Smart Innovation durch Natural Language Processing - Wilhelm Bauer - E-Book

Smart Innovation durch Natural Language Processing E-Book

Wilhelm Bauer

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Beschreibung

Unverzichtbar für alle, die menschliche und künstliche Intelligenz optimal kombinieren wollen

- Zeigt, wie KI eingesetzt und die Informationsflut bewältigt werden kann
- Stellt die technologische Entwicklung ins Zentrum der Innovationsentwicklung
- Navigiert durchs Dickicht der neuen Technologien
- Liefert eine konkrete Innovations- und Technologiestrategie

Zeiten, in denen ein Produkt für lange Zeit erfolgreich am Markt bestehen kann, sind längst vorbei. Immer kürzere Lebenszyklen von Produkten, ständig steigende Kundenanforderungen oder die hohe Unsicherheit des Marktes sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie überlebensnotwendig es für Unternehmen sein wird (und es auch bereits ist), die eigene Innovationsfähigkeit ins Zentrum der Unternehmenspolitik zu stellen und ständig zu verbessern. Gleichzeitig schreitet die technologische Entwicklung rasant voran, die Datenflut nimmt weiterhin extrem zu und für Unternehmen ist es schier unmöglich, hier noch den Überblick zu behalten.
Wie dieser Überblick erreicht werden kann, wohin die Reise geht, welche Konsequenzen, Entscheidungen sich daraus für die Unternehmensstrategie ableiten lassen, vermittelt nun dieses Praktikerwerk, ganz konkret und in die Praxis umsetzbar. Das Werk zeigt, wie mithilfe von KI aus Big Data Smart Data werden und systematisch eine eigene Innovations- und Technologiestrategie entwickelt werden kann. Es veranschaulicht, wie in Zukunft neue Technologien, neue Anwendungen und Experten identifiziert werden, stellt dar, dass der Weg klar hin geht von Einzeltechnologien zu Technologiesystemen, betont die zentrale Rolle von Patenten und vieles mehr. Dabei immer im Zentrum: konsequente Kundenorientierung!

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Seitenzahl: 467

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Wilhelm BauerJoachim Warschat

Smart Innovation durch Natural Language Processing

Mit Künstlicher Intelligenz die Wettbewerbsfähigkeit verbessern

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de/> abrufbar.

Print-ISBN   978-3-446-46262-5E-Book-ISBN   978-3-446-46606-7ePub-ISBN   978-3-446-46935-8

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Alle in diesem Buch enthaltenen Verfahren bzw. Daten wurden nach bestem Wissen dargestellt. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen.

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Die Rechte aller Grafiken und Bilder liegen bei den Autoren.

© 2021 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww.hanser-fachbuch.deLektorat: Lisa Hoffmann-BäumlHerstellung: Carolin BenedixCoverrealisation: Max KostopoulosTitelmotiv: © shutterstock.com/vs148

Vorwort

Künstliche Intelligenz (KI) ist überall. Keine Konferenz, keine Ausgabe eines Business-Journals, ohne dass die Bedeutung für Industrie und Gesellschaft hervorgehoben wird. Folgt man der allgemeinen Stimmung, ist KI die Zukunftstechnologie schlechthin. Die Prognosen sagen, dass jeder Bereich, ob Forschung, Produktentwicklung, Marketing oder Logistik, Produktion und Services aller Art, durch KI zunehmend beeinflusst wird. Domänen wie Medizin, Chemie, Biochemie, Rechtswissenschaften, das Patentwesen, der Finanzsektor profitieren ebenfalls in hohem Maße. Ein Thema innerhalb der KI hat sich dabei rasant entwickelt, das Natural Language Processing (NLP). Dabei geht es um das Verstehen von Sprache durch den Computer. So sind z. B. Alexa, die Spracherkennung und -erzeugung auf dem Smartphone von Google, Google Translate, Siri, Spam Checker etc. Produkte, die auf NLP basieren.

Weitere Aufgaben, die mit NLP gelöst werden können, sind Frage und Antwort (Q & A), der Benutzer fragt und der Computer gibt die richtige Antwort, ein Teilthema von NLP, bei dem NLP-Modelle besser sind als der Mensch. Außerdem die Textzusammenfassung (Summarizing) oder die Analyse von Aktienkursen, um Investitionsentscheidungen vorzubereiten. NLP treibt eCommerce voran durch bessere Suchresultate. Und wird bei der Flugzeugwartung eingesetzt zur Extraktion von gerade benötigter Information aus enorm umfangreichen Handbüchern, außerdem wertet NLP Problemreports (verbal, handgeschrieben) von Piloten und Wartungspersonal aus. Nicht zu vergessen die Hilfe für Menschen mit Sprach-, Hör- und Sehproblemen. Hierfür wurden Speech-to-Text- und Text-to-Speech-Tools entwickelt. NLP unterstützt das Finden von Argumentationsstrukturen in Texten wie Prämisse und Schlussfolgerung sowie die Beziehung zwischen Haupt- und Hilfsargument oder Haupt- und Gegenargument und bringt so Klarheit in kontroverse Diskussionen, wie sie in frühen Phasen einer Technologie geführt werden, wenn es noch kein „dominant design“ gibt oder wie bei Covid-19, wenn es noch kein endgültiges Modell gibt, sondern eine Vielzahl von Studien zu speziellen Fragestellungen.

Diese Beispiele und noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten zeigen die Innovationspotenziale von NLP. Und natürlich haben wir auch schon länger die Idee und Hoffnung, dass NLP ganz maßgeblich dazu beitragen kann, dass das Innovationsgeschehen auch in Unternehmen sich positiv entwicklen würde, wenn solche Technologien aus der Künstlichen Intelligenz (KI) für Innovationsprozesse zur Anwendung kommen können. Viele Fragen müssen dabei von den Entscheidern beantwortet werden: Wo bringen NLP-Lösungen das Unternehmen entscheidend voran? Ist das Unternehmen dabei gut aufgestellt? Haben wir genügend Know-how für die Entwicklung der Lösung? Beschleunigen externe Spezialisten das Projekt? Wie schütze ich die Daten, die ja die Grundlage von NLP sind? Welche finanziellen Ressourcen werden benötigt? Wie hoch ist das Risiko beim jeweiligen Projekt? Gibt es ähnliche Lösungen auf dem Markt oder OpenSource, die „nur“ angepasst werden müssen? Wie reagieren wir mit neuen Berufsbildern und Organisationen auf die Herausforderungen, die weiter zunehmen werden. Die Antworten darauf folgen keinem Patentrezept, sondern müssen jeweils firmenindividuell gefunden werden. Aber aus den beschriebenen Bausteinen des NLP lassen sich für die jeweiligen Fragestellungen Lösungen konfigurieren. Experten aus Wissenschaft und Praxis geben dazu Anregungen und Beispiele.

Das Buch richtet sich an alle Führungskräfte in der Wirtschaft und im öffentlichen Sektor, die sich mit dem Thema Innovation und Natural Language Processing vertraut machen wollen, seine Potenziale abschätzen möchten, Orientierung in einem zunehmend komplexer werdenden Wissensgebiet bekommen und dann umsetzen und weitergeben und kompetente Partner der Experten sein wollen. Das Thema ist zu wichtig, um es allein den Spezialisten zu überlassen.

Teil I umfasst folgende Themen:

       Innovation – der Motor der Wirtschaft

       Der Mensch im Innovationsprozess

       Technologie als Innovationstreiber

       Was will der Kunde?

       Die Datenflut

       Methoden der künstlichen Intelligenz

       Was ist künstliche Intelligenz?

       Drei grundlegende Aufgaben des maschinellen Lernens

       Sprache verstehen

       NLP und Deep Learning

       Neuronale Netze

       NLP-Aufgaben

       Symbolische KI-Systeme

       Hybride Systeme

       KI in der Praxis

In Teil II des Buchs werden folgende Fallstudien behandelt:

       Extraktion von Problemstellung und Lösung aus Patenten mit neuronalen Netzen

       Argumentationsunterstützung durch emergentes Wissen in der Medizin

       Funktionssemantische Repräsentation von 3D-Technologien für diagnostische Röntgensysteme

       Automatische Abschätzung von Technology und Market Readiness durch die READINESS-navigator AI

       Technologieermittlung und -umsetzung mit Crealytic bei einem mittelständischen Unternehmen

       Wissensbasierte Produktionsplanung

       Technologiefrühaufklärung mit statistischen Verfahren und neuronalen Netzen

Das Buch gibt Einblick in eine hochdynamische Technologie, die eine zentrale Stellung in der Digitalisierung hat, weil sie viele Geschäftsmodelle völlig verändern und unser berufliches wie privates Umfeld entscheidend beeinflussen wird. NLP hat echtes Disruptionspotenzial.

Zudem soll das Buch sachliche Orientierung in einem Gebiet geben, das häufig kontrovers und manchmal voreingenommen diskutiert wird. Es soll Anregung geben und unseren Blick schärfen für Chancen, die uns NLP bietet.

Das Buch ist so aufgebaut, dass es orientiert an den individuellen Interessen gelesen werden kann. Teil I macht mit den Grundlagen und den wichtigsten NLP-Modellen vertraut. Diese können punktuell gelesen werden, je nach Vorkenntnissen und Interessen. Die Fallstudien in Teil II können auch erst einmal „stand alone“ gelesen und dann durch Teil I vertieft werden.

In den Kapiteln sind zahlreiche Quellen angeführt, sodass der Leser jederzeit die Möglichkeit hat, sich mit einzelnen Aspekten des Natural Language Processing näher zu beschäftigen. Neben den Originalveröffentlichungen, die die algorithmischen Grundlagen beschreiben, sind viele Blogbeiträge berücksichtigt, um den Zugang zu den Themen zu erleichtern. Hier gibt es sehr anschauliche, gut verständliche Einführungen und Übersichten. Im Buch sind viele Begriffe englisch belassen und nicht übersetzt, um eine gewisse Anschlussfähigkeit zu den englischsprachigen Veröffentlichungen zu gewährleisten.

In Zeiten von Corona wird fast jedes Thema mit Covid-19 in Beziehung gesetzt, so auch NLP. Und in der Tat gibt es NLP-Lösungen, mit denen die große Zahl der Studien automatisch ausgewertet werden können. Das ist nicht Schwerpunkt dieses Buchs, aber es zeigt die Bedeutung und Universalität der Methoden.

Unser Dank gilt den Autoren, die ihr Wissen und ihre Erfahrung aus Forschung und Praxis in ihren Beiträgen zur Verfügung stellen. Besonderer Dank gilt Andreas Wierse von SICOS BW und Till Riedel vom Karlsruher Institut für Technologie für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die wertvollen Anregungen.

Monika Pfann danken wir für die Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts und Nam-Hee Ku für die Grafiken im ersten Teil sowie Frau Hoffmann-Bäuml und Frau Porcelli vom Hanser Verlag für die gute Zusammenarbeit.

Wir wünschen den Lesern viel Erfolg bei der Adaption und Umsetzung von KI und speziell beim Natural Language Processing in der Praxis.

Stuttgart, Herbst 2020

Wilhelm BauerJoachim Warschat

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Innovation – der Motor der Wirtschaft

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat

1.1 Wo stehen wir?

1.2 Wo gehen wir hin?

1.3 Der Aufbau des Buchs

2 Der Mensch im Innovationsprozess

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat, Antonino Ardilio

2.1 Crealytic

2.2 Kreativitäts- und Innovationsmethoden

3 Technologie als Innovationstreiber

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat, Antonino Ardilio

3.1 Technologien treiben Innovationen

3.2 In Funktionen denken

3.3 Technologiesysteme, vernetzte Funktionen

3.4 Welche Rolle spielen Leistungsparameter?

4 Was will der Kunde?

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat, Antonino Ardilio

4.1 Welche Funktionen sind dem Nutzer wichtig?

4.2 Was bieten die Technologien?

5 Die Datenflut

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat

5.1 Rasantes Wachstum des weltweiten Wissens

5.2 Visible und Invisible Web

5.3 Was sind verlässliche Quellen?

6 Methoden der Künstliche Intelligenz

Joachim Warschat, Matthias Hemmje, Michael Schmitz, Antonino Ardilio

6.1 Was ist Künstliche Intelligenz?

6.2 Drei grundlegende Aufgaben des maschinellen Lernens

6.2.1 Regression

6.2.2 Klassifikation

6.2.3 Clusteranalyse

6.3 Sprache verstehen (Natural Language Processing (NLP))

6.3.1 Textaufbereitung (Preprocessing)

6.3.2 Mit Worten rechnen – Vektorisierung von Texten

6.3.3 Generative und diskriminative Modelle am Beispiel Topic Modeling

6.4 NLP und Deep Learning

6.4.1 Lernformen

6.4.1.1 Überwachtes Lernen/Supervised Learning

6.4.1.2 Unüberwachtes Lernen/Unsupervised Learning

6.4.1.3 Teilüberwachtes Lernen/Semisupervised Learning

6.4.1.4 Selbstüberwachtes Lernen/Selfsupervised Learning

6.4.1.5 Lernen durch Belohnung/Reinforcement Learning

6.4.2 Bewertung der Prognosewerte

6.4.3 Statistische Methoden und neuronale Netze

6.4.3.1 Hidden-Markov-Modell (HMM)

6.4.3.2 Conditional Random Fields (CRF)

6.4.3.3 Random Forest

6.4.3.4 Multilayer Perceptron Netze (MLP)

6.4.3.5 Convolutional Neural Networks (CNN)

6.4.3.6 Recurrente Neuronale Netze (RNN)

6.4.3.7 Long Short-Term Memory (LSTM) und Gated Recurrent Unit (GRU)

6.4.3.8 Transformer

6.4.3.9 BERT und seine Verwandten

6.4.4 Arbeiten mit neuronalen Netzen

6.4.4.1 Hyperparameter

6.4.4.2 NLP-Tools

6.4.4.3 Hardware für NLP

6.4.5 NLP-Aufgaben

6.4.5.1 Named Entity Recognition (NER)

6.4.5.2 Sentiment-Analyse (Empfindungsanalyse)

6.4.5.3 Textzusammenfassung (Summarization)

6.4.5.4 Topic Modelling und Topic-Klassifikation

6.4.5.5 Frage & Antwort

6.4.5.6 Suchmaschine

6.5 Symbolische KI-Systeme

6.5.1 Semantik

6.5.2 Wissensrepräsentation

6.5.3 Tools für die wissensbasierte Modellierung

6.5.4 KI-Verfahren (symbolisch) zur Ermittlung von Technologien und Anwendungen

6.5.4.1 Funktionsbasierte Formulierung des Informationsbedarfs

6.5.4.2 Funktionsprofile

6.5.4.3 Automatisierte Ermittlung von Funktionsprofilen

6.5.4.4 Suche nach Technologienamen

6.6 Hybride Systeme (symbolisch & subsymbolisch)

7 KI in der Praxis

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat

7.1 KI-Projekte

7.2 KI im Unternehmen

8 Extraktion von Problemstellung und Lösung aus Patenten mit neuronalen Netzen

Lukas Heller, Joachim Warschat

8.1 Aufgabenstellung

8.2 Konzepte, Methoden und Modelle

8.2.1 Inventive Design Method

8.2.2 Neuronale Netze als NLP-Werkzeuge

8.2.3 Textvektorisierung

8.2.4 Convolutional Neural Networks

8.2.5 LSTM

8.2.6 Attention based neural Networks

8.3 Modellentwicklung

8.3.1 Datengrundlage

8.3.2 Netzstruktur

8.3.3 Optimierungsparameter und Trainingsdurchläufe

8.3.4 Referenzwert für die Ergebnisse

8.3.5 Ergebnis

8.4 Modellanwendung

8.4.1 Vergleich mit Expertenklassifizierung

8.4.2 Anwendung auf anderen Patentbereich

8.4.3 Vergleich der Modelle

8.4.4 Anwendung des Systems

8.4.4.1 Anwendung auf Beispielpatent

8.4.4.2 Prototyp eines Patentanalysetools

9 Argumentationsunterstützung durch emergentes Wissen in der Medizin

Christian Nawroth, Alexander Duttenhöfer, Matthias Hemmje

9.1 Einleitung und Definitionen

9.2 Vorstudien

9.3 Systemarchitektur

9.4 Konzeption des medizinischen Emerging Argument Extractor (medizinischer eAX)

9.5 Proof-of-Concept-System

9.6 Evaluation

9.7 Zusammenfassung und Ausblick

10 Funktionssemantische Repräsentation von 3D-Technologien für diagnostische Röntgensysteme

Stefan Trapp

10.1 Einleitung

10.2 3D-Szenen zur automatischen Positionierung diagnostischer Röntgensysteme

10.3 NLP für die Technologiefrühaufklärung

10.4 Technologiesuche als Named-Entity-Recognition-Aufgabe

10.5 Analyse der 3D-Technologie für Röntgensysteme

10.6 Funktionsanalyse

10.7 Ontologie zur Repräsentation der 3D-Technologie

10.8 Skizze einer Technologiesuche mit BERT Question Answering

10.9 Wahl der 3D-Sensor-Technologie

10.10 Fazit und Ausblick

11 Automatische Abschätzung von Technology und Market Readiness

Tobias Eljasik-Swoboda, Christian Rathgeber, Rainer Hasenauer

11.1 Einleitung

11.2 Triple Bottom Line

11.2.1 Was ist READINESS

11.2.2 Markt- und Technologiebereitschaft

11.2.3 AI-Bereitschaft

11.2.4 Der automatisierte Innovationscoach

11.3 Wie funktioniert die READINESSnavigator AI?

11.4 Wie gut funktioniert die READINESSnavigator AI?

11.5 Wie man AI dazu motiviert, besser zu funktionieren

11.6 Fazit

12 Technologieermittlung und -umsetzung mit Crealytic bei einem mittelständischen Unternehmen

Antonino Ardilio, Lukas Keicher

12.1 Unternehmen

12.2 Herausforderung

12.3 Ziel

12.4 Methodisches Vorgehen

12.4.1 Design-Thinking-Phase 1: Verstehen („gemeinsames Verständnis schaffen“)

12.4.2 Design-Thinking-Phase 2: Beobachten („Kundenbedürfnisse verstehen“)

12.4.3 Design-Thinking-Phase 3: Definieren („Genaue Beschreibung des Problems“)

12.4.4 Design-Thinking-Phase 4: Ideenfindung („Generierung von Lösungsideen“)

12.5 Technische Vorgehensweise

12.6 Ergebnis

13 Wissensbasierte Produktionsplanung für intelligente Produktionsumgebungen

Benjamin Gernhardt, Tobias Vogel, Matthias Hemmje

13.1 Ausgangspunkt

13.2 Einleitung und Motivation

13.3 Hintergrund und Stand der Wissenschaft und Technik

13.4 Modellierung der KPP-Ontologie

13.5 Verbleibende Herausforderungen

13.6 Vorgeschlagener Ansatz

13.7 Verwandte Arbeiten

13.8 Integrationskonzept

13.9 Proof-of-Concept-Szenarien

13.10 Fazit

14 Technology Intelligence – Technologiefrühaufklärung mit statistischen Verfahren und neuronalen Netzen

Franck K. Adjogble, Joachim Warschat

14.1 Einführung

14.2 Motivation und Kontext am Beispiel von Elektroautos

14.3 Verbrauchermeinungen und die Dynamik der Märkte

14.4 Elektrofahrzeuge und ihre technologischen Merkmale

14.5 Die Data Envelopment Analysis (DEA)

14.6 Technology Forecasting mit der Data Envelopment Analysis (TFDEA)

14.7 Technologiefrühaufklärung mit neuronalen Netzen

14.7.1 Die Regressionsanalyse als Funktion der Rate of Change

14.7.2 Berechnung der „Dynamic-Rate-of-Change“ mit einem neuronalen Netzwerk

14.8 Anwendung des Verfahrens am Beispiel Elektroauto

14.8.1 Aufteilung der Funktionalitäten in Modelle

14.8.2 Das Setup Modell

14.8.3 Das Prädiktion Modell

14.8.4 Adaption Modell durch neuronales Netzwerk

14.9 Zusammenfassung und Ausblick

15 Literaturverzeichnis

Literatur

Links

17 Die Autoren

 

TEIL 1

 

Konzepte, Methoden und Modelle

 

 

1Innovation – der Motor der Wirtschaft

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat

Der Begriff Innovation ist längst aus der Fach- in die Alltagssprache vorgedrungen, wie die Eingabe des Worts in Google zeigt: Wir finden ca. 1 150 000 000 Treffer. Wir werden mit einer unübersehbaren Fülle an innovativen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen konfrontiert. Unternehmen möchten, ja müssen, innovativ sein. Innovationen sind der Schlüssel zum Unternehmenserfolg, da kein Unternehmen, mittelständisch oder groß, langfristig wettbewerbsfähig bleibt, ohne in Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu investieren, mit dem Ziel, den Kunden zusätzlichen Nutzen zu bieten.

Die Brandeins-Veröffentlichung zur Innovation (brandeins, 2019) spiegelt das sehr gut wider. Sie ist das Ergebnis einer Metastudie in der mehr als 50 verschiedene Innovationspreise und -wettbewerbe berücksichtigt werden, unter ihnen z. B. der Deutsche Innovationspreis oder TOP 100: Die 100 innovativsten Unternehmen des Mittelstandes. Das Ergebnis sind 512 ausgezeichnete, besonders innovative Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen von A wie Automobilbau bis T wie Technologie & Telekommunikation, eingeteilt in drei Größenklassen: sehr große Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, große Unternehmen mit 251 bis 1000 Mitarbeitern und kleine sowie mittelständische Unternehmen mit 250 und weniger Beschäftigten.

Ein Repräsentant aus der Gruppe kleiner Unternehmen ist die Firma Talentwunder aus Berlin. Das 40 Mitarbeiter große Start-up hat sich zum Ziel gesetzt, Kunden beim Auffinden von Fachkräften zu helfen. Dabei ist der Markt insbesondere an Spezialisten aus dem Bereich Digitalisierung leergefegt und neben den Etablierten wie XING oder LinkedIn zu bestehen, ist eine ziemliche Herausforderung. Talentwunder hat deshalb ein alternatives Konzept zum klassischen Recruiting entwickelt, eine Suchmaschine. Sie durchsucht ca. 75 soziale Netzwerke wie z. B. das Wissenschaftsportal ResearchGate, die für Softwarespezialisten interessanten Netzwerke Stack Overflow und GitHub, aber auch Portale für Freizeitaktivitäten wie MeetUp und selbstverständlich auch Facebook und Twitter mit zusammen 1,7 Milliarden Nutzern. Das ermöglicht ein innovatives Recruiting-Konzept, das Active Sourcing. Durch eine intensive Analyse der Kandidatenprofile und ihre Entwicklung über die Zeit werden Signale für eine Wechselwilligkeit detektiert. So kann gezielt auf aussichtsreiche Kandidaten zugegangen werden. Bisher nutzen ca. 300 Unternehmen die Dienste von Talentwunder.

Das Familienunternehmen SICK in Waldkirch ist mit seinen 9000 Mitarbeitern ein innovatives Unternehmen aus der ersten Kategorie. Gegründet vom Erfinder und Unternehmer Erwin Sick, der in den 1950er-Jahren das Lichtgitter zur sicheren Bedienung von Maschinen entwickelte, produziert es heute rund 40 000 verschiedene Sensorprodukte. Lichtschranken und Lichtgitter schützen vor Unfällen an Robotern und sichern Gebäude, wertvolle Kunstgegenstände oder lesen Barcodes und messen Schadstoffemissionen. Die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen.

Zu Innovationen müssen die Mitarbeiter in Start-ups nicht jeden Tag motiviert werden. Das versteht sich bei jungen Unternehmen von selbst. In etablierten, erfolgreichen Unternehmen ist dies allerdings nicht unbedingt so. Hier müssen oft das „Silo-Denken“ überwunden und Innovation organisiert werden. Wie macht das SICK?

SICK hat im Jahr 2017 11 Prozent des Umsatzes, fast 170 Millionen Euro, für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Das ist eine notwendige Voraussetzung, um Ressourcen bereitstellen zu können. Aber es ist keine hinreichende Bedingung. SICK fördert gezielt den Ausbau von Netzwerken, wie beispielsweise die Implementierung einer kollaborativen Plattform, auf der projekt-, abteilungs- und länderübergreifend Wissen ausgetauscht werden kann. Hier können Ideen mitgeteilt und Dinge ausprobiert und es dürfen auch Fehler gemacht werden. Ein Prinzip, das im Silicon Valley schon lange gilt und auch zu der einen oder anderen Erfolgsstory dazugehört. Eine weitere Initiative ist die Gründung firmeninterner Start-ups. Die Teilnahme ist freiwillig, jedes Team hat ein Budget, einerseits die Unterstützung des Konzerns zu erlangen, und andererseits alle Freiheit, sein Projekt voranzubringen. Dadurch werden Kreativität, Verantwortungsbewusstsein und Selbstorganisation gefördert. Themenstellungen sind z. B. Echtzeit-Lokalisierung für Industrie 4.0, sodass Teile, Baugruppen und Produktionsmittel etc. jederzeit lokalisiert werden können.

SICK zeigt, dass auch große Unternehmen innovativ sein können, „Silo-Denken“ überwunden werden kann und neue Wege eingeschlagen werden können. Innovation ist nicht nur Start-ups vorbehalten.

Der Überblick über das Innovationsgeschehen in Deutschland zeigt, dass in vielen Bereichen Gutes geleistet wird, dass aber für manche Zukunftstechnologie wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz mehr gemacht werden muss. Hier hat man den Eindruck, dass sich schon eine Lücke zu den weltweit führenden Unternehmen in USA und China aufgetan hat. Diese Lücke zu schließen, muss das Ziel sein, da die genannten Technologiefelder Enabler für fast alle anderen Technologien und somit die Stellschrauben für die Innovationsfähigkeit sind. Das Buch fokussiert dabei auf die Künstliche Intelligenz und speziell auf Natural Language Processing, d. h. wie geht der Computer mit natürlicher Sprache um und welche Anwendungen eröffnen sich dadurch in der Praxis.

1.1Wo stehen wir?

Die Medizintechnik ist ein gutes Beispiel für die Innovationskraft einer mittelständisch geprägten Branche; 93 Prozent der Unternehmen haben weniger als 250 Mitarbeiter. Der Branchenbericht Medizintechnologien (BVMed, 2020) belegt die hohe Dynamik in Wachstum und Wertschöpfung. So ist die Bruttowertschöpfung seit 2006 um 3,9 Milliarden Euro auf 14,7 Milliarden Euro gestiegen. Das bedeutet ein durchschnittlich jährliches Wachstum von 3,3 Prozent.

Ein wesentlicher Treiber hierfür ist die ausgeprägte Innovationsleistung der MedTech, so investieren die Unternehmen durchschnittlich 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Weitere Indikatoren sind der hohe Anteil an jungen Produkten, ca. ein Drittel des Umsatzes wird durch Produkte, die jünger als drei Jahre sind, erzielt. Und bei Patenten nimmt die MedTech hinter den USA Rang 2 ein. Auch die Patentanmeldungen sind beachtlich. Im Jahr 2018 wurden beim Europäischen Patentamt 13 759 Patentanträge gestellt, sodass auch bei den Anmeldungen Platz 2 hinter den USA erreicht wurde.

Der Maschinenbau, eine Kernbranche in Deutschland, steigert ebenfalls jährlich die Ausgaben für Innovationen (Bild 1.1).

Bild 1.1Innovationsausgaben 2019 im deutschen Maschinenbau (in Anlehnung an ZEW Branchenreport 2019)

Die Innovationsausgaben umfassen Ausgaben für Projekte, die Produkt- oder Prozessinnovationen beinhalten. Im Einzelnen sind das interne und externe F&E-Aufwände, innovationsbezogene Ausgaben für Sachanlagen sowie Aufwendungen für immaterielle Wirtschaftsgüter, z. B. Software, Weiterbildung, Konstruktion etc. Der Umsatzanteil an Marktneuheiten schwankt zwischen knapp 6 und 8 Prozent, und ist damit deutlich höher als bei der deutschen Wirtschaft insgesamt (Bild 1.2).

Bild 1.2Anteil von Maschinenbau-Unternehmen mit Marktneuheiten (in Anlehnung an ZEW Branchenreport 2019)

Besondere Beachtung findet die Automobilindustrie als Schlüsselindustrie für Deutschland. Der Automobilbau konnte die Innovationsaufwendungen von 30,6 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 50,57 (geschätzt; Bild 1.3) im Jahr 2019 steigern. Unter den zehn Automobilherstellern mit den größten Forschungsbudgets im Jahr 2018 rangiert VW mit 15,8 Milliarden US-Dollar mit großem Abstand vor Toyota an der Spitze. Daimler folgt mit 7,1 Milliarden US-Dollar auf Platz 5 und BMW mit 5,9 Milliarden US-Dollar auf Platz 7 (Bild 1.4).

Bild 1.3Innovationsaufwendungen der Automobilbau-Branche in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2018 (in Anlehnung an Statista)

Bild 1.4Automobilhersteller mit den größten Forschungsbudgets (weltweit, 2018 in Mrd. US-Dollar; in Anlehnung an Statista)

Trotz der hohen Innovationsaufwendungen müssen angesichts der Herausforderungen durch die Elektromobilität weitere Investitionen in neue Technologien gemacht werden.

Um diese insgesamt positiven Leistungen erbringen zu können, muss das Umfeld stimmen. Ein Blick in den Innovationsindikator von BDI, Fraunhofer und ZEW, der die Innovationsleistung von 35 Nationen vergleicht, zeigt ein erfreuliches Ergebnis: Deutschland ist hinter Singapur, der Schweiz und Belgien auf Rang 4 (Bild 1.5).

Bild 1.5Innovationsindikator 2018 (in Anlehnung an Studie BDI, Fraunhofer ISI, ZEW 2018)

Der Indikator berücksichtigt 38 Einzelindikatoren wie z. B.:

       Qualität des Erziehungssystems,

       eingesetztes Venture-Kapital in Relation zum Bruttoinlandprodukt,

       Nachfrage der Unternehmen nach technologischen Produkten oder

       transnationale Patentanmeldungen je Einwohner.

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) sieht Deutschland noch weiter vorne, auf Platz 1 der innovativsten Länder. Die Innovationsfähigkeit ist zwar nur einer von zwölf Faktoren, die die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes wiedergeben, so werden z. B. noch das Bildungssystem, das Gesundheitswesen oder die Infrastruktur etc. bewertet, und da sind andere Länder besser. Aber in puncto Zufriedenheit der Kunden, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Zahl der angemeldeten Patente, Adaption neuer Technologien durch die Unternehmen, alles Teilaspekte der Innovationsfähigkeit, bescheinigt das WEF Deutschland, Weltspitze zu sein.

Fazit

       Deutschland ist eine innovative Nation mit einer innovativen Wirtschaft.

       Wichtige Industrien haben eine hohe Innovationskraft.

1.2Wo gehen wir hin?

Die genannten Unternehmensbeispiele stimmen ebenso wie die Branchenzahlen optimistisch. Gibt es dennoch Anlass für eine kritische Sicht auf die Innovationskraft der Wirtschaft? Ein klares Warnsignal ist die KfW-Studie „KfW-Innovationsbericht 2020“. Die Entwicklung der Innovatoren im Mittelstand zeigt nach unten (Bild 1.6).

Bild 1.6Entwicklung der Innovatoren im Mittelstand (in Anlehnung an KfW-Mittelstandspanel)

Vor allem kleine Firmen haben sich aus der Innovation zurückgezogen, wobei Unternehmen des Maschinenbaus, der Elektrotechnik und der Chemie weniger betroffen sind, wie gezeigt. Die Gründe sind vielfältig. Die Umsatzerwartung beeinflusst die Innovationsaktivitäten. Geht sie zurück, lässt auch die Innovationsfähigkeit nach. Weitere Gründe sind eine alternde Belegschaft, fehlende finanzielle Mittel und ein Mangel an Fachkräften. Sehr bedenklich waren folgende Ursachen: die zurückgehende Gründerquote und der zunehmende Technologiewettbewerb.

Der Mangel an Gründungsaktivitäten deckt strukturelle Schwächen auf und wird sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit auf einem immer enger zusammenrückenden internationalen Markt auswirken (Bild 1.7).

Bild 1.7Gründerquote (in Anlehnung an KfW Research, Fokus Volkswirtschaft)

Junge Unternehmen sind in der Regel sehr innovativ, die Innovatorenquote ist immerhin 31 Prozent bei den unter sechs Jahre alten Firmen im Vergleich zu nur 20 Prozent bei mindestens 20 Jahre alten Firmen. Das hat Auswirkungen auf die Anzahl neuer Produkte, da junge Unternehmen ihre Produktpaletten vergrößern und, nachdem viele in innovativen Marktsegmenten tätig sind, als erste neue Technologien in Produkte und Dienstleistungen umsetzen.

Auch zunehmender Wettbewerb wirkt sich auf die Innovationstätigkeit aus. Steigender Preisdruck führt zu einer Verminderung, während ein stärkerer Technologiewettbewerb eine Zunahme auslöst (Bild 1.8).

Bild 1.8Folgen des zunehmenden Wettbewerbs auf die Innovationswahrscheinlichkeit nach Art des Wettbewerbs (in Anlehnung an KfW-Mittelstandspanel)

Das führt zu einer zwei Klassen Gesellschaft der Unternehmen. Einerseits die Nachzügler, die eher mit Preissenkungen und Kosteneinsparungen (–15 %) reagieren, und andererseits die technologischen Vorreiter, die auf den raschen technologischen Wandel und die kürzer werdenden Produktlebenszyklen mit Innovationen (+45 %) antworten.

Die Vorreiter haben ein klares Profil. Sie beschäftigen Hochschulabsolventen, sind international unterwegs und offen für Kooperationen mit anderen Unternehmen und mit Forschungseinrichtungen.

Auf dem Feld neuer Technologien ist nicht nur der Mittelstand starkem Wettbewerb ausgesetzt. Auch große Unternehmen können leicht in Rückstand geraten, wie die Prognose der Zellproduktion von Batterien zeigt. In diesem Fall muss kreativ und umsetzungsstark an innovativen Lösungen gearbeitet werden (Bild 1.9).

Bild 1.9Prognose Batteriezellproduktion für den Zeitraum 2016–2021 (in Anlehnung an Roland Berger 2019)

Um herauszufinden, wo wir stark sind und wo eher nicht, lohnt ein Blick auf die im Jahr 2017 beim Europäischen Patentamt eingereichten Patente.

Europa dominiert in folgenden Bereichen:

       Electrical maschinery, apparatus, energy (elektrische Geräte, Apparate, Energie)

       Transport

       Measurement (Messsysteme)

       Organic fine chemistry (organische Chemie)

       Pharmaceuticals (Pharma-Produkte)

       Biotechnologie

       Spezialmaschinen

Europa ist nicht so gut im Vergleich zu Asien und den USA bei:

       Computer Technology

       Digitaler Kommunikation

Insbesondere die zwei letztgenannten Punkte geben Anlass zur Sorge, da gerade das Technologien sind, die kritisch sind für den Erfolg bei der digitalen Transformation. Ein Beispiel dafür liefert die Studie von Deloitte: Innovation in Europa.

Das Innovationsmodell unterscheidet neun Innovationsbereiche, die sehr breit gefächert sind und so die gesamten Innovationsaktivitäten abdecken. Dabei kann jeder Bereich durch die Digitalisierung verbessert werden.

Bild 1.10 zeigt, welche Innovationsthemen für die Strategie des Unternehmens wichtig sind.

Bild 1.10Was triggert die Innovation? (in Anlehnung an Deloitte, Innovation survey, 2018)

An erster Stelle stehen neue Technologien. Das ist verständlich, wenn man die Disruptionen sieht, die durch die digitale Transformation auf die Unternehmen einwirken.

Rang zwei nehmen neue Kundenerwartungen und die Kosteneffizienz ein. Dass die Kosteneffizienz so wichtig ist, gerade im Kontext mit Innovationen, hat z. B. seinen Grund in der Notwendigkeit, hohe Investitionen in digitale Technologien stemmen zu müssen. So gehen in der Automobilindustrie Kosteneinsparungsprogramme und Investitionen in die e-Mobility Hand in Hand. Nicht verwunderlich ist auch die Bedeutung neuer Geschäftsmodelle. Gerade die digitalen Technologien in Form von Plattformkonzepten und Industrie 4.0 sind Bedrohung und Chance zugleich für die Unternehmen.

Um herauszufinden wo Innovationen besser unterstützt werden können, schauen wir genauer auf die als besonders wichtig eingestuften Teilaspekte des Innovationsgeschehens und analysieren die von den Unternehmen angegebenen Innovationshürden. Dabei beschränken wir uns auf die Themen, von denen wir annehmen können, dass sie mit Smart Data und Künstlicher Intelligenz effektiver bearbeitet werden können.

Auf die Frage „Welche internen Prozesse und Assets sind wichtig für eine erfolgreiche Innovation in Ihrem Unternehmen“ ergab sich das in Bild 1.11 dargestellte Ergebnis.

Bild 1.11Wichtige interne Prozesse und Assets für ein erfolgreiches Innovationsmanagement (in Anlehnung an Deloitte, Innovation survey, 2018; Brasilien, Indien, Mexiko, Türkei und Südafrika: jeweils 0 Punkte)

Das Ranking wird wieder angeführt vom Aufspüren neuer Technologien und Trends. Diese Angabe deckt sich mit den Nennungen (Bild 1.10) auf die Frage „Was triggert die Innovation in Ihrem Unternehmen?“ Und hier kann Künstliche Intelligenz einen signifikanten Beitrag leisten.

An zweiter Stelle wurden zur gleichen Frage „Neue Kundenerwartungen“ genannt. Auch hier kann Smart Data genutzt werden.

Ein drittes Thema, das in verschiedenen Studien aufgearbeitet wurde, ist die Offenheit von Innovation in der Wirtschaft. Seit Chesborough im Jahr 2003 den Begriff „Open Innovation“ prägte, hat dieser Begriff enorm an Popularität gewonnen und das nicht als Hype, sondern weil er eine zunehmend wichtige Kooperation der Unternehmen mit externen Wissensträgern beschreibt.

Der Grund dafür ist ganz einfach die extreme Zunahme an Informationen und Wissen, sodass es zunehmend schwieriger und kostspieliger wird, alles benötigte Wissen z. B. für ein innovatives Produkt in der eigenen Firma bereitzustellen. Folglich muss über Unternehmensgrenzen hinweg kooperiert werden. Dabei gilt es zu Beginn eines Open-Innovation-Prozesses, den oder die richtigen Partner zu finden. Das zeigt sich in den Antworten der an einer Studie in der Textilbranche Teilnehmenden am Beispiel der Mitgliedschaft in einem Netzwerk (Keicher u. a. 2018).

Nun kann man vermutlich aber nicht zu jedem Wissensbaustein, den man benötigt, einem Netzwerk beitreten. Und für viele sehr dynamische Technologiefelder gibt es vielleicht noch gar keines. Hier kann mit KI-Methoden eine Suche nach Experten in verschiedenen sozialen Netzwerken, Dateien etc. durchgeführt werden.

Der Überblick über das Innovationsgeschehen in Deutschland zeigt, dass in vielen Bereichen Gutes geleistet wird, dass aber für manche Zukunftstechnologien wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz mehr gemacht werden muss. Hier hat man den Eindruck, dass sich schon eine Lücke zu den weltweit führenden Unternehmen in USA und China aufgetan hat. Diese Lücke zu schließen, muss das Ziel sein, da die genannten Technologiefelder Enabler für fast alle anderen Technologien und somit Stellschrauben für die Innovationsfähigkeit sind. Das Buch fokussiert dabei auf die Künstliche Intelligenz und speziell auf Natural Language Processing, d. h. wie geht der Computer mit natürlicher Sprache um und welche Anwendungen eröffnen sich dadurch in der Praxis.

1.3Der Aufbau des Buchs

Durch die intensive Diskussion der Rolle der KI entsteht manchmal der Eindruck, dass KI so ziemlich jedes Problem lösen kann und das ohne viel Zutun des Menschen, Hauptsache es gibt genug Daten, die das KI-Modell auswerten kann.

Das ist ein Irrtum. Der Mensch ist auf vielfältige Weise bei der Auswahl des zu seinem Problem passenden Modells, der Beschaffung der Daten, dem Training des Modells, seiner Verifikation und schließlich der Interpretation und Umsetzung der Ergebnisse involviert.

Deshalb steht am Anfang des Buchs ein Kapitel über die prinzipielle „Kooperation“ des Menschen als kreatives Wesen mit dem KI-Modell als Tool zur Analyse großer Datenmengen (Kapitel 2).

Der Schwerpunkt unserer Darstellungen ist ein spezieller Bereich der KI, das Natural Language Processing (NLP), also das Verstehen der natürlichen Sprache durch den Computer. Insbesondere interessiert dabei, wie NLP die Innovation unterstützen kann. Die in Abschnitt 1.1 ausgewerteten Studien, die die Rolle neuer Technologien für die Innovation beleuchten, sind Ausgangspunkt einer tieferen Analyse von technologischer Funktion und Kundennutzen (Kapitel 3 und 4).

Bild 1.12Der Aufbau des Buchs

Ein Schlüssel zum Verständnis des Zusammenwirkens von Technologie und Kundenbedürfnis ist das Denken in Funktionen (Abschnitt 3.2). Es ist grundlegend und kann sehr erfolgreich genutzt werden, um Dokumente über neue Technologien mithilfe symbolischer KI-Systeme in großen Datenmengen, z. B. in Patenten und wissenschaftlichen Publikationen, zu ermitteln.

Das Stichwort Datenmenge führt uns zum fundamentalen Problem beim Innovationsprozess, der rasant wachsenden Flut von Informationen vor allem im Internet (Kapitel 5). Das Problem erfordert neue Lösungen, da „manuell“ kein systematisches Suchen nach Technologien, Anwendungen, Kunden, Märkten, ja sogar neuen Mitarbeitern möglich ist. Dabei kann zwischen Visible Web und Invisible Web unterschieden werden. Das Letztere umfasst nicht frei zugängliche, sondern kostenpflichtige Daten, ist aber häufig verlässlicher, weil vom Betreiber eine Qualitätskontrolle durchgeführt wird.

Wie sehen die Konzepte aus, die die Datenflut beherrschbar machen? Die Künstliche Intelligenz bietet hierzu eine Fülle von Methoden (Kapitel 6). Dabei gehen die ersten Ansätze auf die 40er- und 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, was manchmal über den Hype, den dieses Thema gerade erlebt, vergessen wird (Abschnitt 6.1).

Bei aller Vielfalt an Methoden, die die Künstliche Intelligenz bietet und die das Gebiet recht komplex erscheinen lassen, gibt es doch drei grundlegende Aufgaben, die unter dem Begriff „Maschinelles Lernen“ (ML) zusammengefasst werden (Abschnitt 6.2): die Regression, die auf der Basis erlernter Strukturen Werte, also Zahlen, prognostizieren kann; die Klassifikation, bei der eine Menge von Daten, z. B. Worte in einem Text, gelabelt werden können und so z. B. als Hauptwort, Verb etc. gekennzeichnet werden, und die Clusteranalyse, die eine Menge von Daten, z. B. Texte, verschiedenen Themen wie e-Mobility, KI, alternative Energiequellen etc. automatisch zuordnet. Neue Technologien, Anwendungen etc. zu suchen, heißt letztendlich Dokumente zu suchen, in denen die Technologie oder die Anwendung beschrieben sind. Das lässt sich mithilfe des NLP auf dem Computer durchführen (Abschnitt 6.3).

Um die Texte maschinell besser bearbeiten zu können, werden sie von wenig informativen Worten, Leerzeichen etc. im Preprocessing befreit (Abschnitt 6.3.1). Dann werden Worte, ganze Sätze oder Textabschnitte in Zahlen umgewandelt, um mit ihnen „rechnen“ zu können, um z. B. thematisch ähnliche Dokumente aus einem umfangreichen Textkorpus extrahieren zu können (Abschnitt 6.3.2).

Das Maschinelle Lernen kann auf verschiedene Weise durchgeführt werden (Abschnitt 6.4). Grundlegend aber ist, dass das Lernen auf eine Optimierungsaufgabe oder genauer auf eine Minimierungsaufgabe zurückgeführt wird. Dazu wird beim Lernen eines bestimmten Neuronalen Netzes mit zufällig gewählten Startwerten ein Output erzeugt, der mit dem Soll-Output, z. B. vorher von Experten gelabelte Daten, verglichen wird. Die Abweichung zwischen Ist- und Soll-Output wird in einer Loss-Funktion bewertet und wieder rückwärts durch das Netz propagiert. Diese beiden Schritte werden so lange wiederholt, bis die Abweichung hinreichend klein ist.

Abschnitt 6.4.3 gibt einen Überblick über die im Rahmen des NLP angewendeten statistischen Verfahren und künstlichen neuronalen Netze. Diese reichen von schon länger eingesetzten Netzen wie den Hidden-Markov-Modellen bis zu neueren Entwicklungen wie BERT von Google. BERT brachte einen bemerkenswerten Fortschritt für NLP. Es ist ein umfangreiches Modell, das am englischen Wikipedia trainiert ist, Sprache gut versteht und, da es Open Source ist, für verschiedene Anwendungen durch Fine Tuning nutzbar gemacht werden kann.

Durch die Vielfalt an verschiedenen Netzarten, die Möglichkeit, Modelle mit vielen Hidden Layern (verborgenen Schichten von Neuronen) zu erstellen, Kombinationen von Netzarten und statistischen Verfahren vorzunehmen, ist das Modellieren eines neuronalen Modells für eine konkrete Aufgabe eine komplexe Angelegenheit. Es gibt eine Reihe von Tools und Programmbibliotheken, die für die Modellierung verwendet werden können (Abschnitt 6.4.4).

Ein in der Praxis zu lösendes Problem, wie z. B. die Frage „Wie werte ich automatisch die vielen Rückmeldungen und Bewertungen bezüglich meines neuen Produkts aus?“, führen auf die Basisaufgaben des NLP (Abschnitt 6.4.5). Die Auswertung von Kundenbewertungen können als Sentiment Analyse durchgeführt werden, sodass die positiven, die negativen und die neutralen Bewertungen identifiziert und zusammengefasst werden. Die Suche nach Produktnamen führt zur Named Entity Recognition etc.

Die neuronalen Netze werden als subsymbolische Systeme bezeichnet, weil die netzinterne Verarbeitung der Daten als Vektoren und Matrizen vom Menschen nicht direkt interpretiert werden kann. Der Output ist interpretierbar. Modelle, die durchweg interpretierbar sind, werden als symbolische Systeme bezeichnet. Sie sind regelbasiert, haben eine gute Verbreitung in der Praxis (Abschnitt 6.5) und werden hier zur Ermittlung neuer Technologien eingesetzt.

Ein Trend bei NLP ist die Verknüpfung von symbolischen und subsymbolischen Systemen zu hybriden Systemen (Abschnittl 6.6). So können Vokabulare, die die interessierende Wissensdomäne repräsentieren, als Input für Neuronale Netze verwendet werden.

Als Abschluss des ersten Teils werfen wir einen kurzen Blick auf KI-Projekte. Da jedes Projekt in der Praxis individuelle Charakteristika aufweist, wie Zielsetzung, verfügbare Daten, Expertise der Projektbeteiligten, Umfang des Budget etc., können hier nur allgemeine Hinweise gegeben werden, die für jedes konkrete Projekt spezifiziert werden müssen (Kapitel 7).

Teil II, umfasst die Fallstudien. Sie sind so geschrieben, dass sie bei einigen Vorkenntnissen auch ohne Teil I gelesen werden können. Teil I kann dann als Vertiefung herangezogen werden.

Die erste Fallstudie zeigt, wie Problemstellung und Lösung in Patenten identifiziert und extrahiert werden können. Anhand von drei neuronalen Modelltypen werden die jeweiligen Vorgehensweisen sowie die Ergebnisse diskutiert und eine Softwarelösung beschrieben.

Das Identifizieren neuer Technologien, d. h. im Kontext von NLP das Ermitteln neuer Begriffe oder emergenter Begriffe, ist Gegenstand vieler Projekte. Eine besondere Herausforderung stellen hochdynamische Wissensdomänen dar, die eine Fülle neuer Wissensbausteine (Entitäten) mit neuen Beziehungen in kurzer Zeit hervorbringen.

Ein Beispiel dafür ist die Medizin. Nicht erst seit Covid-19, in dessen Kontext laufend neue Studien veröffentlicht werden, steht sie für ein hochinnovatives Wissensgebiet.

Die Fallstudie „Argumentationsunterstützung durch emergentes Wissen in der Medizin“ zeigt, wie durch Named Entity Recognition und textuelles Schließen (textual entailment) hier eine Lösung gefunden werden kann. Da die entwickelten Methoden universell anwendbar sind, können sie auf dynamische, hochinnovative industrielle Gebiete wie Batterieentwicklung, e-Mobility, Digitalisierung etc. übertragen werden.

Die dritte Fallstudie zeigt am Beispiel von 3D-Technologien für diagnostische Röntgensysteme, wie die semantische Repräsentation von Technologien für ein erfolgreiches Technologiemanagement genutzt werden kann.

Eine in der Praxis häufig auftretende Frage ist: Wie reif ist eine Technologie? Die Fallstudie „Automatische Abschätzung von Technology und Market Readiness durch die Readiness Navigator AI“ zeigt, wie durch KI-Methoden die Innovationsprojekte in Unternehmen bewertet werden können, wie marktnah und wie technologisch machbar sie sind. Das Tool ist darüber hinaus speziell geeignet, KI-Projekte bezüglich ihres Reifegrads zu beurteilen. Dazu werden die Projektdokumentationen ausgewertet.

In der Fallstudie „Technologieermittlung und -umsetzung mit Crealytic bei einem mittelständischen Unternehmen“ wird die integrierte Anwendung von Kreativmethoden und NLP am Beispiel einer innovativen Entwicklung von Dämpfern vorgestellt.

Die Fallstudie „Wissensbasierte Produktionsplanung für Intelligente Produktionsumgebungen“ beschreibt, wie die Informationen und das Wissen über die Produktionsinfrastruktur sowie deren Ressourcen und Prozesse semantisch repräsentiert und maschinenlesbar kodiert werden. Das sind Voraussetzungen, um hochflexible Planungsprozesse mit KI-Methoden zu unterstützen. Ein wichtiger Baustein einer Smart Production.

Die Fallstudie „Technology Intelligenz – Technologiefrühaufklärung mit Statistischen Methoden und Neuronalen Netzen“ beschreibt ein Verfahren, mit dem z. B. Preis-Leistungs-Verhältnisse von Produkten prognostiziert werden können. Dabei handelt es sich auch um Maschinelles Lernen (ML), wenn auch nicht um NLP. Das zeigt wieder die universelle Anwendbarkeit von ML im Technologiemanagement.

2Der Mensch im Innovationsprozess

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat, Antonino Ardilio

Die Rolle des Menschen mit seiner Kreativität ist trotz – oder vielleicht gerade wegen – der zunehmenden Analysepower der Künstlichen Intelligenz wichtiger denn je. Erst die enge Verknüpfung von menschlicher Kreativität und maschineller Analyse zur „Crealytic“ bringen die Innovationsfähigkeit von Unternehmen auf ein höheres Niveau. Nach einer pragmatischen Definition von Crealytic werden die Kreativitäts- und Innovationsmethoden vorgestellt. Auch KI-Projekte starten mit Überlegungen zum Ziel und zur Herangehensweise und sind deshalb in einen übergeordneten Innovationsprozess eingebettet. Als Leitprozess wird Design Thinking gewählt. Diese Vorgehensweise kann mit weiteren Methoden wie Synektik, Kompetenzanalyse, der Kano-Methode etc. ergänzt werden.

2.1Crealytic

Mit dem Kunstwort Crealytic bezeichnen wir das Zusammenspiel von Kreativität und analytischen Methoden. Als Konsequenz aus der Debatte um die Künstliche Intelligenz könnte man aber fragen: Brauchen wir den Menschen noch bei den Problemlösungsprozessen? Zur Beantwortung hilft ein Blick auf die „schwache“ und die „starke“ Künstliche Intelligenz. Das Ziel der starken Künstlichen Intelligenz ist, die allgemeine menschliche Intelligenz auf dem Computer abzubilden. Dafür müssen nach Meinung der Experten folgende Fähigkeiten vom Rechner beherrscht werden:

       Logisches Denken

       Treffen von Entscheidungen bei Unsicherheit

       Planen

       Lernen

Und darüber hinaus wird oft noch

       Bewusstsein,

       Eigenwahrnehmung und

       Empfindungsvermögen

verlangt. Dass das in den nächsten Jahren erreicht werden kann, ist äußerst unwahrscheinlich. Das kann (bis jetzt) nur der Mensch. Also begnügen sich die gängigen künstlichen Intelligenzsysteme mit schwacher Intelligenz, d. h. die Algorithmen lösen ein auf ein bestimmtes Wissensgebiet beschränktes Problem. Der Mensch ist deshalb ein unverzichtbarer, kreativer Akteur bei der Realisierung von Innovationen (Vocke & Bauer, 2020). Dabei erfüllt er in der Regel folgende Aufgaben: Er definiert und beschreibt das Gebiet, für das das KI-System entwickelt werden soll, er wählt die geeigneten KI-Methoden aus und adaptiert sie gegebenenfalls an die spezielle Situation und er bewertet schließlich das Ergebnis und koppelt es zurück, sodass eine Optimierung der Ergebnisse stattfindet. Bei sehr fortgeschrittenen Systemen können einzelne Schritte vom Menschen auf das System übertragen werden. Das Beispiel des Go-Spiels zeigt das sehr eindrucksvoll: Alpha Go von Google wurde noch von Menschen trainiert durch die vielen von Go-Spielern durchgeführten Partien. Das weiterentwickelte Alpha Go Zero optimiert sich selbst, indem es gegen sich selbst spielt und dazu nur die Spielregeln benötigt. Die Bewertung der Ergebnisse ist besonders einfach und bedarf des menschlichen Urteils nicht: gewonnen ist gewonnen.

Um das Zusammenspiel von Mensch und KI zu beschreiben, benutzen wir die sehr einfache und doch sehr generische Definition von Steve Jobs: Creativity is connecting the dots.

Dots sind Informations- beziehungsweise Wissensbausteine. Mit dieser Definition können sowohl Mensch als auch KI-System zur Kreativität beitragen: Der Computer liefert mithilfe von analytischen Methoden die Dots. Und der Mensch kombiniert sie zum Beispiel mithilfe von Kreativitätsmethoden. Außerdem kann folgende Regel intuitiv aufgestellt werden: Je mehr Dots ich generiere, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf neue Kombinationen von Informationsbausteinen stoße. Bei der Generierung müssen Plausibilität und Konsistenz in Bezug zum interessierenden Innovationsthema beachtet werden.

Das Ziel ist, nicht irgendwelche Daten zu sammeln und zu benutzen, sondern solche, die mit der Intention, also dem jeweils angestrebten Erkenntnisinteresse, in Einklang sind, und diese Daten sind dann Smart Data, also wertvolle Daten.

2.2Kreativitäts- und Innovationsmethoden

Es gibt nicht die Kreativitäts- oder Innovationsmethode. So wird abhängig vom Verfasser beispielsweise von 88 (Inknowaktion, 2019), 26 (lead-innovation, 2020) oder 555 (Van Aerssen & Buchholz, 2018) Methoden gesprochen. Zu beachten ist auch, dass es Einzelmethoden wie das Brainstorming und Methodenbündel wie das Design Thinking gibt. Bei unseren Praxisprojekten haben wir Design Thinking, Visuelle Synektik, Kernkompetenzanalyse und Kano-Modell eingesetzt, was nicht bedeutet, dass andere Methoden nicht oder weniger geeignet wären.

Die Kompetenzanalyse benötigen wir, wenn wir eine Innovations- und Technologiestrategie entwickeln wollen. Ausgangspunkt ist das Kompetenzstrategie-Portfolio nach Thiele (Hinterhuber, 2015). Mit den Achsen Kompetenzstärke und Kundenwert und der jeweiligen Unterscheidung in niedrig oder hoch, erhalten wir ein Portfolio mit vier Quadranten (Bild 2.1).

Bild 2.1Kompetenzstrategie-Portfolio (in Anlehnung an Hinterhuber 2015)

Der erste Quadrant beinhaltet die Standardkompetenzen. Im zweiten befinden sich die Kompetenzlücken, das sind Kompetenzen, die von hoher strategischer Bedeutung sind, aber im Unternehmen unterrepräsentiert sind, wie zum Beispiel Kompetenzen im Bereich Digitalisierung. Hier muss entschieden werden, ob die Lücke durch den Aufbau eigener Kompetenzen oder durch eine Open-Innovation-Strategie geschlossen werden soll. Der dritte Quadrant umfasst die Kernkompetenzen des Unternehmens, im vierten Quadranten befinden sich Kompetenzen, die sehr ausgeprägt, aber bislang noch ohne strategische Relevanz sind. Hier muss eine strategische Selektion vorgenommen werden: Welche geben wir auf und für welche finden wir ein passendes Geschäftsmodell?

Da wir die Kompetenzanalyse mit Smart Data kombinieren wollen, gehen wir einen Schritt zurück und erstellen dafür eine Kompetenzlandkarte. Uns interessieren die Zusammenhänge zwischen den Kompetenzen. Ziel ist, eine baumartige Struktur von Kompetenzen mithilfe des Computers zu generieren (Bild 2.2).

Bild 2.2Kompetenzlandkarte in Form einer Taxonomie

Aufbauend auf den Kompetenzen können dann technologische und kundenorientierte Zukunftsfelder ermittelt werden. Im nächsten Schritt werden dann die Zukunftsfelder im Portfolio bewertet. Design Thinking eignet sich ebenfalls sehr gut als Kreativitäts- und Innovationsmethode in Verbindung mit Smart Data. So ist die Rolle von Design Thinking im Sinne unserer Definition von Kreativität von Joe Gebbia, dem Mitgründer von Airbnb, gut beschrieben: „With Design Thinking you can see two dots, that don’t make any sense, but somehow in your head you connect them in a new and different way.“ Es ist ein Bündel verschiedener Methoden, die je nach Problemstellung einzeln oder gemeinsam eingesetzt werden können. Wir nutzen den Design-Thinking-Prozess zur Strukturierung von Innovationsprozessen (Bild 2.3).

Bild 2.3Design-Thinking-Prozess, (in Anlehnung an Hasso Plattner Institut 2020)

Bild 2.4Gains (Verbesserungen) und Pains (Probleme) (in Anlehnung an Strategyzer 2020)

Aus der Sicht des Kunden werden die Gains ermittelt, also was gewinnt der Kunde durch meine Technologie, mein Produkt, meinen Service, wo sind seine Probleme (Pains) und was kann er für Jobs damit machen. Entsprechend werden auf der Seite des Wertversprechens die Reduzierung beziehungsweise Vermeidung der Pains, die Verbesserung der Gains und die angebotenen Produkte und Services bearbeitet (Bild 2.4).

Wichtig für die Kreativarbeit sind auch gezielte Perspektivwechsel. Wir verwenden dazu unter anderem die Visuelle Synektik, eine Variante der Synektik (Gordon, 1961; Prince, 2012). Die Visuelle Synektik beruht auf dem Prinzip: „Mache dir das Fremde vertraut und entfremde das Vertraute.“ (Gordon, 1961; ibim.de, 2019; Schneidereit & Wack, 2019).

Zu einem definierten Problem werden Analogien anhand von Bildern gesucht. Dabei kann für ein technisches Problem z. B. eine Analogie aus der Biologie gesucht werden. Es wird eine leicht lösbare, aber sichere Haftung an Oberflächen gesucht. Als Analogie aus der Biologie entspricht das z. B. dem Gecko, der mühelos senkrechte glatte Wände erklimmt. Oder die Bilder symbolisieren einen bestimmten Zustand der Lösung: „Was wäre, wenn wir alles automatisieren würden?“

Angenommen, wir haben mithilfe der Innovations- und Kreativitätsmethoden eine größere Anzahl von Ideen erzeugt. Da wir im Allgemeinen aus Zeit- und Kostengründen nicht alle Ideen umsetzen können, müssen wir eine Priorisierung oder Auswahl durchführen. Für unsere Zwecke gut geeignet ist dafür die Kano-Methode, benannt nach Noriaki Kano, einem Professor an der Universität Tokio. Das Kano-Modell beschreibt die Abhängigkeit der Kundenzufriedenheit vom Erreichen und Nichterreichen bestimmter Eigenschaften des Produkts oder Services (Sauerwein, 2000; Kogler, 2014).

Kern des Modells ist die Klassifizierung der Eigenschaften oder Merkmale. Es unterscheidet fünf Klassen von Merkmalen:

       Basismerkmale sind Eigenschaften, die der Kunde oder Nutzer auf jeden Fall erwartet. Sie sind für ihn selbstverständlich, sodass er ihr Vorhandensein nicht besonders honoriert, aber unzufrieden ist, wenn sie nicht vorhanden sind. Der Käufer eines Handys erwartet, dass er damit telefonieren kann.

       Leistungsmerkmale schaffen Zufriedenheit und zwar umso mehr, je größer die Leistung ist. Je länger die Batterieleistung des Handys hält, desto zufriedener ist der Nutzer.

       Begeisterungsmerkmale sind unerwartete Merkmale, z. B. Unique-Selling-Points gegenüber der Konkurrenz. Sie führen zu überproportionaler Zufriedenheit. Eine extrem gute Kamera im Handy könnte so etwas sein.

       Rückweisungsmerkmale führen zu großer Unzufriedenheit bei Nichtvorhandensein, aber nicht zu Zufriedenheit. Eine schlechte Empfangsqualität des Handys könnte ein Rückweisungsmerkmal sein.

       Merkmale, die unerheblich sind.

Das Spezielle an der Kano-Methode ist die bipolare Fragestellung. Der Kunde antwortet zwei Mal auf die Frage nach einem Merkmal (Bild 2.5):

       Funktional (positiv)

       Dysfunktional (negativ)

Aus der funktionalen und der dysfunktionalen Antwort ergeben sich die Merkmalsklassen (Bild 2.6). Q bedeutet, dass die Fragen widersprüchlich beantwortet wurden.

Bild 2.7 zeigt die Kundenzufriedenheit in Abhängigkeit der Qualitätseigenschaften.

Bild 2.5Funktionale und dysfunktionale Fragenstellung (in Anlehnung an Kano-Modell)

Bild 2.6Merkmalsklassen der Kano-Methode (in Anlehnung an Kano-Modell)

Bild 2.7Kano-Modell

Bei der technologischen Realisierung eines Produkts entstehen in der Regel neben den gewünschten Merkmalen auch unerwünschte. Die Kano-Methode berücksichtigt das besonders, indem alle Merkmale, auch die unerwünschten, bewertet werden können.

KI-Projekte sind kein Selbstzweck. Sie müssen immer von Innovationsmethoden begleitet werden. Die Innovationsziele wie z. B. neue Funktionalität eines Produkts, Ausrichtung auf Bedürfnisse spezieller Kundengruppen sind Leitlinien für KI in der Praxis.

3Technologie als Innovationstreiber

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat, Antonino Ardilio