Sommerherzen auf dem kleinen Apfelhof - Sonja Flieder - E-Book + Hörbuch

Sommerherzen auf dem kleinen Apfelhof Hörbuch

Sonja Flieder

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Beschreibung

Lisa ist glücklich: mit ihrem Hofladen, dem Leben inmitten des Apfelhof-Teams und mit Moritz. Doch der scheint etwas ganz anderes zu wollen und schmiedet schon seit geraumer Zeit Reisepläne. Dabei dachte Lisa doch, dass sie sich hier in der Lüneburger Heide eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Wie konnte alles nur so weit kommen?

In ihrem Unglück versucht sie sich mit Arbeit abzulenken. Sie hilft Emma mit den flauschigen Alpakas, kümmert sich um die neuen Hühner und unterstützt Frida bei ihrem neuesten Vorhaben: Alpakabesuche in Seniorenheimen, um deren Bewohnern eine Freude zu bereiten. Dabei lernen sie den sympathischen Pfleger Ivan kennen, der Frida außergewöhnlich gern zu haben scheint. Aber die möchte davon nichts wissen. Lisa will den beiden auf die Sprünge helfen, so kann sie ihr eigenes Liebeschaos ganz wunderbar ignorieren. Aber irgendwann muss sie sich Moritz stellen - schließlich liebt sie ihn über alles. Aber ist das genug?

Der fünfte Band der warmherzigen Wohlfühlroman-Reihe um den kleinen Apfelhof in der Lüneburger Heide. Liebenswerte Figuren, turbulentes Liebeschaos und flauschige Alpakas.

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Zeit:6 Std. 57 min

Sprecher:Sabine Fischer

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Das Hofladenfest

Eine Geburt mit Hindernissen

Moritz verhält sich seltsam

Neue Hausgenossen ziehen ein

Der große Streit

Dicke Luft und neue Wege

Ein Ausflug ans Meer

Frida zeigt ihre Sturheit

Pepper ist auf der Flucht

Unverhoffte Rücksicht

Auf dem Märchenwanderweg

Ein einschneidendes Ereignis

Die Grillparty

Lisa überwindet ihre Angst

Epilog

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Lisa ist glücklich: mit ihrem Hofladen, dem Leben inmitten des Apfelhof-Teams und mit Moritz. Doch der scheint etwas ganz anderes zu wollen und schmiedet schon seit geraumer Zeit Reisepläne. Dabei dachte Lisa doch, dass sie sich hier in der Lüneburger Heide eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Wie konnte alles nur so weit kommen?

In ihrem Unglück versucht sie sich mit Arbeit abzulenken. Sie hilft Emma mit den flauschigen Alpakas, kümmert sich um die neuen Hühner und unterstützt Frida bei ihrem neuesten Vorhaben: Alpakabesuche in Seniorenheimen, um deren Bewohnern eine Freude zu bereiten. Dabei lernen sie den sympathischen Pfleger Ivan kennen, der Frida außergewöhnlich gern zu haben scheint. Aber die möchte davon nichts wissen. Lisa will den beiden auf die Sprünge helfen, so kann sie ihr eigenes Liebeschaos ganz wunderbar ignorieren. Aber irgendwann muss sie sich Moritz stellen – schließlich liebt sie ihn über alles. Aber ist das genug?

Der fünfte Band der warmherzigen Wohlfühlroman-Reihe um den kleinen Apfelhof in der Lüneburger Heide.

Sonja Flieder

Sommerherzen auf dem kleinen Apfelhof

Fünf Alpakas für die Liebe

Ein Wohlfühl-Sommer-Roman

Für Aidan.

Das Hofladenfest

»Wo bleiben sie nur alle?« Nervös rieb sich Lisa die schweißnassen Hände.

»Keine Sorge, sie kommen bestimmt gleich.« Ihr Freund Moritz legte ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie kurz an sich.

Lisa schmiegte sich an ihn und blickte ihn von der Seite an. »Na, hoffentlich. Es sieht unseren Freunden gar nicht ähnlich, dass sie ausgerechnet heute zu unserem Hofladenfest zu spät dran sind.«

»Du kennst sie doch.« Moritz lachte. »Garantiert ist ihnen etwas dazwischengekommen.«

»Du hast sicher recht. Trotzdem sollten sie langsam mal auftauchen. Wenn wir den Gästen weder Essen noch Trinken anbieten können, wird es etwas peinlich.«

Lisa löste sich von Moritz und blickte sich im Laden um. Die naturölversiegelten Möbel aus Lärchenholz gaben ihm eine heimelige Atmosphäre. In das Holz integrierte Lampen sorgten zusätzlich für Wohlbefinden. Schon oft hatte Lisa von Kunden gehört, dass sie sich sofort willkommen fühlten, wenn sie das Geschäft betraten.

Inzwischen hatte es einen Namen bekommen: Apfelhofladen. Er stand auf einer Holztafel über der Eingangstür, die ihr gemeinsamer Freund Sven angefertigt hatte. Es gab auch ein paar Hinweisschilder, die sie an den Abzweigungen der Straßen angebracht hatten.

Für das Fest hatten sie auf die Ablageflächen Sträuße mit bunten Frühlingsblumen gestellt. Draußen warteten ebenfalls mit Blumen geschmückte Bänke und Tische auf hoffentlich zahlreiche Besucher.

Wie so oft in den letzten zwanzig Minuten blickte Lisa zu der Uhr im Vintage-Stil, die über der Ladentheke an der Wand hing. Langsam sollten die anderen wirklich eintrudeln. Bereits in einer Stunde kamen die ersten Gäste.

Lisa hatte kaum zu Ende gedacht, als die Tür so schwungvoll aufgerissen wurde, dass sie unter heftigem Bimmeln der Ladenglocke gegen die Wand knallte. Erschrocken zuckte sie zusammen.

»Frida, da bist du ja«, sagte sie erleichtert, sobald sie erkannt hatte, wer da eingetreten war.

»Tut mir leid, dass ich zu spät bin«, erwiderte die Mittsiebzigerin. Sie stürmte auf Lisa zu und zog sie in eine feste Umarmung.

Wie jedes Mal brachte der intensive Geruch ihres Patschuliparfums Lisa dazu, den Atem anzuhalten. Als sie es nicht mehr aushielt, löste sie sich sanft von ihrer Freundin.

Wie gewohnt trug Frida auch heute einen ihrer Kaftane; diesmal einen mit grellpinken und neongelben Streifen. Ihre Haare erstrahlten seit einigen Wochen in kräftigem Grün, was die von ihr gewählten Farbkombinationen noch schräger wirken ließ.

Nachdem Frida auch Moritz mit einer kräftigen Umarmung begrüßt hatte, blickte sie sich suchend um. »Wo sind denn die anderen?«

Lisa zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich hoffe, sie kommen gleich.«

»Ganz sicher. Du wirst nicht glauben, was mir gerade passiert ist.« Schwungvoll hob Frida beide Arme. Die Bewegung brachte ihre goldenen Armreifen zum Klirren.

»Was denn?« Neugierig blickte Lisa sie an.

»Ich war schon fast hier, als mir eingefallen ist, dass ich vergessen habe, den Herd auszustellen. Dann musste ich natürlich noch mal zurück. Tja, jetzt ist mein schöner Kuchen verbrannt.«

»Zum Glück hast du es rechtzeitig bemerkt«, erwiderte Lisa und lächelte Frida an.

»Das ist wohl wahr.« Frida trat an einen der Verkaufskörbe und lugte hinein. »Ach, meine Stricksachen hast du aber schön arrangiert.«

Moritz räusperte sich. »Das war ich. Ich wollte doch, dass deine Alpakasocken besonders schön zur Geltung kommen.«

Anerkennend schlug Frida ihm auf die linke Schulter. »Gut gemacht. So viel Kreativität hätte ich meinem Großneffen gar nicht zugetraut.«

»Haha.«

Bevor Lisa etwas dazu sagen konnte, öffnete sich erneut die Tür, diesmal weitaus weniger schwungvoll. Herein trat Gärtner Kalle, der sich im Gegensatz zu Frida mit einem einfachen »Hallo« begnügte.

Wie üblich trug er seine grüne Gärtnerkleidung und einen Strohhut. Mit einem leisen Ächzen stellte er einen schwer aussehenden Korb auf den Boden, wobei sich seine ohnehin schon faltige Stirn noch mehr wellte.

»Da habt ihr euren Apfellikör«, sagte er. »Ich hoffe, er schmeckt so gut wie der letzte, den ich gemacht habe.«

Lisa grinste. »Sag bloß, du hast ihn diesmal nicht probiert?«

Daraufhin nuschelte der alte Gärtner etwas Unverständliches in seinen Bart. Mit festem Griff packte Moritz den Korb und begann, die Spirituosen in ein Regal zu räumen.

»Ihr könnt übrigens froh sein, dass ich schon hier bin«, brummte Kalle. »Ich war im Kräutergewächshaus und habe irgendwie die Zeit vergessen.« Wie vorhin Frida blickte er sich suchend um. »Wo sind denn die anderen?«

Erneut zuckte Lisa mit den Schultern. »Kommen hoffentlich gleich.«

Sie hatte kaum ausgesprochen, als drei Neuankömmlinge den Laden betraten.

»Sorry, dass wir zu spät sind«, sagte Lisas beste Freundin Emma und strich sich eine Strähne ihrer Lockenmähne aus dem Gesicht.

Alle Blicke wanderten zu ihrem Mann Lukas, der lachend beide Hände hob. »Schaut mich nicht so an. Diesmal ist kein tierärztlicher Notfall dazwischengekommen. Nein, mein kleiner Engel ist ausnahmsweise mal schuld.«

Er deutete auf ein knapp eineinhalbjähriges Mädchen, das wie eine Miniaturausgabe ihrer Mutter Emma aussah. Abgesehen davon, dass ihre Locken blond waren und nicht braun.

»Stimmt.« Liebevoll strich Emma der Kleinen über den Kopf. »Sie wollte partout ihre Hose mit den Hundeaufdrucken tragen, aber die ist leider in der Wäsche.«

»Es hat ein wenig Überzeugungsarbeit gekostet, sie dazu zu bringen, etwas anderes anzuziehen«, sagte Lukas.

»Wo ist denn Oma Luise?«, fragte Emma.

»Ich habe keine Ahnung, wo meine Ehefrau steckt«, erwiderte Kalle. Er lüpfte seinen Hut und kratzte sich am Kopf. »Sieht ihr gar nicht ähnlich.«

»Hoffentlich ist ihr nicht auch der Kuchen verbrannt.«

Lisa riss die Augen auf. »Sag so etwas nicht, Frida. Den Apfelkuchen brauchen wir für die Gäste.«

Lukas wandte sich an Moritz. »Das Geschirr ist im Leiterwagen. Hilfst du mir, es auszuräumen?«

»Klar.«

Die beiden Männer verschwanden nach draußen.

»Herrje, entschuldigt bitte meine Verspätung!«

Lisa drehte sich um und sah Oma Luise, die den Apfelhofladen betreten hatte. Aus ihrem sonst so ordentlich frisierten weißen Dutt hatten sich einige Strähnen gelöst. Insgesamt wirkte die alte Dame etwas abgehetzt.

»Oma, wie siehst du denn aus?«, fragte Emma. »Ist etwas passiert?«

»Das kann man wohl sagen. In dem ganzen Trubel haben wir total vergessen, dass ich schlecht den ganzen Kuchen und Tee schleppen kann. Seit meinem Beinbruch vor ein paar Jahren bin ich ja leider nicht mehr ganz so gut zu Fuß. Den Leiterwagen hatte ich auch nicht.«

Lisa zog eine Grimasse und fasste sich an die Stirn. »Herrje, stimmt! Sollen wir ihn eben holen?«

Oma Luise schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe Miri angerufen und nach einigen Versuchen auch erreicht, als sie gerade die Tierarztpraxis verlassen hat. Sie wollte ihn mit Sven und Hanna im Auto mitbringen. Eigentlich sollten sie schon längst da sein.«

»Warum bist du nicht mitgefahren?«, fragte Kalle mit gerunzelter Stirn. »Du weißt, dass du dich nicht überanstrengen sollst.«

»Papperlapapp. So ein kleiner Spaziergang hat noch keinem geschadet.«

»Deshalb siehst du auch so aus.« Vielsagend deutete Kalle auf die Frisur seiner Ehefrau.

Luise lachte. »Du bist ja mal wieder sehr charmant, mein alter Brummbär.«

Wieder blickte Lisa auf die Wanduhr. »Jetzt wird es langsam wirklich knapp«, sagte sie. »In knapp zwanzig Minuten beginnt das Fest. Henning ist auch noch nicht da.«

Moritz, der inzwischen mit Lukas das Geschirr hingestellt hatte, drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe. »Keine Sorge. Den Bericht für den Undeloher Kurier kann er auch noch schreiben, wenn das Fest schon in vollem Gang ist.«

»Auch wieder wahr. Aber Miri rufe ich besser mal an. Der Tee und der Kuchen sollten schon rechtzeitig da sein.«

Bevor Lisa dazu kam, drang ein Motorengeräusch an ihre Ohren. Sie blickte aus dem Fenster und sah Svens blauen Lieferwagen mit der weißen Aufschrift Schreiner aus Leidenschaft.

»Da sind sie«, sagte sie erleichtert.

Miri, ihr Freund Sven und seine Tochter Hanna stiegen aus dem Auto. Die anderen eilten zu ihnen, um beim Ausladen zu helfen.

Wenig später hatten sie mehrere Kannen mit Apfeltee, Kaffee und einige Apfelkuchen hinter der Ladentheke verstaut. Endlich fühlte sich Lisa einigermaßen entspannt und für das allererste Apfelhofladen-Fest gewappnet.

Damit hofften Moritz und sie, neue Kundschaft anzulocken. Seit der Eröffnung vor etwa einem halben Jahr lief der Laden zwar täglich besser, doch sie wollten ihn noch bekannter machen. Je mehr Menschen auf Bioprodukte aus der Umgebung setzten, desto besser.

Netterweise hatte ihnen Kalle seinen alten Stall überlassen, den sie mit Svens Hilfe ausgebaut hatten. Inzwischen konnte sich Lisa ein Leben ohne den Hofladen gar nicht mehr vorstellen.

Als alles vorbereitet war, setzten sich die Freunde auf zwei der Bänke, um die ersten Gäste zu erwarten.

»Warum seid ihr eigentlich so spät dran gewesen?«, fragte Moritz an Miri gewandt. Er saß neben Lisa. Die beiden hielten Händchen wie zwei Frischverliebte.

»Die Hunde hatten etwas dagegen, dass wir sie in Heidschnucks Heimat zurückgelassen haben«, antwortete Miri und fuhr sich über die kurzen blonden Haare.

Sven grinste, wobei sich ein Grübchen in der linken Wange zeigte. »Ja, es war eine ganze Menge Leberwurst nötig, bis wir sie davon überzeugen konnten, dass es in Luises Küche doch ganz gemütlich ist.«

»Ich hab sie Radetzky und Bigfoot gegeben«, verkündete Hanna mit beträchtlichem Stolz in der Stimme. Die Fünfeinhalbjährige strahlte in die Runde.

»Das hast du toll gemacht.« Sven strich seiner Tochter liebevoll über die Haare.

»Ja, das war super. Und du hast mal wieder die halbe Schreinerei mitgebracht, mein Lieber«, sagte Miri. Sie beugte sich zu Sven und zupfte ein paar Sägespäne aus seinen braunen Haaren.

Oma Luise seufzte. »Ja, mein Radetzky ist leider nicht mehr der Jüngste. Dieser ganze Trubel ist inzwischen zu viel für ihn.«

Sanft strich Lisa ihr über den linken Oberarm. »Er hat ja Bigfoot als Gesellschaft.«

»Hi, Leute.«

Lisa drehte den Kopf und sah Henning, der als Letzter ihrer Freunde zu ihnen stieß. Sie lächelte ihn an. »Schön, dass du es geschafft hast.«

»War gar nicht so einfach«, erwiderte der Journalist und schnaubte. Mit einem Seufzer ließ er sich neben Moritz auf die Bank fallen.

»Ist dir etwa auch etwas dazwischengekommen?« Während sie sprach, gestikulierte Frida wild mit den Händen. Dies hatte zur Folge, dass eine Wolke ihres Patschuliparfums zu den anderen schwebte.

»Das kann man wohl sagen.«

»Wo ist denn eigentlich dein schwarzer Ledermantel geblieben, den du immer trägst?«, fragte Lisa und blickte Henning neugierig an.

Er verdrehte die Augen und schaute in die Runde. »Ich musste mich umziehen«, erwiderte er. »Wisst ihr, vor meinem Haus gibt es genau eine Pfütze. Jetzt könnt ihr raten, was mir passiert ist.«

»Du bist da reingefallen!«, rief Hanna in triumphierendem Ton.

»Bingo.« Henning richtete einen Zeigefinger auf das kleine Mädchen. »Danach war ich nicht nur nass, sondern hatte auch Schlammflecken an den Schuhen, der Hose und am Mantel.«

»Jetzt sind wir ja vollzählig, und die Gäste können kommen!«, sagte Oma Luise.

Und sie kamen. Es dauerte keine Stunde, bis der Laden brechend voll war und alle Bänke besetzt waren. Überall herrschte Stimmengewirr, und die Gäste erfreuten sich bester Laune.

Lisa war glücklich, dass es so gut lief. Unter den Besuchern entdeckte sie nicht nur ihre Bestandskunden, sondern auch eine Menge Menschen, die sie nicht kannte.

Diese kamen bei Weitem nicht nur aus Undeloh, dessen Einwohner sie nach ein paar Jahren auf dem Apfelhof problemlos zuordnen konnte. Nein, eine Menge Menschen waren aus weiterer Entfernung angereist.

Die viele Werbung auf Social Media hatte sich also ausgezahlt. Auch Hennings Ankündigung im Undeloher Kurier hatte sicher einiges zum Erfolg beigetragen.

Die derzeitigen Hausgäste des Apfelhofs waren inzwischen ebenfalls eingetroffen. Für die Zeit ihres Aufenthalts wohnten sie in Fridas Gästehaus mit roséfarbenem Anstrich, das sich neben ihrem eigenen knallgelben befand.

Inzwischen hatte das Apfelhof-Team ein umfangreiches Angebot. Neben Alpakawanderungen gab es Alpakayoga, Koch- und Spinnkurse. Damit verdienten die Freunde inzwischen ein erkleckliches Sümmchen.

Doch es ging ihnen nicht nur ums Geld. Vor allem wollten sie anderen Menschen eine Freude bereiten und ihr Leben bereichern. Dabei achteten sie stets darauf, die Tiere nicht zu überfordern. Auch sie sollten Spaß an den Aktivitäten haben.

Undelohs Bürgermeister Sörensen war dem Hofladenfest glücklicherweise bisher ferngeblieben. Lisa hoffte inständig, dass er nicht noch auftauchte. Wo dieser Mann war, gab es nur Ärger.

Hennings Vater hatte nicht nur des Öfteren versucht, aus dem Apfelhof ein Neubaugebiet zu machen. Nein, er hatte auch seinen homosexuellen Sohn wie ein Stück Dreck behandelt. So lange, bis Henning es endlich geschafft hatte, sich seinem Vater zu widersetzen.

Zufrieden blickte sich Lisa um. Sie sah Sven, der als Hobbyfotograf für die Bilder zuständig war. Gerade war er fleißig mit seiner Kamera zugange. Sicher würden einige schöne Aufnahmen entstehen, die Lisa auf die Website des Apfelhofs stellen würde.

»Na, das läuft doch prima.« Moritz war an sie herangetreten und legte einen Arm um ihre Schultern.

»Sogar besser, als ich gedacht habe.« Lisa lächelte ihn von der Seite an.

»Frida ist mal wieder ganz in ihrem Element.« Grinsend deutete Moritz ins Ladeninnere, wo Frida sich wild gestikulierend mit einigen Besuchern unterhielt.

Lisa lachte. »Meinst du, sie hat schon all ihre Socken verkauft?«

»Ich glaube nicht. Sonst wäre sie längst nach Hause geeilt, um Nachschub zu holen.«

Oma Luises Stimme erklang in ihrem Rücken. »Apropos Nachschub.«

Sanft löste sich Lisa von Moritz und drehte sich um. »Was ist damit?«

»Nun ja. Ich sage es nur ungern, aber der Apfelkuchen geht langsam zur Neige.«

»Jetzt schon?«, fragte Lisa mit geweiteten Augen.

Luise nickte. »Ich fürchte, ich muss nach Heidschnucks Heimat und neuen backen.«

»Wird dir das nicht zu viel?«

»Quatsch, Lischen«, erwiderte Luise und winkte ab. »Es muss mich nur jemand fahren, damit ich nicht wieder allein mit dem Kuchen in der Küche stehe.«

»Stets zu Diensten.« Sven lächelte von einer der Bänke herüber, auf der er mit Miri saß.

Seine Tochter war nirgends zu sehen. Sie spielte mit Leonie und ein paar Kindern aus dem Dorf Verstecken.

»Wir beeilen uns«, sagte Oma Luise.

Zusammen mit Sven ging sie zu seinem blauen Lieferwagen, um baldmöglichst für Kuchennachschub zu sorgen.

»Eigentlich müsstet ihr langsam wissen, dass ihr ständig zu wenig backt.«

Lisa wandte sich in Richtung der gut gelaunten Stimme. Sie gehörte Miris und Svens Nachbarin Ulli, eine Frau mittleren Alters mit einem Irokesenschnitt.

Früher war sie nur Hannas Babysitterin gewesen. Inzwischen passte sie auch auf die kleine Leonie auf, wenn Not am Mann war.

Lisa grinste. »Irgendwann lernen wir es noch. Ganz bestimmt.«

Als die beiden Mädchen hinter einem Gebüsch hervorkamen und Ulli sahen, vergaßen sie ihr Versteckspiel für den Moment und umarmten ihre große Freundin stürmisch.

»Hey, ihr erdrückt mich ja fast«, beschwerte sich Ulli lachend.

»Spielst du mit?« Bittend blickte Hanna sie an.

»Gerne doch. Aber ihr findet mich sicher viel schneller als ich euch.«

Zum Abschied hob Ulli eine Hand, bevor sie mit Hanna und Leonie im Gewühl verschwand.

Der Rest des Tages verlief genauso turbulent, wie er begonnen hatte. Sowohl Frida als auch Kalle mussten kurz nach Hause, da sie ihre Produkte komplett abverkauft hatten.

Gerade als Lisa das letzte Stück Apfelkuchen an den Mann gebracht hatte, trafen Oma Luise und Sven mit drei frischen ein. Um mehr zu backen, war keine Zeit gewesen.

Wie Lisa gehofft hatte, ließ sich Bürgermeister Sörensen nicht blicken. Da sich inzwischen herumgesprochen hatte, wie er seine Familie und auch seinen Hund behandelte, würde er sicher nicht wiedergewählt werden.

An das Ekelpaket wollte Lisa jetzt aber nicht denken. Stattdessen mischte sie sich lieber unter die Besucher, um sich mit ihnen zu unterhalten. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass auch Moritz in ein angeregtes Gespräch vertieft war.

Als hätte er Lisa Blick bemerkt, schaute er zu ihr herüber. Lächelnd warf er ihr eine Kusshand zu, woraufhin sie so tat, als würde sie sie auffangen.

Wenn es nach Lisa ging, konnte es ewig so weitergehen. Auf dem Apfelhof hatte sie endlich ein richtiges Zuhause gefunden. Dazu kamen die besten Freunde, die sie sich wünschen konnte. Als wäre das nicht genug, gab es noch sechs zauberhafte Alpakas und zwei liebenswerte Hunde.

Nein, besser konnte es derzeit nicht laufen.

Als alle Besucher gegangen waren, saßen die Freunde noch ein Weilchen zusammen und ließen den Tag Revue passieren.

Erschöpft, aber glücklich rieb sich Lisa über das Gesicht. »Wenn alle, die heute hier waren, neue Kunden werden, müssen wir bald jemanden einstellen.«

Miri winkte ab. »Ach wo. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht mit vereinten Kräften stemmen könnten.«

»Auch wieder wahr.«

»Jedenfalls haben wir heute wie so oft bewiesen, was Zusammenhalt bewirken kann.« Oma Luise nickte mehrmals gewichtig, um ihre Worte zu unterstreichen.

»Wir sind eben das beste Team, das es gibt«, erwiderte Emma lächelnd.

Zufrieden klatschte Frida in die Hände. »Ja, das war mal wieder ein voller Erfolg.«

Moritz grinste. »Das sind unsere Feste doch immer.«

Dem war nichts hinzuzufügen.

Eine Geburt mit Hindernissen

Wenige Tage später stand Lisa im Hofladen und kämpfte mit der altmodischen Registrierkasse, die sich wieder einmal weigerte, aufzugehen. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen warf sie dem störrischen Ding einen strengen Blick zu.

»Wenn du so weitermachst, ersetze ich dich durch ein modernes Superteil, ganz egal, wie gut du zur Einrichtung passt.« Sie schnaubte.

Als jemand die Eingangstür so heftig aufriss, dass der Griff gegen die Wand knallte und die Ladenglocke mehrmals laut bimmelte, fuhr Lisa erschrocken zusammen. Da hatte es aber jemand eilig.

Freundlich lächelnd hob sie den Kopf, um ihren Kunden zu begrüßen. Die Worte blieben ihr förmlich im Hals stecken, als sie ihre beste Freundin Emma sah. Sie wirkte aufgelöst. Ihre braune Lockenmähne war noch zerzauster als sonst, und ihre weiße Bluse wies mehrere Flecken auf.

Lisas eigene Locken sahen derzeit immer etwas merkwürdig aus, da sie sich das Henna herauswachsen ließ. Dadurch ähnelte sie dem schwangeren Alpaka Rotkäppchen, das ein braunes Fell mit einem roten Stirnbüschel hatte. Nur von den Farben her.

»Du musst mir unbedingt helfen«, sagte Emma mit wie zum Gebet gefalteten Händen, während sie zur Ladentheke eilte und abrupt davor zum Stehen kam. »Ansonsten habe ich keine Ahnung, was ich tun soll.«

Lisa schaute sie an, wobei sie die Augenbrauen hochzog. »Wieso? Was ist passiert? Ist etwas mit Leonie?«

Zu Lisas unendlicher Erleichterung schüttelte Emma den Kopf. »Meiner Tochter geht es gut. Mit ihr hat mein Problem aber zu tun, weil ich gleich einen Arzttermin habe.«

»Also ist doch was mit ihr?«

»Nein, es ist nur eine harmlose Routineuntersuchung«, erwiderte Emma lächelnd. »Bei kleinen Kindern steht ja ständig irgendeine an.«

»Und wobei soll ich dir nun helfen?«, fragte Lisa, die weiterhin nur Bahnhof verstand. »Brauchst du mich zum Händchenhalten, oder muss mein Patenkind im Wartezimmer bespaßt werden, damit es nicht quengelt?«

»Weder noch.« Emma seufzte. »Ich weiß ja, dass du viel zu tun hast und dich um den Laden kümmern musst, aber es gibt keinen, der Zeit hat, die Alpakas zu füttern. Dazu kommt, dass Rotkäppchen jederzeit ihr Cria zur Welt bringen kann. Jemand muss unbedingt nach ihr sehen.«

»Ernsthaft?« Lisa riss die Augen auf. »Woher weißt du das denn? Also, dass die Geburt kurz bevorsteht, meine ich natürlich.«

»Nun, Rotkäppchen sondert sich von der Herde ab, und sie geht häufig zum Kotplatz. Sie wälzt sich, liegt oft auf der Seite. Außerdem sind die anderen Alpakas total unruhig.« Emma seufzte. »Glaub mir, es geht bald los. Vermutlich ist es besser, wenn ich Leonies Arzttermin absage.«

»Ach was. Ich schaue gleich nach den Alpakas. Geh du ruhig mit Leonie zum Arzt.« Suchend schaute Lisa sich um. »Wo ist die Kleine denn überhaupt?«

»Na, hier«, erwiderte Emma und deutete neben sich.

»Äh, nein?«

»Wie meinst du ... Oh, so ein Mist!« Mit zusammengepressten Lippen legte sich Emma eine Hand auf die Stirn. »Sie und die Hunde sind im Auto. In der ganzen Hektik bin ich einfach rausgesprungen und hierhergerannt. Herrje, heute weiß ich wirklich nicht, wo mir der Kopf steht.«

Lisa griff über die Theke nach der linken Hand ihrer Freundin und drückte sie kurz. »Beruhige dich«, sagte sie. »Es ist alles okay. Leonie war keine drei Minuten im Auto, und wir haben erst Mai, weswegen sie sicher keinen Hitzschlag erlitten hat. Außerdem sind Bigfoot und Radetzky bei ihr.«

»Trotzdem.« In einer fahrigen Geste strich sich Emma über die Haare. »So was darf einfach nicht passieren. Ich hole die drei besser eben schnell.«

Wenig später kehrte Emma mit Leonie und den beiden Hunden zurück. Der alte Bernhardiner Radetzky war inzwischen sichtlich in die Jahre gekommen. Seine Bewegungen wirkten steif, und seine Schnauze erstrahlte in reinem Weiß. Langsam ließ er sich nieder, wobei er ein leises Hundeseufzen ausstieß.

Bigfoot, ein schwarzer Labrador-Retriever-Mischling mit einem weißen Fleck auf der Stirn, hatte inzwischen seine komplette Größe erreicht und war endgültig in seine riesigen Pfoten hineingewachsen. Nur seine Tollpatschigkeit hatte er nicht abgelegt.

Als er Lisa sah, wedelte er vor Freude heftig mit dem Schwanz und fegte einige Prospekte zu Boden, die auf der Ablage an der Verkaufstheke lagen. Er drehte sich ein paarmal im Kreis, wobei er auf den Broschüren herumtrampelte. Sie zerknickten immer mehr. Zudem zierten sie nun diverse Pfotenabdrücke.

»Och, Bigfoot.« Lisa schüttelte nachsichtig lächelnd den Kopf.

Der Mischling schien sich keiner Schuld bewusst zu sein, denn er drehte sich zu Leonie, um ihr mit seiner großen Zunge kurz über das Gesicht zu schlabbern, womit er sie zum Kichern brachte. Resolut schob sie ihn zur Seite, was er sich widerstandslos gefallen ließ.

»Kommt, wir müssen los.« Emma wandte sich bereits zum Gehen. »Also, das geht klar, dass du nach den Alpakas schaust?«, fragte sie über die Schulter an Lisa gewandt.

»Na sicher«, erwiderte Lisa und zog die Stirn kraus. »Warum hast du die drei eigentlich in den Laden geholt, wenn du fünf Sekunden später wieder abhaust? Die Zeit hätten sie auch noch im Auto ausgehalten.«

Mit erhobenen Händen warf Emma den Kopf zurück. »Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Heute stehe ich echt voll neben mir. Solche Tage gehören einfach verboten.«

Lisa lachte. »Den Weg zum Arzt findest du aber?«

»Ich gebe mein Bestes.«

Hand in Hand verließen Emma und Leonie den Laden, dicht gefolgt von den beiden Hunden.

»Und vergiss Leonie nicht im Auto!«, rief Lisa ihrer Freundin hinterher. »Sie ist diejenige mit dem Termin!«

Ein weiteres Mal wandte Emma sich um. Diesmal, um Lisa die Zunge herauszustrecken.

***

Wenig später drehte Lisa das an der Ladentür hängende Schild von »Herzlich willkommen« auf »Leider keiner da«, verschloss sie und machte sich auf den kurzen Weg zum Apfelhof. Dieser Abstecher war notwendig, weil sich die Futtervorräte im Stall neben dem Haupthaus befanden.

Da Alpakas täglich etwa fünf Prozent ihres Körpergewichts an Essen fraßen, brauchten sie je nach Größe und Gewicht zweieinhalb bis dreieinhalb Kilogramm Futter. Sie benötigten eine große Menge an Raufutter, weshalb es wichtig war, auch im Frühling und Sommer Heu zuzufüttern.

Im Stall belud Lisa eine Schubkarre und wünschte sich wieder einmal, Miris Freund Sven würde endlich auf der Weide einen Lagerschuppen bauen, damit derjenige, der für das Füttern zuständig war, sich den Weg sparen konnte. Als Schreiner stellte es für ihn zwar kein Problem dar, doch die vielen Aufträge, die er derzeit zu bearbeiten hatte, hinderten ihn an der Ausführung.

Daher bugsierte Lisa auch heute die Schubkarre über den schmalen Weg, der von Schlaglöchern übersät war. Mehr als einmal geriet die Ladung ins Schwanken, wenn sie versehentlich über eines drüberfuhr.

Zum Glück kamen sowohl Lisa als auch das Heu heil an der Weide an. Um Wasser würde sie sich später kümmern und es in einem Transportsack ebenfalls auf der Schubkarre zu den Alpakas bringen.

Bereits als sie das Tor öffnete, erkannte Lisa, dass etwas nicht stimmte. Bis auf das schwangere Rotkäppchen summten alle Tiere aufgeregt und liefen herum, wobei sie sich immer wieder in den Weg gerieten. Auch das braunfellige Dornröschen beteiligte sich daran, obwohl sie normalerweise ein sehr gechilltes Alpaka war, das gern in seiner eigenen Welt lebte.

Schnell schob Lisa die Schubkarre auf die Weide und verschloss das Gatter. Sie ließ sie einfach stehen und eilte zu Rotkäppchen, der Ursache der allgemeinen Erregung.

Mit gespreizten Hinterbeinen und zitternden Flanken stand das Alpaka in der Nähe des Schutzdachs. Dabei stieß es leise Trötlaute aus, die irgendwie verzweifelt klangen.

Wenig später wusste Lisa auch, warum: Die Geburt hatte begonnen. Unwillkürlich weiteten sich ihre Augen, und ihre Hände wurden schweißnass. Lisa rieb sie sich an den Seiten ihrer Jeans ab, doch es half nur kurz.

Himmel, warum bekam Rotkäppchen ausgerechnet jetzt ihr Kind? Bis auf etwas Theoriewissen hatte sie keine Ahnung von Alpakageburten. Von Praxiserfahrung ganz zu schweigen.

In der Hoffnung, dass es sie beruhigte, rief Lisa sich in Erinnerung, dass die meisten Alpakageburten problemlos ohne die Hilfe des Menschen abliefen. Ganz im Gegenteil zu vielen hochgezüchteten Tieren. Sicher würde alles gut gehen.

Wie es sein sollte, hing der Kopf des Crias bereits aus seiner Mutter. Eines der Vorderbeinchen war ebenfalls zu sehen. Aber wo war das zweite?

Von Miri wusste Lisa, dass nach der Nase und dem Kopf bereits die Vorderfüße herauskamen, bevor der Rest des Neugeborenen folgte. Die Nabelschnur riss erst nach Vollendung der Geburt von selbst.

Lisa atmete tief durch. Bisher bestand kein Grund zur Sorge, da es normal war, dass sich zuerst ein Bein zeigte, bevor das zweite folgte. Allerdings wusste sie nicht, wie lange es bereits draußen war.

»Alles wird gut, Rotkäppchen«, sagte Lisa in leisem, beruhigendem Ton. »Du machst das ganz toll.«

Da sie die Stute nicht stören wollte, hielt sie ein wenig Abstand zu ihr. Gebannt starrte sie auf Rotkäppchens Hinterteil und wartete darauf, dass das zweite Vorderbeinchen das Tageslicht erblickte.

Doch nichts geschah. Lisa wurde immer nervöser. War das noch normal? Müsste das zweite Bein nicht wenigstens bereits zu sehen sein?

Als Rotkäppchens Trötlaute lauter und verzweifelter wurden, war ihr schlagartig klar, dass etwas nicht stimmte. Und zwar ganz und gar nicht. Lisas Atmung und Herzschlag beschleunigten sich spürbar. Dazu gesellte sich ein flaues Gefühl im Magen.

Was sollte sie jetzt tun? Miri anrufen, natürlich. Sie musste sofort vorbeikommen.

Mit zitternden Händen zog Lisa ihr Smartphone aus der Gesäßtasche. Es gelang ihr kaum, auf dem Display das Muster zum Entsperren nachzufahren. Erst nach einigen Versuchen schaffte sie es.

Zum Glück meldete sich Miri bereits nach wenigen Klingeltönen und begrüßte Lisa mit fröhlicher Stimme.

»Rotkäppchen ... Bein ... Probleme«, stotterte Lisa, während sie sich innerlich dafür verfluchte, ausgerechnet jetzt kein klares Wort herauszubringen.

»Ich verstehe rein gar nichts«, erwiderte Miri, die immer noch gut gelaunt klang.

Lisa atmete tief durch. »Das zweite Vorderbein kommt nicht raus«, gelang es ihr zu sagen. Hoffentlich verstand Miri, was sie meinte.

Das tat sie, nach mehreren Anläufen von Lisa, den Sachverhalt treffend wiederzugeben, sogar glasklar.

»Wie lange ist es schon so?«, fragte Miri, in deren Stimme die Fröhlichkeit durch einen besorgten Unterton ersetzt worden war.

»Keine Ahnung. Es war schon so, als ich auf die Weide kam.«

»Wie lange ist das her?«

»Keine Ahnung«, wiederholte Lisa. »Aber schon eine ganze Weile.«

»Verdammter Mist. Ausgerechnet heute bin ich in Hamburg. Es sah ja nicht danach aus, dass das Cria heute kommt. Du wirst Lukas anrufen müssen.«

»Mach ich.«

Ohne ein weiteres Wort beendete Lisa das Gespräch und rief Lukas an. Bis er ans Telefon ging, dauerte es bedeutend länger als gerade bei Miri.

»Bin bei einem Notfall«, stieß er mit gepresster Stimme hervor. »Ruf Miri an.«

Bevor Lisa etwas sagen konnte, hatte er auch schon wieder aufgelegt. Verzweifelt starrte Lisa einen Augenblick lang ihr Smartphone an. Dämliches, nutzloses Ding.

Nun, es half ja nichts.

Erneut wählte sie Miris Nummer und schilderte ihr das Dilemma, sobald sie sich gemeldet hatte.

»Dreck, verfluchter«, schimpfte Miri. Sie atmete hörbar ein und aus. »Okay. Alles kein Problem. Du tust jetzt Folgendes: Zuerst rufst du jemanden –«

»Wie zuerst?«, unterbrach Lisa sie entsetzt. »Kommt da noch was?«

»Ja, aber keine Sorge, du schaffst das. Also: Du rufst jetzt jemanden aus dem Apfelhof-Team an und sagst ihm, er soll Gleitgel oder Vaseline mitbringen. Dann meldest du dich wieder bei mir.«

»Was?«

»Tu, was ich sage!«

»O...okay.«

Während Lisa mit zunehmender Verzweiflung erfolglos eine Nummer nach der anderen wählte, beobachtete sie besorgt Rotkäppchen, die weiterhin angestrengt versuchte, ihr Kind auf die Welt zu bringen.

»Claasen?«, meldete sich endlich eine vertraute Stimme.

»Henning! Du musst sofort auf die Weide kommen.«

»Das geht nicht. Ich führe gleich mehrere Interviews für die Zeitung. Das habe ich Emma aber auch gesagt.«

»Die müssen ausfallen. Schwing deinen Hintern zu den Alpakas, und bring Gleitgel oder Vaseline mit. Am besten beides.«

»Und du gehst jetzt einfach mal davon aus, dass ich so etwas besitze?«, erkundigte sich Henning hörbar amüsiert, dem der Ernst der Lage nicht bewusst zu sein schien.

»Tu, was ich sage!«, wies Lisa ihn an wie Miri vorhin sie selbst. »Es gibt Probleme bei Rotkäppchens Geburt. Weder Lukas noch Miri sind verfügbar. Aber sie hilft uns telefonisch.«

»Oh ... mein ... Gott.« In Hennings Stimme schwang eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Panik mit. »Bin schon unterwegs«, fügte er hinzu und legte auf.

***

Es konnte keine halbe Stunde gedauert haben, bis Henning mit hochrotem Gesicht auf die Weide hastete. In der Zwischenzeit hatte Lisa Miri angerufen, die bereits im Auto saß und sich auf dem Weg zu ihnen befand. Durch die Freisprecheinrichtung klang ihre Stimme etwas gedämpft, doch Lisa konnte sie gut verstehen.

Rotkäppchens Zustand war unverändert. Der einzige Trost bestand darin, dass er sich nicht verschlimmert hatte. Lisa hoffte inständig, dass er sich bald besserte.

»Warum hast du so lange gebraucht?«, fuhr sie Henning unbeabsichtigt an. Inzwischen lagen ihre Nerven so blank, dass man darauf Geige hätte spielen können. Wobei ... besser nicht, denn bis zum Zerreißen gespannt waren ihre Nerven ebenfalls.

»Ich musste erst das Gleitgel von zu Hause holen.«

»Was? Ach ja. Natürlich.«

Mit bebenden Fingern durchwühlte Henning seine Umhängetasche, die er immer bei sich trug. Nach Lisas Geschmack dauerte es viel zu lange, bis er das Gewünschte daraus hervorzog und ihr überreichte.

Da auch Lisas Hände zitterten, brauchte sie zwei Anläufe, um die Tube zu ergreifen. Sie atmete tief durch und versuchte, sich für das Kommende zu wappnen. Bislang wusste sie zwar nicht, was da auf sie zukam, aber sie konnte es sich bereits denken.

»Können wir loslegen?«, fragte Miri.

»Wir ist gut«, erwiderte Lisa und seufzte. »Aber ja, ich denke schon.«