Smeeralda und die 17 Wellen: Alle Flossen voll zu tun - Karen Christine Angermayer - E-Book

Smeeralda und die 17 Wellen: Alle Flossen voll zu tun E-Book

Karen Christine Angermayer

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Beschreibung

Die neue Kinderbuchreihe um das mutige Meermädchen Smeeralda und ihre Unterwasser-Freunde! Für das Meermädchen Smeeralda geht die Welt unter, als ihre Mutter Coralline zu Beginn der Sommerferien verkündet, dass sie in wenigen Tagen umziehen werden – ans andere Ende des Meeres! Dort will Coralline nämlich das ehemalige Grandhotel 17 Wellen wiedereröffnen. Doch Smeeraldas Mutter ist einem Immobilien-Hai auf den Leim gegangen: Das Hotel ist völlig heruntergekommen und muss erst einmal komplett renoviert werden. Und die Eröffnung soll in wenigen Tagen stattfinden! Wie gut, dass Smeeralda schon einige Ideen hat, wie sie ihrer Mutter helfen kann! Ein Abenteuer voller schillernder Meeresbewohner, illustriert von Petra Bergmann.

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Karen Christine Angermayer

Smeeralda und die 17 Wellen

 

 

 

Über dieses Buch

Für das Meermädchen Smeeralda geht die Welt unter, als ihre Mutter Coralline zu Beginn der Sommerferien verkündet, dass sie in wenigen Tagen umziehen werden – ans andere Ende des Meeres! Dort will Coralline nämlich das ehemalige Grandhotel 17 Wellen wiedereröffnen. Doch Smeeraldas Mutter ist einem Immobilien-Hai auf den Leim gegangen: Das Hotel ist völlig heruntergekommen und muss erst einmal komplett renoviert werden. Und die Eröffnung soll in wenigen Tagen stattfinden! Wie gut, dass Smeeralda schon einige Ideen hat, wie sie ihrer Mutter helfen kann!

Mit Illustrationen von Petra Bergmann

Vita

Karen Christine Angermayer ist Autorin und Co-Autorin von über 25 Kinderbüchern sowie Jugendbüchern, Ratgebern und einer Krimireihe.

Petra Bergmann widmete sich viele Jahre der Malerei, gab Malkurse für Kinder und Erwachsene und hatte zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen. Seit 2017 ist sie freiberuflich und voller Überzeugung als Illustratorin tätig.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Juni 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Lektorat Christiane Steen

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung Cordula Schmidt Design, Hamburg

Coverabbildung Petra Bergmann

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01332-2

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

EINSAbschied von zu Hause

Es war schon hell, als das Meermädchen Smeeralda an diesem Morgen erwachte. Das Meer vor ihrem Fenster warf einen türkis-goldenen Schimmer auf ihre Kissen und den hellblauen, weichen Teppich, der die Form eines Delfins hatte. Von der Terrasse draußen, die unterhalb ihres Zimmers lag, konnte sie das Klappern von Geschirr hören. Die ersten Gäste frühstückten schon. Smeeraldas Mutter leitete eine kleine, feine Pension, zu der auch ein Café gehörte.

«Könnte ich noch etwas von dem vorzüglichen Schildkröteneier-Omelett haben?», hörte Smeeralda eine tiefe Stimme fragen. Sie gehörte zu Herrn Lowinsky, einem älteren Seelöwen, der mit seiner Frau jeden Sommer bei ihnen zu Gast war. Auch die Bewohner der kleinen Stadt, in der Smeeralda und Coralline lebten, kamen oft am Nachmittag auf ein leckeres Stück Kuchen vorbei. Corallines Backkünste waren weit im Meer bekannt.

Smeeralda sah auf ihren Muschelwecker. Oh weh, schon Viertel vor acht. Sie hatte verschlafen! Wenn sie sich nicht beeilte, kam sie zu spät zur Schule.

Sie schlug die Bettdecke zurück, schwamm ins Bad und kämmte sich ihre langen blonden Haare mit den türkisblauen Spitzen. Dann schlüpfte sie in einen Rock und ein Oberteil mit blaugrünen Sternchen.

«Guten Morgen!», begrüßte sie das Seelöwen-Paar von der Terrassentür aus.

«Guten Morgen, Smeeralda. Wie schön, dich zu sehen!», rief Frau Lowinsky. Sie war schick frisiert und trug auffallenden Lippenstift. «Du hast ja bald Ferien. Freust du dich schon?» Sie sah ihren Mann an. «Zu meiner Zeit fand ich die Ferien das Beste an der ganzen Schulzeit!», fügte sie hinzu.

Smeeralda nickte lächelnd. «Und wie! Ich kann es kaum erwarten!» In drei Tagen war es endlich wieder so weit: Sechs wunderbare Wochen Sommerferien lagen vor ihr und ihren Freundinnen. Smeeralda winkte den beiden Gästen zu und wollte gerade zu ihrer Mutter in die Küche schwimmen, da rief Frau Lowinsky: «Dürften wir dich noch bitten, ein Foto von uns zu machen? Du hast immer so ein gutes Händchen dafür.»

Smeeralda war spät dran, doch sie wollte dem netten Paar seine Bitte nicht abschlagen. Also fischte sie eine kleine Kamera aus ihrer Schultasche. Das Gehäuse sah genauso aus wie ein Krebs. Die Seelöwen rückten zusammen und legten ihre Flossen auf dem Tisch übereinander.

«Koralleeeee!», rief Herr Lowinsky, und alle drei lachten. Smeeralda drückte auf den Auslöser, und schon kurze Zeit später kam ein farbiges Foto aus dem Bauch des Krebses. Die Gäste waren sehr zufrieden und bedankten sich überschwänglich. Smeeralda wünschte ihnen einen schönen Tag und sauste in die kleine Küche, in der Coralline gerade dabei war, auf einem Teller die zweite Omelett-Portion für Herrn Lowinsky anzurichten.

Smeeralda stibitzte sich mit den Fingern die letzten Krümel aus der Pfanne. «Dein Omelett ist das beste in allen sieben Weltmeeren!», sagte sie kauend.

Ihre Mutter lächelte: «Ja, was eine Prise Plankton-Pfeffer und ein paar Löffel Jakobsmuschel-Milch ausmachen … Da vorne liegt dein Frühstück. Beeil dich und hab einen schönen Tag!»

Smeeralda schnappte sich das liebevoll umwickelte kleine Paket, küsste ihre Mutter auf die Wange und schwamm los.

*

Die Uhr des Rathauses zeigte bereits fünf vor acht, als sie daran vorbeikam. Smeeralda beschleunigte ihre Flossenschläge. Ihr Lehrer Herr Zweistein brummte jedem, der zu spät kam, eine Zusatzaufgabe auf, die in den Pausen erledigt werden musste. So schnell sie konnte, überquerte sie den kleinen Marktplatz mit den bunten Häusern. Dahinter lag ein Park. Wunderschöne Meerespflanzen in kräftigen Farben wuchsen darin. Eine Gruppe älterer Zebrafische machte gerade ihre Morgengymnastik und reckte und streckte die Flossen in alle Richtungen.

Um fünf Minuten nach acht erreichte Smeeralda die Schule, ein mehrstöckiges, langes Gebäude, dessen Räume in ein leuchtend rotes Korallenriff eingebettet waren. Der Schulhof war leer – die erste Stunde hatte schon begonnen.

Herr Zweistein, ein Seehund mit Schnauzbart und wilden weißen Haaren, sah Smeeralda vorwurfsvoll an, als sie in ihr Klassenzimmer schwamm. Alle anderen Kinder waren bereits über ihre Hefte gebeugt und schrieben ein Diktat. Smeeralda setzte ihr freundlichstes Lächeln auf, doch Herr Zweistein sah nur auf die Uhr, schlug das Klassenbuch auf und trug mit strenger Miene etwas darin ein. Smeeralda beeilte sich, neben ihren Freundinnen Nixe und Undine Platz zu nehmen. «Fünf Minuten Verspätung, das macht fünf zusätzliche Sätze», rief Herr Zweistein. «Wir sehen uns in der Pause!»

Smeeralda seufzte. Undine, die ihre langen roten Haare heute zu einem Pferdeschwanz hochgebunden hatte, verdrehte die Augen. Sie waren mandelförmig und tiefgrün. Smeeralda fand ihre Freundin wunderschön. Auch Nixe, die einen frechen braunen Kurzhaarschnitt und hellblaue, blitzende Augen hatte, schüttelte den Kopf. «Kann er nicht mal drei Tage vor den Ferien entspannt sein?», flüsterte sie.

Herr Zweistein klopfte mit der Flosse auf die Tischplatte. «Ruhe, bitte! Wir fahren mit dem Diktat fort. ‹Der Buckelwal ist ein Vertreter der Furchenwale …›», diktierte er.

 

In der großen Pause warteten die beiden Freundinnen bereits an ihrem Lieblingsfelsen, als Smeeralda endlich aus dem Schulgebäude kam. «Ich wusste nicht, dass fünf Sätze so lang sein können!», rief sie gequält.

«Habt ihr schon gehört?», fragte Nixe. «In den Ferien kommt endlich wieder eine Kirmes in die Stadt. Bei uns in der Straße hängen Plakate.»

«Oh, du meinst, mit dem tollen Oktopus-Karussell und der Delfin-Achterbahn?», fragte Undine mit leuchtenden Augen. «Ich liebe Achterbahnen!»

«Ich auch», rief Smeeralda. «Man bekommt immer so schön Bauchkribbeln davon! Aber das Beste an den ganzen Ferien ist das Ausschlafen.»

Nixe nickte. «Ich werde meinen Wecker ganz tief im Sand verbuddeln! Am besten so, dass ich ihn auch nach den Ferien nicht mehr höre.» Die drei lachten. «Übrigens hat meine Mutter erlaubt, dass wir am letzten Schultag bei mir die Übernachtungsparty machen.»

«Cool!», rief Undine.

«Und meine Mutter hat gestern ein neues Rezept für meergrüne Muffins ausprobiert. Die schmecken himmlisch! Ich backe uns welche und bringe sie zur Party mit», versprach Smeeralda.

Viel zu schnell ertönte der Pausengong und beendete ihre fröhliche Partyplanung.

*

Als Smeeralda mittags nach Hause kam, ließ sie fröhlich ihre Schultasche in eine Ecke des Flurs fallen.

«Schatz, was sollen die Gäste denken?», rief Coralline aus der Küche. Smeeralda grinste. Ihre Mutter hatte ihre Augen und Ohren wirklich überall. Smeeralda hob die Tasche auf und nahm sie mit in die Küche. «Hallo, Mama.»

«Hallo, Liebes», antwortete die Mutter und warf ihr eine Kusshand zu. Duftende Algenbratlinge brutzelten in zwei großen Pfannen auf dem Herd. Coralline war gerade dabei, auf einem großen Tablett mehrere Schüsselchen mit frischen Salatblättern und klein geschnittenem Seegras zu befüllen. Über jede Schüssel gab sie ein paar Löffel von einem korallenfarbenen Dressing.

Von der Terrasse war fröhliches Geplapper zu hören. Durch das Fenster erkannte Smeeralda eine Clownfisch-Familie, ein junges Krebs-Pärchen und zwei betagte Rochen-Damen. Die beiden schlürften genüsslich ein blaugrünes Getränk mit Eiswürfeln.

«Setz dich schon mal hin. Ich bringe den Gästen nur noch schnell den Salat – und dann habe ich eine Überraschung für dich!», meinte Coralline strahlend. Sie sah anders aus als sonst, fand Smeeralda. Noch fröhlicher. Was war los? Und was für eine Überraschung konnte das wohl sein?

Neugierig setzte sich das Meermädchen. Ihre Mutter verließ mit den Salaten die Küche und kam kurze Zeit später mit leerem Tablett wieder herein. Sie stellte es ab, nahm einen großen bunt bedruckten Umschlag von der Anrichte und reichte ihn Smeeralda mit einem Lächeln. «Das ist die Überraschung!»

Auf dem Umschlag waren sommerliche Fotos mit Liegestühlen und Sonnenschirmen zu sehen sowie wunderschöne Meereshäuser mit Gärten, in denen Fischkinder Sandburgen bauten.

«Verreisen wir etwa?», fragte Smeeralda ungläubig. «Du hast doch gesagt, wir können nicht wegfahren, weil wir die ganzen Ferien über Gäste haben.»

Coralline setzte sich zu ihr und schüttelte den Kopf. «Wir fahren nicht weg. Wir ziehen um!» Sie griff in den Umschlag und zog eine edle Mappe heraus: Ein dunkler Einband hielt einen Stapel glänzend bedruckter Algenblätter zusammen. Auf der ersten Seite war ein Hai mit schwarzer Sonnenbrille und Schmalzlocke abgebildet, der von einer Kieme zur anderen lächelte und mit einem Schlüsselbund in der Flosse klimperte. Ob Schneckenhaus oder Schloss: Ihr Immobilien-Hai findet für Sie das Haus Ihrer Träume! stand da zu lesen.

Smeeralda fand, dass der Hai ziemlich eingebildet aussah. Und hatte sie richtig gehört? «Wir ziehen um?» Was hatte das alles zu bedeuten?

Coralline half ihr auf die Sprünge. «Erinnerst du dich? Ich habe mich doch vor einigen Wochen für den Kauf des Grandhotels ‹17 Wellen› beworben», sagte sie. «Heute habe ich per Post die Zusage bekommen! Es gab über 500 Interessenten. Und wir wurden genommen, du und ich! Was sagst du dazu?»

Smeeralda sagte erst einmal nichts. Sie wusste, dass Coralline schon seit Jahren den großen Traum hatte, ein Hotel zu eröffnen, weil die Pension zu klein geworden war. Aber ein Umzug? An den Gedanken musste sich das Meermädchen erst einmal gewöhnen.

Die Fotos von dem Grandhotel, die der Mappe beilagen, wirkten sehr nobel. Das weiß getünchte große Haus hatte mehrere Stockwerke, die in ein leuchtend rotes Korallenriff eingebettet waren. Alles strahlte in hellen, angenehmen Farben. Von den Balkonen winkten fröhliche Gästefische. An einem Pool in einem großen, schön angelegten Garten lagen weitere Gäste, die entspannt die Augen geschlossen hatten oder Cocktails schlürften.

«Nun sag doch was!», drängte Coralline. «Gefällt es dir etwa nicht?»

«Doch, doch, es sieht sehr schön aus», beeilte sich Smeeralda zu antworten. Sehr begeistert klang sie allerdings nicht. Von einer Klassenkameradin wusste sie, dass ein Umzug viel Arbeit machte. Man musste alles, was man besaß, in Kisten verpacken und am neuen Ort wieder ausräumen «Aber, was ist mit unserem Zuhause hier?», fragte sie nachdenklich. «Und mit allen Gästen, die über die Ferien hier in die Pension kommen wollen?»

Coralline ergriff ihre Hand. «Wir verkaufen dieses Haus. Das wird ganz schnell gehen. Der Immobilien-Hai hilft mir dabei. Und den Gästen habe ich zum Teil schon Bescheid gegeben. Sie sind ganz begeistert von meinem Angebot und haben mir versprochen, statt hierher einfach ins neue Grandhotel zu kommen! Ich habe ihnen die Zimmer zum gleichen Preis angeboten. Es wird alles ganz wunderbar, du wirst sehen. Und du darfst dir natürlich das größte und schönste Zimmer in den ‹17 Wellen› aussuchen. In Ordnung?»

Smeeralda nickte langsam. «Was heißt eigentlich ‹Grand …›?», fragte sie.

«Das heißt großartig», erklärte Coralline. «Und unser neues Leben wird genau das werden: einfach großartig!» Sie breitete die Arme aus. «Ich könnte das ganze Meer umarmen. Heute ist der schönste Tag meines Lebens!»

Smeeralda versuchte ein Lächeln, weil sie ihrer Mutter die Freude nicht verderben wollte. «Wann ziehen wir denn um?», fragte sie.

«Am ersten Ferientag», rief Coralline fröhlich.

Smeeralda erschrak. «Aber – das ist ja schon in drei Tagen!»

Coralline nickte. «Ja, das Hotel ist ganz frisch renoviert und fertig eingerichtet. Wir können sofort loslegen. Das ist mir auch sehr recht, denn in den Sommerferien ist Hochsaison, wie du weißt. Da kommen die meisten Gäste, und ich möchte keine Zeit verlieren. Wenn alles klappt, wie ich mir das vorstelle, dann können wir schon in einer Woche eröffnen!»

Smeeralda schluckte. Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals. Sie dachte an die geplante Party mit ihren Freundinnen, die Kirmesbesuche und die Ferien, die jetzt keine gemeinsamen mehr waren. Wie sich alles von einem Moment auf den anderen verändern konnte … Der Gedanke, ihr geliebtes Zuhause zu verlassen, behagte ihr gar nicht.

«Wo liegt denn das Hotel eigentlich?», fragte sie mit Blick auf die bunten Bilder im Prospekt. «Muss ich nach den Ferien den Wal-Bus nehmen, um zur Schule zu kommen?», fragte sie.

Bei dieser Frage wurde Corallines Gesicht ernst. Sie nahm Smeeraldas Hand. «Schatz … Das Grandhotel ‹17 Wellen› ist nicht hier in der Gegend. Du wirst nach den Ferien auf eine andere Schule gehen.»

Smeeralda starrte ihre Mutter entsetzt an. «Eine andere Schule? Wir ziehen so weit weg?» Sie überlegte fieberhaft. «Aber ich kann Nixe und Undine doch wenigstens an den Wochenenden sehen, oder etwa nicht?» Voller Sorge sah sie Coralline an.

Doch die schüttelte bedauernd den Kopf. «Das wird leider nicht gehen. Unser neues Zuhause liegt in einem südlicheren Teil des Meeres.»

Smeeralda schnappte nach Luft. «In einem südl …?! Aber das geht nicht … Das ist unmöglich!», platzte es aus ihr heraus. Sie war den Tränen nahe.

Coralline drückte ihre Hand. Sie nickte. «Ich weiß, dass das nicht leicht für dich ist. Es ist für uns beide ein großer Schritt. Und ich bin mir bewusst, dass alles jetzt sehr schnell für dich kommt. Ich hoffe, du kannst mich verstehen. Eine solche Chance bekommt man nur einmal im Leben.»

Plötzlich sah sie zum Herd, von dem es verdächtig qualmte. «Die Bratlinge! Warte einen Augenblick.» Sie schwamm auf und drehte in Windeseile alle Herdplatten ab. Dann verteilte sie die Bratlinge auf große Teller, die schon bereitstanden und mit einem Sträußchen Meerespetersilie garniert waren. Zum Schluss gab sie auf jeden der Teller noch etwas gedünsteten Meeresspargel.

Smeeralda saß am Tisch und starrte wortlos vor sich hin. Sie hatte das Gefühl, mit dem Stuhl und dem Tisch verwachsen zu sein und sich nicht von der Stelle bewegen zu können. War das alles nur ein Traum? Würde sie gleich aufwachen und alles wäre gut? Doch ein Gefühl sagte ihr, dass das hier kein Traum war. Was würde bloß aus ihr und ihren Freundinnen werden?

Während Coralline zügig mehrmals von der Küche zur Terrasse eilte, um allen Gästen die warmen Speisen zu servieren, schwamm Smeeralda langsam hinauf in ihr Zimmer. Oben angekommen warf sie sich auf ihr Bett, drückte den Kopf in ihre Kissen und weinte.

Als Coralline ein wenig später an ihre Tür klopfte und mit ihr sprechen wollte, gab Smeeralda keine Antwort.

*

Auch Smeeraldas Freundinnen waren bestürzt, als sie ihnen am Nachmittag davon berichtete, dass ihre schöne Party sowie die Ferien schon ins Wasser gefallen waren, ehe sie begonnen hatten. Die drei saßen auf dem kleinen Marktplatz und tranken einen Muschelcreme-Shake. Alle ließen traurig die Flossen hängen. Nixe hatte den Arm um Smeeralda gelegt. «Wir werden immer Freundinnen sein. Und wir werden dich so bald wie möglich besuchen kommen!», versprach sie ihrer Freundin.

Auch Undine nickte. «Kein Meer ist zu weit, als dass wir uns nicht sehen können!»

Smeeralda nickte und wischte sich eine Träne von der Wange. «Immerhin gibt es starkes Wellen-LAN im Hotel. So steht es zumindest in der Broschüre», sagte sie.

«Wenigstens etwas», meinte Undine. «Dann können wir uns jeden Tag anrufen. Von morgens bis abends!»

«Nur nicht gerade im Unterricht von Herrn Zweistein!», rief Nixe. «Fünf Extrasätze für fünf Minuten telefonieren!», äffte sie die Stimme des Lehrers nach. Bei ihrer Bemerkung mussten die anderen beiden trotz der trostlosen Lage lächeln.

ZWEIDie Reise mit dem Wal

Ein paar Tage später war es so weit. Viele Freunde von Coralline und Smeeralda hatten sich bereit erklärt zu helfen. Mit vereinten Flossen hatten sie alles, was Smeeralda und Coralline mitnehmen wollten, in Kisten und Kästen gepackt. Die Umzugsfirma, die aus einer Flotte riesiger Kraken bestand, kam pünktlich am frühen Morgen des ersten Ferientags, um die Sachen an den neuen Ort zu transportieren.

Es war Smeeralda und Coralline nicht leichtgefallen, noch einmal durch die ganze Pension zu schwimmen, einen letzten Blick in alle Zimmer zu werfen und die Haustür für immer zu schließen. Wer würde jetzt wohl in ihrem Zimmer schlafen, aus ihrem Fenster hinaus aufs Meer schauen …? Tränen kullerten Smeeralda über die Wangen, während sie an der Haltestelle auf den Wal-Bus warteten. Wie kleine Perlen lösten sich die Tränen immer wieder aus ihren Augenwinkeln, sosehr sie versuchte, sie herunterzuschlucken. Auch Coralline war still und hatte den Arm um Smeeralda gelegt.

Dann hielt der riesige Wal vor ihnen. Der Gästebereich bestand aus einem großen, lang gezogenen Metallkorb mit Fenstern, der unter dem Bauch des Tieres angehängt war. Coralline und Smeeralda nahmen ihre Koffer, stiegen ein und setzten sich zu einem nett aussehenden älteren Walross-Herrn. Er trug einen Zylinder und las Zeitung. Smeeralda grüßte ihn freundlich und setzte sich ihm gegenüber. Coralline nahm neben ihrer Tochter Platz. Ihr gegenüber fand sich eine Barsch-Mutter ein, die ihre vielen Kinder auf die umliegenden Sitze verteilte. Mutter wie Kinder riefen laut durcheinander.

Coralline war sehr erschöpft von allen Umzugsvorbereitungen und schloss schon bald die Augen. Smeeralda sah aus dem Fenster.

«Hab dich! Hab dich!», riefen zwei Barsch-Kinder, die im Gang Fangen spielten. Ihre Mutter ermahnte sie, leiser zu sein und Rücksicht auf die anderen Mitreisenden zu nehmen. Ein Tintenfisch-Paar, das hinter Smeeralda saß und das sie nicht sehen, aber hören konnte, erzählte einem Sitznachbarn von ihrem letzten Ausflug in den Indischen Ozean und wie schön es dort gewesen sei. Auch jetzt hatten sie wieder einen längeren Urlaub vor, auf den sie sich sehr freuten.

Wenn man in Urlaub fährt, dann kommt man danach wieder nach Hause, dachte Smeeralda. Wir kommen nicht mehr zurück. Der Gedanke erfüllte sie mit Wehmut. Nixe und Undine hatten ihr wunderschöne Abschiedsgeschenke gebastelt: eine lange Muschelkette und ein Kissen, das sie selbst bemalt und mit vielen guten Wünschen für die kommende Zeit beschrieben hatten. Smeeralda trug die Kette um den Hals und hatte sich vorgenommen, das Kissen ab jetzt als Kopfkissen zu benutzen.

Durch den Wal-Bus fuhr ein plötzlicher Ruck. Erschrockene Aufschreie waren zu hören. Die Barsch-Kinder purzelten alle durcheinander, fanden das jedoch sehr lustig. «Kinder, setzt euch hin und schnallt euch an. Es gibt Turbulenzen!», rief ihre Mutter besorgt. Gehorsam schwammen sie zu ihren Plätzen. Auch Smeeralda schnallte sich lieber an, während der Wal sie sicher durch die Strömungen navigierte. Von Zeit zu Zeit musste er herannahenden Wellenfeldern ausweichen, indem er mit seiner Nase in die Höhe stieg und sie danach wieder senkte. Koffer und Taschen, die niemand festhielt, rutschten quer über die Gänge. Eine ältere Qualle, die neben der Barsch-Mutter saß, wurde einen Moment lang grün im Gesicht. Alle Reisenden atmeten auf, als das Fahrwasser wieder ruhiger wurde und der Wal gemächlich seine Reise fortsetzte.

Der Walross-Herr faltete seine Zeitung zusammen. Die Turbulenzen schienen ihm nichts ausgemacht zu haben. Er öffnete seine Aktentasche, packte eine große Dose mit Keksen aus und bot sie Smeeralda an. «Greif zu. Nimm so viele, wie du magst!»

Doch das Meermädchen hatte keinen Hunger. Unbekümmert verschlang der Herr gleich drei Kekse auf einmal.

«Du wirkst so traurig», meinte er nach einer Weile und sah sie prüfend an. «Gibt es gar nichts, das dich aufheitern kann?» Sein Lächeln war freundlich und teilnahmsvoll. Doch Smeeralda schüttelte den Kopf. Was sollte sie sagen? Dass es ihr in Wahrheit viel lieber gewesen wäre, die Ferien mit ihren Freundinnen zu beginnen als im Bauch eines Wals?

«Wohin geht die Reise denn, wenn ich fragen darf?», erkundigte sich das Walross.

«In den Süden», antwortete Smeeralda und musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu seufzen. Wie der Ort genau hieß, in dem das Hotel lag, wusste sie selbst nicht. Sie hatte ihre Mutter nicht gefragt.

«In den Süden …», sagte ihr Gegenüber. Sein Gesicht hellte sich auf. «Das ist gut!»

Smeeralda verstand nicht, was er meinte. «Warum?»

«Nun, an einem neuen Ort können neue Dinge geschehen», fuhr das Walross fort und schnappte sich noch zwei Kekse. Kauend sah es Smeeralda an, als wollte es noch etwas sagen.

In dem Moment wurde Coralline wach. Sie streckte sich und sah sich um. «Wie lange fahren wir noch?», fragte sie.

«Acht Stunden», antwortete die Barsch-Mutter.

Smeeralda seufzte. Acht lange Stunden noch …

Das Walross packte seine Keksdose wieder ein und holte stattdessen ein Notizbuch sowie einen schillernden Füller hervor. «Hier, die schenke ich dir», sagte er und reichte Smeeralda beides.

Das Meermädchen sah ihn überrascht an.