicht sagen, aber beschwerlich ist's."

Endlich waren Alle munter, und die Tischgespräche begannen, die sich meist auf die heute im „Store" erlebten Vorfälle bezogen. Besonders wurde Panning's Ausbleiben besprochen. Meier philosophirte. „Ja," sagte er, „das sind nun die Vergnügungen in Californien. Panning wird's wohl heute gerade so gegangen sein, wie mir's vor acht Tagen passirt ist. Da geht man Morgens nach dem „Store" und trinkt sein Gläschen, auch wohl zwei, und dann bekommt man Appetit, und nun geht's mit Champagner und Porter los. - Bis es Abend wird, kostet Einen die Geschichte seine dreißig Dollars bis zwei Unzen, und wenn man Morgens aufwacht, liegt man im Busch und weiß nicht, wo man ist, noch viel weniger, wie man dahin gekommen."

„Aber Hammerschmidt ging's doch vor vier Wochen noch besser," lachte Haye, „es thut mir nur leid, daß ich nicht malen kann; das müßte ein famoses Bild geben."

„Seid Ihr nur ruhig," sagte Hammerschmidt, mit vollen Backen ein delicates Beefsteak mit gebratenen Zwiebeln verarbeitend, „Ihr macht's alle miteinander nicht um ein Haar breit besser."

„Wie war denn die Sache?" frug Wohlgemuth, ein junger Mann, der zum „Prospectiren" vom Calaveres hier herüber gekommen war und ein wenig schwer hörte, indem er die Hand gegen das Ohr hielt.

„Ach, nun kommt nicht wieder mit der alten Geschichte," brummte Hammerschmidt.

„Heraus damit," rief aber Meier, „auf daß sie so einem jungen leichtsinnigen Menschen, wie Wohlgemuth ist, zum warnenden Beispiel diene."

„Oh, die Geschichte war einfach genug," erzählte Haye - „Hammerschmidt kam, seinen Esel vor sich hertreibend, von Charles' Store. - Natürlich war er wieder der Letzte, und /15/ auch halb im Dusel, aber doch immer noch so, daß er wenigstens den Pfad, oder vielmehr den Esel halten konnte, denn der blieb schon selber im richtigen Weg. Im Wald war es aber verwünscht dunkel, und etwa eine halbe Meile oder etwas mehr von Charles' Store liegt doch ein Baum quer über dem Weg, das heißt, er ist eigentlich vom Weg abgefallen, so daß die Wurzel gerade den Pfad ausfüllt. Der Esel ging nun natürlich um die Wurzel herum, bog in den Pfad wieder ein und kam zur richtigen Zeit nach Hause; Hammerschmidt aber, wie er an die Wurzel kam, glaubte, das wäre der Esel, und fing an drauflos zu keilen. „Komm, Hans - komm, mein Thier - fauler Satan! will Er die Nacht hier mitten im Wege stehen bleiben? - und nun setzte es wieder aus Leibeskräften Hiebe auf die elastischen Wurzeln des Baumes, die sich im Schlag etwa so anfühlten, wie eines geduldigen Esels Rücktheil. Trotz Hammerschmidt's jedenfalls gutgemeinten Ermunterungen, wollte der sonst so folgsame Esel heute aber nicht von der Stelle, und der Treiber, endlich noch mehr durch das Schlagen als alle vorhergegangenen „Schlucke" ermüdet, setzte sich neben sein vermeintliches Lastthier hin, um es erst ein wenig ausruhen zu lassen und dann einen zweiten Versuch zu machen. Als Hammerschmidt wieder erwachte, war es heller Tag, und er saß vor der Wurzel."

„Ihr wüßtet doch Alle nichts davon, wenn ich es Euch nicht selber erzählt hätte," rief Hammerschmidt, als die Anderen lachten.

„Und stand denn der Esel am nächsten Morgen noch da?" frug Wohlgemuth, der nur die Hälfte von der Geschichte gehört hatte.

„Na, nu bitt' ich aber zu grüßen!" rief Meier, und Hammerschmidt lachte jetzt auch mit. - Försterling hatte heut Abend noch Brod zu backen, und der Sauerteig stand schon eingeknetet; dort wurde also auch das größte Feuer angemacht, um die gehörige Gluth heraus zu bringen - da wir das Brod in offenen Bratpfannen aus Mangel an besserem Geschirr backen mußten - und dort ver/16/sammelte sich auch deshalb Abends das ganze kleine „Camp“ in allen seinen Schattirungen.

Wer Brod buk, übernahm zugleich die Verpflichtung, die ganze Gesellschaft mit Licht und Feuerung zu versehen, und da das gewöhnlich umging, das heißt so eingerichtet wurde, daß höchstens Zwei an einem Abend buken und während jeder Woche wenigstens zweimal gebacken werden mußte, so loderte auch jeden Abend wenigstens e i n tüchtiges Feuer, als Sammelplatz, in die Höhe und knisterte und spielte hoch oben in den Nadeln der Fichten und den in der Gluth wehenden Eichenzweigen.

Der Abend war übrigens noch nicht weit genug vorgerückt, um Alle auf einen Punkt zusammen zu ziehen, und so bildeten sich auch die ver-schiedenartigsten Gruppen – größtentheils so placirt, daß sie die Front immer der hellen Flamme zukehrten.

Haye hatte jetzt, als er die mitgebrachten Sachen forträumen wollte, den Streich entdeckt, den uns Mosquito gespielt, und wollte den Esel zur Rechenschaft ziehen; aber wo war Mosquito?

In allem Grimm ließ er sich jetzt nicht abhalten, die Provisionen erst nachzusehen, um erst heraus zu bekommen, was der Esel eigentlich Alles gefressen habe, zündete eins der mitgebrachten Lichter an und las den Speisezettel ab.

Es war für drei Personen auf die Woche bestimmt. – 20 Pfd. Mehl 4 Dollars 25 Cents, ist noch da. – 3 Pfd Zucker 1 Dl. 50 Cts, hinten in dem Paket. – 1 Pfd. Kaffee 75 Cts. – hier – da steckt der Käse mit dabei. – 2 ½ Pfd. Käse 2 Dls. 93 ¾ Cts. Donnerwetter, das ist ganz genau berechnet! 6 ½ Pfd. gesalz. Schweinfl. 2 Dls. 43 Cts., das steckt mit im Sack bei den Kartoffeln – hier. – 10 Pfd. Kartoffeln à 25 Cts. 2 Dls. 50 Cts. – 4 Pfd. getrocknete Aepfle 2 Dls. 50 Cts. – laufen jetzt da unten irgendwo im Gulch herum – es ist nur ein Glück, daß der Satan die Zwiebeln nicht mag. 4 Pfd. Bohnen 2 Dls. 25 Cts. Hier. – 2 Päckchen Streichhölzer 25 Cts. – Na, das ist gescheidt, die haben wir lange brauchen können! – 2 Pfd. Seife 1 Dl. 25 Cts. – ½ Pfd. Lichter 1 Dl. 25 Cts, sind nicht da – ja wohl - /17/ müssen da sein, die stecken mit beim Mehl drin. Na, da werden sie auch gut aussehen – ach, die brennen doch! – 4 Pfd. Schiffszwieback 1 Dl. – Aepfel frißt der Racker lieber – hier. 2 Pfd. Zwiebeln 2 Dls. – stecken bei den Aepfeln – ne, Gott sei Dank nicht – hier. – 18 Pfd. frisch Fleisch 5 Dls. 50 Cts., hängt hieroben im Sack – wir hätten lieber die Aepfel aufhängen und das Fleisch liegen lassen sollen. – 3 Flaschen Brandy 4 Dls. 50 Cts. Ah! – wieder der alte wackere Stoff Nr. 1792, was für eine solide Nummer das ist. – Das macht zusammen –

„Na, nun hört einmal mit Eurer langweiligen Rechnerei da auf!“ rief Meier, „kommt hier mit her. Heute ist Sonntag Abend, und der Teufel hole die Calculationen! – Du, Landrath, was ist das nur für ein lumpiges Feuer, und soll ein Mensch dabei sehen?“

Meier war an und für sich eine Hauptpersönlichkeit, ja früher schon hier im deutschen Camp zum Alcalden ernannt worden, um alle vorkommenden Streitigkeiten, die aber nicht selten von ihm selber ausgingen, zu schlichten. Er trug einen Strohhut mit schmalem Rand, von welchen Dimensionen ließ sich aber nicht gut erkennen, da er oben im Deckel auf eine mehr gewaltthätige als künstliche Weise so eingedrückt war, daß sich der Deckel, wie eine Schnecke in ihr Haus, fast bis zu dem fabelhaft schmalen Rand niedergezogen hatte und rings herum eine tiefe Falte legte.

Seine Sonntagskleider waren nach Minengebrauch einfach, aber stark und reinlich – die Wochen- oder Arbeitskleider hätten dagegen auf jeder Maskerade Furore gemacht. Das erste Paar Hosen, was er bei der allerdings sehr schweren Arbeit im Gulch getragen, war, wenn auch nicht den Weg alles Fleisches, doch jedenfalls den aller Hosen gegangen, und um nicht der Arbeit einer überdies schwerlich vorhaltenden Reparatur ausgesetzt zu sein, hatte er ein Paar andere, die nicht eben an denselben Stellen zerrissen waren als die ersten, darüber gezogen. Nur an einigen Stellen correspondirten sie mit einander, und da schaute dann das neugierige Fleisch allerdings jhier und da hervor. Morgens und Abends trug /18/ er einen weiten Ueberzieher, der aussah, wie ein heruntergekommener gebildeter Mensch in liederlicher, gemeiner Gesellschaft - der Schnitt war gut daran, weiter ließ sich aber auch nichts darüber sagen, denn Farbe wie Stoff gehörten einem so vergangenen Zeitalter an, daß beide gewissermaßen in einander verschwammen.

Schuhe hatte er allerdings, diese waren auch früher einmal genäht gewesen, wenigstens ließen sich noch überall in den Nähten die Fäden und die Löcher erkennen, welche die Ahle des Schusters daran hervorgebracht, jetzt hingen sie aber freilich nur noch durch Bindfaden zusammen, und um die Sohlen vielleicht zu schonen, ging er neben denselben her.

Es ist das übrigens das sicherste Zeichen eines Miners - den rechten Schuh oder Stiefel schief getreten zu haben, was von dem Abstechen mit dem Spaten oder der Schaufel herrührt. - Am Hut trug Meier noch, als Verzierung, eine alte bronzene Broche, mit vier oder fünf nachgemachten und theilweise eingedrückten Perlen besetzt.

Die Miner machen darin überhaupt nicht selten Staat - des Landraths Hut glänzte besonders mit einer alten Straußfeder, die er Gott weiß wo aufgetrieben, und von einer Agraffe, aus einem kleinen Zinnspiegel und einer darumgewundenen Glasperlenschnur auf das Künstlichste gebildet. Wer solchen Putz nicht aufbringen konnte, trug wenigstens eine Broche an Mütze oder Hut.

In der Art, wie ich Meier's Tracht beschrieben habe, sahen die meisten Uebrigen, Panning, Albert und Hape vielleicht ausgenommen, ebenfalls aus - es war eine wilde Bande.

Meier schien indeß der Nerv, der dem Ganzen Leben gab, und wenn er sich besonders erst ein wenig „hineingearbeitet hatte", war an Schlafen nicht mehr zu denken. Fiel dann aber am Ende, wenn es Nachts zwölf und ein Uhr wurde, Einer nach dem Andern ab und ging, wie es hieß, zu Koje, so lag er nachher wohl noch zwei und drei Stunden allein am Feuer und sah in die Flammen.

„Nun, Landrath," sagte Meier zu diesem, als das Abendessen vorüber war und sich die Umlagernden ziemlich alle um /19/ das Feuer gesammelt hatten - „wie hast Du nun heute Deinen Tag hingebracht - heh? - geschlafen natürlich."

„Ne," sagte Försterling - seinem Geschäft nach ein Klempner, und sonst ein fideles Haus und eine gute Seele - „ich bin heute auf der Jagd gewesen." - „Mit der Büchsflinte?" - „Versteht sich, das ist ein famoses Gewehr - die Kugel schlägt sich ein bischen schwer hinein, aber sie kommt verdammt schnell wieder heraus - ein paar Mal ist sie mir von selber losgegangen."

„Aber der Schrotlauf taugt nichts," sagte Klaußen - „ich möchte das alte Ding nicht geschenkt haben." - Meier und Klaußen waren zusammen von Adelaide gekommen.

„Der Schrotlauf taugt nichts?" rief Försterling - „Du hast noch keine Flinte gesehen, Klaußen, die so schön den Hagel auseinander wirft wie die - wenn ich in einen Baum hineinschieße und eine gute Portion Hagel drin habe, da ist auch kein Blatt drinnen von oben bis unten, das nicht 'was abkriegt."

Der eine Amerikaner und Hape hatten sich indessen zum Feuer gesetzt und spielten eine Partie Sechsundsechzig. Der Pole und der Deutsche von Texas waren auch mit zum Feuer gekommen und lagerten Meier gerade gegenüber.

Der Pole, dessen Namen, glaub' ich, Keiner von Allen wußte, hieß immer nur der Pole (er sprach übrigens ganz gut Deutsch und war aus einer der deutsch-polnischen Provinzen, und zwar aus den untersten Klassen). Er hieß aber auch „der arme Mann", weil er fortwährend lamentirte und behauptete, was einmal ein „armer Mann" wäre, sollte es auch auf der Welt zu nichts bringen.

„Nun, Pole," rief ihm Hammerschmidt mit seiner feinen Stimme hinüber - „Ihr wart ja heute nicht in Charles' Store - ist's die letzte Woche wieder schlecht gegangen?"

„Ach, wie immer," brummte der Pole mit einem finstern, theilweise resignirten Gesicht - „Unsereiner gewöhnt sich schon daran. - Sechs und acht Fuß tiefe Löcher und nachher zwei oder drei Thaler drinnen - aber wer kann dafür - der liebe Gott will's nicht haben - Gott damn' it!"

/20/ „Haben denn die Amerikaner die Woche 'was gefunden?" frug ein Anderer.

„Ich weiß nicht - sie sind den Creek hinuntergegangen - da liegt aber nichts wie feines Gold. Ich glaube nicht, daß es lohnt!"

„Das laß gut sein," meinte der Landrath - „das ist jetzt die dritte Compagnie, die hinuntergeht, und die anderen beiden haben tüchtig ausgehalten; wenn die nicht Tagelohn machten, blieben sie nicht unten."

„Oben ist das Gold jedenfalls gröber," meinte Meier.

„So haben wir's allerdings bis jetzt gefunden, damit ist aber nicht gesagt, daß sich nicht auch grobes Gold nach unten verloren haben sollte - der Pole hat zum Beispiel jetzt jedenfalls einen guten Platz, denn er lamentirt in einem fort, und das ist immer ein sicheres Zeichen." - „Gott verdamm' mich, wenn ich das bischen Fressen dabei mache!" rief der Pole, der hoch aufgehorcht hatte, indem er mit der einen Hand in die andere schlug.

„Die zwei Engländer, die gerade unter dem umgefallenen Baum arbeiten, haben gestern ein herrliches Quarzstück gefunden," sagte der Deutsche aus Texas - „brauner Quarz, mit breiten Goldstreifen quer durch, ein Goldschmied hätte es nicht schöner machen können."

„Wie habt Ihr Beiden denn jetzt da unten ausgemacht, Klaußen - geht's besser?"

„Ach, es ist immer nichts - weiß der Henker, man kriegt's zuletzt ordentlich satt, immer ein Loch nach dem andern umsonst zu graben. Wir sind aber noch nicht ganz hinunter, und in der einen Ecke haben wir Felsen und auch etwas Gold gefunden."

„Was für Felsen habt Ihr?" frug Meier.

„Wunderliches Zeug - es sieht so natürlich wie grobes Salz aus, daß ich zuerst wahrhaftig dran leckte, um zu sehen, ob es nicht wirklich Salz wäre."

„Das sind gute Felsen!" rief Hammerschmidt - „dabei haben wir das schönste Gold gefunden; Ihr müßt nur ein bischen tief hineingehen und nicht blos an der Oberfläche kratzen." /21/

„Ja, aus den „Rocks" hier am Mosquitogulch soll der Teufel klug werden," brummte der Pole - „einmal liegt das Gold obendrauf, und wenn's tief hinunter geht, ist gar nichts - und ein andermal muß man die Felsen auseinander brechen, wenn man dazu kommen will."

„Merkwürdig ist es jedenfalls, wie das Gold hierher gekommen sein kann," sagte Klaußen; „hier bei diesem Gulch wird man besonders ganz irre, und es ist beinahe gar nicht anders möglich, als daß ein vulkanischer Ausbruch das geschmolzene Metall so wild umhergestreut hat."

„Sonderbar ist dabei," sagte Meier, „wie man einer solchen Eruption sogar zu folgen vermag, und gerade die Stellen, wo in den tiefen Löchern und Felsspalten kein Gold liegt, sind ein Beweis dafür, denn diese Stellen findet man jedesmal mit einer grauen, festen vulkanischen Asche ausgefüllt, so daß es ordentlich scheint, als ob zuerst diese Asche ausgeworfen und durch den Bergstrom hier heruntergeschwemmt, durch die Gewalt und Schwere des Wassers festgedrückt und dann später das Gold nachgefolgt wäre. Wo es aber hergekommen, möcht' ich wissen, denn bald glaubt man, die Ader sei von rechts, bald von links heruntergekommen, und nirgends liegen doch hier hohe vulkanische Berge."

„Ja, das möcht' ich auch wissen," sagte der Pole, „nachher brauchte man nicht mehr so viele Löcher umsonst zu graben. Aber das ist eben das Elend!"

„Wie nennen Sie denn diamond auf Deutsch?" frug der Amerikaner, der noch mit Hape im eifrigen Sechsundsechzigspiel begriffen war, diesen.

„Caro," lautete die Antwort.

„Ahem, und spade?"

„Pique."

„Hm," murmelte der Amerikaner, dem das nicht so recht einleuchten wollte, „die Deutschen sind doch curioses Volk - einen Spaten nennen sie nun gar eine Picke!"2 - Oh laßt Euer langweiliges Spiel da und kommt mit her /22/ in den Kreis!" rief jetzt Meier - „Du, Klaußen, sing uns einmal ein Lied - nachher kommt anderes Leben in die Sache."

„Ja, mir wär' gerade wie singen," brummte Klaußen - „mir ist den ganzen Abend schon schlecht zu Muthe gewesen - wenn mir's morgen nicht besser ist, nehme ich 'was ein."

„Du wirst wohl den Katzenjammer haben," sagte der Landrath.

„Schade, daß unser alter Doctor von zu Haus nicht hier ist," rief Meier, „der würde Dir das Einnehmen ersparen - der hatte ein famoses Mittel."

„Nun, er kann's Einem doch nicht aus dem Magen heraus magnetisiren," brummte Klaußen.

„Und doch so 'was," lachte Meier - „es war auch ein Doctor aus der guten alten Zeit, der weder seinen alten breit abgestutzten Frack, noch seinen Zopf ablegen wollte, und in der That war ihm der Zopf so nöthig wie seine rechte Hand, denn darin bestand gerade sein Universalmittel."

„Na, nu komm nicht wieder mit Deinen Flunkereien!" rief Hammerschmidt - „als ob er den Kranken den Zopf eingegeben hätte."

„Ruhig, Hammerstrick," sagte Meier - „knurre nicht, Pudel. Er gab ihnen allerdings den Zopf ein; denn wenn sich Jemand nicht wohl befand, anstatt wie unsere, jetzt in der Cultur wieder zurückgegangenen, Aerzte diesem ein Brechmittel einzugeben, steckte er ihnen nur den Zopf in den Hals. Ja, Ihr braucht gar nicht darüber zu lachen, das hatte er nicht einmal bei Allen nöthig, denn seine Methode war so bekannt geworden, und er konnte ja natürlich nur immer den einen Zopf verwenden, daß er vielen Patienten in vorkommenden Fällen nur blos den Zopf zu zeigen brauchte, um ganz genau dieselbe Wirkung wie bei der strengsten Anwendung zu erzwecken."

„War das der Doctor mit der platten Nase?" frug Klaußen, während die Anderen lachten.

„Ja wohl," sagte Meier - „das will nun Klaußen auch wieder nicht glauben - der kleine Kerl hatte eine so platte /23/ Nase, daß mir mein Onkel oft versichert, er hätte sich nie anders als mit einer Kneipzange schneuzen können."

„Ist der Esel da?" fragte in diesem Augenblick eine laute Stimme mitten in das Gelächter hinein - im Nu war Todtenstille, Alles schaute auf, aber im nächsten Augenblick brach es desto toller los, denn hinter dem Kreis, und ganz unbemerkt herangekommen, stand, etwas verstört aussehend und nun durch das furchtbare Hurrah ganz außer Fassung gebracht, Panning und sah Einen nach dem Andern verwundert an.

Es dauerte wohl eine Viertelstunde, ehe irgend Jemand zu Worte kommen konnte, um ihn des Maulthiers wegen zu beruhigen.

„Aber, Donnerwetter, Ihr sitzt hier so trocken!" rief Panning, als sich der Lärm nur erst einmal ein klein wenig gelegt hatte und Albert aufgestanden war, um dem Neugekommenen noch etwas Abendbrot zusammen zu suchen und Thee warm zu stellen - „kein Brandy mehr? - kein Grog?"

„Ich glaube, das ist der erste gescheidte Gedanke, den Panning heute gehabt hat," sagte Meier.

„Und wo kommst Du denn noch heut Abend her?" sagte Albert - „wer von Euch Beiden ist denn nun wieder einmal am gescheidtesten gewesen?"

„Jedenfalls der Esel, Albertchen," lachte Panning, heut Abend viel zu guter Laune, um irgend eines Wortes wegen zu streiten - „jedenfalls der Esel, da der immer zuerst kommt."

„Und wie steht's unten bei Charles aus?" frug Meier - „Alle noch fidel? Wir sind eigentlich heute zwei Stunden zu früh fortgegangen."

„Ja, ich wäre auch schon lange da," sagte Panning, „aber ich mußte auf das Fleisch warten; sie schlachteten erst noch einen Ochsen."

„Aber unser Fleisch lag ja schon auf dem Esel!" rief Albert dagegen.

„So?" lachte Panning mit einem verschmitzten Ausdruck, „siehst Du, Albertchen, da hat der Esel dann wieder Recht - aber auf das Schlachten hab' ich doch gewartet." /24/

„Ja, Panning ist ein tüchtiger Kerl," sagte Hammerschmidt - „der ist von klein auf in der Welt gewesen."

„Sei Du nur ruhig, Du liederlicher Hammerstrick Du," sagte Panning - „wenn ich 'was erzählen wollte -" - „Hallo, was giebt's da zu erzählen? heraus damit - heraus damit," schrieen fast Alle. - „Wenn Du das erzählst, komme ich auch mit dem heraus," sagte Hammerschmidt trotzig.

„Hurrah, da sind zwei Geschichten!" rief der Landrath - „heraus, Panning, herunter vom Herzen!" Die Beiden mußten jedoch einen zu festen Halt aneinander haben, und es wollte Keiner mit der Sprache heraus. Meier hatte aber indessen Wasser zum Feuer gesetzt, von verschiedenen Seiten wurden Brandyflaschen herbeigeschafft, und ein tüchtiger Grog gebraut. Das Erzählen, Lachen und Jubeln ging nun lauter und immer lauter durcheinander; Försterling war mit seinem Brodbacken ebenfalls fertig, und „Der Papst lebt herrlich in der Welt" - „Rinaldini, stolzer Räuber" und der „Prinz Eugen"3 waren schon in den stillen californischen Wald hinein geschrieen worden, als Meier zuletzt dazwischen rief:

„Halt - nun erst noch einmal trinken - Hammerschmidt, Donnerwetter, das ist mein Becher - und dann das Goldwäscherlied - aber singt auch den Rundreim kräftig mit" - und mit lauter, kecker Stimme setzte er ein:

„Mit der Schaufel, Pfann' und Hacke,

Goldgräber, hoh!

Und dabei noch Huckepacke

Immer nur so -

Eine Decke und zwei Hemden,

Zieh'n wir so froh

In die Berge, wir, die fremden Goldgräber, hoh!

Dort, wo zwischen Schlucht und Spalten,

Goldgräber, hoh!

Gnomen ihren Schatz gehalten,

Wüßten wir wo -

Hau'n wir ein und waschen, graben,

Lustig und froh,

Tief hinein - wir mnssen's haben;

Goldgräber, hohl

Sorgen? — bah, wer kennt hier Sorgen,

Goldgräber, hoh!

Sucht vielleicht das Glück uns morgen!

Was uns entfloh,

Soll uns nicht mit Sorgen quälen,

Lustig und froh

Sind wir immer die fidelen Goldgräber, hoh!

Spricht das Herz dann auch zuweilen,

Goldgräber, hoh!

Willst Du in der Fremde weilen,

Immer nur so?

Kannst Du hier so lustig graben,

Sorglos und froh?

Trauernd Lieb zu Hause haben?

Goldgräber, hoh!

Herz, was soll das Klagen nützen?

Goldgräber, hoh!

Kann nicht stets zu Hause sitzen,

Immer nur so.

Denn der Mann muß schaffen, wagen,

Muthig und froh,

Und im Sturm das Glück erjagen;

Goldgräber, hoh!

Doch wenn wir, das wirst Du loben,

Goldgräber, hoh!

Erst, Glückauf! den Schatz erhoben,

Hier oder wo,

Geht es heimwärts mit den vollen

Säcken, so froh;

Hurrah dann, die wackern, tollen

Goldgräber, hoh!"

Mit tüchtigem Nachdruck, der sich besonders bei den letzten Versen, wo sie die Melodie etwas wegbekamen, zu einem wahren Jubel steigerte, wurde der Chor abgesungen, und alle nur möglichen und unmöglichen Lieder kamen jetzt an die Reihe. Haye schrie sogar wieder „Bumsfallera" und Hammerschmidt „Ich bin liederlich", und von den benachbarten Hügelhängen hatten sich indessen auch schon die nächsten Engländer und Amerikaner herangezogen, um die Lieder mit anzuhören. /26/ Meier sang jetzt das Ständchen: „Ich will vor Deiner Thüre stehn"4, mit den dazu gehörigen Gesten, und zwar, statt unter der Geliebten Fenster, unter einem Eichbaum - Klaußen hatte sich ebenfalls „einen Kleinen" angetrunken und wurde harmonisch; Wohlgemuth nahm Albert in die eine Ecke und erzählte ihm eine entsetzlich lange Geschichte aus seinen Schuljahren, wo sie dem Lehrer einmal einen Knochen unter den Stuhl gelegt, und mit welcher Geistesgegenwart er sich damals aus der Affaire gezogen. Renich hatte sich an den Landrath gemacht, der aber unter der Zeit immer mit sang, und erzählte ihm aus der alten römischen Geschichte irgend einen an sich gewiß sehr wichtigen, für Försterling aber äußerst gleichgültigen Fall, den er nachher wieder mit der neueren Geschichte, von der sein immer daneben hinausschreiender Zuhörer nichts wissen wollte, in Verbindung brachte.

Indessen nahm Feuer und Grog ein Ende, Einer nach dem Andern drückte sich in sein Zelt - Renich wie Wohlgemuth hatten schon Beide ihre Zuhörer verloren, und Renich war ebenfalls zu Bett gegangen; noch aber blieb ein kleiner Rest beim Becher. Meier und Wohlgemuth hielten zusammen aus. Meier, weil er nie früher zu Bett ging, und Wohlgemuth, weil er noch das Bedürfniß fühlte, sich mitzutheilen.

Natürlich dauerte es keine Viertelstunde und die Beiden staken bis über die Ohren in Politik. Wohlgemuth war früher in den Vereinigten Staaten gewesen und vertheidigte den Vierzig-Acres-Grant - Meier dagegen schimpfte auf unsere deutschen Verhältnisse, und ob sie sich nun einander nicht verstanden, oder in diesen beiden Punkten gegenseitig genug Anhalt fanden, einander zu Leibe zu rücken, weiß ich nicht, aber sie wurden hitzig, und Haye guckte ein paar Mal aus dem Zelt hinaus, um zu sehen, ob sie sich nicht beim Kopfe hätten.

Da Wohlgemuth sehr schwer hörte, mußte Meier sehr schreien, und da Meier sehr schrie, konnte Wohlgemuth seine Argumente ebenfalls nicht mit leiser Stimme geltend machen. So entstand endlich allein zwischen den beiden Menschen ein solcher Skandal, daß hier und da die Schläfer wieder munter und murrende Stimmen laut wurden. Endlich konnte es Försterling nicht länger aushalten. /27/

„Zum Donnerwetter, Meier!" rief er zum Zelt hinaus - „Ihr habt ja Beide Recht, aber komm nun zu Bett."

„Halt's Maul, Landrath, das verstehst Du nicht," rief Meier in allem Eifer.

Wenn jedoch der Landrath die Unordnung nicht zu dämpfen verstand, so wußte er das mit dem Feuer desto geschickter anzufangen. Das war zu einem kleinen Punkt zusammengebrannt, um den sich die Debattirenden, da die Nacht hier oben sehr kühl war, dicht herangedrängt hatten, und dahinein wußte der Landrath den Eimer Wasser, den er selber am Abend zum morgenden Kaffee aus dem Bach heraufgeholt hatte, so geschickt zu opfern, daß im Nu auch keine Spur von einer glühenden Kohle mehr zu sehen war.

Die Beiden wollten sich nun dadurch allerdings nicht vertreiben lassen und setzten ihren Wortstreit im Dunkeln fort; aber der Animus fehlte, und eine halbe Stunde später war Alles, unter manchem leise gemurmelten „Gott sei Dank", todtenstill.

Nur die Cayotas - die kleinen Wölfe oder wilden Hunde - fingen an zu heulen, und hier und da schrie eine Eule ihr monotones Nachtlied darein. - Mit der nächsten Morgendämmerung kam aber auch wieder ein anderes, frisches Leben in die Schläfer. Die Einzelnen, welche die „Woche hatten", standen auf, bereiteten das Frühstück und weckten dann die Uebrigen, und eine Stunde später wanderten die verschiedenen Partien mit ihren Pfannen und Wassereimern den verschiedenen Stellen zu, an denen sie in dieser Woche ihr Glück versuchen wollten. - Gleich darauf fingen die Maschinen unten in der Schlucht an zu klappern, die Art räumte, Bäume und Wurzeln aus dem Wege, die Spitzhacke trieb mit kräftigen Schlägen in den harten Boden hinein, und das Arbeitsleben der Miner hatte wieder begonnen.

Ein Stiergefecht auf der Mission Dolores.

Erstabdruck: Illustrirtes Familienbuch zur Unterhaltung & Belehrung häuslicher Kreise Herausgegeben vom Oesterreichischen Lloyd. IV. Band.- Triest. Seiten. 91-96.

Auf der Mission war ein Fest. Von San-Francisco aus wateten Hunderte von Menschen durch den gelben Sand der „Missionsstraße" dem etwa drei englische Meilen entfernten Dolores entgegen, Hügel auf und ab keuchten sie die beschwerliche, ermüdende Bahn, und rasteten gewöhnlich erst auf dem letzten, mit Zwergeichen und Lorbeeren bewachsenen Hang, der einen freien Ueberblick über das kleine, vor ihnen ausgebreitete Thal gewährte.

Es war ein lebendiges Bild, dem selbst die nackten, den Hintergrund formenden Berge einen eigenthümlichen Zauber nicht nehmen konnten. Links weit hinaus dehnte sich die hier und da von niederem Weidicht begrenzte Missionsbucht der Bai von San-Francisco zu, deren schimmernder Wasserspiegel aus dem fahlen Grün der Hänge frisch hervorblitzte; rechts zog sich ein schmales, unbebautes Thal in die Hügel hinauf, an deren westlichem Fuß die Brandung des Stillen Meeres schäumte, und in der Mitte lag die kleine Gruppe Häuser, die ihren Namen dem alten, wettergrauen Gebäude verdankte, das die westlichste Flanke der Ansiedelung bildete.

Die Mission Dolores, in alten Zeiten durch die Jesuiten gegründet, zog zuerst die benachbarten Indianerstämme zu sich, die den Mönchen nicht allein ihr Gebäude aufrichten, sondern auch später ihr Feld bestellen und ihre Rinder hüten mußten - dafür wurden sie civilisirt. Nach und nach siedelten sich /29/ dann später Californier aus den südlicher gelegenen Städten oder aus Yerba buena5, dem jetzigen San-Francisco, dort an, und Straßen entstanden, über deren niedere Häuser hinweg das graue Dach des Missionsgebäudes noch immer hoch und düster hinüberschaute.

Da kam das Gold, und mit ihm, wie mit einem Zauberschlage, verwandelte sich das ganze Land; das Missionsgebäude wurde, wenigstens theilweise, zu Schenken benutzt, die Indianer zogen, von einzelnen Californiern geführt, und Christenthum wie Mission hinter sich lassend, in die Berge, und eine regsamere Bevölkerung, aus Deutschen, Amerikanern und Franzosen gemischt, fing an, die alten, halb verfallenen und theilweise verlassenen Gebäude zu bewohnen. Der Priester blieb allerdings noch in seiner Pfarre, aber die Mission selber bestand nur dem Namen nach, und wenn die kleinen Glocken Morgens angeschlagen wurden, um die fromme Schaar zum Gebet zu rufen, so waren es nur Wenige, sehr Wenige, die dem Rufe folgten. Selbst die Indianer kümmerten sich nicht mehr um den feierlichen Laut, der sie sonst in die Nähe des neuen Gottes gerufen - der eine Theil grub nach Gold in den fernen Bergen, und der kleine Theil der aus einem oder dem andern Grunde Zurückgebliebenen trieb sich um die Schenkstände der Europäer herum, um dem Feuergeist des Alkohols zu dienen und seine Adern dem betäubenden Gift zu öffnen.

Die vielen Schenkstände der Mission verlangten aber auch dann und wann eine Extra-Anregung, um ihren Besitzern in der Geschwindigkeit so viel Gold einzubringen, als diese in den Minen glaubten erwaschen zu können - denn war das nicht der Fall, so sahen ihre Besitzer gar nicht ein, weshalb sie nicht lieber in die Berge gingen, um gutes Gold zu graben, als hier im flachen Lande schlechten Branntwein auszuschenken. Zu diesem Zwecke genügten aber keineswegs die Indianer, die gar kein baar Geld hatten, und nur höchst unvollkommen die Bewohner der Mission selber, wie einzelne Besuche von San-Francisco. Es bedurfte eines stärkeren Reiz/30/mittels, als ihr Cognac, oder selbst die umliegende freundliche Gegend war, um ihnen Kunden in Masse zuzuführen, und zu diesem Zweck wurden Pferderennen und Fandangos, Wettspiele und Kämpfe, und Gott weiß was sonst noch für Festlichkeiten arrangirt, um den Schau- und Trinklustigen eine Veranlassung zu bieten, ihr Gold durch den Sandstaub heraus zu schaffen und gegen ein wildes, oft widerliches Schauspiel wie eine wüst durchschwelgte Nacht einzutauschen.

Ein Stierkampf war diesmal die Veranlassung, und die Arena eine im Mittelpunkt des Ortes errichtete starke Umzäunung, um die her eine Art von erhöhten Sitzen angebracht war, um den Entree Zahlenden doch einigermaßen Entschädigung für das gewöhnlich nur höchst mittelmäßige Schauspiel zu bieten. Die Wirthe der Mission schienen übrigens bewiesen zu haben, wie richtig sie ihre Nachbarschaft kannten, die wirklich nur immer auf eine Gelegenheit wartete, um ihr Geld, sei es für was es wolle, zum Fenster hinaus zu werfen. Schaaren von Menschen füllten die breiten Straßen des kleinen Orts, drängten um die Barriere und zankten um ihre Plätze, oder tummelten ihre Pferde vor dem Missionsgebäude, auf dessen Veranda die ganze schöne Welt versammelt schien und von wo manches dunkeläugige holde Mädchengesicht auf die kühnen Reiter hinüberblitzte.

Das wilde Publikum, Amerikaner und Mexikaner, Wilde und Weiße, bunt durcheinander, hatte indeß an Plätzen eingenommen, was eben zu erreichen war, und, theils eine nahe kleine Erhöhung des Bodens, theils die aufgerichteten Gestelle benutzend, den Platz umlagert, auf dem ihr Pfeifen und Trommeln, Stampfen und Schreien noch immer nicht die ersehnten Stiere und Kämpfer hervorrufen konnte.

Mehrere buntgekleidete, frech und ungeschickt genug aussehende Burschen, Mexikaner ihrem Aeußern nach, und Einer, ein Halbindianer, dem tiefe Blatternarben das ganze Gesicht entstellten, trieben sich indeß in der Arena umher, tanzten und sangen, und suchten durch Späße die Geduld des Publikums etwas länger hinzuhalten. Wenn ihnen das aber auch vielleicht bei dem spanischen Theil desselben gelungen wäre, der oft in ein lautes und rohes Gelächter bei den roheren Witzen /31/ ausbrach, half das nichts bei dem englischen oder amerikanischen, der das Spanische gar nicht verstand. Ja, diese wurden eher noch ärgerlicher, daß sich Andere amüsiren sollten, während sie ihr gutes Geld ebenfalls gezahlt hatten und nun nicht einmal herausbekommen konnten, weshalb das „Gesindel" lachte. Der Lärm wurde immer toller, und einige Amerikaner, halbtrunkene Seeleute, denen der Spaß zu lange währte, sprangen schon in die Arena hinunter, um thätigen Antheil an dem Singen und Springen der unten Befindlichen zu nehmen, das sie wenigstens ihrer eigenen Versicherung nach „all to smash" überbieten konnten, als plötzlich das enge, in den Kreis führende Thor aufgerissen wurde und ein brauner, zwar kleiner, aber doch muthiger Stier so urplötzlich zwischen die natürlich nicht wenig überraschten Seeleute hineinschoß, daß diese im ersten Augenblick rath- und thatlos dastanden und dem Thier, hätte es wirklich Böses im Schild geführt oder irgend einen Angriff beabsichtigt, leichte und nicht zu rettende Beute gewesen wären.

Der Jubel der Zuschauer bei diesem kleinen Intermezzo läßt sich gar nicht beschreiben. Von allen Seiten zugleich brach er los, war aber auch die einzige Rettung der bestürzten und unfreiwilligen Stierfechter, denn der eingelassene muthige Stier stand bei dem furchtbaren Lärm, der von allen Seiten einbrach, im ersten Moment wie verdutzt da und warf nur unwillig die Hörner bald da- bald dorthin, und riß den Boden auf mit den scharfen Hufen.

Der erste Schreck war vorüber, und die Matrosen flüchteten mit völlig abgekühltem Kampfesmuth und unter dem Lachen, Pfeifen und Zischen der Zuschauer so rasch sie konnten über die Fenz zurück. Daß sie das nach verschiedenen Seiten zu thaten, deckte zugleich ihren Rückzug, denn der Stier wurde sie gewahr und suchte sie noch zu erreichen, konnte aber nicht gleich eine Wahl zwischen den ihm von allen Enden verlockend genug zugedrehten Rücktheilen treffen, und bekam dadurch keins.

Jetzt aber sprangen auch die wirklichen Stierkämpfer aus einem eigens für sie gebauten Verschlag in den eingezäunten /32/ Raum und begannen das überdies schon gereizte Thier durch all' die schon tausendmal beschriebenen Arten und Weisen, mit Schwärmern und kleinen Speeren und Fahnen zu necken und zu peinigen. Aber sie hielten den zuletzt wüthend Gemachten nie Stand, bis das Publikum endlich in einem wahren Chaos der schauerlichsten Töne sein Mißfallen zu erkennen gab.

Der Stier wurde indessen durch Blutverlust und Hin- und Herhetzen so erschöpft, daß er den stets nutzlosen Anreizungen nicht mehr nachgeben wollte. Er wußte, die feige Schaar seiner Angreifer hielt ihm doch nicht Stand, und brüllend und den Boden scharrend, blieb er in der Mitte der Arena stehen und nahm geduldig einen ganzen Hagel kleiner Pfeile, Geschosse und Schwärmer hin, der von allen Seiten auf ihn einregnete.

Der Lärm und das Toben der unbefriedigten Zuschauer wuchs jetzt dermaßen, daß Einer der Leute dem Stier einen Lasso um die Hörner warf und ihn dem wieder geöffneten Eingang zuzog, durch den er mit ihm unter dem Pfeifen und Zischen der Versammelten verschwand.

Unter den Letzteren zeichnete sich besonders ein Indianer aus - ein schlanker, schöngewachsener Bursche, in der malerischen mexikanischen oder californischen Tracht, mit kurzer Jacke und an den Seiten offenen Hosen, einen breiträndigen, mit Wachstuch überzogenen Hut auf dem Kopf, der, eine volle Flasche in der linken Hand, eben auf eine der Bänke gesprungen war und die feigen „Matadoren" auf jede mögliche Art und Weise verhöhnte. „Caracho compañero!" schrie ihm endlich einer der von San-Francisco dazu herüber gekommenen Stierkämpfer trotzig zu - „mach's besser, wenn Du kannst, aber steh und brülle da nicht, als ob Du das Hirn verbrannt hättest an Deinem agua ardiente.6 Schreien kann Jeder," und in den Bart, als er sich wandte, murmelte er: „Rothe, verdammte Bestie, ich wollte, er spränge herunter zum nächsten Stier."

„Zeig' Du's ihnen einmal, Valentin, wie man's machen /33/ muß," wandten sich jetzt aber auch einzelne von den Einwohnern der Mission, die den Indianer und seinen tollen Muth kannten, an den Eingeborenen, der als der beste Reiter und Lassowerfer sich selbst unter den Californiern einen Ruf erworben hatte.

„Zeig' ich ihnen?" erwiderte der halbcivilisirte Indianer mit einem verächtlichen Lachen in ziemlich reinem, nur wenig gebrochenem Spanisch - „zeig' ich ihnen? und weshalb? - Mexikaner haben die Unzen - viel Unzen - Valentin hat nichts - zerreißt seine Kleider, zerbricht seine Flasche - bah, wofür? - Für weiße Männer über Valentin zu lachen - laß die Matadoren kämpfen."

„Aber sie können nicht!" antworteten ihm Stimmen von fünf, sechs verschiedenen Seiten.

„Bah, es sind Stierkämpfer und nehmen Geld dafür," lachte der Indianer, „und die Weißen kommen in Schaaren und werfen es ihnen in den Hut - Stierkämpfer, ha, ha, ha! caracho, sie wagen es nicht einmal, sich einem Kalb entgegen zu stellen - Valentin ist zu gut für sie."

Der Indianer warf den Kopf verächtlich zurück, und seine edle Gestalt hob sich in dem Selbstgefühl der eigenen Kraft und Geschicklichkeit. Da fiel sein Blick auf die Flasche, die er, in dem Unwillen über die hölzernen Stierkämpfer fast vergessen, noch in der Hand trug, und mit einem heisern, trimumphirenden Lachen den Hals derselben an seine Lippen bringend, sog er in gierigem Zug den heißen, scharfen Trank durch die Kehle.

Das Jubelgeschrei der Menge unterbrach ihn und wandte seine Aufmerksamkeit der Arena zu, in die jetzt, frei und ungehindert, ein kohlschwarzer wilder Stier getrieben und seinen Peinigern wieder übergeben wurde.

Der neue Stier war von ungemein starkem und kräftigem Wuchs und von trotzig finsterem Aussehen, was besonders durch die dichten und dunkeln Haarbüschel verstärkt wurde, die über seinen Augen standen. Er strafte denn sein Aussehen auch keineswegs Lügen, und den Sand über sich werfend, daß er wie eine dichte Wolke auf ihm lag, wühlte und stampfte /34/ er den Boden mit Nase, Horn und Vorderhuf, und suchte brüllend den ersten Feind, um seine Wuth an ihm auszulassen.

Auf einen Angriff sollte er auch nicht lange zu warten haben, denn zwei der mexikanischen Stierkämpfer in ihren kurzen bunten Jacken und Hosen sprangen gegen ihn an und suchten ihn irre zu machen und seine Wuth einer vom andern abzulenken. Wenn er aber auch im Anfang vielleicht eine halbe Minute zu zögern schien, welchen er zuerst annehmen solle, dauerte diese Ungewißheit doch nicht lange, denn er warf sich gleich darauf in blinder Wuth auf den ihm nächsten und trieb ihn wieder unter dem Hohngeschrei der Zuschauer auf und über die Fenz, während sich der andere, der jetzt wohl fürchten mochte, daß der ganze Zorn des Thieres gegen ihn allein gekehrt werden würde, langsam nach dem Eingang zurückzog, um dort überzuklettern.

War dies langsame Zurückziehen eine Art von Ehrgefühl gewesen, die ihn verhinderte, dem zum Kampf aufgerufenen Gegner ohne Weiteres wieder den Rücken zu drehen, so sollte das gar bald dem neuen Gefühl der Rettung Raum geben, denn das gereizte Thier sah, den Kopf wendend, kaum die langsam ihm ausweichende Gestalt, als es die Hörner niederbog, den Staub aufwühlte und mit kurzem Gebrüll und hoch und kampflustig gehobenem Schwanz in so tollem Anprall gegen den Flüchtigen losstürmte, daß dieser nicht einmal Zeit behielt, die Fenz zu erklettern, sondern nur eben noch rasch zur Seite sprang, um von den Hörnern des wüthenden Thieres nicht erfaßt und zerquetscht zu werden.

So gewaltig war aber die Kraft und Schwere gewesen, die der Stier in diesen Angriff gelegt, daß die starken Querhölzer der Fenz ihm nicht zu widerstehen vermochten. Wie morsche Bretter brachen sie zusammen, und wenige Minuten später stürmte das entfesselte freie Thier mitten in eine Schaar müßiger entsetzter Zuschauer hinein, die, sich eines solchen unerwarteten Angriffs nicht versehend, wie Spreu im Sturm auseinander stoben, und es wieder nur den verschiedenen Richtungen zu verdanken hatten, in denen sie abprallten, daß das wüthende Thier nicht einen von ihnen überholte und auf die Hörner faßte. /35/

Lautes Gelächter und ein Hohngeschrei der auf den erhöhten Plätzen sich sicher fühlenden Menge übertäubte im ersten Moment der Flucht jeden andern Laut. Nur Einer vielleicht von der ganzen Schaar stampfte in tollem Unmuth die Bretter und schrie sein verächtliches Caracho nieder auf die unten entsetzt stehenden Stierkämpfer, die jetzt, in ihrer bunten, wunderlich geschmückten Tracht und ohne den Stier, allerdings eine gar traurige Rolle spielten. Es war der Indianer.

Sein erstes Gefühl schien auch, von der Terrasse nieder zu springen und irgend einen, vielleicht sich nicht einmal recht bewußten, Theil an der unten vorgehenden Handlung zu nehmen, und in diesem Drang wollte er schon die Flasche von sich werfen, als ihn ein gewisser Instinct davon zurückhielt. Rasch und unentschlossen hob er sie gegen das Licht, und schaute sich wenige Secunden im Kreis um, als ob er Jemanden suche, dem er sie anvertrauen könne. Aber er fand Niemanden, denn die Gesichter waren ihm theils fremd, theils vielleicht nur zu gut bekannt. Da fiel sein Blick auf das flüchtige Thier, das eben an dem alten Missionsgebäude vorbeistürmte, den fernen Bergen zu, und im Nu hatte er die Flasche an den Lippen, goß sich den heißen Strom in die Kehle, bis ihm die Augen im Kopfe glühten, und sprang dann, die leere Flasche von sich werfend, mit einem Satz über das Gestell hinweg, das ihn vom Boden trennte. Zwei oder drei der dort Stehenden rannte er zu Boden, aber er sah es weder, noch hörte er die Flüche, die hinter ihm drein klangen, nur sein Pferd suchte das blitzende Auge. Dort an der Ecke stand es befestigt, und still wie ein Lamm in dem Lärm und Aufruhr, der es umgab; aber seines Herrn Hand lag auf seiner Mähne, und das kluge, schöne Thier spitzte die Ohren.

„Vamos, chiquito," lachte der Indianer, als er mit der linken Hand den Zaum von dem Kopf des Thieres streifte, es war ihm zu viel Mühe, den Zügel zu lösen und zurückzunehmen - „Vamos, mi bonito!" - und dahin flog das Roß, von dem Schenkeldruck des wilden Reiters gelenkt, wie der Pfeil von der Sehne. Schnaubend und wiehernd warf es den Staub hinter sich empor, und die einzelnen Gruppen /36/ Flüchtiger, die dem Stier eben ausgewichen, wußten kaum, wie sie den herandonnernden Hufen entgehen sollten. Aber im Nu war's vorbeigerast - des Indianers scharfer Blick entdeckte das flüchtige Thier, wie es eben den grünen Rasen berührte, der zwischen der Mission und den Küstenhügeln lag, und mit der Rechten den Lasso von seinem Sattel lösend, trieb er mit Zunge und Hacken das schäumende Roß zu immer wilderer Eile. Fünf oder sechs Reiter, die dort gerade in der Nachbarschaft gewesen, hatten schon versucht, dem Stier die Flucht abzuschneiden, der sumpfige Boden aber, über den er floh, hielt sie zurück, und sie kreuzten jetzt des Indianers Pfade, um an der Mission herum zu galoppiren und den Entsprungenen weiter oben einzuholen.

Der Indianer stieß einen wilden Jubelschrei aus und sprengte gerade auf die Kirchhofsmauer zu.

„Hierher, compañero!" rief ihm einer der Amerikaner zu; „Du kannst dort nicht hinüber!" Ein heiseres Lachen war Valentin's einzige Antwort, und mit einem Satz überflog der Rappe die Mauer und verschwand mit dem wilden Reiter im Innern des Kirchhofs.

„Damn' my soul!" fluchte der Amerikaner still in sich hinein und gab seinem Thier Sporn und Peitsche, rasch um die Mauer herum zu kommen. Aber Valentin war schon wieder draußen im Freien, und das wackere Roß, das er ritt, entdeckte kaum, jetzt dicht vor sich, den flüchtigen Stier, als es mit schnaubenden Nüstern ausgriff zum wohlbekannten Fang. Wenige Secunden später, und das Pferd war dicht hinter ihm, der Reiter aber, den Lasso in weiter Schwingung zwei- oder dreimal um den Kopf wirbelnd, bog sich vor, und die Schlinge zuckte aus seiner Hand. In dem Moment aber auch, und nur von dem Schenkeldruck des Eingeborenen berührt, warf sich das Pferd herum und stemmte sich mit dem ganzen Gewicht seines Körpers gegen den nur zu gut gekannten Wurf des Gefangenen. Der Stier that noch zwei Sprünge mit voller, zum Aeußersten getriebener Kraft, denn er fühlte die furchtbare Schlinge über sich, jetzt aber, in dem letzten Bereich dieses furchtbaren Taues, zog dieses an, und das gefangene Thier stürzte mit fast gebrochenem und nach rückwärts gerissenem Nacken dumpf blökend zur Erde nieder.

Jetzt erst kamen die anderen Reiter heran, und einer der Californier hob ebenfalls den Lasso, die Hörner des Gefangenen zu fassen, damit das Thier, desto sicherer zwischen beiden Reitern, gegen keinen den Angriff ausführen könne, ohne von dem andern zurückgehalten zu werden; Valentin aber, durch den Cognac schon vorher und die glückliche Jagd jetzt erregt, warf seinen Arm empor und winkte dem zweiten Reiter, den Stier in Ruhe zu lassen. Nur den Hals seines schnaubenden, zitternden Thieres klopfend, erwartete er mit triumphirendem Lächeln die nächste Bewegung des gefangenen, aber keineswegs gebändigten Feindes.

Jetzt sprang der Stier, der sich von der ersten Betäubung seines Sturzes erholt, empor, und dicht vor sich den Gegner erblickend, der es gewagt, ihm zu trotzen, legte er die Hörner ein und stürmte wild gegen ihn an. Das aber hatte der Indianer nur erwartet, und das Pferd mit der linken Hand, mit der er die Mähne desselben gefaßt hielt, leicht regierend, galoppirte er, den Lasso in seiner vollen Länge und mit dem immer wüthender werdenden Thiere Schritt haltend, vor ihm hin, der Arena wieder zu. Zweimal versuchte der Stier zur Seite auszubrechen, als er fand, daß er den flüchtigen Reiter nicht einholen konnte, immer aber riß ihn der Lasso wieder zurück in die halb freiwillige, halb gezwungene Bahn, und jeder Ruck reizte die Wuth des Gefangenen nur auf's Neue, und machte ihn der stets sicher geglaubten und stets wieder entgehenden Beute folgen.