Tierarzt in Not - Anna Sonngarten - E-Book

Tierarzt in Not E-Book

Anna Sonngarten

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Früh am Morgen war die ruhigste Zeit für den Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn und seine Frau Andrea. Sie saßen in der Küche bei einer Tasse Kaffee und besprachen den noch jungen Tag. Ihr kleiner Sohn Peterle schlief noch. Selbst der Dackel Waldi hob nur schläfrig den Kopf und kuschelte sich in sein Körbchen. Das Ehepaar führte zusammen eine Tierarztpraxis und das Tierheim Waldi &Co. im Dörfchen Bachenau. Ihr Wohnhaus und das Tierheim waren mit einem überdachten Korridor verbunden, die Tierarztpraxis lag in einem Anbau, der wiederum an das Wohnhaus anschloss. Was früher einmal nur eine große Obstwiese gewesen war, war jetzt das Zuhause von etlichen Tieren, darunter zwei Lamas und zwei Eseln. Das gesamte Ensemble der verschiedenen Gebäude war so arrangiert, dass ein Hof das Zentrum bildete. Hier gab es auch Parkplätze für die Besucher der Praxis und des Tierheims. »Was steht heute an?«, fragte Andrea und stellte ihrem Mann eine zweite Tasse heißen Kaffee hin. »Danke, Andrea. Zuerst muss ich zu Bauer Klein. Er hat sich wegen einer trächtigen Kuh gemeldet. Sie müsste eigentlich schon kalben, aber es geht nicht vorwärts«, informierte er seine Frau. »Und bei dir?« »Nur das Übliche.

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Sophienlust - Die nächste Generation – 92 –

Tierarzt in Not

Unveröffentlichter Roman

Anna Sonngarten

Früh am Morgen war die ruhigste Zeit für den Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn und seine Frau Andrea. Sie saßen in der Küche bei einer Tasse Kaffee und besprachen den noch jungen Tag. Ihr kleiner Sohn Peterle schlief noch. Selbst der Dackel Waldi hob nur schläfrig den Kopf und kuschelte sich in sein Körbchen. Das Ehepaar führte zusammen eine Tierarztpraxis und das Tierheim Waldi &Co. im Dörfchen Bachenau. Ihr Wohnhaus und das Tierheim waren mit einem überdachten Korridor verbunden, die Tierarztpraxis lag in einem Anbau, der wiederum an das Wohnhaus anschloss.

Was früher einmal nur eine große Obstwiese gewesen war, war jetzt das Zuhause von etlichen Tieren, darunter zwei Lamas und zwei Eseln. Das gesamte Ensemble der verschiedenen Gebäude war so arrangiert, dass ein Hof das Zentrum bildete. Hier gab es auch Parkplätze für die Besucher der Praxis und des Tierheims.

»Was steht heute an?«, fragte Andrea und stellte ihrem Mann eine zweite Tasse heißen Kaffee hin.

»Danke, Andrea. Zuerst muss ich zu Bauer Klein. Er hat sich wegen einer trächtigen Kuh gemeldet. Sie müsste eigentlich schon kalben, aber es geht nicht vorwärts«, informierte er seine Frau. »Und bei dir?«

»Nur das Übliche. Denkst du daran, dass heute der Assistent kommt. Ich habe seinen Namen vergessen. Wie heißt er noch gleich?«

»Dr. Teipel«, wusste Dr. von Lehn. Er nahm seine Arzttasche und wollte sich mit einem Kuss von seiner jungen Frau verabschieden, als sein Smartphone klingelte. Er nahm das Gespräch entgegen. Es war Dominik von Wellentin-Schoenecker.

»Hallo Nick, was gibts?«

»Ich wollte dich bitten, heute mal nach Pedro zu schauen. Ich glaube, er lahmt. Könntest du das in deinem Terminplan noch unterbringen?«, fragte Nick, der junge Besitzer des Kinderheims ›Sophienlust‹ in Wildmoos, dem Nachbarort von Bachenau.

»Für dein Lieblingspferd bin ich immer da, Nick. Ich komme nach Sophienlust, sobald ich bei Bauer Klein fertig bin«, versprach der Tierarzt.

»Danke dir. Dann bis später«, verabschiedete sich Nick.

Dr. von Lehn wollte gerade los, als er das Fußgetrappel von Peterle hörte, der auf nackten Füßchen in die Küche geeilt kam und seine Ärmchen dem Tierarzt entgegenstreckte. Hans-Joachim von Lehn nahm seinen Jungen auf den Arm. Der Kleine war noch verschlafen und rührte den Tierarzt mit seinen roten Schlafbäckchen und den verwuschelten blonden Haaren. Andrea lächelte, als sie sah, wie Peterle sich an seinen Papa schmiegte.

»Papa muss los, Peterle. Willst du zu Mama kommen? Wir gehen dann gleich zusammen die Tiere füttern«, schlug sie ihrem Söhnchen vor.

»Erst Kakao«, bestimmte der Dreijährige und ließ sich von seiner Mutter aus den Armen seines Vaters nehmen. Noch ein Kuss auf Peterles blonden Schopf, und dann war der Tierarzt durch die Tür. Mittags würde die kleine Familie wieder zusammenkommen und nach einem Mittagessen begann normalerweise die Arbeit in der Praxis.

Doch heute sollte alles anders kommen ...

Am späteren Vormittag traf Hans-Joachim von Lehn in Sophienlust ein. Er schaute ernst, nachdem er den Rappen Pedro gründlich untersucht hatte. Eine Lahmheit, die sich im Schritt deutlich zeigte, konnte auf ein schwerwiegenderes Problem hindeuten. Dem Tierarzt war eine Überwärmung des linken Karpalgelenks der Vorderhand aufgefallen. Er vermutete eine Arthritis.

»Mein mobiles Röntgengerät ist leider defekt, Nick. Ich würde Pedro gerne röntgen lassen, um sicherzugehen, dass ich richtig liege mit meiner Diagnose«, erklärte er seinem Freund. Er wusste, wie sehr der junge Besitzer von Sophienlust an seinem Pferd hing. Nicht auszudenken, wenn es sich um eine unheilbare Erkrankung handelte.

»Verstehe. Dann müssten wir Pedro auf den Hänger verladen. Das ist eigentlich das Einzige, was der gute Pedro nicht mag. Zum Glück war Pedro nie wirklich ein Turnierpferd. Ich weiß gar nicht, wann ich ihn das letzte Mal verladen musste«, gab Nick zu bedenken. Ihm war nicht ganz wohl vor der Prozedur, den Wallach in den engen Pferdetransporter zu bringen.

»Ach, das wird schon gehen«, beruhigte ihn Dr. von Lehn und die beiden machten sich daran, den Hänger vorzubereiten und in Position zu bringen. Als das geschehen war, führte Nick Pedro aus der Box. Als der Rappe den Hänger sah, warf er den Kopf hoch und rollte mit den Augen.

»Ruhig, mein Guter. Das ist doch nur eine Box auf Rädern. Da passiert gar nichts«, sprach Nick auf sein Pferd ein. Er hielt das verängstigte Tier am Halfter.

Der erfahrene Tierarzt sah jedoch gleich, dass sich das Pferd mit warmen Worten nicht beruhigen lassen würde. Er trat auf die andere Seite, um Nick zu unterstützen. Zu zweit würde es vielleicht klappen. Zunächst schien der Plan aufzugehen. Die beiden Männer eskortierten Pedro Richtung Hänger und der Rappe ging die Verladerampe hinauf bis in die dunkle Box. Doch dann bekam Pedro Panik und wollte das enge Mobil wieder verlassen. Pferde gehen nicht gerne rückwärts, und vorwärts ging es nun auch nicht. Bei Pedros plötzlichen Versuch sich im Hänger zu drehen, wurde Dr. von Lehn an die Kabinenwand des Hängers gequetscht.

Nick hörte einen erstickten Schrei. Ihm fuhr der Schreck in die Glieder. Um seinem Freund helfen zu können, musste Pedro wieder raus aus dem Hänger. Er drückte den Rappen mit aller Kraft gegen die Brust und zwang ihn so, rückwärts den Hänger wieder zu verlassen. Dann sah er den Tierarzt stöhnend am Boden des Hängers liegen.

»Hans-Joachim, was ist passiert? Kannst du mich verstehen?« Als Antwort erhielt Nick nur ein Ächzen. Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Er zog sein Smartphone aus seiner Reiterjacke und wählte den Notruf. Er musste nicht lange erklären, wo der Verunglückte war. Das Kinderheim Sophienlust in Wildmoos war ein Begriff. Als er aufgelegt hatte und seinem Freund seine Jacke unter den Kopf und eine Pferdedecke über ihn gelegt hatte, entfuhr ihm ein verzweifelter Fluch. Er blieb neben dem Freund hocken, fühlte sich aber so hilflos wie nie.

Am heutigen Vormittag war niemand auf dem Gelände. Seine Mutter Denise würde erst später kommen. Die Kinderschwester Regine war mit Marie und Leon bei der Kinderärztin, Magda die Köchin machte mit der Heimleiterin Else Rennert den Wocheneinkauf, und die Kinder waren in der Schule. Pedro stand in einiger Entfernung und schaute in seine Richtung.

Nick raufte sich die Haare und war unglaublich erleichtert, als er aus der Ferne das Martinshorn hörte. Ihm traten die Tränen in die Augen. So ein verdammtes Pech, dachte er und bemerkte ein Zittern seiner Hände, das er nicht unter Kontrolle bekam. Jetzt reiß dich mal zusammen, schimpfte er im Stillen mit sich selbst. Nicht du hast ein Problem, sondern Hans-Joachim.

»Sie sind gleich da, dann bekommst du Hilfe«, redete er auf den Freund ein. Doch Dr. von Lehn antwortete ihm nicht. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn und sein Gesicht war schmerzverzogen. Nick tastete nach seinem Puls. Er raste.

*

Zum Glück war der Notarzt ein Unfallchirurg. Nick brachte hastig Pedro zurück in seine Box, dann sagte er Janos, dem Pferdepfleger Bescheid, der gerade mit einem Traktor auf den Hof fuhr, danach rief er seine Mutter an, und dann schwang er sich in den Unfallwagen, um Hans-Joachim in die Klinik zu begleiten.

Anderthalb Stunden später saß er bei Andrea von Lehn in der Küche. Die junge hübsche Frau war die Tochter Alexanders von Schoenecker aus erster Ehe und damit Nicks Stiefschwester. Noch immer ein bisschen unter Schock, erzählte er ihr, was passiert war.

»Der Arzt hat direkt im Krankenhaus angerufen, damit alle Vorbereitungen getroffen werden konnten, die eventuell nötig wären. In der Klinik hat man mit Ultraschall eine Milzruptur diagnostiziert. Das war aber weniger schlimm, als befürchtet. Doch er muss zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. In der Röntgenaufnahme konnte man links drei gebrochene Rippen sehen. Zum Glück ist nichts davon richtig gefährlich«, beendete Nick seinen Bericht.

Andrea hatte ihren kleinen Sohn Peterle auf dem Schoß, streichelte ihm mechanisch über den blonden Schopf und starrte Nick an. Die sonst so temperamentvolle junge Frau war kreidebleich.

»Ich versteh trotzdem nicht, wie das passieren konnte, Nick. Hans-Joachim ist doch so erfahren und umsichtig …« Andrea schluchzte auf. Der Dreijährige drehte erschrocken sein Köpfchen und schaute zu seiner Mutter hoch. Dann begann er zu weinen. Andrea riss sich zusammen und lächelte ihren Liebling an.

»Alles gut, mein Schatz.« Sie stand auf und setzte das Kind auf ihre Hüfte. Auf der Anrichte lag ein Spielzeug, das bei Peterle gerade hoch im Kurs stand.

»Hier, mein Kleiner«, sagte sie und der Junge war sofort abgelenkt.

»Wann kann ich zu ihm? Haben die Ärzte etwas dazu gesagt?«, fragte sie ihren Stiefbruder.

»Ich denke, dass du sofort zu ihm kannst. Soll ich Peterle solange mit nach Sophienlust nehmen, oder soll ich hier mit Peterle auf dich warten?« Nick fühlte sich verantwortlich. Er wollte helfen und ahnte bereits, dass einiges auf die Familie von Lehn zukommen würde. Andrea und Hans-Joachim waren zupackende Menschen, denen so schnell nichts zu viel wurde. Aber wie sollte Andrea als Mutter eines Dreijährigen allein ein Tierheim und eine Tierarztpraxis managen? Andrea würde Hilfe brauchen. Darüber mussten sie sprechen. Aber jetzt wollte die junge Frau erst einmal zu ihrem Mann.

»Kannst du Papa Bescheid geben? Er sollte wissen, was passiert ist, und ich glaube, das Beste wäre, wenn du mit Peterle hier warten würdest. Ich werde nicht lange bleiben. Hans-Joachim braucht bestimmt Ruhe.«

Sie hob den Jungen auf die andere Hüfte und ging in der Küche auf und ab. Irgendetwas war da noch. Aber es wollte ihr einfach nicht einfallen. Das musste der Schock sein. Nick beobachtete an Andrea eine Fahrigkeit, die er nicht von ihr kannte. Sie war normalerweise eine patente junge Frau mit lebhaften, strahlenden Augen unter schwarzen Ponyfransen. Die von Lehns waren in Nicks Augen ein Traumpaar. Beide liebten Tiere und hatten sich mit ihrem Tierheim Waldi & Co einen Namen gemacht. Sie arbeiteten viel, aber man sah sie nie schlecht gelaunt und immer hatten sie ein Lächeln für einander und erst recht für ihren kleinen Peterle. Nick ging auf seine Stiefschwester zu und nahm ihr das Kind aus dem Arm.

»Dann fahr mal ins Krankenhaus, Andrea. Peterle und ich halten derweil hier die Stellung«, schlug er vor. Andrea nickte, gab Peterle einen Kuss und machte sich auf den Weg.

Sie war erst fünf Minuten unterwegs, als ihr einfiel, was sie vergessen hatte. Macht nichts, dachte sie. Nick ist ja da. Dem wird schon etwas einfallen.

*

Dr. Sven Teipel war zu früh dran. Vielleicht war er doch nervöser, als er dachte. Er nutzte die Zeit, um sich in Maibach umzusehen. Das war wenigstens eine Stadt, was man von Bachenau nicht behaupten konnte. Der junge Tierarzt hatte sich eigentlich auf eine andere Stelle für seine praktische Ausbildung beworben. Er wollte später gerne in Afrika arbeiten, deshalb wäre eine Stelle im Zoo attraktiver gewesen. Er träumte von einem Einsatzgebiet in der Savanne zwischen Elefanten, Großkatzen und Nashörnern. Als Student hatte er ein Praktikum in einem Nationalpark gemacht. Nun gut. Jetzt war es Bachenau geworden. Eine Tierarztpraxis mit Tierheim. Sven Teipel dachte an Kaninchen und Meerschweinchen und verzog skeptisch das Gesicht.

›Waldi & Co.‹, dachte er abschätzig und grinste. Das klang schon etwas provinziell. Er stellte seinen Wagen in der Nähe des Maibacher Krankenhauses ab. Ein Rettungswagen mit Blaulicht war gerade angekommen, und er beobachtete, wie sich Sanitäter und Ärzte um einen Verunfallten kümmerten.

Der junge Tierarzt ging weiter Richtung Zentrum und kam bald zu dem Schluss, dass Maibach doch ein ganz nettes Städtchen war und nicht so winzig, wie er befürchtet hatte. Er setzte sich in ein Café, bestellte einen Espresso und las eine Lokalzeitung. In der Stadthalle gab es ein ansprechendes Kulturprogramm, was den verwöhnten Stadtmenschen freute. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es langsam Zeit wurde aufzubrechen, wenn er sich pünktlich bei Dr. von Lehn vorstellen wollte. Also machte er sich auf nach Bachenau.

Nick hatte seinen Adoptivvater Alexander von Schoenecker informiert. Das war ihm nicht leichtgefallen, denn Alexander kannte sich mindestens genauso gut mit Pferden aus wie er selbst. Er hatte sich also einige kritische Fragen gefallen lassen müssen. Aber natürlich vor allem aus Sorge um seinen Schwiegersohn. Alexander würde auch in die Klinik fahren, um Andrea zur Seite zu stehen.

Jetzt war Nick gerade dabei für den Dackel Waldi den Futternapf zu füllen, nachdem er den anderen Tieren ihre Wasser- und Futtervorräte aufgefüllt hatte. Der kleine Peterle war ihm immer dicht auf den Fersen und plapperte munter vor sich hin. Er kannte schon alle Tiere mit Namen. Ansonsten war er noch keine Hilfe, aber Nick kam ganz gut klar. Er hatte ein Grundverständnis für die allgemeine Tierpflege und war regelmäßig bei den von Lehns zu Gast. Trotzdem schaute ihn Waldi jetzt etwas ratlos an, als er vor seinem Futternapf stand.

»Stimmt etwas nicht, Waldi?«, fragte Nick den Dackel. Natürlich bekam er keine Antwort. In diesem Moment klingelte es an der Haustür. Nick schaute auf die Uhr und dachte, dass Andrea vielleicht den Haustürschlüssel vergessen hätte. Er ging mit Peterle zur Tür und öffnete sie.

»Guten Tag, Sven Teipel. Ich bin der neue Assistent. Sie sind sicher Dr. von Lehn?« Sven schaute den jungen Mann an und war plötzlich im Zweifel. Der Tierarzt Dr. von Lehn musste älter sein. Dieser Mann, der ihm die Tür geöffnet hatte, war nur wenige Jahre jünger als er selbst.

»Nein, tut mir leid. Ich bin Dominik von Wellentin-Schoenecker. Dr. von Lehn ist nicht da.«

»Nicht da? Wir haben einen Termin. Ich soll morgen hier anfangen.«

»Ah, das trifft sich gut. Sind Sie Tierpfleger?«

»Nein, Tierarzt«, verbesserte Sven Teipel. »Ich werde hier bei Dr. von Lehn meine praktische Ausbildung machen«.

»Ach, das ist ja noch besser«, überlegte Nick und taxierte den jungen Mann, der immer noch in der Tür stand, wie ein ungebetener Gast.

»Also, vielleicht hätten Sie die Güte mir zu verraten, wo Dr. von Lehn ist und mit wem ich hier die Ehre habe«, sagte der junge Tierarzt mit genervtem Unterton in der Stimme.

»Oh, sorry. Ich bin etwas neben der Spur. Kommen Sie doch herein. Es ist leider so, dass Dr. von Lehn in der Klinik liegt. Es gab einen Unfall mit meinem Pferd. Ich bin der Besitzer von Sophienlust. Das ist ein Kinderheim in Wildmoos. Nicht weit von hier. Andrea von Lehn ist gerade bei ihrem Mann in der Klinik.« Nick spürte, wie sich Peterle an seiner Hose festkrallte.

»Und das ist Peterle. Das ist der Sohn von Familie von Lehn«, schob er noch hinterher. Sven Teipel sah den kleinen blonden Jungen und den Mann mit dem komplizierten Namen unverwandt an.

»Das ist ja mal ein schlechtes Timing«, stellte er dann fest.

»Ja, so könnte man es auch sagen. Aber ich denke eher, dass Sie genau im richtigen Moment hier auftauchen. Ich habe mich schon gefragt, wie Andrea das alles allein schaffen kann. Sie kommen eigentlich wie gerufen«, korrigierte Nick.

Der junge Tierarzt schaute ungläubig. Wollte der Mann etwa andeuten, dass er, Sven Teipel, den Laden hier schmeißen sollte?

»Also, wie soll ich das jetzt sagen. Ich komme gerade von der Uni. Meine Doktorarbeit habe ich im Labor gemacht. Ich bin hier, um praktische Erfahrungen zu sammeln«, ließ Dr. Teipel Nick wissen.

»Gut, dann zeige ich Ihnen schon einmal alles«, überlegte Nick und forderte den jungen Tierarzt auf, ihm zu folgen. Als sie an Waldi vorbeikamen, knurrte der Dackel vernehmlich.

»Waldi! Niemand nimmt dir dein Futter weg«, tadelte Nick den Dackel und ging weiter. Der junge Tierarzt folgte Nick und warf einen skeptischen Blick auf den Dackel. Es wäre eigentlich die Aufgabe von Hans-Joachim und Andrea gewesen, das Tierheim und die Praxis zu zeigen, aber besondere Umstände verlangten besondere Maßnahmen.

»Sind das Alpakas?«, fragte Sven, als sie zum Außengehege kamen.

»Nicht ganz. Es sind Lamas. Das weiße ist Balduin und das gescheckte heißt Domino. Die Esel heißen Fridolin und … wie heißt der andere Esel, Peterle?«

»Trampolin«, behauptete Peterle, was Nick nicht ganz glauben konnte, aber sei es drum. Sven fragte sich, ob der junge Mann etwa glaubte, dass er sich hier die Namen aller Tiere merken würde. Was für ein Scherzkeks. Dass er aber ein Lama nicht von einem Alpaka hatte unterscheiden können, ärgerte Sven. Aber Nick ging weiter. Er zeigte ein Terrarium mit Schildkröten und ein großes Kaninchengehege, das wie ein kleines Dorf aussah mit verschiedenen Häuschen für die kleinen Nager. Es gab sogar einen Leguan in einem sehr großen Terrarium. Und immer wieder fielen Namen und Erklärungen, wie die Tiere hierher geraten waren.