Jan und Paul wollen die Mama zurück! - Anna Sonngarten - E-Book

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Anna Sonngarten

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Dr. Fabian Gerlach schaute ernst auf die junge Frau, die völlig aufgelöst vor ihm saß. Vor einer Viertelstunde war sie panisch mit ihren beiden Jungen in die Ambulanz der Klinik in Maibach gekommen. Das kam öfters vor. Eltern konnten nicht immer beurteilen, wie schlimm eine Verletzung war. Sobald es blutete, war die Aufregung groß, bei Kindern und Eltern gleichermaßen. Seit Dr. Gerlach selbst Vater war, hatte er dafür mehr Verständnis. Einer ihrer Söhne hatte eine Verletzung am Knie, die der Arzt mit einem einfachen Verband versorgen wollte. Die Wunde musste weder genäht noch mit Wundverschlusspflaster versorgt werden. »Das ist nicht schlimm. Ich muss die Wunde kurz desinfizieren, aber dann reicht ein Verband und in ein paar Tagen ein einfaches Pflaster«, hatte er dem Kleinen erklärt. Sein Bruder hielt ihm fürsorglich die Hand. »Keine Angst, Jan, das tut bestimmt nicht so doll weh«, versuchte er zu trösten, und Dr. Gerlach überlegte, dass die beiden Zwillinge sein mussten, da sie sich sehr ähnlich sahen und gleichaltrig waren. Beide hatten dunkelblonde Haare, die in Fransen in die Stirn hingen, darunter dunkle runde Augen. »Dein Bruder hat recht, vielleicht brennt es ganz kurz«, bestätigte der Arzt.

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Sophienlust - Die nächste Generation – 64 –

Jan und Paul wollen die Mama zurück!

Wie eine junge Frau Hilfe in Sophienlust fand

Anna Sonngarten

Dr. Fabian Gerlach schaute ernst auf die junge Frau, die völlig aufgelöst vor ihm saß. Vor einer Viertelstunde war sie panisch mit ihren beiden Jungen in die Ambulanz der Klinik in Maibach gekommen. Das kam öfters vor. Eltern konnten nicht immer beurteilen, wie schlimm eine Verletzung war. Sobald es blutete, war die Aufregung groß, bei Kindern und Eltern gleichermaßen. Seit Dr. Gerlach selbst Vater war, hatte er dafür mehr Verständnis.

Einer ihrer Söhne hatte eine Verletzung am Knie, die der Arzt mit einem einfachen Verband versorgen wollte. Die Wunde musste weder genäht noch mit Wundverschlusspflaster versorgt werden.

»Das ist nicht schlimm. Ich muss die Wunde kurz desinfizieren, aber dann reicht ein Verband und in ein paar Tagen ein einfaches Pflaster«, hatte er dem Kleinen erklärt. Sein Bruder hielt ihm fürsorglich die Hand.

»Keine Angst, Jan, das tut bestimmt nicht so doll weh«, versuchte er zu trösten, und Dr. Gerlach überlegte, dass die beiden Zwillinge sein mussten, da sie sich sehr ähnlich sahen und gleichaltrig waren. Beide hatten dunkelblonde Haare, die in Fransen in die Stirn hingen, darunter dunkle runde Augen.

»Dein Bruder hat recht, vielleicht brennt es ganz kurz«, bestätigte der Arzt. »Wie alt seid ihr denn, geht ihr schon zur Schule?«, fragte er, nicht aus Neugierde, sondern um Jan abzulenken.

Beide antworteten wie aus einem Mund: »Sieben, ja, wir gehen in die erste Klasse, bei Frau Schneider.«

Jan, war tapfer, und als der Verband angelegt war, schien der Junge sogar ein bisschen stolz.

»Das hast du prima gemacht, Jan. Jetzt will dein Bruder bestimmt auch einen Verband«, lachte der Arzt.

»Paul, willst du auch einen Verband?«, fragte Jan.

»Nö, ich bin doch kein Baby«, gab dieser zurück.

Dr. Gerlach lachte. Zwillinge zu beobachten, wie sie miteinander sprachen und umgingen, hatte einen besonderen Reiz. Denn bei aller Ähnlichkeit gab es oft Unterschiede im Charakter.

Eigentlich wäre jetzt alles soweit in Ordnung gewesen, aber die Mutter der Zwillinge konnte sich nicht beruhigen, und das beunruhigte Dr. Gerlach. Wie traumatisiert saß die Frau in einer Ecke des Behandlungsraums. Unter anderen Umständen wäre sie wahrscheinlich sehr hübsch gewesen, aber ihre Wangen wirkten hohl, die Lippen spröde, und unter ihren großen Augen waren dunkle Ringe zu erkennen. Unaufhörlich liefen der blonden Frau die Tränen übers Gesicht. Dr. Gerlach befürchtete bereits, sie würde sich in eine Panikattacke hineinsteigern. Das wäre für den erfahrenen Arzt kein dramatischer Notfall gewesen, aber für ihre Zwillinge bestimmt kein schöner Anblick. Ein Beruhigungsmittel zu injizieren wäre die letzte Option. Vorher versuchte er es lieber mit guten Worten.

»Frau Seeberger, ich verstehe Ihren Schreck, aber es ist nichts Schlimmes passiert. Kleine Jungen toben gerne und fallen auch schon mal hin. Das ist sogar eine wichtige Erfahrung für sie … Und Sie haben nichts falsch gemacht. Man schaut einmal zur Seite, und schon ist es passiert. Ich habe auch einen kleinen Sohn. Ich weiß, wovon ich spreche.« Dr. Gerlach versuchte es mit einem kleinen Lachen, hatte aber das Gefühl, die junge Mutter nicht wirklich zu erreichen. Sie starrte blicklos vor sich hin, während die Tränen feuchte Spuren auf ihrem Gesicht hinterließen. Sie reagierte kaum auf seine Worte, und Fabian Gerlach war nicht sicher, ob sie ihn überhaupt verstanden hatte. Langsam kam dem Arzt die Erkenntnis, dass sich hier ein Problem anbahnte.

Er warf einen Blick auf die persönlichen Daten von Frau Seeberger. Tina Seeberger, 35 Jahre. Beruf: Grafikdesignerin. Zwei Kinder. Verwitwet. Er sah auf das Wort verwitwet, als bekäme es allein dadurch eine andere Bedeutung, wenn er nur lange genug drauf schaute.

»Frau Seeberger, wen können wir anrufen? Gibt es jemanden, der Sie hier abholen und sich um Sie und die Zwillinge kümmern könnte?«, fragte der Arzt ruhig.

Tina Seeberger schüttelte den Kopf. Ihre Hochsteckfrisur löste sich langsam auf, und einige blonde Strähnen verdeckten ihr Gesicht. Die Zwillinge wurden auf einmal ganz ruhig, so als hielten sie die Luft an. Der kleine Paul ging zu seiner Mutter und berührte sie sanft am Arm.

»Mama, was ist denn? Dem Jan geht es doch wieder gut«, sagte er leise.

»Ja, Mama, mein Knie tut gar nicht mehr weh«, beeilte sich nun auch Jan seiner Mutter zu versichern. Dann verstummten die beiden Jungen wieder. Sie konnten die Situation nicht einordnen. Was war denn nur mit Mama los? Warum weinte sie die ganze Zeit? Und warum machte der Arzt so ein ernstes Gesicht, und warum wollte er wissen, ob jemand sie abholen konnte? Mama hatte doch ein Auto, und sie kamen doch immer gut alleine zurecht. Mama sagte doch immer, dass sie ein starkes Team seien und keine Hilfe bräuchten.

Plötzlich klingelte das Handy von Dr. Gerlach. Regine Nielsens Nummer erschien auf dem Display. Er war mit der Kinderschwester des Kinderheims Sophienlust liiert, und obwohl er private Gespräche während der Arbeitszeit nicht sehr schätzte, war er erleichtert, Regines Stimme zu hören, als er das Gespräch annahm. Ohne den Grund ihres Anrufes zu erfragen, hörte er sich sagen:

»Gut, dass du anrufst, Regine. Ich habe hier ein Problem.« Er ließ die drei für einen kurzen Moment allein und besprach mit der erfahrenen Kinderschwester das weitere Vorgehen: »Könntest du bitte in Sophienlust einen Notfall melden …?«

Kurze Zeit später erklärte er Tina Seeberger, dass er sie vorerst gern in der Klinik behalten und dass für ihre Jungen gesorgt werden würde. Ihm war bewusst, dass das für die Kinder ein Schock war, und hätte er nicht gewusst, dass Sophienlust das Beste für die Jungen in dieser Situation war, wäre er jetzt nicht so bestimmt gewesen. Vielleicht hätte er dann gezögert, aber er wusste, dass in Sophienlust alles für die Kleinen getan werden würde. Ihre Mutter konnte in ihrer Verfassung jedenfalls nicht für sie sorgen. Er wusste noch nicht genau, was mit Frau Seeberger los war, aber er vermutete eine Belastungsstörung.

Er rechnete mit ihrem Widerstand, aber seltsamerweise nickte Tina Seeberger nur, als ginge jede weitere Reaktion auf diese Nachricht über ihre Kräfte. Die Zwillinge Jan und Paul drängten sich an ihre Mutter und schauten verwirrt. Irgendwas lief hier ganz anders, als erwartet. Dr. Gerlach hoffte auf die Unterstützung von Dominik von Wellentin-Schoenecker. Er hatte Nick, wie er von allen genannt wurde, schon oft im Umgang mit Kindern erlebt und war immer wieder beeindruckt, und natürlich traute er auch Regine zu, die kleinen Jungen zu beruhigen und sie auf andere Gedanken zu bringen.

Er rief nach einer Krankenschwester und bat sie, sich um die Jungen zu kümmern. »Schwester Beate, könnten Sie die Jungen in den Aufenthaltsraum bringen und ihnen aus der Kantine vielleicht Eis besorgen? Ich möchte ihre Mutter stationär aufnehmen und die Kinder abholen lassen.« Schwester Beate nickte und forderte die Zwillinge freundlich auf, ihr zu folgen. Mehr zu tun gab es im Augenblick für Fabian Gerlach in diesem Fall nicht, und andere Patienten warteten auch schon auf ihn.

*

Regine Nielsen, die Kinderschwester von Sophienlust, hatte eigentlich vorgehabt, Fabian Gerlach zu überreden, mit ihr heute Abend in den Gasthof ›Zum weißen Hirsch‹ in Wildmoos zu gehen. Dort gab es heute Livemusik. Sie hätte ihren freien Abend gehabt, aber so schnell konnten sich die Dinge ändern. Nach dem Telefonat mit Fabian gab es andere Prioritäten.

Umgehend informierte sie Nick von Wellentin-Schoenecker und hoffte, dass er sofort abkömmlich war. Zum Glück war er das. Der junge Mann mit den dunklen Haaren und den freundlichen braunen Augen suchte sofort seine Mutter Denise in ihrem Büro auf. Die elegant wirkende Mittvierzigerin saß konzentriert über einige Papiere gebeugt, doch als ihr Sohn in der Tür stand, huschte sofort ein Lächeln über ihr sympathisches Gesicht.

Nick platzte umgehend mit der Neuigkeit heraus: »Wir haben einen Notfall. In der Klinik Maibach sind zwei kleine Jungen, deren Mutter sich zurzeit nicht um sie kümmern kann. Etwas Genaues konnte mir Regine noch nicht sagen, aber die Mutter muss in der Klinik bleiben, und weitere Angehörige gibt es wohl nicht«, fasste er die Lage zusammen.

»Wer soll sich darum kümmern? Kannst du die Kinder abholen? Oder soll ich mitkommen?«, antwortete Denise von Schoenecker, indem sie die Papiere zur Seite legte.

»Hattest du nicht heute einen wichtigen Termin in Igelshofen? Ich nehme Regine mit, was meinst du?«, fragte der junge Mann.

»Ja, das ist eine gute Idee. Ich bin wegen des Wintergartens mit einem Glasermeister verabredet. Einige Scheiben müssten ausgewechselt werden, aber am späten Nachmittag bin ich zurück. Dann besprechen wir alles«, antwortete Denise. Sie stand vom Schreibtisch auf. Nick fand, dass sie wieder einmal toll aussah. Doch jetzt galt es, keine Zeit zu verlieren.

Wenig später fuhren Nick und Schwester Regine Richtung Maibach. Nick hatte den großen Wagen genommen, in dem Kindersitze installiert waren. Inzwischen wusste er von Regine, dass es sich um Zwillinge handelt. Darüber hinaus wusste Regine nur das, was ihr Dr. Gerlach am Telefon erzählt hatte.

»Fabian sprach am Telefon von einem Erschöpfungssyndrom oder einer Belastungsstörung bei der Mutter. Die beiden Jungen heißen Jan und Paul und sind wohl sieben Jahre alt. Die Mutter ist Witwe.«

»Witwe? Hm, also das klingt für mich nach einem schweren Schicksal«, überlegte Nick.

»Vielleicht braucht die Mutter auch nur mal eine Auszeit«, entgegnete Regine. »Sie ist alleine mit den Zwillingen. Das stelle ich mir anstrengend vor.«

Wer von den beiden mit seinen Überlegungen näher an der Wahrheit lag, erfuhren sie erst viel später. Aber im Moment spielte das auch keine Rolle. Da waren zwei kleine Jungen, die zumindest vorübergehend eine Betreuung brauchten, und das sofort. Dafür war Sophienlust da. Eine Heimat für in Not geratene Kinder.

Nicks Urgroßmutter Sophie von Wellentin hatte ihr Anwesen, das schlossähnliche, große, helle Herrenhaus inmitten eines Parks, an ihren Urenkel vermacht, mit der Auflage, es zu einem Kinderheim umzugestalten. Eine Verfügung, die weder Denise noch Nick auch nur einen Tag bedauert hatten. Mit großer Selbstverständlichkeit hatte sich zuerst Denise dieser Aufgabe verschrieben und das Kinderheim für ihren Sohn aufgebaut, der damals noch klein gewesen war. Mit zunehmendem Alter war Nick nach und nach zu einer unverzichtbaren Stütze für seine Mutter geworden. An seinem achtzehnten Geburtstag dann hatte Denise ihrem Sohn die Leitung des Heims offiziell übergeben. Das war noch nicht lange her.

›Wir können uns glücklich schätzen und müssen dankbar dafür sein, diese Aufgabe ausüben zu dürfen‹ – das war der Leitgedanke der beiden. Konnte es etwas Schöneres geben, als Kindern eine neue Heimat und neue Hoffnung zu geben? Sie durften Kinder aufnehmen, denen das Schicksal zugesetzt hatte und die hier im ›Haus der glücklichen Kinder‹ neuen Lebensmut fanden. Ja, Sophienlust war zu ihrem Lebensinhalt geworden.

*

Die Zwillinge saßen im Aufenthaltsraum der Klinik. Schwester Beate hatte die Jungen mit Eis versorgt, und nun war es die Aufgabe von Nick und Regine, die Kinder auf das Abenteuer Sophienlust vorzubereiten.

Nick hatte in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass er leicht die Neugier von Kindern wecken konnte, indem er ihnen erzählte, was sie in Sophienlust alles erwartete. Aber als er die beiden Jungen erblickte, die ihn mit großen dunklen Augen ansahen, dachte er zunächst nur: Wie soll ich die beiden bloß auseinanderhalten? Tatsächlich glichen sie sich wie ein Ei dem anderen. Dunkelblonde Haare, die ihnen in Fransen in die Stirn hingen, große runde Augen, die neugierig, aber auch verängstigt guckten.

»Ich habe mich an der Rutsche geratscht«, sagte Jan entschuldigend und zeigte auf seinen Verband. Nick schien es so, als wollte das Kind eine Erklärung dafür abgeben, wieso es auf einmal in eine Lage geraten war, die es nicht richtig verstand. Paul rückte näher an seinen Bruder heran und schwieg.

»Ja, davon haben wir gehört. Zeig mal dein Knie. Tut es noch weh?«, fragte Nick und kniete sich vor die Jungen, um auf Blickhöhe mit ihnen zu sprechen.

Regine lächelte. So war Nick. Da war nichts Gekünsteltes an dem jungen Mann. Er wusste einfach, wie man mit Kindern sprach. Sie selbst sagte erst mal nichts. Nick würde das schon machen.

»Nö, geht schon wieder«, sagte Jan tapfer.

»Aber die Mama weint immer noch, dabei ist es doch gar nicht so schlimm«, meldete sich jetzt Paul leise zu Wort.

»Eure Mama muss sich noch etwas ausruhen, und deshalb dürft ihr mit uns kommen. Wir fahren ein Stück mit dem Auto nach Sophienlust«, erklärte Nick.

»Was ist das? Sophi …?«, fragte Jan.

»Das ist ein großes Haus mit vielen anderen Kindern, Tieren und Spielplätzen«, erklärte Nick.

»Was für Tiere?«, fragte Paul skeptisch.

»Zwei Hunde, viele Ponys, zwei Papageien«, zählte Nick auf.

Die Zwillinge schauten sich unschlüssig an, was sie davon halten sollten, und fassten einander an der Hand. Eine Beobachtung, die Nick schon öfter gemacht hatte. Geschwister gaben sich in schwierigen Momenten Halt. Sie vertrauten einander und beschützten sich. Nick musste lächeln und dachte an Vicky und Angelika, die nach einem schweren Schicksalsschlag, der ihnen die Eltern genommen hatte, in Sophienlust lebten. Die Schwestern waren, obwohl inzwischen schon Teenager, nach wie vor unzertrennlich und immer füreinander da.

»Gut«, sagte Jan, »wir können ja mal gucken.«

Paul nickte nur und fragte dann leise: »Und wann kommt Mama? Kann sie auch in Sophi …, Sophienlust wohnen?«

»Wenn sich eure Mama ausgeruht hat, dann kommt sie euch besuchen«, sagte Nick ein bisschen ins Blaue hinein. Noch wusste er nicht, wie sich der Zustand der Mutter entwickeln würde, aber das konnte er den kleinen Jungen so nicht sagen.

»Also, dann sind wir einverstanden«, sagte Jan und rutschte von seinem Stuhl.

Nick dachte, dass die Zwillinge sich zwar sehr ähnlich sahen, aber charakterlich vielleicht doch verschieden waren. Paul wartete lieber mal ab und ließ seinen Bruder entscheiden. Nick reichte Paul die Hand, die der Kleine zögerlich nahm. Jan griff nach der Hand von Kinderschwester Regine, und so verließen sie die Klinik.

*

Ein besonderer Ort in Sophienlust war die Küche, das Reich von Magda. Nicht nur, dass es immer himmlisch gut duftete, sondern weil Magda immer ein offenes Ohr und manchmal auch kleine Leckereien für ihre Lieblinge hatte.

Angelina Dommin, die von allen Pünktchen genannt wurde wegen ihrer vielen Sommersprossen, strich sich das krause rotblonde Haar aus der Stirn und setzte zu einer Erklärung an:

»Also, Magda, ich habe beschlossen, Veganerin zu werden.«

Magda, die gerade erfahren hatte, dass heute zwei weitere Kinder zum Abendessen anwesend sein würden, grübelte über dem Speiseplan. Deshalb hatte sie nur mit halbem Ohr zugehört.

»Ach, Pünktchen, du bist doch noch viel zu jung für einen Beruf. Mach doch erst mal die Schule fertig«, sagte sie etwas zerstreut. »Ich wollte ja nie etwas anderes als Köchin werden, aber heute hat man so viele Möglichkeiten …«

»Magda, Veganerin ist doch kein Beruf«, rief Pünktchen und lachte ihr glockenhelles Lachen.

»Nein, was ist es denn dann?«, fragte die gutmütige Köchin.

»Veganer essen keine tierischen Produkte, keine Eier, keinen Käse, natürlich kein Fleisch und auch keine Milch oder Butter. Auch keinen Honig«, zählte das Mädchen auf und erntete dafür von Magda einen fassungslosen Blick.