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Das Universum sieht alles!
Als Meggy in einem Moment purer Verzweiflung zufällig in einen spirituellen Laden stolpert, ahnt sie nicht, dass ihr Leben sich für immer verändern wird. Dort begegnet sie Evan - einem mysteriösen Fremden, der sich als ihr persönliches Universum vorstellt. Er scheint bereits zu wissen, warum sie hier ist: Wegen Kyle, ihrer großen Kindheitsliebe, die ihr nicht die Sicherheit geben kann, die sie verdient.
Doch als Evan ihr offenbart, dass das Universum das Schicksal zwischen ihr und Kyle längst besiegelt hat, bricht Meggys Welt zusammen.
Wird Evan ihr helfen können, einen neuen Weg zu finden?
Oder wird Kyle erneut alles auf Anfang setzen und ihr Herz in weitere tausend Stücke zerbrechen?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Impressum
Mav Stone
c/o IP-Management #31864
Ludwig-Erhard-Str. 18
20459 Hamburg
© 2025 Copyright by Mav Stone
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Benutzung, Verbreitung, Übertragung oder Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors.
Coverdesign: Mav Stone
Umschlaggestaltung: Sarah Mitzschke
Bildmaterial: Midjourney, Canva
Das Universum sieht alles!
Als Meggy in einem Moment purer Verzweiflung zufällig in einen spirituellen Laden stolpert, ahnt sie nicht, dass ihr Leben sich für immer verändern wird. Dort begegnet sie Evan - einem mysteriösen Fremden, der sich als ihr persönliches Universum vorstellt. Er scheint bereits zu wissen, warum sie hier ist: Wegen Kyle, ihrer großen Kindheitsliebe, die ihr nicht die Sicherheit geben kann, die sie verdient. Doch als Evan ihr offenbart, dass das Universum das Schicksal zwischen ihr und Kyle längst besiegelt hat, bricht Meggys Welt zusammen.
Wird Evan ihr helfen können, einen neuen Weg zu finden?
Oder wird Kyle erneut alles auf Anfang setzen und ihr Herz in weitere tausend Stücke zerbrechen?
Für Isabelle,
für die Person, die so hell strahlt, dass ich die Dunkelheit um mich herum nicht wahrnehmen kann.
Für die Person, die so laut applaudiert, dass ich nicht einmal höre, wer es nicht macht.
Für die Person, die mir den Rücken stärkt, während andere versuchen, mir ein Messer in den Rücken zu rammen.
Danke, dass es dich gibt, meine Sonne.
Vorab möchte ich einige Dinge loswerden, bevor ich dich in die Welt von Meggy, Evan und Kyle verschwinden lasse. Das Buch wirkt von außen sehr harmlos, jedoch gibt es gewisse Themen, auf die ich aufmerksam machen wollte und dementsprechend vorsichtig behandelt habe. Wenn jedoch eins dieser Themen dich triggern könnte oder du eine Person bist, die gewisse Trigger hat, dann wirf bitte vorab ein Blick nach ganz hinten ins Buch, damit du sicher gehen kann, dass du die folgenden Themen auch aushalten kannst. Wenn du bleibst und diese Themen kein Problem für dich darstellen, dann wünsche ich dir jetzt viel Spaß mit Meggy, Evan und Kyle in Spiritual Mind: Die Macht des Universums.
Meggy
»Wieso tust du mir das jedes Mal an?«, schreie ich ihm entgegen. Das Kratzen in meinem Hals spricht für die Intensität meines Schreies. Kyle macht in mir erneut etwas kaputt, was ein anderer irgendwann wieder heilen darf.
»Bin ich für dich ein reiner Witz? Sind meine Gefühle dir eigentlich so egal?«
Seine eisblauen Augen schauen entsetzt in meine Richtung. Er versteht mal wieder nicht, worin mein Problem liegt. Es ist doch immer das Gleiche und dann schaut er mich an, als würde vor ihm ein kleines Kind stehen, das gerade einen Ausbruch von Gefühlen hat. »Jetzt hab dich nicht so!« Seine Stimme geht mir messerscharf durch Mark und Bein.
Wie kann er es wagen seine Stimme mir gegenüber, vor allem jetzt, zu erheben?
»Ist das eigentlich dein Ernst? Willst du mich verarschen? Dir ist schon bewusst, dass du mir zum fünften Mal fremdgegangen bist, mit irgendeiner Schlampe, die du wo auch immer aufgegabelt hast!« Seine Miene wird ernst. Er ist der Fehler im System. Der einzige Fehler, den ich mir eingestehe, ist, dass ich ihn nach allem immer wieder zurückgenommen habe. Schließlich bin ich mal wieder die, auf deren Herz rumgetrampelt wird, als wäre es nichts wert.
Stille erfüllt den Raum, selbst ein Staubkorn könnte man fallen hören. Das Einzige, was man wahrnimmt, ist das schwere Atmen, das aus mir heraus prustet. Meine Brust hebt und senkt sich. Regungslos stehe ich da und wünsche mir nichts lieber, als mich in Luft aufzulösen. Der Spitzenstoff des BHs, den ich in meinen Händen halte, war der Auslöser für diese Situation. Die Fusseln am Rand zeugen von schlechter Qualität, was mich auch nicht sonderlich wundert. Ich halte ihn fest, als wäre es ein Gegenstand, für den ich mein Leben geben würde, anstatt ihn aus der Hand zu legen. Schließlich frage ich mich jedes Mal, wie es sein kann, dass er mit solchen Frauen schläft, während er mich hat. Ich gebe ihm alles und habe das schon immer.
Was macht er?
Er tritt jede Chance mit seinen Füßen. Ich gebe nicht jedem so viel und doch scheinbar dem Menschen, der mich wie ein Stück Dreck behandelt, alles, was ich habe. Ich würde ihm vermutlich auch immer alles geben, weil ich diesen Kerl verdammt nochmal liebe. Schließlich vergötterte ihn mehr als meine eigene Mutter. Sie ist kein Engel, aber sie durch so jemanden, der mir zum tausendsten Mal erneut das Herz bricht zu ersetzen, zeugt von der Bindung, die ich mit meiner Mutter habe.
Meine Tränen laufen an meinen Wangen entlang. Schließlich spüre ich wie sie sich ihren Weg über mein Kinn über meinen Hals bis hin, auf mein Dekolleté bahnen. Ich starre nur noch in seine Richtung. Meine Emotionen kann ich kaum steuern, bei allem, was ich ihm am liebsten entgegen schreien würde.
Wie kann ein Mensch so sein?
Erneut habe ich das Gefühl, dass ich die dümmste Frau auf diesem Planeten bin, da ich mir zum tausendsten Mal von diesem Pisser das Herz aus der Brust reißen lasse.
Wieso stehe ich mit ihm wieder an diesem Punkt?
Wieso weiß ich, dass es auch dieses Mal nicht das letzte Mal sein wird?
Er bringt die schlechtesten Seiten von mir zum Vorschein. Das schafft sonst nur meine Mutter, aber mit ihr teile ich nicht so viel meines Herzens, wie ich es mit diesem Teufel mache. Er wird der Grund dafür sein, wieso ich irgendwann ein kompletter Teil seiner eigenen Hölle sein werde.
Ist es mittlerweile meine Hölle, die er um mich herum Tag für Tag aufbaut?
Fragen über Fragen, auf die ich seit fünfzehn Jahren, die wir um denselben Punkt tanzen, nie eine Antwort bekommen habe. Er wird mein Untergang sein und es gibt nichts, bei dem ich mir so sicher bin, wie bei diesem Aspekt.
Als ich hinunter zu meinen Händen schaue, stelle fest, dass ich diesen billigen BH immer noch halte.
»Wieso bin ich eigentlich so blöd? Mein Gefühl liegt jedes Mal richtig bei dir! Mal wieder stoße ich mir selbst das Messer in den Bauch«, schreie ich ihm erneut entgegen.
Mit seiner Hand massiert er seine Schläfe, als würde ich ihm mit meinem Aufstand Kopfschmerzen bereiten. Ich habe ihn in seiner Ledertasche gefunden, die er eigentlich nur für seine Arbeit nimmt. Er macht sich nicht einmal die Mühe meine Gefühle und unsere Beziehung zu schützen.
»Wieso nimmst du dieses Ding überhaupt auch noch mit, wenn du mich bescheißt?«
Seine Stimme trieft nur so vor Arroganz, die ich ihm am liebsten eigenhändig aus seinem Leib prügeln würde. »Jeder braucht eine Trophäe, nicht wahr? Ich sammle Dinge, die für meinen Erfolg sprechen. Deswegen bist du auch noch da.«
»Wow, Kyle. Das soll ein Erfolg sein?« Das sarkastische Lachen klingt verzweifelter, als ich es mir selbst zugestehen will.
»Mich wundert es nicht, wieso dein Vater dich für den größten Versager hält.«
Mit schnellen Schritten kommt er mir nahe. Er drückt mich mit seinem ganzen Körper an die Wand hinter mir, sofort liegt seine Hand an meiner Kehle. Seine eisblauen Augen schauen tief in meine. Der Griff sorgt dafür, dass ich hineinsehen muss, auch wenn ich es nicht wollte. »Wiederhole das, was du gesagt hast.« Unwillkürlich streift sein Atem meine Wange.
»Du bist ein Versager, das sagt sogar dein eigener Vater.« Keine Sekunde vergeht, nachdem ich das letzte Wort gesprochen habe, spüre ich schon den brennenden Schmerz auf meiner Wange. Ohne weiter über seine Tat nachzudenken, schnellt meine flache Hand an seine Wange. Er hatte die Grenze zuerst überschritten, nicht ich. Alles versinkt in einem Nebel, in dem ich mir sicher bin, für einen Bruchteil die Orientierung zu verlieren.
Fangen wir jetzt auch schon an uns gegenseitig zu schlagen?
Sind wir schon so weit?
Das war toxisch. Eigentlich wollten wir niemals so werden und dennoch stehe ich ihm gegenüber und erkenne den Menschen nicht mehr wieder, mit dem ich mein Leben teilen wollte.
Nachdem er meinen Rückschlag verarbeitet hat, schaut er mir fassungslos entgegen. »Ich soll ein Versager sein? Wenigstens habe ich, was im Leben erreicht, und bekomme nicht ständig nachgesagt, ich würde mir meinen Erfolg in der Buchwelt nur verdienen, weil ich irgendwen dafür gevögelt habe.«
Diese Worte spricht er nur aus, damit er mich genauso verletzten kann. Dabei habe ich ihm nur an den Kopf geworfen, was das Bild seines eigenen Vaters von ihm ist. Ungeniert wie er war, hat er mir davon erzählt, während wir vor einiger Zeit gemeinsam gegessen hatten und Kyle bezahlen war.
»Ich muss mit niemanden schlafen, um Erfolg zu haben. Ich bin erfolgreich, schließlich habe ich im Gegensatz zu dir, dafür hart arbeite. Daddy hat mir nicht den Arsch gepulvert und mir eine seiner Firmen überlassen, damit ich überhaupt was geschissen bekomme.« Meine Worte treffen ihn, aber er versucht es hinter seiner harten Fassade zu verstecken. Ihm müsste nur klar sein, dass seine Verhaltensweisen, nach fünfzehn Jahren für mich mittlerweile, wie ein offenes Buch zu lesen sind. Ich kenne seine Körpersprache und merke, dass ihn meine Worte härter treffen, als er jemals zugeben würde.
»Vielleicht solltest du anfangen für deinen Erfolg mit den ganzen Typen zu schlafen, mit denen es dir sowieso nachgesagt wird. Soll ich dir die Nummer der Kleinen geben, von der der BH ist? Sie hat geblasen wie eine Göttin. Könnte dir nicht schaden, wenn sie dir vielleicht mal ein paar Tipps gibt.«
Für einige Sekunden starre ich ihn regungslos an, frage mich, womit ich auch nur einen Bruchteil davon verdient habe. Die Wut brennt in mir wie ein Feuer, das mich von innen heraus auffrisst und zum Explodieren brachte. Ohne darüber nachzudenken, nehme ich das Glas, das neben mir auf dem Tisch steht, und schmeiße es knapp an seinem Gesicht vorbei gegen die Wand. Das klirrende Geräusch der Scherben, die auf den Boden fallen, zeigt die Wucht, mit der es in die Wand eingeschlagen ist. Er zuckt zusammen und hält seine Hände vor sein Gesicht.
»Setz mich nie wieder – und ich meine nie wieder – mit deinen Schlampen gleich. Überspann den Bogen nicht, Kyle. Du willst mich nicht an so einen Punkt treiben.«
Ich greife nach meiner Tasche, die auf dem Stuhl steht und sehe seinen fassungslosen Blick, den er in meine Richtung wirft. Mit dem Knallen der Haustür besiegle ich den Moment. Es war an der Zeit zu gehen. Jetzt. Vielleicht würde ich auch nie wieder zu ihm zurückkommen. In mir türmt sich eine Welle aus Emotionen auf, die mit einem Mal auf mich hineinbricht. Die Tränen fließen über mein Gesicht wie Bäche. Es wäre leicht, einfach zu gehen. Ihn zurückzulassen. Ihn einfach spüren zu lassen, dass er in den meisten Momenten ein Arschloch war. Allerdings stritt ich mich mit einer Version von ihm, die ich vor vielen Jahren kennengelernt hatte, die niemals erwachsen geworden war und die mich immer daran denken ließ, wie er einmal von seinem Vater abgeholt werden sollte und einfach vergessen wurde. Den gleichen Schmerz habe ich heute wieder in seinen Augen gesehen. Weil er nicht so ist. Weil er… Fuck, vielleicht rede ich das auch nur schön. Bin ich eine dieser Frauen, die sich schlagen ließ und dann eine Erklärung dafür fand? Nein… Möglicherweise doch. Aber ich hatte mich gewehrt. Ich hatte auch noch ein Glas nach ihm geworfen, weil er mich wirklich zur Weißglut treibt. Und doch ist da diese Verbindung, dieses Unausgesprochene, dieses Ich-kann-den-Mistkerl-ganz-sicher-ändern, was jede Frau kennt. In Augenblicken wie diesem kann ich nur hoffen, dass dieses Gefühl sich nicht gnadenlos täuschte.
Meggy
Ich laufe die Treppe der U-Bahn-Station hoch und mache mich auf den Weg zur Wäscherei. Lou, meine kleine französische Bulldogge, hat vor ein paar Tagen auf mein neues Kleid gekotzt und ich musste es dorthin bringen. Der Streit mit Kyle vor ein paar Tagen sitzt mir immer noch tief in den Knochen. Wir haben uns schon oft gestritten, aber nie hat auch nur einer zu so einem Handeln geführt. Seitdem hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen. Diesmal hatte keiner von uns einen Annäherungsversuch gewagt. Es herrscht absolute Funkstille.
Die Schlaufe der Leine in meiner Hand zieht sich immer fest zu, da er der Meinung ist, er müsste stehen bleiben und eine Stelle fünf Minuten begutachten, als würde sich da im Sekundentakt etwas ändern. Mein kupferfarbenes Haar befestige ich mit einer Spange an meinem Hinterkopf. Die kühle Brise des Oktoberwindes weht mir sonst ständig eine Strähne ins Gesicht. Lou zieht an meinem rechten Arm, da er sich nach einer halben Ewigkeit dazu entschlossen hat, den restlichen Weg zu beschreiten.
»Baby, jetzt zieh nicht so. Nur wegen dir sind wir überhaupt draußen, da ein gewisser Hund auf mein Kleid kotzen musste und ich es jetzt aus der Reinigung holen muss.«
Er setzt sich auf den Boden und legt den Kopf schräg. Manchmal war ich mir sicher, dass er genau versteht, was ich ihm sage. Das Rascheln der Blätter unter meinen Füßen unterstreicht bei jedem Schritt, dass der Sommer endgültig aus den Straßen von New York verschwindet. Während wir die Straße entlanglaufen, lasse ich immer wieder die Geschehnisse der vergangen Tage Revue passieren. Aus diesem Kerl werde ich einfach nicht schlau. Seit unzähligen Jahren versuche ich es, aber das Gefühl, ich würde gegen eine Wand rennen, schleicht sich immer weiter ein.
Wieso führen unsere Wege an bestimmten Punkten unserer Leben erneut zusammen?
Wenn mir jemand nur diese Frage beantworten könnte. Ich spüre wie sich etwas um meine Füße schlingt und im nächsten Moment merke ich nur noch den stumpfen Schmerz in meiner Hüfte. »Lou! Bist du eigentlich geisteskrank? Wieso machst du das?« Ich sehe ihn fassungslos an. Er reagiert mit einem tiefen Knurren auf meine Aussage. »Hast du über Nacht Tollwut bekommen oder wieso bringst du mich zu Boden und knurrst mich dann auch noch an?«
Er setzt den typischen Hundeblick auf, bei dem ich ihm nie widerstehen kann.
»Ist ja schon gut, Kleiner. So war das gar nicht gemeint.« Ich befreie meine Füße aus seiner Leine und klopfe den Dreck der braunen Herbstblätter von meiner Hose ab.
Als ich nach vorne schaue, sehe ich erst, vor welchen Laden das Schicksal mich befördert hat. Auf der Scheibe des Ladens ist in einer geschwungenen Schrift Celestial Insights geschrieben. Im Schaufenster hängen lila Vorhänge, damit man nicht erkennen kann, was für ein Reich sich auf der anderen Seite befindet.
An der Tür des Ladens hängt ein Schild, auf dem geschrieben steht: Du willst wissen, wieso dein Lover dich am laufenden Band verarscht? Dann lass dir nur heute für den halben Preis deine Zukunft offenbaren.
»Wolltest du mich drauf hinweisen, Kleiner?«, frage ich Lou, aber scheinbar war es doch nicht seine Intuition, die ihn geleitet hat, denn die einzige Reaktion, die ich auf meine Frage bekommen, ist ein gelangweiltes Gähnen.
Ich beschließe die Tür des Ladens zu öffnen und mir strömt ein Geruch in die Nase, der mich direkt zurück an die Sonntage meiner Kindheit befördert. Hier wurde eindeutig mit Weihrauch gearbeitet. Der Duft, der immer stärker wird, sorgt dafür, dass ein Knoten sich in meinem Magen bildet. War ich möglicherweise von einem Dämon besessen, seitdem ich mit Kyle zu tun habe?
Als ich zwischen den transparenten violetten Vorhängen hindurch gehe, fällt mein Blick auf einen Mann. Er sitzt weit zurück gelehnt in seinem Sessel und hat seine Füße mit überkreuzten Knöcheln auf dem Tisch vor ihm ablegt. Als ich mir den Tisch ansehe, fällt mir auf, dass dort eine Sammlung von irgendwelchen Karten und Steinen drapiert ist.
Auf seinem Gesicht liegt die neuste Ausgabe der Vogue. Er regt sich kein Stück und ich fühle mich, als wäre ich unerlaubt in diesen Laden eingebrochen. Ich nehme einen seiner Steine in die Hand, um ihn mir genauer anzusehen. Im selben Moment stoße ich mit meinem Handgelenk gegen einen der Steine und dieser fällt mit einem lauten Knall auf den Boden.
»Was machst du für einen Krach? Ich bin in meiner Mittagspause. Nur, weil du als Autorin Pause machen kannst, wann du willst, heißt es nicht, dass Normalsterbliche das auch können.« In seinen Worten steckt ein Vorwurf zwischen den Zeilen, was die Luft mit Spannung füllt.
Von dem Fall des Steines habe ich mich selbst so sehr erschrocken, dass sein plötzliches Sprechen mich zusätzlich zusammenfahren lassen. Gedanklich komme ich ihm nicht einmal hinterher, als er sich die Zeitung von seinem Gesicht nimmt. Er ist ziemlich jung, womit ich nicht gerechnet habe. Wenn ich sein Alter schätzen müsste, dann ist er sicher erst Anfang zwanzig. »Ich würde mich vielleicht nicht als Normalsterblicher beschreiben, weil sonst würde ich das hier nicht machen, aber trotzdem habe ich halbwegs normale Arbeitszeiten, wie jeder andere Mensch.« Mit einer hochgezogenen Augenbraue blickt er mir entgegen.
Damit er mich nicht mit weiteren Worten aus der Bahn bringt, versuche ich, zum Reden anzusetzen. »Ich bin …«
»Meggy. Ja, ich weiß.«
Verwirrt blicke ich ihn an. »Woher weißt du, wie ich heiße? Und vor allem auch noch, dass ich Autorin bin?« In seinem Blick suche ich nach einer Antwort, auf das, was seit nicht einmal fünf Minuten hier vor sich geht.
»Schon vergessen, dass du hier bist, damit ich dir deine Zukunft vorhersage? Als ob ich dich dann nicht schon vor Wochen kommen gesehen habe, meine Bestseller-Autorin.«
»Da muss ich dich leider enttäusche. Ich bin zwar Autorin, aber keine Bestseller-Autorin. Scheinbar funktioniert dein Esoterik-Radar doch nicht so gut, wie du denkst.« Trotzig setze ich mich gegenüber von ihm an den Tisch. Unsere Blicke verlieren sich in keiner dieser Sekunden. Seine Arme hat er mittlerweile auf dem Tisch abgestützt und sein Kinn in seine Hände gebettet.
»Noch nicht, Schätzchen.« Er spricht diese Worte so langsam aus, dass er darin eine Überzeugung mitbringt, die selbst jeden Präsidenten an seinen Aussagen nicht eine Sekunde zweifeln lässt.
Fassungslos mustere ich ihn. Er scheint sich ziemlich sicher in den Dingen zu sein, die er behauptet. Mir stellt sich nur die Frage, wie er wissen kann, wer ich bin, ohne, dass wir uns je begegnet sind.
»Kannst du bitte dein Fellknäuel im Auge behalten? Er oder sie leckt die ganze Zeit an meinem Salzkristall, der da in der Ecke steht.« Er zeigt mit seinem Zeigefinger in die Richtung des Kristalles. Mir fällt direkt der Ring an seiner Hand auf. Es ist der Einzige, den er an seinen Händen trägt. Ich kann nur eine grobe Form erkennen, aber es scheint eine Schlange oder ein Drache zu sein. An ein paar Stellen sind rote Zirkonia Steine eingearbeitet.
Als ich nach Lou rufe und kommt er mit einem vor Freude wedelnden Schwänzchen zu uns an den Tisch gelaufen und ich gebe ihm als Zeichen, dass er sich neben mich legen soll. Er ist ein Teil meines Lebens, seitdem er ein Welpe ist und habe ich immer darauf geachtet, dass er lernt auf meine Befehle zu hören.
»Also was kann ich für dich tun, Meggy-Baby?«, fragt er neugierig. Diese wirkt jedoch ziemlich gespielt, da er offenbar sowieso weiß, warum ich hier bin.
»Ich wollte wissen, was in den nächsten Monaten auf mich zu kommt.« Selbst ich höre, wie zwiegespalten meine Aussage klingt. Ich bin mir auch gar nicht mehr so sicher, ob das überhaupt eine gute Idee war zu fragen.
»Ich denke zu deiner Karriere in der Zukunft habe ich dir schon genug gesagt. Ich würde sagen wir konzentrieren uns mal auf das, was dich seit den letzten Tagen ständig beschäftigt.«
Woher weiß dieser Kerl so verdammt viel und über die Dinge, die in meinem Leben passieren. Ich spüre, wie sich eine Gänsehaut auf meinem Körper bis in die Haarwurzeln meines Ansatzes ausbreitet.
»Bist du irgendwie ein kranker Stalker oder arbeitest du beim FBI? Willst du mich nach zehn Jahren überführen, weil ich als Jugendliche eine Mascara in einer kleinen Drogeriekette gestohlen habe?«
Er fängt an zu lachen, aber ich muss ehrlich gestehen, dass ich ein ganz unwohles Gefühl bei dem Ganzen habe. »Das ich mich nicht wegschmeiße bei den Fragen, die du mir stellst. Sieh mich einfach als dein persönliches Universum. Du entscheidest, ob es eine Hölle oder ein Segen für dich sein wird.« Das Lachen verschwand schnell aus seinen weichen Gesichtszügen. Genauso, wie er mich verwirrt, verändern sich seine Emotionen im Gesicht.
Von mir selbst würde ich behaupten, dass ich eine gute Menschenkenntnis besitze, aber bei ihm, da habe ich das Gefühl, ich würde in ein Meer sehen und stelle fest, wie wenig darin eigentlich bekannt ist.
»Mein persönliches Universum? Du bist echt lustig, aber beweis mir erstmal, dass dein ganzer Esoterik Müll, doch mehr draufhat, als nur gut auszusehen und mysteriös zu wirken.« Meine Augen blitzen ihn herausfordernd an. Ich bin nämlich nicht naiv und lassen mir das Geld für irgendwelche Dinge aus der Tasche ziehen, wenn er mich auch von Social Media kennen könnte.
»Wo soll ich anfangen? Damit die Königin der Dark Romance glaubt, dass mein Esoterik Müll doch nicht nur gut aussieht und mysteriös wirkt.« Als er meine Worte nachahmt, zieht er eine Grimasse, die mir bewusst macht, wie abwertend meine Aussage war.
»Sag mir etwas, was niemand außer mir wissen kann.«
»Du bist ja lustig. Ich sehe alles, was in deiner Vergangenheit, deiner Gegenwart und deiner Zukunft geschieht. Das ist für mich nichts Schwieriges.« Seine Worte lösen ein Hauch von Zweifel in mir aus. Ich bin mir unsicher, was diesen ganzen Esoterik-Kram angeht, vielleicht ist es auch Angst, die ihre Finger dabei im Spiel hat. Angst vor dem, was ich mir selbst nicht erklären kann.
»Dann sag mir doch endlich etwas, damit ich deinen Worten Glauben schenken kann.« Meine Geduld hängt aufgrund der Ereignisse, der letzten Tage nur noch an einem seidenen Faden. Er sollte besser nicht anfangen und versuchen, mich hinter das falsche Licht zu führen.
»Oh, da wird wohl jemand ungeduldig. Jetzt muss ich wirklich vorsichtig sein, dass ich nicht gleich ein Glas gegen den Schädel geschmissen bekommen.« Mit einem Zwinkern unterstreicht er seinen Satz, was mir die Wahrheit seiner Worte zeigt.
Seine Worte lösen in mir ein starkes Unbehagen aus, weshalb ich mir schnell einen Grund überlege, um aus diesem Laden zu flüchten. »Lou, ich glaube wir sollten gehen. Die Reinigung macht bald zu und wir müssen dringend noch das Kleid abholen.« Ich rede mit meinem Hund, damit ich dem Zauberer, oder was er auch ist, nicht in die Augen sehen muss, obwohl ich genau weiß, dass er die Zeichen meiner unangenehmen Flucht wahrnimmt. »Was soll ich dir für das Gespräch geben?«, frage ich ihn, da ich nicht will, dass ich seine Zeit verschwende und ihn nicht einmal dafür entlohne.
»Sieh es als Geschenk. Wir werden uns wieder sehen.«
Da wäre ich mir an seiner Stelle nicht so sicher, aber ich gebe ihm das Gefühl, dass ich wieder kommen werde. Mit einem dankenden Nicken verabschiede ich mich und gehe durch die Tür, durch die ich gekommen bin, wieder hinaus. Der erste Schritt, den ich aus dem Laden setze, fühlt sich an, als hätte ich darin eine unerledigte Aufgabe liegen lassen.
Evan
Genervt wische ich mit einem Tuch über meine Glaskugel, denn die letzte Kundin meinte, ihren kleinen Sohn mitzubringen, der alles genauestens mit seinen Kinderhänden anfassen musste. Es gibt nichts, was mich mehr stresst als Kinder und nervige Kunden. Aber sie hat gutes Geld dagelassen.
Oft denke ich an das unangenehme Flüchten von Meggy und es lässt mich jedes Mal erneut schmunzeln, wenn ich darüber nachdenke, dass sie so auf Krampf versucht, hat das Straucheln, was meine Worte ausgelöst haben, zu verbergen, damit sie aus der Situation flüchten kann.
»Wir haben dir schon vor Wochen gesagt, dass so euer erstes Treffen sein wird.«
»Ich weiß und es war lustiger als gedacht. Es war sehr interessant, jemanden vor sich zu haben, der versucht, sein Inneres zu verbergen und so kläglich scheitert. In ihrem Kopf sind bestimmt alle Alarmglocken angegangen.«
Das Universum spricht in 90 Prozent der Fälle zu mir, damit ich mit der realen und der übernatürlichen Welt kommunizieren kann. Manchmal zeigt es mir auch Bilder oder Situation, die ich dann selbst genauestens unter die Lupe nehme.
Die Ankunft von Meggy haben sie mir schon vor Wochen angekündigt, deswegen habe ich sie wirklich erwartet. Bei ihr wurde es mir vermutlich auch schon so früh mitgeteilt, damit ich mich auf sie und ihr Schicksal vorbereiten kann, da das noch eine ziemlich schwere Geburt wird.
Eine leise Melodie spielt aus der Uhr, die an meiner Wand hängt und somit hat die Stunde elf geschlagen. In zehn Minuten wird Meggy in diesen Laden stürmen und mich um Hilfe bitten.
Wie blöd, dass ich gestern das Schild mit dem halben Preis abgenommen habe. Naja, so kann ich mir wenigstens nach den Treffen mit ihr einen guten Therapeuten leisten.
Ich rücke den Stapel mit meinen Tarotkarten zurecht und bereite alles für das anstehende Gespräch mit ihr vor. Erneut schaue ich zu meiner Uhr und stelle fest, dass sie in einer Minute da sein wird.
Ich stelle mich seitlich vom Eingang hin und halte eine Konfettikanone fest umschlossen. Seit Wochen freue ich mich auf diesen Moment und kann mich vor Freude, dass dieser gleichgekommen ist, fast nicht mehr halten.
Auf die Minute genau öffnet sich die Tür meines Ladens und Meggy stürmt hektisch hindurch. Mit ihr kommt ein Schwall des kalten Oktoberwindes hinein. Mit einem festen Griff drehe ich am Ende der Kanone und diese löst einen lauten Knall aus, der das Konfetti durch den ganzen Raum trägt.
Meggys Schrei grenzt nahezu an einen, den man perfekt in einen dieser Hollywood Horrorfilme packen könnte. Ich kann mir kaum das Lachen verkneifen und ich muss mich mit meiner Hand an der Wand abstützen. »Tada! Und doch bist du wieder da. Wie ich es dir gesagt habe.« Augenscheinlich ist sie von meiner Art, wie ich sie begrüßt habe, nicht sonderlich begeistert. Aber damit muss sie jetzt leben.
Ich sehe ihr dabei zu, wie sie den Servierwagen in der Ecke des Einganges ansteuert und ohne zu fragen, ein ganzes Glas mit dem Deko-Whiskey befüllt. Diese ganze Situation ist so schräg, dass ich erstmal die Konfettikanone abstelle, meine Arme vor der Brust verschränke und mir ansehe, wie alles seinen Lauf nimmt.
Sie ext das ganze Glas in kürzester Zeit und ich frage mich, wie verzweifelt ein Mensch sein kann. Bisher habe ich keinen Schluck davon getrunken, da mich allein der Geruch schon zum Würgen bringt. Selbst der Geschmack scheint sie davon nicht abzubringen.
»Hättet ihr mir mal sagen können, dass sie so hier auftaucht?«
»Das haben wir selbst nicht kommen gesehen. Vielleicht war auch der letzte Stoß deine tolle Willkommens-Parade.«
Das möchte ich gar nicht mal ausschließen. Vielleicht war das der Fall, aber ich denke es war dann nur noch die Kirsche auf der Sahnehaube. »Du weißt, dass dieser Whiskey 400 Dollar kostet? Ich habe ihn aus Frankreich importieren lassen. Deswegen dient er auch eigentlich nur für Dekozwecke.« Ihr Gesicht verliert an Farbe, als ich ihr sage, was für ein luxuriöses Getränk sie gerade geext hat.
»Er kostet was? Wer zum Teufel stellt sich einen 400 Dollar Whiskey hierhin zur Deko?« Ich merke, wie es in ihrem Kopf anfängt zu rattern. Sie ist am überlegen, ob sie gleich kotzen oder ihn mir ersetzen muss.
»Entspann dich, das war ein Scherz. Ich habe ihn aus dem Kiosk um die Ecke für vier Dollar gekauft. Ich habe ihn dann nur in eine hübschere Flasche gefüllt.« Sie lässt ihre Schultern vor Entspannung sinken und gleichzeitig breitet sich ein großes Grinsen auf ihrem Gesicht aus.
»Ich wollte schon sagen, wenn so ein 400 Dollar Whiskey schmeckt, dann möchte ich mir so einen niemals leisten können.« Wir beide laufen laut lachend in den Raum, in dem ich meine Prophezeiungen mache. Wir nehmen an dem Ort Platz, von dem sie vor ein paar Tagen geflüchtet ist.
»Wieso bist du wieder hier? Ich dachte, du wolltest nie wieder kommen nach deinem ziemlich unangenehmen Abgang?« Ich konzentriere mich darauf, sie nicht auszulachen, da ich jetzt erst merke, wie fertig sie eigentlich aussieht. Sie hatte es wohl eilig, weil sie sich ihre langen Haare in einem Dutt am Hinterkopf festgebunden hat und offenbar noch ihre Schlafhose trägt.
»Hatte ich auch eigentlich vor, aber dann kam mein Freund oder als was man ihn sonst bezeichnen will, wieder um die Ecke. Er tut einfach so, als wäre nie was gewesen. Kannst du mir das glauben?« So wie sie mir die Worte förmlich entgegen spuckt, fängt entweder der Whiskey an zu wirken oder sie hat so viele Gedanken, dass es ihr schwerfällt sie zu sortieren.
»Das mit dem Glas und Kyle habe ich dir zwischen den Zeilen gesagt, damit du merkst, dass mein ganzer Esoterik-Kram nicht nur mysteriöser Müll ist, wie du es die ganze Zeit sagst.« In meinen Worten schwingt ein gezielter Vorwurf mit, damit sie endlich mal versteht, was ich ihr eigentlich sagen will.
»Kannst du bitte damit aufhören? Das ist langsam echt gruselig. Wie machst du das? Ich habe halt auch einfach absolut keinen Plan von diesem ganzen Esoterik-Kram.« In ihrer Stimme schwingt ein Hauch von Hilflosigkeit mit, weil sie offenbar keine Ahnung hat, wie sie weitermachen soll.
»Erstmal fangen wir damit an, dass ich kein Freund von dem Wort Esoterik bin. Können wir bitte bei dem Spirituellen bleiben? Danke. Außerdem kannst du so oft versuchen mir etwas vorzumachen, aber ich sage dir jetzt schon, das wird nichts bringen. Ich sehe alles, was die Person gegenüber mir zulässt zu sehen. Du denkst für Außenstehende bist du unlesbar. Für mich jedoch, ist es das Einfachste der Welt, denn dich kann man lesen wie ein offenes Buch, was nicht einmal versucht, geschlossen zu sein.« Ihr Gesichtsausdruck wirkt, als hätte ich sie geohrfeigt.
»Okay … tut mir leid«, gibt sie kleinlaut zurück, was wenigstens zeigt, dass sie anfängt, meinen Worten Glauben zu schenken.
»Wie heißt du eigentlich? Du hast dich bis jetzt noch nicht einmal vorgestellt, außer als mein persönliches Universum.«
»Ich heiße Evan und ich bin trotzdem noch dein persönliches Universum oder vielleicht auch dein persönlicher Todesengel, wie du es eben bezeichnen magst.« Diesmal unterdrücke ich das Lachen nicht, da ich es einfach lustig finde, wie meine Worte sie verunsichern.
»Kannst du mir bitte sagen, wie das mit Kyle weitergeht? Wenn du schon mein persönliches Universum bist.« Ich merke, dass diese Frage ihr schon bei ihrem letzten Besuch auf der Zunge gebrannt hat, aber ich lasse sie noch etwas zappeln.
»Sag ihr nicht zu viel, denn sie könnte sich selbst ihr Schicksal verbauen, wenn du sie frühzeitig auf Dinge stößt. Du kannst ihr sagen, dass sie sich leider mit dem Gedanken abfinden muss, dass Kyle immer ein Bestandteil ihres Lebens sein wird.«
»Ich kann dir nur sagen, dass du ihn so schnell nicht loswirst, so sehr du es dir auch wünschst. Er wird immer ein Teil deines Lebens sein und da kannst du alles wenden oder drehen.«
Verzweifelt lässt sie sich zurück in den Stuhl fallen und stöhnt dabei auf. »Hasst du mich oder wieso wünschst du mir so was Schlechtes?«, fragt sie mich, ohne scheinbar darüber nachzudenken, was sie mir da eigentlich vorwirft.
»Ich kenne dich zu wenig, um dich zu hassen und ich verfluche meine Feinde eher. Das ist aber ein anderes Thema. Und wieso genau sollte ich dir was Schlechtes wünschen? Den Grund würde ich gerne mal wissen.« Nachdem ich die letzten Worte ausgesprochen habe, bricht sie in Tränen aus. Ihr Gesicht nimmt eine leichte Röte an und das Weinen wird zu einem Heulen, was die Tränen über ihre Wangen jagt.
»Hör auf zu heulen, ist ja schlimm mit dir. Ich kann mit sowas nicht umgehen.« Ich reiche ihr die Box mit Taschentüchern, weil ich sonst nicht anders mit meiner Überforderung umgehen kann. Ich habe für den Notfall immer welche da, denn in manchen Sitzungen wünschen sich Kunden oft, dass ich mit Verstorbenen kommuniziere, und in den meisten Fällen werden diese dann benötigt.
»Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Ich dachte schon unzählige Male, dass es vorbei ist, aber immer wieder führen unsere Wege zusammen und ich ramme mir selbst mit voller Wucht das Messer in die Brust.« Sie trocknet ihre Tränen mit dem Tuch ab und ihr Körper erholt sich von dem Ausbruch ihrer Emotionen.
»Ich würde dir auch gerne was anderes sagen, weil ich jetzt gesehen habe, wie schlimm diese Zukunft offenbar für dich ist. Jedoch kann ich es nicht. Es ist dein Schicksal, was für dich bestimmt ist und egal wie sehr du versuchen wirst, es zu ändern, wirst du nicht drum herumkommen.« Ich schenke ihr einen mitleidigen Blick, um mein Mitgefühl auszudrücken.
Ich nehme ihre Hand in meine und umschließe sie ganz fest. »Ich werde versuchen, auf deinem Weg dir deine Zukunft so leicht wie möglich zu machen. Sieh mich nicht nur als dein Universum, sondern auch als dein Eremit, der dir den Weg zeigen wird.« Ich versuche, ihr mit meinen Worten etwas Halt zu geben. Ich bin eigentlich nicht der Mensch, der anderen Halt gibt, weil er selbst oft allein gelassen wurde. Aber ich sehe meine Aufgabe auf diesem Planeten darin, Menschen zu heilen und ihnen Antworten zu geben, die es realistisch gesehen nie geben würde.
»Was ist ein Eremit?«, fragt sie neugierig und ich finde es schön zu sehen, dass sie anfängt, sich langsam für das Spirituelle zu interessieren.
»Der Eremit ist eine Karte aus dem Tarotdeck. Er steht für die Wegweisung. Er ist weise und seine Aufgabe liegt darin, Menschen auf den richtigen Weg zu führen, auch wenn sie ihn manchmal aus den Augen verlieren.« Erkläre ich ihr die schöne Seite des Eremiten, jedoch lasse ich aus, dass er eigentlich ein sehr einsamer Mensch ist. Der seine Weisheit durch das Erleben seiner eigenen Welt erlangt hat.
»Werde ich ihr je helfen können?«
»Ja, das ist deine Aufgabe für die Zukunft. Gib ihr die Stärke, die sie braucht, wenn sie sich an das Schicksal mit Kyle gewöhnen muss.«
»Ich hoffe, dass ich das Schaffen werde und nicht daran scheitere.«
»Du schaffst das schon, unser Eremit. Du bist nicht allein, du hast uns.«
Meggy
Ich liege auf dem Boden. Die Kälte des Parketts umschlingt meinen Körper. Die physische Kälte passt sich der meiner psychischen an. Ich fühle mich leer und weiß nicht, wie ich mit dem Gedanken umgehen soll, dass Kyle der Mann sein wird, an den ich mein Leben lang gefesselt sein werde.
Womit habe ich dieses schlimme Schicksal verdient? Er bringt jedes Mal meine schlimmsten Seiten zum Vorschein und ich möchte nicht, dass so jemand mich auf jedem meiner Wege begleiten soll.
Ich höre das leise Tapsen von Lou, der sich zu mir hinbewegt. Er kennt solche Situationen mittlerweile, da er meine Zusammenbrüche immer miterlebt. Sein kleiner Körper schmiegt sich dicht an meinen Arm. Er ist mein Seelenhund und ich will niemals den Tag erleben, an dem er von dieser Erde geht. Er ist wie mein eigenes Kind. Für ihn würde ich mein Leben geben, wobei er mich vermutlich für ein Leckerli gratis weggeben würde.
Mit meiner Hand fahre ich über seinen kleinen Kopf. Ich streichele die Stelle hinter seinem Ohr, die er besonders liebt.
»Es ist alles gut Kleiner, Mami ist nur ein bisschen traurig.« Ich bin nicht nur traurig, sondern gleichzeitig auch wütend. Am meisten auf mich selbst, weil ich weiß, dass ich mich immer wieder von Kyle verarschen lasse.
Was ist das denn für eine Scheiße mit Kyle? Kann mir das eigentlich mal jemand beantworten. Ich nehme das Kissen, was über mir auf der Sofakante liegt. Der flauschige Stoff drückt mir die Luft ab und ich schreie mir den ganzen Frust aus meiner Seele raus.
Ich lege das Kissen auf die Seite und setze mich auf. Lou krabbelt direkt auf meinen Schoß und ich drücke seinen Körper ganz fest mit umschlossenen Armen an mich ran. Er gibt mir den Halt, den ich gerade suche, also muss er herhalten.
Ich schrecke auf, als das nervige Geräusch meiner Wohnungsklingel ertönt. Mein Puls ist in Sekundenschnelle nach oben geeilt. Als wäre ich aus dem Stand losgesprintet. Diese gottverdammte Klingel kann ich wirklich langsam nicht mehr hören und kann es kaum erwarten endlich aus dieser Wohnung auszuziehen. Ich habe bisher nur noch nicht den richtigen Stadtteil gefunden.