Society Weddings - vier Millionäre verlieren ihr Herz - 4-teilige Serie - Michelle Smart - E-Book

Society Weddings - vier Millionäre verlieren ihr Herz - 4-teilige Serie E-Book

Michelle Smart

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Beschreibung

Heiraten war nie eine Option für Rocco Mondelli, Christian Markos, Stefan Bianco und Zayed Al Afzal. Doch was passiert, wenn die 4 sexy Millionäre plötzlich einer nach dem anderen ihr Herz verlieren?

IM RAUSCH DES VERLANGENS

Rocco Mondelli liebt die Frauen - und seine Freiheit! Doch wenn der italienische Geschäftsmann jetzt nicht offiziell sein Playboy-Leben aufgibt, verliert er seinen Anteil am Familienunternehmen. Die Lösung? Eine Scheinehe mit Supermodel Olivia! Zwar ist sie für ihn eine schamlose Mitgiftjägerin - aber nur deshalb macht sie sein Spiel auch mit, glaubt er. Bis er trotz allem ihren Reizen nicht widerstehen kann. Und sich im Rausch des Verlangens plötzlich fragt: Ist sie doch nicht die, für die er sie hält? Oder verfällt er nur gerade einer besonders raffinierten Verführerin?

DIR KANN ICH NICHT WIDERSTEHEN

Für den griechischen Selfmade-Millionär und Frauenhelden Christian Markos ist die strahlend schöne Alessandra eigentlich tabu. Schließlich ist sie die kleine Schwester seines besten Freundes! Doch irgendwann kann er der verbotenen Anziehung zwischen ihnen nicht mehr widerstehen. Und als Alessandra ihm die süßen Folgen ihres heimlichen One-Night-Stands gesteht, macht er ihr spontan einen Heiratsantrag. Natürlich nur, um ihren Ruf zu retten. Denn Alessandra die ersehnte Liebe zu schenken, ist zu gefährlich. Dazu müsste er ihr sein Geheimnis verraten - und das ist unvorstellbar!

DAS, WAS ICH WILL, BIST DU

"Ich will, dass du mir öffentlich deine Liebe erklärst." Der sizilianische Milliardär Stefan Bianco kann nicht fassen, was die schöne Clio von ihm verlangt. Zwar hat sie lediglich eine Scheinehe im Sinn. Aber in seinem Playboyleben ist dauerhaft kein Platz für eine Frau! Allerdings kann er einzig und allein mit Clios Hilfe einen skrupellosen Immobilienhai des Betrugs überführen. Und so lässt er sich auf ihr Spiel ein. Natürlich bloß, bis er sein Ziel erreicht hat! Doch dann steigt nicht nur sein sinnliches Verlangen immer mehr, er spürt auch längst verloren geglaubte Gefühle …

VERFÜHRT IN EINER WÜSTENNACHT

Scheich Zayed hat keine Wahl: Um den Frieden für sein Land zu sichern, muss er seinen Ruf als Playboy-Prinz loswerden - und heiraten! Da kommt ihm die betörende Nadia gerade recht. Angeblich ist sie auf der Flucht vor ihrer Familie und eine Vernunftehe mit Zayed erscheint als einzige Rettung. Doch anders als geplant, knistert es bald immer sinnlicher zwischen ihnen. Und in einer heißen Wüstennacht kann Zayed den verführerischen Reizen seiner Braut schließlich nicht mehr widerstehen. Da gesteht sie ihm, wer sie wirklich ist: ausgerechnet die Tochter seines größten Feindes!

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Seitenzahl: 801

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Jennifer Hayward, Michelle Smart, Tara Pammi, Andie Brock

Society Weddings - vier Millionäre verlieren ihr Herz - 4-teilige Serie

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „The Italian’s Deal for I Do“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2228 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: SAS

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733706685

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Er wird die Nacht nicht überstehen.“

Vor den mit Schnitzereien reich verzierten schweren Holztüren von Giovanni Mondellis Schlafzimmer stützte der alte Priester, der die Mondellis in Varenna schon seit Ewigkeiten betreute, sich auf seinen Stock und nickte den beiden Enkeln des Patriarchen zu. „Verabschiedet euch, sagt ihm, was ihr ihm noch zu sagen habt.“

Die Trauer eines ganzen Dorfes schwang in der heiseren Stimme des Priesters mit. Eine Stimme, die wie ein rostiges Messer durch Rocco Mondelli schnitt und ihm die Sprache raubte. Giovanni Mondelli, italienischer Modezar, war ihm der Vater gewesen, den er nicht gehabt hatte, sein Mentor, als er vom Großvater als CEO des Modehauses übernommen und das Haus Mondelli zu einem international vertretenen Couture-Tempel gemacht und ins einundzwanzigste Jahrhundert geführt hatte.

Und jetzt verlor er ihn.

Sein Herz setzte aus, um dann umso heftiger gegen seine Rippen zu hämmern. Giovanni war alles für ihn – Vater, Mentor, Freund. Es durfte einfach nicht sein.

Alessandra, seine Schwester, krallte die Finger in seinen Arm, ihre Knöchel weiß auf seinem dunklen Anzug. „Ich … ich kann das nicht.“ Ihr seidiges braunes Haar umrahmte ihr Gesicht mit den entsetzt aufgerissenen Augen. „Es kommt so plötzlich. Ich habe noch so viel zu sagen.“

Rocco unterdrückte das Bedürfnis, sich schluchzend auf den Boden zu werfen, weil es so unfair war, so wie er es als Siebenjähriger getan hatte, als er und sein Vater die Asche seiner Mutter vom Boot aus in die blauen Wasser des Comer Sees gestreut hatten. Er hatte Alessandra bekommen, aber seine geliebte Mutter war ihm dafür genommen worden. Nein, das Leben war nicht fair.

Er legte seiner Schwester die Hände auf die Schultern. „Wir können, und wir werden. Weil wir müssen, sorella.“

Die Tränen rannen ungehemmt über Alessandras Wangen, verfingen sich in den starrsinnigen Zügen um ihren Mund. „Ich kann nicht, Rocco.“

„Du kannst.“ Er zog sie an seine Brust, auch wenn er selbst kaum atmen konnte. „Überlege dir, was du ihm noch sagen willst. Viel Zeit bleibt nicht mehr.“

Alessandras stille Tränen nässten sein Hemd. Nach dem Tod der Mutter und dem daraus resultierenden Abdriften des Vaters in Alkohol und Glücksspiel waren es immer Rocco und Giovanni gewesen, die die Familie zusammengehalten hatten. Jetzt jedoch fühlte Rocco sich nicht in der Lage dazu, eher meinte er, der leiseste Windhauch von See her würde ihn fällen können. Nur war es noch nie eine Option für ihn gewesen, sich Schwächen und Gefühlen zu ergeben.

Einen Arm um Alessandras schmale Schultern gelegt, wandte er sich an den Arzt, der hinter dem Priester stand. „Ist er wach?“

Der Doktor nickte. „Ja, gehen Sie nur hinein.“

Er spürte das Beben, das seine starke, manchmal fehlgeleitete, aber immer selbstsichere Schwester durchlief, als er mit ihr zusammen Giovannis Schlafzimmer betrat. Der Anblick seines einst so eleganten, energischen, tatkräftigen Großvaters dort in den weißen Laken, die immer gebräunte Haut jetzt aschgrau, schnürte ihm die Kehle zu. Das da war nicht Giovanni.

Er schluckte schwer und schob Alessandra vor. „Geh zu ihm.“

Alessandra kletterte auf das riesige Bett und schlang die schmalen Arme um ihren Großvater. Zu sehen, wie Giovannis Augen plötzlich tränenfeucht schimmerten, war zu viel. Rocco stellte sich ans Fenster und blickte auf den See hinaus.

Er und Alessandra waren sofort von der Mailänder Mondelli-Zentrale mit dem Hubschrauber hierhergeflogen, als die Nachricht vom Herzinfarkt des Großvaters sie erreicht hatte. Den ganzen Tag hatte Giovanni die Schmerzen in der Brust stur ignoriert, und als er endlich einen Arzt hinzugezogen hatte, konnte der nicht mehr viel tun.

Roccos Mund zuckte. Vermutlich würde sein Großvater das als die beste Art zu gehen ansehen – kurz vor dem Triumph von Mondellis neuester Herbstkollektion. Aber Giovanni war eigentlich schon seit zwanzig Jahren bereit, mit seiner geliebten Rosa in den himmlischen Gefilden wieder zusammenzukommen. Sicher, Giovanni hatte das Leben in vollen Zügen genossen, hatte sich geweigert, nach dem Tod der geliebten Frau vor Kummer einzugehen, aber da hatte es immer einen Teil in ihm gegeben, der sich nach ihr gesehnt hatte.

Mit einem erstickten Schluchzen lief Alessandra aus dem Zimmer, und Rocco kehrte an die Bettseite zurück. „Du hast ihr das Herz gebrochen“, sagte er leise.

„Das hat Sandro schon vor langer Zeit besorgt.“ Damit bezog Giovanni sich auf Roccos Vater. Mit der Hand tippte er schwach auf die Bettkante. „Setz dich.“

Rocco schluckte. „Nonno, ich …“

„Ich weiß.“ Sein Großvater legte die langen Finger auf seine Hand. „Ti amo, mi figlio. Aus dir ist ein großer Mann geworden. Ich habe es immer gewusst.“

Der Kloß in Roccos Kehle war zu groß, um noch ein Wort hervorzubringen.

„Vertraue auf dich selbst, Rocco. Vertraue dem Mann, der du bist.“ Giovanni hatte Mühe, die Lider offen zu halten. „Verstehe, weshalb ich getan habe, was ich getan habe.“

Seine Lider schlossen sich, Roccos Herz raste. „Giovanni, gehe nicht. Es ist noch nicht Zeit.“

Mit Anstrengung hob sein Großvater noch einmal die Lider. „Versprich mir, dass du dich um Olivia kümmerst.“

„Olivia?“ Rocco runzelte die Stirn.

Als sein Großvater dieses Mal die Lider schloss, blieben sie geschlossen. Eiskalte Finger griffen nach Roccos Herzen. Er packte seinen Großvater bei den Schultern, schüttelte ihn. Komm zurück, lass mich nicht allein, schrie es in seinem Kopf. Aber Giovanni öffnete die Augen nicht mehr. Der brillante Kopf und die Seele des Hauses Mondelli war von ihnen gegangen. Rocco stieß einen gequälten Schrei aus und legte seine Stirn an die seines toten Großvaters.

„Nein“, flüsterte er immer wieder verzweifelt. Es war doch viel zu früh …

In der folgenden Woche war Rocco nichts von dem Gefühlstumult, der bei Giovannis Tod in ihm getobt hatte, anzumerken, als er die Details der Geschäftsübernahme und die Beerdigung seines Großvaters organisierte. Alessandra half ihm bei den Arrangements für die Trauerfeier, die Ausmaße eines Staatsaktes annahm. Jeder wollte dem Modezar die letzte Ehre erweisen, schließlich hatte er über vierzig Jahre lang die Größen der Welt eingekleidet. Und natürlich würde auch der Rest der „Columbia Four“ kommen – die drei Männer, mit denen Rocco seit Beginn des Studiums an der Columbia University eine enge Freundschaft verband. Kein leichtes Unterfangen bei den vollen Terminkalendern von Christian Markos, Stefan Bianco und Zayed Al Afzal. Der in Athen geborene Christian war ein brillanter Finanzmakler, der seine Zeit zwischen Griechenland und Hongkong aufteilte. Stefan Bianco, der unergründliche Sizilianer, zog es vor, sein Geld mit Immobiliengeschäften von seinem Privatflugzeug aus zu scheffeln statt von seinem Manhattaner Büro. Und Scheich Zayed Al Afzal hatte sowieso den weitesten Anflug von seinem kleinen arabischen Wüstenreich Gazbiyaa. Memento vivere war das Motto der Columbia Four – Denk daran zu leben. Es bedeutete, das Leben bis zur Neige auszukosten, Risiken einzugehen, sich immer gegenseitig den Rücken zu decken.

Das Wissen, dass seine Freunde, die mehr wie Brüder für ihn waren, bald hier sein würden, tröstete Rocco, als er sich in der Kanzlei Adamo Donati, dem langjährigen Familienanwalt der Mondellis, an dessen Schreibtisch gegenübersetzte.

„Sollen wir dann?“ Der Mittsechziger war nicht nur weiser Freund und brillanter Anwalt, sondern auch ein versierter Geschäftsmann. Auf Roccos Nicken hin begann er: „Die Häuser hat Giovanni zwischen dir und Alessandra aufgeteilt, was dir sicherlich nicht neu sein wird. Alessandra erbt das Haus in St. Barts und das Apartment in Paris, während du die Villa Mondelli erhältst und das Haus in New York.“

Rocco nickte ein weiteres Mal. Alessandra, die als international renommierte Fotografin um den Globus reiste, hatte einmal gescherzt, dass sie sich in der Villa Mondelli nur verlaufen würde, weil das Anwesen viel zu groß für sie sei. Für Rocco dagegen war es der einzige Ort auf der Welt, an dem er frei atmen konnte. „Und mein Vater?“

„Das bisherige Arrangement bleibt bestehen. Giovanni hat eine Summe für Sandro bestimmt, die du jedoch verwalten wirst.“

Wie ein Kind, das Taschengeld bekam. Rocco erwartete nicht mehr, dass sein Vater es noch lernen würde, mit Geld umzugehen, aber irgendwo in ihm lebte tatsächlich der Wunsch, Sandro würde sich dafür entschuldigen, dass er das Heim der Familie verspielt hatte. Aber bis dahin würde Sandro also weiter in dem Apartment im Zentrum leben, wöchentliche Proviantlieferungen erhalten und das Bargeld, das ihm zugeteilt wurde, am Spieltisch verschleudern.

Der Anwalt blätterte seine Unterlagen durch. „Es gibt da noch ein Apartment, in Mailand. Giovanni hat es vor einem Jahr gekauft. Aber davon steht nichts im Testament.“

„Noch ein Apartment?“ Rocco runzelte die Stirn. Seinem Großvater hatte das Stadtleben nie behagt, er hatte es vorgezogen, von der Villa aus zu pendeln, entweder per Auto oder mit dem Firmenhubschrauber.

„Das Apartment läuft auf den Namen deines Großvaters, aber“, der Anwalt sah auf, „eine Frau wohnt darin – Olivia Fitzgerald. Es hat etwas gedauert, bis ich ihren Namen herausgefunden habe, sie nutzt ihren echten Namen nämlich nicht.“

„Olivia Fitzgerald, das Model?“ Rocco starrte den Anwalt an, als hätte der gerade behauptet, der Papst sei zum Protestantentum konvertiert. Olivia Fitzgerald, weltbekanntes Top-Model, hatte vor fünf Jahren einen Vertrag mit der Konkurrenz unterschrieben und war dann vor einem Jahr spurlos verschwunden. Sämtliche Medien hatten sich überschlagen mit Spekulationen, suchten noch immer hektisch nach ihr. Und Giovanni hatte sie in einem Apartment hier in der Stadt untergebracht?

Das ließ eigentlich nur einen Schluss zu. „Er hatte eine Affäre mit ihr?“

Der alte Anwalt wich Roccos Blick aus. „Nun, in gewisser Hinsicht … Die Nachbarn sagen, er hat viel Zeit in ihrer Wohnung verbracht, und man hat sie Arm in Arm zum Dinner gehen sehen.“

Rocco massierte sich die Schläfen. Sein siebzigjähriger Großvater hatte eine Affäre mit einem Top-Model gehabt, das höchstens Mitte zwanzig sein konnte? Ein Partygirl, das ihre Millionen so schnell aus dem Fenster warf, wie sie sie mit ihrem Job hereinholte? Lächerlich! War das dieselbe Welt, in der er noch vor einer Woche gelebt hatte?

Versprich mir, dass du dich um Olivia kümmerst.

Cristo! Es stimmte also. Undenkbar, dass er der Geliebten seines Großvaters nach dessen Tod erlaubte, weiterhin in einem Mondelli-Besitz zu leben! Einer Frau, die sich ganz offensichtlich erhofft hatte, etwas von Giovannis Vermögen würde für sie abfallen.

Mit kaltem Blick sah er den Anwalt an. „Gib mir, was du über sie hast. Ich kümmere mich darum.“

Adamo nickte und fuhr sich mit der Hand über das schüttere Haar. Wieder wich er Roccos Blick aus, was eigentlich völlig untypisch für ihn war.

Rocco zog eine Braue in die Höhe. „Per favore, sag jetzt nicht, dass es da noch mehr Geliebte gibt.“

Adamo lächelte schmal. „Nicht, dass ich wüsste.“

„Was ist es dann?“

Das Lächeln schwand. „Giovanni hat dir fünfzig Prozent von Mondelli überlassen, Rocco. Die anderen zehn Prozent Anteile werden von Renzo Rialto verwaltet, bis er die Zeit für gekommen hält, sie dir zu überschreiben.“

Rocco blinzelte verblüfft. Giovanni hatte ihm also nicht die Aktienmehrheit an Mondelli überlassen? Die Mondelli-Familie hatte von je her sechzig Prozent am Unternehmen besessen, damit die Kontrolle in Händen der Familie blieb. Er als CEO brauchte diese Mehrheit, um die Geschicke des Unternehmens zu lenken. Weshalb sollte Giovanni ihm die Kontrolle genommen und dann auch noch Renzo Rialto, dem Vorstandsvorsitzenden und schon seit Ewigkeiten Roccos Nemesis, übergeben haben?

Roccos missmutige Miene war nicht zu übersehen. „Er wollte verhindern, dass du ohne ihn dem vollen Druck ausgesetzt bist“, versuchte der Anwalt zu erklären. „Du sollst dich auf den Vorstand stützen können, bis du Fuß gefasst hast und dich sicher fühlst. Wenn der Vorstand der Ansicht ist, dass du so weit bist, bekommst du die zehn Prozent.“

„Fuß fassen?“ Rocco sprang auf, stützte die Hände flach auf den Schreibtisch und beugte sich mit funkelnden Augen vor. „Ich habe dieses Unternehmen zu einem Erfolg geführt, den Giovanni sich nicht einmal erträumt hätte. Ich muss nicht Fuß fassen, Adamo, sondern verlange das, was mir rechtmäßig zusteht – die Kontrolle über die Firma.“

Adamo hob beruhigend die Hände. „Du musst es mit Blick auf deine persönliche Geschichte sehen, Rocco. Du warst ein Rebell. Du hast keinen einzigen Rat des Vorstands befolgt.“

„Weil sie alle danebenlagen. Sie wollen Mondelli im alten Ruhm belassen, während es längst höchste Zeit war, sich den modernen Zeiten anzupassen.“

„Ich bin deiner Meinung“, Adamo zuckte mit den Schultern, „aber nicht jeder hat so gedacht. Im Vorstand ist man noch immer sehr konservativ, schwelgt in nostalgischen Erinnerungen an einstige Größe und ist nicht gewillt, das, was diese Größe ausgemacht hat, aufzugeben. Du wirst mehr Finesse nutzen müssen, wenn du daran vorbeikommen willst.“

Das Blut rauschte ihm heiß durch die Adern. Finesse? Beim Vorstand war er bisher nur mit der Keule weitergekommen!

Adamo musterte ihn. „Und da ist auch noch dein Privatleben. In den Augen des Vorstands bist du nicht unbedingt eine moralisch gefestigte Führungsfigur.“

Rocco warf den Kopf zurück. „Nicht, Adamo, nicht in diese Richtung.“

„Es war eine … heikle Situation.“

„Du meinst, weil der Vorstand mir eine Affäre ankreidet, wobei ich nicht einmal wusste, dass es eine Affäre war?“

„Sie war die Frau eines Richters. Und es gab ein Kind.“

„Nicht meines!“, donnerte Rocco. „Das hat der Vaterschaftstest bewiesen.“

„Davor hatte Mondelli allerdings ernsthafte politische Schwierigkeiten auszubügeln. Du musst vorsichtiger sein, mit wem du dich einlässt, Rocco. Der Vorstand ist der Ansicht, dass du zu bereitwillig Risiken eingehst, sie sorgen sich, vor allem jetzt, da Giovanni dir nicht mehr zur Seite steht und dich führt.“

Und deshalb hatte sein Großvater ihn an den Vorstandsvorsitzenden gekettet? „Ich bin der CEO des Modehauses Mondelli, ich brauche nicht geführt zu werden. Was ich brauche sind Frauen, die mir sagen, dass sie verheiratet sind. Und wenn du glaubst, ich lasse mir vom Vorstand jede einzelne Entscheidung absegnen, dann seid ihr alle auf dem Holzweg.“

Adamo zuckte nur leicht mit einer Schulter. „Das Testament ist wasserdicht. Der Einzige, von dem du die Kontrolle erhältst, ist Renzo.“

Renzo Rialto. Jahrelanger Freund von Giovanni, aber nie ein großer Fan von Rocco. Rocco wusste heute noch nicht, was er dem Mann getan hatte.

Aber er würde es genießen, ihm die Nerven zu ruinieren.

Die Hände in die Taschen geschoben, stellte er sich ans Fenster und sah hinunter auf die Via della Spiga, Mailands eleganteste Modestraße mit der hauseigenen Mondelli-Boutique. Nein, niemand würde ihm sein vorbestimmtes Schicksal verweigern.

Verstehe, weshalb ich getan habe, was ich getan habe. Die letzten Worte seines Großvaters hallten in seinem Kopf nach. Hatte Giovanni das damit gemeint? Und wie passte das zusammen mit dem Vertraue auf dich selbst, Rocco. Vertraue dem Mann, der du bist?

Trauer und Wut vermischten sich, Rocco stützte sich auf das Fenstersims. War es wegen seines Vaters? War es Sandro zuzuschreiben, dass der Großvater ihm nicht die volle Kontrolle hatte geben wollen?

Er drehte sich zu dem Anwalt um. „Ich bin nicht wie mein Vater.“

„Nein, das bist du nicht“, stimmte Adamo gelassen zu. „Aber du feierst gern mit deinen Freunden.“

Rocco zog die Brauen zusammen. „Die Medien übertreiben maßlos.“

„Die Sache mit den Frauen wohl nicht. Du vergisst, dass ich dich von Kindesbeinen an kenne, Rocco.“

„Und was sollte ich deiner Meinung nach tun? Heiraten?“

Adamo hielt dem spöttischen Blick stand. „Das wäre das Beste, was du tun kannst. Beweise ihnen, wie wichtig dir Mondelli ist. Heirate eine von diesen reichen Frauen mit Beziehungen, mit denen du dich so oder so verabredest, und gründe eine Familie. Vielleicht gefällt es dir ja sogar.“

Dio. Der Mann meinte es tatsächlich ernst. Aber das würde nicht passieren. Er hatte doch gesehen, was der Verlust seiner Mutter seinem Vater angetan hatte, hatte miterlebt, wie Giovanni jahrelang seiner Rosa nachgetrauert hatte. So etwas brauchte er nicht. Er hatte genug damit zu tun, das Unternehmen zu leiten.

„Hast du noch weitere solcher Überraschungen für mich, oder kann ich mich jetzt mit Renzo Rialto treffen?“

„Nur noch ein paar Kleinigkeiten.“

Sie gingen zusammen durch, was zu erledigen war, danach fuhr Rocco zu Renzo Rialtos Büro. Der frühere CEO einer bekannten italienischen Firma steckte ihm wie ein Dorn in der Seite, aber er würde schon mit ihm fertig werden. Und dann würde er sich um Olivia Fitzgerald kümmern und sie auf die Straße setzen – sobald er herausgefunden hatte, was für ein Spiel sie spielte.

2. KAPITEL

Rocco wusste, dass Olivia Fitzgerald schön war und die perfekte Figur hatte, schließlich hatte sie mit ihren Rundungen und ihrem goldenen langen Haar unzählige Titelseiten geschmückt. Was ihn jedoch überraschte, als er sie zusammen mit zwei Freundinnen hier in der Trattoria in Navigli im Südwesten Mailands in der Abenddämmerung sitzen sah, war seine Reaktion auf sie.

Er saß in der Nähe an einem der runden Tische, nah genug, dass er hören konnte, wie sie ein Glas Chianti bestellte. Ihre leicht heisere Stimme fuhr ihm unter die Haut wie ein Aphrodisiakum. Nah genug, dass er ihre schräg gestellten Augen sehen konnte, blau und klar wie die Seen in den verschneiten Alpen, wenn er morgens die Vorhänge aufzog.

Nah genug, um den verschämten Ausdruck auf ihrer Miene zu erkennen, als sie seinen Blick bemerkte.

Erstaunlich. Eine Frau wie sie, weltbekannt für ihre Schönheit, musste doch wissen, welche Reaktionen sie bei Männern auslöste. Damit hatte sie doch wohl auch Giovanni für sich eingenommen, der ihr daraufhin ein Drei-Millionen-Euro-Apartment zur Verfügung gestellt hatte, nicht wahr? Gegen ihr Aussehen war kein Mann auf diesem Planeten immun.

Seine Lippen verzogen sich spöttisch. Olivia Fitzgerald – die Schöne Helena der Moderne. Ihre beiden Freundinnen, dunkelhaarige italienische Schönheiten, sahen kichernd zu ihm hin. Mit einem Seufzer widmete er sich wieder der Speisekarte.

Er nippte an dem Weinglas, das vor ihn hingestellt wurde. Adamos Privatdetektiv war die sprichwörtliche Goldmine für Informationen gewesen: Olivia Campbell, wie sie sich nannte, ging selten aus und verbrachte den Großteil ihrer Tage in dem Luxusapartment, aber jeden Donnerstagabend besuchte sie mit zwei Freundinnen einen Yogakurs und kehrte mit ihnen danach regelmäßig in dieser angesagten Trattoria hier ein.

Zufälligerweise war der Besitzer ein guter Freund Roccos, sodass es kein Problem gewesen war, den besten Platz im Lokal zu reservieren, von dem aus er die goldblonde Goldgräberin, die seinen Großvater übertölpelt hatte, genauestens beobachten konnte.

In den Stuhl zurückgelehnt, musterte er die drei Frauen. Grimmig stellte er fest, dass Olivia keineswegs vom Verlust ihres Lovers beeindruckt zu sein schien. War sie schon auf der Jagd nach dem nächsten Opfer, das ihr ihren luxuriösen Lebensstil weiter garantieren würde? Hatte sie deshalb vorhin so verschämt getan?

Feindseligkeit und Verärgerung fluteten ihn. Er griff nach seinem Glas und nahm einen langen Schluck. Vielleicht war es keine so gute Idee gewesen, Olivia Fitzgerald zu stellen, wenn seine Gefühle sich als so unkontrollierbar erwiesen. Sein Meeting mit Renzo war schon nicht gut verlaufen. Der arrogante Mistkerl war der festen Überzeugung, dass Rocco eine Art tickende Zeitbombe sei und ständige Aufsicht benötigte. Und er hatte tatsächlich vorgeschlagen, was Adamo bereits angedeutet hatte. „Werde sesshaft, Rocco. Zeige uns, dass du bereit bist, Verantwortung zu übernehmen, dann bekommst du sie auch von mir.“

Viel zu heftig stellte er sein Glas wieder ab. Da war schon mehr nötig als ein aufgeblasener Windbeutel, dass er vor den Altar trat. Die Columbia Four hatten sich geschworen, immer frei und ungebunden zu bleiben. Frauen waren der Ruin eines jeden Mannes. Da war es doch viel besser, sich zu nehmen, was einem auf dem Silbertablett angeboten wurde, und dann, wenn man satt war, wieder zu gehen.

Er besah sich das Trio am Nebentisch, und als Olivia Fitzgerald ihm einen verstohlenen Blick zuwarf, begann sich ein Plan in seinem Kopf zu formen.

Ja, das gefiel ihm. Gefiel ihm sogar sehr gut. Und es passte genau zu der rücksichtslosen und waghalsigen Stimmung, in der er war.

Er beobachtete sie. Flirtete mit ihr.

Olivia bemühte sich, die Schmetterlinge in ihrem Magen in Schach zu halten, aber es war praktisch unmöglich, diesen Blick zu ignorieren. Heiß. Intensiv. Direkt auf ihr. Zweifellos war er der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, und das wollte etwas heißen, hatte sie doch mit den erfolgreichsten männlichen Models gearbeitet. Dabei war ihr Aufzug alles andere als elegant – Jeans und altes T-Shirt, kein Make-up, das vom Yogatraining verschwitzte Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. So würde niemand sie als das Top-Model erkennen, das sie einst gewesen war.

Sie wandte den Blick ab. Sie war sicher, dass die Frauen ihm auf den kleinsten Wink hin zu Füßen sanken. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Vielleicht ein Model, mit dem sie irgendwann gearbeitet hatte? Aber nein, ein solches Prachtexemplar von Mann würde man nicht vergessen.

Violetta gähnte verstohlen und trank ihren Wein aus. „Ich muss noch lernen. Und da er“, sie sah zu dem fantastisch aussehenden Fremden hin, um dann Olivia zuzuzwinkern, „nur dich mit den Augen verschlingt, kann ich genauso gut nach Hause gehen und schmollen.“

„Tja“, seufzte Sophia, „Olivia ist eben blond und exotisch.“

„Ich wünschte, ich hätte deine gebräunte Haut“, meinte Olivia.

„Wir können ja tauschen.“ Sophia nahm ihre Tasche auf. „Ich wette, sobald wir weg sich, kommt er herüber, Liv. Und ich gönne es dir. Seit wir uns kennen, hast du keinen einzigen Mann angesehen.“

Weil sie ihre Flucht aus der Wirklichkeit genossen hatte. Weil sie gerade erst begann, sich wieder wie sie selbst zu fühlen, wenn auch mit einer anderen Identität. Und ein Mann hätte sie irgendwann unweigerlich erkannt. Im Moment wollte sie einfach nicht mehr Olivia Fitzgerald sein.

Aber es hatte auch keinen gegeben, der ihren Puls beschleunigt hätte, so wie dieser Mann dort.

Die beiden Freundinnen standen auf und legten Kleingeld auf den Tisch. „Ihr könnt mich jetzt nicht hier allein lassen“, protestierte Olivia.

„Wir leben auf der anderen Seite der Stadt“, meinte Violetta. „Und wenn wir nicht bald gehen, dann bringt er mit seinen Blicken noch den Tisch zum Einsturz.“

„Und wenn er ein Krimineller ist?“

„Ein Krimineller mit einer unbezahlbaren Rolex? Unwahrscheinlich.“ Violetta beugte sich leicht vor. „Ruf an. Ich will sämtliche Details hören“, flüsterte sie Olivia ins Ohr.

Das würde nicht nötig sein, hatte Olivia doch nicht vor, noch länger zu bleiben. Sie war heute Abend nur mit in die Trattoria gegangen, um sich vom Verlust Giovannis abzulenken. Sie vermisste ihn so sehr, er war der eine Mensch gewesen, der ihr Halt in ihrem neuen Leben geboten hatte. Jetzt war sie absolut allein, ohne ihren Mentor, der mit ihr zusammen an ihrer eigenen Kollektion gearbeitet und ihr mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte.

Ihre beiden Freundinnen verabschiedeten sich und strebten der U-Bahn-Station zu, Olivia holte ihr Portemonnaie hervor und zählte Münzen für den Wein ab. Der magere Inhalt ihrer Börse führte ihr nur einmal mehr vor Augen, wie verzwickt ihre Lage war. Der Job in dem Café sicherte ihr den Lebensunterhalt, aber eine eigene Wohnung würde sie sich nie leisten können, geschweige denn ein solches Luxusapartment wie das, das Giovanni ihr zur Verfügung gestellt hatte. Sie kaute an ihrer Lippe. Irgendwie würde sie es schon schaffen. Sie schaffte es immer irgendwie.

Ein Schatten fiel auf den Tisch. Zuerst starrte Olivia auf die blank geputzten Schuhspitzen des Fremden, dann hob sie das Gesicht zu ihm auf.

„Ciao.“

Von Nahem sah er noch besser aus. Das flackernde Kerzenlicht fing sich in seinen hellbraunen Augen. Er war groß, über eins neunzig. Gut gebaut, mit mehr Muskeln und breiteren Schultern, als sie bisher bei den Italienern gesehen hatte.

„Darf ich mich setzen?“, fragte er in perfektem Englisch.

„Eigentlich wollte ich gerade gehen“, murmelte sie.

„Sicher haben Sie noch Zeit für ein weiteres Glas Wein?“ Perfekte weiße Zähne blitzten auf, als er lächelte, zogen Olivias Aufmerksamkeit auf seine schön geschwungenen Lippen. „Ich kam her, um bei einem Glas Wein die Lichter der Stadt zu bewundern, doch stattdessen konnte ich nur Sie ansehen.“

Sie spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Unsinn. Eine Anmache, mehr nicht. Auch wenn es schwierig war, zwang sie sich, die Worte auszusprechen. „Ich sollte wirklich gehen …“

„Sie sollten wirklich bleiben.“ Mit seinem warmen Blick hielt er sie auf dem Stuhl gefangen. „Es ist gerade mal neun Uhr … in Italien noch früh. Nur ein Drink, mehr nicht.“

Vielleicht lag es daran, dass er stehen blieb und ihr so die Möglichkeit gab, abzulehnen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie eigentlich Ja sagen wollte. Auf jeden Fall … sie nickte leicht und deutete mit der Hand auf den freien Stuhl ihr gegenüber. „Bitte.“

Er nahm Platz, und sofort kam die Kellnerin angeschwebt. Er bestellte zwei Gläser Chianti, und die Kellnerin beeilte sich, das Bestellte zu holen.

„Sind Sie Stammgast hier?“ Amüsiert sah Olivia der keineswegs mehr jungen Frau nach. Seltsam, aber in seiner Gegenwart fühlte sie sich entspannt, so als würde seine überlegene Selbstsicherheit nichts anderes zulassen.

„Der Besitzer ist ein alter Freund der Familie.“ Er beugte sich vor und streckte ihr die Hand entgegen. „Tony.“

Olivia reichte ihm ihre Finger. „Liv.“ Offensichtlich hatte er sie nicht erkannt. Eine Erleichterung. Oder vielleicht war diese Wärme auch ein Nebenprodukt der elektrischen Energie, die bei der Berührung ihren Arm hinauflief.

„Liv“, wiederholte er und lehnte sich zurück. „Ihre Freundinnen sind eher abrupt gegangen. Ich hoffe, ich habe sie nicht verjagt.“

Ein Lächeln zuckte um ihre Lippen. „Sie haben doch alles darangesetzt, um sie zu vertreiben.“

„Erwischt. Das mag ich so an euch Amerikanern. Ihr seid so erfrischend offen.“

„Ist der New Yorker Akzent so deutlich?“

„Unüberhörbar. Ich habe vier Jahre drüben gelebt, meinen Business-Abschluss an der Columbia gemacht.“

Daher also sein perfektes Englisch. Sie musterte ihn. „Da wir schon so offen sind … Wieso sind Sie allein hier, ein Mann wie Sie, ohne weibliche Begleitung? Und dann laden Sie eine Fremde auf einen Drink ein.“

Seine Augen glitzerten kurz auf, aber dann zeigte er nur auf die Lichter, die sich im Wasser des Kanals spiegelten. „Ich war auf der Suche nach Ruhe … und vielleicht ein paar Antworten. Und sagen Sie mir, schöne Liv, was tun Sie, wenn Sie nicht gerade in einer Trattoria sitzen?“

Sein durchdringender Blick ging ihr unter die Haut, sie hatte das Gefühl, dass er sie in eine ganz bestimmte Richtung lenken wollte. „Ich bin Designerin.“ Es war das erste Mal, dass sie sich so nannte, seit sie vor einem Jahr nach Mailand gekommen war, um ihren Traum zu verwirklichen. „Ich arbeite an meiner ersten Kollektion.“ Die hoffentlich die Präsentation noch erleben würde, jetzt, da Giovanni nicht mehr war.

Er zog eine Braue in die Höhe. „Wollen Sie mit einem der Designerhäuser hier zusammenarbeiten?“

„Das ist der Plan, ja.“

„Haben Sie Design studiert?“

„Ja. Am Pratt Institute in New York.“

„Warum haben Sie es nicht dort versucht, wo Sie Ihre Wurzeln haben?“

„Ich brauchte einen Tapetenwechsel. Einen Neuanfang.“

„Als Designerin sind Sie in Mailand am richtigen Ort.“ Er hob sein Glas. „Dann auf neue … Freundschaften.“

Sie prostete ihm zu. „Und mögen Sie die Antworten finden, nach denen Sie suchen.“

Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich denke, Sie zu treffen war genau das, was ich brauchte.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Haben Sie schon Kontakte zu einem von den Designerhäusern hier geknüpft?“

„Ich hatte einen ersten Kontakt, aber jetzt ist etwas Unvorhergesehenes passiert. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob sich das weiterverfolgen lässt.“

Einen Moment musterte er sie schweigend, dann: „Sie werden sicher Alternativen finden.“

„Das hatte ich auch vor. Wenn man seine Träume verwirklichen will, tut man alles, was nötig ist, nicht wahr?“

Er verzog den Mund, ein seltsames Glitzern trat in seine Augen. „Ja, man tut, was man muss.“

Plötzlich schien es kälter geworden zu sein, das Gesicht ihres Gegenübers hart. Olivia fragte sich verwundert, was sie gesagt oder getan hatte, um diese jähe Veränderung zu verursachen. Jeder hatte doch einen Traum, daran war nichts Schlechtes.

Sie nahm einen Schluck von dem Wein, der viel besser war als der, den sie sich hatte leisten können. „Jetzt wissen Sie also, was ich tue. Damit sind Sie an der Reihe, mir zu verraten, womit Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen.“

Er zog einen Mundwinkel in die Höhe. „Ich teile Geld aus, um so viel Profit wie möglich wieder einzufahren. Und sicherzustellen, dass die Künstler das Schiff nicht zum Kentern bringen.“

Sie tat gespielt beleidigt. „Was wäre die zivilisierte Welt heute ohne uns Künstler?“

„Stimmt.“ Sein Lächeln jagte ihr einen prickelnden Schauer über den Rücken.

„Das fällt Ihnen leicht, nicht wahr?“

„Was?“

„Die Stimmung zu wechseln, von einer Sekunde auf die andere zwischen heiß und kalt.“

Ein amüsiertes Glitzern trat in seine Augen. „Schon möglich. Aus purer Neugier, Liv – wie gefalle ich Ihnen denn besser?“

Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. „Ich denke, das muss ich nicht beantworten, oder?“ Sie konzentrierte sich auf die rubinrote Flüssigkeit in ihrem Glas. Sie hatte ewig nicht mehr geflirtet, seit der Beziehung mit Guillermo Villanueva, dem Fotografen, den sie bei einem Shooting kennengelernt und mit dem sie zusammengelebt hatte, bis die Beziehung dann vor gut einem Jahr in die Brüche gegangen war. Das Flirten hatte sie praktisch verlernt.

„Haben Sie schon gegessen?“, fragte er sie jetzt.

„Das wollte ich zu Hause tun.“

Er nahm die Karte zur Hand, bestellte mehrere Vorspeisen, ohne Olivia zu fragen. Und sie, die Frau, die ihre Unabhängigkeit über alles schätzte, empfand diese Selbstverständlichkeit, mit der er die Kontrolle übernahm, als sexy. So wie sie alles an ihm sexy fand. Der Eindruck verstärkte sich noch, während sie hier zusammensaßen und über Politik, Bücher, Musik redeten, über Gott und die Welt. Der Mann war eindeutig intelligent und weltgewandt.

„Warum die Columbia?“ Sie nahm sich das letzte Stück Bruschetta von der Platte. „Haben Sie Familie in Amerika?“

Er schüttelte den Kopf. „Ähnlich wie Sie brauchte auch ich einen Tapetenwechsel, und New York als Epizentrum schien mir der richtige Ort.“

„Sie sind also ein Finanzgenie und jonglieren mit Millionen?“

Das kalte Glitzern in seinem Blick war wieder zurück. „Über das mit dem Genie lässt sich sicherlich streiten. Aber ja, manchmal sind auch große Deals dabei.“

Wie von selbst wanderten ihre Augen wieder zu diesem faszinierenden Mund. Voll, geschwungene Lippen, einfach fantastisch. Wie es wohl sein musste, von einem solchen Mund geküsst zu werden …? Abrupt schob sie das leere Weinglas von sich und verbot sich streng derartige Gedanken. „Ich sollte jetzt wirklich nach Hause gehen. Morgen habe ich noch einiges zu tun.“

„Erlauben Sie mir, Sie nach Hause zu fahren.“ Mit einem kurzen Wink zur Kellnerin bat er um die Rechnung.

Olivia wollte Ja sagen. Wenn er sie nach Hause fuhr, würde er sie zum Abschied vielleicht küssen. Aber das war ja völlig verrückt. Vielleicht war er ja wirklich ein Krimineller, einer mit teurer Rolex und blank gewienerten Schuhen …

Er sah zu der Kellnerin auf, als sie am Tisch seine Kreditkarte durch die Maschine zog. „Cecilia, ich möchte diese junge Dame nach Hause fahren, aber ich brauche offensichtlich ein Leumundszeugnis. Wärst du so nett …?“

Die Brünette lachte leise auf, als ihr Blick zu Olivia ging. „Ich kann bestätigen, dass er ein respektabler und anständiger Mann ist … wenn auch nicht einzufangen.“

Letzteres glaubte Olivia unbesehen. Sie stand auf, nahm ihre Trainingstasche und ließ sich von Tony zu dessen Wagen führen, ein verboten teurer Sportwagen, dessen Vibrationen durch sie hindurchfuhren, als er den Motor startete. Sie nannte ihm ihre Adresse und versuchte sich daran zu erinnern, wann sie sich das letzte Mal derart lebendig gefühlt hatte. Wie sie selbst … Das ganze letzte Jahr hatte sie darauf verwandt, sich wieder selbst zu finden. Die Albträume abzuschütteln. Den Schmerz loszuwerden …

Und wer war sie jetzt? Sie wusste es nicht.

Schließlich hielt er vor dem modernen Gebäude in der eleganten Wohngegend hinter dem Corso Venezia. Als Giovanni sie in dieses Viertel gebracht hatte, da hatte sie sich auf den ersten Blick in die alten Villen mit den großen Fenstern und die Balkone mit den schmiedeeisernen Geländern verliebt, in die Leichtigkeit, die hier in der Luft lag – nach dem Gefängnis, zu dem New York geworden war.

„Ich begleite Sie noch, bis Sie sicher in Ihrer Wohnung sind.“

Olivias Mund wurde staubtrocken, ihr Puls lief auf Hochtouren. Sie wusste doch, wie es enden würde, wenn sie ihn mit in die Wohnung nahm. Und doch brachte sie keinen Ton heraus, hatte das gleiche Gefühl wie auf einer Achterbahn – verängstigt und aufgeregt zugleich. Schweigend ließen sie sich von dem gläsernen Außenlift bis in den zehnten Stock bringen.

„Für eine Designerin, die gerade anfängt, ist das eine sehr teure Wohnung“, meinte Tony.

Olivia wischte sich die feuchten Handflächen an der Jeans ab, als die Skyline der Stadt in ihr Sichtfeld kam. „Ein Freund hat mir ausgeholfen und mir die Wohnung geliehen.“

„Ein Freund?“ Seine Betonung war unmissverständlich.

„Ein platonischer Freund“, stellte sie richtig.

Er runzelte skeptisch die Stirn. „Männer leihen Frauen keine Wohnung für mehrere Millionen, ohne nicht etwas zurückzuerwarten, Liv.“

Die Anspielung konnte sie nicht auf sich sitzen lassen. „Dieser Mann schon.“

Die Aufzugtüren glitten auf, Olivia stolzierte aus der Kabine, das Kinn hoch erhoben, auch wenn in ihrem Kopf das pure Chaos herrschte.

Tony holte sie vor der Wohnungstür ein, in ihrem Magen flatterte es auf, als sie zu ihm herumschwang. „Sie kennen mich überhaupt nicht.“

„Tut mir leid, mein Fehler“, gestand er lakonisch zu. „Aber für einen Mann ist das eine normale Annahme.“

War es das? Sie hatten nur ein Glas Wein zusammen getrunken, wieso war sie so verwirrt und durcheinander? Eine Hand an die Wand gestützt, studierte Tony ihr Gesicht, und ihr Herz begann zu rasen, alles in ihrem Kopf drehte sich.

„Wollen Sie mich nicht auf einen Kaffee hineinbitten?“ Seine Augen glühten herausfordernd.

Ja. Nein. „Ich weiß nicht“, antwortete sie offen.

Und da senkte er auch schon langsam den Kopf, schloss den Abstand zwischen ihnen, bis sein Mund nur noch Zentimeter von ihrem entfernt war. Ihr Blick haftete schamlos an diesem vollen Mund, der sie schon den ganzen Abend faszinierte. Von dem sie sich den ganzen Abend gewünscht hatte, er würde ihn auf ihren pressen.

Und er wusste es.

Sein Kuss überwältigte sie, sie hatte nie eine Chance. Ihre Knie wollten nachgeben, sie legte die Hände auf seine harte Brust und hielt sich an seinem Hemd fest, während sie seinen Duft einatmete, eine schwindelerregende Kombination aus Mann und würziger Frische. Sie war verloren.

Irgendwann hob er schwer atmend den Kopf. „Dein Schlüssel“, wisperte er rau, und mit dem Rauschen ihres eigenen Blutes in den Ohren kramte sie in ihrer Tasche nach dem Wohnungsschlüssel und reichte ihn ihm.

Der vernünftige, rationale Teil von ihm sagte Rocco, dass er das Theater nicht mehr weiterspielen musste. Olivia Fitzgerald war sich ganz offensichtlich nicht zu schade, um direkt zum nächsten Mann überzugehen, der ihr einen gewissen Lebensstil zu bieten hatte. Dass sie dabei eine solche Verletzlichkeit und Unsicherheit ausstrahlte, war nebensächlich. Weil es mit zu einem gut einstudierten Akt gehörte.

Der nicht so rationale Teil von ihm jedoch wollte wissen, wie weit sie tatsächlich gehen würde.

Er warf den Schlüssel auf das Tischchen in der Diele. „Eigentlich will ich gar keinen Kaffee. Hättest du etwas dagegen, wenn wir den ausfallen lassen?“

Mit weit aufgerissenen Augen schüttelte sie den Kopf, knabberte unsicher an ihrer Unterlippe. Rocco schluckte, als gleißende Lust ihn durchzuckte. Unmöglich, dass er eine solche Lust auf sie haben sollte, wenn man bedachte, wer sie war, was sie für seinen Großvater gewesen war, selbst wenn das hier nur dazu diente, die Wahrheit aus ihr herauszulocken. Aber sie war einfach unwiderstehlich. Ihre Augen waren jetzt nahezu violett, während sie mit leicht geöffneten Lippen auf seinen nächsten Kuss wartete.

„Du kannst auch den stärksten Mann in die Knie zwingen“, murmelte er rau. „Aber das weißt du längst, nicht wahr?“

Verständnislos runzelte sie die Stirn, öffnete den Mund, um zu antworten. Doch dazu ließ er sie nicht kommen, brachte sie mit dem nächsten Kuss zum Verstummen, zog sie zurück in die Hitze, die sie beide ausstrahlten, und schob die Hände unter ihr ausgewaschenes T-Shirt, um ihre seidige Haut und ihre perfekten Rundungen zu fühlen. Er streichelte, liebkoste und küsste sie, bis sie vor Lust aufstöhnte, schob sein Knie zwischen ihre Schenkel, rieb sich an ihr, um sich Erleichterung zu verschaffen.

Sie schnappte nach Luft. „Tony …“

Ein Wort nur, gehaucht im Rausch der Lust, die Kapitulation – und es reichte, um ihn auf den Erdboden zurückzuholen.

„Mein Name ist Rocco.“

Ihre Augen wurden groß, dunkler. „Rocco? Wieso hast du dann gesagt …“ Ihre Stimme erstarb, sie wurde blass.

„Genau, Liv.“ Er weidete sich an ihrem entsetzten Gesichtsausdruck, als sie verstand. „Antonio ist mein zweiter Vorname. Nun, was ist es für ein Gefühl, seine Klauen gleich in zwei Generationen von Mondellis zu schlagen?“

„Was redest du da?“ Diese verwirrte Miene war wirklich filmreif, und sie sah ihm auch offen in die Augen. „Giovanni und ich hatten nicht diese Art von Beziehung.“

„Sondern?“, fragte er herausfordernd. „Du erwartest, dass ich dir glaube, ein Mann kauft ein Drei-Millionen-Euro-Apartment aus der puren Güte seines Herzens für dich? Weil ihr Freunde seid? Mein Großvater hat dich nie auch nur mit einem einzigen Wort erwähnt.“

„Weil ich ihn darum gebeten habe. Niemand soll wissen, dass ich hier bin, und Giovanni hat sich nach meinem Wunsch gerichtet. Giovanni, mein Freund, nicht mein Liebhaber“, betonte sie fest, „Wie kannst du nur so etwas denken? Das ist abscheulich!“

Heiße Wut flammte ungezügelt auf. Er machte einen Schritt auf sie zu, stand drohend vor ihr. „Genau wie die Vorstellung, dass du echtes Interesse an einem siebzigjährigen Mann haben solltest. Ich muss gestehen, du bist gut. Welcher Mann könnte schon widerstehen, wenn du seinen Namen so hauchst, als könntest du es gar nicht mehr erwarten, ihn in dein Bett zu bekommen?“

Sie holte aus, doch bevor ihre Hand auf seiner Wange landen konnte, fing er ihr Handgelenk ab und drückte ihr den Arm an die Seite.

„Mistkerl!“, fauchte sie. „Wie kannst du es wagen, solche Anschuldigungen auszusprechen, wenn du nicht die geringste Ahnung hast?“

„Ich kenne meinen Großvater!“ Seine Stimme klang eisig. „Giovanni hat immer nur meine Großmutter geliebt. Und er hätte sich niemals mit einer Mittzwanzigerin eingelassen, wenn sie ihm nicht völlig den Kopf verdreht hätte. Gehirnwäsche durch Lust.“

Sie funkelte ihn böse an. „Er war nicht mein Liebhaber, das habe ich dir jetzt schon mehrmals gesagt.“ Sie wollte ihr Handgelenk befreien, doch er hielt es mit eisernem Griff fest.

„Wieso versteckst du dich hier vor der Welt? Warum nutzt du nicht deinen richtigen Namen, um deine Kollektion zu präsentieren? Wenn das mit dem Traum überhaupt stimmt.“

„Es stimmt.“ Dieses Mal gelang es ihr, ihren Arm freizuzerren. „So wie alles, was ich heute Abend gesagt habe. Ich musste wegkommen vom Modeln, von allem. Deshalb kam ich her.“

„Auf der Flucht vor den Gläubigern?“

„Auf der Flucht vor meinem Leben.“ Sie zeigte zur Tür. „Und jetzt sieh zu, dass du aus meiner Wohnung herauskommst.“

„Es ist meine Wohnung“, korrigierte er beißend. „Weshalb Giovanni, Olivia? Warum einen alten Mann zum Liebhaber nehmen, wenn du doch jeden haben könntest?“

Frustriert ballte sie die Fäuste an den Seiten. „Du liegst so völlig falsch.“

„Und die Schecks? Wieso hat Giovanni dir dann ständig Geld zukommen lassen? Auch aus reiner Freundschaft?“

Sie presste die Lippen zusammen, schloss die Augen für einen Moment. „Wir haben zusammen an einer neuen Kollektion gearbeitet. Das Geld war für Stoffe und Lieferanten.“

Zweifelnd starrte er sie an. „Ich bin CEO des Hauses Mondelli, Olivia. Ich weiß über jedes Projekt Bescheid, an dem Giovanni gearbeitet hat. Weil er ein Künstler war und gleich bei jeder unausgegorenen Idee angebissen hat, ohne darüber nachzudenken, ob es sich auch rentiert. Es gibt keine neue Kollektion.“

Sie schob sich an ihm vorbei und marschierte entschlossen den Korridor hinunter, stieß eine Tür auf, und er, der ihr gefolgt war, sah in einen großen Raum, in dem mehrere Kleiderstangen standen, auf denen Kleider und Kostüme hingen, eine Nähmaschine stand auf einem großen Arbeitstisch. Stoffballen, Fotos und Illustrationen lagen überall verstreut.

Rocco ging zu den Kleiderständern und besah sich die Kreationen, befühlte die Stoffe. Wunderschöne Designs, anders als alles Bisherige, mit einem einzigartigen Blick für Stil und Farben und gleichzeitig mit Giovannis typischem Sinn für Symmetrie. Ein seltsames Gefühl nagte plötzlich an ihm.

„Das beweist nur, dass du meinen Großvater für deine Pläne benutzt hast. Wie sagtest du vorhin so schön? Man tut, was man muss, um seine Träume zu verwirklichen.“

„Du reißt das absichtlich aus dem Zusammenhang.“

„Nein, ich denke viel eher, ich setze es in genau den richtigen Zusammenhang. Du lässt dich von einem offensichtlich wohlhabenden Unbekannten zu einem Drink einladen, weil du auf der Suche nach dem nächsten Gönner bist.“ Angewidert schüttelte er den Kopf. „Ich hätte dich da gleich bei der Tür nehmen können, so bereit warst du. Giovanni ist noch keine Woche tot, und schon suchst du nach Ersatz.“

Sie wurde aschfahl. „Du hast das alles geplant, weil du glaubst, ich wäre eine Goldgräberin?“

„Und habe ich die Antwort auf meine Frage etwa nicht erhalten? Ich wollte wissen, was für eine Frau du bist, bevor ich deinen hübschen Hintern auf die Straße setze.“

Sie warf den Kopf zurück. „Ich war heute mit meinen Freundinnen in der Trattoria, um mich von der Trauer um Giovanni abzulenken. Ich weiß, ihr beide habt euch sehr nahe gestanden, und ich versuche erst gar nicht zu verstehen, wie sehr du um ihn trauern musst. Aber auch ich trauere um ihn. Er war ein wunderbarer Mensch, ich mochte ihn sehr gerne. Und ich werde nicht zulassen, dass du sein Andenken mit deinen widerlichen Unterstellungen beschmutzt. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.“

„Dann sag mir die Wahrheit, ich will sie hören“, knurrte er.

Olivia sammelte sich, holte tief Luft. „Dein Großvater hat zwei Frauen in seinem Leben geliebt. Eine dieser Frauen war meine Mutter. Tatum.“

Rocco starrte sie ungläubig an. „Was redest du da für wirres Zeug?“

„In den Achtzigerjahren modelte meine Mutter für Mondelli. Sie und Giovanni hatten eine Affäre. Letztendlich entschied Giovanni sich für Rosa und brach alle Brücken zu meiner Mutter ab. Und Rosa … sie wusste Bescheid, aber weder sie noch Giovanni haben je ein Wort über Giovannis Affäre verloren.“

Rocco war fassungslos. Sein Großvater, den er nie mit einer anderen Frau gesehen hatte als mit Rosa, sollte eine Affäre gehabt haben? „Das halte ich eher für unwahrscheinlich. Woher weißt du das?“

Ein Nerv zuckte an ihrer Schläfe. „Ich machte eine schwere Zeit in meiner Model-Karriere durch. Während einer Modenshow in New York kam er auf mich zu. Ich glaube, er fühlte sich schuldig, weil es mit der Karriere meiner Mutter nach dem Ende der Beziehung rasant bergab gegangen war. Sie hatte einen Zusammenbruch. Sie heiratete dann meinen Vater, aber über Giovanni kam sie nie hinweg. Meine Eltern ließen sich später scheiden. Giovanni erzählte mir die ganze Geschichte an jenem Abend in New York.“

Das war nun wirklich weit hergeholt. Erwartete sie etwa, dass er ihr das abnahm? „Also er hat dich angesprochen und dich dann in einem Luxusapartment in Mailand untergebracht, weil er sich schuldig fühlte?“

Sie hob das Kinn. „Er merkte, dass ich dringend einen Freund brauchte. Jemanden, auf den ich mich verlassen konnte. Und er war für mich da.“

„Was ist mit deiner Familie? Mit Freunden?“

„Es gibt niemanden, an den ich mich wenden könnte.“ Sie wandte den Blick ab. „Ich habe mein früheres Leben hinter mir gelassen, als ich nach Mailand kam.“

Weil sie wusste, dass sie hier jemanden zum Ausnutzen hatte. Rocco unterdrückte das wütende Knurren. „So, Giovanni und du, ihr ward also nur Freunde? Und du bist heute Abend nur ausgegangen, um dich von der Trauer um ihn abzulenken? Und das mit mir vorhin? Verhältst du dich allen Männern gegenüber so, die dich in einem Lokal ansprechen?“

„Du hattest es darauf angelegt, mich zu verführen.“

„Und wie leicht du zu verführen warst, bella.“

„Wenn du mir nicht glauben willst und mir jedes Wort im Mund umdrehst, solltest du jetzt besser gehen. In einer Woche bin ich aus der Wohnung raus.“

„Sag mir die Wahrheit über dich und Giovanni, und ich gebe dir einen Monat. Ich bin schließlich nicht herzlos.“

Ihre Augen schleuderten Dolche auf ihn ab. „Raus!“

Auch er hielt das für eine gute Idee, bevor er sich vergaß. Olivia Fitzgerald anzurühren war ein Fehler gewesen, ausgelöst durch die Trauer um seinen Großvater und den Wunsch zu erfahren, was in Giovannis Kopf vorgegangen war. Und diesen Fehler würde er berichtigen, indem er jetzt verschwand.

Ein letzter Blick auf die Kleiderständer machte ihm klar, dass sie Probleme haben würde, eine Wohnung zu finden, um das alles aufzustellen. „Ja, ich lasse dir noch einen Monat. Dann erwarte ich, den Schlüssel überreicht zu bekommen.“

Sie brachte ihn zur Tür und sah genauso aus wie die harmlose holde Maid, die sie vorgab zu sein und nicht war. Rocco verließ die Wohnung, ohne sich noch einmal umzusehen.

Giovanni hatte immer etwas von einem Romantiker gehabt. Zum Glück war Rocco da ganz anders.

3. KAPITEL

Rocco stand zusammen mit Christian Markos auf der Startbahn des Mailänder Flughafens. Nach Giovannis Beerdigung flog Christian als Letzter wieder ab, Richtung Hongkong, natürlich zu einem dringenden Deal. Wie immer, wenn er sich von seinen Freunden verabschieden musste, verspürte Rocco eine Leere in sich, aber er wusste auch, dass sie sich bald wiedersehen würden. Sie trafen sich mindestens viermal im Jahr, und niemand von den Columbia Four verpasste diese Treffen.

„Mitte des Monats habe ich ein freies Wochenende.“ Christian legte seinem Freund den Arm um die Schulter. „Ich könnte herkommen, und dann fahren wir mit deinem Boot auf den See raus.“

„Das glaube ich erst dann, wenn wir zusammen auf Deck ein Bier trinken.“ Rocco grinste. „Bis dahin gibt es garantiert den nächsten Deal, der sich nicht aufschieben lässt.“

Christian sah ihn vorwurfsvoll an. „Der letzte damals war wirklich ein Mega-Merger. Das lag nicht in meiner Hand.“

„Und die Brünette, die mit dazugehörte?“

„Hat nur Probleme gemacht“, murmelte Christian. „Wer war denn die Blondine heute? Ihr hattet ja eine hitzige Diskussion.“

„Olivia Fitzgerald. Sie war nicht eingeladen.“ Und trotzdem war sie zur Beerdigung aufgetaucht und hatte darauf bestanden zu bleiben. Rocco hatte keine Szene machen wollen, für die hatte schon sein Vater gesorgt, der angetrunken zur Trauerfeier erschienen war.

Sein Freund zog eine Augenbraue in die Höhe. „Das Model? Von ihr hört man nur, dass sie sich versteckt hält.“

„Sie ist hier, in Mailand, und sie kannte Giovanni. Sie wollte ihm die letzte Ehre erweisen.“

„Du solltest sie unter Vertrag nehmen. Wenn dir das gelingt, wird der Vorstand dir die Füße küssen.“

„Sie will nicht mehr im Scheinwerferlicht stehen.“ Weshalb, das wusste Rocco noch immer nicht.

„Einer meiner Leute hatte ihr Nacktfoto in seinem Büro aufgehängt.“ Der Grieche grinste. „Ich musste ihn anweisen, es abzunehmen. So ein Bild stört nur die Konzentration, wenn man versucht, Kalkulationen aufzustellen.“

„Und ob.“ Rocco wusste genau, wovon sein Freund sprach. Das Foto von Olivia nackt am Strand, die Hände strategisch platziert, sodass alles Nötige bedeckt war, war auf der Titelseite eines Magazins für Schwimmmode erschienen und hatte es dann als Bildschirmschoner auf viele Computermonitore geschafft.

Die Motoren von Christians Privatmaschine liefen an, Rocco klopfte Christian zum Abschied auf die Schulter. „Dann bis zum nächsten Mal. Das Boot und der Kasten Peroni stehen bereit, wenn du kommst.“

Rocco sah dem Privatjet nach und dachte an den Abend mit Olivia Fitzgerald zurück. Trotz der Last, die auf seinen Schultern lag, ging sie ihm nicht aus dem Kopf. Er konnte nicht vergessen, was sie über Giovanni gesagt hatte, und fragte sich, ob auch nur das kleinste Körnchen Wahrheit darin lag. War Giovanni fähig gewesen, seine Rosa zu betrügen?

Rocco hatte geglaubt, es sei das Alter, das seinen Großvater nachgiebiger gemacht hatte, aber vielleicht war es ja der Einfluss einer Frau gewesen … Olivias? War Giovanni in die junge Frau verliebt gewesen? Schließlich besaß sie Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Und nachdem er die Kollektion in der Wohnung gesehen hatte … es war nicht zu leugnen, dass zwischen dem alten Mann und der jungen Frau eine Verbindung bestanden hatte.

Was sollte ihn das kümmern? Seine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass diese Frau seine Familie nicht länger ausnutzte. Und die hatte er erledigt.

Und dabei über die schöne Blondine fast den Kopf verloren. Er sah wieder ihr Gesicht vor sich, als sie in die Kirche gekommen war. In ihren Augen war die Angst vor ihm zu lesen gewesen, aber auch echte Trauer um Giovanni. Er hatte es nicht über sich gebracht, sie hinauszuwerfen. Nach der Messe war sie so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Vom Hausmeister wusste er, dass sie noch immer in der Wohnung lebte. Vermutlich hatte sie Schwierigkeiten, etwas anderes zu finden, jetzt, da Giovannis Schecks ausblieben.

Christians Jet verschwand in den Wolken, aber die Worte des Freundes hallten in Roccos Ohren nach, als er sich umdrehte und durch das Terminal zurück zu seinem Wagen ging. Du solltest sie unter Vertrag nehmen. Wenn dir das gelingt, wird der Vorstand dir die Füße küssen.

Christian hatte recht. Sie würden sich überschlagen, sollte er Olivia Fitzgerald für Mondelli gewinnen. Auf dem Gipfel ihrer Karriere war sie abgetaucht, eines der höchstbezahlten Gesichter überhaupt. Und ihr Verschwinden hatte nur ihre geheimnisvolle Aura verstärkt. Allerdings gab es einen Haken an Christians Vorschlag: Olivia wollte nicht gefunden werden. Weshalb? Wenn sie nicht pleite war, wie er vermutet hatte, warum hatte sie dann ihren Millionen-Vertrag nicht erfüllt und danach die Laufbahn eingeschlagen, die ihr Traum war?

Sie hatte so elend heute in der Kirche ausgesehen. Besiegt. Weil ihre Kollektion ohne Giovanni nicht zur Präsentation kommen würde. Ihr Traum war geplatzt. Es sei denn, sie fand einen neuen Sponsor.

Plötzlich sah er es klar vor sich – den Plan. Als Kopf eines der führenden Modehäuser konnte er ihr das bieten, was sie brauchte. Und Olivia hatte das, was er brauchte, wenn er sie dazu bringen konnte, für ein Jahr einen Exklusivvertrag mit Mondelli zu unterzeichnen. Damit wäre Mondelli endgültig im Modeolymp angekommen.

Und noch ein kleines Detail fügte sich in seinen Plan, sozusagen das i-Tüpfelchen: Olivia Fitzgerald als neues Gesicht für Mondelli und als die Verlobte des CEO. Die perfekte Vereinigung. Eine, die den Vorstand davon überzeugen würde, wie wichtig die Firma ihm war. Renzo Rialto würde am Rad drehen, wenn er Rocco die zehn Prozent der Anteile übergeben musste.

Jetzt blieb nur noch, Olivia Fitzgerald davon zu überzeugen, dass sein Plan das Beste für alle Beteiligten war.

Olivia verstaute gerade Stoffe in diversen Kartons, als es laut an der Wohnungstür klopfte. Da sie vermutete, es wäre Violetta, die gekommen war, um ihr zu helfen, öffnete sie, ohne durch den Spion zu gucken – und fand sich mit einem Mal Rocco gegenüber. Obwohl sie sich vorgenommen hatte, ihn zu hassen, konnte sie nicht verhindern, dass es in ihrem Magen zu flattern begann. Er trug noch denselben dunklen Anzug wie heute Morgen zur Beerdigung und sah sehr verärgert aus.

„Du hattest mir einen Monat gegeben.“

„Genau.“ Er schob sich an ihr vorbei in die Wohnung. „Und ich halte mich immer an mein Wort, Olivia. Hast du schon ein anderes Apartment gefunden?“

Ein Mann, der sein Wort hielt? Der Kerl hatte sie ganz bewusst verführt, hier in dieser Wohnung, und ihr Dinge unterstellt … Sie schloss die Tür und warf ihm einen kühlen Blick zu. „Nein, aber ich dachte mir, ich packe besser schon zusammen, bevor du deine Gorillas schickst.“

„Das wird wohl nicht nötig sein.“ Er deutete zur Küche. „Dieses Mal hätte ich nichts gegen einen Espresso einzuwenden.“

Vernichtend starrte sie ihn an. „Heute Morgen wolltest du mich noch aus der Kirche hinauswerfen, und jetzt soll ich dir einen Kaffee machen?“

Unbeeindruckt hielt er ihrem Blick stand. „Ich habe dir ein Angebot zu machen, das dir gefallen wird.“

Unwahrscheinlich! Aber sie befand sich wohl kaum in der Position, mit ihm zu debattieren, konnte er sie doch jederzeit auf die Straße setzen. Also ging sie in die Küche. Rocco kam ihr nach und beobachtete sie.

„Du trauerst wirklich, nicht wahr?“

Sie stellte die Kaffeemaschine an und lehnte sich gegen die Anrichte. „Ich habe Giovanni geliebt.“

„Oh, jetzt ist es also Liebe. Erstaunlich“, spöttelte er.

„Wenn du es so halten willst, kannst du gleich wieder gehen.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin hier, um dir ein Angebot zu unterbreiten. Das du annehmen wirst. Und dann machen wir beide das Beste aus einer schwierigen Situation.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mir irgendetwas Interessantes anzubieten hättest.“

„Ah, ich denke, da irrst du.“ Er zeigte zu den Kisten und Kartons. „Mit dem Verdienst einer Barista wirst du dir nie eine Wohnung leisten können, in der du das alles da unterbringen und auch noch arbeiten kannst. Du willst dein früheres Leben nicht wieder aufnehmen, und du selbst hast gesagt, dass es weder Familie noch Freunde gibt, an die du dich um Hilfe wenden kannst. Ergo … alles, was dir bleibt, bin ich.“

„Von dir will ich nichts“, sagte sie bestimmt. „Irgendwie schaffe ich es schon.“

Mit zusammengekniffenen Augen musterte er sie. „Was, wenn ich dir sagte, dass ich vorhabe, Giovannis Zusage zu übernehmen? Und ich würde es sogar noch weiterführen. Ich würde die Weiterentwicklung deiner Kollektion ins Haus Mondelli verlegen. Damit biete ich dir Mondellis Marketing und Vertrieb für den kommenden Herbst.“

Ihr stand der Mund offen. Er wollte ihre Kollektion für Mondelli übernehmen? Wieso, wenn er doch so schlecht von ihr dachte?

„Weil du etwas hast, das ich will, Olivia“, beantwortete er da auch schon ihre unausgesprochene Frage. „Der Vertrag von Bridget Thomas läuft demnächst aus, und ich möchte ihn nicht erneuern. Stattdessen würde ich dir einen Fünf-Millionen-Vertrag für ein Jahr bieten. Wenn du wieder auf dem Catwalk erscheinst, wird das die beste Werbung für den Namen Mondelli sein.“

Ihre Hoffnung zerschellte auf dem Boden der Realität. „Ich modle nicht mehr. Dieser Teil meines Lebens ist vorüber.“

Er nickte. „Verstehe ich, schließlich willst du Designerin werden. Aber ein Jahr, Olivia, nur zwölf Monate, um deinen Traum zu verwirklichen. Das kann doch so schrecklich nicht sein.“

„Nein.“ Ein Wort nur, harsch ausgestoßen.

Er ließ sie nicht aus den Augen „Wieso? Was ist passiert, dass du das alles aufgegeben hast?“

Ihr letzter Gang über den Catwalk … Die Erinnerungen stürzten auf sie ein, schwankend klammerte sie sich an die Anrichte. An jenem Abend hatte sie komplett die Kontrolle verloren, der Stress hatte sie bei lebendigem Leibe aufgefressen. Dahin wollte sie nie wieder zurück.

Sie drehte sich zu ihm um. „Der Grund ist unwichtig. Ich werde nie wieder modeln.“

„Auch wenn die Alternative der Tod deines Traums ist?“ Er fasste es nicht. „Wenn Mondelli deine Kollektion übernimmt, schießt du automatisch an die Spitze der Designernamen. Und nach zwölf Monaten brauchst du nie wieder einen Fuß auf den Laufsteg zu setzen.“

Sie presste die Handballen an die Schläfen. Wie verlockend sein Angebot war. Natürlich hatte er recht. Aber unmöglich, wenn das hieß, dass sie auf den Laufsteg zurückkehren musste.

Dieses Mal würde sie es nicht überleben.

„Tut mir leid, aber ich muss ablehnen.“ Eher würde sie auf der Straße betteln gehen.

Er zuckte nur mit einer Schulter. „Na schön. Dann solltest du weiter packen. Vielleicht überlegst du es dir ja noch einmal, vor allem, wenn du den zweiten Teil meines Angebots hörst.“

Fast hatte sie Angst zu fragen, um was es sich dabei handelte.

„Ich würde unsere Partnerschaft der Welt gern mit einem Paukenschlag ankündigen – du und deine Kollektion bei Mondelli … und unsere Verlobung. Die Verbindung zweiter großer Namen.“

Ihr wurde schwindlig. Der Mann hatte wirklich einen seltsamen Sinn für Humor. Nur … da war nicht die Spur von Belustigung in seinem Gesicht zu erkennen. „Das ist ja lächerlich!“, entfuhr es ihr.

„Im Gegenteil, es ist genial. Ein grandioser Coup.“

Sie schüttelte den Kopf. „Wir mögen einander nicht einmal, wie sollten wir da die Öffentlichkeit überzeugen, wir wären verliebt ineinander?“

Er lächelte schmal. „Chemie, Liv. Wir würden beide lügen, wollten wir bestreiten, dass das gestern da an der Tür nicht ein höllisch heißer Kuss war. Und keine Sorge, unsere sogenannte Verlobung dauert nur so lange, bis dein Vertrag mit Mondelli ausläuft, danach gehen wir wieder unsere eigenen Wege, wobei deine Kollektion weiterhin bei Mondelli geführt wird.“ Er spreizte die Finger vor sich. „Wie du siehst, biete ich dir einen Ausweg aus deiner Misere.“

Sie war sprachlos. Sie sollte für ein Jahr seine Verlobte spielen? Natürlich waren gewisse schauspielerische Fähigkeiten auf dem Laufsteg unerlässlich, aber das überstieg ihr Talent bei Weitem. „Auf gar keinen Fall“, antwortete sie entschlossen. „Wenn das dein Angebot ist, dann muss ich ablehnen.“

„Deine Entscheidung. Du hast eine Woche, um es dir zu überlegen. Danach verfällt das Angebot, dieses Apartment steht dir dann nicht mehr zur Verfügung, und du, Olivia, solltest bis dahin besser einen Plan B haben.“

Sie sah ihm nach, wie er auf dem Absatz kehrtmachte und die Wohnung verließ. Offenbar hatte er doch keine Lust auf einen Kaffee.

Der Krach der ins Schloss schlagenden Wohnungstür ließ sie zusammenzucken. Sie hatte keinen Plan B. Sie hatte ja nicht einmal einen Plan A. Alles, was sie hatte, war dieses großartige Apartment, aus dem sie nicht ausziehen wollte, ein neues Leben in Mailand, das sie liebte, und eine fast vollendete Herbstkollektion, die zu einem wahr gewordenen Traum werden könnte, wenn Mondelli sie übernahm.

Wie sie es auch drehte und wendete, die Möglichkeiten waren ihr längst ausgegangen. Genau wie die Zeit abgelaufen war. Und dieser Mistkerl wusste es genau.

4. KAPITEL

Die restliche Woche verbrachte Olivia mit der Wohnungssuche, und ihre Hoffnungen schwanden mit jeder Besichtigung. Kaum eine der angebotenen Wohnungen war groß genug, und die, die groß genug waren, konnte sie sich nicht leisten, selbst wenn sie sich einen Mitbewohner suchte.

Am Ende ihrer Schicht in dem Café nahm sie sich noch einen Kaffee und setzte sich mit der Tasse an einen der leeren Bistrotische nach draußen. Morgen musste sie Giovannis Wohnung übergeben. Ihr würde nichts anderes bleiben, als bei Violetta einzuziehen, und dann würde sie Klinken putzen gehen müssen, ob einer der Designer hier ihre Kollektion übernehmen würde – was höchst unwahrscheinlich war bei dem Konkurrenzdenken in der Branche.

Oder sie könnte nach Hause fliegen und es über ihre New Yorker Kontakte versuchen. Aber in New York war es auch nicht leichter, und wenn sie an die Fragen dachte, die man ihr unweigerlich stellen würde, wurde ihr Magen schon jetzt hart wie Stein. Nein, sie war nicht bereit, zurückzugehen.

Sie umklammerte müde die Tasse. Hätte sie ihre Finanzen besser im Blick behalten, dann wäre sie nie in diese Lage gekommen. Nie hätte sie ihrer Mutter die Vollmacht für ihre Bankgeschäfte geben dürfen. Mum hatte das Geld mit vollen Händen ausgegeben. Viel Geld. Aber gestresst vom Job und dem vielen Reisen hatte Olivia sich einfach auf den einen Menschen verlassen, von dem sie geglaubt hatte, sich auf ihn verlassen zu können.

Die Entdeckung, dass sie komplett pleite war, hatte sie völlig aus der Bahn geworfen. Das Geld war für sie immer die Versicherung gewesen, jederzeit aufhören zu können, aber das Wissen, jetzt ohne diese Hintertür leben zu müssen, hatte sie fast zerstört. Damals hatte sie keinen Ausweg gesehen, als New York zu verlassen.

Olivia nippte an ihrem Kaffee. Die Wunden waren noch lange nicht verheilt, sie brauchte noch mehr Zeit.