Sophia - G. Lickfeldt - E-Book

Sophia E-Book

G. Lickfeldt

0,0

Beschreibung

Als der querschnittsgelähmte Bernd mit seinem Rollstuhl gerade in einen tiefen Teich fahren will, um eine große Dummheit zu begehen, kommt überraschend die zehnjährige Sophia vorbei. Sie schafft es mit ihrer unbekümmerten Art, Bernds Leben wieder einen Sinn zu geben. Er findet in ihr eine neue Aufgabe und bringt Sophia das Gitarrenspiel bei. Gemeinsam fahren sie von Zeit zu Zeit zum Teich, um kleine flache Steine auf der Wasseroberfläche hüpfen zu lassen. Es entwickelt sich zwischen ihnen eine ungewöhnliche Freundschaft. Sophia, die immer wieder von grausamen Mitschülern gemobbt wird, hat es nicht leicht im Leben. Sie muss sich immer wieder mit allerlei Problemen auseinandersetzen. Und auch Bernds Leben wird immer wieder von tiefgreifenden Geschehnissen überschattet. Sophias Leben nimmt eine dramatische Wende, als sie erfährt, dass sie mit ihrer Mutter wegziehen soll - zu deren unausstehlichen Freund. Kann ihr Traum so noch in Erfüllung gehen? Und was wird aus Bernds und Sophias Freundschaft? Sophia hält trotz aller Widrigkeiten an ihrem Traum, eine exzellente Musikerin zu werden, fest. Im späteren Verlauf der Jahre entwickeln sich die Geschehnisse so rasant und unerwartet, dass all diese Verbindungen auf eine harte Bewährungsprobe gestellt werden. Während du Sophia und Bernd auf ihrer emotionalen Reise begleitest, wirst du von den tiefgründigen Charakteren und den unvorhersehbaren Wendungen gefesselt sein. Lass dich von ihrer unvergesslichen Geschichte inspirieren und finde den Mut, selbst die Dunkelheit zu überwinden und das Licht zu finden. 'Sophia' ist mehr als nur eine Freundschaftsgeschichte – es ist ein fesselndes Werk, das die Kraft der Menschlichkeit und die Bedeutung wahrer Verbundenheit offenbart. Bereite dich auf ein Buch vor welches Spannung, Drama, Thriller und Psycho in einem vereint. Dieser Roman wird dafür sorgen, dass deine Gefühle Achterbahn fahren. Denn Sophia wird dich in Zukunft fesseln und stets begleiten!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 757

Veröffentlichungsjahr: 2023

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum:

Der Autor:

Kapitel 1

Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Kapitel 2

Eine schlechte Nachricht!

Kapitel 3

Gitarre üben und Steine werfen

Kapitel 4

Eine Lebensveränderung

Kapitel 5

Erkenntnisse

Kapitel 6

Auf nach Muggensturm

Kapitel 7

Ein neuer Tag

Kapitel 8

Eine doppelte Überraschung

Kapitel 9

Üben, üben, üben

Kapitel 10

Lügen haben kurze Beine!

Kapitel 11

(Die Wahrheit und) gebrannte Mandeln

Kapitel 12

Erinnerungen

Kapitel 13

Ein Weihnachtsgeschenk!

Kapitel 14

Ein Kennenlernen

Kapitel 15

Ein neues Leben

Kapitel 16

Ungewissheit

Kapitel 17

Schockmomente

Kapitel 18

Hoffnung

Kapitel 19

Veränderungen

Kapitel 20

Neue Stadt, neue Menschen

Kapitel 21

Rettung in letzter Minute

Kapitel 22

Sommerferien

Kapitel 23

Eine kleine Lüge

Kapitel 24

Ein dramatischer Tag

Kapitel 25

Ganz neue Gefühle

Kapitel 26

Knapp bei Kasse

Kapitel 27

Unerwarteter Besuch

Kapitel 28

Ein musikalisches Experiment

Kapitel 29

Mein erster großer Erfolg

Kapitel 30

Angstzustände

Kapitel 31

Auf der Suche nach Balu

Kapitel 32

Hoffnungslosigkeit

Kapitel 33

Die große Wende

Kapitel 34

Puder und Make-up

Kapitel 35

Zerbrochene Freundschaft

Kapitel 36

Bittere Enttäuschung

Kapitel 37

Die Wahrheit kann bitter sein

Kapitel 38

Technik sei Dank

Kapitel 39

Sophias großer Tag

Kapitel 40

Ein großes Geheimnis

Kapitel 41

Klassenfahrt

Kapitel 42

Ein Brief aus fernen Landen

Kapitel 43

Ein durchdachter Plan

Kapitel 44

Erwischt!

Kapitel 45

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit

Kapitel 46

Etwas Erfreuliches und weniger Erfreuliches

Kapitel 47

Auf der Flucht

Kapitel 48

Endlich wieder zu Hause

Kapitel 49

Déjà-vu

Kapitel 50

Schwer getäuscht

Kapitel 51

Eine schlechte und eine gute Bekanntschaft

Kapitel 52

Eine unglaubliche Fügung

Kapitel 53

Steffen

Kapitel 54

Beweise

Kapitel 55

Annäherung

Kapitel 56

Endlich wieder Steine werfen

Kapitel 57

Panik!

Kapitel 58

Zukunftspläne

Kapitel 59

Ein musikalisches Arrangement

Kapitel 60

Echte Gefühle

Kapitel 61

Gedankengänge

Kapitel 62

Erinnerungen

Kapitel 63

Gehetzt und verfolgt

Kapitel 64

Ankunft in Augsburg

Kapitel 65

Ein fatales Ereignis

Kapitel 66

Ein Korb voller weißer Rosen

Kapitel 67

Ein letztes Mal Steine werfen

Kapitel 68

Zurück nach Pforzheim

Kapitel 65 II

Auf der Flucht

Kapitel 66 II

Durchgeknallt und gefährlich

Kapitel 67 II

Schwer getroffen

Kapitel 68 II

Ein Traum geht in Erfüllung

Danksagung

Sophia

und

Bernd

Roman

Guido Lickfeldt

Genre:

Coming-of-Age

Impressum:

© Texte: Copyright: Guido Lickfeldt, 2023

© Umschlaggestaltung: Gudrun Bröckerhoff

© Illustration: Gudrun Bröckerhoff

Lektorat: Ruth Schäfer

Alle Namen in der Geschichte sind frei erfunden

Verantwortlich für den Inhalt:

Guido Lickfeldt

[email protected]

Vertrieb: Neopubli GmbH, Berlin

Der Autor:

Guido Lickfeldt wohnt am beschaulichen Nieder-rhein, in der Nähe von Wesel. Seine Leidenschaft für das Schreiben entdeckte er Anfang 2003. Seitdem packt es ihn immer wieder! Er schreibt nicht nur Romane, sondern auch gerne Kurzgeschichten und, wenn ihn die Emotionen treiben, auch Gedichte. Er radelt gern mit dem Fahrrad durch seine Stadt und die umliegenden Dörfer. Wenn ihn die Lust packt, spielt er auf einer seiner Gitarren, die er stets griffbereit hat. So kam auch die Idee zum Buch. Lediglich das Knarren einer schweren Eisentür war nötig, um seine Fantasie anzuregen und die Geschichte von Sophia zu erschaffen.

Kapitel 1

Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Es würde ein außergewöhnlich schöner Frühlingstag werden, da war ich mir sicher. Obwohl die Nächte noch bitterkalt waren, schickte die Sonne an diesem Morgen, seit langer Zeit zum ersten Mal, ihre Strahlen durch meine kleinen Kellerfenster. Draußen sangen und zwitscherten zahlreiche Vögel. Als ich die Augen aufschlug, spürte ich die wohlige Wärme der Sonne auf meinem Gesicht.

Seit über drei Jahren saß ich nun schon in meinem Rollstuhl gefangen. Immer allein zu Hause, oftmals verbittert und schon lange des Lebens überdrüssig. Kein Mensch da, mit dem ich reden oder dem ich mich anvertrauen könnte. Ich selbst bin mir mein bester Freund geworden – und manchmal auch mein größter Feind. In den letzten Wochen wurde ich zudem immer nervöser. Ein fürchterliches Geräusch, das mich mehrmals am Tag aufschrecken ließ, nervte mich gewaltig. Es klang wie das Zuschlagen einer schweren Eisentür in einem nasskalten, dunklen Verlies. Es erinnerte mich täglich daran, dass ich seit unzähligen Tagen in dieser kleinen Kellerwohnung gefangen saß.

Tagsüber hielt ich mich meist in dem kleinen Raum auf, der mir als Computer- und Musikzimmer diente. Er lag direkt neben dem Heizungskeller, und aus diesem vernahm ich ständig das quietschende und knarrende Geräusch einer schweren Metalltür. Doch wer sollte dort mehrmals am Tag ein- und ausgehen? Wer, außer dem Techniker, hatte da etwas zu suchen? Und warum wurden diese quietschenden Türscharniere nie geölt? Es machte mich wirklich fertig, und meist spielte ich dann wie verrückt auf meiner Gitarre, um dieses nervige Geräusch aus meinem Kopf zu verbannen.

Bevor mich noch der Wahnsinn einholte, entschied ich mich kurzerhand, dem furchtbaren Knarren und Quietschen zu entfliehen. Es würde mich eine Menge Kraft kosten, mich davonzustehlen, doch hielt ich es keine Minute länger aus. Nachdem ich mich angezogen hatte, fuhr ich mit meinem Rollstuhl durch die Wohnungstür zur Treppe, wo eigens für mich ein Lift installiert worden war, der mich die acht Stufen nach oben bringen würde. Oben angekommen, entfloh ich dem Haus durch die Eingangstür ins Freie.

Für einen Moment blieb ich stehen und atmete die kalte, aber angenehm trockene Luft ein. Als ich in die Sonne fuhr, wärmten ihre Strahlen meine blassen Wangen. Wie lange war es eigentlich her, dass ich hier draußen die angenehme frische Luft eingeatmet hatte? Für mich war es eine gefühlte Ewigkeit. Zweimal in der Woche brachte der Lieferservice die Einkäufe, die ich stets telefonisch bestellte. Jeden Tag um kurz vor zwölf bekam ich das Mittagessen gebracht: „Essen auf Rädern“. Es hing mir schon lange zum Hals raus. Für mich selbst zu kochen, lohnte sich kaum. Eine Haushaltshilfe hatte ich schon seit sechs Monaten nicht mehr. Ich selbst erledigte nur noch das Nötigste im Haushalt. Meine müden Arme und Hände bewegten den Rollstuhl vorwärts über die unebenen und beschwerlichen Fuß- und Radwege. Über Straßenkreuzungen mit viel zu hohen Bordsteinkanten. Stets den mitleidigen Blicken anderer Menschen ausgesetzt, folgte ich dem Weg, mit dem ich die schönsten Erinnerungen verband. Doch jetzt war ich allein unterwegs. Allein mit meinen Gedanken und mit schier endlosem Schmerz in meinem Herzen. Nach gefühlt sehr langer Zeit kam ich endlich an meinem Lieblingsplatz an. Hier im Park konnte ich den metallischen Klängen entfliehen. Hier war nichts zu hören. Der Techniker war bereits vor zwei Wochen da gewesen, um nach der Heizungsanlage zu schauen. Was ging da nur vor sich?

Ich blieb vor dem kleinen Teich stehen, der in der Mitte der Anlage ruhte, und beobachtete die Schwäne, die grazil über das Wasser glitten. Als ich mich umsah, sah ich ein paar lachende Kinder, die auf der Wiese spielten. Die Sonne ließ ihre Haare in verschiedenen Farben aufblitzen. Ihr Lachen klang zu mir herüber – laut und unbeschwert. Wann war ich das letzte Mal so frei und ungezwungen gewesen wie sie? Es schien eine Ewigkeit her zu sein.

Aber was wussten Kinder schon vom Leben? So gut wie gar nichts! Und von einem Leben wie meinem, gefangen in diesem Rollstuhl, konnte sowieso kein Mensch etwas wissen, außer denen, die selbst darin saßen. Warum auch immer: Es war die Hölle auf Erden. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen – zurück an den Tag vor dem Unfall. Dabei war der Unfall nicht mal meine Schuld gewesen. Der andere Fahrer war gerade erst dreiundzwanzig Jahre alt gewesen und vorbestraft. Als Autodieb bereits bekannt und zudem noch stark alkoholisiert, entwendete er den Wagen mit laufendem Motor vor einem Kiosk. An einem Freitag, den dreizehnten, nahm das Schicksal seinen verheerenden Lauf: Der Arbeitstag ging bis spät in den Abend. Mein Geschäftspartner und ich hatten ein wichtiges Gespräch mit einem Kunden. Wir sollten an die hundertzwanzig Wohneinheiten betreuen. Das hätte uns über viele Jahre sichere Einnahmen beschert. Zwar war es noch nicht zur Vertragsunterzeichnung gekommen, aber die Vorgespräche waren weit fortgeschritten. Am späten Abend fuhr ich gut gelaunt nach Hause. Als ich schon fast dort war und an einer Kreuzung anhielt, sah ich von Weitem schon das Blaulicht. In dem Moment, als ich ahnungslos bei Grün die Kreuzungsmitte befuhr, kam ein großes Auto von links mit rasendem Tempo angefahren. Da wurde mir – viel zu spät – bewusst, dass es sich um eine Verfolgungsjagd handeln musste. Der SUV rammte frontal die linke Seite meines Kombis. Mein Wagen überschlug sich, prallte mit der rechten Seite gegen einen Ampelmast und kam schließlich auf dem Dach zum Liegen. Kurz darauf wurde ich ohnmächtig.

Wie ich später erfuhr, musste die Feuerwehr mich aus dem Autowrack herausschneiden. Der junge Fahrer kam mit einigen Schrammen davon. Doch ich verbrachte eine lange Zeit in einem Krankenhaus und anschließend in der Reha-Klinik. Danach fristete ich mein Dasein fortan in meinem Rollstuhl. Bei der Gerichtsverhandlung stellte sich heraus, dass bei diesem Typen absolut nichts zu holen war. Wir – das heißt, meine Frau Melanie und ich – würden für all die späteren Behandlungskosten und unseren Lebensunterhalt selbst aufkommen müssen. Den Staat interessierte unser Schicksal nicht. Wir wurden mit unseren Sorgen fast völlig allein gelassen. So fiel ich nach und nach in eine tiefe Depression. Meiner Arbeit konnte ich auch nicht mehr richtig nachgehen. Einige Zeit später erfuhren Melanie und ich, dass sich unser Buchhalter mit einer großen Summe Geld auf und davon gemacht hatte. Doch anstatt mich aufzuregen, wurde mir von Zeit zu Zeit alles immer gleichgültiger.

Dabei war es früher so schön gewesen. Ich hatte Freunde, die mich besuchten – wir gingen auf Partys, trafen interessante und wirklich nette Menschen, und ich war nie allein. Ich hatte zahlreiche Hobbys: Ich fuhr regelmäßig mit meinen beiden Söhnen und Freunden ins Fußballstadion. Mit Melanie und den Jungs ging ich leidenschaftlich gern zum Minigolf. Im Winter spielten wir in der Halle Tischtennis oder Squash. Am Kickerautomaten waren meine beiden Jungs große Klasse. Jeden Dienstag- und Donnerstagabend traf ich mich mit meinen Bandkollegen im Proberaum, und wir spielten aktuelle Songs ein. Wir kamen im Jahr auf acht bis zehn kleine Auftritte in den umliegenden Bars und Jugendeinrichtungen. Ich führte ein ausgefülltes Leben.

Meine Frau Melanie, die ich liebevoll „Mel“ nannte, hatte ich in der Berufsschule kennengelernt. Sie war bildhübsch gewesen, und so hatte ich mich Hals über Kopf in sie verliebt. Zudem hatte sie eine Menge positiver Eigenschaften: Ehrlichkeit, Fleiß, Familiensinn. Sie war intelligent und vor allen Dingen hilfsbereit. Eine gefühlvolle Frau und Liebhaberin. Was konnte sich ein Mann mehr wünschen? Wir führten eine harmonische Beziehung, und unsere Kinder standen dabei stets im Mittelpunkt! Eine gute Arbeitsstelle war zudem der Grundstein für ein erfülltes Familienleben. Denn ich war Mitbegründer einer großen Reinigungsfirma, hier in der Stadt Pforzheim mit circa hundertzwanzigtausend Einwohnern und einem Einzugsgebiet von weiteren siebzigtausend Haushalten. Kleinere Konkurrenzfirmen kauften wir nach und nach auf, um unsere Monopolstellung zu wahren. Mit Reinigungen aller Art, Umzügen, Entrümpelungen, Serviceleistungen und vielem mehr im Angebot waren wir aufgrund der hohen Qualität, die wir ablieferten, die gefragteste Firma im Umkreis von etwa hundert Kilometern. Meine Anteile an der Firma musste ich nach meinem Unfall allerdings verkaufen, weil die Behandlungen enorm viel Geld verschlangen. Zwar war ich privat versichert, doch leider stellte sich die Versicherung oftmals quer und wollte nicht immer alles bezahlen. Zudem waren die Eigenbeteiligungen, die ich zu leisten hatte, teils sehr hoch. Einen Rechtsstreit wollten meine Frau und ich nicht führen, da dieser keinerlei Hoffnung auf Erfolg versprach. Das Einzige, was uns blieb, war ein „Titel“: Sollte der Unfallverursacher an Geld kommen, so müsste er im Nachhinein für den Schaden aufkommen. Später, damit wir unseren Kindern etwas bieten könnten, nahm Melanie eine Putzstelle im nahen Supermarkt an. Am Ende verloren wir auch noch unser Haus mit dem kleinen Schwimmbad und der Doppelgarage! Ich hatte mein Leben nicht mehr im Griff und die Spirale ging immer weiter abwärts. Am Ende war mir nichts geblieben.

Da waren sie wieder, diese negativen Gedanken. Sie ließen sich nicht vertreiben – sie verfolgten mich Stunde um Stunde, Minute um Minute, Sekunde um Sekunde, und ich konnte nichts dagegen tun. Alles war einfach so unendlich monoton in meinem Leben geworden. Zudem quälte mich in letzter Zeit immerzu dieses schreckliche Geräusch. Verbittert steuerte ich den Rollstuhl langsam auf den ruhigen, dunklen Teich zu. Schaute eine Zeit lang bedächtig auf das stehende Wasser.

Nach und nach versanken meine Gedanken in der Stille des Sees. Es drang nicht ein Laut an meine Ohren. Ich spürte meinen Herzschlag, und der Atem, der aus meiner Lunge stieg, formte sich zu einer kleinen Dunstwolke vor meinem Gesicht. In meinem Kopf herrschten plötzlich nur noch Stille und Leere. Was wäre, wenn ich einfach nicht mehr zurückkehren würde in diese kleine, dunkle Wohnung? In diesem großen Haus, wo keiner den anderen kannte und die Leute mir nicht einmal in die Augen sahen, wenn sie ein leises „Hallo“ murmelten – wenn sie überhaupt etwas sagten. Würde es irgendjemand bemerken, würde es auffallen, wenn ich nicht mehr da wäre?

„Wo ist denn eigentlich der Krüppel, der ganz unten gewohnt hat? Ihr wisst schon, der immer alle mit seiner Gitarre genervt hat, der stundenlang so laut und verzerrt wie ein Wahnsinniger spielte?“ Würde irgendwer das fragen?

Was wäre, wenn ich jetzt in einem unbeobachteten Moment mit dem Rollstuhl in den Teich fahren würde? Dieser ging an manchen Stellen sogar bis zu vier Metern in die Tiefe. Ich bräuchte mich nur an dem schweren Rollstuhl festhalten, und es wäre in wenigen Minuten vorbei. Sicherlich würde es keiner bemerken. Ob ich aber den Mut aufbringen würde, das zu tun? Wie viele Male habe ich hier schon gesessen und darüber nachgedacht? Etliche Male in den letzten zwei Jahren. Doch ich war einfach zu feige, es zu tun!

Wieder dachte ich über dieses nervige Geräusch nach, und plötzlich überfiel mich ein unbändiger Zorn; ich ballte die Fäuste und verkrampfte mich dabei. O ja, ich würde denjenigen zur Rede stellen, der dort ein- und ausging, und ich würde verlangen, dass diese Tür geölt wird, und ich würde vehement darauf bestehen!

Ich hielt kurz inne und rang nach Luft, dann atmete ich tief ein. Langsam beruhigte ich mich wieder. Früher war mir vieles nicht so wichtig, da war ich nicht so verkniffen gewesen. Ja, ich bin ein Griesgram geworden!

Plötzlich sah ich das Wasser im Teich aufblitzen und hörte die Stimme eines Kindes neben mir. „Warum sitzt du denn da drin?“ Erstaunt sah ich auf und sah ein Mädchen neben mir stehen. Sie warf kleine, flache Kieselsteine in den Teich, und das Wasser glitzerte im Licht der Sonne. Die Steine hinterließen unterschiedlich große Kreise auf der Oberfläche.

„Willst du auch mal? Ich kann dir Steine aufheben, wenn du willst“, sagte sie und sah mir in die Augen. Ich schluckte. Dann fuhr ich sie zornig an: „Bist du immer so neugierig? Und haben dir deine Eltern nicht gesagt, dass du nicht mit Fremden reden darfst?“

Sie zuckte mit den Schultern: „Doch schon, aber ich kenn dich doch, und vorhin hast du so traurig ausgeschaut, da hast du mir leidgetan, und ich hab gedacht, vielleicht bist du traurig, weil du nicht wie ich Steine werfen kannst.“

Wieder warf sie einen Kiesel ins Wasser. „Es ist lustig, probier doch mal. Die Kreise werden immer größer – weißt du wieso?“

Ich musste lachen. Die Kleine gefiel mir. Sie dachte wirklich, ich wäre traurig, weil ich keine Steine zum Werfen hätte. „Natürlich weiß ich wieso. Aber das sollen dir besser deine Eltern erklären, die suchen dich bestimmt schon“, erwiderte ich.

Sie schüttelte den Kopf und warf noch einen Stein ins Wasser. „Nein, Mama kommt erst später, die ist auf der Arbeit. Ich darf eigentlich nicht allein in den Park, aber es ist so langweilig zu Hause, und hier ist es viel schöner. Und du bist auch da, also bin ich ja nicht allein hier.“

Sie kam noch einen Schritt auf mich zu, runzelte die Stirn und fragte: „Wirst du mich verpetzen, weil ich nicht das getan habe, was meine Mutter mir gesagt hat, und ich einfach hierher gegangen bin? Denn dann schimpft sie bestimmt mit mir.“

Wieder musste ich lachen. „Nein, ich werde dich nicht verpetzen. Aber sag mal, woher kennst du mich denn – ich kenne dich nämlich überhaupt nicht.“

Das Mädchen schaute mich mit ihren großen, braunen Augen an: „Aber ich wohne doch genau über dir“, sagte sie und verzog ihr Gesicht. „Mama sagt immer, ich darf nicht so laut sein, weil dich das ärgert, wenn jemand zu viel Krach macht. Dann würdest du sie immer so böse anschauen, wenn sie Hallo zu dir im Treppenhaus sagt.“

Meine Gedanken wirbelten im Kreis. Ich kannte auch die Mutter der Kleinen nicht – wer hatte jemals Hallo zu mir gesagt, außer der Briefträger, wenn ich ihn mal zu Gesicht bekam? Gut, im Hausflur habe ich schon mal den einen oder anderen aus dem Haus gesehen, doch so wirklich habe ich mir diese Menschen nicht angeschaut. Wann war ich denn schon mal mit jemandem auf Augenhöhe in diesem verdammten Rollstuhl?

„Ja, tut mir leid, aber ich weiß wirklich nicht … Wie heißt du denn eigentlich?“ Nun hatte ich aber wirklich ein schlechtes Gewissen.

„Ich heiße Sophia Konrad.“ Sie streckte mir ihre kleine Hand entgegen, und höflich erwiderte ich ihre Geste, indem ich sie anlächelte und wir uns die Hände schüttelten. „Hallo, Sophia Konrad, freut mich, dich kennenzulernen. Ich heiße Bernd, Bernd Hoffmann.“– „Ja, mich freut es auch. Du bist gar nicht so böse, wie alle sagen. Wenn du lächelst, siehst du sogar richtig nett aus. Und du kannst ganz toll Gitarre spielen.“ – „Ja, findest du? Hört ihr mein Gitarrenspiel wirklich bis ins Erdgeschoss?“ – „Ich höre dir immer zu, wenn du spielst. Ich gehe dann immer in den Heizungskeller, setze mich auf den leeren Eimer – weißt du, da hör ich dich dann besser.“

Ich war verblüfft. „Sag mal, Sophia, wann gehst du denn immer in den Keller?“

Ich dachte kurz nach: Konnte es sein, dass dieses kleine Persönchen diejenige war, die mich in der letzten Zeit zur Weißglut brachte? Diejenige, die dieses quietschende und knarrende Geräusch verursachte, weil sie ständig in den Keller schlich? Und all das nur, weil sie mir beim Gitarrenspiel zuhören wollte?

„Och, so ein paar Mal, also immer, wenn mir langweilig ist oder so. Und weil du ja nicht immer spielst, gehe ich eben öfter nach unten, damit ich da bin, wenn du dann zufällig doch spielst. Aber ich schleiche mich immer ganz leise in den Keller. Nur die dicke Metalltür quietscht immer so laut, das nervt gewaltig.“

Sie blickte mir ernst in die Augen: „Kannst du mir Gitarre spielen beibringen, damit ich auch mal so gut spielen kann wie du?“ Ich musste herzhaft lachen. So wie ich es schon lange nicht mehr getan hatte. Tränen rannen mir übers Gesicht. „Warum lachst du?“, fragte Sophia mit grimmigem Blick.

Kurz darauf hatte ich mich wieder gefangen, wischte die Tränen ab und antwortete mit einem Lächeln: „Also du bist diejenige, die im Heizungskeller die Tür zum Quietschen bringt.“

„Ja, das bin ich“, sagte sie, verschränkte die Arme vor ihrer Brust und schaute mich erneut mit ernstem Blick an: „Was ist nun mit dem Gitarrenspiel?“ Sophia stand nun direkt vor mir und schaute mich fragend an.

„Ja, ok, machen wir, wenn deine Mum nichts dagegen hat“, antwortete ich schmunzelnd.

„Hui, da freu ich mich aber!“ Ihre Augen strahlten und in meinem Herzen wurde es warm. Das Gefühl, gebraucht zu werden, legte sich wie warme Sonnenstrahlen auf mein Gemüt.

Wir verbrachten noch eine Weile am Teich und hatten gemeinsam Freude daran, einige Kieselsteine auf dem Wasser hüpfen zu lassen. Danach gingen bzw. fuhren wir nach Hause, wobei Sophia meinen Rollstuhl schob.

Als wir daheim ankamen, stellte ich fest, dass ihre Mutter immer noch nicht zu Hause war. Zumindest stand diese alte rote Blechkiste nicht auf dem Parkplatz vor dem Haus, von der ich jetzt wusste, wem sie gehörte. Sophia erzählte mir, dass ihre Mum im entfernten Nachbardorf als Kassiererin im Supermarkt bis spät abends arbeitete. Daher trug Sophia auch einen Schlüssel um ihren Hals. Sie tat mir sehr leid, doch ich freute mich auf den Gitarrenunterricht mit ihr, somit hatte ich endlich wieder eine Aufgabe. Denn sonst wäre ich vermutlich doch noch mit meinem Rollstuhl in den Teich gefahren.

Sophia hielt mir die Hauseingangstüre auf, und ich fuhr zur Kellertreppe, wo ich den Rollstuhl in die Vorrichtung des Treppenlifts bugsierte. Sie lief einige Treppenstufen hinauf, schaute noch einmal zu mir und wünschte mir mit einem Lächeln einen schönen Abend. Für einen Moment schaute ich noch nachdenklich in ihre Richtung und betätigte dann die Taste für die Abwärtsfahrt.

Am nächsten Morgen wachte ich etwas fröhlicher als sonst auf. Nach dem Frühstück schnappte ich mir gleich meine Gitarre und spielte meinen Lieblingssong: All that we are. Heute spielte ich ihn extra ein wenig lauter. Kurz darauf hörte ich nebenan das unsägliche Quietschen der Türe im Heizungskeller. Doch dieses Mal freute ich mich darüber. Dann klopfte jemand an meine Wohnungstür. Schnell kurvte ich mit meinem Rollstuhl durch das Wohnzimmer und den Flur: „Wer ist da?“, fragte ich durch die verschlossene Tür.

Sogleich folgte die Antwort: „Ich bin es, Sophia.“ Ich öffnete ihr die Tür. Ein wenig zögerlich stand sie vor mir, neigte den Kopf und hob die Schultern. „Kannst du mir etwas auf der Gitarre zeigen?“, fragte sie etwas schüchtern. „Ja, kann ich, eigentlich. Aber, Sophia, man geht nicht einfach zu Fremden in die Wohnung. Du kennst mich ja kaum. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, wir sollten zumindest deiner Mutter Bescheid sagen.“ – „Bitte, Bernd. Sie ist doch jetzt arbeiten und ich kann sie nicht fragen. Sie hätte bestimmt nichts dagegen, sie kennt dich doch, zumindest ein bisschen.“ – „Na gut, komm rein“, sagte ich und kniff ein Auge freundschaftlich zusammen. „Ziehst du die Tür hinter dir zu, ich fahr dann mit dem Rollstuhl vor ins Musikzimmer.“ – „Ok, mach ich.“

In meinem Wohnzimmer blickte sie sich erst einmal neugierig um. „Oh, du hast ja gleich drei Gitarren an der Wand hängen.“ – „Ja, eine Elektro-, eine Konzert- und eine Westerngitarre, wobei alle einen Tonabnehmer haben. Sophia, setz dich in den Schaukelstuhl, der ist super bequem.“ Etwas zögernd lief sie auf ihn zu und setzte sich langsam hin. „Früher, als ich noch nicht im Rollstuhl saß, schaukelte ich auch gern darin, um über gewisse Dinge, die mich beschäftigten, nachzudenken.“ Langsam wippte sie im Stuhl hin und her. „Das Schaukeln hilft also beim Nachdenken“, sagte sie laut.

„Kann ich dir etwas anbieten? Einen Saft, Wasser?“ Sophia schüttelte den Kopf. „Ich habe vorhin mit meiner Mutter gefrühstückt. Sie ist schon längst auf der Arbeit.“ – „Was ist mit dir, Sophia? Keine Schule?“ – „Nein, es sind doch jetzt Osterferien.“ – „Oh, daran habe ich nicht gedacht, klar. Gut, dann fangen wir mal mit der ersten Gitarrenstunde an.“ Ich erklärte ihr, wie eine Gitarre aufgebaut ist: Der Hals, der Steg, die Bünde, die Saiten, das Schallloch und alles Weitere, das ein angehender Gitarrist wissen sollte, um das Instrument auch zu verstehen. Sie war von allem fasziniert, machte große Augen und hörte mir aufmerksam zu. Dann spielte ich ihr ein paar einfache Akkorde vor, gefolgt von den Tonleitern. Im Anschluss gingen wir alles noch einmal durch, und ich stellte fest, dass sie ein außerordentliches Gedächtnis hatte. Nach über einer Stunde und einigen Liedern, die ich ihr vorspielte, schickte ich Sophia nach Hause. „Genug gelernt fürs Erste“, sagte ich.

Auf diesen Tag folgten viele weitere Tage, an denen wir auf der Gitarre übten. Da Sophias Mutter während der Woche meist den ganzen Tag arbeitete, gingen wir nachmittags regelmäßig zum See – um Steine zu werfen und Gitarre zu spielen.

Manchmal klopfte Sophia schon früh morgens an meine Tür und rief nur: „Steine werfen.“ Weil wir uns beim „Steine werfen“ kennengelernt hatten, war es von nun an unser Geheimcode. An manchen Tagen, wenn Sophia keine Schule hatte, war es in der Früh schon sehr warm und sonnig, sodass wir die Gitarre einfach mit zum Teich nahmen, um dort unsere Unterrichtsstunde fortzusetzen.

Der Wonnemonat Mai zeigte sich von seiner schönsten Seite, und wir beide blühten richtig auf, so wie die Natur um uns herum. Unsere Haut bekam einen braunen Teint, die Stimmung wurde fröhlicher, unser Haar durch die Sonne ein wenig heller. Mit der Zeit wurden wir gute Freunde, und ich merkte, dass mein Leben endlich wieder einen Sinn bekommen hatte.

Mit Sophias Hilfe kam ich näher an den Teich heran. Sie sammelte schon auf dem Weg immer möglichst flache Steine, da sie so schön auf dem Wasser hüpften. Wir wechselten uns immer ab. Erst warf Sophia einen Stein, dann ich. Sie war ganz schön geschickt und hatte den Dreh des Steinewerfens raus. „Juhu, vier Hüpfer“, rief sie, als sie den ersten Stein geworfen hatte. „Mist, nur drei Mal gehüpft“, sagte ich lachend darauf. So ging es die ganze Zeit. Mal gewann sie, mal ich. Doch eigentlich waren wir beide Sieger; im Spiel und im wahren Leben. Denn wir hatten uns auf eine besondere Art und Weise gefunden. Wir unterstützten uns gegenseitig im täglichen Leben so gut es ging. Wenn Sophia bei den Hausaufgaben Probleme hatte, half ich ihr dabei. Sie hingegen ersetzte mir manchmal meine Beine, wenn es nötig war. So ging es eine ganze Weile.

Eines Tages kam es zu einem Ereignis, das mich sehr berührte und aufwühlte. Wir saßen erst zum Gitarrenunterricht auf unserer Holzbank unter der großen, alten Eiche und übten Tonleitern. Dann nahmen wir unser Lieblingsspiel auf: Wir warfen einen Stein nach dem anderen auf das Wasser und ließen sie so weit wie möglich hüpfen. Vor Freude lachten wir laut, es war ein herrlicher Tag. Mittlerweile tanzten die Steine bis zu zehn oder zwölf Mal über das Wasser und hinterließen kleine und große Kreise auf der Wasseroberfläche.

Es gab nicht nur Punkte für die meisten Hüpfer, sondern auch für die schönsten Kreise. „Bernd, irgendwann werden doch die vielen Steine, die wir die ganze Zeit hier hineinwerfen, den Teich überlaufen lassen, oder?“ – „Mag schon sein. Wenn wir ganz viele Steine über viele Jahre in den Teich hineinwerfen, könnte das sicherlich passieren“, antwortete ich ihr. „Dann hätten wir ja kaum noch Wasser im Teich.“ – „Vielleicht, es wäre durchaus möglich. – „Dann kommt bestimmt mein Vater und bohrt ein tiefes Loch in den Boden, um neues Wasser heraufzuholen.“ – „Dein Vater?“ Es traf mich wie ein Blitz: Warum hatte ich nie nach ihm gefragt oder überhaupt darüber nachgedacht, wo ihr Vater war? War ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen? Mir fiel auf, wie wenig ich eigentlich von Sophias Familie wusste.

„Sag mal, Sophia, vermisst du deinen Vater?“ – „Ja, sehr sogar. Mama sagt, er ist ganz weit weg. Er ist in Afrika und holt Wasser aus dem Boden, für die armen Menschen da drüben. Und weil es so viele von diesen Menschen gibt, die kaum etwas zu trinken haben, muss er jeden Tag Brunnen bohren, damit sie nicht verdursten.“ – „Wann hast du deinen Vater denn zuletzt gesehen?“ – „Als ich sechs Jahre alt war, war er das letzte Mal hier in Deutschland, also vor ungefähr vier Jahren,danach nie wieder. Ich kann mich noch daran erinnern, wie er sich an der Tür verabschiedet hat. Ich sehe immer noch sein Lächeln. Er gab Mama und mir einen Kuss und hat gesagt: ‚Bis bald‘. Doch bis heute ist er nicht zurückgekommen.“ – „Das tut mir wirklich leid für dich, Sophia.“ – „Ja, mir tut es auch leid. Auch mein Papa tut mir wirklich sehr leid, dass er so viel arbeiten muss. In der Schule haben wir schon ein wenig über Afrika gesprochen. Es ist dort in vielen Landesteilen sehr trocken. Da kann ein Mensch ohne Wasser sehr schnell verdursten. Meine Lehrerin hat uns Schülern erklärt, dass es dort viele Seuchen wie Cholera gibt, die den Menschen sehr gefährlich werden können, weil es dort in den Dörfern oft schlechtes Wasser gibt, das auch für meinen Vater sehr gefährlich ist, wenn er es trinken würde. Im Atlas und auf der Landkarte in unserem Klassenzimmer habe ich Afrika und Deutschland schon gefunden. Dann habe ich meine Augen geschlossen und bin mit dem Finger zu meinem Papa hingeflogen. Plötzlich hatte ich vor Augen, wie ich früher mit ihm gekuschelt habe …“

Ihre Augen waren auf den Teich gerichtet und schienen in die Ferne zu blicken. Mir schossen Tränen in die Augen. Ich dachte an meine eigenen Kinder, zwei Söhne, Chris und Martin. Ob ich sie jemals wiedersehen würde? Es sah nicht danach aus. Meine Frau hatte mich vor drei Jahren verlassen. Sie hatte die Kinder an die Hand genommen und verließ mich, während ich schlief. Einen Zettel suchte ich am nächsten Morgen vergeblich. Auch damals war ich kurz davor gewesen mir etwas anzutun, doch ein Funken Hoffnung und die Angst in mir, hielten mich davon ab, es wirklich zu tun.

Nun saß ich in meinem Rollstuhl und suchte verzweifelt nach einem Taschentuch. Ich heulte Rotz und Wasser. Sophias Geschichte über ihren Vater rührte mich so sehr, dass ich meine Tränen nicht aufhalten konnte. Bis Sophia, die die ganze Zeit auf das Wasser gestarrt hatte, sich zu mir umdrehte und sagte: „Irgendwann wird mein Vater sicherlich wieder nach Hause kommen. Was meinst du, Bernd?“ Für einen kurzen Moment schaute sie mich an und war erschrocken. „Bernd, du weinst ja. Warum weinst du denn? Du musst nicht traurig sein. Mama sagt, er wird sicherlich bald wiederkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit.“

Sie neigte ihren Kopf ein wenig, schaute mich mitleidig an. Dann kam sie auf mich zu und nahm mich in die Arme. „Komm her, ich tröste dich. Hat es dich so traurig gemacht, was ich dir von meinem Vater erzählt habe?“ – „Ja, Sophia. Sehr sogar.“ Sie drückte mich ganz fest. Dabei war sie es doch, die eine Umarmung gebraucht hätte. Ich roch den Duft ihrer Haare und war erstaunt über ihre Umarmung. Wie lange war es her, dass mich jemand gedrückt hatte? Es erinnerte mich an meine beiden Kinder. Wie oft hatte ich mit ihnen getobt und gekuschelt. Wenn eins von ihnen krank war, hielt ich es in den Armen. Ich vermisste sie in diesem Augenblick unendlich. Meine beiden Söhne, Chris und Martin, hatte ich schon so lange nicht mehr gesehen, dass sie nur noch in meinen Gedanken und Träumen existierten. Ob ich sie jemals wiedersehen würde, war ungewiss. Deshalb war ich auch so voller Schmerz. Sophia spürte das, wie nur ein Kind es konnte. Ich für meinen Teil glaubte nicht mehr daran, dass ihr Vater nach Hause kommen würde. Aber ich sagte es ihr nicht, ich war zu erfahren, ich wusste, wie die Dinge liefen. Aber ich dachte nicht wie ein Kind, nicht wie Sophia.

Auf dem Nachhauseweg waren wir beide still und nachdenklich. Ich versuchte fortan ihre Gedanken ein wenig durch Gespräche zu zerstreuen.

Immer wieder gingen bzw. fuhren wir in der folgenden Zeit mit dem Rollstuhl und der Gitarre auf Sophias Rücken zum Ententeich. Sophia bekam ein intensives Gitarrentraining, damit sie das Instrument so schnell wie möglich beherrschen würde. In dieser Zeit lernte sie eine Menge Akkorde, Anschlag- und Zupftechniken. Ich hätte Sophia eine Gitarre kaufen können, damit sie in ihrem Zimmer üben konnte. Doch ich wollte lieber immer ein Auge auf ihre Finger haben. Denn gerade am Anfang machen Schüler an der Gitarre viele Fehler, die später nur schwer wieder aus ihnen herauszubekommen sind. Von daher nahm ich mir vor, Sophias Spiel zunächst genau zu beobachten und direkt zu korrigieren, denn es war mir ein Anliegen, sie hervorragend auszubilden.

Wären meine Kinder noch bei mir, hätte ich ihnen auch ermöglicht, ein Instrument zu lernen. Doch sie waren weit weg. Ich wusste nicht einmal, wo genau sie wohnten. Weil ich nach dem Unfall zum Scheusal wurde und selbst meine beiden Jungs sich vor mir fürchteten, war es nur logisch, dass sie Abstand von mir wollten. Damals war ich unausstehlich gewesen. Wegen meiner selbstzerstörerischen Wut musste jeder neben mir leiden, weil ich meinen Zustand nach dem Unfall nicht ertragen konnte. Wäre Sophia damals nicht am Teich gewesen, wäre auch ich jetzt im Nirgendwo. Es war nur klar und fair, dass ich ihr deshalb jeden Wunsch von den Augen ablesen würde. Sie wollte lernen, ich half ihr.

Kapitel 2

Eine schlechte Nachricht!

Einige Wochen später klopfte es mehrfach, fast dröhnend, an meine Wohnungstür. Es konnte nur Sophia sein. Als ich die Tür öffnete, stand sie wie ein Häufchen Elend vor mir. „Bernd“, schniefte sie, „Mama hat gestern einen Brief von meinem Vater aus Afrika bekommen. Darin steht, dass er nie wieder nach Hause kommt. Er bleibt für immer fort.“ – „Ganz ruhig, hol erst einmal tief Luft und komm doch herein“, sagte ich zu ihr. Sophia erzählte mir schluchzend, was sie bedrückte: „Er hat dort schon vor einigen Jahren eine andere Frau kennengelernt. Und mit ihr hat er einen Sohn.Das hat Mama mir gestern Abend noch erzählt. Sie hat dabei ganz doll geweint. Da wurde ich auch ganz traurig und habe sie umarmt und mit ihr geweint. Jetzt muss Mama an Papa Urkunden und Scheidungspapiere schicken, und die kosten sie Zeit und Geld. Dann hat sie später noch mehr geweint, ganz viel geflucht und geschimpft. Mit einem Mal hat sie ganz laut ‚Mistkerl‘ gerufen und auf den Tisch gehauen. Da bin ich voller Sorge in mein Zimmer gelaufen, hab die Tür hinter mir zugeschlagen und mir mein Kissen über den Kopf gezogen. Ich habe ganz lange geweint.“ Sie stürzte sich in meine Arme und ihre Tränen kullerten die Wangen hinunter. „Ich will nicht, dass meine Mama unglücklich ist. Ich will auch nicht, dass mein Vater für immer in Afrika bleibt, so weit weg. Er hat doch uns“, sagte sie ganz traurig. „Warum tut er das? Hat er uns nicht mehr lieb?“ Sophias Tränen, die bereits mein T-Shirt durchnässt hatten, ließen mich verstummen. Sie machten mich sehr nachdenklich.

Damals, als Melanie mich verlassen hatte, hatte ich es in der Hand gehabt. Wäre ich nicht so ein Griesgram geworden, hätte ich sie nicht so herabwürdigend behandelt, könnten sie und die Kinder noch bei mir sein. Nur ich selbst war für alles Unheil, welches über mich und meine Familie gekommen war, verantwortlich.

„Sophia, schau mich mal an.“ Wir standen immer noch in meinem Korridor. „Komm, wir holen dir mal ein Taschentuch.“ Sie strich sich mit den Händen über die Augen, um die Tränen wegzuwischen. „Ok“, schniefte sie. Den Rollstuhl bugsierte ich rückwärts den Flur entlang, bis ich vorsichtig eine Drehung vollzog. „Setz dich doch in meinen Schaukelstuhl.“ – „Ja, das mache ich“, sagte sie mit gesenktem Kopf. Ich hatte den Eindruck, dass ihre Mutter sie über ihren Vater und deren Verhältnis nie so recht aufgeklärt hatte. Zwar war ich nicht Sophias Vater, aber ich war im Laufe der vielen Monate ein guter Freund für sie geworden, also wollte ich jetzt für sie da sein.

Ich fuhr mit dem Rollstuhl zum Schrank, holte ein Päckchen Taschentücher heraus und gab es Sophia. „Kann ich dir etwas zu trinken bringen?“ – „Ja, das wäre nett von dir.“ Der Schaukelstuhl, in dem sie saß, hatte schon immer eine beruhigende Wirkung gehabt. Geübt vollzog ich wieder eine Drehung auf dem Laminatboden. Dann fuhr ich in die Küche, um ein Glas Wasser zu holen. Im Laufe der letzten Jahre hatte sich mein Leben als Behinderter recht gut eingespielt. Die Abläufe in meiner Wohnung waren mir vertraut. Meine Gedanken rasten.

Was sollte ich Sophia in Bezug auf die Probleme von Erwachsenen erzählen? Dass Erwachsene hin und wieder ihre Meinungen und Ansichten änderten? Ich nahm ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit Sprudelwasser. Dann hielt ich kurz inne und entschied mich, Sophia von meinen Kindern und meiner Frau zu erzählen. Kurzum steuerte ich meinen Rollstuhl wieder ins Wohnzimmer.

„Hier, du, nimm erst mal einen Schluck Wasser, es wird dir guttun. Damit kannst du deine Tränen auffüllen“, sagte ich mit einem Lächeln. Nachdem Sophia einen Schluck getrunken hatte, begann ich zu erzählen: „Gern würde ich dir von meinen beiden Kindern Chris und Martin sowie von meiner Ex-Frau Melanie erzählen. Im Leben ist es so, dass wir, wenn wir jung und allein sind, oftmals einen anderen Menschen finden, der uns gefällt. Am Anfang ist es meist eine Freundschaft, die dann später zu einer großen Liebe werden kann. Diese Liebe führt zwei Menschen dann irgendwann dazu, wenn beide bereit sind, miteinander zu leben, auch zur Heirat. Dann versprechen sie sich, bis an ihr Lebensende füreinander zu sorgen und einander zu lieben. Doch manchmal ist es ein Fehler, schon so früh zu heiraten. Besser wäre es, wenn gerade junge Paare einige Jahre miteinander lebten, um zu prüfen, ob sie auf Dauer überhaupt zusammenpassen. Erst im Laufe der Jahre und nach vielen gemeinsamen Prüfungen, die das Leben für uns bereithält, wissen wir, ob wir füreinander bestimmt sind. Und manchmal reicht selbst das nicht aus. Denn manchmal, ja manchmal geschehen Dinge im Leben, die man nicht vorhersehen kann und die eine Beziehung nicht aushält.“ – „Bernd, heißt das jetzt, dass ich lieber für immer allein sein sollte? Niemals heiraten?“ – „Nein, Sophia. Die Entscheidung zu heiraten, treffen immer beide, weil sie sich sehr lieb haben. So war es auch mit meiner Frau Melanie. Mel und ich lernten uns schon vor vielen Jahren kennen. Sie war zwanzig Jahre alt, und ich einundzwanzig. Wir beide hatten gerade unsere Lehre beendet. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und stellten fest, dass wir gut zueinander passten und Probleme gemeinsam bewältigen konnten. Auch mit ihren Eltern kam ich prima zurecht. Melanie verstand sich auch hervorragend mit meiner Mutter und mit meinem Vater. So verging etwas Zeit. Die Liebe zwischen uns wuchs. Daraus entstand dann unser erster Sohn Martin und zwei Jahre später kam Chris zur Welt. Du siehst sie auf den Fotos, die dort auf dem Schrank stehen. Wir gaben, kurz bevor Martin geboren wurde, unser Eheversprechen ab.“ – „Machen das alle Menschen, die sich liebhaben? Galt das auch für meinen Vater und meine Mutter?“ – „Ja, das galt wahrscheinlich auch für deine Eltern. Doch irgendwann kann es passieren, dass zwei Erwachsene sich nach einer kurzen oder auch längeren Zeit nicht mehr so lieben wie am Anfang. Das ist bei meiner Frau und mir auch passiert. Nach meinem Unfall ging es mir sehr schlecht. Mein Leben wurde komplett durcheinandergewirbelt. Ich war mit meiner Behinderung total überfordert. Meine Frau versuchte, mir zu helfen. Meine Kinder verstanden nicht so recht, was mit mir geschehen war. Ich konnte mich plötzlich nicht mehr wie gewohnt um sie kümmern: Nicht mehr mit ihnen auf der Wiese Fußball spielen, toben und herumjagen, alles war plötzlich anders. Gemeinsame Unternehmungen wurden schwierig. Ich war lange Zeit sehr krank, und das nicht nur körperlich.“

Sophia wippte, schon seitdem ich meine Erzählung begonnen hatte, nicht mehr mit dem Schaukelstuhl. Sie hörte mir einfach nur gut zu und schien zu überlegen. Ich versuchte, ihr so einfach wie möglich zu erklären, wie es dazu kommen konnte, dass Erwachsene sich trotz ihrer Kinder voneinander trennten. So auch ihre Eltern.

„Also haben mein Vater und meine Mutter sich getrennt, weil er so lange fort war und sie sich nicht mehr sahen?“ – „Ja, das passiert schon mal, wenn Erwachsene sich so lange nicht sehen. Dann verlieren sie die Bindung zueinander.“ – „Aber was ist mit mir? Hat er mich denn nicht mehr lieb? Hat er mich denn total vergessen? Ich bin doch seine Tochter! Sein Mädchen, sein Ein und Alles.“ Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. „Liebt er jetzt seinen neuen Sohn mehr als mich? Will er mich denn nie wiedersehen? Warum tut ein Mensch so etwas? Ich habe ihn doch auch nicht vergessen. Ich liebe ihn doch noch genau so, wie als er uns verlassen hat.“

Ihre Tränen kullerten über ihre Wange. Es tat mir in der Seele weh zu sehen, wie es ihr das Herz zerriss. Und es fiel mir tatsächlich schwer, so zu denken, wie eine Zehnjährige. „Ich bin mir sicher, Sophia, dass er dich noch sehr lieb hat. Auch wenn er so weit weg ist. In Afrika haben die Menschen nicht nur wenig Wasser, oft haben sie auch kein Telefon.“ – „Aber sie werden doch Briefträger haben oder nicht?“ – „Ja, Briefträger gibt es auf der ganzen Welt.“ – „Gut, dann werde ich meinem Vater einen Brief schicken und ihn fragen, ob er mich wirklich noch lieb hat.“ – „Das kann sehr lange dauern, Sophia, bis er den Brief erhält. Es kann auch sein, dass er unterwegs verloren geht. Und wenn dein Vater dir antwortet, dann kann es sein, dass der Brief nach Deutschland auch sehr lange braucht.“ – „Das ist mir egal. Ich werde es versuchen, und wenn ich jeden Monat oder auch jahrelang Briefe schreiben muss, um eine Antwort von meinem Vater zu erhalten. Dann kann ich ihn auch gleich fragen, warum er nicht nach Hause kommt. Schließlich hat er uns versprochen, wieder zurückzukommen!“

Sophia tupfte ihre Tränen mit dem Taschentuch ab. Dann schnaufte sie kräftig hinein. „Du solltest es versuchen. Ja, schreibe ihm Briefe oder eine E-Mail. Wenn es sein muss, so lange, bis er dir zurückschreibt.“ – „Ja, das werde ich tun, wobei ich seine Mailadresse leider nicht kenne.“

Mit diesen Worten stand Sophia auf und verabschiedete sich von mir, nicht ohne mir vorher ihre von Tränen getränkten Taschentücher in die Hand zu drücken, was ich mit einem verschmitzten Lächeln quittierte. „Tschau, Bernd, vielen Dank für deine Hilfe“, sagte sie etwas entspannter. „Gern geschehen, Sophia. Bis bald.“ Ich hatte zumindest das Gefühl, als verließe sie meine Wohnung mit einem etwas besseren Gefühl.

***

Der Schultag zog sich mal wieder endlos in die Länge, daher war ich froh, als die Glocke zur letzten Stunde läutete und wir alle aus der Klasse stürmen konnten. Der Rückweg mit dem Bus brachte einiges an Aufregung mit sich. Einige Jungs aus meiner Klasse waren der Meinung, einem Mitschüler den Sportrucksack wegnehmen zu müssen und ihn durch den Bus zu werfen. Als das Ganze so weit ging, dass der Junge anfing zu weinen und der Rucksack direkt auf meinen Schoß fiel, kam es dazu, dass ich all meinen Mut zusammennahm und mich einmischte, worauf die Jungs mich beschimpften und mich mit allerlei Dingen wie Kaugummi und Papierschnipseln bewarfen. Kochend vor Wut stand ich auf und schrie die blöden Kerle an, damit aufzuhören. Zwar streckten sie mir die Zunge raus und sagten eine Menge Schimpfwörter zu mir, als dann aber einige andere Mädchen aus der Schule sich auf meine Seite schlugen, verstummten die Stimmen der Jungs nach und nach. Es war wenigstens einer dieser seltenen Momente, in denen ich mich stark und selbstbewusst fühlte. Wenig später stieg ich an meiner Haltestelle aus und lief, noch etwas aufgeregt, nach Hause.

Dort angekommen, musste ich mich erst einmal beruhigen. Ich schaltete in der Küche das Radio an und sang zu den Liedern, die sie spielten. Dabei fiel mir ein, dass es an der Zeit war, einen ersten Brief an meinen Vater zu schreiben. Singend und guter Dinge suchte ich in unseren Schubladen nach dem Umschlag, den meine Mutter von meinem Vater erhalten hatte. Nach einiger Zeit fand ich ihn. Den Brief selbst las ich nicht. Auf der Rückseite stand der Absender, den ich sogleich in eine Suchmaschine auf unserem alten Laptop eingab. Blue Water Cooperation in Burkina Faso. Bei dieser Firma arbeitete also mein Vater. Ich beschloss, ihm sofort einen Brief zu schreiben, und hoffte, dass er dort auch ankommen würde. Wenn er dann noch zurückschreiben würde, wäre ich fürs Erste zufrieden, auch wenn es einige Wochen dauern sollte. Aus einer weiteren Schublade holte ich einen Schreibblock und einen Kugelschreiber sowie einen Briefumschlag. Das Porto bis nach Afrika wusste ich nicht, würde ich aber sicherlich bei der Post erfahren. Nun saß ich da und kaute nachdenklich auf dem Kugelschreiber herum. Was sollte ich nur schreiben, und wie sollte ich es schreiben? Es dauerte eine Weile, bis ich dann doch endlich die passenden Worte fand:

Hallo Dad,

es ist schon viele Jahre her, dass wir uns gesehen haben. Ich kann mich noch sehr gut an den Tag erinern, wo wir uns an der Haustüre mit einer umarmung und vielen Küssen verabschidet haben. Wenn ich, wie so oft, an diesen Tag denke, dann habe ich dein lächelndes Gesicht immer noch vor Augen. Damals, ich war erst sechs Jahre alt, hast du meiner Mum, deiner Frau, und mir Sophia, deiner Tochter, versprochen, bald wiederzukommen Doch bis heute bist du nicht ein einziges mal zu hause gewesen. Auch hast du uns in der Vergangenheit keinen neten Brief geschrieben. Mitlerweile bin ich schon über 10 Jahrealt und es ist so viel Zeit vergangen. Ich finde es sehr schade, dass du dich so lange nicht bei uns gemeldet hast, bis auf den blöden Brief, den wir vor einigen Tagen bekomen haben, der meine Mum und mich sehr traurig gemacht hat. Gib dir endlich einen Ruk und schreibe mir zurück.

Liebe Grüße Sophia …

***

Kapitel 3

Gitarre üben und Steine werfen

Es dauerte zwei Tage, bis Sophia wieder bei mir auftauchte. Sie klopfte wie immer an meine Tür und rief: „Steine werfen.“

Nachdem ich sie in meine Wohnung gelassen hatte, sprach ich sie auf ihr versäumtes Gitarrenspiel in den letzten Tagen an. „Ach, das kann ich doch am Teich nachholen. Heute ist so schönes Wetter, dass wir Gitarre üben und noch Steine werfen können“, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln. „Was meinst du, Bernd?“ – „Ist in Ordnung, können wir machen“, sagte ich etwas zerknirscht. „Bernd, ich werde die Gitarre schon mal in die Tasche packen, während du dir die Jacke überziehst.“ – „Ok, mach das bitte.“

Nach kurzer Zeit verließen wir beide das Haus und liefen bzw. fuhren in Richtung Ententeich. Die Sonne schien und ihre Strahlen wärmten uns. Auf dem Weg zum Teich sammelte Sophia wie gewohnt die passenden Steine, wobei sie betonte, dass gerade die flachen Steine mittlerweile immer weniger wurden. „Sophia, die liegen alle unten auf dem Grund des Teichs.“ – „Vielleicht sollten wir nach ihnen tauchen oder einen Bagger besorgen, der sie alle vom Grund heraufholt, was meinst du dazu, Bernd?“ – „Tauchen wäre nicht so gut. Aber baggern. Das wäre eine Lösung“, entgegnete ich. „Stell dir mal vor, jede Schaufel wäre voll mit flachen Kieselsteinen, die wir hier die ganze Zeit zuvor hineingeworfen haben, und du bräuchtest nicht mehr danach zu suchen.“ – „Ja, das wäre wirklich super.“ – „Genug geträumt, Sophia. Setz dich doch drüben auf die Bank und hol schon mal die Gitarre aus der Tasche, damit du mit deinen Übungen anfangen kannst. Alle Tonleitern einmal rauf und runter, bitte. Danach mit geschlossenen Augen.“ – „Mit geschlossenen Augen? Ist ja ganz was Neues.“ – „Du kannst das, Sophia!“

„Was ich dir noch sagen wollte: Vorgestern habe ich den ersten Brief an meinen Vater geschickt.“ – „Hoffentlich ist er nicht so lange unterwegs. Es würde mich freuen, wenn du schon bald eine Antwort von ihm bekommen würdest.“ – „Das hoffe ich auch“ – „Dann wünsche ich dir viel Glück, Sophia. Hoffentlich klappt es!“ – „Danke, Bernd!“

Sophia schloss die Augen und spielte auf der Gitarre alle Tonleitern wie ein Profi rauf und runter. Sie spielte diese außerordentlich flüssig und sauber. Ich dachte an meine eigenen ersten Versuche als Kind und mir wurde klar, dass ich in diesem Alter nicht mit so einer Fingerfertigkeit spielen konnte. Sie war ein Ausnahmetalent. Ich fragte mich, warum sie so eine Neigung zur Musik hatte. Die Antwort fand ich dann recht schnell: Sophia war ein sensibler und charismatischer Mensch. Das lag sicherlich daran, dass sie sehr viel allein, selbstständig und in ihrer Denkweise vielen Kindern in ihrem Alter weit voraus war. Das musste es sein: Empfindsamkeit. Ob ich mit meiner Überlegung richtig lag, konnte ich natürlich nicht genau sagen.

Nach fast zwei Stunden war der Gitarrenunterricht zu Ende. Ich achtete peinlich darauf, dass sie ihre Übungen sorgfältig durchzog. Denn ich wusste aus Erfahrung, wenn sie diese Übungen beibehalten würde, könnte sie in nur fünf Jahren eine exzellente Gitarristin sein, die mit ihrer Spielweise viele Menschen beeindrucken würde. In zehn Jahren, bei ausreichender Übung, konnte ein begabter Mensch wie Sophia an der Gitarre Weltklasse werden. Daher war es mein Ziel, sie so gut wie möglich auszubilden. Denn je mehr sie lernte, umso leichter würde es ihr fallen, auch noch anspruchsvollere Songs zu spielen. Sie müsste nur die Liebe zum Instrument vertiefen, dann würde der Rest schon von allein kommen.

Sophia übte nahezu jeden Nachmittag nach der Schule, über Wochen hinweg auf der Gitarre. Einmal riss eine Gitarrensaite, und das nahm ich zum Anlass, Sophia beizubringen, wie alle Saiten fachgerecht erneuert wurden. Bei schlechtem Wetter übten wir bei mir, und bei schönem Wetter zog es uns hinaus zum Teich. So hatten wir beide stets frische Luft und saßen nicht nur in der Wohnung herum. Das Ergebnis all dieser Arbeit konnte sich nach all dieser Zeit sehen bzw. hören lassen. Sophia beherrschte eine Menge Akkorde, konnte diese sauber greifen, wechseln und spielen. Zudem brachte ich ihr noch einige einfache Lieder bei. Ich war mit meiner Schülerin rundherum zufrieden. Das Gute daran war, dass, je mehr sie lernte, es immer einfacher für sie wurde. So bereitete ich sie auf die ganz großen Songs vor. Lieder von Top Gitarristen wie: Eric Clapton, Jimmy Page, Mark Knopfler, David Gilmour, Bob Dylan; die ich selbst vergötterte und die mir stets beim Spielen über viele Jahre hinweg Vorbilder waren.

Über ein ganzes Jahr war seit unserem Kennenlernen vergangen, und Sophia hatte richtig viel dazu gelernt. „Steine werfen“, rief Sophia zum gefühlt hundertsten Mal durch die verschlossene Tür. Sogleich schnappte ich mir die Gitarre, meinen Schlüssel und begrüßte Sophia an der Wohnungstür. „Hallo, Bernd, welchen Song lerne ich denn heute?“ – „Einen ganz besonderen. Einen, von dem ich glaube, dass die Zeit für dich gekommen ist, ihn zu lernen. Einen weltbekannten Song eines wirklich hochbegabten Gitarristen unserer Zeit.“ – „Nun sag schon.“ – „Eric Clapton, der Song heißt Layla. Ich bin mir sicher, dass er dir gefallen wird.“ – „Layla, der Name sagt mir was. Ich glaube, den Song habe ich schon mal im Radio gehört. Hast du dazu auch den Songtext?“ – „Ja, den habe ich schon in der Tasche verstaut. Den Song werde ich dir auf dem Handy mehrmals vorspielen, damit du die Melodie kennenlernst.“ – „Gut, dann bin ich mal gespannt.“

Mit einem Lächeln ging sie mit der Gitarre, die ich ihr zuvor auf den Rücken geschnallt hatte, neben mir her. Als wir endlich an der großen Eiche bei unserer Parkbank ankamen und auch genügend flache Steine zusammen hatten, setzte sich Sophia wie immer zuerst hin. Dann prüfte sie die Gitarre auf ihre Stimmlage. Als diese gestimmt war, ging es los. Mein Handy war bereit. Ich drückte auf „Play“ und spielte ihr das Original sowie ein Lernvideo, welches ich im Internet gefunden hatte, mehrfach vor. So konnte Sophia die spezielle Spielweise von Eric Clapton am besten sehen und in der Lernphase umsetzen.

Sophia war sehr ehrgeizig, zudem besaß sie auch die nötige Fingerfertigkeit, um diesen Song recht gut in zwei bis drei Wochen spielen zu können. Bei täglicher Übung würde sie diesen Song dann schon bald perfekt beherrschen. Davon war ich überzeugt. Da sie sehr interessiert und zudem hoch talentiert war, war es wirklich schön anzusehen, wie ihre Übungen Früchte trugen.

Gegen 17.00 Uhr gingen wir glücklich nach Hause. Sophia hatte nicht nur einen neuen Song auf der Gitarre gelernt, sie hatte es auch geschafft, einen Stein sage und schreibe fünfzehn Mal hüpfen zu lassen. Als wir zu Hause ankamen, fuhr ich mit dem Treppenlift nach unten und Sophia ging die drei Stufen hoch ins Erdgeschoss. Wie immer schauten wir uns vorher noch einmal an und sagten dann Tschüss zueinander. Den Abend ließ ich gemütlich ausklingen, indem ich auf meiner Gitarre übte und später etwas Fernsehen guckte, wobei mich die Nachrichten am meisten interessierten.

***

Kapitel 4

Eine Lebensveränderung

Der heutige Tag am See hat mir besonders gut gefallen, weil Bernd mich gelobt hat und mir sagte, dass ich den anspruchsvollen Song Layla, den ich in den letzten Wochen von ihm gelernt hatte, fast perfekt spielen konnte. Niemals hätte ich gedacht, dass ich in so kurzer Zeit so gut Gitarre spielen würde.

Nun wartete ich am Abend schon eine gefühlte Ewigkeit darauf, dass meine Mutter endlich von der Arbeit nach Hause kommen würde. Als dann die Tür aufging und sie in die Wohnung kam, lief ich ihr direkt in die Arme.

„Hallo, Mama, schön, dass du endlich zu Hause bist.“ – „Ja, mein Schatz es freut mich auch, endlich wieder hier zu sein. Es gibt übrigens gute Nachrichten!“ – „Was für gute Nachrichten meinst du genau?“ – „Warte, Maus, ich muss eben mal ins Bad.“

Mum hatte endlich mal gute Nachrichten mit nach Hause gebracht. Sie schien auch nicht so erschöpft wie sonst. Sie strahlte über das ganze Gesicht und ihr Lächeln war mir Anlass genug, auf das Beste zu hoffen. Was mochte es sein? Wollte sie vielleicht mit mir am Wochenende Eis essen gehen? Ins Kino oder in den Zoo?

„So, mein Schatz, da bin ich wieder. Komm, wir gehen ins Wohnzimmer. Da erzähle ich dir, was Neues auf uns zukommt. Setz dich erst einmal hin, nicht dass du mir vor Freude noch umfällst.“ Nachdem ich mich gesetzt hatte, stand meine Mum vor mir, wie meine Lehrerin Frau Moore. „Heute ist ein wirklich bedeutender Tag für uns, mein Schatz.“ – „Spann mich nicht auf die Folter, Mama. Nun sag schon.“ – „Wir haben jetzt etwas mehr Zeit für uns, du kleine Maus. Nach den Ferien hab ich jeden Mittwochnachmittag frei und verdiene etwas mehr Geld. Dazu kommt, dass ich die Filialleiter-Vertretung übernehme.“

Mum kam einen Schritt auf mich zu, kniete sich vor mich hin und umarmte mich. Sie strahlte über das ganze Gesicht, sodass ich spürte, wie glücklich diese gute Nachricht sie machte. „Du bist also endlich befördert worden?“ – „Bin ich“, sagte sie und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Um ehrlich zu sein, konnte ich das überhaupt nicht glauben. Wie aus einem Reflex löste ich mich aus der Umklammerung meiner Mum, um mich zu erheben und auf der Couch einmal auf und ab zu springen. Danach hüpfte ich direkt wieder in die Arme meiner Mutter. Wir drückten und knutschten uns. „Endlich ein Lichtblick in unserem Leben, nicht wahr, mein Schatz?“ – „Das ist wunderbar, Mama. Dann können wir bestimmt auch ab und an mal was zusammen unternehmen.“ – „Das werden wir auch bald schon tun, mein Schätzchen.“ Sie fasste mich an den Händen und wir tanzten einige Runden im Kreis herum. Danach ließen wir uns erschöpft auf das Sofa fallen.

Den Abend verbrachten wir dann gemütlich mit einer Tüte Chips und Limonade, die sie zur Feier des Tages mitgebracht hatte, auf der Couch und schauten Fernsehen. Meine Mutter hätte also nach den Ferien jeden Mittwochnachmittag frei. Sie versprach mir, dass wir die Zeit gemeinsam nutzen würden, um in der Stadt bummeln zu gehen oder andere coole Sachen zu unternehmen.

Meine Freude wurde dann noch größer, als wir auf mein Bitten hin am Sonntag in eine Eisdiele gingen und jede ein großes Spaghetti-Eis bestellte. Zwar hatte ich einige Stunden später etwas Bauchschmerzen, doch die nahm ich gern in Kauf. Am Abend, als ich mit meiner Mutter im Wohnzimmer saß, sagte sie mir etwas, was mir dann aber überhaupt nicht gefiel: „Sophia, am Ende deiner Sommerferien muss ich auf einen Lehrgang. Das heißt, dass ich für fünf Tage, also von Montagfrüh bis Freitagnachmittag, nicht da bin. Wenn ich den Filialleiter vertreten soll, dann muss ich diesen Lehrgang machen. Das wäre von Ende August bis Anfang September, das ist deine letzte Ferienwoche!“ – „Das ist schon recht bald, Mum.“ – „Ich habe mir überlegt, dass ich dich für diese Zeit zu Tante Martha und Onkel Hans nach Muggensturm bringe, damit du nicht die ganze Zeit allein bist. Deshalb werde ich gleich Tante Martha anrufen und sie fragen, ob du dort von Sonntag bis Freitag bleiben darfst. Ich weiß sonst nicht, wohin mit dir.“ – „O nein, Tante Martha ist ja ok, aber Onkel Hans, an den kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Du hast mir früher selbst erzählt, dass ich auf seinem Arm immer geweint habe.“ – „Ach, das ist doch schon so lange her, Sophia. Das war nur am Anfang so. Da warst du noch ganz klein. So um die zwei Jahre alt und hast gefremdelt.“ – „Was ist das für ein Wort: ‚gefremdelt‘?“ – „So wird es halt genannt, wenn Kleinkinder bei fremden Menschen auf dem Arm weinen. Wobei dein Onkel kein Mensch ist, vor dem du Angst haben müsstest. Später, als du etwas älter warst, seid ihr dann miteinander, wenn wir bei ihnen zu Besuch waren, spazieren gegangen. Jetzt bist du doch schon ein ganzes Stück älter. Onkel Hans ist völlig ok. Wirst schon sehen. Kannst du dich denn überhaupt nicht mehr an ihn erinnern?“ – „Nein, Mama, nur schemenhaft, das ist viel zu lange her. Warum besuchen wir Tante Martha und Onkel Hans eigentlich nicht mehr? Liegt es daran, dass du so wenig Zeit hast?“ Mama zögerte ein wenig mit der Antwort „Ja, das auch. Aber es gab früher ein Ereignis, das dazu führte, dass ich mich mit Onkel Hans nicht mehr verstand. Er war der Ansicht, dass eine Frau zu ihrem Mann gehört. Er hat von mir erwartet, dass ich mit Papa nach Afrika gehe. Doch ich wollte partout nicht dorthin. Erst sollte Papa ja nur für drei Monate dortbleiben und Brunnen bohren. Doch aus drei Monaten wurden etliche Jahre.“ – „Daran kann ich mich noch gut erinnern. Wir beide standen im Flur. Er hatte seine Sachen gepackt, uns in den Arm genommen und sagte: bis bald. Doch bis heute ist er nicht mehr aufgetaucht. Er hat niemals angerufen. Er hat mir nie ein Bild von sich geschickt und nicht mal an meinen Geburtstag gedacht.“

Mir kamen die Tränen. Mum nahm mich in die Arme. „Du hast recht, Sophia. Es ist auch meine Schuld, dass Papa nicht wieder nach Hause kam. Ich hatte nicht den Mut, in ein fremdes Land zu gehen, wo die Lebensweise so anders ist als unsere. Ich wollte es dir nicht zumuten, dort zu leben, du warst gerade erst sechs Jahre alt, mein Schatz. Die Verhältnisse bzw. das Leben dort sind nicht so wie bei uns. Auch mit der Schule ist es dahinten so eine Sache. Zwar könntest du jetzt fließend Englisch sprechen, aber das lernst du auch hier. Hinzu kam, dass Papa die Brunnen nicht nur an einem Ort gebohrt hätte. Wir hätten ihn manchmal Wochen lang nicht gesehen. Es gibt dort unzählige Dörfer, die einen Brunnen brauchen, damit die Menschen Wasser haben, um nicht zu verdursten. Auch ist die Wasserqualität nicht immer die beste, hat mir dein Vater erzählt. Manchmal ist ein Brunnen mit Filtersystem an einem Tag fertig. Doch wenn Probleme auftauchen wie hartes Gestein, dann dauert eine Bohrung manchmal auch einige Tage länger.“ Hilflos sah Mum mich an.

Sie reichte mir ein Taschentuch. „Wenn ich es mir recht überlege, war deine Entscheidung, hier zu bleiben, richtig, Mama“, schluchzte ich ein wenig. „Ja, das sehe ich auch so, mein Schatz“, sagte sie und nahm mich in die Arme. Auch wenn ich keine große Lust dazu hatte, sagte ich meiner Mum dann, dass ich einverstanden wäre, zu Tante Martha und Onkel Hans zu fahren. Es tat mir leid, dass sie so traurig war und sich mit Onkel Hans im Streit getrennt hatte. Doch diese eine Sache müsste sie vorher noch klären: Sie musste dringend mit Onkel Hans sprechen!

Kapitel 5

Erkenntnisse

Die letzten Wochen vor den Ferien vergingen wie im Flug. Das viele Lernen machte mir nicht nur Spaß, ich hielt es auch für wichtig: Schließlich tat ich es nur für mich. Mir war es nie sonderlich schwergefallen, für die Schule zu lernen. Das blieb auch meinen Mitschülern nicht verborgen. Hier und da gab es dann mal einen Spruch: „Du sitzt nur rum und lernst, du bist langweilig, du Streberin!“

Na ja, aber es änderte nichts daran, dass ich bemerkte, wie Mama sich abrackerte. Ich sah, wie sie morgens früh aus dem Haus ging, den ganzen Tag arbeitete, für wenig Geld, und ich beschloss, das sollte mir in Zukunft nicht geschehen. Ewig am Minimum leben wollte ich später nicht. Deswegen war mir das Lernen so wichtig.