Soldatengeschichten - Rudyard Kipling - E-Book

Soldatengeschichten E-Book

Rudyard Kipling

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Beschreibung

Einmal lebten sehr weit von England drei Männer, die einander so liebten, daß weder Mann noch Weib sie trennen konnte. Sie waren nichts weniger als fein, und nicht geeignet, in die Vorzimmer vornehmer Leute gelassen zu werden, denn sie waren gemeine Soldaten in Ihrer Majestät Armee.... Von diesen Soldaten handeln die Geschichten, die Kipling in diesem Band versammelt hat.

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Rudyard Kipling

Soldatengeschichten

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Kipling: Soldatengeschichten

Rudyard Kipling

 

Soldatengeschichten

 

 

 

 

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Krischna Mulvaney

Einmal lebten sehr weit von England drei Männer, die einander so liebten, daß weder Mann noch Weib sie trennen konnte. Sie waren nichts weniger als fein, und nicht geeignet, in die Vorzimmer vornehmer Leute gelassen zu werden, denn sie waren gemeine Soldaten in Ihrer Majestät Armee; und der gemeine Soldat in englischen Diensten hat wenig Zeit für seine Vervollkommnung. Seine Pflicht ist, sich und seine Ausrüstung fleckenlos sauber zu halten, sich zu hüten, öfter betrunken zu sein, als unbedingt nötig, seinen Vorgesetzten zu gehorchen und um Krieg zu beten. Alles dies thaten meine Freunde; und als Zugabe vollführten sie noch einige Faustkämpfe, die nicht im Dienstreglement vorgesehen waren. Ihr Schicksal bestimmte sie zum Dienst in Indien, das kein goldenes Land ist, obgleich manche Dichter es als solches besungen haben. Die Menschen sterben dort mit großer Schnelligkeit, und die, welche leben bleiben, erfahren viele und merkwürdige Dinge. Ich glaube nicht, daß meine Freunde sich viel um die sozialen oder politischen Verhältnisse des Orients kümmerten. Sie nahmen an einem nicht unbedeutenden Kriege an der Nordgrenze teil, an einem andern an der Westgrenze und an einem dritten in Ober-Birma. Dann bezog ihr Regiment Quartier, um sich zu ergänzen, und die grenzenlose Eintönigkeit des Lebens in einer Militärstation ward ihr Teil. Sie wurden morgens und abends auf demselben Exerzierplatze gedrillt. Sie spazierten zwei lange Jahre hindurch dieselbe weiße, staubige Straße auf und ab, besuchten dieselbe Kirche und dieselbe Branntweinkneipe und schliefen in derselben weißgetünchten Kaserne. Einer war Mulvaney, der Vater der Truppe, der bei verschiedenen Regimentern von Bermuda bis Halifax gedient hatte, ein alter Krieger, narbenbedeckt, sorglos, in keiner Lage um ein Auskunftsmittel verlegen und in seinen frommen Stunden ein unvergleichlicher Soldat. An ihn wendete sich ein sechs und einen halben Schuh großer, schwerfälliger Yorkshirer, im Hügelland geboren, im Thale aufgewachsen und im wesentlichen zwischen den Wagen hinter dem Bahnhofe von York erzogen, um Rat und Hilfe. Sein Name war Learoyd und seine vornehmste Tugend eine unerschöpfliche Geduld, kraft deren er in den Faustkämpfen Sieger blieb, wie Ortheris, ein Foxterrier von einem Cockney, dazu kam, einer der drei zu werden, ist ein Rätsel, das ich bis heute nicht erklären kann, »Wir sind immer drei gewesen,« pflegte Mulvaney zu sagen. »Und mit Gottes Hilfe werden wir, solange wir dienen, immer drei bleiben. Es ist besser so.«

Sie verlangten keine Gesellschaft außer ihrer eignen, und es war für keinen Mann des Regiments geraten, sich mit ihnen in einen Streit einzulassen. An physische Beweisgründe war nicht zu denken, soweit Mulvaney und Learoyd in Betracht kamen, und ein Angriff auf Ortheris bedeutete eine kombinierte Attacke dieser beiden – ein Handel, wonach keine fünf Mann des Regiments vereint lüstern waren. Daher blühten und gediehen sie und teilten ihre Getränke, ihren Tabak und ihr Geld, Glück und Unglück, Kampf und Todesgefahr, Leben und Fröhlichkeit, von Calicut im Süden bis zu Peschawar im Norden Indiens.

Ohne jedes Verdienst meinerseits wurde mir das Glück zu teil, in gewissem Grade zu ihrer Freundschaft zugelassen zu werden – bereitwillig von Mulvaney von Anfang an, übellaunig und widerstrebend von Learoyd und mißtrauisch von Ortheris, der der Ansicht war, daß kein Richtmilitär mit einem Rotrock fraternisieren könne.

»Gleich und gleich,« sagte er. »Er ist ein vermaledeiter Zivilist, ich bin ein vermaledeiter Soldat. Es ist unnatürlich, und damit fertig.«

Aber damit waren wir nicht fertig. Sie tauten allmählich auf und erzählten mir mehr von ihrem Leben und ihren Abenteuern, als ich je niederschreiben werde.

Alles andre überspringend, beginnt diese Geschichte mit dem schrecklichen Durst, welcher der Ursprung aller Dinge war. Nie hat es einen solchen Durst gegeben, sagte mir Mulvaney. Sie wehrten sich gegen ihre unfreiwillige Tugend, aber nur einer war erfolgreich in seinen Anstrengungen, und das war Ortheris. Er, dessen Talente zahlreich waren, ging auf die Straße hinaus und stahl den Hund eines Zivilisten – das heißt irgend jemandes, er wußte nicht wessen, der nicht der Armee angehörte. Nun war der Zivilist aber erst vor kurzer Zeit durch Heirat mit dem Obersten verwandt geworden, es wurde von einer Seite Geschrei erhoben, von der Ortheris es am wenigsten erwartet hatte, und schließlich war er, um Schlimmeres zu vermeiden, gezwungen, gegen lächerlich geringes Entgelt sich von einem so vielversprechenden kleinen Terrier zu trennen, als je einer das Ende einer Hundeleine zierte. Der Erlös reichte kaum für einen einzigen kleinen Ausbruch hin, der ihn auf die Wachtstube brachte. Er kam jedoch mit einer scharfen Ermahnung und einigen Stunden Strafexerzieren davon. Nicht umsonst hatte er den Ruf erworben, »der beste Soldat seines Maßes« im Regiment zu sein. Mulvaney predigte persönliche Sauberkeit und Tüchtigkeit als die ersten Glaubensartikel ihres Freundschaftsbundes. »Ein Schmutzfink,« pflegte er zu sagen, »kommt ins Joch, weil er die Kniee nicht durchdrückt, und vors Kriegsgericht, weil ihm ein Paar Socken fehlen; aber ein sauberer Mann, so einer, der eine Zierde seiner Kompagnie ist, ein Mann, dessen Knöpfe Gold sind, dessen Rock wie angegossen sitzt, und der kein Fleckchen an sich hat, – ein solcher Mann darf, das sage ich Euch, thun, was er will, und sich auch einen Mordskanonenrausch antrinken. Das ist der Vorteil, wenn man proper ist.«

Wir saßen eines Tages weit von der Kaserne im Schatten einer Schlucht beisammen, durch die bei regnerischem Wetter ein Bach floß, Hinter uns lag der Busch-Dschungel, in dem Schakale, Pfauen, die grauen Wölfe der nordwestlichen Provinzen und zuweilen ein von Zentralindien hierher verschlagener Tiger wohnen sollten, vor uns lag die Kaserne blendend weiß in blendender Sonne; und nach beiden Seiten erstreckte sich die breite Straße, die nach Delhi führte.

Durch den Busch kam ich auf den Gedanken, daß es wohlgethan wäre, wenn Mulvaney sich einen Tag Urlaub nehmen würde, um einen Jagdausflug zu unternehmen. Der Pfau ist in ganz Indien ein heiliges Tier, und derjenige, der einen tötet, läuft Gefahr, von den Bewohnern des nächsten Dorfes mißhandelt zu werden; aber als Mulvaney das letzte Mal ausgezogen war, hatte er es zuwege gebracht, ohne die lokale religiöse Empfindlichkeit im geringsten zu verletzen, mit sechs prächtigen Pfauenbälgen zurückzukehren, die er gewinnbringend verkaufte. Es war deshalb nicht unmöglich – –

»Aber was hat es für einen Sinn, fortzugehen, ohne etwas zu trinken zu haben? Der Boden ist zundertrocken, und es geht einem in die Kehle, daß man meint, man muß hin werden,« sagte Mulvaney kläglich, indem er mich vorwurfsvoll anblickte. »Und ein Pfau ist kein Vogel, den man beim Schwanz erwischen kann, wenn man nicht rennt. Kann ein Mensch rennen, wenn er nur Wasser hat, und noch dazu Dschungelwasser?«

Ortheris hatte die Sache nach allen Seiten hin in Betracht gezogen. Und er sprach nun, gedankenvoll an seinem Pfeifenmundstück kauend:

»Geh du nur. Erschießen wirst du dich ja nicht, solange noch Aussicht auf etwas Trinkbares da ist. Ich und Learoyd werden zu Hause bleiben und derweil die Wirtschaft führen. Du aber geh mit einem Schießgewehr fort und fang die kleinen Pfauen oder sonst was. Du kannst einen Tag Urlaub so leicht haben als ein Aug' zudrücken. Geh und nimm ihn, und bring ein paar Pfauen oder sonst was.«

»Jock?« sagte Mulvaney, sich gegen Learoyd wendend, der im Schatten des Abhanges halb eingeschlafen war. Er erwachte langsam.

»Geh, Mulvaney,« sagte er.

Und Mulvaney ging, indem er seine Genossen mit irischer Zungengeläufigkeit und im saftigsten Kasernenjargon verfluchte.

»Merkt's Euch,« sagte er, als er seinen Urlaub bekommen hatte und in seinen schlechtesten Kleidern mit einer der beiden Vogelflinten des Regiments in der Hand erschien. »Merk dir's, Jock, und du, Ortheris, ich gehe gegen meinen Willen, nur Euch zu Gefallen. Ich glaube nicht, daß etwas dabei herauskommt, wenn man so mir nichts dir nichts in einem wüsten Land auf Pfauen jagen geht; und ich weiß gewiß, daß ich mich hinlegen und vor Durst sterben werde. Ich soll Pfauen für Euch fangen, ihr faulen Schlingel, und mich von den Bauern steinigen lassen – uff!«

Er bewegte eine Riesentatze gegen sie und ging.

In der Dämmerung, lange vor der bestimmten Stunde, kehrte er mit leeren Händen und stark beschmutzt zurück.

»Pfauen?« sagte Ortheris von dem behaglichen Ruheplatze eines Kasernentisches aus, auf dem er mit übereinandergeschlagenen Beinen rauchte, während Learoyd auf einer Bank fest schlief.

»Jock,« sagte Mulvaney, ohne zu antworten, indem er den Schläfer aufrüttelte, »kannst du boxen? willst du boxen?«

Der halbwache Yorkshirer brauchte eine Weile, bis er den Sinn der Worte begriff. Er verstand endlich – und doch, was sollte das bedeuten? Mulvaney schüttelte ihn heftig. Die Leute im Zimmer brüllten vor Entzücken. Es gab endlich Krieg in dem Bunde – Krieg und Entzweiung.

Die Kasernenetikette ist streng. Auf eine direkte Herausforderung muß eine direkte Antwort erfolgen. Dies ist bindender als die Bande bewährter Freundschaft. Nochmals wiederholte Mulvaney die Frage. Learoyd antwortete in der einzigen Weise, die ihm zu Gebote stand, und so schnell, daß Mulvaney kaum Zeit hatte, dem Stoß auszuweichen. Das Gelächter ringsherum vermehrte sich. Learoyd sah verwirrt auf seinen Freund – der seinerseits nicht minder verdutzt war. Ortheris fiel vom Tische herunter, denn seine Welt stürzte ein.

»Kommt hinaus,« sagte Mulvaney, und als die Insassen des Mannschaftszimmers sich fröhlich anschickten, zu folgen, drehte er sich um und sagte wütend: »Heute giebts keinen Gang, ausgenommen einer von Euch hätte Lust dazu. Wer das will, der kommt mit.«

Keiner rührte sich. Die drei begaben sich hinaus auf den mondbeschienenen Exerzierplatz, und Learoyd nestelte an den Knöpfen seines Rockes. Der Exerzierplatz war verödet, von einigen streifenden Schakalen abgesehen. Mulvaney zog in seinem Ungestüm die Freunde weit ins Freie hinaus, ehe Learoyd Miene machte, sich umzuwenden und die Auseinandersetzung wieder aufzunehmen.

»Bleib doch ruhig. Es war meine Schuld, daß ich das Pferd beim Schwanz aufzäumte, Jock. Ich hätte sollen beim Anfang anfangen; aber Jock, mein Junge, bei deiner Seligkeit, bist du bereit für den schönsten Kampf, den es je gegeben hat – viel schöner, als mit mir zu boxen? Denk nach, ehe du antwortest.«

Verwirrter als je sah sich Learoyd zwei- oder dreimal um, fühlte sich an den Arm, führte einige Stöße und sagte: »Ich bin bereit.« Er war gewohnt, blind auf Geheiß des überlegenen Kopfes loszugehen.

Sie setzten sich nieder, während die Kameraden neugierig aus der Ferne herüberspähten, und Mulvaney erleichterte sein Gemüt in kräftigen Worten.

»Weil Ihr Verrückten es also gewollt habt, bin ich in den wilden Urwald hinausgegangen, wo es keinen Weg giebt. Und da hab' ich einen frommen Hindu auf einem Ochsenwagen getroffen. Ich nahm es als selbstverständlich an, daß er glücklich sein würde, mich ein Stückchen zu fahren, und hopps war ich im Wagen –«

»Du langes, faules schwarzes Schwein!« gröhlte Ortheris, der unter denselben Umständen genau dasselbe gethan hätte.

»Es war das Schlaueste, was ich hätte thun können. Der Niggermann fuhr Meilen und Meilen weit – bis zu der neuen Eisenbahn, die sie drüben überm Tawifluß bauen. ›Der Wagen ist nur für Erde,‹ sagte er von Zeit zu Zeit furchtsam, um mich hinauszubringen. ›Erde bin ich,‹ sag' ich, ›und die trockenste, die du je geführt hast. Fahr zu, mein Sohn, und Friede sei mit dir.‹ Dann bin ich eingeschlafen und hab' von nichts gewußt, bis er bei der neuen Eisenbahn stehen bleibt, wo die Kulis Erde graben. So an die zweitausend Kulis sind dort beschäftigt, wie ihr wißt. Gleich darauf läutet eine Glocke, und sie traben alle nach einer großen Zahlhütte. ›Wo ist der weiße Aufseher?‹ frage ich meinen Fuhrmann. – ›In der Hütte,‹ sagt er; ›macht eine Luderie.‹ – ›Ein was?‹ sag' ich. – ›Luderie,‹ sagt er. ›Du nimmst Los. Er nimmt Geld. Du kriegst nix.‹ – ›Oho!‹ sag' ich. ›Das nennt ein gebildeter Mensch, der eine Erziehung genossen hat, eine Lotterie, du verirrter Sohn der Finsternis und der Sünde. Führ mich hin zu der Lotterie, obschon, was sie hier so weit von ihrer Heimat zu thun hat – welche ein Wohlthätigkeitsbazar zu Weihnachten ist, mit der Frau Oberst hinter dem Tische, die über das ganze Gesicht grinst –, mehr ist, als ich verstehe.‹ Damit gehe ich zu der Zahlhütte und sehe, daß Zahltag für die Kulis ist. Ihre Löhne liegen auf dem Tisch vor einem riesigen, schönen roten Kerl – sieben Fuß hoch, vier Fuß breit und drei Fuß dick, mit einer Faust wie ein Kornsack. Er zahlt den Kulis ehrlich ihren Lohn aus, fragt aber jeden Mann, ob er diesen Monat mitspielen will, und jeder sagt natürlich ›ja‹. Dann zieht er ihnen das Spielgeld gleich vom Lohne ab. Wie alles gezahlt ist, füllt er eine alte Zigarrenschachtel mit Gewehrpfropfen und wirft sie unter die Kulis. Sie sind nicht gerade sehr entzückt von der Unterhaltung. Ein Mann nicht weit von mir hebt einen schwarzen Pfropfen auf und ruft: ›Ich hab' ihn!‹ – ›Viel Glück dazu,‹ sag' ich. Der Kuli geht hin zu dem riesigen, schönen roten Kerl, und der zieht ein Tuch weg von dem wunderschönsten emaillierten, mit Edelsteinen besetzten und ganz großartig verzierten Tragsessel, den ich in meinem Leben gesehen habe.«

»Tragsessel? Laß dich ausstopfen. Das war ein Palankin. Weißt du nicht einmal, was ein Palankin ist?« sagte Ortheris mit großer Geringschätzung.

»Ich nenn' es einen Tragsessel, und es bleibt ein Tragsessel, Kleiner,« erwiderte der Irländer. »Es war ein großartiges Ding von einem Sessel – ganz mit rosafarbener Seide gefüttert und mit roten Vorhängen verhängt. ›Da ist er‹ sagte der rote Mann.

– ›Da ist er,‹ sagt der Kuli und grinst, als hätte er Leibschmerzen. –› Kannst du ihn brauchen?‹ fragt der rote Mann. – ›Nein‹ sagt der Kuli; ›ich möchte ihn Euch zum Geschenk machen‹ – ›Ich nehme ihn gnädigst an,‹ sagt der rote Mann; und auf das rufen alle Kulis laut in einer Weise, die Freude vorstellen soll, und gehen wieder zu ihren Schaufeln zurück, so daß ich allein in der Hütte bleibe. Der rote Mann sieht mich, und sein Gesicht wird blau auf seinem dicken, fetten Halse. ›Was wollen Sie da?‹ fragt er.

– ›Stehen und sonst nichts‹ sag' ich, ›wenn nicht vielleicht etwas, was Sie niemals gehabt haben, und das sind Manieren, Sie lotteriespielender Lümmel‹ sage ich, denn ich wollte die Armee nicht geringschätzig behandeln lassen. – ›Hinaus!‹ sagt er, ›ich habe den Befehl über diesen Teil des Baues!‹ – ›Ich habe den Befehl über mich selber‹ sag' ich, ›und ich werde wahrscheinlich noch ein wenig bleiben. Es wird wohl viel gespielt in dieser Gegend?‹ – ›Was geht das Sie an?‹ fragt er. – ›Nichts,‹ sage ich, ›aber Sie desto mehr, denn ich glaube wahrhaftig, Sie ziehen die Hälfte Ihres Einkommens aus diesem Tragsessel. Wird der immer so ausgespielt?‹ sag' ich, und damit geh' ich zu einem Kuli, um einige Fragen an ihn zu stellen. Jungens, der Name dieses Menschen ist Dearsley, und der spielt diesen alten Tragsessel seit neun Monaten so aus, alle Monat einmal. Ein jeder Kuli seiner Abteilung nimmt an jedem Zahltag ein Los, sonst wird er fortgeschickt. Jeder Kuli, der gewinnt, schenkt ihm das Ding wieder, denn es ist zu groß zum Wegtragen, und derjenige, der es verkaufen wollte, würde den Laufpaß kriegen. Dieser Dearsley hat sich mit betrügerischem Lotteriespielen Roschusses Vermögen gemacht. Denkt nur, wie schändlich der unterdrückte Kuli ausgesogen wird, den die indische Armee beschützen und an ihrem Busen nähren soll. Zweitausend Kulis jeden Monat ausgeraubt!«

»Zum Henker mit den Kulis! Hast Du den Sessel, Mensch?« sagte Learoyd.

»Wart ein wenig. Als ich so den erstaunlichen und unglaublichen Betrug dieses Mannes Dearsley entdeckt und festgestellt hatte, hielt ich Kriegsrat, während er immer versuchte, mich mit Schimpfreden aufzustacheln, damit ich mich mit ihm boxe. Dieser Tragsessel ist nicht auf rechte Weise zu einem Kuli-Aufseher gekommen. Er hat einmal einem König oder einer Königin gehört. Es ist Gold darauf und Seide und alle Arten von Passamanterie. Jungens, es paßt nicht für mich, irgend was Unrechtes zu unterstützen – ich bin der älteste von Euch – aber – jedenfalls hat er ihn nun neun Monate gehabt, und er darf keinen Lärm schlagen, wenn er ihm weggenommen wird. Fünf Meilen von hier, oder vielleicht sechs –«

Es entstand eine lange Pause, und die Schakale heulten lustig, Learoyd entblößte einen Arm und betrachtete ihn im Mondlicht. Dann nickte er halb zu sich selbst, halb zu seinen Freunden, Ortheris zuckte die unterdrückte Erregung in allen Gliedern.