Spirituelle Geschichten aus Indien - Ramana Maharshi - E-Book

Spirituelle Geschichten aus Indien E-Book

Ramana Maharshi

4,3

Beschreibung

Ramana Maharshi, der große südindische Weise vom Berg Arunachala, erzählte in seinen Gesprächen mit Anhängern und Besuchern viele Parabeln und Geschichten aus dem reichen mythologischen Schatz der Götter- und Heiligenlegenden Indiens. Damit veranschaulichte und unterstrich er gern den einen oder anderen Punkt seiner Lehre. Er war ein großartiger Erzähler, denn er schlüpfte in die Rolle der jeweiligen Figur und spielte sie. In dieser Sammlung sind verschiedene Legenden über die drei Hauptgottheiten Shiva, Vishnu und Brahma sowie andere Gottheiten und Heilige enthalten. Ein wesentlicher Teil bildet auch eine Auswahl der Legenden über die berühmten südindischen Shiva-Heiligen aus dem Periya Puranam und Erzählungen aus dem Yoga Vasishta. Das Buch wurde von Gabriele Ebert übersetzt und nach indischen Vorlagen illustriert.

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Ramana Maharshi

INHALTSVERZEICHNIS

Vorbemerkung

Einleitung

Verschiedene Geschichten und Erzählungen

Selbst-Hingabe: die Geschichte von König Janaka und dem Weisen Ashtavakra

Der Jnani and der Siddha: Prabhulinga und Gorakhnath

Vierundzwanzig Gurus: Dattatreya

Tritt ein ins Herz: Eine Geschichte aus dem Vichara Sagaram

Buddha

Der Sadhu mit den drei Steinen

Einweihung

Friede ist das einzige Kriterium

Die Knoblauchpflanze

Ich und Du: Ribhu und Nidagha

Ernsthaftigkeit

In der Welt, aber nicht von der Welt

Völlige Versenkung: Tukaram

Stille Frömmigkeit

Der unbekannte zehnte Mann

Gott arbeitet für seine Verehrer

Jeder spiegelt sein eigenes Wesen wider

Die Bezahlung des Meisters

Der Fehler liegt in der Zurschaustellung

Die Berührung des Brahmachari

Der König und seine Minister

Die Bedeutung von Japa

Schweigende Beredsamkeit

Das Oberhaupt eines Math

Der Gottverehrer Ekanath

Der unreife Topf

Der Gefallene (Tapo Bhrashta)

Die Buße des Yogis

Der Fluch des Brahmanen

Kabir

Kamal, Kabirs Sohn

Der gegenseitige Fluch

Der Herr selbst kommt

Die Befreiung eines Dornenstrauchs

Thondaradipodi

Prahlada

Der Brahmane und der Büffel

Der fremde Hochzeitsgast

Tattuvarayar und Swarupanandar

Brahma, Vishnu und Shiva

Schweigen ist die wahre Unterweisung (Upadesa)

Dakshinamurti

Brahmas Stolz

Gewandte Sprache

Parvatis Prüfung

Das Umschreiten des Selbst

Ardhanareeswara

Periya Puranam

Das Feuer der Hingabe

Der Segen der Mutter

Der Herr ist in mir

Pilgerreise zum Arunachala

Sambandar und Appar

Der heilige Appar

Es gibt nichts aussen

Sundaramurthi

Der Swami ist überall

Sundaramurthis Verpflichtung zum Dienst

Manikkavachakar

Wie das Tiruvachakam entstanden ist

Die Geschichte vom heiligen Jäger Kannappar

Yoga Vasishta

Brahma, der Schöpfer

Der Zauber der Selbstverwirklichung

Almosen für den König

Universale Gleichheit

Auf Eins gerichtet sein

Die Lektion des Siddhas

Glossar

Literaturverzeichnis

VORBEMERKUNG

Ramana Maharshi erzählte viele Heiligenlegenden, Parabeln und Geschichten aus der indischen Mythologie. Er besaß ein hervorragendes Gedächtnis. Sobald er irgendwo eine Geschichte las oder hörte, konnte er sie sich merken und mit seinem schauspielerischen Talent packend erzählen. Die Geschichten sind eingebettet in die Gespräche, die er mit seinen Devotees und Besuchern führte. Er kommentierte sie oft oder illustrierte mit ihnen einen wesentlichen Punkt seiner Antwort für den jeweiligen Frager.

Man muss auch bedenken, dass das erste spirituelle Buch, das auf ihn einen bleibenden Eindruck machte, das Periya Puranam, die Legendensammlung der 63 südindischen Heiligen von Sekkizhar war, das er als Jugendlicher mit sechzehn nach seinem Erleuchtungserlebnis in die Hände bekam. Auszüge davon sind auch in diesem Buch enthalten.

John Greenblatt hat die von Ramana erzählten spirituellen Geschichten aus verschiedenen Schriften über ihn zusammengetragen. Ich habe sie übersetzt, noch um einige Geschichten erweitert und nach Vorlagen von indischen Darstellungen, die ich im Internet gefunden habe, illustriert.

Die Quellen habe ich – soweit ich sie ermitteln konnte – am Ende der jeweiligen Geschichte hinzugefügt. Die Fußnoten sind eigene Erläuterungen, und einige Einleitungstexte wurden von mir erweitert.

Ich danke dem Ramanashram sehr herzlich für die Genehmigung für diese Übersetzung.

Gabriele Ebert, im Mai 2015

EINLEITUNG

Der Geist möchte gern das Undefinierbare definieren. Dafür muss er seine eigenen Hilfsmittel gebrauchen, um die höchste Wahrheit in einer einfachen und trotzdem wirksamen Sprache zum Ausdruck zu bringen. Parabeln und Geschichten, die in den religiösen Schriften Indiens reichlich vorhanden sind, weben einen bunten Faden durch alle tiefgreifenden spirituellen Wahrheiten der Menschheit. Diese religiösen Schätze Indiens werden von den Eltern zu den Kindern überliefert und haben bis heute einen wichtigen Einfluss.

Sivaprakasam Pillai, einer der frühesten Devotees, der die spirituelle Größe Bhagavan Sri Ramana Maharshis erkannt hatte, sagte: »Sri Ramana Bhagavan hat den Zustand Brahmans erlangt, ohne das Wort Brahman überhaupt zu kennen.« Denn erst einige Jahre später brachten Devotees ihm Bücher, die seinen eigenen Zustand, den er intuitiv erfahren hatte, beschrieben. Mit seiner guten Erinnerungsgabe verstand er die Essenz all dieser Bücher, sobald er sie las, und konnte bei gegebenem Anlass spontan die passende Geschichte oder Parabel erzählen. In Sri Ramanas eigenen Worten wird die Schönheit und Weisheit, die in diesen Geschichten steckt, noch schöner und die Essenz noch deutlicher.

Sri Bhagavan erzählte nicht nur die Geschichte, sondern stellte sie zur Freude seiner Devotees auch schauspielerisch dar. War die Geschichte besonders bewegend, traten ihm Tränen in die Augen. Kunju Swami berichtet: »Er erzählte seine Geschichten so ansprechend, dass wir alles liegen ließen und zu ihm rannten, um zuzuhören, selbst wenn wir die Geschichte schon oft gehört hatten.« S.S. Cohen berichtet in seinem Buch ›Guru Ramana‹: »Bhagavan sagte ein Gedicht eines Vishnu-Heiligen aus der Erinnerung auf, in dem es heißt: ›Halte mich fest in Deiner Umarmung, oh Herr.‹ Dabei breitete er seine Arme vor sich aus, während seine Augen einen leidenschaftlichen Ausdruck annahmen und seine Stimme zitterte. Es war faszinierend, wie er die Geschichte, die er erzählte, spielte.« Als er einmal die Geschichte über Tara Vilasam erzählte, traten ihm Tränen in die Augen, und seine Stimme begann zu zittern. Es war, als würde sich das ganze Drama in seiner Gegenwart abspielen. Suri Nagamma, die das bemerkte, meinte: »Sri Bhagavan hat sich in Tara verwandelt.« Da nahm sich der Meister zusammen und sagte lächelnd: »Was soll ich tun? Ich identifiziere mich mit jedem. Ich habe keine getrennte Identität. Ich bin universal.«

Auf den Vorschlag von Lucia Osborne hin haben wir die Anlässe eingefügt, die Sri Bhagavan dazu dienten, die jeweilige Geschichte zu erzählen. Einige neue Geschichten wurden eingefügt sowie ein Glossar der Sanskrit- und Tamil-Begriffe. Besonderen Dank geht an S. Tyagarajan, der das Manuskript zusammen mit Kunju Swami sorgfältig korrigiert hat.

Dieses kleine Werk widmen wir Sri Bhagavan, dessen Führung, Gnade und Liebe uns dazu veranlasst hat, diese Sammlung von Geschichten zu erstellen. Wir erbitten seine Gnade und seinen Segen. Mögen seine Worte uns dazu inspirieren, uns nach innen zu wenden.

Joan Greenblatt, 5. August 1984

VERSCHIEDENE GESCHICHTEN UND ERZÄHLUNGEN

Wenn Sri Bhagavan etwas aus seiner großen Geschichtensammlung erzählte, veränderte er sich. Einmal beschrieb er Gautamas Freude, als die Göttin Parvati in seinen Ashram kam. Er konnte nicht weitererzählen, da ihm Tränen in die Augen traten und seine Stimme zitterte. Er versuchte, seine Bewegtheit vor den anderen zu verbergen, und sagte: »Ich weiß nicht, wie die Leute solche Geschichten erzählen können, ohne zusammenzubrechen. Ich vermute, sie müssen ihre Herzen hart wie Stein machen, bevor sie mit dem Erzählen beginnen.«

SELBST-HINGABE: DIE GESCHICHTE VON KÖNIG JANAKA UND DEM WEISEN ASHTAVAKRA

Ashtavakra belehrt König Janaka

Diese Geschichte leitet die Ashtavakra Gita, die Belehrung, die Ashtavakra König Janaka erteilte, ein.

Frage: »Ich fürchte, dass Selbstverwirklichung nicht leicht zu erlangen ist.«

Maharshi: »Warum machst du es dir schwer, indem du an ein Scheitern denkst? Mach weiter. Die Selbstverwirklichung stellt sich bei einem ernsthaften Sucher ein, ehe man bis auf drei zählen kann.«

Um das zu verdeutlichen, erzählte Sri Bhagavan folgende Geschichte:

König Janaka hörte einer philosophischen Abhandlung zu, die der Staats-Gelehrte (pandit) vorlas. Darin kam ein Abschnitt vor, der besagte, dass ein Reiter, der seinen ersten Fuß in den Steigbügel gestellt hat und dabei über die Verwirklichung meditiert, das Selbst verwirklichen könne, noch ehe er seinen zweiten Fuß erhoben hat, um in den zweiten Steigbügel zu steigen. Das bedeute, dass die Verwirklichung sich sofort einstelle. Der König wies den Gelehrten an, nicht mehr weiterzulesen, und befahl ihm, den Beweis für diese Behauptung zu erbringen. Da bekannte der Gelehrte, dass er nur ein Bücherwurm sei und über kein praktisches Wissen verfüge. Janaka meinte, der Text müsse entweder falsch oder stark übertrieben sein, aber der Gelehrte stimmte ihm nicht zu. Obwohl er keine Erfahrung weiterzugeben hatte, behauptete er, dass der Text weder falsch noch übertrieben sein könne, da er die Worte weiser Männer der Vergangenheit enthielte. Janaka ärgerte sich über ihn, bekam einen Wutanfall und ließ ihn ins Gefängnis werfen. Jeden Gelehrten, der sich als Weiser ausgab, aber diese Textstelle nicht beweisen konnte, ereilte dasselbe Schicksal.

Aus Angst, eingesperrt zu werden, flohen einige Gelehrte aus dem Land und lebten freiwillig im Exil. Als zwei oder drei von ihnen durch einen dichten Wald flohen, trafen sie auf Ashtavakra1, der trotz seiner Jugend sehr weise war. Als Ashtavakra von ihrer Notlage erfuhr, bot er an, dem König die Wahrheit der Textstelle zu beweisen und die gefangenen Gelehrten freizubekommen. Von dieser kühnen Beteuerung beeindruckt, brachten sie ihn in einer Sänfte zum König.

Als der König den Weisen kommen sah, erhob er sich und grüßte ihn mit äußerster Ehrerbietung. Ashtavakra wies den König an, alle Gelehrten freizulassen. Janaka dachte, dass nur jemand einen solchen Befehl erteilen könne, der seine Zweifel beseitigen konnte. Also ließ er die Gelehrten frei und bat den Weisen, sein Pferd bringen zu lassen. Der Weise riet ihm, nichts zu übereilen, und schlug vor, mit ihm an einen einsamen Ort zu gehen.

Also verließen der König auf seinem Pferd und der Weise in der Sänfte die Stadt. Als sie den Wald erreichten, bat der Weise den König, seine Gefolgschaft zurückzuschicken. Der König tat, wie ihm geheißen. Dann stellte er seinen ersten Fuß in den Steigbügel und forderte den Weise auf, jetzt die Richtigkeit dieses Textes zu beweisen. Der Weise meinte zweifelnd, ob diese Situation wohl der rechten Meister-Schülerschaft entspräche. Da verstand der König, dass er die nötige Ehrfurcht vor Ashtavakra zeigen müsse, und bat ihn um Gnade. Der Weise sprach ihn nun mit ›Janaka‹ an, denn er war nicht länger ein König, und erklärte ihm, dass ein wahrer Schüler sich und seinen ganzen Besitz dem Meister überlassen müsse, bevor er die Unterweisung der Erkenntnis Brahmans (Brahma jnana) erhalten könne. »So soll es sein!«, erwiderte der König. »So soll es sein!«, antwortete der Weise und verschwand im Wald.

Von diesem Zeitpunkt an konnte Janaka sich nicht mehr bewegen. Den einen Fuß hatte er im Steigbügel und den anderen in der Luft baumeln, als wäre er zur Statue erstarrt. (Als Sri Bhagavan das erzählte, imitierte er die Position von König Janaka.)

Die Zeit verging. Als die Stadtbewohner kein Anzeichen dafür fanden, dass der König zurückkehren würde, bekamen sie es mit der Angst zu tun und machten sich nach ihm auf die Suche. Sie kamen an die Stelle, wo Janaka erstarrt war, und waren bestürzt, als er nicht auf sie und ihre ernsten Fragen reagierte. Sie begannen, nach Ashtavakra zu suchen, der ein Scharlatan sein musste, da er ihren König verzaubert hatte, wie sie dachten, und schworen Rache. Bekümmert brachten sie den König in einer Sänfte in die Stadt zurück, um für ihn zu sorgen. Doch der Zustand des Königs veränderte sich nicht.

Schließlich wurde Ashtavakra gefunden. Die Minister flehten ihn an, den Zauber zu beenden und den König in seinen normalen Zustand zurückzuversetzen. Gleichzeitig machten sie ihn für den Zauber verantwortlich. Ashtavakra überging ihre unwissenden Bemerkungen und rief Janaka beim Namen. Der grüßte ihn sofort und antwortete. Die Minister waren erstaunt. Ashtavakra sagte zum König, er sei von den Leuten böswillig verdächtigt worden, ihn in diese schlimme Notlage gebracht zu haben, und bat ihn, die Wahrheit zu erzählen. Da fragte der König ärgerlich: »Wer hat das gesagt?« Die Minister waren verwundert und baten um Erbarmen. Ashtavakra wies den König an, wieder normal zu reagieren, und fügte hinzu, dass nur reifen Menschen die Erkenntnis Brahmans (Brahma jnana) gelehrt werden könne. Da der König den Test erfolgreich bestanden habe, würde er ihm diese Erkenntnis jetzt übermitteln.

Der Weise verbrachte die Nacht über allein mit dem König und lehrte ihn die endgültige Wahrheit. Er sagte: »Brahman ist nichts Neues oder von dir Getrenntes. Es ist keine bestimmte Zeit und kein bestimmter Ort nötig, um Es zu verwirklichen.« Er schloss: »›Das bist Du‹ (tat tvam asi). Das ist das ewige und unendliche Selbst.«

Am folgenden Morgen sahen die Minister, dass der König eine Versammlung einberief und seines Amtes waltete wie üblich. Bei der Hofversammlung fragte Ashtavakra den König, ob sein früherer Zweifel, ob Brahma jnana so unmittelbar und schnell erlangt werden könne, wie die Schriften sagen, beseitigt worden sei. Wenn ja, so möge er sein Pferd bringen lassen und vorführen, dass es wahr sei.

Der König war jetzt sehr demütig und sagte: »Herr, weil ich unreif war, habe ich die Richtigkeit dieses Textes bezweifelt. Jetzt weiß ich, dass jeder Buchstabe davon wahr ist.«

Die Minister dankten dem Weisen.

(Swarnagiri: Erfahrungen, S. 49-52; Nagamma: Briefe, 24.4.1948; Nagamma: Letters and Recollections, S. 28-35)

DER JNANI AND DER SIDDHA: PRABHULINGA UND GORAKHNATH

Eines Tages wurde über Hata Yoga und ähnliches gesprochen. Da erzählte Sri Bhagavan folgende Geschichte aus dem Prabhulingalila, einem bekannten tamilischen Werk des Weisen Sivaprakasa Swamigal.

Prabhulinga, der Gründer der Lingayat-Sekte2, die es inzwischen nur noch im Karnataka-Staat gibt, reiste zur Erbauung der spirituell Gesinnten durchs Land. In Gokarnam, einem berühmten Pilgerort an der Westküste Indiens, traf er den berühmten Yogi Gorakhnath. Der Yogi grüßte Prabhulinga respektvoll, war sich aber voller Stolz seiner außergewöhnlichen Kräfte über die Elemente bewusst. Er betrachtete seinen Gast mehr oder wenig als ihm ebenbürtig, sagte, er freue sich, ihn zu treffen, und fragte ihn, wer er sei.

Prabulinga erwiderte, dass nur einer, der sein Ego ein für alle Mal vernichtet habe und verwirklicht sei, wissen könne, wer er sei. Er würde sich fragen, was er zu jemandem, der an seinem vergänglichen Körper hing, sagen sollte. Gorakhnath, der sich mit seinem Körper identifizierte, antwortete: »Nur wer durch die Gnade Shivas und den Verzehr von Heilkräutern die Unsterblichkeit des Körpers erlangt hat, wird niemals sterben. Jeder andere stirbt.«

Prabhulinga entgegnete, dass Erkenntnis in der Verwirklichung des eigenen Selbst bestünde und nicht darin, den Körper unsterblich zu machen. Er erklärte ausführlich, dass der Körper nicht das wahre Selbst sein könne. Doch Gorakhnath war davon nicht zu überzeugen und gab nicht nach. Stolz forderte er Prabhulinga heraus, er möge versuchen, seinen Körper entzweizuschneiden, und händigte ihm ein langes, scharfes Schwert aus. Als das Schwert Gorakhnath traf, konnte es ihn nicht verletzen, war dabei aber stumpf geworden.

Prabhulinga tat so, als sei er überrascht, und forderte dann Gorakhnath auf, im Gegenzug zu versuchen, seinen Körper zu zerteilen. Zunächst zögerte Gorakhnath und warnte Prabhulinga, dass er sterben würde. Aber Prabhulinga bestand darauf. Da ergriff Gorakhnath das Schwert und versuchte, Prabhulingas Körper zu zerteilen. Zu seiner großen Verwunderung durchdrang das Schwert Prabhulinga, ohne ihn zu verwunden. Es war, als zerschneide es nur einen leeren Raum!

Erst jetzt war der siddha Gorokhnath bereit, die Überlegenheit des jnani Prabhulinga anzuerkennen. Er war in seinem Stolz gedemütigt und bat Prabhulinga, ihn in der Wahrheit zu unterweisen. Prabhulinga erklärte ihm Brahma vidya (die Erkenntnis Brahmans) folgendermaßen: »Gorakhnath, denke nicht, dass dein Körper das Selbst ist. Suche den, der in deinem Herzen wohnt, und du wirst ein für alle Mal die Krankheit von Geburt und Tod los sein. Die Höhle ist nur in deinem Herzen. Der Bewohner der Höhle heißt Gott oder ›Ich bin Das‹.«

(Sundaresa Iyer, S. 89-92; Swarnagiri: Erfahrungen, S. 54-58; Talk 334)

2 eine Shiva-Sekte; Prabhulinga war ein jnani aus dem 12. Jh.

VIERUNDZWANZIG GURUS: DATTATREYA

Ein König ging in Begleitung seiner Armee und seines Gefolges mit allem Prunk und Pomp durch einen Wald. Da traf er einen Mann, der nicht einmal einen Lendenschurz trug. Er lag auf dem Boden, hatte ein Bein über das andere geschlagen und lachte. Anscheinend war er sehr glücklich und mit sich und der Welt zufrieden. Der König wunderte sich darüber, dass er so glücklich war, und ließ ihn herbeirufen. Aber als die Männer des Königs zu ihm kamen, reagierte er nicht und blieb in seinem Zustand. Als das dem König mitgeteilt wurde, ging er selbst zu ihm hin, doch der Asket nahm auch von ihm keinerlei Notiz.

Da dachte der König: »Dies kann kein gewöhnlicher Mann sein« und sagte: »Swami, du bist offensichtlich sehr glücklich. Dürfen wir erfahren, was das Geheimnis deines Glücks ist und welcher Guru es dich gelehrt hat?« Da antwortete der Asket: »Ich hatte vierundzwanzig Gurus. Ich habe von allen gelernt, von diesem Körper, der Erde, den Vögeln, von Dingen und Menschen.«

Man kann alles in dieser Welt in Gut und Böse einteilen. Das Gute hatte ihn gelehrt, was er suchen sollte, und das Schlechte, was er vermeiden sollte. Der Asket war der avadhuta Dattatreya.

(Devaraja Mudaliar: Tagebuch, 22.11.45)

TRITT EIN INS HERZ: EINE GESCHICHTE AUS DEM VICHARA SAGARAM

Ein Devotee, der unerwartet seinen einzigen Sohn verloren hatte, kam in seinem großen Kummer zu Bhagavan und suchte Trost bei ihm. Er stellte einige Fragen, die seinen Kummer zum Ausdruck brachten. Bhagavan bat ihn wie üblich, Selbstergründung zu üben und herauszufinden, wer Kummer habe. Der Devotee war damit nicht zufrieden. Da sagte Bhagavan: »Nun gut. Ich werde dir eine Geschichte aus dem Vichara Sagaram3 vorlesen. Hör mir gut zu.«

Zwei junge Männer namens Rama und Krishna teilten ihren Eltern mit, dass sie ins Ausland gehen würden, um dort weiter zu studieren und dann viel Geld zu verdienen. Nach einiger Zeit starb einer von ihnen unerwartet. Der andere beendete erfolgreich sein Studium, verdiente gut und führte ein glückliches Leben. Nach einiger Zeit bat er einen Kaufmann, der in seinen Heimatort kommen würde, seinem Vater mitzuteilen, dass er wohlhabend und glücklich sei und dass sein Kamerad gestorben sei. Der Kaufmann gab die Nachricht falsch weiter und sagte zum Vater des Lebenden, dass sein Sohn tot sei, und zum Vater des Toten, dass sein Junge viel Geld verdient habe und ein glückliches Leben führe. Die Eltern des Toten waren glücklich, weil sie dachten, dass ihr Sohn nach einiger Zeit wiederkommen würde, während die Eltern des Lebenden trauerten. Sie hatten ihre Söhne nicht gesehen. Die jeweilige Nachricht hatte sie glücklich bzw. traurig gemacht. Das ist alles.

So ähnlich ist es auch mit uns. Wir glauben alle möglichen Dinge, die uns der Geist weismacht, und werden irregeführt, indem wir denken, dass das, was existiert, nicht existiert und andersherum. Wenn wir dem Geist nicht glauben, sondern ins Herz eintreten und den Sohn sehen, der in unserem Innern ist, brauchen wir ihn nicht außen zu sehen.

(Nagamma: Briefe, 12.7.1947; Talk 614)

3 Das Vichara Sagaram von Nischal Das in Hindi ist ein populäres Vedanta-Werk aus dem 19. Jh.

BUDDHA

In einem Gespräch über Nicht-Anhaftung sagte Bhagavan: »Einer unserer Vorfahren schrieb: ›Du, oh Herr, hast mir Hände gegeben, die ich mir als Kissen unter den Kopf legen kann, ein Gewand, um mich zu bekleiden, und Hände zum Essen. Was brauche ich mehr? Das ist mein großes Glück!‹ Das ist der Inhalt des Verses. Kann man denn ausdrücken, wie groß dieses Glück ist? Selbst mächtige Könige sehnen sich danach. Es gibt nichts, was sich damit vergleichen ließe. Ich habe beides erfahren und kenne den Unterschied. Diese Betten, dieses Sofa und alles um mich herum ist Bindung.«

Eine Devotee fragte: »Ist nicht Buddha dafür ein Beispiel?«

Daraufhin sprach Sri Bhagavan über Buddha.

Bhagavan: »Ja. Obwohl er im Palast allen Luxus der Welt hatte, war er traurig. Deshalb sorgte sein Vater für noch mehr Luxus. Aber nichts davon konnte Buddha befriedigen. Um Mitternacht verließ er Frau und Kind und verschwand. Er lebte sechs Jahre in großer Entbehrung, verwirklichte das Selbst und wurde zum Wohl der Welt ein Bettler (bhikshu). Erst jetzt war er glücklich. Was brauchte er noch?«

Ein Devotee fragte: »Kehrte er nicht als Bettler in seine Stadt zurück?«

Bhagavan: »Ja. Als sein Vater Suddhodana davon erfuhr, schmückte er den königlichen Elefanten und ging mit der ganzen Armee auf der Hauptstraße seinem Sohn entgegen. Buddha kam aber auf Seitenstraßen und Gassen in die Stadt. Er schickte seine Begleiter betteln, während er seinem Vater entgegenging. Wie konnte sein Vater ihn in dieser Bettlergestalt erkennen? Yasodhara (die Frau Buddhas) erkannte ihn jedoch, hieß ihren Sohn, sich vor seinem Vater zu verneigen, und verneigte sich selbst. Da erkannte ihn auch sein Vater.

Suddhodana hatte nicht erwartet, seinen Sohn in diesem Zustand zu sehen. Zornig rief er: ›Schäme dich! Was ist das für eine Kleidung? Wie kann einer, dem die größten Reichtümer gehören, so daherkommen? Ich habe genug!‹

Wütend sah er Buddha an. Buddha bedauerte, dass sein Vater noch nicht von seiner Unwissenheit frei war, und schaute ihn noch eindringlicher an. In diesem Kampf der Blicke wurde der Vater besiegt. Er fiel seinem Sohn zu Füßen und wurde selbst ein Bettler.

Nur ein Mensch, der ohne Anhaftung ist, kann die Macht der Nicht-Anhaftung kennen.«

(Nagamma: Briefe, 5.12.1947)

DER SADHU MIT DEN DREI STEINEN

1949 wurde der Tempel der Mutter in Sri Bhagavans Gegenwart eingeweiht und die Arbeit von zehn Jahren gesegnet. Vor dem Mathrubuteswara-Tempel wurde die Jubiläumshalle errichtet, um die wachsende Zahl an Devotees zu beherbergen. Dort wurde ein großes Sofa aus Granit mit aufwendigen Schnitzereien aufgestellt. Es war mit einer Seidenmatratze ausgelegt, die Bhagavan Bequemlichkeit bieten sollte. Auf einer Seite befand sich ein großes Kissen, worauf er seinen Arm legen konnte, ein anderes befand sich hinter ihm, damit er sich daran lehnen konnte, und ein drittes zu seinen Füßen. Dadurch wurde der Sitzplatz erheblich verringert.