Something Pure - Kylie Scott - E-Book

Something Pure E-Book

Kylie Scott

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Beschreibung

Wahre Liebe muss standhaft sein

Alice hat so ihre Zweifel an der wahren Liebe. Schließlich trifft sie bei ihrem Job in einer Bar nicht gerade die Vorzeige-Exemplare der männlichen Spezies - bis Beck auftaucht. Vom ersten Moment an ist da dieses warme Funkeln und Prickeln zwischen ihnen. Doch als Becks Vater überraschend stirbt, erfährt Alice, dass der unwiderstehliche Hilfskellner einer milliardenschweren Unternehmerfamilie entstammt. Als Beck sie bittet, ihm zur Seite zu stehen, kündigt Alice kurz entschlossen ihren ungeliebten Job und folgt ihm nach Denver. Dort findet sie sich in einer Welt wieder, in der Schein mehr wert ist als Sein. Alice und Beck müssen nun jeden Tag darum kämpfen, ihre Liebe nicht von Intrigen, Geld und Macht zerstören zu lassen ...

"Diese Geschichte ist so anders, so süß, so erfrischend, ich bin ganz und gar verzaubert." BENEATH THE COVERS BLOG

Eine Cinderella-Story á la Kylie Scott: herzerwärmend, prickelnd und zutiefst romantisch

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Seitenzahl: 529

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Playlist

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

Die Autorin

Die Romane von Kylie Scott bei LYX

Impressum

Kylie Scott

Something Pure

Roman

Ins Deutsche übertragen von Katrin Reichardt

ZU DIESEM BUCH

Alice glaubt nicht so recht an die wahre Liebe. Schließlich trifft sie bei ihrem Kellner-Job in einer schäbigen Bar in L. A. nicht gerade die Vorzeige-Exemplare der männlichen Spezies. Doch als der attraktive Beck den Job als neue Aushilfe annimmt, knistert es direkt gewaltig zwischen den beiden – wer kann schon einem Mann widerstehen, der Jane Austen zitiert, wo er geht und steht? Beck ist süß und charmant, und trotzdem scheint seine Vergangenheit schwer auf ihm zu lasten … bis er eines Tages von ihr eingeholt wird: Sein Vater ist überraschend verstorben, und Beck soll nun das milliardenschwere Familienunternehmen leiten – und zu all dem zurückkehren, was er eigentlich hinter sich lassen wollte. Er bittet Alice, ihn zu begleiten. Nach Denver, zu seiner steinreichen, gründlich verkorksten Familie. Alice lässt sich darauf ein und findet sich plötzlich in einer Welt wieder, in der Schein mehr wert ist als Sein. Alice und Beck müssen nun jeden Tag darum kämpfen, ihre Liebe nicht von Intrigen, Geld und Macht zerstören zu lassen und sich selbst treu zu bleiben …

PLAYLIST

»Tempo« von Lizzo (feat. Missy Elliot)

»Going to California« von Led Zeppelin

»Lover« von Taylor Swift

»You’re the One« von Greta Van Fleet

»All of Me« von Billie Holiday

»All the Good Girls Go to Hell« von Billie Eilish

»Fuck It I Love You« von Lana Del Ray

»Rocky Mountain High« von John Denver

»Circles« von George Alice

»All Loved Up« von Amy Shark

1. KAPITEL

»Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass ein lediger Mann im Besitz eines stattlichen Vermögens dringend einer Frau bedarf.«

Ich stecke meinen Stift in meine Schürze und stütze mich mit dem Ellbogen auf die Bar. »Und ich nehme an, dass du in diesem Fall mit ›lediger Mann‹ dich selbst meinst?«

»So ist es«, antwortet der Neue mit gebührendem Ernst.

»Hast du dir auch schon überlegt, wer die Glückliche sein soll?«

»Du.«

»Aha.« Ich runzle etwas verwirrt die Stirn. Auch wenn ich ein Jane-Austen-T-Shirt trage, erscheint mir das alles doch etwas übertrieben. »Hat dieser Anmachspruch bei dir überhaupt schon mal funktioniert?«

»Ich habe ihn noch nie ausprobiert. Wie schlage ich mich bisher?«

»Nun ja, es gibt da vor allem ein Problem.«

»Nur eines?«

»Also ich möchte ja nicht den Eindruck erwecken, dass ich es nur aufs Geld abgesehen hätte, aber nachdem du dieses Thema zur Sprache gebracht hast, ist dir schon klar, dass ich auch einen Nachweis für dieses angebliche Vermögen brauche, oder?«, frage ich. »Denn immerhin arbeitest du hier nur als Hilfskellner.«

»Das ist hart. Aber ich kann deine Bedenken nachvollziehen. Welche Beweise willst du von mir?«

Am anderen Ende der Bar gießt der Geschäftsführer gerade einen Drink ein und beobachtet uns dabei nicht gerade unauffällig aus dem Augenwinkel. Das Gleiche gilt für die zweite diensthabende Kellnerin. Vielleicht haben die beiden ihn dazu herausgefordert, mich anzusprechen. Wahrscheinlich haben sie mit ihm gewettet, ob er es schaffen würde, mich zu einem Date zu überreden, bei dem er mich dann versetzen und wie eine Idiotin dastehen lassen kann. Hier überrascht mich nichts mehr. Es gibt gute Gründe für die hohe Personalfluktuation in dieser Bar. Zum Beispiel dass Rob, der Besitzer, ein Arschloch ist, dem es Spaß macht, sich unverschämt zu benehmen und anderen mit seinem miesen Sinn für Humor eins auszuwischen. Und Kari, seine neue Freundin und meine Kollegin im Service, ist ein gemeines Miststück.

Obwohl der Neue eigentlich ganz süß ist. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich finde seine Avancen nicht direkt unangenehm. Ehrlich gesagt habe ich ihn schon seit Beginn meiner Schicht die ganze Zeit vollkommen unauffällig beobachtet. Ich schätze ihn auf Mitte oder Ende zwanzig. Und mir ist aufgefallen, dass sein Po wirklich gut aussieht, wenn er sich in seinen verwaschenen Jeans über die Tische beugt, um sie abzuwischen. Außerdem habe ich registriert, dass unter dem Ärmel seines T-Shirts ein cooles Tattoo hervorlugt. Und dass sein dickes, längeres Haar die Tendenz hat, ihm wie bei einem Leinwandhelden anmutig in die Stirn zu fallen.

Was sein Gesicht angeht – sagen wir einfach, er hat ein recht schönes Gesicht.

In Anbetracht dessen, dass er optisch eine glatte Zehn ist, ich dagegen höchstens eine Sechs, ist mein Misstrauen vielleicht nachvollziehbar. Aber da der abendliche Hochbetrieb noch nicht eingesetzt hat und die Zeit im Schneckentempo dahinzukriechen scheint, ist der neue Hilfskellner bisher das Highlight meiner Schicht. Und ein kleiner, harmloser Flirt kann durchaus amüsant sein. Insbesondere wenn der Mann in Sachen Jane Austen bewandert ist und man sich in einer so tristen Arbeitsumgebung befindet wie hier.

»Lass mich überlegen.« Ich zupfe nachdenklich an meinem langen blonden Flechtzopf. »Kontoauszüge einzufordern wäre zu krass. Außerdem könnten sie gefälscht sein.«

»Stimmt.«

»Mir einen Koffer voll Bargeld vorbeizubringen wäre auch etwas … überzogen.«

»Außerdem dürfte er ziemlich schwer zu schleppen sein.«

»Hmm.«

Er seufzt. »Was hältst du davon, wenn ich dir einfach einen Ring besorge?«

»Du meinst einen Verlobungsring, zur Feier unserer anstehenden Vermählung?«

»Genau.« Er verschränkt die Arme. Und ich lasse mich dabei nicht von den Bewegungen seiner Muskeln unter seiner gebräunten goldenen Haut ablenken. Oh nein. Wohlerzogen wie ich bin, halte ich den Blick fest auf seine hübschen haselnussbraunen Augen gerichtet. »Wie wäre es, wenn ich dir zum Beweis für meinen Wohlstand und meinen überbordenden Reichtum den perfekten Ring kaufen würde?«

»Na gut. Aber achte darauf, dass er groß und auffällig ist, ohne protzig oder übertrieben zu wirken, denn das mag niemand.«

»Verstanden.«

»Toll. Materialistisch, aber akzeptabel. Wie lautet Euer werter Name doch gleich, mein Herr?«

»Beck.« Er reicht mir die Hand und ich schüttle sie. Seine Hand ist groß und sein Griff entschlossen, aber nicht zu fest. »Darf ich dich einfach ›Ehefrau‹ nennen? Das kann ich mir leicht merken.«

»Ha. Ich heiße –«

»Alice. Ich weiß.«

»Freut mich, dich kennenzulernen, Beck.« Ich lasse seine Hand los und ziehe Notizblock und Stift aus der Schürze. »Sosehr ich unsere Unterhaltung genossen habe, muss ich mich jetzt um meine Gäste kümmern.«

»Noch eine letzte Frage. Würdest du gern mal ausgehen? Mit mir?«

Ich stutze.

»Ich habe gehört, dass es in der Bäckerei leckeren Kaffee und Kuchen gibt.«

»Das stimmt. Aber ich finde, wir sollten nichts überstürzen. Wir haben ja gerade erst diese Sache mit der Heirat geklärt. Jetzt gleich zum Kaffeetrinken überzugehen, scheint mir ein zu großer Schritt.«

»Das ist ein gutes Argument und ich möchte ganz sicher nichts übereilen. Es gibt da nur noch ein paar Einzelheiten bezüglich unserer Eheschließung, die ich gern abklären würde. Vor allem die Blumenarrangements. Mit der Planung kann man nie zu früh anfangen. Welche Schriftart sollen wir auf den Einladungskarten verwenden? Das ist fast genauso wichtig. Man kann nicht einfach Comic Sans nehmen und denken, damit ist es gut. Dann müssen wir uns auch noch um deine Aussteuer kümmern. Dabei könnte ich behilflich sein.« Witzig ist er, das muss ich ihm lassen. Aber sind seine Absichten auch ehrlich? Das ist hier die Frage. »Was sagst du dazu, Ehefrau?«

»Ich überlege es mir.«

Und, oh Mann, was für ein Lächeln er hat. Da kann man glatt weiche Knie bekommen. »Gut.«

Die Bar liegt relativ weit vom Wasser entfernt. Auch fehlt ihr die Auswahl an Wein und Craftbieren, die die anderen, cooleren Bars in Santa Monica anbieten. Unsere Kundschaft spiegelt das wider. Am Abend ist bei uns viel los und zahlreiche Stammgäste und Touristen, die auf billiges Bier, laute Musik und Großbildfernseher aus sind, finden sich bei uns ein.

In meinem Bereich sitzen die üblichen Stammgäste und Besucher, die allesamt gern noch in diesem Jahrhundert bedient werden würden. Die Trinkgelder, die ich bekomme, sind ganz gut. Ich verhalte mich höflich und freundlich, ohne zu vertraulich zu werden. Dabei bewegt man sich auf einem schmalen Grat. Trotzdem gibt es immer wieder Vollidioten, die nie begreifen werden, dass Kellnerinnen nicht zu ihrer sexuellen Befriedigung da sind. Heute Abend trägt dieser Vollidiot den Namen Phil.

»Bitte schön, Süße«, sagt er und lässt den Zwanzigdollarschein auf den Boden fallen. »Hoppla. Wie ungeschickt von mir.«

Dieses Spielchen kenne ich schon. Ich lächle einfach weiter, während ich mich nach dem Geld bücke. Dabei gehe ich in die Knie und halte mit einer Hand mein Shirt fest, um dem Arschloch den Ausblick auf mein üppiges Dekolleté zu verwehren (eine weitverbreitete Angewohnheit unter weiblichen Bedienungen). Leider kann ich nicht verhindern, dass sich dabei meine schwarzen Jeans (dunkle Farben harmonieren gut mit meiner Seele und es ist wichtig, auf passende Accessoires zu achten) über meinem ebenso üppigen Po spannen. Mehr als das wird dieser Kerl in puncto echter Action mit mir nicht erleben. Phil ist ein erbärmlicher Drecksack.

»Behalt den Rest«, sagt er und leckt sich dabei die Lippen.

Auch wenn es mich juckt, ihm eins auf die Glocke zu geben, lächle ich wieder und gehe.

»Nicht«, sagt plötzlich eine tiefe Stimme hinter mir.

Dann höre ich Phils erzürntes Geifern. »Lass mich verdammt noch mal los!«

»Sie fassen sie nicht an.« Beck hält den Trottel unerbittlich am Arm fest. Und Phil hat dem Neuen nichts entgegenzusetzen. »Nicht ohne ihr Einverständnis.«

»Ich wollte doch gar nicht –«

»Doch, Sie wollten.«

»Was gibt es hier für ein Problem?« Rob ist ganz rot im Gesicht, weil er seinen Posten hinter der Bar verlassen hat und zu uns gerannt ist. »Beck, um Himmels willen, lass ihn los. Phil, mein Freund, bist du okay?«

»Dieser Idiot hat mich angegriffen.« Phil plustert sich auf und reibt über die roten Flecken an seinem Arm. »Er hat mir fast den Arm abgerissen.«

»Er wollte ihr an den Hintern grapschen«, sagt Beck, dessen Stimme angespannt klingt.

»Ist das dein Ernst?« Rob verdreht die Augen. »Er hat doch nur Spaß gemacht. Die Kleine versteht Spaß, nicht wahr?«

Die Kleine, also ich, seufzt nur. Dann lächle ich. Ein Lächeln ist unter den gegebenen Umständen ja nicht unbedingt eine Lüge. Doch Beck reißt verdutzt die Augen auf. Was hat er denn erwartet? Ich brauche diesen Job.

»Das alles tut mir sehr leid, Phil«, beteuert Rob. »Es wird nicht wieder vorkommen.«

»Das will ich hoffen.« Der Volltrottel sammelt seinen verwundeten Stolz ein und geht zur Tür. Die Gäste um uns herum widmen sich wieder ihren Getränken. Die Show ist vorbei.

»Mach so was noch mal und du fliegst raus«, faucht Rob. »Dieser Mann ist ein geschätzter Kunde. Er kommt jeden zweiten Abend, gibt sein Geld hier aus und lässt gute Trinkgelder da. Kapiert?«

Beck nickt wortlos.

Und ich mache mich mit zusammengebissenen Zähnen wieder an die Arbeit.

»Passiert so was öfter?«

Es ist zwei Uhr morgens und der letzte Betrunkene ist gerade aus der Bar getorkelt. Kari und Rob sind schon gegen Mitternacht gegangen, als es langsam ruhiger wurde. Dann darf ich mich immer ein Weilchen hinter die Bar stellen. Rob mag es nicht, wenn ich gleichzeitig mit ihm hinter dem Tresen arbeite, weil ich dabei angeblich »zu viel Platz vereinnahme«. Also sind nur noch Beck und ich übrig, um sauber zu machen. Aus der Stereoanlage ertönt leise Musik, und auch draußen auf der Straße ist nicht mehr viel los.

»Hin und wieder«, antworte ich und wische den Tresen ab. »Das gehört zum Job. Danke, dass du versucht hast, mich vor Sexismus zu beschützen, aber ich kann auf mich selbst aufpassen.«

Schweigen.

Er fängt an, die Stühle auf die Tische zu stellen, um anschließend den Boden zu kehren und feucht zu wischen. Wenigstens muss ich das heute nicht allein machen. Rob ist so ein Geizhals. Der letzte Hilfskellner ist schon vor Wochen urplötzlich nicht mehr zur Arbeit erschienen.

»Ich sehe mich nach einem anderen Job um«, sage ich, weil mir die Stille unangenehm wird. »Obwohl das bei meinen Arbeitszeiten hier nicht so einfach ist. Alles in allem hasse ich diese Spelunke mit dem Feuer von tausend Sonnen, aber das darfst du ihm bitte nicht verraten.«

»Dein Geheimnis ist bei mir sicher.« Er lächelt. Ich lächle. Wir lächeln alle. Die dunklen Wolken haben sich verzogen. Gut so.

»Und, wie lautet deine Lebensgeschichte?«, frage ich.

Offenbar stehe ich auf die straffen Muskeln seiner Arme, denn als er beginnt, mit dem Besen den Boden zu fegen, hat das eine unglaublich sexy Wirkung auf mich. Ich brauche einen Moment, um mich daran zu erinnern, was ich eigentlich gerade vorhatte – nämlich die Kühlschränke und Flaschenregale hinter der Bar aufzufüllen. Der Neue sieht schwer nach Spaß und Herzschmerz aus. Ich sollte es eigentlich besser wissen.

»Als meine zukünftige Braut hast du wohl ein Recht darauf, von meiner dunklen Vergangenheit zu erfahren«, antwortet er mit ernster Miene.

»So schlimm also?«

Wieder lächelt er mir zu. »Nein, eigentlich nicht. Ich habe beschlossen, dass mir der eingeschlagene Weg nicht mehr gefiel, und ihn deshalb verlassen. Seitdem bin ich in unserem großartigen Land herumgereist und habe mir seine Sehenswürdigkeiten angeschaut.«

»Du bist also eine Art Streuner.«

»Könnte man so sagen. Ich hoffe, das wird unserer glücklichen Zukunft nicht im Wege stehen? Ein von Liebe erfülltes Leben auf Achse hat durchaus einiges zu bieten.«

»Ich werde es im Hinterkopf behalten.« Ich richte mich lächelnd vor dem Kühlschrank wieder auf, den ich gerade mit Bier befüllt habe. Ich muss diese ganze Sache noch mal überdenken. Nach der Szene von heute Abend erscheint es mir ziemlich unwahrscheinlich, dass sein Interesse an mir nur ein schlechter, von meinem Chef angezettelter Scherz ist. Aber wir reden noch immer um das herum, worum es hier womöglich gerade geht. »Nach reiflicher Überlegung komme ich zu dem Schluss, dass du eigentlich gar nicht auf den heiligen Bund der Ehe aus bist, sondern lediglich auf bedeutungslosen Sex. Ich kann dir keinen Vorwurf daraus machen, dass du das miteinander verwechselst. Das kommt häufiger vor.«

Er zieht seine dunklen Augenbrauen zusammen und legt eine Hand aufs Herz. »Du zweifelst an meinen Absichten? Das verletzt mich, Alice. Das verletzt mich wirklich.«

»Dann suchst du also doch die passende Ehefrau zu deinem hübschen Vermögen?«

»Auf jeden Fall.« Er macht sich wieder daran, den Boden zu fegen. »Aber keine x-beliebige Ehefrau. Oh nein. Ich will dich.«

Ich schüttele schmunzelnd den Kopf.

»Sie müssen mir gestatten, Ihnen zu sagen, wie sehr ich Sie bewundere und liebe.«

»Eins muss ich dir lassen: Mit Jane Austen kennst du dich wirklich beeindruckend gut aus.«

»Oh, vielen Dank. Das ist das Lieblingsbuch meiner Stiefmutter. Früher wollte sie andauernd, dass ich mir mit ihr die Verfilmungen ansehe. Ich hätte nie gedacht, dass mir das eines Tages von Nutzen sein könnte, aber ich habe mich wohl geirrt.« Wieder lächelt er, und meine blöden Knie werden weich. Bei diesem Mann muss ich wirklich auf der Hut sein. »Allerdings möchte ich klarstellen, dass ich bedeutungslosen Sex mit dir durchaus in Betracht ziehen würde, bis du bereit bist, dich zu binden.«

»Wie großmütig von dir.«

»Kein Problem«, erwidert er. »Wir könnten es ja als ersten kleinen Schritt hin zum gemeinsamen Kaffeetrinken in Erwägung ziehen. Es langsam angehen lassen, wie du gesagt hast.«

Ich verkneife mir das Grinsen. Dieser Kerl ist ein unglaublicher Charmeur. »Ist das normal bei dir, dass du einer Frau sofort einen Heiratsantrag machst?«

»Nein. Genau wie die Zitate von Jane Austen ist das eine ganz neue Masche, die ich gerade erprobe.«

»Gibt es einen bestimmten Grund dafür?«, erkundige ich mich.

Er überlegt einen Moment. »Das Leben ist kurz.«

»Stimmt.«

»Sind der Wischer und der Putzeimer auch im Lagerraum?«

Eine ausführlichere Erklärung bekomme ich offensichtlich nicht. Na gut. »Ja, sind sie.«

Eine Weile arbeiten wir schweigend weiter. Ich würde gern behaupten, dass seine Gegenwart keinerlei Auswirkungen auf mich hat, aber das wäre gelogen. Jedes Mal, wenn ich heimlich einen Blick auf ihn werfe, sieht auch er mich verstohlen an. Und er lächelt. Wäre er doch nur nicht so süß. Um die Wahrheit zu sagen, könnte ich ein kleines bisschen dem Untergang geweiht sein. Lust auf den ersten Blick am Arbeitsplatz ist eine haarige Angelegenheit. Das Gleiche gilt für fortgeschrittenes Flirten, das womöglich zu Kopulation führt. Sich auf dergleichen einzulassen, und sei es auch nur ein kleines bisschen, kann auf unzählige Arten schiefgehen. Andererseits scheint er nicht zu beabsichtigen, für längere Zeit hier zu arbeiten, und auch ich setze ja alles daran, möglichst bald von hier wegzukommen. Dieser kaum realisierbare und doch hartnäckige Traum, eines Tages unter einer Geschäftsleitung zu arbeiten, die nicht nur aus Volltrotteln besteht, ist derzeit das Einzige, was mich bei der Stange hält.

Aber einstweilen gilt es, eine kleine Tändelei mit Beck zu erwägen – und ich ziehe sie wirklich ernsthaft in Erwägung. Und sei es nur, um Gelegenheit zu haben, einmal mit den Fingern durch sein schönes Haar zu fahren und es zu zerzausen. Das könnte glatt mein neues Lebensziel werden. Zumindest für diese Woche. Seine Haare und seine Lippen und seine Arme – sie sind derzeit meine Favoriten.

Bevor ich die Bar abschließe, frische ich noch rasch meinen Eyeliner und das Lipgloss auf. Es war ein langer Abend und ich mache mich gern für mich selbst hübsch. Dass Beck mich ebenfalls so sieht, ist nur ein kleiner Bonus.

»Frage«, sage ich gegen drei Uhr morgens, als wir die Bar dichtmachen. »Hast du Hunger?«

»Antwort: Ich könnte etwas essen.«

»Dann folge mir.«

»Ja, Ma’am.«

Das Diner liegt in Laufweite von der Bar am Wilshire Boulevard und lässt sich am besten als »bescheiden« beschreiben. Aber immerhin gibt es dort Kaffee und einigermaßen anständige Burger mit Pommes, und das auch zu nachtschlafender Zeit, wenn ich sie am dringendsten brauche. Dafür liebe ich es von ganzem Herzen. Beck scheint der leichte Fettfilm, mit dem dort alles überzogen ist, nichts auszumachen, und beim Anblick der kitschigen Fünfzigerjahre-Ästhetik muss er schmunzeln. Damit hat er einen weiteren meiner Tests bestanden.

»Du hast mir deine Geschichte noch nicht erzählt«, sagt er, nachdem wir uns in einer der Sitznischen niedergelassen und bestellt haben.

»Ich habe meinen Abschluss gemacht und anschließend festgestellt, dass er nutzlos ist und es außerdem sowieso kaum freie Stellen gibt. Oder zumindest keine, die mich gereizt hätten. Lehrer und Bibliotheksangestellte müssen Tag für Tag um Gelder kämpfen, und die Zeitungen geben eine nach der anderen auf. In der Verlagsbranche wird überall der Rotstift angesetzt. Englische Literatur als Hauptfach zu wählen war wahrscheinlich ein Fehler«, sage ich schulterzuckend. Es gibt diverse Gründe, weshalb ich im Leben nicht recht vorankomme, aber diese Erklärung ist am leichtesten nachzuvollziehen. »Also habe ich mir gedacht, wenn ich schon als Kellnerin ende, dann wenigstens irgendwo, wo ich auch hin und wieder am Strand spazieren gehen kann, ohne jedes Mal stundenlang im Stau stehen zu müssen.«

Er nickt. »Klingt logisch.«

»Finde ich auch. Bestimmt wird mir irgendwann noch einfallen, was ich mit meinem Leben anfangen will.«

»Nur nichts überstürzen. Es ist gut, dass du dir die Zeit nehmen kannst, um darüber nachzudenken, ohne dass dich jemand unter Druck setzt.«

»Außer dem Studienkredit, den ich am Hals habe«, erwidere ich.

Er lächelt. »Bist du hier in der Gegend aufgewachsen?«

»In der Nähe. San Bernadino«, antworte ich. »Und du?«

»Nein, zwischen mir und meinem Zuhause liegt das halbe Land, und ich beabsichtige, es auch dabei zu belassen. Obwohl das halbe Land eigentlich noch immer nicht weit genug ist. Ich habe gehört, dass es in Island um diese Jahreszeit sehr schön sein soll.«

Ich hebe fragend die Augenbrauen.

»Familie«, meint er nur schulterzuckend. »Was soll man da machen?«

Die Bedienung bringt unser Essen. Becks Bestellung quer durchs Frühstücksangebot nimmt den halben Tisch ein. Ohne Zögern stürzt er sich darauf und beginnt, alles zu vertilgen. Würde ich so viel essen, würde mein Hintern anschließend nicht mehr auf die Sitzbank passen.

»Möchtest du auch?« Er bietet mir eine Gabel mit einem vor Sirup triefenden Stück Pfannkuchen an. »Schmeckt gut.«

»Danke, mir genügt mein Burger.« Und ich bin so was von neugierig auf seine Familie. Aber es wäre unhöflich, ihn deswegen zu löchern. Verflixt.

»Also, welche Hobbys und Interessen verfolgt meine zukünftige Frau?«

»Hmm.« Ich stecke mir eine Pommes in den Mund und überlege beim Kauen. »Lesen, Filme, Musik … Das Übliche. Und du?«

»Vieles.«

»Zum Beispiel?«

»Ich weiß auch nicht … Wandern, Bergsteigen. Solche Dinge.«

»Also ist es im Grunde so, dass ich gern still sitze, während du es am liebsten aktiv und sportlich magst. Wir haben nichts gemeinsam.«

»Nein. Warte. Ich kann mich ändern«, witzelt er. »Gib mir noch eine Chance.«

»Du solltest dich nicht ändern müssen.« Ich drehe noch eine Pommes in einem Klecks Ketchup. »Du bist bestimmt genau richtig, so wie du bist.«

Nun sieht er nicht mehr amüsiert aus. Seine Miene ist ausdruckslos geworden. Doch sein Blick ist düster und unzufrieden. Anscheinend habe ich einen Nerv getroffen. Und natürlich reagiere ich darauf auf die denkbar schlechteste Art und Weise, indem ich anfange, loszuplappern.

»Ich meine, was hat es für einen Sinn, mit jemandem zusammen zu sein, wenn man nichts anderes will, als ihn zu ändern?«, frage ich. »Was ist daran interessant oder herausfordernd, wenn der Partner genauso ist wie man selbst? Sitzt man sich dann einfach rund um die Uhr auf der Pelle, bis man irgendwann stirbt? Wahrscheinlich geht einem dabei ziemlich schnell der Gesprächsstoff aus, oder?«

Kein Kommentar von Beck, dafür ist jetzt zwischen seinen dunklen Augenbrauen eine tiefe Furche entstanden. Eben schien er noch so gut gelaunt und selbstsicher zu sein, doch jetzt wirkt er auf einmal fast verloren. Ein Gefühl, das ich derzeit selbst nur zu gut kenne.

»Alles in Ordnung, Beck?«

Er blinzelt und kommt wieder in Schwung. »Entschuldige. Was hast du gesagt?«

»Nichts, schon gut.« Mein Gesicht fühlt sich plötzlich warm an, und oh mein Gott – zu erröten ist so was von nervig. Verzieh dich, du dämliche Beklemmung. »Ich habe nur …«

»Deine Weisheit mit mir geteilt.«

»Klar. Genau. Die geballte Weisheit und Erfahrung aus zweiundzwanzig Lebensjahren und einem Uniabschluss, für den ich bisher noch keine Verwendung gefunden habe. Bitte nimm meine Worte mit dem gebotenen Ernst auf.«

»Werde ich machen.« Seine Anspannung scheint sich ein wenig zu lösen. Seine Schultern werden lockerer, und er gestikuliert mit den Händen. »Mir gefällt es hier.«

»Mir auch.«

»Obwohl dieses Etablissement wohl kaum für eine Hochzeit geeignet ist.«

»Wohl kaum«, stimme ich zu. Die seltsame Stimmung ist verpufft. Ich würde ihn gern fragen, was los war, aber ich kenne ihn nicht gut genug, um ihn deswegen zu bedrängen. Also verlege ich mich stattdessen darauf, ihn anzuschauen. Meine Güte, er ist so attraktiv. Das habe ich schon einmal erwähnt und werde es bestimmt bald wieder tun. Zwar habe ich ein etwas schlechtes Gewissen, weil ich ihn so auf sein Aussehen reduziere, aber was soll ich machen, wenn so ein gut aussehender Mann direkt vor meiner Nase sitzt? Noch wichtiger ist allerdings, dass ich ihn mag. Das kommt nicht oft vor. Und er kann Austen zitieren. Trotzdem fühlt es sich nicht richtig an, etwas zu überstürzen. »Ich wette, du hast in jeder Stadt, durch die du gekommen bist, eine Freundin.«

»Wenn du damit fragen willst, ob ich während meines Trips die ganze Zeit allein geblieben bin, dann lautet die Antwort Nein«, sagt er. »Ich habe viele verschiedene Menschen kennengelernt, in zahlreichen unterschiedlichen Jobs gearbeitet. Und viel Zeit damit verbracht, aus dem Fenster eines Greyhound-Busses zu starren.«

»Hmm.«

»Was ist mit dir? Knüpfst du in der Bar oft neue Freund- oder Bekanntschaften?«

»Nein, normalerweise nicht.«

Er sieht mich an, und jedes verdammte Mal, wenn er das tut, kribbelt mein ganzer Körper. Aber das ist nur Chemie, sexuelle Anziehung. Nichts, worüber ich mir zu viele Gedanken machen müsste. Höchstwahrscheinlich will der Reptilienteil meines Gehirns mir damit mitteilen, dass sein Sperma potenziell interessant ist und er einen guten Beschützer für mich und unsere Jungen abgeben würde. Da ist keine emotionale Bindung zwischen uns. Nicht wirklich.

»Ich habe eine Entscheidung getroffen«, verkünde ich.

»In Bezug auf was?«

»Auf dich.« Ich lege die Pommes hin und wische mir die Hände an einer Serviette ab. »Ich nehme dich heute Abend nicht mit zu mir nach Hause.«

»So, tust du nicht?«

»Nein«, sage ich, doch meine Stimme klingt aufgrund mangelnder Überzeugung etwas wackelig.

Wie er mich ansieht, dieser Ausdruck in seinen Augen – als hätte er niemals zuvor etwas so Interessantes zu hören bekommen wie das, was gerade aus meinem Mund gekommen ist, und als könnte er kaum erwarten, was ich als Nächstes zu sagen habe. Nach derartiger ungeteilter Aufmerksamkeit kann man glatt süchtig werden. Allerdings hat es in der Vergangenheit zwischen heißen Männern und mir nicht besonders gut funktioniert. Die typische erbärmliche Geschichte eben – inklusive Liebeskummer, geplatzter Träume und melancholischer Songs in wochenlanger Dauerschleife, mit denen man all seinen Mitmenschen tierisch auf die Nerven geht.

Da ist es viel sicherer, wenn ich die Hosen anbehalte. Zumindest vorerst.

»Okay«, sagt er.

»Natürlich ausgehend von der Annahme, dass diese ganze Flirterei echt ist und du Interesse daran gehabt hättest, mit mir nach Hause zu kommen?«

»Ist sie und hätte ich.«

Mehrere Schmetterlinge zusammen bezeichnet man als Schwarm, und genau so einer scheint gerade in meinem Bauch herumzuflattern. »Ein andermal vielleicht …«

All die Male, die er mich bisher strahlend angelächelt hat, sind nichts im Vergleich zu diesem zurückhaltenden, nachdenklichen Lächeln, das er mir jetzt schenkt. Lieber Himmel. Mein Herz hämmert in meiner Brust, und mein Hirn ist gleichzeitig benommen und verwirrt. Ich bin überwältigt. Das ist das richtige Wort. Dieser Mann ist witzig, attraktiv und faszinierend – die perfekte Mischung. »Nur keine Eile. Schließlich haben wir noch den Rest unseres gemeinsamen Lebens dafür Zeit. Und wenn du so weit bist, bin ich gern bereit, erst mal abzuwarten und so lange bedeutungslosen Sex mit dir zu haben, bis wir irgendwann aufs Ganze gehen und zusammen einen Kaffee trinken. Hauptsache, du fühlst dich dabei wohl.«

Ich schüttle den Kopf. »Weißt du, ich kann mich ehrlich gesagt nicht entscheiden, ob du verrückt, ein Spaßvogel oder doch etwas ganz anderes bist.«

Beck grinst nur.

Unten am Strand ist es ruhig. Die meisten der Attraktionen am Pier haben schon vor Stunden geschlossen. Normalerweise komme ich nie in den frühen Morgenstunden hierher, aber Beck hat Interesse angemeldet, und jetzt stehen wir hier. Wahrscheinlich wollen wir beide nicht, dass der Abend schon endet. Was wundervoll ist. Der Sand unter unseren Füßen fühlt sich kühl an und der Mond steht tief am Himmel. In einigen Stunden wird die Sonne aufgehen.

»Ich würde gern deine Hand halten, wenn das nicht zu übereilt ist.«

»Ich denke, das geht in Ordnung.« Ich lege meine Hand in seine, und sofort verschränkt er seine Finger mit meinen. Seine Haut ist warm, seine Hand groß. Sie passt zu seiner Körpergröße. Trotzdem scheinen wir gut zu harmonieren. Automatisch macht er kleinere Schritte, damit ich nicht zurückfalle oder er mich mitziehen muss.

»Ich finde, es langsam angehen zu lassen, ist eine gute Idee. Zumindest für die nächsten achtundvierzig Stunden oder so.« Seine Miene ist nachdenklich und sein Blick aufs Wasser gerichtet. »Wir möchten uns schließlich ein solides Fundament für unsere Ehe aufbauen.«

»Genau«, sage ich gedehnt. »Darf ich fragen, ob du schon mal verheiratet warst?«

»Nein, war ich nicht. Du?«

»Nö.«

»Dann sind unsere Fachkenntnisse in dieser Hinsicht ja auf dem gleichen Stand.« Er drückt leicht meine Finger. »Ich habe ein gutes Gefühl bei dieser Sache. Sogar ein sehr gutes Gefühl.«

Das leise Rauschen der Wellen, die ans Ufer schwappen, ist beruhigend. Nach dem Lärm in der Bar und den grellen Lichtern im Diner ist es schön, draußen an der sauberen Meeresluft zu sein. In die Ferne zu blicken und an nichts Tiefschürfendes zu denken. Meine Füße schmerzen und mein Kopf ist müde, aber ich habe angenehme Gesellschaft. Er hat seine Jeans hochgekrempelt und bohrt die Zehen in den Sand. Seine nackten Füße sind ebenso attraktiv und interessant wie der Rest von ihm. Zehen haben mich bisher nie sonderlich gereizt, aber das hat sich gerade geändert.

»Ich habe nie viel Zeit am Strand verbracht«, sagt er. »Ich bin eher die Berge gewohnt.«

»In den Bergen gibt es keine Haie.« Eine ziemlich zusammenhanglose, aber dennoch zutreffende Bemerkung. Die Hai-Dokumentationen, die ich im Fernsehen gesehen habe, haben tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. »Entsprechend ist es dort wahrscheinlich sicherer.«

»Ja.« Er kratzt sich die dunklen Kinnstoppeln. »Das ist ein Argument für die Berge. Andererseits lebt dort Bigfoot.«

»Aber greift er auch Menschen an, oder ist er nur ein behaarter Eigenbrötler, der einfach seine Ruhe haben will?«

»Letzteres würde ich sagen.«

»Unglaublich, dass du begeisterter Bergsteiger bist. Ist das nicht schwierig?«

»Nun ja, es ist nicht immer einfach.«

»Du benutzt aber einen Sicherheitsgurt und trägst einen Helm, oder?«

Er zieht den Kopf ein. »Ähm, eigentlich nicht.«

»Du machst Freeclimbing?« Ich ziehe meine Hand aus seiner und drehe mich zu ihm um. »Beck, das ist gefährlich. Dabei sind schon Menschen gestorben.«

»Aber es ist cool, oder?«

»Tust du das nur, weil du denkst, es sei cool?«

Er schüttelt den Kopf. »Nein. Der Herausforderung wegen. Ich gegen den Berg. Weißt du, es geht dabei ja nicht nur um den körperlichen Aspekt, sondern auch um mentale Stärke. Es ist eine unglaubliche Erfahrung.«

»Ich verstehe wirklich nicht, warum du dich damit abgibst, mit mir zu flirten«, sage ich. »Für mich ist es schon ein riskantes, aufregendes Abenteuer, abends lange aufzubleiben, um ein Buch zu Ende zu lesen.«

»Bergsteigen ist ein kalkulierbares Risiko, und ich bin so vorsichtig wie möglich. Wenn es dich beruhigt, verspreche ich dir, dich in absehbarer Zeit nicht zur Witwe zu machen.«

»Danke. Ich finde dich sehr mutig.«

Er lächelt nur.

Ich dagegen mache ein skeptisches Gesicht. Ich kann spüren, wie sich meine Stirn in Falten legt. Das mit uns macht zwar viel Spaß, ergibt aber absolut keinen Sinn. Diese Unsicherheit ist eine lästige Angewohnheit, aber leider nicht immer unbegründet. »Weißt du, anfangs dachte ich, du redest nur mit mir, weil Rob mit dir eine Wette abgeschlossen hat oder so.«

»Wirklich? Wie kommst du denn darauf?« Nun runzelt er ebenfalls die Stirn.

Ich zucke nur mit den Schultern. Unnötig, mich hier und jetzt ausführlicher über meine diversen Komplexe und Probleme auszulassen. Oder überhaupt jemals darüber zu sprechen.

»Lass mich eines unmissverständlich klarstellen«, sagt er. »Ich bin nicht hier, um deine Gefühle zu verletzen oder dir etwas vorzumachen, okay?«

»Okay.«

Er winkt mich näher zu sich. »Und jetzt sagst du dasselbe zu mir.«

»Ähm, ich werde weder deine Gefühle verletzen noch dir etwas vormachen.«

»Vielen Dank«, sagt er, und es klingt aufrichtig. Anscheinend bin ich hier nicht die Einzige, die in der Vergangenheit verarscht worden ist. »Nun, meine liebe zukünftige Ehefrau, wie beurteilst du unsere Zukunftsaussichten?«

»Ich finde immer noch, dass wir komplett gegensätzlich sind.«

»Nach deiner Bemerkung beim Essen vorhin zu urteilen, sollten wir in diesem Fall genug Gesprächsstoff für den Rest unseres Lebens haben.« Er tritt näher. Mondlicht und Schatten lassen ihn noch attraktiver wirken. Ein wenig gefährlich und ziemlich mysteriös. Während die Brise seine Haare zerzaust, schaut er mich seelenruhig an. Er hält seine Emotionen gut in Schach. Ich schaffe es nicht, ihn zu durchschauen. Obwohl ich denke, dass seine Witzeleien eine Art Selbstschutz sind, ein Trick, um seine wahren Gefühle zu verbergen. Aber das kann ausgerechnet ich ihm kaum vorwerfen, denn schließlich nutze ich zu diesem Zweck Sarkasmus und meine Schlagfertigkeit.

»Ich hätte nicht gedacht, dass du mir zugehört hast«, sage ich.

»Selbstverständlich habe ich das.« Er kommt noch einen Schritt näher. Unsere Oberkörper berühren sich beinahe, und sein Blick ist fest auf mein Gesicht geheftet. Die Hitze, die sein Körper ausstrahlt, ist intensiv, seine Anziehungskraft extrem stark. Als wäre er ein riesiger Magnet, auf dem ich am liebsten aufprallen und zerbersten würde. Es war dumm von mir, ihn heute Abend nicht mit zu mir zu nehmen und mich zusammen mit ihm nackt auszuziehen (vorzugsweise im Dunkeln, weil ich hin und wieder ein paar Problemchen mit meinem Körper habe). Eine verpasste Gelegenheit. Wie oft begegne ich schon jemandem von Becks Kaliber? Antwort: So gut wie nie. »Da wir es langsam angehen lassen, darf ich dich laut den Regeln jetzt noch nicht küssen, Alice. Was mir, wenn du mich so ansiehst, verdammt schwerfällt.«

»Es gibt Regeln?«

»Kennst du sie etwa nicht? Um genau zu sein, beziehe ich mich gerade auf Artikel fünf, Unterabschnitt sieben.«

»Ach ja?«

»Genau. Kein Kuss beim ersten Date. Und auch definitiv kein Blowjob.«

Ich lache auf. »Oh, wie schade.«

»Allerdings. Aber wir können uns ja umarmen und uns dabei diskret durch unsere Kleider hindurch betatschen«, schlägt er vor. Seine Stimme klingt tief und hypnotisch. »Wenn du das möchtest.«

»Das klingt eigentlich ganz gut.«

»Ich hatte gehofft, dass du das so sehen würdest. Na dann.« Er breitet die Arme aus. »Ich bin bereit.«

Wir sind uns so nah, dass ich mich kaum bewegen muss, um in seiner Umarmung zu landen. Ich schlinge die Arme um seine Taille und schmiege die Wange an seine Brust. Er legt ebenfalls die Arme um mich und hält mich fest. Er riecht herrlich, ein warmer Männergeruch, gemischt mit einem Hauch Schweiß und dem Duft seines Aftershaves. In Kombination mit der salzigen Meeresluft einfach wundervoll. Von seinem Duft könnte ich direkt high werden. Er drückt mich mit einer Hand an sich, während er mit der anderen meinen Nacken massiert. Seine Fingerkuppen streichen über meine Haut, bevor er meine Muskeln mit genau dem richtigen Druck knetet. Der Mann weiß, was er tut. Ich gebe dieser Umarmung elf von zehn Punkten.

Derweil drückt er das Gesicht an meinen Scheitel und schnuppert an meinen langen blonden Haaren. Er versucht nicht mal, es diskret zu tun.

»Wahrscheinlich rieche ich nach abgestandenem Bier«, merke ich an.

Seine Brust bebt, als er leise lacht. »Nein. Es ist mehr ein blumiger Duft.«

»Hibiskus.«

»Ah. Schön.«

Der Geruch kommt vom Trockenshampoo, das ich benutzt habe, weil ich schon seit zwei Tagen mit Haarewaschen überfällig bin. Aber das muss er ja nicht erfahren. Das Ausmaß meiner Beinbehaarung würde dem armen Mann wahrscheinlich auch einen höllischen Schrecken einjagen, aber so ist das Leben. Manchmal muss man als Frau eben einen natürlichen Look pflegen. Außerdem stand mir eigentlich weder der Sinn danach, jemandem so nahe zu kommen wie jetzt gerade, noch hätte ich ernsthaft damit gerechnet. Zumindest nicht heute Abend. Eine Frau zu sein ist manchmal wirklich mit viel Aufwand verbunden.

Aber zurück zu unserer Umarmung.

Schon komisch. Sein Körper fühlt sich gleichzeitig fest und kuschlig an, und die Art, wie er mich in seinen Armen hält, lässt meine Knie weich werden. Ich fühle mich so geschätzt und behütet. Aber auch begehrt. Und da meine Brüste sich an seinen Oberkörper pressen, kann er zweifellos fühlen, wie meine harten Brustwarzen auf seine Berührungen reagieren. Tja. Seine Hand arbeitet sich derweil mein Rückgrat rauf und runter und rutscht dabei jedes Mal aufreizend noch ein wenig tiefer. Die Umarmung ist inzwischen alles andere als unschuldig. Außerdem regt sich in seiner Hose ebenfalls etwas.

»Ist das nicht schön?«, flüstert er. »Und so keusch.«

»Weißt du, genau das habe ich mir auch gerade gedacht.«

Er lässt die Hand über meine Pobacke gleiten, drückt leicht mit den Fingern zu und hält mich fest. Ich schiebe die Hände unter den Saum seines T-Shirts, um seine Haut zu spüren. Sie ist heiß, geschmeidig, perfekt. Dieses Verlangen nach seiner Nähe scheint eine Art Instinkt zu sein. Ich lege das Kinn an seine Brust und blicke zu ihm auf. Ihm so nah zu sein lässt meinen ganzen Körper kribbeln. Im Halbdunkel wirkt sein Blick düster und mysteriös. Und sehr sexy. Mir wird davon ganz schwummerig, sodass ich kaum noch einen klaren Gedanken fassen kann. Zu viele Emotionen. So viel lecker-schmecker. Es wäre ganz leicht, die Hand auszustrecken und seinen Mund an meinen zu ziehen. Eine verlockende Vorstellung. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, weshalb ich der Ansicht gewesen bin, es wäre eine gute Idee, mit dem nächsten Schritt zu warten. Wenn das Blut kocht und die Hormone außer Rand und Band geraten, wird Umsicht schnell bedeutungslos.

Dann verderbe ich alles, indem ich gähne. Mein Kiefer knackt sogar vernehmlich. »Oh Gott. Tut mir leid.«

Er lacht. »Wir sollten wohl besser für heute Schluss machen, damit du etwas Schlaf bekommst.«

»Ja, wahrscheinlich.«

»Soll ich dich noch nach Hause bringen?«

Ich schüttle den Kopf. »Danke, nicht nötig.«

Und dann steht er einfach nur da und sieht mich einen langen Augenblick schweigend an. Könnte ich doch nur seine Gedanken lesen. Ich verstehe nicht, warum er mir so unter die Haut geht, warum ich seine Aufmerksamkeit so genieße. Aber so ist es nun mal. Mein Körper ist ganz verrückt nach der Art, wie dieser Mann mich ansieht, als wäre alles andere nebensächlich. Wie er sich voll und ganz auf mich konzentriert. Langsam verstehe ich, dass Beck nie halbe Sachen macht. Ganz anders als die letzten Männer, die ich gedatet habe. Obwohl das hier kein Date ist. Im Grunde habe ich keine Ahnung, was das hier genau ist.

»Dann sehen wir uns morgen, ja?«, fragt er. Seine Hand liegt auf meinem Kreuz und sein Daumen reibt über den Stoff meines Shirts.

»Ja«, antworte ich lächelnd. Ich kann es kaum erwarten.

2. KAPITEL

Als er am nächsten Tag zur Arbeit kommt, verspüre ich tiefe Erleichterung. Als hätte ich mich unbewusst darauf gefasst gemacht, dass er verschwindet und ich enttäuscht werde. Ich will so nicht empfinden. Ich will mich nicht so sehr auf diese Sache einlassen. Das ist nicht klug. Außerdem habe ich mich ein bisschen herausgeputzt – für ihn, aber auch für mich selbst. Sechzig zu vierzig ungefähr. Keine Ahnung. Die Kombination aus Skinny Jeans, die meinen Po hervorragend betonen, und einem kurzärmligen schwarzen Button-down-Hemd mit Stehkragen gehört zu meinen Lieblingsoutfits. Darin fühle ich mich richtig schick, insbesondere, weil ich mir auch noch die Haare geflochten habe und dazu kleine silberne Kreolen trage.

Ich stehe so dermaßen auf diesen Mann. Hilfe!

Aber hey, die Chancen stehen gut, dass er das Interesse verliert. Sich von einer der heißen Frauen, die die Bar frequentieren, ablenken lässt. Eine Menge Aufmerksamkeit erregt er auf jeden Fall. Nicht, dass ich ihn den ganzen Abend lang beobachtet hätte. Obwohl, irgendwie habe ich ihn doch den ganzen Abend über beobachtet. Was soll ich sagen? Er ist eben ein schöner Anblick. Oder vielleicht hat er diese Kaschemme und unseren dämlichen Chef auch bald satt und kündigt. Wer könnte es ihm verdenken? Und doch, nun da die Bar geschlossen ist und nur noch er und ich übrig sind …

»Würdest du die hier bitte freundlicherweise für mich entsorgen, Ehefrau?«, fragt er und häuft einen Berg aus Bierdeckeln, Notizzetteln und anderen Papierfetzen, die mit Nummern und Namen bekritzelt sind, auf die Bar.

»Willst du ganz sicher keine davon behalten?«

»Nö.«

»Okay.« Ich nehme den Haufen in beide Hände und befördere ihn in den Mülleimer. »Warum habe ich das Gefühl, dass du mit der Weitergabe an mich ein Statement abgeben willst?«

»Weil es so ist«, antwortet er. »Manchmal ist es wichtig, nicht nur das Richtige zu tun, sondern auch dabei gesehen zu werden.«

»Aha.«

»Die weisen Worte meiner Stiefmutter.«

»Steht ihr euch nahe?«, frage ich.

»Ja. Halbwegs.« Er wendet das Gesicht ab. »Wie ich bereits sagte, meine Familie ist kompliziert.«

»Aber bestimmt vermisst du manche von ihnen, oder?«

»Klar«, sagt er, aber es klingt so wegwerfend, dass ich es ihm nicht abnehme. »Den einen oder anderen.«

»Fühlst du dich nicht einsam, wenn du ständig von Stadt zu Stadt ziehst?«

Er sieht mich einen Moment lang an. Der Anflug von Traurigkeit in seinen Augen macht etwas anderem Platz. Freude oder Zuversicht vielleicht. Schwer zu sagen. Beck ist ein Mysterium, das ich unbedingt enträtseln möchte.

»Nicht, wenn ich mit dir zusammen bin«, sagt er. »Wenn ich bei dir bin, Ehefrau, bin ich genau da, wo ich sein will.«

»Schön gesagt.«

Er grinst, lehnt den Besen gegen einen Tisch und stützt sich mit den Ellenbogen auf den Bartresen. »Hast du zufällig auch irgendwelche Telefonnummern, die du gern loswerden würdest? Obwohl ich dich natürlich nicht unter Druck setzen möchte.«

»Ha. Von wegen nicht unter Druck setzen«, sage ich lächelnd. »Aber nein, ich nehme keine Telefonnummern entgegen.«

»Ich hoffe aber, dass du meine annehmen würdest. Wenn ich denn ein Telefon hätte.«

»Du hast kein Telefon?«

»Nein«, meint er kopfschüttelnd. »Wenn man ein Handy hat, wird man von Leuten kontaktiert, mit denen man eigentlich keinen Kontakt haben möchte. Und das führt meiner Meinung nach direkt in die Abgründe der Hölle.«

»Aha.«

»Wüsste ich, dass ich ausschließlich sexy Nachrichten von dir bekäme, würde es mich nicht stören, ein Telefon zu haben, aber leider ist es nicht so.« Und bei diesen Worten lässt er wieder einen kurzen Augenblick die Maske fallen. Genau wie am Vorabend im Diner, als seine Miene plötzlich ausdruckslos und kühl geworden ist. Nur dass er diesmal merklich die Zähne zusammenbeißt. Anscheinend hat er das, wovor er auf der Flucht ist, noch immer nicht ganz abgeschüttelt. Aber so geht es wahrscheinlich den meisten von uns mit emotionalem Ballast.

Ich finde es furchtbar, ihn unglücklich oder niedergeschlagen zu sehen. »Wenn du ein Telefon hättest, würde ich auf jeden Fall deine Nummer annehmen.«

Das Grinsen, das ich zur Antwort erhalte, ist eines von der behäbigen, sexy Sorte. Es verwandelt meine Knie in Pudding. »Es freut mich sehr, das zu hören, Alice. Wie wäre es mit einem Drink?«

»Kein Problem. Was möchtest du?«

»Das Gleiche wie du.«

»Wir trinken gemeinsam etwas? Na gut, mal sehen.« Ich stelle zwei Schnapsgläser auf den Tresen und gieße Don Julio Silver Tequila ein. Hätte ich die Bar nicht schon weitestgehend aufgeräumt, hätte ich uns Margaritas gemacht. Ein andermal vielleicht. Aber für einen warmen Sommerabend wie heute scheint mir Tequila die richtige Wahl zu sein.

»Du machst keine halben Sachen«, bemerkt er.

»Nichts zeigt deutlicher, dass man es ernst meint, als Tequila.« Wir nehmen unsere Gläser und stoßen an, bevor wir sie in einem Zug leeren. Der Schnaps wärmt meine Kehle. Shots sind immer ein bisschen gefährlich. Andererseits scheint mir auch von diesem Mann Gefahr auszugehen. Gefahr für mein Hirn und mein Herz und meine Lendengegend.

Er vollführt eine kleine Verbeugung. »Nun würde ich dich gern zum Tanzen auffordern.«

»Bist du sicher, dass wir das dürfen? Was besagen denn die Regeln dazu?«

»Da es sich beim Tanzen im Grunde nur um eine Umarmung handelt, bei der man sich zusätzlich hin und her bewegt, widerspricht es nicht den Regeln. Solange du dich zurückhältst und nicht versuchst, meinen Hintern zu betatschen.«

»Ich werde mein Bestes geben. Aber versprechen kann ich nichts.«

»Dürfte ich mal deine Playlist sehen, Ehefrau?«

Ich gebe ihm mein Handy und laufe um den Bartresen herum nach vorn. Er lässt sich bei der Songauswahl Zeit und lächelt manchmal über meine musikalischen Vorlieben, runzelt manchmal die Stirn und schnaubt sogar hin und wieder spöttisch. Etwas unverfroren der Gute. Endlich ertönt »You’re the One« von Greta Van Fleet aus den Lautsprechern der Soundanlage. Es gibt wirklich kaum eine bessere Rockballade. Er hat Geschmack. Und ich stehe etwas verloren da, nicht bereit, den ersten Schritt zu tun. Wieder öffnet er einfach nur einladend die Arme.

»Ich versuche auch, dir nicht auf den Zehen herumzutrampeln«, witzele ich und gehe zu ihm.

»Tritt mich ruhig, so viel du willst. Ich halte das schon aus.«

Wo soll ich ihn nur anfassen … Seine breiten Schultern scheinen mir die sicherste Wahl zu sein, und so platziere ich dort vorsichtig meine Hände. Derweil legt er die Arme locker um meine Taille. In dem Moment, in dem ich ihn berühre, den Diskretionsabstand zu ihm aufgebe, verschwindet meine Befangenheit. Es fühlt sich aufregend und prickelnd an, aber keinesfalls unangenehm.

»Vergiss nicht, zwischen uns noch Platz für Jesus zu lassen«, mahnt er.

Doch das klappt nicht recht. Mit jeder wiegenden Bewegung rücken wir enger zusammen, bis so ziemlich jede spirituelle Gestalt Probleme hätte, sich noch zwischen uns zu zwängen. Aber ich gehe davon aus, dass Jesus um diese Uhrzeit sowieso Besseres zu tun hat. Nach einem langen Abend auf Arbeit schmerzen meine Füße, und außerdem rieche ich wahrscheinlich fragwürdig, doch in diesem Moment ist das alles belanglos. Mein Herz schlägt wie wild, und seine Arme umschließen mich. Ich bin genau da, wo ich sein will. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass mein Arbeitsplatz so romantisch sein könnte. Aber eigentlich liegt es nur daran, dass wir allein sind. Da ist der Ort, an dem wir uns aufhalten, eigentlich egal.

»All of Me« von Billie Holliday setzt ein, und wir hören nicht auf zu tanzen und sprechen auch kein Wort. Wir bewegen uns einfach immer weiter zur Musik. Meine Hände stehlen sich seinen Nacken hinauf, wo seine Haut nicht von Kleidung verdeckt wird und sich warm unter meinen Fingern anfühlt. Seine Augen sind herrlich haselnussbraun. Ich könnte stundenlang in ihnen versinken, wie eine liebeskranke Närrin. Ich glaube, ich habe seit der Highschool nicht mehr so eng und langsam mit jemandem getanzt. Nicht falsch verstehen, in meinem bisherigen Erwachsenenleben gab es durchaus denkwürdige Augenblicke. Ich wurde schon mit Rosen beschenkt oder in schummrig beleuchtete Restaurants ausgeführt. Aber das hier entwickelt sich gerade in Windeseile zu meinem bisherigen romantischen Höhepunkt.

Als Nächstes kommt »Lover« von Taylor Swift und wir tanzen weiter. Da er nicht versucht, mich zu küssen, halte ich mich ebenfalls zurück. Es ist auch nicht nötig, weiter zu gehen. Was wir gerade tun, ihm dabei so nahe zu sein, ist wunderschön. Ich wünsche mir, noch ungefähr hundert weitere Augenblicke wie diesen mit ihm teilen zu können. Vielleicht auch noch eine ganze Menge mehr.

Als die Musik verstummt, werden auch unsere Bewegungen immer langsamer, bis wir stillstehen. Und dann ist da dieser Moment, in dem es nur ihn und mich gibt und die Stadt um uns herum plötzlich mucksmäuschenstill zu sein scheint. Wie schön es ist, einfach nur in seinen Armen zu liegen und seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. Zu wissen, dass ich vielleicht, nur vielleicht, hier bei ihm sicher bin. Stück für Stück vereinnahmt er mein Herz, und das fühlt sich wundervoll und gleichzeitig furchterregend an.

»Das war schön«, sagt er leise.

»Ja, war es.«

Er blickt nach unten, wo sich unsere Körper aneinanderpressen. »Das Jesuskind wäre entsetzt.«

»Ich finde es immer furchtbar, kindliche Götter zu enttäuschen.«

»Weißt du, in fünfzig Jahren werden wir auf diesen Abend zurückblicken und du wirst es bereuen, dass du dir die Chance hast entgehen lassen, mich zu betatschen«, sagt er. »Dass du nicht einfach losgelegt und dir mein bestes Stück gepackt hast, als würde es dir gehören.«

»Meine Güte, Beck«, sage ich und muss lachen. »Das war ein derart perfekter, romantischer Augenblick, und du hast ihn einfach zunichtegemacht.«

»Habe ich das?«

»Ja, er ist vollkommen hinüber.«

Er kratzt sich am Kopf. »Verdammt. Ich war nur ehrlich.«

»Klar warst du das.«

Mit einem Lächeln auf den Lippen tritt er ein Stück zurück. Er fehlt mir sofort. Seine Hitze, ihn zu spüren. Vielleicht hätte ich ihn gestern Abend doch mit zu mir nehmen sollen. Allerdings hat dieses langsamere Tempo auch etwas Verlockendes, Heißes, das ich zugegebenermaßen genieße. Trotz der schrägen Dinge, die er immer sagt, und des merkwürdigen Verlangens, das er in mir weckt, indem er einfach nur existiert. Dieser Mann, er soll verdammt sein.

»So«, sagt er.

Von der Art, wie er mich ansieht, bekomme ich eine Gänsehaut am ganzen Körper. Als wäre ich nicht nur die einzige Frau im Raum (was zutreffend ist), sondern womöglich die einzige Frau auf dem ganzen Planeten. Wie bereits erwähnt kann man nach derartiger ungeteilter Aufmerksamkeit geradezu süchtig werden.

»Wie wäre es, wenn ich das Wischen erledige und dich anschließend zu einem zweiten Date ins Diner ausführe?«, schlägt er vor. »Und wir sehen, ob ich unserer aufkeimenden Langzeitbeziehung wieder etwas Romantik einhauchen kann.«

»So, so, ein zweites Date?«

»Ich weiß, das ist ein großer Schritt. Aber ich glaube, wir sind bereit dazu. Was meinst du?«

Ich nicke und mein Magen zieht sich zusammen. »Tun wir’s.«

Je mehr Zeit wir miteinander verbringen, desto mehr empfinde ich und desto mehr verliebe ich mich. Es ist unvermeidlich. Am Abend darauf holen wir uns nach der Arbeit eine Pizza und schlendern durchs Stadtzentrum. Dass wir nach der Arbeit Zeit miteinander verbringen, ist schnell zur Gewohnheit geworden. Dass wir den Augenblick, in dem unsere Wege sich trennen, hinauszögern. Und trotzdem habe ich ihn noch immer nicht zu mir nach Hause eingeladen, und auch er hat in dieser Hinsicht bisher nichts unternommen. Wenn wir weiterhin nichts überstürzen, wird er ja vielleicht die Bar und / oder mich so sehr mögen, dass er eine Weile bleibt. Das wäre schön. Obwohl auch die unterschwellige Angst mitschwingt, dass diese tolle prickelnde erotische Spannung zwischen uns verschwindet, nachdem wir miteinander geschlafen haben. Dann wären wir nur noch zwei Fremde, die sich zufällig nackt und in möglicherweise unvorteilhaften Positionen gesehen haben. Eine heiße Nummer ist schön und gut, doch mit ihm will ich mehr.

»Ich glaube, ich muss dieses Shirt unbedingt haben«, meint er und nickt zu einem der Schaufenster.

»Findest du diese Mischung aus fluoreszierendem Leoparden- und Zebramuster nicht etwas aggressiv?«

»Aber es gibt auch ein Kleid mit dem gleichen Print. Wir könnten im Partnerlook gehen.«

»Das wäre was.«

»So würden wir uns selbst im dichtesten Gedränge nie aus den Augen verlieren.«

»Stimmt.« Ich entledige mich unfassbar anmutig eines Käsefadens, der mir am Kinn klebt. Im nächsten Schaufenster sind verschiedene Abendkleider ausgestellt. Sie sind allesamt total schick und wunderschön und absolut nicht meine Konfektionsgröße. »Als ich noch klein war, wollte ich eine Zeit lang Modedesignerin werden.«

»Weshalb hast du es dir anders überlegt?«

»Ich kann überhaupt nicht gut nähen. Mir fehlt die Geduld.«

»Ah.«

»Aber ich habe viele Kleider gezeichnet, und meine Mom und ich haben uns zusammen Modemagazine und Internetseiten angeschaut. Das war so eine Sache, die uns verbunden hat. Mode und Bücher.«

Hoch über uns lugt der Mond hinter grauen Wolken hervor. Becks Gesellschaft ist wie immer sehr angenehm. Wir unterhalten uns so ungezwungen, als wären wir alte Freunde. Und dann ist da noch diese Art, wie er mich ansieht … Man kann mit Sicherheit sagen, dass mein Verlangen zusehends wächst. Zu behaupten, dass ich ihn nur haben will, wäre untertrieben. Ich muss über ihn kriechen, seine Hitze spüren und seine Haut schmecken. Ängste hin, Ängste her – vielleicht ist ja der Zeitpunkt gekommen, um zur Tat zu schreiten. Um auf Nummer sicher zu gehen, werde ich erst mal noch ein wenig darüber nachgrübeln.

»Was wolltest du als Kind werden?«, frage ich, um meine Gedanken vom Inhalt seiner Hose abzulenken.

Er grinst breit. »Profi-Skateboarder.«

»Cool. Warst du gut darin?«

»Ich stelle mich auf einer Halfpipe ganz geschickt an.«

»Warum hast du es dir anders überlegt?«, frage ich.

Die Furche zwischen seinen Augenbrauen ist wieder da. Ich kann diese Furche nicht ausstehen. Er betrachtet seufzend die Palmen. »Das ist doch nur ein alberner Kindertraum, oder? Ungefähr so, als würde man Astronaut oder Feuerwehrmann werden wollen. Man wird erwachsen und stellt fest, dass es im Leben so nicht läuft. Nur weil einem die Vorstellung von etwas gefällt, heißt das noch lange nicht, dass man auch das Zeug dazu hat, es in diesem Bereich bis ganz nach oben zu schaffen.«

»Ich weiß nicht recht. Haben heutzutage nicht viele Leute im Lauf ihres Lebens drei bis fünf unterschiedliche Jobs?«, frage ich. »Du hast doch gesagt, dass du deinen Lebensweg bereits geändert hast. Was macht es da schon, wenn du einen weiteren Abzweig nimmst, der dich möglicherweise in eine glückliche Zukunft führt?«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass sogar ein Hilfskellner mehr verdient als die meisten Skateboarder.«

»Damit könntest du allerdings recht haben.« Ich recke drohend die Faust gen Himmel. »Verflucht sollst du sein, du dämliches Erwachsenenleben mit deinen unvermeidlichen Schulden und Rechnungen und endlos wiederkehrenden Existenzkrisen.«

Er lächelt. Ich habe ihn zum Lächeln gebracht. Sieg.

Ein fetter Wassertropfen landet auf meiner Wange. Und dann öffnet der Himmel auch schon seine Schleusen und es beginnt zu regnen. Wir bringen uns unter dem Vordach eines Geschäfts in Sicherheit. »Vielleicht hätte ich die Götter lieber nicht erzürnen sollen.«

»Wahrscheinlich nicht«, pflichtet er mir bei.

»Wenn Skateboardfahren also nicht dein Schicksal ist, würde ich gern wissen, wo du dich stattdessen in zehn Jahren siehst?«

Er gibt ein Brummeln von sich. Offenbar muss er über diese Frage scharf nachdenken. »Ich sehe mich mit dir auf der Veranda sitzen und unseren Kindern beim Toben im Garten zusehen.«

»Ach, jetzt bekommen wir auch noch Kinder?«

»Diese Entscheidung bleibt wohl dir überlassen.«

Ich schüttle den Kopf. »Beantworte die Frage bitte noch mal ernsthaft.«

»Okay.« Er seufzt. »Die unerfreuliche Wahrheit lautet wohl, dass ich wahrscheinlich wieder in Denver sein und für unser Familienunternehmen arbeiten werde.«

»Das, vor dem du momentan untergetaucht bist?«

»Jep. Aber diese erfreuliche Pause von all dem Schwachsinn wird irgendwann ein Ende finden. Ich werde zurückkehren und tun, was von mir erwartet wird.« Er sieht nicht aus, als würde er sich darüber freuen. »Was ist mit dir?«

»Ich weiß nicht. Ich würde gern ein Nachdiplomstudium machen. Aber die Kosten, die damit verbunden sind …« Ich verfolge den Gedanken nicht weiter. Eines Tages werde ich mir schon etwas einfallen lassen und meine Motivation finden. Nicht mehr der Kümmerling in der Familie sein. Mein Bruder arbeitet erfolgreich in der IT-Branche. Aber er gehörte auch schon in der Schule in den naturwissenschaftlichen Fächern immer zu den Besten. Ich dagegen war verträumt und hatte meine Nase permanent in einem Buch. Das wahre Leben kann für eine Träumerin, die hauptsächlich in ihrem eigenen Kopf lebt, hart sein. Oder vielleicht lag das auch nur daran, dass ich länger brauchte, um mich von Enttäuschungen zu erholen. Es ist schwer, nach vorn zu blicken, wenn der Kopf ein Faible dafür hat, dich zu quälen, indem er dich immer wieder deine schlimmsten Momente durchleben lässt und damit dein Selbstbewusstsein untergräbt. Manchmal bin ich wirklich selbst mein größter Feind. Eines Tages werde ich erwachsen werden, mir einen besseren Job suchen und endlich Erfolg haben. Ich werde meine Eltern stolz machen. Es wäre allerdings gut, wenn das möglichst bald passieren würde.

Ich esse mein Stück Pizza auf und wische mir die Finger an einer Papierserviette ab. Na toll. Auf der Brust meines hellblauen Shirts prangt ein Fettfleck.

»Komm mal her.« Er legt die Hand an mein Kinn und wischt vorsichtig mit seiner eigenen Serviette neben meinen Lippen. »Ehefrau, du siehst ganz schön verschmiert aus. Und sexy.«

Vielleicht ist es jetzt so weit. Vielleicht wird er endlich den nächsten Schritt tun. Schließlich gäbe es kaum eine romantischere Kulisse dafür. Regen und das schummrige Licht der Straßenlaternen. Nur er und ich und die schlafende Stadt. Mal abgesehen von dem Betrunkenen, der ein Stück entfernt von uns einen Led-Zeppelin-Song grölt, woraufhin ihm jemand aus einem Gebäude in der Nähe zubrüllt, er solle die Klappe halten. Typisch L. A .

»Aber dieses Lied ist ein Kalifornien-Klassiker«, murmle ich.

»Man müsste aber eine Liedzeile ändern in ›Lust in ihren Augen und Tomatensoße auf ihren Lippen‹.«

»Wenigstens klebt sie nicht in meinen Haaren.« Obwohl wir so dicht beieinanderstehen, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als ihm noch näher zu sein. Dieser Mann macht mich gierig. »Beck?«

»Hmmm?«

»Woran denkst du gerade?«

»An Dinge. Wichtige Dinge.«

»Ach ja?« Ich lächle. »Wirst du mich küssen?«

Er richtet den Blick auf meinen Mund. Seine Pupillen sind weit und dunkel. »Dich küssen?«

»Ja.«

Er fährt mit dem Daumen sanft über meine Unterlippe. So eine kleine Berührung, doch sie scheint durch meinen ganzen Körper zu hallen und all meine Nervenenden in Schwingung zu versetzen. Dieser Mann ist die pure Magie. Er leckt sich die Lippen, und ich schwöre, dass ich sie schon beinahe schmecken kann.

»Das sollte ich«, sagt er und seufzt. »Aber ich werde es nicht tun. Noch nicht.«

»Warum?«

Statt mir zu antworten, legt er die Arme um mich und drückt mich an seinen großen, starken Körper. Das ist natürlich auch schön und gut und fängt sogar langsam an, sich richtig vertraut anzufühlen. Sein Duft und die Art, wie er die Wange auf meinen Kopf legt. Ich schlinge die Arme fest um seine Taille und drücke mich an ihn. Im Gegenzug lässt er eine Hand über meinen Rücken hinab zu meinem Hintern gleiten und umfasst meine Pobacke. Nicht gerade subtil, aber das stört mich nicht. Wir sind so eng miteinander verschlungen, wie es mitten auf der Straße möglich ist. Einander so nah, wie wir es vollständig angezogen sein können.

»Ich werde dich küssen«, flüstert er mir ins Ohr. »Wenn der absolut unzweifelhaft richtige Augenblick dafür gekommen ist.«

»Was hoffentlich bald passieren wird.«

»Das wird es.«

Es ist so: Ein Penis an sich ist im Grunde leicht zu haben. Aber dass man die dazugehörige Person auch noch mag, kommt seltener vor. Wenn man versucht, ein einfaches, gradliniges Leben zu führen, kann einen das in ein großes Dilemma bringen. Nicht dass ich wüsste, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich will nicht so tun, als hätte ich davon eine Ahnung. Aber dass ich mit einem Mann reden und schöne Stunden verbringen will, anstatt mich nackt mit ihm in den Laken zu wälzen und dann weiterzuziehen, ist ganz schön vertrackt. Sex ist auf einmal gar nicht mehr so bedeutungslos, wenn man Gefühle für den anderen entwickelt. Wenn man gar nicht mehr aufhören kann, an denjenigen zu denken, und seine Meinung zu so ziemlich allem hören will.

Und das ist ein wenig beängstigend, denn solche Gefühle sind wirklich übel.

Außerdem besteht ja noch die Schwierigkeit, dass wir Arbeitskollegen sind. Obwohl das vielleicht gar kein wirkliches Problem ist, sondern nur ein Vorwand meinerseits, um meinen Kopf und mein Herz zu zügeln. Andererseits ist jegliche Chance, mich gegen zukünftige Verletzungen zu schützen, schon seit Langem verstrichen.

»Essen?«, fragt er, als ich die Hintertür der Bar abschließe.

Obwohl wir uns erst seit vier Tagen kennen, haben wir schon eine Art Pärchenroutine entwickelt. Verrückt.

»Ehefrau«, sagt er und legt mir die Hand aufs Kreuz. »Du machst ein so ernstes Gesicht. Was kann ich dagegen tun?«

»Ich denke nur nach.«

»Worüber?«

Ihn noch weiter in die diversen Neurosen und Ängste einzuweihen, die seine Interessensbekundungen in mir auslösen, brächte uns nicht weiter. Also schüttle ich den Kopf, stecke die Schlüssel in die Handtasche und erzähle ihm eine Lüge. »Es war nur ein anstrengender Abend, mehr nicht.«

»Ja, das stimmt.«

Zu dem Müllgeruch, der in der dunklen Gasse in der Luft hängt, gesellt sich nun auch noch aufgestaute sexuelle Spannung. Er lächelt, woraufhin sich mein Magen wie immer zusammenzieht und der Gravitation zum Trotz Saltos zu schlagen scheint. Schon verrückt, was er für eine Wirkung auf mich hat. Warum können sich die Gefühle, die er in mir weckt, nicht einfach auf meinen Schoß beschränken? Das würde mir das Leben deutlich erleichtern. Ehrlich gesagt glaube ich nicht an Liebe auf den ersten Blick oder innerhalb der ersten Wochen, nachdem man sich kennengelernt hat. Das klingt zu sehr nach Hollywood. Zu überzogen. Doch obwohl ich mir noch immer nicht ganz sicher bin, was da zwischen uns ist, muss ich zugeben, dass es sich wichtig anfühlt. Und da wir beide die nächsten zwei Tage freihaben, ist die Gelegenheit günstig, dieser ganzen Angelegenheit auf den Grund zu gehen.

»Hast du Lust, bei Pommes mit Ketchup den Hof gemacht zu bekommen? Wir müssen allerdings nicht unbedingt zum Diner gehen«, sagt er. »Ich meine, wenn du nicht in Stimmung dafür bist. Wir könnten auch etwas anderes machen. Uns wieder eine Pizza holen oder vielleicht noch mal am Strand spazieren gehen?«

Mein Gehirn hat einen Hänger. Mir fällt keine Antwort ein. »Ähm …«

»Oder ich begleite dich einfach nur zu deinem Auto. Sage dir Gute Nacht.« Jetzt macht auch er ein ernstes Gesicht. Ist anscheinend ansteckend. »Sag etwas, Alice. Du machst mich nervös, und das bin ich nicht gewohnt.«

»Schon merkwürdig, wenn man bedenkt, dass das bei mir der Normalzustand ist.«

»Was ist los?«

»Nichts. Ich … muss nur überlegen. Gib mir eine Minute.«

»Eine Minute.« Er hebt das Handgelenk, an dem er eine Armbanduhr aus Plastik trägt, vors Gesicht. »Und … los.«

»Sehr witzig«, grummle ich.

Beck hat kein Auto. Er sagt, dass er keins braucht. Wenn er findet, dass es Zeit zum Weiterziehen wird, steigt er einfach in einen Bus oder einen Zug, der ihn in die nächste Stadt bringt. Im Moment wohnt er in einem Hostel ganz in der Nähe. Noch ein Hinweis darauf, dass das alles hier nicht von Dauer sein wird. Ein Flirt. Eine Gelegenheit, die sich mir nur für begrenzte Zeit bieten wird, weshalb ich das Beste daraus machen sollte, solange ich es noch kann. Das wäre am klügsten. Darüber nachzudenken, wie sehr ich ihn wahrscheinlich vermissen werde, wenn er wieder fort ist, ist dagegen weniger klug, lässt sich jedoch aus diversen Gründen nicht vermeiden.