Sommergras - Haiku-Gesellschaft e. V. Deutsche - E-Book

Beschreibung

SOMMERGRAS ist die alle drei Monate erscheinende Zeitschrift der Deutschen Haiku Gesellschaft (DHG). Das Heft Nr. 150 von SOMMERGRAS ist einem Jubiläum gewidmet: Sommergras erscheint zum 150. Mal! In einem Sonderteil berichten die DHG-Mitglieder der ersten Stunde von ihren Erfahrungen und Erlebnissen rund um das Haiku und unsere Zeitschrift. Natürlich enthält das Heft auch alle gewohnten Rubriken.

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.

Die Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.1 unterstützt die Förderung und Verbreitung deutschsprachiger Lyrik in traditionellen japanischen Gattungen (Haiku, Tanka, Haibun, Haiga und Kettendichtungen) sowie die Vermittlung japanischer Kultur. Sie organisiert den Kontakt der deutschsprachigen Haiku-Dichter untereinander und pflegt Beziehungen zu entsprechenden Gesellschaften in anderen Ländern. Der Vorstand unterstützt mehrere Arbeits- und Freundeskreise in Deutschland sowie Österreich, die wiederum Mitglieder verschiedener Regionen betreuen und weiterbilden.

Anschrift

Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V., z. Hd. Petra Klingl, Wansdorfer Steig 17, 13587 Berlin

Vorstand

Info/DHG-Kontakt und Redaktion

Eleonore Nickolay,

[email protected]

Redaktion

Horst-Oliver Buchholz,

[email protected]

Kassenwartin

Petra Klingl,

[email protected]

Website

Claudia Brefeld,

[email protected]

Internationale Kontakte

Klaus-Dieter Wirth,

[email protected]

Peter Rudolf,

[email protected]

Frank Sauer,

[email protected]

Tobias Tiefensee,

[email protected]

Bankverbindung:

Landessparkasse zu Oldenburg, BLZ 280 501 00, Kto.-Nr. 070 450 085 (BIC: SLZODE22XXX, IBAN: DE97 2805 0100 0070 4500 85)

1Mitglied der Federation of International Poetry Associations (assoziiertes Mitglied der UNE-SCO), der Haiku International Association, Tokio, Ehrenmitglied der Haiku Society of America, New York.

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

dieses Mal war es der Redaktion bei der Erstellung der neuen SOMMER-GRAS-Nummer beinahe etwas feierlich zumute, und vielleicht ergeht es Ihnen nun bei der Lektüre ähnlich. Schließlich handelt es sich um die 150. Ausgabe! Dieses Ereignis würdigen wir in einem Sonderteil mit Erinnerungen einiger DHG-Mitglieder der ersten Stunde, Besprechungen von Haiku aus vergangenen Ausgaben und Eindrücken weiterer treuer Mitglieder.

An dieser Stelle ist es uns ein Anliegen, allen denjenigen zu danken, im Verlauf der Jahre durch zusätzliches Korrekturlesen zum Gelingen unserer Zeitschrift beigetragen haben.

Selbstverständlich erwarten Sie auch die gewohnten Rubriken mit neuen, interessanten Beiträgen. Und sobald Sie Ihre neue Haiku-Agenda 2026 erworben haben, notieren Sie bitte schon den Termin der nächsten DHG-Mitgliederversammlung am Samstag, den 2. Mai 2026 in Homburg.

Und nun blättern Sie gespannt weiter!

Ihre Eleonore Nickolay

Sommergras

im alten Atlas

trocknen Wiesenblumen

Eleonore Nickolay

Petra Klingl

Eleonore Nickolay

Haiku-Agenda 2026

Auch 2026 wird es wieder die bei vielen DHG-Mitgliedern beliebte Haiku-Agenda geben.

Das Foto für das Cover stammt von Petra Klingl. Es handelt sich um das Tor (Torii) des berühmten Itsukushima-Schreins in der Nähe von Hiroshima.

Aus dem reichen Fundus der Mitgliederseiten und der Haiku-Auswahlen der SOMMERGRAS-Ausgaben und der Bücher im Rotkiefer Verlage haben Petra Klingl und Eleonore Nickolay 53 jahreszeitenbezogene Haiku ausgesucht.

Alle Autorinnen und Autoren werden wieder persönlich benachrichtigt.

An dieser Stelle herzliche Gratulation im Namen des DHG-Vorstandes!

Und hier als Vorgeschmack auf die Haiku der Agenda 2026 eine Reise durch die Jahreszeiten, beginnend mit dem Herbst:

Unter der Kastanie

Eingeschneit das Tal –

über Kindheitserinnerungen

nur die Sonne erklimmt leicht

stolpern

Gipfel um Gipfel.

Wolfgang Gründer

Sabine Sommerkamp

Buchfink

Gewitterregen

zersingt

das Rot der Johannisbeeren

ihren Griesgram

tropft in den Abend

Martin Berner

Renate Riehemann

Die Haiku-Agenda 2026 herausgegeben vom Rotkiefer Verlag und der DHG auf einen Blick:

Wöchentlich ein Haiku / Umfangreiche Kalendarien / Freie Seiten für Notizen / Für Autoren 20 % Rabatt / Rotkiefer Verlag; 12 x 19 cm; Ringbuch / ISBN: 978-3-949029-27-1 / Lieferbar: ab September 2025

Inhalt

Editorial

Eleonore Nickolay und Petra Klingl: Haiku-Agenda 2026

SONDERTEIL zur Nr. 150 von SOMMERGRAS

Von der Vierteljahresschrift Nummer 1 bis zum SOMMERGRAS Nummer 150 – DHG-Mitglieder der ersten Stunde nehmen uns mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit

Haiga von Debbie Strange und Claudia Brefeld

Perlen deutscher Haiku-Dichtung Was Leserinnen und Leser aus 149 Heften auswählten

SOMMERGRAS aus unterschiedlichen Perspektiven

Haiga Hildegard Dohrendorf

KreAktiv

Haiku-Kaleidoskop

Klaus-Dieter Wirth: Die Evolution des Haiku als eigenständiges Genre in der westlichen Welt (Teil 2)

Moritz Wulf Lange: 100 Jahre Haiku (3):

Kompak

t

Claudia Brefeld: Fukinsei

Auswahlen

Haiku-Auswahl

Die Jury stellt sich vor

Tanka-Auswahl

Sonderbeitrag von René Possél

Haiga von Debbi Strange und Claudia Brefeld

Mitgliederseite

Haibun

Tan-Renga

Bücher

Thomas Röstel: Aus des Lebens großem Saal von Norbert C. Korte und Kristina Marion Vetter

Rüdiger Jung: ENGEL UNTERWEGS von Ingo Cesaro

Rüdiger Jung: Kreidestaub von Ingo Cesaro

Horst-Oliver Buchholz: JahrGang von Frank Sauer

Horst-Oliver Buchholz: Herbstlichtung von Angelica Seithe

Rüdiger Jung: stunden mit uns selbst von Jutta Weber-Bock und Wolfgang Haenle

Hartmut Fillhardt: augen im hoiz von Ulrike Titelbach

Horst-Oliver Buchholz: Haiku aus der Probstei von Bernd Reklies

Claudia Brefeld: Wörter die das Herz bedeuten von Bernadette Duncan

Haiga von Georges Hartmann

Berichte

Johann Reichsthaler: Haiku-Spaziergang zum Hohenasperg

Beate Wirth-Ortmann: 13. Haiku-Workshop Wiesbaden-Bierstadt

Gisela Hümmer: Neu im Friedensmuseum Meeder: Cesaros Friedensteppich mit Haiku fertig

Inga Schlesinger: Ein besonderes Haiku-Projekt in der Lausitz Gisela und Ingo Cesaro in Senftenberg aktiv

Wolfgang Luley: Aus meiner Haiku-Werkstatt

Haiga von Gabriele Hartmann

Mitteilungen

Von der Vierteljahresschrift Nummer 1 bis zum SOMMERGRAS Nummer 150

DHG-Mitglieder der ersten Stunde nehmen uns mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit

Conrad Miesen nahm an der Gründungsversammlung der Deutschen Haiku-Gesellschaft e.V. mit Margret Buerschaper Ende Januar 1988 in Vechta teilnahm.

Klaus-Dieter Wirth trat 1993 erwartungsvoll in die DHG ein, zog es dann ab 1997 vor, auf dem internationalen Haiku-Parkett aktiv zu werden. 2009 wurde er wieder Mitglied und ist seit 2011 im Vorstand.

Martin Berner wurde 2003 erster Vorsitzender. Da hieß das Vereinsorgan noch „Vierteljahresschrift der Deutschen Haiku-Gesellschaft e.V.“ und ab Nummer 64 war er verantwortlicher Redakteur.

Stefan Wolfschütz war dabei, als im Dezember 2005 die Vierteljahresschrift der DHG zum ersten Mal unter dem Namen SOMMERGRAS erschien. Schmunzelnd erinnert er sich an die vorangegangenen stundenlangen Diskussionen bei Linsensuppe.

Claudia Brefeld erinnert sich an die Zeit, als SOMMERGRAS im Dezember 2009 in einem neuen Outfit erschien und mit farbigen Bildern, Fotos und Haiga bereichert wurde.

Conrad Miesen

Wie ich zur DHG kam

Durch meine Publikation eines Haiku- und Tanka-Zyklus in der Berliner Zeitschrift „Ballon“ wurde Friedrich Rohde (damals 2. Vorsitzender des Senryu-Zentrums) auf mich aufmerksam, schrieb mich an und brachte mich mit Professor Carl Heinz Kurz und Margret Buerschaper in Verbindung.

Lebhafte Briefkontakte waren die Folge, und bald auch erste Treffen und ausführliche Gespräche. So gesehen nicht verwunderlich, dass Margret Buerschaper meine Frau Annelie und mich anschrieb bzw. zur Gründungsversammlung der Deutschen Haiku-Gesellschaft e.V. Ende Januar 1988 in Vechta einlud. Zusammen mit sechs weiteren Personen nahmen wir beide teil, und ich wurde zum Schriftführer dieser neu gegründeten Literatur-Gesellschaft gewählt, bei späteren Kongressen mehrfach wiedergewählt und habe so insgesamt etwa ein komplettes Jahrzehnt im Vorstand mitgewirkt, schrieb auch damals schon diverse Beiträge und Rezensionen sowie poetologische Betrachtungen für die Vierteljahresschrift der DHG.

Was das Heft Nr. 1 vom Juni 1988 betrifft, das jetzt gerade vor mir liegt, während ich diesen Beitrag schreibe, so war es ein recht bescheidener Anfang, und was Design, Einzelgestaltung und Umfang betrifft, durchaus nicht vergleichbar mit den heutigen SOMMERGRAS-Heften (mit deren farbigem Einband und einem Umfang von ca. 100 Seiten!).

Auf der Titelseite der Nr. 1 wurde die Tuschezeichnung eines Kiefernzweiges, die meine Frau gestaltet hatte, reproduziert. Der Umfang des schmalen Heftchens mit einem hellgrauen Einband betrug nur zwölf Seiten plus drei Seiten, welche die Satzung der am 30.1.1988 aus der Taufe gehobenen DHG beinhaltete.

An dieser Stelle ein paar Randbemerkungen zur damaligen 1. Vorsitzenden Margret Buerschaper, die offensichtlich von einigen älteren DHG-Mitgliedern eher kritisch und ablehnend gesehen wird, weil sie rigoros an den, bei der Gründung der DHG beschlossenen Regeln festhielt. Damit folgte sie allerdings einer Linie, die auch von den geistigen Vätern der Haiku-Gesellschaft vorgegeben war und voll mitgetragen wurde. (Gemeint sind die im Heft Nr. 1 genannten Ehrenmitglieder Prof. Carl Heinz Kurz, der Japanologe Prof. Horst Hammitzsch, der damalige japanische Generalkonsul Dr. Tadao Araki und Prof. Hachiro Sakanishi.)

Als Schriftführer der DHG im ersten Jahrzehnt hatte ich mehr als genug Tuchfühlung mit Margret, war bei allen Vorstandstreffen dabei, tauschte mich schriftlich und telefonisch sehr häufig mit ihr aus und möchte gerne eine Lanze für sie brechen. Sie hatte ihre Magisterarbeit über das deutsche Kurzgedicht in der Tradition der japanischen Gedichtformen geschrieben, war gut vernetzt, kommunikativ, ein wahres „Arbeitstier“ in hohem Maße neben ihrem Beruf als Grundschullehrerin und konnte zur damaligen Zeit noch nicht auf viele Schultern verteilen, was alles an Aufgaben und Entscheidungen für sie als 1. Vorsitzende der DHG täglich anfiel.

So ist es gewiss auch in großem Maß ihr zu verdanken, dass die Haiku-Gesellschaft bereits im ersten Jahr (1988) schon nach einigen Monaten die Mitgliederzahl von 100 überschreiten konnte, dass die Treffen und Kongresse minutiös geplant wurden und die Vierteljahresschrift regelmäßig erschien.

Es war damals, so empfinde ich es rückblickend, eine spannende Phase des Aufbruchs, welche ich miterleben durfte, eine Möglichkeit der Horizonterweiterung und der Begegnung mit vielen interessanten anderen Autoren und Wissenschaftlern.

Die gemeinsame Vorliebe für die japanischen Kurzformen der Lyrik wurde sogar zum geistigen Band und zur Grundlage für zahlreiche Freundschaften. So denke ich mit Freude und Dankbarkeit an viele interessante Begegnungen und Gespräche im Rahmen der DHG-Kongresse zurück. Die kontinuierliche Beschäftigung mit dem Haiku hat mein Leben vielfach bereichert und meinem Schreiben (in dem von früh an die Gattungen Gedicht und Hörspiel dominierten) Tiefe und Prägnanz gegeben. Vor allem wurde für die Beachtung des Kleinen und Unscheinbaren der Blick geschärft. Das Sprachgewissen, das heißt die Verantwortung für jedes einzelne im Gedicht verwendete Wort, wurde deutlich erweitert.

Klaus-Dieter Wirth

SOMMERGRAS − was verwirklicht wurde vom Traum eines Mitstreiters

Per Zufall habe ich das Haiku bereits 1967 entdeckt zur Zeit meines Sprachstudiums an der Universität Köln durch die Lektüre des Büchleins Japanische Literatur. Eine Einführung für westliche Leser1 von Donald Keene. Wenig später entstand dann auch schon mein erstes eigenes Haiku:

Die Sonne funkelt

in den Nägeln der Finger.

Darunter Monde.2

In der Folge habe ich mich jedoch, statt regelmäßig weitere eigene Versuche zu unternehmen, insbesondere in die Werke der klassischen Meister des japanischen Haiku Bashō, Buson und Issa vertieft, daneben aber auch in die damals bahnbrechenden Veröffentlichungen von Reginald H. Blyth3, Harold G. Henderson4 und William J. Higginson5.

Wiederum per Zufall erfuhr ich dann 1993 von der Existenz einer inzwischen gegründeten deutschen Haiku-Gesellschaft, der DHG, was mich sogleich dort erfreut und erwartungsvoll eintreten ließ. Sie war 1988 von Carl Heinz Kurz ins Leben gerufen und geprägt worden, einem Schriftsteller, Privatgelehrten, Weltreisenden und Haiku-Enthusiasten mit ausgedehnten internationalen Beziehungen. Allein folgende, fast unmöglich erscheinende Tatsache belegt, dass es ihm unter den damaligen, eingeschränkten Umständen gelang, sogar ein Senku, ein Kettengedicht mit 1.000 Gliedstrophen, ausschließlich durch Anschreiben oder Telefonate, gerichtet an Autoren aus der ganzen Welt, zustande zu bringen. Außerdem stiftete er einen speziellen Belobigungs- und Förderpreis, den „Haiku-Preis im Eulenwinkel“, benannt nach seinem Ferienhaus im Harz. Das SOMMERGRAS (SG) hatte zu jener Zeit noch keinen Namen, sondern hieß rein sachlich einfach Vierteljahresschrift (VJS) der DHG. Bei meinem Einstieg in das neue Abenteuer war gerade die Doppelnummer 23/24 Dezember 1993/Februar 1994 erschienen, in deren Mitte sich damals und noch lange danach auf etlichen Seiten die eingehefteten Haiku-Zusendungen von Mitgliedern befanden, nach dem Wohnort der 1. Vorsitzenden Margret Buerschaper als Vechtaer-Texte ausgewiesen.

Die nächste, zweijährliche Mitgliederversammlung fand 1995 als besonderes Ereignis in Gföhl, dem Begräbnisort der Haiku-Pionierin Imma von Bodmershof, im niederösterreichischen Waldviertel statt. Allerdings stellte sich leider heraus, dass bereits diese erste persönliche Begegnung mit Margret Buerschaper für mich eine Enttäuschung war. Sie wollte − wie sich später herausstellte − als Präsidentin verstanden werden und bezeichnete die Mitgliederversammlung entsprechend als Kongress, obwohl sie in Wirklichkeit eher dem Charakter eines Kaffeekränzchens entsprach.

Gleich am selben Abend schüttelten noch andere Zugereiste mit mir verwundert den Kopf, allen voran David Cobb, ein englischer Deutschlehrer, dessen besonderes Interesse von der geplanten Gründung einer britischen Haiku-Gesellschaft (BHS) geprägt war, sowie Horst Ludwig und Werner Mannheim, die als deutsche Emigranten an Universitäten in den USA lehrten, und schließlich Rudolf Thiem, der als Gymnasiallehrer in der Nähe von Heidelberg tätig war. Bei einem abendlichen Glas Wein trösteten wir uns gegenseitig und waren einig, unsere Kontakte weiter zu pflegen. David Cobb bot mir sogleich eine neue Heimat in der Britischen Haiku-Gesellschaft (BHS) an.

Da jener Carl Heinz Kurz, umtriebiger und verdienstvoller Promoter der jungen DHG im Jahr meines Eintritts verstarb, war Margret Buerschaper umso mehr gefordert, sein großes Erbe pfleglich fortzusetzen, zumal er ihre Magisterarbeit maßgeblich begleitet hatte.

Nach meinem Dafürhalten war das Ergebnis ihrer, wenn auch gut gemeinten Bemühungen, für die Entwicklung des deutschen Haiku eine mehr oder weniger verlorene Zeit. Es handelte sich nämlich um ein allzu starres Regime, bei dem konstant streng auf die Einhaltung der Basiskriterien geachtet wurde: auf die Versgrundstruktur mit 5-7-5 Silben, auf ein Jahreszeitenwort (Kigo) sowie auf ein Schneidewort (Kireji), ersatzweise in Form der uns bekannten Satzzeichen. Dazu bekam Margret Buerschaper schon in Gföhl von den Mitgliedern einen Abakus mit 5-7-5 Holzperlen als „Übungsgeschenk“ überreicht. Bei derselben Veranstaltung wunderte ich mich auch, welch kuriose Vorstellung man von einem Renga vertrat: nämlich eine Art Tan-Renga, das jeweils noch mit einer zusammenfassenden „Unterschrift“ durch einen dritten Teilnehmer abzuschließen war. Der Kompositionsvorgang mutete letztlich wie ein mit äußerstem Ernst betriebenes Gesellschaftsspiel an. Auch inhaltlich verfolgte man leider einen dem Haiku letztlich nicht zuträglichen Trend mit einem allzu romantisch-naturalistischen Tenor, dazu mit einem gewissen pseudophilosophischen Touch, wahrscheinlich um wohl mehr Bedeutung zu generieren.

Positiv wirkte sich die Tatsache, dass alle Belange der DHG derart fest in einer Hand gehalten wurden, insofern aus, dass sich ein Gemeinschaftsgefühl entwickelte, bei dem man sich durchaus eigenwertig als intakten Verband mit familiärer Atmosphäre empfand. Wahrscheinlich auch genau zu diesem Zweck hielt Margret Buerschaper alles geschickt und mit anzuerkennendem persönlichen Einsatz beieinander. Jedes Mitglied bekam handschriftlich ihre persönlichen Glückwünsche zum Geburtstag übermittelt. Jedes Mitglied, das der VJS ein Haiku zusandte, fand selbstverständlich ungeachtet aller Qualität dort seine Berücksichtigung. Jede Buchbesprechung endete mit einer lobenden Empfehlung. In der Folge wurde andererseits ebenso jeder Störfaktor, inklusive Außeneinfluss, der diese heile Welt hätte in Frage stellen können, argwöhnisch beäugt und abgeschirmt.

Und genau das sollte auch ich allzu bald bei meiner folgenden regen Korrespondenz mit Margret Buerschaper erfahren. Ich wies zunächst wiederholt darauf hin, dass ich weder einen Doktortitel trug noch Professor war, sodann dass ihre Vorstellung von einem Haiku nach meinen bis dahin erworbenen Kenntnissen keineswegs dem allgemeinen Haiku-Verständnis gerecht werden würde und dass reine Gefälligkeitsrezensionen kontraproduktiv seien.

Leider zeigte sich Margret Buerschaper beratungsresistent, nahm Kritik persönlich, was dann sogar dazu führte, dass sie meinen Ausschluss am 22.5.1997 als „Nestbeschmutzer“ aus der Gesellschaft durchsetzte, bis dato wohl ein Novum und gebliebener Einzelfall.

Natürlich war ich nicht die einzige Stimme, die sich gegen die erkannten Missstände in der DHG erhoben hatte. Mit besonderem Nachdruck waren dies vor allem die renommierten Deutschamerikaner Jane und Werner Reichhold, die wiederholt in persönlicher Ansprache Reformen anmahnten, ehe sie sich schließlich von sich aus von der DHG verabschiedeten. Andere, wie der engagierte Niederländer Willem van der Molen, Mitherausgeber des Vuursteen und später der eigenen Kurzgedicht-Zeitschrift Kortheidshalve („Der Kürze halber“), der belgische Haiku-Pionier Bart Mesotten, der französische Japanologe Alain Kervern, mit denen ich selbst sehr bald in persönlichem Austausch stand, hatten sich schon unmittelbar nach ihrem ersten Eindruck vom DHG-Geschehen frustriert abgewandt. Diese persönlichen Kontakte hatte ich bereits im Oktober 1997 knüpfen können anlässlich des sogenannten „Shuttle-Events“, organisiert von David Cobb zum „National Poetry Day“. Dabei trafen sich noch weitere Haiku-Freunde aus Japan, den USA, Großbritannien und Irland in Calais, um mit dem Kanaltunnelzug nach Folkestone zu fahren.