Spiele entwickeln 2012–2015 Band I - Karsten Höser - E-Book

Spiele entwickeln 2012–2015 Band I E-Book

Karsten Höser

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Beschreibung

Der 7. Band der Reihe »Spiele entwickeln« enthält Beiträge der Spieleautorentagungen in Weilburg aus den Jahren 2012, 2013 und 2015, jeweils zu einem Hauptkapitel »Handwerkszeug und Methoden« oder »Theorie und Konventionen«. Das Vorwort stammt von Karsten Höser. Der Band enthält u.a. einen Artikel über übliche Fallen bei der Spielentwicklung von Friedemann Friese, eine Kurzanleitung, wie man Prototypen herstellt, von Frank Zurmühlen, ein Plädoyer, schlechte Spiele zu spielen, von Michael Straeubig und eine Abhandlung zur Aussage in Spielen von Christwart Conrad.

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Marcel-André Casasola Merkle, Christwart Conrad, Friedemann Friese, Andrea Meyer, Henning Poehl, Andreas Wetter (Hg.)

SPIELE ENTWICKELN 2012 – 2015, Band 1

Beiträge der 7. bis 9. Deutschen Spieleautorentagung, Weilburg/Hessen

Die Herausgeber danken allen Autoren und den Teilnehmern der Deutschen Spieleautorentagung. Die Beiträge geben die Meinung der einzelnen Autoren wieder. Die Herausgeber übernehmen hierfür keine Verantwortung.

Titelbild: Marcel-André Casasola Merkle

Layout und DTP: Marcel-André Casasola Merkle, Aaron Haag, Karsten Höser

Projektkoordination: Christwart Conrad, Karsten Höser

Soweit nicht anders angegeben, liegen die Bildrechte bei den jeweiligen Autoren.

Mehr Informationen: www.spieleautorentagung.de

SPIELE ENTWICKELN 2012 – 2015, Band 1Beiträge der 7. bis 9. Deutschen Spieleautorentagung, Weilburg/Hessen,16.–18.03.2012, 15.–17.03.2013 und 20.–22.03.20151. Version 2020, entspricht weitgehend der 1. Druckauflage 2015

Als E-Book veröffentlicht im heptagon Verlag, Berlin 2020ISBN: 978-3-96024-022-8www.heptagon.de

7. bis 9. Deutsche Spieleautorentagung

Fachtagung

Theorie, Tendenzen, Reflexionen

16.03–18.03.2012

15.03–17.03.2013 und

20.03–22.03.2015

Weilburg/Hessen

Zusammenfassung der Vorträge und Workshops

Inhalt

Vor-Vorwort

Vorwort

von Karsten Höser

Teil I: Handwerkszeug und Methoden

Die tägliche Arbeit – Übliche Fallen und ihre Vermeidung

von Friedemann Friese

Obskur, trashig, misslungen, oder: Was lernen wir von schlechten Spielen?

von Michael Straeubig

Prototypen erstellen – schnell, einfach, effektiv

von Frank Zurmühlen

Schätzen in Mannschaften

von Christwart Conrad

Spiele berechnen und tarieren – aber wie?

von Frank Zurmühlen

Schwierigkeitsstufen in Gesellschaftsspielen – ein von Spieleautoren vergessener Aspekt?

von Cyrus Mobasheri und Robert Stoop

Mechanismenübergreifende Lösungen für strukturelle Problemstellungen

von Christwart Conrad

Starke Elemente für Atmosphäre

von Dietmar Bockelmann

Teil II: Theorie und Konvention

Der Spieler in verschiedenen Rollen

von Robert Stoop

Zündende Erstpartie versus Wiederspielreiz

von Daniel Danzer

Das Rhema – Die Aussage eines Spiels

von Christwart Conrad

Die Freuden des Spiels: Karl Groos‘ Theorie des Spiels

von Björn Blankenheim

Designthetorik für Spieleautoren

von Björn Blankenheim

Design Patterns als Entwurfstechnik für Spiele

von Björn Blankenheim und Christwart Conrad

Spieleplag

von Andrea Meyer

Die dunkle Seite der Medaille: Bestrafung als Gestaltungselement in Spielen

von Michael Straeubig

Spielanreize für Kinder

von Janet Kneisel

Kommunikations- und Partyspiele

von Hans-Peter Stoll und Andreas Wetter

»Gateway«-Spiele

von Axel Hennig

Reihenfolge der Spieler im Spiel

von Christwart Conrad

Was können wir vom Wargame Design lernen?

von Björn Blankenheim

Die Kunst des Game Designs von Jesse Schell, Aspekte des Game Balancing

von Jörg von Rüden

Worüber wir sprechen, wenn wir über Spiele sprechen

von Ulrich Blum

Anhang

Vor-Vorwort

Was lange währt, wird endlich gut. Selten war ein Sprichwort passender für das, was den Artikeln in diesem Buch und ihren Autoren widerfahren ist. Den ersten von ihnen sagten wir im März 2012, dass sie umgehend Artikel über ihre Vorträge, Workshops und Spontan-Workshops einreichen müssten, wenn sie sichergehen wollten, im nächsten Buch damit zu erscheinen. Ganz zu schweigen von der Autorin, deren Artikel uns 2011 schlicht durchgerutscht war.

Dass alle diese Artikel erst im vorliegenden, 2015 erscheinenden Buch veröffentlicht werden, hat viele Gründe: Wir alle entwickelten weiter Spiele, und Henning, Friedemann und Andrea veröffentlichten zudem welche im Eigenverlag. Friedemann wurde Vater, Andrea Co-Mutter, und Henning und Christwart widmeten sich weiter ihren Vaterpflichten. Andy fand neue Herausforderungen in seiner Tätigkeit als Pädagoge, und auch Andrea und Henning hatten einiges damit zu tun, ihre Haupt- und Nebentätigkeiten zu koordinieren. Marcel widmet sich fortan vor allem der App-Programmierung. Sein Spiel @RulesTheGame ist übrigens sehr empfehlenswert!

Doch genug gejammert: In diesem Buch findet ihr die Beiträge, die wir in den letzten Jahren erhalten, lektoriert und layoutet haben. Wir haben sie in vier Bereiche und zwei Bände aufgeteilt:

Band 1: Teil I: Handwerkszeug und Methoden; Teil II: Theorie und Konvention

Band 2: Teil III: Die Autoren und das Umfeld; Teil IV: Erfahrungsberichte

Wir haben die Artikel mit Spaß und Interesse gelesen, sie diskutiert, bei der Lektüre gelacht und gelernt. Wir hoffen, das geht euch auch so.

Eure Fachtagung Spieleautoren GbR

Andrea Meyer, Andy Wetter, Christwart Conrad, Friedemann Friese, Henning Poehl, Marcel-André Casasola Merkle

Vorwort

von Karsten Höser

Liebe Leserin, lieber Leser,

wer kennt noch das Hexagames-Spiel DA IST DOCH DER WURM DRIN?

Dieser Spieltitel stand wohl Pate für die Erstellung dieses Doppelbandes. Dass sich die Erstellung der Zusammenfassung aus den Tagungen 2012 und 2013 so lange verzögert hat, hatte verschiedene Gründe. Viele von euch wissen, dass die Deutschen Spieleautorentagungen von fünf Autoren und einer Autorin organisiert und durchgeführt wurden. Wenige wissen vielleicht, dass sie die Organisation dieser Veranstaltung neben ihren anderen beruflichen Tätigkeiten durchführen. In den meisten Fällen finden selbst die Aktivitäten als Spieleautor schon parallel zu dem eigentlichen Beruf statt. In den letzten Jahren entstanden viele Veränderungen im Leben dieser kreativen Menschen, Prioritäten haben sich verschoben, Eigenverlage sind gewachsen, das berufliche Tätigkeitsfeld und auch familiäre Situationen haben sich verändert. Es fehlte die Zeit, mit Nachdruck die Artikel einzufordern und gleichzeitig die nächste Deutsche Spieleautorentagung vorzubereiten. Die Personaldecke wurde zusehends dünner und am Ende ist sie fast eingebrochen.

Die Mitglieder der Fachtagung Spieleautoren GbR sind sich ihrer Verantwortung bewusst gewesen und haben einen Schnitt gemacht. Die Aufgaben wurden neu verteilt, die Tagung für 2014 wurde abgesagt und die Ergebnisse der beiden letzten Tagungen zu diesem Doppelband zusammengefasst. Das war eine gute und richtige Entscheidung.

Während ich dieses Vorwort schrieb, überholten mich die Ereignisse. Die GbR führte die Spieleautorentagung nicht fort und Christwart Conrad übernahm die Verantwortung für die Durchführung der 9. Spieleautorentagung. Und somit haben auch noch einige Artikel aus der diesjährigen Tagung Eingang in diese Dokumentation gefunden. An dieser Stelle möchte ich mich bei den bisherigen Organisatoren bedanken, die die Arbeit auf sich genommen und mit großem Engagement zu dem Gelingen der vergangenen Tagungen beigetragen haben. Denn die Jahre haben gezeigt, dass die Deutsche Spieleautorentagung mit ihren Vorträgen und Workshops wichtig für den Austausch der Autoren untereinander ist.

Ich freue mich auf jeden Fall über ein Wiedersehen.

Teil I: Handwerkszeug und Methoden

Die tägliche Arbeit – Übliche Fallen und ihre Vermeidung

von Friedemann Friese

(Dank an Steffen Rühl für die Notizen)

Unlösbare Probleme

Zur Einführung würde ich gerne auf Gödels Unvollständigkeitssatz eingehen. Dies ist ein sehr schwer zu verstehender mathematischer Beweis. Da seine Bedeutung innerhalb der Mathematik auch schwer zu begreifen ist, nutze ich hier die Beschreibungen von Rudy Rucker in Der Ozean der Wahrheit. Diese machen klar, warum es hilfreich für Spieleautoren ist, sich mit diesem mathematischen Lehrsatz zu beschäftigen:

»Die Mathematik scheint ganz kristallklar und einfach zu sein. Die Logik erweckt den Eindruck, sehr mächtig zu sein. In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts dachten Leute wie Hilbert tatsächlich, dass es eine endgültige Theorie M der Mathematik gäbe, die endlich beschreibbar, widerspruchsfrei und vollständig sei. Im Sommer 1903 zeigte jedoch ein vierundzwanzigjähriger Doktorand namens Kurt Gödel, dass es eine solche Theorie nicht geben kann:

Gödels Unvollständigkeitssatz Keine Theorie, die die gesamte Mathematik umfasst, ist

endlich beschreibbar,

widerspruchsfrei und

vollständig.«

1

Nun könnte man ja sagen, was geht uns das an, es ist ein Aussage über die gesamte Mathematik und über Spiele steht da ja gar nichts. Das Wichtige ist aber, dass diese Aussagen nicht nur für die ganze Mathematik gilt, sondern auch für Teilbereiche und kleinere mathematische Systeme. Und: Spielregelwerke sind abstrakt genommen sehr ähnlich (wenn nicht sogar gleich) zu mathematischen axiomatischen Systemen. Das bedeutet im Klartext: Wenn ich ein Spiel habe, welches mehr als nur zwei einfache Regeln hat, werde ich keine Spielregel schreiben können, die sowohl endlich als auch widerspruchsfrei und vollständig ist. Es bedeutet, wenn ich keine endlose Regel haben will, wird diese entweder Widersprüche enthalten oder unvollständig sein.

Wer jetzt ein ungutes Gefühl in der Magengegend bekommt, kann sich vorstellen, wie sich die Kollegen von Gödel nach seinem ersten Vortrag zu seinem Unvollständigkeitssatz gefühlt haben. Die hauptsächliche Stimmung war Resignation.

Die Grundregeln eines Spieles können schon sehr viel beschreiben. Mit ihnen kann man auch viele Regelfragen logisch erschließen, auch wenn das alleine schon nicht immer einfach ist. In der Realität der Spieleentwicklung ist es aber leider sogar noch schlimmer. Es gibt immer Spielsituationen, welche nicht über die Grundregeln abgedeckt sind. Wenn man für diese dann Nebenregeln einführt, entstehen neue ungeklärte Situationen. Versucht man ein solches Problem durch weitere Regeln bzw. Regelverfeinerungen zu lösen, entstehen weitere, vergleichbare Probleme.

Aus dem Beweis von Gödel lässt sich auch noch eine weitere Aussage herausfiltern, die für uns sehr wichtig ist: Selbstbezug ist problematisch. Was heißt das in Bezug auf unsere Spiele? Ich selbst habe dieses Problem in meinem Spiel FRIESEMATENTEN erzeugt und auch zuerst übersehen. Dort gibt es eine Aktionskarte »Geschenk«, mit der man einem beliebigen Spieler eine eigene Karte schenken darf. Wenn man dies tut, wird der Markerzustand auf den Startwert gesetzt. Die Anzahl der Marker auf einer Karte geben in FRIESEMATENTEN an, wie oft man ein Karte noch spielen darf. Die Karten liegen offen vor den Spielern und haben ggf. Marker auf sich liegen. (Wenn kein Marker draufliegt, kann man diese Karte einfach nur normal spielen.) Auf der Karte Geschenk liegen 2 Marker, wenn man sie erwirbt (der Startwert der Marker). Nun ist folgender Spielzug möglich. Ich schenke zwei unliebsame Karten an meine Mitspieler und schenke mir danach die »Geschenk«-Karte selbst. Dann bin ich die zwei Karten los und habe die »Geschenk«-Karte wieder im Ausgangszustand. Dies kann ich also beliebig oft wiederholen. Das führt dazu, dass man die »Geschenk«-Karte also unendlich oft spielen darf.

Wenn man nun die Regel so ändern würde, dass die »Geschenk«-Karte nach dem Schenken nicht wieder auf den Startwert zurückgesetzt werden würde, hätte man ein viel größeres Problem: Wenn die »Geschenk«-Karte keinen Marker mehr hat und ich sie mir dann mit ihrer Aktion selbst schenken würde (was ja erlaubt wäre), müsste ich sie abgeben, da kein Marker auf ihr lag, sie aber gleichzeitig bekommen, da ich sie mir ja geschenkt habe. Ein wunderschönes Paradoxon in der griechischen Tradition, welches man auf einen Satz reduzieren kann: »Dieser Satz ist falsch!« (Auch hier tauchen die Probleme durch Selbstbezug auf, dadurch dass die Aussage des Satzes sich auf den Satz selbst bezieht.)

In der aktuellen Ausgabe des Spiels ist es deshalb verboten, Karten auf sich selbst zu spielen. Trotzdem bin ich sicher, dass es immer noch systemische Probleme in dem Spiel (wie auch in allen hinreichend komplexen Spielen) gibt, die man auch nur auflösen kann, indem man das Regelwerk erweitert und damit neue Probleme erschafft, die dann wiederum nur durch weitere Regeln aufgelöst werden. Ein Spieleautor tut gut daran, diese Probleme ab einem gewissen Grad zu ignorieren, um nicht ein Regelwerk in der Länge des BGB zu bekommen.

Ein weiteres interessantes Problem taucht bei Das L-Spiel von Edward de Bono auf. Auf seiner Webseite steht sinngemäß:2

»Der Plan war, das einfachste Spiel mit einem hohen strategischen Anspruch herzustellen. Es musste folgende Punkte erfüllen:

Ein Minimum an Spielfiguren pro Spieler, möglichst nur eine.

Das kleinstmögliche Spielfeld.

Ein Spiel mit sehr wenigen Regeln, das sowohl einfach zu lernen als auch zu spielen ist.

Ein Spiel, welches mit einem hohen Maß an Geschick gespielt werden kann.

Ein Spiel, welches nicht deterministisch ist. Ein deterministisches Spiel wie N

IM

oder T

IC

-T

AC

-T

OE

ist eines, in dem der Startspieler immer gewinnt, wenn er die richtige Strategie kennt. Ein undeterminiertes Spiel ist somit eines, welches mit perfekten Spielern unendlich geht. Das L-Spiel war das Resultat. Jeder Spieler hat nur einen Spielstein. Das Spielbrett ist 4 × 4 Felder groß.«

Interessant daran ist: Wenn ich ein besonders einfaches Spiel habe, ist dies also entweder durch eine Gewinnstrategie gelöst oder unendlich. Wenn ich weder das eine noch das andere haben will, muss ich wohl etwas ändern, also kein besonders einfaches Spiel erfinden. Damit kommt man zu einem hinreichend komplexen Spiel, welches laut Gödels Unvollständigkeitssatz nicht geklärte Regellücken enthalten muss.

Nun kann man als Spieleautor einfach seinen Beruf an den Nagel hängen, da man immer etwas »Unvollständiges«, »Lösbares« oder »Endloses« erschaffen wird (oder sogar Widersprüchliches), egal, wie man sich anstrengt. Alternativ versöhnt man sich einfach damit und akzeptiert, dass es ja den perfekten Spieler nicht geben wird, menschliche Spieler grundsätzlich vernunftbegabt sind (bzw. sein sollten), um strukturelle Lücken schließen zu können und selbst lösbare Spiele so schwer zu lösen sind wie z.B. SCHACH oder noch schwerer GO. Man muss einfach damit zu leben lernen. Natürlich kann man auch einfach die hier geschriebenen Sätze ablehnen und behaupten, dass sie gar nicht stimmen bzw. nicht für Spiele zutreffen können.

Lösbare und vermeidbare Probleme

Nach dieser grundlegenden Betrachtung unlösbarer Probleme kann man sich aber natürlich auch den Problemen stellen, die zumindest lösbar oder aber auch einfach vermeidbar sind:

1. Der handelsübliche Würfel mit seinen Werten von 1–6 (und dadurch die Betrachtung der Zahlen als solche)

Problem

Wenn man die »1« mit der »2« vergleicht, scheint das Verhältnis zueinander identisch zu einem Vergleich der »5« zur »6« zu sein, da sich beide Zahlen nur um ±1 unterscheiden. Leider ist aber der Unterschied zwischen der »1« und »2« nicht einfach nur die ±1, sondern auch der Faktor 2, d.h. die »2« ist doppelt so groß wie die »1«. Bei der »5« und der »6« ist das ganz anders, dort ist der Faktor gerade mal 1,2. Also 100% Unterschied bei »1,2« und 20% bei »5,6«. Jeder kennt schon aus der eigenen Erfahrung, wie es sich anfühlt, eine »1« zu würfeln, und dass der Unterschied zwischen »5« und »6« nicht so arg ist. Zumindest ist man meist über eine »5« noch richtig froh, wenn es denn bei dem Spiel um den Wert als solchen geht, wie z.B. bei Würfel-Lauf-Spielen.

Grundsätzlich ist dadurch natürlich der Unterschied zwischen 1 und 6 am extremsten und mit 600% im modernen Spieldesign fast nicht mehr hinnehmbar. Das gleiche Problem taucht aber auch überall mit der 1 auf. Der »Fehler« im System ist eben der, dass wir immer mit der »1« anfangen zu zählen und der größte Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zahlen genau in diesem Anfang liegt. Das ist eindeutig ein strukturelles Problem. Es taucht immer wieder neu auch bei Siegpunktchips auf. Wenn ich für eine erbrachte Leistung in einem Spiel immer einen verdeckten Chip ziehe und es jeweils 50% 1er und 2er gibt, kann sich das Ergebnis sehr stark verzerren, besonders wenn man nicht viele Chips im Spiel zieht.

Lösungen

Man kann mit einem veränderten Zahlenraum ohne die »1« arbeiten. Beim Würfel wäre es der sogenannte Durchschnittswürfel mit den Zahlen »2,3,3,4,4,5«. Diesen zu nehmen, kann in vielen Fällen schon für eine deutliche Verbesserung sorgen (sogar, ohne auch nur ein Wort in der Spielregel ändern zu müssen). Bei Siegpunktchips kann man einfach »2« und »3« nehmen und schon gewinnt der Spieler mit mehr Chips mit höherer Wahrscheinlichkeit als der, der »besser« gezogen hat.

Die Verwendung der Summe von 2 Würfeln führt zu einer Glockenverteilung, die die Wahrscheinlichkeit des Auftauchens von mittleren Werten deutlich erhöht und extreme Werte unwahrscheinlicher machen.

Beim Würfel einfach die »1« aufwerten und ein Nachwürfeln bei »1« erlauben anstatt klassisch bei der »6«. Bei Wertungschips können die mit niedrigen Zahlenwerten ja auch eine Bonuswertung für Paare, Zwillinge, Drillinge etc. bekommen. Also grob gesprochen, eine Nebenregel für den worst case. Nebenregeln sollte man ja eigentlich versuchen zu vermeiden, aber ab und zu sind es gerade diese, die den »Pfeffer« ins Spiel bringen.

2. Die 5er-Kachelung der Ebene

Problem

Während sich Spielpläne mit Dreiecken, Vierecken und Sechsecken gut kacheln lassen (d.h. die einzelnen Elemente decken die gesamte Spielfläche ab, wenn man die aneinanderlegt), funktioniert dies nicht mit Fünfecken. Fünfecke lassen sich nicht kacheln. Dies führt zu dem Problem, dass ein Spielplan, der für 5 Spieler eine faire (im Sinne von gleichwertig empfundene) Ausgangsposition schafft, mit gekachelten Elementen nicht machbar ist. Allgemein gesprochen gibt es keinen gekachelten Spielplan, auf dem man auch (zusätzlich zu 2,3,4 und 6 Spieler) für 5 Spieler einen für alle Spieler gerechten eigenen Startplatz finden wird, sodass diese Startpositionen strukturell identisch zueinander sind. Bei 7 geht das auch nicht, das wird aber nicht so oft gebraucht.

Lösungen

Als eine trügerische Hoffnung taucht die sog. Cairo-Kachelung auf, welche eine Kachelung mit unregelmäßigen Fünfecken ist. Leider kann man dort keine vernünftige Struktur für 5 Spieler einbinden, zudem ist das Ganze dann auch noch unübersichtlich.

Die einzigen wirklich funktionierenden Lösungen sind spezielle unregelmäßige Spielpläne oder Ausgleichszahlungen für verschiedene Spielerzahlen. Man kann auch einfach die »ungleichen« Startplätze versteigern, aber dann kommen wieder neue Probleme. Wenn man schon zu Beginn eines Spieles eine so wichtige Versteigerung hat, die eigentlich für Gerechtigkeit sorgen soll, sind doch viele Spieler (=Käufer) abgeschreckt und spielen das Spiel womöglich gar nicht. Wichtige Erkenntnis hier ist wie leider so oft: Es mag eine mathematisch-logisch richtige Lösung für ein Problem geben, aber das heißt nicht, dass diese dann auch gut spielbar ist.

3. Interaktion bei verschiedenen Spielerzahlen

Problem

Die Anzahl der Interaktionsmöglichkeiten zwischen Spielern steigt exponentiell an. Dies führt z.B. zu Downtime (Wartezeiten zwischen den Spielrunden bzw. Aktionsmöglichkeiten eines Spielers). Wenn man es in einem Spiel benötigt, dass jeder Spieler mindestens mit jedem anderen Spieler einmal interagiert (redet, kämpft, handelt, ...), ist das bei zwei Spielern sehr einfach, da gibt es genau eine Möglichkeit. Kann strukturell sogar richtig langweilig sein. Bei drei Spielern gibt es drei Paarungen: Spieler AB, AC und BC, also auch für die Spiellänge bedeutet das schon mal das dreifache. Nun geht das Ganze folgendermaßen weiter:

4 Spieler: 6 Paarungen (Immerhin noch doppelt so viel) 5 Spieler: 10 Paarungen 6 Spieler: 15 Paarungen

Klingt erstmal nicht so gravierend, wenn man aber in einem Spiel den Überblick über 15 Paarungen und deren Ausführung halten möchte, kommt man schon auch an seine Grenzen. Außerdem ist man als Spieler bei den drei Paarungen im 3er Spiel mit Zweidrittel beteiligt, aber bei sechs Spielern nur noch an einem Drittel.

Lösung

Häufigste Lösung ist da eine topologische, soll heißen, dass entweder der Sitzplatz des Spielers entscheidet oder die Position auf dem Spielfeld.

Bei der Position des Spielers am Tisch wird ganz häufig einfach nur das Interagieren mit den Spielern rechts und links zugelassen, bei der Position auf dem Spielfeld kann man die Spielplanstruktur bewusst so anpassen, dass es mehr bzw. weniger Kontakt zwischen den Spielern gibt. Hier ist natürlich auch wichtig, ob das Spiel die Spieler eher dazu »bringt«, Cluster zu bilden oder es eher eine regelmäßigere Verteilung auf dem Spielplan erzeugt.

4. Startspieler/Spielreihenfolge

Problem

Bei der klassischen Variante ziehen die Spieler (A–D) reihum (ABCD) und das wiederholende Muster ist ABCDABCD ...

Bei vielen Spielen führt diese Variante zu einer Bevorzugung des ersten, bei einigen Spielen auch des letzten Spielers. Da die Zug-Reihenfolge nicht wechselt, verstärken sich die Probleme im Laufe des Spiels. Spieler A wird im Verlauf des Spieles immer genau von Spieler B seinen Zug haben und danach auch immer einen Zug mehr gemacht haben, bevor das Spieler B »ausgleicht«.

Lösungen (und ihre neuen Probleme)

Startspielerwechsel bei jeder neuen Runde – im Uhrzeigersinn: ABCD – BCDA – CDAB ... Diese Lösung führt zu einem neuen Problem. Spieler A muss nach seinem ersten Zug sechs Züge warten, bis er wieder an der Reihe ist, und in der folgenden Runde passiert dasselbe mit Spieler B. Wenn die einzelnen Züge nicht zu lang sind, ist das aber eine gute Lösung.

Startspielerwechsel bei jeder neuen Runde – gegen den Uhrzeigersinn: ABCD – DABC – CDAB ... Bei dieser Variante bekommt Spieler D in der zweiten Runde (dann Spieler C, etc.) einen Doppelzug, was weitere Balancingprobleme mit sich bringen wird. Häufig sind Doppelzüge allein schon deshalb problematisch, weil man eine »ungesicherte« Situation hinterlassen kann, da man ja im nächsten eigenen Zug diese wieder aufheben kann. (Und dieser nächste eigene Zug ist ja sofort da.) Ungesicherte Situationen in Spielen sind ja dann auch risikoreichere Situationen, und eingegangenes Risiko und gelungenes Bestehen dessen wird und sollte in den meisten Spielen belohnt werden. Mit einem Doppelzug würde man dann die Belohnung für risikoreiches Verhalten bekommen, aber ohne Risiko. Zusätzlich ist es oft wirklich schwierig, solche Doppelzüge zu spielen, da viele dann oft den Überblick verlieren.

Ausgleich für Startspielervorteil Ein Ausgleich für den Startspielervorteil ist eine elegantere Lösung, wenn sie zumindest so balanciert wird, dass die Spieler sie für fair halten. So kann z.B. der Startspieler bzw. Spieler mit einem frühen Slot in der Zugreihenfolge mit weniger Startkarten oder weniger Startkapital ausgestattet werden.

Dynamischer Startspielerwechsel Das Recht, die neue Runde als Startspieler einzuleiten, wird innerhalb des Spieles als Aktionsmöglichkeit angeboten. So können die Spieler sich diesen Vorteil im Spiel »kaufen«, was automatisch den Wert des Rechtes in die Hände der Spieler legt und sich so automatisch balancieren kann. Natürlich sinkt damit die Chance, dass Wenigspieler damit zurechtkommen.

5. Die Königsmacher-Problematik

Problem

Diese in Spielen mit mehr als zwei Spielern fast immer auftauchende Problematik bezeichnet den Effekt, dass ein dritter Spieler durch seine Aktionen entscheiden kann, welcher andere Spieler das Spiel gewinnt. Der Königsmacher-Spieler hat dabei selbst keine Chancen mehr auf den Sieg.

Lösung

Die übliche Lösung dieses bis zu einem gewissen Grad in jedem Spiel auftauchenden Effekts ist, diesen Effekt zu verstecken. Dies kann durch komplexe Endwertungen geschehen, die es sehr schwierig machen, den/ die Führenden zu identifizieren. Dadurch weiß der Verlierer gar nicht, dass er keine Chance mehr hat, ist also unwissend ein Königsmacher. Ein unwissender Königsmacher ist nicht so problematisch, da die Wahrnehmung des Problems Königsmacher eine sehr starke psychologische Komponente hat, und man einen geschenkten bzw. genommenen Sieg viel besser annehmen kann, wenn er aus Unwissenheit passierte als durch Kalkül. Außerdem ist auch die Wahrnehmung, in einer Königsmachersituation zu stecken (also der Königsmacher zu sein), für die meisten Spieler unangenehm.

Alternativ können auch die Aktionsmöglichkeiten zum Ende des Spiels reduziert werden, sodass die Möglichkeiten zur Hilfe eines anderen Spielers zu beschränkt sind, um die tatsächlich im bisherigen Spiel »erarbeitete« Führung zu gefährden. Es gibt Spiele (wie z.B. RISIKO), in denen sich das Problem auch deshalb reduziert, weil der Verlierer der Spieler ist, der immer weniger machen kann. (Bis hin zur Spielerelimination). Auf der anderen Seite ist so etwas auf dem aktuellen Spielemarkt nicht so beliebt, da es ja auch heißt, als Verlierer spieltechnisch eingeschränkt zu sein, deswegen ist die momentan gängige (mich persönlich stark langweilende) Lösung, das Problem über die Komplexität der Endwertung zu klären. Es gibt noch einen weiteren Lösungsansatz, nämlich die letzten Entscheidungen im Spiel gleichzeitig verdeckt stattfinden zu lassen. Bei EL GRANDE ist das sehr gut gelöst. Es wird einfach alle drei Runden das Castillo geleert. Hier wird gleichzeitig geheim entschieden, und um alles noch unberechenbarer zu machen, auch noch mit einer Menge von Einheiten, die man nur mit perfekter Erinnerung genau wissen kann. Schön ist hier auch, dass selbst wenn man genau weiß, wer wie viele Steine im Turm hat, dennoch die Visualisierung fehlt, da die Einheiten ja verdeckt liegen. Das finde ich eleganter. Ich mag das Tarieren (und auch Retten) von Spielen über eine spezielle Endwertung nicht, aber damit stehe ich relativ allein.

6. Endgame – Zu viel Platz beim SCHACH

Problem

In einem klassischen Spiel wie SCHACH werden Figuren geschlagen, die auch nicht wieder zurück ins Spiel kommen, d.h. im Verlauf des Spiels nimmt die Anzahl der Figuren stetig ab oder es gibt ein Remis (Indiz für ein Problem: Es gibt eine Nebenregel genau für diesen Fall). Die Anzahl der Figuren nimmt ab, aber ihre Eigenschaften bleiben gleich (Zugweite etc.) und die Feldgröße bleibt identisch. Die Folge ist, dass das Spiel ab einem gewissen Moment an Spannung verliert und zusätzlich auch dann noch ein Remis begünstigt. Das Problem verallgemeinert dargestellt: Wenn sich der Spiel-Raum des Spiels nicht verändert, aber die Anzahl der Akteure ab- (oder auch zu-)nimmt, verändert sich das Spiel signifikant.

Lösung

Bei CHAMÄLEON von Wolfgang Großkopf (VSK-Erwachsenenspiele, 1990) gibt es eine wirklich schöne Lösung. Das Spiel ist schachartig und die Figuren verändern ihre Eigenschaften im Verlauf des Spiels. Dies ist aber nicht das wichtigste. Es gibt Stäbe im Spiel, die die Spielfläche von außen begrenzen. Wenn nun eine Reihe oder Spalte von außen frei wird, wird der entsprechende Stab eine Reihe bzw. Spalte weiter in die Spielfläche geschoben, bis nur noch ein max. 3 × 3 großes Feld bleibt.

Ich selber habe bei FRISCHFLEISCH Schätze eingeführt, die man finden kann (die nichts bringen, da man ja nur überleben will). Diese Schätze bleiben das ganze Spiel, an dem Platz, wo sie gefunden wurden, und blockieren so ein Spielfeld. Dies gleicht das Sterben der Spielfiguren im Spiel aus.

Die eine Lösung ist somit die Verringerung der Spielfläche. Eine weitere Lösung ist, den Spielfiguren zum Ende hin mehr Macht zu geben. Dies ist bei SCHACH schon ganz gut gelungen. Da sowohl Turm, Dame als auch Springer beliebig weit gehen können, sind diese zu Beginn ein wenig »limitiert«, da der Plan so voll ist, und werden wendiger, wenn der Plan leerer wird. Die aber trotzdem notwendige Sonderregel betrifft hier die Bauern, die richtig mächtig werden, wenn sie die gegnerische Grundlinie erreichen. Hier wurde aus der Not eine Tugend gemacht. Die Bauern können ja nur vorwärts, wären also komplett aus dem Spiel, wenn sie die Grundlinie erreichen.

Mit dieser Nebenregel rettet man sich nicht nur aus dieser Lücke, sondern bekommt auch noch eine zusätzliche Regel, damit das Endspiel nicht so schnell an Spannung verliert. In einem Radiointerview hatte ich mal eine Diskussion mit einem Schachspieler, warum denn die heutigen Spiele so kompliziert sein müssten, wo man doch ein so tolles Spiel wie SCHACH mit so einfachen Regeln erfinden könne. Meine Antwort war natürlich, dass SCHACH gar keine einfache Regeln hat. Immerhin muss man sich die Regeln für viele verschiedene Figuren merken und dann auch noch die ganzen Nebenregeln bis hin zu einer sperrigen Remis-Regel, die nur in Kraft tritt, wenn nach einer gewissen Anzahl von Zügen keine Figur geschlagen wurde und das auch noch ohne Leiste, die das irgendwo zählt.

7. Downtime durch zu viel neutrales Material

Problem

Bei Spielen, bei denen es viel Material, Figuren etc. gibt, die alle Spieler manipulieren können und die somit neutral sind, gibt es oft ein spezielles Problem: Downtime. Downtime ist der Begriff für Momente im Spiel, wo ein Spieler rein gar nichts machen kann, um am Spielgeschehen teilzunehmen, sogar nicht mal das Planen des eigenen nächsten Zuges. Dies liegt daran, dass ich mit der Planung meines Zuges erst beginnen kann, wenn der Spieler vor mir in der Spielreihenfolge seinen Zug komplett abgeschlossen hat. Da mein/e Vorgänger sehr viel bewegen können (neutrales Material), was mir in meinem Spielzug dann aber auch wieder zur Verfügung steht, kann ich dieses Material erst in meine Planung aufnehmen, wenn der entsprechende Spielzug beendet ist.

Lösung

Vermeidung durch Reduzierung des neutralen Materials oder des Zugriffs darauf. Das neutrale Material zu reduzieren lässt sich oft dadurch erreichen, dass man einige der neutralen Teile den Spielern zuordnet oder die Spieler durch Besitzanzeiger (auf Zeit) die Kontrolle über das Material erhalten. Die Reduktion des Zugriffs lässt sich zumindest auf Spielplänen sehr gut umsetzen, wenn jeder Spieler eine Spielfigur hat und nur in einem begrenzten Radius dieser Figur agieren kann. Das kann sogar dazu führen, dass der Spielzug des Spielers vor mir meinen nächsten Zug nur minimal beeinflusst, weil er ganz woanders steht. Damit gewinne ich eine höhere Planungssicherheit. Dann ergibt es einen Sinn, schon über den eigenen Zug nachzudenken.

8. Gleichstände bei niedrigen Zahlen vs. hohe Zahlen

Problem

Wenn z.B. Siegpunkte (oder auch gerne verdeckte Gebote) so gestaltet sein sollen, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Gleichstand verhindern, so führt dies in der Regel zu hohen Zahlen. Die meisten Spieler aber mögen hohe Zahlen nicht nur nicht, oft können sie damit auch einfach nicht rechnen, wobei erfahrungsgemäß schon allein die emotionale Ablehnung hoher Zahlen zur Dyskalkulie, d.h. einer Beeinträchtigung des arithmetischen Denkens, führen kann. Brüche bzw. Kommazahlen sind ebenso wenig hinnehmbar. Das ist für Autoren schade, denn sonst könnte man ohne Problem die 1,5 zwischen der 1 und 2 benutzen oder so schöne Zahlen wie Wurzel aus 2, Pi, e. Das wäre manchmal schon sehr hilfreich.

Lösung

Erstaunlicherweise gibt es sehr viele Lösungen für dieses Problem und diese werden offenbar auch angenommen bzw. verstanden. In LIBERTALIA von Paolo Mori hat jeder Spieler den gleichen Satz von Karten (neun Karten mit Nummern zwischen 1 und 30, die auch die Ziffer 1–6 für den jeweiligen Satz tragen) und wählt sechs Runden in Folge jeweils eine dieser Karten aus. Je mehr Spieler mitspielen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass alle Karten eine unterschiedliche Zahl zeigen. Im Spiel werden die Karten in Reihenfolge der Nummern ausgeführt. Die zweite Ziffer (des Kartensatzes) wird bei Gleichstand hinzugezogen, eine klassische Tiebreaker-Regel. Mathematisch hätte man auch einfach die Nummer der Karte mit 10 multiplizieren können und den kleinen Wert addieren und dann mit dieser Zahl spielen können. Da es aber wohl zu viele abgeschreckt hätte, mit (ungewohnten) Zahlen von 11 bis 306 zu spielen, ist die beschriebene Regel vermutlich besser. Ebenfalls möglich wären auch Kommazahlen von 1,1 bis 30,6 gewesen, aber das wäre noch schlimmer. Es scheint also so zu sein, dass eine Tiebreaker-Nebenregel einfacher zu verstehen ist als ein erhöhter Zahlenraum.

Bei LIBERTALIA ist die Lösung noch sehr mathematisch bzw. arithmetisch, da Zahlen genommen wurden. Bei MUSKETIERE von Franz Josef Lamminger sind auf den Karten von 1 bis10 einfach zusätzlich noch eine gewisse Anzahl Degen abgebildet. Das dient dem gleichen Zweck, ist aber weniger abstrakt. Die Anzahl der Spiele mit derartigen Tiebreakern ist lang und könnte fast unendlich weitergeführt werden. Es ist aber auch möglich, Gleichstände ohne Tiebreaker zu vermeiden, nämlich durch Veränderung der mathematischen Struktur.

Erwähnenswert ist DER WÜSTENTRUCK von Christwart Conrad, wo die Punktwertung für den Zieleinlauf der Trucks genau so gewählt wurde, dass es niemals einen Gleichstand geben kann. Leider (mathematisch allerdings logisch) sind die Einzelzahlen schon so hoch, dass es keine Freude ist, diese Einzelwerte zu addieren. Noch viel schlimmer aber ist, dass man jegliche – auch eine grobe – Übersicht verliert, da man nicht im Kopf überschlagen kann, wer wie steht.

Um einen Gleichstand aufzuheben, ist es besonders beliebt, einfach die Punkte auf einer Skala abzutragen und entweder die Position der Wertungssteine auf der Leiste mit einzubeziehen oder einfach besetzte Felder nicht mitzuzählen (was dazu führt, dass nie 2 Steine auf einem Feld landen). Wenn z.B. die obere Position auf dem gleichen Feld besser ist, ist das rein abstrakt zwar immer noch ein Tiebreaker, fühlt sich aber doch irgendwie anders an. Bei diesen Lösungen muss man sich dann aber Gedanken machen, ob sich das Spiel bzw. die Strategien dadurch verändern. Man kann eben nicht alles haben.

9. Ungleiche Rundenanzahlen bevorzugen bei manchen Spielerzahlen frühere Startspieler

Problem

Wenn ein Spiel eine festgelegte Anzahl Runden läuft (z.B. 12 Runden) und es einen wechselnden Startspieler gibt, dann ist bei Spielerzahlen von 2, 3, 4 und 6 jeder Spieler gleich oft Startspieler. Bei fünf Spielern hingegen sind die ersten beiden Spieler zwei Mal öfter Startspieler (mal wieder das Problem mit der 5).

Lösung

Nicht immer elegant, aber mathematisch sinnvoll ist die Kürzung oder Verlängerung des Spiels für fünf Spieler auf eine passende Anzahl Runden (10 oder 15). Dies gilt analog für andere Rundenanzahlen. Man sollte sich hier klarmachen, dass die erste Zahl, welche durch 2,3,4,5 und 6 teilbar ist, die 60 ist, was bei Kartenspielen dadurch eine sehr beliebte Kartenanzahl ist (oder man nimmt die 120, welches die zweite Zahl ist, die dies erfüllt). Leider ist 60 aber häufig eine viel zu hohe Zahl, um z.B. bei einer Rundenanzahl in Frage zu kommen.

10. Aufschaukelung im Schneeballsystem

Problem

Wenn frühe Erträge in einem Spiel investiert werden können, so kann ein früher Erfolg im Spiel (z.B. durch den Startspielervorteil oder einfach durch Zufall) dazu führen, dass der Sieger, spielt er denn fehlerfrei zu Ende, kurz nach dem Start des Spiels schon feststeht.

Lösungen

Bei Spielen mit direkten Interaktionsmöglichkeiten geschieht die Herstellung der Spielbalance oft durch die Spieler (z.B. bei DIE SIEDLER VON CATAN durch Nutzung des Räubers oder Weigerung zum Handel mit dem führenden Spieler).

Strukturell gibt es da aber auch ein paar Kniffe. Man kann im Verlauf des Spieles die Spieler schon früh in Strukturen investieren lassen, die nichts anderes machen, als Siegpunkte zu bringen. Hier investiertes Geld geht damit für den entsprechenden Spieler ganz aus dem Wirtschaftkreislauf raus und das Schneeballsystem wird »gedämpft«.

Wichtig ist auch, hier nicht einfach allen Spielern zu Beginn z.B. nur einen Betrieb zu geben (weil der zweite Betrieb gleich eine Verdoppelung bedeutet), sondern mit zwei Betrieben zu starten. Wie bei DIE SIEDLER VON CATAN von Klaus Teuber, wo man mit zwei Siedlungen startet und dann sogar alle noch bis zu drei Rohstoffe bekommen.

Man kann das Spielende genau dort setzen, wo die Schere aufgeht. Auch hier hat es DIE SIEDLER VON CATAN geschafft, den Zeitpunkt richtig zu wählen. Wenn man hier nicht nur bis 10 Siegpunkte, sondern bis 12 spielt, gewinnt sehr sehr oft schon der, der auch bei 10 Punkten vorne lag. Außerdem ist dies auch ein guter Punkt zu enden, weil er das Gefühl vermittelt, dass das Spiel in dem Moment zu Ende war, wo es gerade erst richtig losgeht. Dies führt erstaunlicherweise nicht zu Frustration, sondern zum Bedürfnis nach einer neuen Partie (Erhöhung der Wiederspielreizes).

11. Nahendes Spielende verhindert Investitionen

Problem

Besonders bei Schneeballsystemen wird es gegen Ende des Spiels immer wieder zum Problem, dass die Spieler einfach nicht mehr investieren, da die Zeit, in der sich die Investition auszahlen soll, immer knapper wird. Auch hier taucht wieder das Problem mit der 1 und 2 auf. Wenn ein Spiel noch zwei Runden hat, bekomme ich aus meiner Investition noch zweimal den Ertrag, in der letzen Runde dann aber nur noch einmal (was häufig dazu führt, gar nichts mehr zu kaufen).

Lösungen

Ich bin froh, verschiedene Lösungen in meinen eigenen Spielen entwickelt zu haben, die dem entgegenwirken. In FUNKENSCHLAG (meinem deutlich erfolgreichsten Spiel) spielt die Frage, ob sich ein Kraftwerk im Spiel noch rechnet, überhaupt keine Rolle, da das erwirtschaftete Geld am Ende nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Spieler werden über die Siegbedingung »gezwungen«, weiter zu investieren, da sie neue Kraftwerke brauchen, um überhaupt auf die notwendige Anzahl der zu versorgenden Städte kommen zu können. Bei FABRIKMANAGER habe ich einfach die Auszahlung der letzten Runde zweimal stattfinden lassen, d.h. in der vorletzten Runde kassiert man noch dreimal und in der letzten zweimal für alles, was man noch kauft. Grundsätzlich liegt die Lösung aber auch darin, die Struktur, in die man investieren kann, im Verlauf des Spiels (und gegen Ende besonders) immer günstiger werden zu lassen. Das kann sogar dazu führen, dass z.B. bessere Fabriken dasselbe (oder sogar weniger) kosten als schlechtere, die man aber früher kaufen kann. Mathematisch kann das komplett richtig sein, aber wenn etwas sogar billiger wird, ist das oft ein thematischer Bruch und fühlt sich auch nicht gut an. Man muss es also schaffen, dass das notwendige Entwerten der Investitionsgüter nicht so stark wird, dass es sich falsch anfühlt. Es gibt auch Spiele, wo die Preise für die Dinge konstant bleiben, aber die Qualität dieser Dinge im Spiel entsprechend drastisch steigt. Nun kommt das neue Problem, dass es keinem Spieler ermöglicht werden darf, eine auf diese Art entwertete Endspielstruktur schon früher im Spiel zu erwerben. Aber das ist alles ein ganz anderes Thema.

12. Mathematische Gerechtigkeit wird als ungerecht empfunden

Problem

Obwohl ein Spiel rechnerisch 100% fair ausbalanciert ist, wird dies von den Spielern nicht so empfunden.

Lösung

Wird diese Ungerechtigkeit generell empfunden, so ist es sinnvoll, sich nach dem Empfinden der Spieler zu richten. Kleinere »Ungerechtigkeiten« werden akzeptiert, wenn sie nicht als solche empfunden werden. Es bringt nichts, wenn man sich als Autor einfach immer wieder darauf beruft, dass es mathematisch aber so sein muss oder man es sogar am Computer simuliert hat. Es nützt nichts, dass man Recht hat, wenn das Spiel keiner spielen, kaufen oder verlegen will.

13. Perfekte Spielbalance macht Strategie beliebig

Problem

Ein Spiel ist so lange »tot« tariert worden, dass grundsätzlich jede Strategie und Wahlmöglichkeit schlussendlich zum selben Ergebnis führt. Das wird dann schnell langweilig und beliebig. Man kann einfach keinen Fehler mehr machen.

Lösung

Wenn man nun ein so sauber mathematisch durchoptimiertes Spiel geschaffen hat, muss man an verschiedenen Stellen Regeln oder Spielmaterial (Karten, Plättchen, etc.) einführen, die bestimmte Kombinationen besonders begünstigen. Bei Kartenspielen können dies die sogenannten Power-Combos sein oder in einem Spiel von Reiner Knizia entsprechende Bonuswertungen.

Man kann aber auch, wie bei ATTIKA von Marcel-André Casasola Merkle, einfach eine vorzeitig erreichbare Endbedingung einführen, um dadurch Spannung zu erzeugen und Extreme zuzulassen. Angeblich ist es hier wohl so, dass die zusätzliche Endbedingung bei Spielern, die alle das Spiel gut beherrschen, nicht mehr auftritt. Dies ist eine Regel, die während des Erlernens des Spiels die Partie steuert und anschließend nicht mehr benötigt wird.

Auf der anderen Seite werden im modernen Spieldesign bzw. in aktueller redaktioneller Bearbeitung oftmals genau diese Möglichkeiten zu fehlerhaftem Verhalten entfernt. Da ich das selbst hasse und dieses Problem bei mir nicht als Problem existiert, weiß ich dafür keine Lösung.

14. Player Elimination führt zu Dauer-Downtime

Problem

Die Bestrafung eines Spielers kann Spannung und Emotionen erzeugen. Das Ausscheiden eines Spielers aus einem Spiel kann ein spannendes Spielelement sein, denn die Spannung, die dieser »Höchststrafe« vorausgeht, kann das Erlebnis der Spieler positiv beeinflussen. Der ausgeschiedene Spieler hat aber keinen Spaß mehr ab dem Zeitpunkt des Nicht-mehr-Mitspielens.

Lösung

Sobald der erste Spieler ausgeschieden ist, muss das Spiel schnell zu Ende gehen, um die Downtime gering zu halten.

Schlechtes Beispiel hier ist RISIKO (auf Weltherrschaft gespielt), da es strukturell so angelegt ist, dass die Abstände zwischen dem Ausscheiden der Spieler immer länger werden. Als Beispiel ein Spiel mit 6 Spielern. Es gibt 42 Länder, also bekommt jeder sieben Länder. Um auszuscheiden, muss man also »nur« sieben verlieren. Bei den fünf Restspielern hat dann jeder durchschnittlich 8,4 Länder (meistens ungerecht verteilt). Das geht auch noch schnell. Bei vier Spielern sind es dann aber schon 10,5 Länder, und zu dritt muss man im Schnitt schon 14 Länder erobern. Das ist das Gegenteil einer sinnvollen Spielstruktur. Dafür gibt es aber andere Elemente im Spiel, die das Ganze zumindest erträglich machen. Besonders zu erwähnen ist hier der extreme Anstieg der Belohnung beim Eintauschen von 3 Karten gegen Armeen.

Für mich ist TSURO das beste Beispiel für eine gute Lösung des Problems. Im Verlauf des Spiels wird der Spielplan immer voller (es gibt sogar eine feste maximale Anzahl von Zügen), aber die ersten Spieler scheiden meist erst aus, nachdem die Hälfte des Spielfeldes bedeckt ist, also nach der Hälfte der Gesamtzüge des Spiels. Danach geht es dann Schlag auf Schlag, um dann in einem meist kurzen, knackigen Endspiel zu gipfeln, wo die Spieler, die noch dabei sind, dies noch eine kleine Weile genießen können, ohne dass die Ausgeschiedenen ewig warten müssen.

15. Erlaubtes gleichzeitiges Spielen führt zum Abwarten

Problem

Wenn jederzeit Aktionen erlaubt sind (z.B. bei Aktionskarten, die auch während des Zuges eines Mitspielers gespielt werden dürfen), dann kann es zu einer Pattsituation des Abwartens kommen, wenn jeder Spieler auf den anderen wartet. Wenn ich z.B. eine Karte habe, die jede beliebige andere Karte ungültig macht, ich aber weiß, dass ein anderer diese auch hat, ist es natürlich viel sinnvoller, dass der andere sie spielt und ich meine für später behalten kann. Wenn aber nun Spieler A und B diese Karte haben und Spieler C eine Karte auf Spieler D spielt, die dazu führen würde, dass Spieler C gewinnen würde, entsteht eine unlösbare Aufgabe des Wartens auf den anderen, doch seine Karte zu spielen.

Lösung

Die einfachste Lösung habe ich in FRIESEMATENTEN angewandt. Lässt man das Spielen der Aktionskarten nur in Reihenfolge zu, dann muss im obigen Beispiel Spieler B die Karte spielen, wenn Spieler A es nicht getan hat. Natürlich gibt es dann richtig böses Blut, wenn Spieler B es auch nicht macht, und also Spieler C durch Nichtstun der anderen gewinnt. Aber wer das nicht will, muss andere Spiele erfinden.

16. »Suche dir eine Karte vom Ablagestapel aus«

Problem

Der Gewinn für Spiel und Spielablauf durch diese Karte steht in keinem Verhältnis dazu, wie lange das Ausführen dieser Karte normalerweise dauert, besonders bei ungeübten Spielern. Die Zeit steht meist in keinem vertretbaren Verhältnis zu der angestrebten Spielzeit für ein solches Spiel.

Lösung

Einfach nicht machen. Ich neige inzwischen dazu, das Vorhandensein einer solchen Karte in Spielen als Ausschlusskriterium für das ganze Spiel zu werten.

In Spielen, die eine solche Karte enthalten, gibt es oft zwei weitere Probleme, für die es aber Lösungen gibt:

Problem 1

Man zieht seine Karten und muss dann lange lesen, um dann seinen Spielzug zu machen.

Lösung 1

Lasse den Spieler am Ende seines Zuges ziehen und nicht am Beginn, dann fällt die Zeit, die man fürs Lesen braucht, in die Zeit, in der die anderen am Zug sind.

Problem 2 (häufig produziert durch Lösung 1)

Da man am Ende seines Zug auf z.B. sechs Karten aufstockt, sollte man jede einzelne Karte spielen, auch wenn sie nur einen minimalen Vorteil bedeutet (und später möglicherweise wichtiger sein könnte), da man ja für jede gespielte Karte eine neue bekommt und somit nichts verlieren kann.

Lösung 2

Nicht auf eine feste Anzahl aufziehen lassen, sondern eine feste Anzahl ziehen lassen.