Sonnenstich - Tessa Hadley - E-Book

Sonnenstich E-Book

Tessa Hadley

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Beschreibung

In Tessa Hadleys Erzählungen sind es die alltäglichen Begebenheiten, die sich als außergewöhnlich erweisen: Zwei junge Mütter verbringen den Sommer mit ihren Männern und Kindern in einem Cottage auf dem Land – und beginnen beide einen Flirt mit einem befreundeten Arzt. Ein Sohn gesteht der Mutter, seine Freundin zu betrügen. Eine Studentin verkündet ihren Eltern am Küchentisch, dass sie ihren Professor heiraten wird. Ein Teenager ist zugleich überfordert und geschmeichelt von den Avancen einer verheirateten Frau, die sich am Strand dicht an ihn drängt. Mit ihrem feinen Gespür für die Bruchstellen familiärer Geborgenheit kreist Tessa Hadley in acht Erzählungen um die großen Themen des Lebens, um Freundschaft und Liebe, Sexualität und Mutterschaft. Hadley fordert ihre Figuren, reißt sie heraus aus ihrem Alltag und öffnet ihnen Wege in ein neues Leben, von dem sie selbst noch nichts ahnen. Emotional, aber nicht sentimental, und mit wachem Blick für die entscheidenden Details gibt sie tiefe Einblicke in die Komplexität menschlicher Beziehungen – und zeigt einmal mehr, dass sie eine der wichtigsten Schriftstellerinnen Großbritanniens ist.

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Seitenzahl: 141

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Tessa Hadley

Sonnenstich

Erzählungen

Aus dem Englischen von Marion Hertle und Thomas Bodmer

Kampa

Sonnenstich

Der Strand liegt nicht direkt am Meer, sondern am Bristol Channel: Wales ist als blaue Hügelkette auf der anderen Seite zu sehen. Die Gemeinde hat Sand ankarren lassen und als Abgrenzung ein kompliziertes und hässliches System aus Deichen und steinernen Wellenbrechern errichtet, damit der Strand mehr wie ein Strand aussieht, aber die Einheimischen sind der Ansicht, dass alles bei der ersten Springflut weggeschwemmt werden wird. Beherzte Kinder waten auf dem weichen braunen Schlamm weit hinaus bis zum lauwarmen Wasser, das kaum die Kraft hat, sich zu einer Art Welle zu erheben. Man kann kaum glauben, dass diese Jungs und Mädchen, die zu Hause Playstations und Internet haben, immer noch Spaß daran finden, mit Krabbennetzen auf die Gezeitentümpel rauszupaddeln, die sich mit der Ebbe gebildet haben. Aber sie tun es, und sie können sich stundenlang darin vertiefen, wie Kinder es schon seit Jahrzehnten und Generationen machen.

Es ist ein Sommertag mit demselben blauen Himmel und den lustig weiß gebauschten Schäfchenwolken, wie ihn Postkarten zeigen. Die High Street ist mit Fähnchen und Wimpeln festlich geschmückt; die Spielzeugläden haben die Metallkörbe mit Eimern, Schaufeln und Plastikfahnen rausgestellt; die Cafés machen mit dem Nachmittagstee und dem Verkauf von Pommes ein gutes Geschäft. Viele verbringen dieses Jahr ihren Urlaub in Somerset. Mit sonnenverbrannter Haut kaufen sie in Shorts und Sonnenbrille, umgeben von Horden von Kindern, handgemachtes Eis, besuchen die von Liebhabern am Leben erhaltene Dampfeisenbahn, wechseln Zwanzigpfundnoten in Münzgeld und verlieren alles an den Automaten in den Spielhallen. Vor nicht allzu langer Zeit hätte man meinen können, diese alten Seebäder hätten ihre besten Zeiten lange hinter sich, dass sie von all jenen, die ihre Ferien lieber im Ausland verbringen, der älteren Generation überlassen wurden; doch mittlerweile sind manche gar nicht mehr so scharf aufs Fliegen. Diese Touristen gratulieren sich selbst: Bei dem Wetter, muss man doch wirklich nicht ins Ausland reisen.

Gegenüber vom Strand befinden sich auf der anderen Straßenseite die Jubilee Gardens (und damit ist Victorias Jubiläum gemeint, nicht das von Queen Elizabeth), wo es ein Putting Green gibt und sogar eine Bühne, auf der heute allerdings niemand spielt. Zwei junge Frauen haben ein chaotisches Familienlager aufgeschlagen aus Taschen, Strickjacken, Plastikwasserflaschen und fallen gelassenen Kindershirts. Sie lagern im fleckigen Halbschatten irgendeines Zierbaums, den keine der beiden zuordnen kann – obwohl sie im Gras auf dem Rücken liegend verträumt zu dem feinen Gitterwerk aus Ästen und Zweigen hinaufgestarrt haben, das im Gegenlicht wie glitzerndes Wasser oszilliert. Die Kinder (beide haben jeweils drei) kreisen immer wieder um ihre Mütter, wollen etwas trinken, wollen Geld, Küsse oder fordern entrüstet Gerechtigkeit. Die Frauen unterbrechen ihr Gespräch kaum, um das zu verteilen, was gerade gebraucht wird, um ihre Portemonnaies zu öffnen und strenge Ultimaten zu verhängen. Sie unterhalten sich, manchmal auch über die Köpfe der Jüngsten hinweg, die, heiß und schwer auf ihrem Schoß zusammengerollt, mit ihren klebrigen Tränen Falten in den Sommerkleidern hinterlassen. Das Baby schläft im Buggy; später liegt es auf einer Decke, blinzelt ebenfalls in den Baum und reagiert mit zuckenden Armen und Beinchen auf die wandernden Muster aus Licht.

Schon an ihrem Erscheinungsbild kann man leicht erraten, dass diese Frauen und ihre diversen Kinder nicht in einer der Pensionen dieses Ferienortes wohnen, und ganz sicher nicht in einem der luxussanierten Ferienlager an der Küste. Sie sehen nicht wohlhabend aus (die Kleider der Kinder sind secondhand, die Portemonnaies abgewetzt, und die Frauen blicken mit gerunzelter Stirn hinein), aber sie haben etwas Bohemienhaftes an sich, wenn das heute noch etwas zu bedeuten hat. Rachels kurvige Waden und starke nackte Arme sind auf fast herausfordernde Art nicht gebräunt, ihr üppiges tiefdunkles Haar ist zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt. Janie, die die Kunstakademie besucht hat, trägt ein dünnes, kurzes grünes Kleid mit rosa Paisleymuster. Ihr hellbraunes glattes Haar hat sie auf eine Art frisiert, die Rachel gleichzeitig verachtet und bewundert: fransig und schräg, als wäre es aufs Geratewohl geschnitten worden. Beide sind Anfang dreißig, dieses pikante Alter der Veränderung, wenn die äußeren fleischlichen Makel langsam vom Inneren durch Charakter und Erfahrung geglättet werden.

Sie machen einen Tagesausflug in die Stadt. Rachel und ihr Mann Sam besitzen ein Cottage im Landesinneren, in dem sie ihre Ferien verbringen; Janie und ihr Partner Vince sind gerade zu Besuch. Rachel und Janie sind schon seit der Schulzeit beste Freundinnen. Gemeinsam haben sie in Brighton ihren Abschluss gemacht und dort auch zusammengewohnt. Als Rachel wieder nach Bristol zog, wo beide aufgewachsen waren (Sam arbeitete dort für die BBC), suchte sich Janie einen Job in London und blieb. Sie ähneln sich nicht auf den ersten Blick: Rachel ist impulsiv und klingt schnell barsch und laut; Janie dagegen ist eher ironisch und skeptisch. Aber sie erzählen einander alles, oder fast alles. In den langen Monaten zwischen ihren Treffen telefonieren sie stundenlang. Beide haben auch andere Freunde, aber es ist nicht dasselbe: Es gibt niemanden sonst, dem sie ihr Seelenleben mit derselben Freiheit bloßlegen können.

Schon seit dem Aufstehen sprechen die beiden heute intensiv miteinander. Zuerst kam Rachel in Janies Schlafzimmer und setzte sich im Pyjama aufs Bett, während Janie Lulu stillte, dann unterhielten sie sich weiter, als sie die Matratzen der Kinder in Ordnung brachten, die über die gesamte Breite des Dachgeschosses ausgelegt waren. Vor ein paar Stunden hatten sie die Kinder angezogen und waren mit ihnen in die Stadt gefahren; angeblich um ein paar Besorgungen zu machen und die Kinder an die frische Luft zu locken, damit Sam in Ruhe schreiben kann, aber die ganze Zeit über hatten sie sich schon darauf gefreut – auf den faulen, köstlichen, gestohlenen Nachmittag, den sie mit Nichtstun verbrachten, fern von ihren Männern, über die sie unablässig redeten. Sie greifen tief in ihre Portemonnaies, und die Kinder spüren, dass was rauszuschlagen ist. Die älteren Jungs rennen zum Spielzeugladen und kaufen Pistolen für sich selbst und Windräder für die Kleinen.

Wie viele quälende Hausfrauentage haben diese jungen Mütter auf sich genommen, um sich diesen Tag im Sonnenschein, umgeben von ihren schönen herumtobenden Kindern, zu verdienen? Beide gehen einem symbolischen Job außer Haus nach – Janie gibt ein paar Stunden Kunsttherapie für behinderte Kinder, Rachel lektoriert ein wenig – aber im Grunde sind sie seit Jahren halb freiwillig in der warmen Gemüsesuppe der Mutterschaft versunken, wodurch ihr Leben erstaunlicherweise sehr dem ihrer eigenen Mütter dreißig Jahre zuvor gleicht. Wie das passieren konnte, ist ihnen nicht ganz klar; vor der Geburt der Kinder wiesen ihre jeweiligen Beziehungen jedes Zeichen einer modernen Lebensgemeinschaft auf, um die Gleichwertigkeit zweier Karrieren und die geteilte Hausarbeit herumgebaut.

Keine der beiden ist wirklich unglücklich, aber in ihrem Inneren ist ein Gefühl des Ennuis entstanden, eines ungelebten Lebens. Während sie vollauf mit Buggy schieben, Fischstäbchen braten und Popo wischen beschäftigt waren, musste es irgendwo eine andere Welt voller intensiver Erfahrungen für Erwachsene geben. Es fühlt sich an, als wären sie durch ihre ständige Beschäftigung mit infantilen Themen auch selbst wieder zu Kindern geworden; als würde ihr erwachsenes Ich ganz umsonst zu voller Süße reifen – verschwendet. Dieser sinnliche Überschuss ist ihnen fast anzusehen. Er schimmert auf ihrer Haut und in ihren Augen, wie Sahne, die an die Milchoberfläche steigt (obwohl keine von beiden dick ist: Rachel ist groß und muskulös, Janie schlank und jungenhaft, nur ihre Brüste sind wegen des Stillens prall). Auf gewisse Art wissen sie selbst, wie deutlich sie ihre sexuelle Bereitschaft verströmen. Sie wissen, welchen Anblick sie abgeben, wie sie sich hier in ihren Sommerkleidern unter dem Baum rekeln, während ihre Brut um sie herumtollt.

Die Kinder nutzen die Gunst der Stunde und verlangen nach Eis.

»Ach bitte, bitte, Mami, bitte, bitte.«

»Dann sind wir viel länger brav, und du musst dich gar nicht mehr um uns kümmern.«

Die Pistolen, die die Jungs gekauft haben, wurden in Deutschland hergestellt, und auf der grellorange leuchtenden Explosion im Inneren der Verpackung steht auf Englisch Bang Bang, aber auch Toller Knall. Die Kinder richten die Pistolen gegenseitig auf ihre Köpfe und brüllen »toller Knall, toller Knall« und lachen sich dann schlapp darüber, wie harmlos es klingt.

»Ihr wisst, dass ich das nicht mag«, sagt Rachel. »Ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn man Waffen auf Köpfe richtet.«

»Mum, das ist doch nur Plastikspielzeug«, erklärt Joshua geduldig. »Wahrscheinlich ist es gefährlicher, wenn ich ihn mit dem Finger pikse.«

Aber die Jungs lenken in ungetrübter Stimmung ein und zielen mit einem zugekniffenen Auge auf imaginäre Hasen im Gras.

»Sam ermutigt ihn sogar dazu«, flüstert Rachel Janie zu. »Er will, dass Joshua einem Schützenverein betritt. Er kommt mit diesem ganzen Zeug an, von wegen dem Jungen Respekt vor Waffen beibringen.«

»Aber hat er nicht immer gegen den Waffenhandel gewettert?«

»Ach, irgendwann wahrscheinlich schon. Aber ich mach mir weniger Sorgen um seine Prinzipien: Hast du mal gesehen, wie er versucht, ein Regal aufzubauen? Bei Joshua habe ich weniger Bedenken. Sam ist es, den man nicht in die Nähe einer Waffe lassen sollte.«

Janies mittleres Kind Melia (viel schwieriger als die charmanten Jungs) tut so, als täten ihr die armen Häschen leid, und bricht in echte Tränen aus. Rachel fragt sich manchmal, ob Melia mit ein bisschen weniger Verständnis nicht besser klarkommen würde, aber sie schweigt diplomatisch, während Janie tröstet und verhandelt. Rachel hat den Eindruck, dass ihr das Muttersein mehr liegt als Janie; Janie ist verträumter und vermisst das Alleinsein sehr.

»Vielleicht ist Eis doch eine gute Idee«, beschließt Janie.

Die Kinder pflanzen ihre bunten Plastikwindrädchen ins Gras und rennen los, um sich bei dem gelb-weiß gestrichenen Café anzustellen. Rachel erzählt Janie von einem Mann, Kieran, einem Freund von Sam aus London, mit dem sich womöglich etwas anbahnt. Janie kennt Kieran auch, aber nicht besonders gut.

»Eigentlich ist es gar nichts. Wahrscheinlich ist es gar nichts«, sagt Rachel. »Du denkst bestimmt, ich bilde mir das alles nur ein. Aber es war schon komisch, dass er letzten Monat eines Abends einfach vor der Tür stand, als er seine Eltern in Bristol besuchte. Er wusste sicher, dass Sam nicht da war. Ich hatte Sukey und Dom gerade in die Wanne gesteckt, trug uralte Klamotten, die Ärmel hochgekrempelt, die Haare nur mit einem Gummi hochgebunden und hatte sie bestimmt seit dem Aufstehen nicht mehr gekämmt.«

»Vielleicht steht er ja drauf«, sagt Janie. »Du kennst das doch, manche Männer fahren so richtig ab auf domestizierte Frauen – nur nicht auf die, mit denen sie zusammenleben, ist ja klar.«

»Joshua hat die Tür aufgemacht, sonst hätte ich gar nicht reagiert. Und dann dachte ich, er würde gleich wieder gehen, weil Sam nicht da war, aber er kam ins Bad und half mir mit den Kindern. Er war richtig nett – wir haben uns wahnsinnig gut verstanden. Während ich ihnen vorgelesen habe, hat er das Bad sauber gemacht – das hab ich erst später bemerkt. Sam würde nie im Leben von allein auf die Idee kommen, das Bad zu putzen. Ich dachte immer, Kieran ist so ein superernsthafter Intellektueller – der immer nur über Habermas oder Adorno oder so reden will. Aber wir haben die ganze Zeit rumgealbert, und dann hat er mir von den Kindern seiner Schwester erzählt. Dom hat uns mit den Badeenten vollgespritzt, wir beide waren danach klatschnass, und ich hab mich die ganze Zeit entschuldigt, aber Kieran hat gesagt, er findet es super. ›Ich find’s super‹, hat er gesagt. Und danach hab ich mich gefragt, was er mir damit sagen wollte. Was genau fand er super? Aber vielleicht habe ich’s auch nur falsch verstanden.«

Janie denkt, dass Rachel viel zu empfänglich für Männer ist; dass sie die männlichen Motive und Charaktere durch ihren skeptischen Argwohn selbst viel besser einschätzen kann. Außerdem versteht sie nicht, wie Rachel mit Sams Launen klarkommt. Sie hat mit Vince ihre eigenen Probleme, aber sie würde niemals zulassen, dass jemand ihr Leben so sehr beherrscht, wie Sam es mit Rachels macht durch seine düsteren Blicke, sein Schweigen und seine Wutanfälle.

»Neulich Abend hätte ich Kieran fast angerufen«, erzählt Rachel. »In der Woche, bevor wir ins Cottage gefahren sind, hab ich seine Nummer gewählt, habe aber aufgelegt, bevor es geklingelt hat. Ich hab mir eingeredet, es wäre ganz normal und freundlich, ihn anzurufen. Ich wollte mich nur bei ihm beschweren – du weißt schon, eine lustige Geschichte aus meinem chaotischen Tag machen. Vielleicht hätte ich es tun sollen. Und ich hätte sagen wollen, dass er vorbeikommen und ein paar Tage mit uns auf dem Land verbringen soll.«

Janie ist mit Kümmern beschäftigt. Sie stillt Lulu, während die Schatten der Blätter über ihre nackte Brust flackern und der Kopf des Babys sich rhythmisch beim Saugen bewegt. »Lass dir bloß nicht wehtun«, sagt sie.

Rachel wirft sich ruhelos ins Gras. »Schön wär’s«, sagt sie.

»Ich würde warten«, sagte Janie, »bis er sich meldet.«

Später dreht Rachel mit den Kindern eine Runde auf dem Putting Green. Sie sind unglaublich langsam, weil sie eine so große Gruppe sind und die Kleinen wahnsinnig viele Abschläge brauchen, um den Ball ins Loch zu kriegen, obwohl Joshua und Tom sogar großzügigerweise ein wenig für sie mogeln. Melia wirft ihr Eisen ins Gras, schmollt, latscht ihnen hinterher und holt sie dann wieder ein. Etwa nach der Hälfte haben sich mehrere Spielergruppen hinter ihnen angesammelt, und Rachel ordnet eine Pause an und lässt sie vor. Sie rennt zu Janie, die vom Rand aus neben dem Buggy zusieht. Sie hat eine Idee. Wenn sie mit der Runde fertig sind, könnten sie doch Würstchen und Pommes beim Café holen, damit sie heute Abend nicht kochen müssen. Diese kleine Freiheit scheint diesem schönen Tag angemessen. Die drohende Schufterei – Kartoffeln schälen, braten, füttern, abwaschen – hebt sich so leicht vom Abend wie eine treibende Wolke. Warum nicht? Das Leben kann doch auch ganz einfach sein. Rachel ruft Sam und Vince an, um ihnen zu sagen, dass sie für sich selbst kochen sollen. Sie muss ein wenig zwischen die Bäume gehen, um guten Empfang zu kriegen.

Als Rachel das Telefon wegsteckt und sich umdreht, denkt Janie einen Augenblick lang, Sam hätte etwas Fieses gesagt. Rachels Gesicht sieht vollkommen konzentriert und überrascht aus; sie geht übers Gras zurück, als müsste sie genau darauf achten, wohin sie ihre nackten Füße setzt.

»Da kommst du nie drauf«, sagt sie.

»Was?«

»Kieran ist aufgetaucht.«

»O Rach.«

»Aber ich hab ihn gar nicht angerufen. Ich hab ihn nie gefragt. Er war schon vorher ein paarmal da. Offenbar ist er heute Nachmittag einfach vorbeigekommen. Er wusste, dass wir im Cottage sind, weil Sam es erwähnt hat. Sam kocht irgendwelche Nudeln.«

»Freust du dich?«

»Es fühlt sich wie ein Zeichen an: dass ich mir das alles nicht eingebildet habe.«

»Ja, wahrscheinlich.«

»Ich hab wirklich schon gedacht, ich phantasiere nur rum. Aber du hast gemeint, ich sollte warten, bis er sich meldet, und jetzt hat er’s getan. Irgendwie. Als wäre es ernst.«

Beim Golfen hatte sich Rachels Haar zum Teil aus den Spangen gelöst; lange Strähnen kräuselten sich in ihrem Nacken – eine klassische Schönheit mit wächserner heller Haut, wie ein Porträt von Reynolds. Ihr haftet nicht die körperliche Leichtigkeit oder Beweglichkeit an, die auf Affären schließen lässt, der einfache Übergang von einem Mann zum anderen, Geheimnisse. Die Jungs rufen vom Grün herüber; sie sind wieder an der Reihe. Nachdenklich hebt sie ihren Puttingschläger auf. Janie spürt, dass sie Aufregung wie Hitze ausstrahlt.

 

Kierans Besuch im Cottage hätte für die Männer dort seltsam werden können, denn Kieran und Sam verband seit dem College eine jahrelange Freundschaft; Sam kannte Vince dagegen nur durch Janie und hielt ihn für eine Art Dünnbrettbohrer. Während Sam vormittags am Computer arbeitete, mühte er sich, nicht darauf zu achten, dass Vince unten offenbar nichts mit sich anzufangen wusste, durch die Zimmer schlenderte, die Zeitung von gestern las oder sich was zu essen machte. Sam war genervt, weil die Mädels Vince nicht mit in die Stadt genommen hatten, und dann blieben sie auch noch so lange weg.

Allerdings hatte Kieran eine große Plastiktüte mit Gras dabei, das, schon während sie den Joint drehten und rauchten, für eine unmittelbare, gut gelaunte Kumpelhaftigkeit sorgte. Sie fläzten sich in die sonnenbeschienenen Plastikstühle im Garten, rauchten und tranken eine Tasse Tee nach der anderen. Sam war so erleichtert, die Konversation mit Vince nicht ganz allein bestreiten zu müssen, dass er ihm gegenüber fast übertrieben freundlich wurde. Er hatte sich noch nie merken können, womit Vince seinen Lebensunterhalt verdiente. (In der Regel versucht er das zu verschleiern, indem er über den zeitgenössischen Roman sprach: Sam hat vor drei Jahren einen veröffentlicht und sollte eigentlich am nächsten arbeiten.) Diskret lenkt er das