Gespräche mit Ramana Maharshi - Ramana Maharshi - E-Book

Gespräche mit Ramana Maharshi E-Book

Ramana Maharshi

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Beschreibung

Ramana Maharshi wurde am 30. Dezember 1879 in Tiruchuli in der Nähe von Madurai (Tamil Nadu, Südindien) geboren. Nach einem Erleuchtungserlebnis im Alter von sechzehn änderte sich sein Leben schlagartig. Bald darauf ging er von Zuhause fort und ließ sich am heiligen Berg Arunachala in Tiruvannamalai nieder. Schließlich entstand der Ramanashram am Fuße des Berges, wohin viele Verehrer des Maharshi und Besucher für einen kurzen oder längeren Aufenthalt kamen. Er blieb dort bis zu seinem Tod am 14. April 1950. Die Gespräche mit Ramana Maharshi umfassen den Zeitraum 1935-1939 und wurden von Munagala S. Venkataramiah, einem seiner langjährigen Schüler aufgezeichnet. Während dieser vier Jahre hatte der Ramanashram seinen Höhepunkt erreicht. Der Maharshi war bei guter Gesundheit, und die Halle, in der er Tag und Nacht anzutreffen war, stand für alle offen. Die Besucher strömten aus allen Weltteilen herbei. Es gab kaum ein Land, das zur einen oder anderen Zeit nicht vertreten gewesen wäre. Viele dieser Gespräche führte der Maharshi mit westlichen Besuchern. Er lehrte vorwiegend Selbstergründung (atma vichara), erläuterte aber auch alle anderen spirituellen Wege und philosophischen Richtungen, wie es für den jeweiligen Frager am hilfreichsten war. Munagala S. Venkataramiah übergab seine Mitschriften dem Ashram, und sie wurden als ›Talks with Ramana Maharshi‹ veröffentlicht. Die ›Gespräche‹ sind eines der Hauptwerke über Ramana Maharshis Lehre und ein Klassiker der Ramana-Literatur. Dies ist die erste vollständige Übersetzung aller Gespräche mit einigen erläuternden Fußnoten der Übersetzerin Gabriele Ebert.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Übersetzerin

Vorwort von T.M.P. Mahadevan

Einleitung von Major Chadwick

Eine Bemerkung von Munagala Venkataramiah

Band I

Band II

Band III

Stichwortverzeichnis

Glossar

Götter und Heilige

Schriften

Literaturverzeichnis

Vorwort der Übersetzerin

Ramana Maharshi wurde am 30. Dezember 1879 in Tiruchuli in der Nähe von Madurai (Tamil Nadu, Südindien) geboren. Nach seinem Erleuchtungserlebnis im Alter von sechzehn änderte sich sein Leben schlagartig. Bald darauf ging er von Zuhause fort und ließ sich am heiligen Berg Arunachala in Tiruvannamalai nieder. Dort blieb er bis zu seinem Tod am 14. April 1950.

Zunächst lebte Ramana sehr zurückgezogen. Allmählich wurden Menschen auf ihn aufmerksam. Von 1935 bis 1939 war der Ramanashram auf seinem Höhepunkt. Besucher strömten von überall auf der Welt zu ihm. In dieser Zeit zeichnete Munagala S. Venkataramiah die Gespräche auf, die in der Ashramhalle stattfanden. ›Talks with Ramana Maharshi‹ erschien erstmals 1955 in drei Bänden als Publikation des Ramanashram.

Es gibt bereits eine hervorragende deutsche Übersetzung: Gespräche des Weisen vom Berge Arunachala. Sie mögen sich nun fragen: Wozu dann eine weitere? Die Übersetzung von Erich Wilzbach hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem westlichen Leser möglichst ohne viele Sanskritbegriffe einen ungehinderten Zugang zu gewähren. Eine Anzahl von Talks, die mit der indischen Philosophie zu tun haben, wurden deshalb von ihm weggelassen, einiges Weitere gekürzt. Die Übersetzung hier ist dagegen vollständig. Vor allem Miles Wright, ein Sanskritkundler aus Edinburgh, hat viel zur Klärung von Begriffen beigesteuert und jene kurzen Sanskrittexte ins Englische übersetzt, die in den Talks noch nicht übersetzt waren. Ohne ihn wäre so manches im Dunkeln geblieben. Ich danke auch Suri Suryanarayan, der ebenfalls bei der Klärung so mancher Frage mitgeholfen hat.

Die Reihenfolge der Talks ist nicht immer chronologisch. Der Grund dafür hat Major Chadwick im folgenden Vorwort erwähnt: Es war ein Fehler, der erst kurz vor Drucklegung der 1. Auflage entdeckt wurde. Er wurde in den folgenden Auflagen nie korrigiert und ist für den Inhalt auch völlig unwesentlich. Da es inzwischen Usus ist, die Talk-Nummer beim Zitieren anzugeben, habe ich alles so belassen.

Am Ende des Buches befinden sich ein Index, ein Glossar der Sanskritbegriffe sowie jeweils ein Glossar für die zitierten oder erwähnten Götter und Heiligen und die Schriften. Die Fußnoten sind in der Regel eigene Erläuterungen und Ergänzungen, um den Hintergrund etwas transparenter zu machen.

Ich danke dem Ramanashram, dass er mir die Genehmigung für diese Übersetzung und das Recht für die Verwendung der Fotos gegeben hat.

Gabriele Ebert im Oktober 2014

Vorwort von T.M.P. Mahadevan

Munagala S. Venkataramiah

Wir können Sri Munagala S. Venkataramiah (Swami Ramanananda Saraswati) nicht genug für diese Aufzeichnungen der Gespräche danken, die den Zeitraum von 1935 bis 1939 umfassen. Obwohl der große Weise vom Arunachala meist in Schweigen lehrte, gab er auch mündliche Anweisungen, die erhellend sind, ohne dass sie seine Zuhörer verwirren. Man würde sich wünschen, dass jedes seiner Worte für die Nachwelt aufbewahrt worden wäre. Aber wir müssen für das Wenige, das aufgeschrieben wurde, dankbar sein. Die Talks erläutern die Schriften des Meisters, und vielleicht ist es am besten, sie mit ihnen zusammen zu studieren.

Sri Ramana lehrte nicht auf die übliche Art. Tatsächlich hatte der Weise keinen Sinn für Vorträge und Diskurse. Seine Worte richteten sich vorwiegend an einen bestimmten Sucher, der auf seinem spirituellen Weg auf Schwierigkeiten stieß und eine Lösung suchte. Da aber bei der Ergründung des Selbst dieselben Schwierigkeiten auftauchen und der Lösungsweg derselbe ist, besitzen die Antworten des Maharshi Allgemeingültigkeit.

Nicht alle konnten die rechten Fragen stellen oder sie richtig umreißen. Die Gespräche des Gurus sind deshalb nicht einfach auf den Punkt gebrachte Antworten wie in einer Examensarbeit. Er musste oft den Hintergrund der Frage beleuchten und die Frage berichtigen. Wenn unbedeutende und sinnlose Fragen gestellt wurden, empfand er es nicht als seine Aufgabe, die Neugierde des Fragers zu befriedigen oder ihn in seinem Irrtum zu bestätigen. Sri Ramana ließ seinen Gesprächspartner nicht dort, wo er sich befand. Ein Devotee drückte es folgendermaßen aus: »Alle unsere Fragen entsprachen unserem Standpunkt und Sri Bhagavans Antwort seinem Standpunkt. Die Fragen wurde nicht nur beantwortet, sondern untergraben.«

Man kann sich einem Heiligen mit unterschiedlicher Gesinnung nähern. Skeptiker und Agnostiker, Theisten und Atheisten, Menschen, die nach Wunder suchten und solche, die psychischen Phänomenen hinterherjagten – sie alle gingen zum Maharshi. Jeder stellte natürlich seine Fragen, die ihn beschäftigten. Die Art der Fragen hing von der Gesinnung und dem Interesse der jeweiligen Person ab. Die Stärke des Meisters lag darin, die grundlegenden Gesinnungen und Interessen des Devotee zu beseitigen und in ihm die Sehnsucht nach der höchsten Wahrheit zu wecken.

Besucher des Ashrams stellten Sri Ramana oft Fragen nach okkulten Kräften und psychischen Phänomenen. »Sollte man keine okkulten Kräfte wie Telepathie erwerben? Ist nicht die Kraft, den Körper unsichtbar zu machen, ein Kennzeichen von reifer Weisheit? Kann man die Gedanken anderer Menschen lesen?« Die Antwort des Meisters auf solche Fragen lautete, dass das Okkulte und Wundersame nicht das Spirituelle sei. Die übernatürlichen Kräfte sind vielmehr ein Hindernis als eine Hilfe auf dem Weg zum höchsten Geist. Einige Fragen bezogen sich auf die Toten: »Was geschieht mit den Toten? Kann man sie sehen?« Auch hier lehrte Sri Ramana, dass diese Probleme irrelevant seien und dass kein Wahrheitssucher sich mit ihnen befassen sollte. Eine aristokratische und vornehme Dame fragte: »Maharajji, können wir die Toten sehen?« Der Meister antwortete: »Ja.« Die Dame fragte: »Können die Yogis sie uns zeigen?« Der Meister: »Ja, das können sie. Aber erwarte nicht von mir, dass ich sie dir zeige, denn ich kann es nicht.« Die Dame: »Siehst du sie?« Der Meister: » Ja, in meinen Träumen.«

Sri Ramana lehrte vor allem Selbstergründung. Anstatt dies oder das wissen zu wollen, suche das Selbst zu erkennen. Frage ›Wer bin ich?‹, anstatt hundert andere Dinge zu fragen. Selbstergründung sollte die leichteste Aufgabe sein, aber sie ist anscheinend die schwierigste, weil wir Fremde für unser Selbst geworden sind. Was man zu tun hat, ist, einfach das Selbst zu bleiben. Das ist die letzte Wahrheit. Das ist unser ewiger, natürlicher und angeborener Zustand. Aufgrund unserer Unwissenheit identifizieren wir uns mit dem Nicht-Selbst. Die subtilste dieser Identifikationen ist die mit dem Ego. Lasst uns nach der Wurzel des Egos suchen. Woher kommt dieses Pseudo-Ich? Am Ende dieser Suche werden wir herausfinden, dass das Ego verschwindet und damit das ewige Selbst erstrahlt. Deshalb ist die beste Übung, sich zu fragen: »Wer bin ich?« Das ist das größte japa und das wahre pranayama. Der Gedanke: »Ich bin nicht der Körper (naham)« ist Ausatmung (rechaka), die Frage: »Wer bin ich?« (koham) ist Einatmung (puraka) und die Erkenntnis: »Ich bin Er« (soham) ist das Anhalten des Atems (kumbhaka). Die Frucht der Selbsterkenntnis ist zu begreifen, dass das Selbst alles ist und dass es nichts anderes gibt. Für jene, die diesem Weg folgen, ist keine andere Übung (sadhana) nötig. Aber auch jene, die den Weg der Hingabe (bhakti) einschlagen, gelangen ans selbe Ziel. Wenn man sein Ego dem Guru oder Gott hingibt, verwirklicht man das Selbst.

Sri Ramanas Lehre in den Gesprächen bringt jedem Menschen Hoffnung. Keiner braucht zu denken, er könne nicht erlöst werden. Ein alter amerikanischer Besucher fragte einmal den Meister: »Maharshi, glaubst du, dass wir schlechte Jungen sind?« Die charakteristische Antwort des Meisters lautete: »Sag das nicht. Du solltest das nicht denken.« Alles, was schlecht in uns ist, wird gewiss beseitigt, wenn wir den weisen Worten des Maharshi, die in diesem Buch aufgezeichnet sind, zuhören.

Mögen wir es lesen, um uns auf das Verständnis der höheren Lehre des Meisters, die durch Stille erfolgt, vorzubereiten!

Universität von Madras, 11. August 1958, T.M.P. Mahadevan

Einleitung von Major Chadwick

Diese Gespräche umfassen den Zeitraum von vier Jahren – 1935-1939 – und wurden von Sri Munagala S. Venkataramiah (jetzt Swami Ramanananda Saraswati), einem langjährigen Schüler Sri Ramana Maharshis, aufgezeichnet. Obwohl seine Muttersprache Telugu ist, spricht er fließend Englisch und Tamil und ist in Sanskrit bewandert. Dies waren die nötigen Qualifikationen für jemanden, der die Gespräche aufzeichnen wollte, die Sri Bhagavan mit verschiedenen Schülern und Besuchern führte.

Während dieser vier Jahre hatte der Ashram seinen Höhepunkt erreicht. Der Maharshi war im großen Ganzen bei guter Gesundheit, und die Halle, in der er saß, war Tag und Nacht für alle offen. Die Besucher strömten aus allen Teilen der Welt herbei. Es gab kaum ein Land, das zur einen oder anderen Zeit nicht vertreten gewesen wäre. Der Krieg behinderte natürlich den Zustrom, wobei die Zahl der indischen Besucher beständig zunahm. Viele dieser Gespräche führte der Maharshi aber mit westlichen Besuchern. Sie sind von besonderem Interesse. Die moderne Neigung zu Materialismus und Religionslosigkeit, auf die der Westen oft stolz ist, traf hier auf Widerspruch. Sri Bhagavan erstrahlte wie die Sonne, und selbst jene, die ihn nicht verstanden oder mit ihm nicht einig waren, waren fasziniert und konnten nicht anders, als sich von seiner Gegenwart erbaut zu fühlen.

Obwohl Sri Venkataramiah für diese Arbeit voll qualifiziert war, war es doch keine leichte Aufgabe, Sri Bhagavan zu folgen, wenn er einmal zu reden begonnen hatte. Er beherrschte sein Thema vollkommen, sodass es ihm nie an Worten fehlte, egal in welcher Sprache. Deshalb konnte nur einiges aufgeschrieben werden. Die Zuhörer waren zu sehr damit beschäftigt, kein einziges Wort des Gesagten zu versäumen. Zudem war das, was er sagte, nicht immer leicht zu verstehen. Sri Venkataramiah übernahm die Aufgabe des Übersetzers für die vielen englischsprachigen Besucher, die in den Ashram strömten, denn Sri Bhagavan sprach nur wenige Worte Englisch, obwohl er genug davon verstand, um die englischen Zeitungen und Zeitschriften zu lesen. Die Aufgabe als Übersetzer war noch schwieriger, als das Gesagte nur aufzuzeichnen. Sri Bhagavan sprach ohne Unterbrechung, sodass keine Pause entstand, in der der Übersetzer dem ernsthaften Sucher die Bedeutung hätte übermitteln können. Oft wurde Sri Bhagavan gebeten zu warten, bis seine Worte für den gespannten Zuhörer übersetzt worden waren. So kann man sich leicht vorstellen, wie schwierig es war, diese Aufzeichnungen zu machen. Nur jemand, der jahrelang zu Füßen des Meisters gesessen und seine Lehre und die Art, wie er sie darlegte, völlig in sich aufgenommen hatte, war dieser Aufgabe gewachsen. Glücklicherweise wurde in Sri Venkataramiah die ideale Person dafür gefunden.

Zugegeben, die Sprache ist nicht immer elegant, was unter den gegebenen Umständen auch nicht zu erwarten ist. Zweifellos hätte man sie verbessern können. Aber das meiste wurde so belassen, sonst wäre die Spontanität verloren gegangen. Obwohl die meisten Gespräche in den verschiedenen südindischen Sprachen geführt wurden, wurden sie größtenteils in Englisch aufgezeichnet und der Rest in Tamil und Telugu. Diese Teile wurden für das Buch ins Englische übersetzt. Die Notizen wurden den Fragenden oft zur Prüfung vorgelegt. Das Ganze fand Sri Bhagavans Zustimmung, da die Aufzeichnungen und auch die nötigen Änderungen in Sri Venkataramiahs Notizbuch ihm immer gezeigt wurden. Somit können wir sicher sein, dass wir hier die genaue Lehre des Meisters haben. Wenn wir sie lesen, sitzen wir erneut in der alten Halle zu seinen Füßen und nehmen jedes Wort, das von seinen Lippen kommt, in uns auf, entzückt von seinem Lächeln, den Bewegungen seiner zarten Hände und seinen Darstellungen, denn er war ein wahrer Künstler. Er spielte oft die Geschichte vor, die er erzählte, um die Pointe deutlicher zu machen.

Manche mögen dazu neigen, das Buch für eintönig zu halten, aber diese angebliche Eintönigkeit ist beabsichtigt, denn es gibt immer einen neuen Gesichtspunkt, so ähnlich sich die Gespräche auch sein mögen. Sri Bhagavan betont immer wieder die eine, essentielle Wahrheit, die für die Befreiung nötig ist, nämlich dass es nur ein Selbst gibt und nichts weiter als das Selbst. Erkenne das, und alles andere ist erkannt. Das kann nicht zu oft wiederholt werden.

Zwar bringt uns das intellektuelle Verstehen dieser Tatsache zweifellos auf den Weg, aber wenn wir diesen Weg einmal beschritten haben, muss das geistige Verstehen zum tatsächlichen Erleben werden. Um etwas unumstößlich und nicht nur oberflächlich zu kennen, muss man es sein, sonst ist das Kennen unvollständig. Wie ich bereits gesagt habe, sind wir nie etwas anderes als das Selbst, verbinden uns aber mit der Unwissenheit einer Begrenzung, mit einem Ego, vergessen den Seher und identifizieren uns mit dem Gesehenen. Was können wir dagegen tun? Diese Gewohnheit besteht schon so lange. Der Geist hat sich eine Geburt nach der anderen vorgestellt und ein Jahrhundert nach dem anderen erfunden. Dadurch hat er sich immer tiefer in diese Unwissenheit verstrickt, sodass er nun abgeneigt und fast unfähig ist, sich aus seiner Versklavung an das Spiel der Welt zu befreien, das er selbst erschaffen hat, selbst wenn er das will.

Du bist das Selbst und nichts anderes. Alles andere ist nur eine Vorstellung, also sei hier und jetzt das Selbst. Du brauchst nicht in einen Wald wegzurennen oder dich in einem Zimmer einzuschließen. Erledige weiterhin die notwendigen Dinge, befreie dich aber von der Bindung an den Handelnden. Das Selbst ist der Zeuge, und das bist du.

In diesen Gesprächen wird ein Beispiel nach dem anderen gegeben und das in einer Sprache, die allen Geschmäckern und Mentalitäten entgegenkommt. Die Lektüre dieses Buches führt den Leser von selbst nach innen zur Quelle. Diese Übung (sadhana) ist ausreichend. Betrüge dich nicht selbst. Du bist bereits Das. Es gibt nichts weiter zu erlangen. Du musst nur die falsche Verbindung loswerden und die Begrenzung als Illusion erkennen.

Sri Bhagavans Methode dafür ist bekannt: Selbstergründung. Suche immer und zu allen Zeiten die Quelle des Egos, den scheinbaren Täter. Wenn wir dieses Ziel erreichen, fällt das Ego von selbst ab, so sagt er. Nichts wird mehr übrig bleiben außer dem allseligen Selbst. Hier ist aber nicht der Ort, mehr ins Detail der Methode zu gehen. Jene, die sich dafür interessieren, können die entsprechenden Bücher vom Sri Ramanashram erhalten.

Was gibt es weiter zu sagen, als allen zu raten, dieses Buch zu lesen und zu versuchen, es Teil ihrer selbst werden zu lassen? Man sollte kein Wort leichtfertig übergehen und kein Gespräch für überflüssig halten. Es ist alles pures Gold. Hier finden wir erneut den ewigen Sri Ramana Maharshi in Person, der uns mit seinen eigenen, unvergleichlichen Worten zu unserem Wohl und zu unserer Freude belehrt.

Bei der Vorbereitung dieses Buches für den Druck wurde festgestellt, dass der erste Teil nicht chronologisch geordnet ist. Um die Veröffentlichung nicht zu verzögern, wurde beschlossen, die jetzige Anordnung nicht zu verändern, da es bezüglich des Inhalts überhaupt keinen Unterschied macht. Die Datumsangaben sind nur als Zitierhilfe und als Beweis für die Authentizität gedacht.

Sri Ramanashram, 1. Januar 1955, Sadhu Arunachala (Major A.W. Chadwick, O.B.E.)

Eine Bemerkung von Munagala Venkataramiah, dem Aufzeichner der Gespräche

In einer äußerst kritischen und anstrengenden Lebensphase suchte ein demütiger Devotee Bhagavan Sri Ramana Maharshis Gegenwart, um Geistesfriede zu finden. Er lebte mit der freundlichen Zustimmung des Ashram-Managers Sri Niranjananda Swami im Ashram. Der Sucher nahm es auf sich, die süßen, erfrischenden und erleuchtenden Worte des Meisters aufzuschreiben, wie es möglich war. Diese selbstauferlegte Aufgabe erfüllte er, um seinen eigenen Geist zu reinigen und die subtilen und tiefgründigen Worte Sri Bhagavans besser zu verstehen. Kurz darauf übergab der Ashram-Manager seine Mitschriften offiziell dem Ashram. Die Notizen, die den Zeitraum 1935-1939 umfassen1, wurden in diesem Buch veröffentlicht in der Hoffnung, dass einige Leser sie interessant und hilfreich für ihre spirituelle Suche finden.

Sri Ramanashram, 1. Januar 1955, Aufzeichner

1 Einige Auszüge dieser Notizen wurden bereits in ›Maharshi’s Gospel‹ (Die Botschaft des Ramana Maharshi) veröffentlicht.

Band I

15. Mai 1935, Talk 1

Ein Wandermönch (sannyasin) bat um eine Erklärung: »Wie erkennt man, dass die ganze Welt Gott ist?«

M.: »Wenn du deine Sichtweise zur Sichtweise der Weisheit machst, dann wirst du erkennen, dass die Welt Gott ist. Wie willst du sehen, dass der höchste Geist (Brahman) alles durchdringt, wenn du Ihn nicht kennst?«

Talk 2

Jemand stellte eine Frage über das Wesen der Wahrnehmung.

M.: »Die Wahrnehmung entspricht dem Zustand, in dem man sich befindet. Die Erklärung dafür ist folgende: Im Wachzustand (jagrat) nimmt der grobstoffliche Körper grobstoffliche Namen und Formen wahr. Im Traum (swapna) nimmt der mentale Leib die mentalen Schöpfungen in ihren mannigfachen Formen und Namen wahr. Im traumlosen Tiefschlaf (sushupti) gibt es keine Wahrnehmung, weil die Identifikation mit dem Körper verloren gegangen ist. Ähnlich ist es im transzendentalen Zustand, wenn die Identität mit Brahman den Menschen mit allem in Harmonie versetzt und es nichts gibt, was von seinem Selbst getrennt ist.«

Talk 3

Jemand stellte eine Frage über das Wesen des Glücks.

M.: »Wenn ein Mensch glaubt, dass sein Glück von äußeren Umständen und seinem Besitz abhängt, dann müsste man daraus schließen, dass es mit wachsendem Besitz zunimmt und mit seiner Minderung abnimmt. Wenn er nichts besitzt, müsste sein Glück gleich Null sein. Doch was ist die wirkliche Erfahrung des Menschen? Stimmt sie mit dieser Sichtweise überein?

Im Tiefschlaf besitzt der Mensch nichts, nicht einmal seinen eigenen Körper. Doch anstatt unglücklich zu sein, ist er überaus glücklich. Jeder wünscht sich einen tiefen Schlaf. Daraus ist zu schließen, dass das Glück dem Menschen innewohnt und nicht auf äußeren Umständen beruht. Man muss sein Selbst verwirklichen, um das Vorratslager an ungetrübtem Glück zu öffnen.«

Talk 4

Ein gebildeter junger Mann fragte den Maharshi: »Warum sagst du, dass das Herz auf der rechten Seite liegt, während die Biologen festgestellt haben, dass es links liegt?« Der junge Mann wollte dafür einen Nachweis aus den Schriften.

M.: »Das stimmt. Keiner leugnet, dass das physische Organ links liegt. Aber das Herz, von dem ich spreche, ist nicht das physische und liegt rechts. Das ist meine Erfahrung. Ich brauchte dafür keine andere Autorität zu bemühen. Aber du kannst es in einem ayurvedischen Buch in Malayalam und in der Sita Upanishad bestätigt finden.«

Er zitierte das entsprechende Mantra aus der Sita Upanishad und den Vers aus dem ayurvedischen Buch.

Talk 5

Der Ingenieur Maurice Frydman bemerkte zum Thema ›Gnade‹: »Wenn eine Puppe aus Salz im Meer versinkt, dann kann sie auch kein wasserdichter Mantel vor der Auflösung schützen.«

Dies war ein sehr gelungenes Beispiel und wurde mit Beifall aufgenommen.

Der Maharshi fügte hinzu: »Der Körper ist der wasserdichte Mantel.«

Talk 6

Ein Mönch (sannyasin) fragte, wie man den Geist vor Ablenkungen bewahren könne.

M.: »Du siehst die Objekte, wenn du dein eigenes Selbst vergisst. Wenn du an deinem Selbst festhältst, siehst du die objektive Welt nicht mehr.«

Talk 7

Als er gefragt wurde, ob man okkulte Kräfte (siddhis) zusammen mit der göttlichen Allmacht (Iswaratva) erlangen könne, wie es im letzten Vers des Dakshinamurti Stotram heißt, antwortete der Maharshi: »Erlange zuerst die göttliche Allmacht, dann kannst du immer noch die anderen Fragen stellen.«02

Talk 8

F.: »Kann jemand davon profitieren, wenn er heilige Silben (Mantren) wiederholt, die er irgendwo aufgelesen hat?«

M. » Nein. Er muss dazu ermächtigt und in solche Mantren eingeweiht worden sein.«

Der Maharshi illustrierte das anhand folgender Geschichte: »Ein König besuchte einmal seinen Premierminister in dessen Haus. Man sagte ihm, der Premierminister sei mit Mantra-japa beschäftigt. Also wartete der König, und als der Minister endlich erschien, fragte er ihn, welches Mantra er übe. Der Minister sagte, es sei das heiligste von allen, das Gayatri. Da verlangte der König von ihm, in dessen Gebrauch eingeweiht zu werden, aber der Minister erklärte ihm, er sei dazu nicht befugt. Daraufhin lernte der König es von jemand anderem, und beim nächsten Treffen mit dem Minister sagte er es ihm auf und fragte, ob es so richtig sei. Der Minister antwortete, es sei zwar richtig, aber er sei nicht berechtigt, es zu gebrauchen. Der König wollte den Grund dafür wissen. Da rief der Minister einen Diener herbei, der in der Nähe stand, und befahl ihm, den König festzunehmen. Der Befehl wurde nicht befolgt. Der Minister wiederholte seinen Befehl immer wieder, doch er wurde immer noch nicht ausgeführt. Da wurde der König zornig und befahl demselben Diener, den Minister zu verhaften, was dieser sofort tat. Der Minister lachte und sagte, dass dies die Erklärung sei, um die der König ihn gebeten hatte. ›Wieso?‹, fragte der König. Der Minister antwortete: ›Der Befehl war derselbe und der Ausführende ebenso, aber die Autorität war verschieden. Als ich den Befehl gab, bewirkte er nichts, aber als du ihn gabst, wurde er augenblicklich ausgeführt. Mit den Mantren ist es dasselbe.‹«

Talk 9

Jemand fragte: » Weshalb heißt es in den Schriften, der Weise gleiche einem Kind?«

M.: »Ein Kind und ein Weiser (jnani) sind einander in dem Sinn gleich, als Ereignisse ein Kind nur so lange interessieren, wie sie andauern. Es denkt nicht mehr daran, wenn sie vorbei sind. Damit ist ersichtlich, dass sie keinen Eindruck bei ihm hinterlassen. Es wird geistig nicht von ihnen beeinflusst. Beim Weisen ist es ebenso.«

Talk 10

Ein Besucher fragte, wie man sich – entsprechend der Anweisung des Maharshi in Ulladu Narpadu (Vierzig Verse)03 – verwirklichen solle. Er hat Schwierigkeiten mit der Geisteskontrolle.

M.: »Man kontrolliert den Atem. Wenn du für dich alleine, ohne fremde Hilfe, Atemkontrolle übst, wird dadurch der Geist kontrolliert. Ansonsten kommt der Geist in der Gegenwart einer höheren Macht von selbst unter Kontrolle. Darin besteht die Bedeutung des Umgangs mit den Weisen (satsanga).«

Talk 11

F.: »Kann das Schicksal (karma) jemals enden?«

M.: »Die Taten (karmas) tragen den Samen ihrer eigenen Zerstörung in sich.«04

Talk 12

Ein Mann bat den Maharshi, er möge ihm etwas sagen. Als man ihn fragte, was er wissen wolle, antwortete er, dass er nichts wisse und etwas vom Maharshi hören wolle.

M.: »Du weißt, dass du nichts weißt. Gehe dieser Erkenntnis nach. Das ist die Befreiung (mukti).«

6. Januar 1935, Talk 13

Die Engländerin M.A. Piggot kam den Maharshi besuchen. Sie hatte ›A Search in Secret India‹ [von Paul Brunton] gelesen. Ein Schüler stand als Übersetzer bereit. In der Halle waren viele Besucher, auch einige Frauen mit ihren Kindern. Es war deshalb sehr laut. Schließlich wurde es still. Plötzlich hörte man den Maharshi, der seinen Blick ins Unendliche gerichtet hatte, sanft sagen: ›Na, Äffchen!‹ Ein kleines Affenbaby stand im Eingang, unbewacht von der Mutter, die auf der anderen Seite der Tür saß. Ein großer Affe stand auf seinen Hinterbeinen bei ihm und streichelte es mit beiden Pfoten, beide friedvoll vereint in der Gegenwart des Maharshi. Als die Stimme des Maharshi ertönte, sprang der Affe gewandt davon und verschwand. Der Vorfall beeindruckte die Frau sehr.

7. Januar 1935

»Ist für die Verwirklichung ein Meister nötig?«, lautete die erste Frage, die Frau Piggot stellte.

M.: »Die Gnade des Meisters trägt mehr zur Verwirklichung bei als Lehren, Vorträge, Meditation usw. Diese sind nur von zweitrangiger Bedeutung, während die Gnade die eigentliche und wesentliche Ursache ist.«

F.: »Welches sind die Hindernisse, die die Verwirklichung des Selbst vereiteln?«

M.: »Die Denkgewohnheiten (vasanas).«

F.: »Und wie soll man sie überwinden?«

M.: »Indem man das Selbst verwirklicht.«

F.: »Das ist ein Teufelskreis.«

M.: »Es ist das Ego, das solche Schwierigkeiten bereitet. Es schafft Hindernisse und leidet dann an der Verwirrung, die aufgrund der scheinbaren Widersprüche entsteht. Finde heraus, wer diese Fragen stellt, und du wirst das Selbst finden.«

F.: »Welche Hilfsmittel gibt es für die Verwirklichung?«

M.: »Die Lehren der heiligen Schriften und von Menschen, die das Selbst verwirklicht haben.«

F.: »Gehören zu diesen Lehren auch Diskussionen, Vorträge und Meditationen?«

M.: »Ja, aber diese Hilfen sind nur zweitrangig, während die Gnade des Meisters wesentlich ist.«

F.: »Wie lange dauert es, bis man sie erlangt?«

M.: »Wozu willst du das wissen?«

F.: »Damit ich hoffen kann.«

M.: »Auch dieser Wunsch ist ein Hindernis. Das Selbst ist immer da. Nichts existiert ohne es. Sei das Selbst, und Wünsche und Zweifel werden verschwinden. Das Selbst ist der Zeuge im Tiefschlaf, Traum und Wachzustand. Diese drei Zustände gehören dem Ego an. Das Selbst überschreitet das Ego. Hast du nicht auch im Tiefschlaf existiert? Warst du dir derweilen bewusst, dass du schläfst und der Welt nicht gewahr warst? Erst im Wachzustand beschreibst du die Erfahrung des Tiefschlafs als Wahrnehmungslosigkeit. Deshalb ist das Bewusstsein im Schlaf dasselbe wie im Wachzustand. Wenn du weißt, was dieses Wachbewusstsein ist, erkennst du auch das Bewusstsein, das alle drei Zustände bezeugt. Dieses Bewusstsein kann man finden, indem man das Bewusstsein sucht, das im Tiefschlaf vorhanden ist.«

F.: »Dabei schlafe ich ein.«

M.: »Das macht nichts.«

F.: »Da ist nur Leere.«

M.: »Wer sieht die Leere? Finde es heraus. Du kannst dich zu keiner Zeit selbst verleugnen. Das Selbst ist immer da und bleibt in allen Zuständen bestehen.«

F.: »Soll ich wie im Tiefschlaf bleiben und zugleich aufmerksam sein?«

M.: »Ja. Aufmerksamkeit ist der Wachzustand. Deshalb kann dieser Zustand kein Schlaf sein, sondern ist schlafloser Schlaf. Wenn du den Weg deiner Gedanken mitgehst, wirst du von ihnen davongetragen und findest dich in einem endlosen Labyrinth wieder.«

F.: »Dann muss ich also die Spur der Gedanken bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen.«

M.: »Genau. Auf diese Weise verschwinden die Gedanken, und nur das Selbst bleibt übrig. In Wirklichkeit gibt es für das Selbst kein Innen und Außen. Das sind ebenfalls Projektionen des Egos. Das Selbst ist rein und absolut.«

F.: »Ich verstehe das nur theoretisch. Trägt nicht auch der Verstand zur Verwirklichung bei?«

M.: »Ja, bis zu einem gewissen Grad. Trotzdem musst du erkennen, dass das Selbst den Verstand überschreitet – er muss verschwinden, um das Selbst zu erreichen.«

F.: »Hilft meine Verwirklichung den anderen?«

M.: »Gewiss. Sie ist die bestmögliche Hilfe. Aber in Wirklichkeit gibt es keine anderen, denen man helfen müsste. Denn ein Verwirklichter sieht nur das Selbst, so wie ein Goldschmied nur das Gold sieht, wenn er verschiedene Schmuckstücke schätzt. Nur wenn du dich mit dem Körper identifizierst, gibt es Formen und Gestalten. Aber wenn du deinen Körper überschreitest, dann verschwinden die anderen zusammen mit deinem Körperbewusstsein.«

F.: »Ist es mit Pflanzen, Bäumen usw. ebenso?«

M.: »Existieren sie denn getrennt vom Selbst? Finde es heraus. Du denkst, dass du sie siehst. Dieser Gedanke wird von deinem Selbst hervorgebracht. Finde heraus, wo er entsteht. Dann werden keine Gedanken mehr auftauchen, und nur das Selbst bleibt übrig.«

F.: »Ich verstehe das zwar theoretisch, aber die Pflanzen und Bäume sind immer noch da.«

M.: »Ja. Es ist wie im Kino. Die Leinwand wird vom Licht beleuchtet, und die Schatten, die darüber huschen, erwecken bei den Zuschauern den Eindruck von der Inszenierung eines Stückes. Ähnlich ist es, wenn im selben Stück auch die Zuschauer gezeigt werden. Der Seher und das Gesehene würden dann nur die Leinwand sein. Wende das auf dich selbst an. Du bist die Leinwand. Das Selbst hat das Ego hervorgebracht. Dem Ego wachsen Gedanken zu, die sich als Welt, Bäume, Pflanzen usw. zeigen, nach denen du fragst. In Wirklichkeit sind all diese Dinge nichts anderes als das Selbst. Wenn du das Selbst siehst, wirst du erkennen, dass Es alles ist, immer und überall. Es gibt nichts anderes als das Selbst.«

F.: »Ja, und trotzdem verstehe ich es noch immer nur theoretisch. Aber deine Antworten sind so einfach, schön und überzeugend.«

M.: »Sogar der Gedanke ›Ich erkenne Es nicht‹ ist ein Hindernis. In Wirklichkeit gibt es nur das Selbst.«

8. Januar 1935, Talk 14

Ein alter Mann kam in die Halle und setzte sich. Der Maharshi las Lakshmana Sarmas Sanskrit-Fassung von Arunachala Aksharamanamalai (die ersten der fünf Hymnen an Arunachala) vor.

Der Mann fragte leise: »Es heißt, dass die Verwirklichung nicht in Worte gefasst werden könne und jeder Versuch, sie zu beschreiben, scheitere. Ist das so?«

M.: »Dieser Punkt wird im dritten Vers des Arunachala Ashtakam (Acht Verse für Arunachala) erwähnt, wo es heißt, dass es zwar unmöglich sei, über die Verwirklichung etwas auszusagen, dass es aber Anzeichen für ihr Vorhandensein gäbe.«05

Der Mann war sehr bewegt. Sein Atem ging tief und schwer. In demütiger Verehrung warf er sich zu Boden und erhob sich erst nach einigen Minuten wieder. Nachdem er eine Weile schweigend verharrt hatte, ging er. Offensichtlich hatte er eine Erleuchtung gehabt. Er hatte beim Maharshi Bestätigung gesucht und sie in seiner Antwort gefunden.

Talk 15

Jemand fragte nach der Bedeutung des Satzes in den Upanishaden: »Der höchste Geist ist feiner als das Feinste und größer als das Größte.«

M.: »Der Geist hat sogar die Struktur des Atoms entdeckt. Also ist der Geist feiner als das Atom. Das, was hinter dem Geist ist, nämlich die individuelle Seele, ist feiner als der Geist. Zudem hat der Tamil-Heilige Manikkavasagar gesagt: ›Wenn jedes Staubkörnchen, das im Sonnenlicht tanzt, ein Universum darstellt, dann stellt das Sonnenlicht das höchste Sein dar.‹«

19. Januar 1935, Talk 16

Grant Duff rechts neben Ramana sitzend, Munagala Venkatataramia 1. Reihe zweiter von rechts, Yogi Ramiah 1. Reihe zweiter von links, ca. 1935

Herr Douglas Ainslie (Grant Duff), ein 70jähriger englischer Aristokrat und Neffe eines früheren Gouverneurs von Madras, Schriftsteller und Dichter, ehemaliges Mitglied der britischen Botschaften in Athen, Paris und Den Haag, war als Gast der Regierung nach Madras gekommen. Mit einem Empfehlungsschreiben von Paul Brunton besuchte er den Maharshi. Am nächsten Tag kam er wieder und blieb fast eine Stunde in der Halle. Beide Male wurde so gut wie nichts gesprochen, aber die Blicke trafen sich.

Herr Ainslie lebt sehr bescheiden. Er nimmt bis zum Mittagessen um 1 Uhr nichts zu sich. Seine Abendmahlzeit soll nur aus Kaffee und Keksen bestehen, und er geht schlafen, ohne noch etwas zu essen. Er ist sein Leben lang unverheiratet geblieben. Er wandert jeden Morgen mit nüchternem Magen einige Kilometer, spricht wenig, und seine Bewegungen sind sehr anmutig. Seine Stimme ist tief und leise, und was er sagt, kommt von Herzen. Zu seinen Freunden zählt der späte Sir John Woodroffe, Sri Sarvepalli Radhakrishnan und Professor Thomas, Sanskrit-Professor an der Oxford-Universität. Herr Ainslie äußerte den Wunsch, die Veden rezitiert zu hören.

Am Montag war ein Brief aus Riga eingetroffen mit ähnlichen Fragen, die Herr Ainslie gestellt hatte. Es handelte sich um die Existenz der Verstorbenen und wie man ihnen am besten dienen könne. Die Antwort, die für Riga bestimmt war, wurde ihm vorgelesen. Dann wurden Tamil-Lieder aus Maharshis ›Vierzig Versen‹ und aus den Veden vorgetragen. Herr Ainslie fand die Rezitation großartig.

Am folgenden Nachmittag kam er wieder und erzählte dem Maharshi, zum Erstaunen der anderen, von seinem Erlebnis in der vergangenen Nacht. Er hatte etwas wie ein elektrisches Licht in seinem rechten Herzzentrum wahrgenommen und die Sonne in seinem Inneren strahlen sehen. Der Maharshi lächelte nur und ließ ihm eine Übersetzung von Atma Vidya (Selbsterkenntnis) vorlesen, in der es geheimnisvoll heißt, dass die Verwirklichung darin bestünde, das Selbst (atman) zu erreichen, das die Ausweitung des reinen Bewusstseins (chidvyoman) im Unterschied zur Ausweitung des individuellen Geistes (chittavyoman) sei. Diese Erklärung sagte ihm zu.

Als man später über Herrn Ainslie sprach, meinte der Maharshi: »Stellt euch einen 70jährigen vor, der sich nicht dafür entschieden hat, friedvoll zuhause von seinem Vermögen zu leben. Wie tief muss sein Verlangen gewesen sein, dass er sein Heimatland verließ, eine Seereise von 6.000 Meilen wagte und die Entbehrung von langen Eisenbahnfahrten in einem fremden Land nicht scheute, ohne dessen Sprache zu kennen, den Wechselfällen eines einsamen Lebens und der Unbarmherzigkeit eines heißen Klimas ausgesetzt, in einer Umgebung, die ihm unangemessen und ungewohnt ist. Er hätte glücklich zuhause bleiben können, aber sein Sehnen nach innerem Frieden hat ihn hergebracht.«

Genau! Die Leute sagen, dass sich sein intensives Verlangen in seinem Erleuchtungserlebnis, das er bereits vier Tage nach seiner Ankunft gehabt hatte, gezeigt habe.

Die Fragen über die Toten wurden dahingehend beantwortet: »Solange sich ein Mensch mit seinem grobstofflichen Körper identifiziert, müssen auch die Gedanken, die sich als grobstoffliche Erscheinungen materialisieren, für ihn wahr sein. Da er sich vorstellt, dass sein Körper von einem anderen physischen Lebewesen abstammt, ist der andere Körper für ihn ebenso wirklich wie sein eigener. Da er einmal hier existiert hat, überlebt er auch den Tod, da sein Nachkomme immer noch da ist und glaubt, vom anderen geboren worden zu sein. Unter diesen Umständen betrachtet ist die andere Welt wahr, und den Toten kommen die Gebete zugute, die für sie verrichtet werden.

Wenn man es aber anders betrachtet, ist die eine Wirklichkeit das Selbst, aus dem das Ego gekommen ist, das die Samen der Veranlagungen aus früheren Geburten in sich trägt. Das Selbst erleuchtet das Ego, die Veranlagungen und auch die Sinne, worauf die Veranlagungen den Sinnen als das materialisierte Universum erscheinen und für das Ego, der Reflexion des Selbst, wahrnehmbar werden. Das Ego identifiziert sich mit dem Körper und verliert dadurch das Selbst aus seinem Blick. Das Ergebnis dieser Unachtsamkeit ist tiefes Nichtwissen und das Elend des gegenwärtigen Lebens. Die Tatsache, dass das Ego aus dem Selbst kommt und es vergisst, ist die Geburt. Man kann also sagen, dass die Geburt des Individuums den Tod der Mutter [i.e. des Selbst] bedeutet. Das jetzige Verlangen, seine Mutter wiederzubekommen, ist in Wirklichkeit das Verlangen, das Selbst wiederzugewinnen, und bedeutet dasselbe wie Selbstverwirklichung oder der Tod des Egos. Das ist die Hingabe an die Mutter, auf dass sie ewig lebe.«

Dann las der Maharshi die Geschichte von Deerga Tapasi aus der tamilischen Version des Yoga Vasishta vor. Deerga Tapasi hatte zwei Söhne, Punya und Papa. Nach dem Tod der Eltern trauerte der Jüngere über den Verlust. Sein älterer Bruder tröstete ihn mit folgenden Worten: »Warum betrauerst du den Verlust unserer Eltern? Ich will dir sagen, wo sie sind. Sie sind nur in uns. Wir sind sie. Denn der Lebensstrom ist durch unzählige Verkörperungen, Geburten und Tode, Freuden und Leiden hindurchgegangen, wie das Wasser eines Flusses auf seinem Weg über Felsen, durch Gruben, Sand, Erhebungen und Senkungen fließt. Aber der Fluss bleibt davon unberührt. Die Freuden und Leiden, Geburten und Tode sind in der Fata Morgana des Egos wie die Wellenbewegungen auf einer scheinbaren Wasseroberfläche. Die einzige Wirklichkeit ist das Selbst, aus dem das Ego auftaucht und durch Gedanken fließt, die sich als das Universum manifestieren, in dem Mütter und Väter, Freunde und Verwandte erscheinen und wieder verschwinden. Sie sind nur Manifestationen des Selbst. Deshalb sind unsere Eltern nicht außerhalb des Selbst, und es gibt keinen Grund zu trauern. Lerne das, verwirkliche es und sei glücklich.«

24. Januar 1935, Talk 17

Herr W. Y. Evans-Wentz, ein englischer Forscher der Oxford Universität, kam mit einem Empfehlungsschreiben von Herrn Brunton. Er war von der Reise erschöpft und brauchte zunächst Ruhe. Er ist an die indische Lebensweise gewohnt und schon öfter in Indien gewesen. Er hat Tibetisch gelernt und das Tibetanische Totenbuch, die Biografie Milarepas, des größten tibetischen Yogi, sowie ein Buch über die tibetanischen Geheimlehren mitübersetzt und herausgebracht.

Am Nachmittag stellte er einige Fragen über Yoga. Er wollte wissen, ob es richtig sei, Tiere wie Tiger und Rehe zu töten, um ihr Fell als Unterlage für die Yoga-Stellung (asana) zu benutzen.

M.: »Der Geist ist der Tiger oder das Reh.«

F.: »Wenn alles eine Illusion ist, dann darf man also töten?«

M.: »Wer hat die Illusion? Finde das heraus. Tatsächlich ist jeder in jedem Augenblick seines Lebens ein Selbst-Mörder (atmahan).«

F.: ›Welche Yoga-Stellung ist die beste?‹

M.: »Jede Stellung, vielleicht sukha asana (die leichte oder Halb-Buddha-Stellung). Aber das ist für jnana (den Weg der Erkenntnis) unwesentlich.«

F.: »Lässt die Sitzhaltung auf die Veranlagung schließen?›

M.: »Ja.«

F.: »Was sind die Eigenschaften und Wirkungen eines Tiger- oder Rehfells oder von Wolle?«

M.: »Das wird in den Yoga-Büchern beschrieben. Es hat mit der guten oder schlechten magnetischen Leitfähigkeit usw. zu tun. Aber das alles ist für den Weg der Erkenntnis (jnana marga) bedeutungslos. Die Haltung meint in Wirklichkeit Stand und Festigkeit im Selbst, und sie ist im Innern. Beim anderen handelt es sich um äußere Haltungen.«

F.: »Welche Tageszeit ist für die Meditation am besten?«

M.: »Was ist Zeit?«

F.: »Sag es mir!«

M.: »Zeit ist lediglich eine Vorstellung. Es gibt nur die Wirklichkeit. Wofür du sie auch immer hältst, das scheint sie zu sein. Nennst du sie Zeit, ist sie Zeit. Nennst du sie Existenz, ist sie Existenz und so fort. Nachdem du sie Zeit genannt hast, unterteilst du sie in Tage und Nächte, Monate, Jahre, Stunden, Minuten usw. Zeit ist für den Weg der Erkenntnis unwesentlich. Aber einige dieser Regeln und Disziplinen sind für den Anfänger nützlich.«

F.: »Worin besteht der Pfad der Erkenntnis (jnana marga)?«

M.: »Die Konzentration des Geistes ist beiden gemein, dem Pfad der Erkenntnis und dem des Yoga. Yoga strebt die Einheit des Individuums mit dem Ganzen, mit der Wirklichkeit an. Diese Wirklichkeit kann nicht neu sein. Sie muss auch jetzt existieren, und sie existiert. Deshalb versucht man auf dem Pfad der Erkenntnis herauszufinden, wie Trennung (viyoga) entstanden ist. Die Trennung ist ja nur eine Trennung von der Wirklichkeit.«

F.: »Was ist Illusion?«

M.: »Wer hat die Illusion? Finde das heraus. Dann verschwindet sie. Immer wollen die Leute wissen, was Illusion ist, und untersuchen nicht, wer sie hat. Das ist töricht. Illusion ist etwas Äußeres und Unbekanntes. Aber der Sucher gilt als bekannt und ist im Innern. Finde heraus, was unmittelbar und vertraut ist, anstatt herauszufinden, was weit weg und unbekannt ist.«

F.: »Empfiehlt Bhagavan Europäern eine bestimmte Körperhaltung?«

M.: »Vielleicht ist es ganz nützlich, eine bestimmte Sitzhaltung einzunehmen. Doch es muss klar sein, dass das Fehlen von asanas, festen Zeiten oder anderen Nebensächlichkeiten dieser Art die Meditation nicht verhindert.«

F.: »Empfiehlt der Maharshi Europäern eine besondere Methode?«

M.: »Das hängt von der geistigen Fähigkeit des Einzelnen ab. Es gibt keine starren und festen Regeln.«

Herr Evans-Wentz stellte noch mehrere Fragen, von denen sich die meisten auf die Yoga-Vorbereitungen bezogen. Der Maharshi beantwortete alle dahingehend, dass sie Hilfsmittel fürs Yoga seien, dass Yoga aber selbst ein Hilfsmittel für die Selbstverwirklichung, dem Ziel von allem, sei.

F.: »Ist Arbeit ein Hindernis für die Selbstverwirklichung?«

M.: »Nein. Für den Verwirklichten ist allein das Selbst die Wirklichkeit. Die Handlungen gehören lediglich der Welt der Erscheinungen an. Sie berühren das Selbst nicht. Auch wenn der Verwirklichte handelt, hat er nicht das Empfinden, der Handelnde zu sein. Seine Handlungen geschehen unwillkürlich, und er bleibt ihnen gegenüber ein Zeuge, ohne ihnen verhaftet zu sein. Sein Handeln geschieht absichtslos. Auch jemand, der auf dem Weg der Erkenntnis (jnana) ist, kann üben, während er einer Beschäftigung nachgeht. Am Beginn kann es für den Anfänger schwierig sein, aber nach einiger Übung gelingt es, und die Arbeit wird nicht mehr als Hindernis für die Meditation empfunden.«

F.: »Worin besteht die Übung?«

M.: »In der beständigen Suche nach dem Ich, der Quelle des individuellen Ich. ›Wer bin ich?‹ – finde das heraus. Das reine Ich ist die Wirklichkeit, Sein-Bewusstsein-Seligkeit in seiner Absolutheit. Wenn man DAS vergisst, entsteht das ganze Elend. Wenn man DAS festhält, kann das Elend der Person nichts anhaben.«

F.: »Ist nicht brahmacharya (Ehelosigkeit) notwendig, um das Selbst zu verwirklichen?«

M.: »Brahmacharya bedeutet, in Brahman zu leben. Es hat nichts mit Ehelosigkeit zu tun, wie es üblicherweise verstanden wird. Ein wahrer brahmachari ist einer, der in Brahman lebt und in Brahman, das mit dem Selbst identisch ist, sein Glück findet. Warum sollte er dann nach anderen Glücksquellen suchen? In Wirklichkeit ist das Auftauchen aus dem Selbst die Ursache allen Elends.«

F.: »Ist nicht Ehelosigkeit eine grundlegende Bedingung für die Ausübung von Yoga?«

M.: »Ja, sie ist sicherlich für die Verwirklichung ein Hilfsmittel unter vielen anderen.«

F.: »Dann ist sie nicht unbedingt nötig? Kann ein verheirateter Mann das Selbst verwirklichen?«

M.: »Selbstverständlich. Es ist eine Frage der geistigen Reife. Verheiratet oder unverheiratet, man kann das Selbst verwirklichen, denn das Selbst ist hier und jetzt da. Wenn das nicht der Fall wäre und es nur durch Anstrengung irgendwann in der Zukunft erlangt werden könnte, wenn es etwas Neues wäre, das man erwerben müsste, dann wäre es nicht des Strebens wert. Denn was nicht natürlich ist, kann auch nicht von Dauer sein. Deshalb sage ich, dass das Selbst hier und jetzt da ist und dass ES allein existiert.«

F.: »Da Gott in allen Lebewesen wohnt, darf man kein Leben nehmen. Tut die Gesellschaft Recht daran, einen Mörder hinzurichten? Oder darf es der Staat? In den christlichen Länder beginnt man, es für unrecht zu halten.«

M.: »Was hat den Mörder veranlasst, eine Straftat zu begehen? Dieselbe Kraft lässt ihm nun die Bestrafung zuteilwerden. Gesellschaft und Staat sind nur ein Werkzeug in der Hand dieser Kraft. Du sprichst von einem Leben, das genommen wurde – was aber ist mit den unzähligen Leben, die der Krieg vernichtet?«

F.: »Genau. Töten ist in jedem Fall unrecht. Sind Kriege zu rechtfertigen?«

M.: »Für den Verwirklichten, denjenigen, der immer im Selbst bleibt, macht der Verlust eines oder mehrerer oder aller Leben in dieser Welt oder in allen drei Welten06 keinen Unterschied. Selbst wenn er es wäre, der alle vernichten würde, könnte keine Sünde eine solch reine Seele berühren.«

Der Maharshi zitierte Bhagavad Gita 18,17: »Wer frei von der Vorstellung des Egos ist, wessen Verstand ungebunden ist, der tötet nicht, selbst wenn er alle Welten vernichtet, noch ist er an das Resultat seiner Handlungen gebunden.«

F.: »Wirken sich die Handlungen eines Menschen nicht auf seine späteren Geburten aus?«

M.: »Bist du jetzt geboren? Warum denkst du an andere Geburten? In Wahrheit gibt es weder Geburt noch Tod. Soll der, der geboren wurde, an den Tod denken und an Mittel, sich Linderung zu verschaffen.«

F.: »Wie lange hat der Maharshi gebraucht, um das Selbst zu verwirklichen?«

M.: »Diese Frage stellst du, weil du Name und Form wahrnimmst. Diese Wahrnehmungen ergeben sich aus der Identifikation des Egos mit dem grobstofflichen Leib.

Wenn sich das Ego mit dem subtilen Geist identifiziert wie im Traum, dann sind auch die Wahrnehmungen subtil. Aber im Tiefschlaf gibt es keine Wahrnehmungen. War das Ego nicht trotzdem da? Andernfalls könnte es keine Erinnerung geben, geschlafen zu haben. Wer hat also geschlafen? Du sagst in deinem Schlaf nicht, dass du schläfst. Du sagst es erst jetzt im Wachzustand. Deshalb ist das Ego dasselbe im Wachen, Traum und Tiefschlaf. Finde die Wirklichkeit hinter diesen Zuständen. Das ist die Wirklichkeit, die ihnen zugrunde liegt. In diesem Zustand gibt es nur das Sein. Es gibt kein Du, Ich oder Er, keine Gegenwart, keine Vergangenheit und keine Zukunft. Dieser Zustand ist jenseits von Raum und Zeit und kann nicht mit Worten beschrieben werden. Er ist immer da.

Wie eine Bananenstaude Schösslinge aus den Wurzeln treibt, bevor sie Früchte trägt, und danach abstirbt, und wie die Schösslinge dasselbe tun, nachdem sie eingepflanzt worden sind, so hat auch der ursprüngliche alte Meister (Dakshinamurti), der die Zweifel seiner rishi-Schüler in Schweigen klärte, Schösslinge hinterlassen, die sich beständig vermehren. Der Guru ist ein Spross von Dakshinamurti.07 Die Frage taucht nicht auf, wenn das Selbst verwirklicht ist.«

F.: »Erfährt der Maharshi nirvikalpa samadhi?«

M.: »Wenn die Augen geschlossen sind, ist es nirvikalpa, wenn sie offen sind, ist es savikalpa, in dem es zwar Unterschiede, aber völlige Ruhe gibt. Der stets gegenwärtige Zustand ist der natürliche Zustand von sahaja.«

Talk 18, 26. Januar 1935

Herr Evans-Wentz fragte: »Es gibt Yogis, die okkulte Kräfte besitzen. Wie denkt der Maharshi darüber?«

M.: »Diese Kräfte sind durch Hörensagen oder Zurschaustellung bekannt. Folglich existieren sie nur im Bereich des Geistes.«

F.: »Herr Brunton erwähnte einen Yogi in Madras, der mit seinem Meister im Himalaya auf übersinnliche Weise in Verbindung stand.«

M.: »Das ist nicht erstaunlicher als Telepathie und demnach nichts Besonderes. Telepathie kann es nicht ohne den Hörenden geben und Hellsehen nicht ohne den Sehenden. Worin besteht der Unterschied zwischen dem Hören aus der Ferne oder aus der Nähe? Nur der Hörende ist von Bedeutung. Ohne ihn kann es kein Hören geben und ohne den Sehenden kein Sehen.«

F.: »Du willst also, dass ich das Subjekt beachte und nicht das Objekt.«

M.: »Subjekt und Objekt entstehen erst, nachdem der Geist aufgetaucht ist. Sie sind im Geist, genauso wie die okkulten Kräfte.«

F.: »Kann man Lichterscheinungen (jothis) auf dem Arunachala sehen?« M.: »Ja.«

F.: »Hat der Besuch heiliger Orte wie des Berges Kailash, Benares usw. eine psychische Wirkung?«

M.: »Ja.«

F.: »Ist es von Vorteil, wenn man in Benares stirbt?«

M.: »Ja. Die Bedeutung wird klar, wenn man versteht, was das wirkliche Benares und das wirkliche Sterben ist.«

F.: »Meinst du damit, dass sie im Selbst sind?«

M.: »Ja.«

F.: »Es gibt sechs Zentren (Chakren) im Körper und ihnen entsprechende Zentren in der Welt.«

M.: »Ja. Was in der Welt ist, ist auch im Körper, und was im Körper ist, ist auch in der Welt.«

F.: »Ist die Heiligkeit von Benares Glaubenssache oder entspricht sie auch objektiv der Wirklichkeit?«

M.: »Beides.«

F.: »Manche Menschen fühlen sich zum einen Pilgerort hingezogen, andere zu einem anderen. Hängt das von ihrer Veranlagung ab?«

M.: »Ja. Denk nur daran, dass ihr euch alle hier versammelt habt, obwohl ihr in verschiedenen Städten geboren worden seid und in verschiedenen Ländern lebt. Welche Kraft hat dich hierher gezogen? Wenn ihr das versteht, versteht ihr auch die andere Kraft.«

29. Januar 1935, Talk 19

Herr Grant Duff fragte: »Wo sind Erinnerung und Vergessen lokalisiert?«

Maharshi: »Im Geist (chitta).«

30. Januar 1935, Talk 20

Herr Evans-Wentz: »Ist Einsamkeit für einen Verwirklichten (jnani) notwendig?«

M.: »Einsamkeit ist im Geist des Menschen. Ein Mensch kann im Dickicht der Welt leben und gelassen bleiben. So jemand ist einsam. Ein anderer mag im Wald leben, doch unfähig sein, seinen Geist zu kontrollieren. Ihn kann man nicht einsam nennen. Einsamkeit ist eine Geisteshaltung. Ein Mensch, der an seinen Wünschen hängt, kann nicht einsam sein, wo immer er auch ist. Ein losgelöster Mensch ist immer einsam.«

F.: »Man kann also ohne Wünsche seine Arbeit tun und die Einsamkeit beibehalten. Ist es so?«

M.: »Ja. Arbeit, die mit Anhaftung ausgeführt wird, ist eine Fessel, während Arbeit in Losgelöstheit den Handelnden nicht berührt. Er ist selbst während der Arbeit einsam.«

F.: »Es soll in Tibet viele Heilige geben, die einsam leben und trotzdem für die Welt von großem Nutzen sind. Wie ist das möglich?«

M.: »Es ist möglich. Die Selbstverwirklichung ist die größte Hilfe, die der Menschheit zuteilwerden kann. Deshalb heißt es, dass die Heiligen helfen, obwohl sie in den Wäldern bleiben. Man sollte aber dabei nicht vergessen, dass es Einsamkeit nicht nur in den Wäldern gibt. Man kann sie auch in den Städten, inmitten weltlicher Beschäftigung haben.«

F.: »Müssen sich die Heiligen nicht unter die Leute begeben, um ihnen zu helfen?«

M.: »Nur das Selbst ist die Wirklichkeit. Die Welt und alles Übrige sind es nicht. Der Verwirklichte sieht die Welt nicht als von sich selbst verschieden.«

F.: »Demnach erbaut die Verwirklichung eines Menschen die Menschheit, ohne dass sie sich dessen bewusst ist?«

M.: »Ja. Die Hilfe geschieht unmerklich, ist aber trotzdem da. Ein Verwirklichter hilft der ganzen Menschheit, ohne dass sie es weiß.«

F.: »Wäre es nicht besser, wenn er unter die Menschen ginge?«

M.: »Es gibt keine anderen, unter die er sich begeben könnte. Das Selbst ist die eine und einzige Wirklichkeit.«

F.: »Wenn es hundert selbstverwirklichte Menschen gäbe, wäre das nicht zum besseren Wohl der Welt?«

M.: »Wenn du ›Selbst‹ sagst, dann beziehst du dich auf das Unbegrenzte. Aber wenn du ›Menschen‹ hinzufügst, dann begrenzt du die Bedeutung. Es gibt nur ein unendliches Selbst.«

F.: »Ja, ja, ich verstehe. Sri Krishna sagt in der Gita, dass man die Arbeit ohne Anhaftung tun müsse und dass solche Arbeit besser als Nichtstun sei. Ist damit Karma Yoga gemeint?«

M.: »Das, was gesagt wurde, entspricht der Veranlagung des Zuhörers.«

F.: »In Europa verstehen die Leute nicht, dass ein Mensch, der in Einsamkeit lebt, hilfreich sein kann. Sie glauben, dass nur Menschen, die in der Welt wirken, nützlich sind. Wann wird dieser Irrtum enden? Wird der europäische Geist weiterhin im Morast waten oder die Wahrheit erkennen?«

M.: »Sorge dich nicht um Europa oder Amerika. Wo sind diese Länder außer in deinem Geist? Verwirkliche dein Selbst, dann ist alles verwirklicht. Wenn du von Menschen träumst und dann aufwachst und dich an deinen Traum erinnerst, versuchst du dann festzustellen, ob die Personen in deiner Traumschöpfung auch wach sind?«

F.: »Was denkt der Maharshi über die Theorie der Welt-Illusion (maya)?«

M.: »Was ist maya? Sie ist nur die Wirklichkeit.«

F.: »Bedeutet maya nicht Illusion?«

M.: »Der Ausdruck ›maya‹ bedeutet die Manifestationen der Wirklichkeit. Deshalb ist maya nur die Wirklichkeit.«

F.: »Manche Leute behaupten, Shankara sei nur ein Intellektueller und kein Verwirklichter gewesen. Stimmt das?«

M.: »Warum kümmerst du dich um Shankara? Verwirkliche dein eigenes Selbst. Andere können für sich selbst sorgen.«

F.: »Jesus Christus heilte Kranke. Geschah das nur durch okkulte Kraft (siddhi)?«

M.: »War sich Jesus bewusst, dass er Kranke heilte? Er konnte sich seiner Kräfte nicht bewusst gewesen sein. Dazu gibt es folgende Geschichte: Jesus hatte einst einen Blinden geheilt. Der Mann wurde im Lauf der Zeit immer bösartiger. Als Jesus ihm nach einigen Jahren wieder begegnete und seine Bosheit bemerkte, fragte er ihn nach dem Grund. Der Mann antwortete, dass er keine Sünden hatte begehen können, als er blind gewesen sei. Aber nachdem Jesus ihn von seiner Blindheit geheilt habe, sei er böse geworden. Also sei Jesus dafür verantwortlich.«

F.: »War Jesus nicht ein Vollkommener, der okkulte Kräfte (siddhis) besaß?«

M.: »Er konnte sich seiner Kräfte (siddhis) nicht bewusst gewesen sein.«

F.: »Ist es nicht gut, Kräfte wie Telepathie und dergleichen zu erlangen?«

M.: »Telepathie und auch das Radio ermöglichen einem, etwas von fern zu sehen und zu hören. Es ist immer dasselbe Sehen und Hören. Ob man etwas von Nahem oder Fernem hört, macht für das Hören keinen Unterschied. Der grundlegende Faktor ist der Hörende oder Sehende, das Subjekt. Ohne ihn kann es kein Hören oder Sehen geben. Letzteres sind Funktionen des Geistes. Deshalb gehören die okkulten Kräfte (siddhis) nur dem Geist an und nicht dem Selbst. Was aber nicht natürlich ist, sondern erworben wurde, kann nicht von Dauer sein und ist deshalb nicht wert, dass man danach strebt.

Okkulte Kräfte sind über das Normale hinausgehende Kräfte. Der Mensch besitzt begrenzte Kräfte und fühlt sich elend. Er möchte seine Kräfte ausweiten, um glücklich zu sein. Aber wird er es dadurch? Wenn man sich schon mit begrenztem Wahrnehmungsvermögen elend fühlt, dann muss das Elend mit zunehmendem Wahrnehmungsvermögen wachsen. Okkulte Kräfte machen niemanden glücklich, sondern nur elender!

Im Übrigen: Wozu sollen diese Kräfte gut sein? Der Möchtegern-Okkultist (siddha) will seine siddhis zur Schau stellen, damit die anderen ihn bewundern. Er sucht Anerkennung, und wenn sie sich nicht einstellt, ist er unglücklich. Er braucht andere dafür. Womöglich trifft er auf jemanden, der noch größere Kräfte als er besitzt. Das wird ihn eifersüchtig und noch unglücklicher machen. Der bessere Okkultist (siddha) kann jemanden treffen, der noch besser ist als er, und so geht es weiter, bis einer kommt, der alles im Nu beiseite fegt. Dies ist der höchste Meister (siddha), und Er ist Gott oder das Selbst.

Worin besteht wahre Kraft? Darin, seinen Besitz zu vermehren oder Frieden zu bringen? Das, was Frieden bewirkt, ist die höchste Vollkommenheit (siddhi).«

F.: »Aber der europäische und amerikanische Durchschnittsmensch würde eine solche Haltung nicht anerkennen. Er will etwas zu sehen bekommen, durch Vorträge unterrichtet werden usw.«

M.: »Vorträge können die Menschen für einige Stunden unterhalten, ohne sie zu bessern. Schweigen ist dagegen dauerhaft und kommt der ganzen Menschheit zugute.«

F.: »Schweigen wird aber nicht verstanden.«

M.: »Das macht nichts. Mit Schweigen ist Beredsamkeit gemeint. Belehrungen mit Worten sind nicht so beredt wie Schweigen. Schweigen ist dauerhafte Beredsamkeit. Der erste Meister Dakshinamurti ist dafür das Vorbild. Er lehrte seine rishi-Schüler durch Schweigen.«

F.: »Aber damals kamen die Schüler zu ihm. Das war in Ordnung. Jetzt ist es anders. Man muss sie aufsuchen, um ihnen zu helfen.«

M.: »Diese Ansicht ist ein Zeichen von Unwissenheit. Die Kraft, die dich erschaffen hat, hat auch die Welt erschaffen. Wenn sie sich um dich kümmern kann, dann kann sie sich auch um die Welt kümmern.«

F.: »Wie denkt Bhagavan über die verlorenen Seelen, von denen Jesus sprach?«

M.: »Überlege, was verloren gehen kann. Gibt es überhaupt etwas zu verlieren? Was zählt, ist nur das, was natürlich ist. Es muss ewig sein und kann nicht erfahren werden. Was geboren wurde, muss sterben. Was erlangt wurde, muss verloren gehen. Wurdest du geboren? Du existierst immer. Das Selbst kann niemals verloren gehen.«

F.: »Buddha rät zum achtfachen Weg als dem besten, damit niemand verloren geht.«

M.: »Ja. Er wird von den Hindus Raja Yoga genannt.«

F.: »Ist es für einen spirituell Suchenden ratsam, Yoga zu üben?«

M.: »Yoga hilft, den Geist zu kontrollieren.«

F.: »Aber führt Yoga nicht zu okkulten Kräften (siddhis), die gefährlich sein können?«

M.: »Du hast deine Frage auf den spirituell Suchenden bezogen. Du hast also nicht denjenigen gemeint, der okkulte Kräfte (siddhis) sucht.«

31. Januar 1935, Talk 21

Herr Ellappa Chettiar, Mitglied des gesetzgebenden Rats der Madraser Provinz und einflussreicher Hindu fragte: »Warum heißt es (in den heiligen Schriften), dass die Erkenntnis, die vom Hören kommt, nicht beständig sei, wohl aber die Erkenntnis, die aus der Kontemplation kommt?«

M.: »Es heißt, dass die Erkenntnis, die vom Hörensagen kommt (paroksha), nicht beständig sei, wohl aber die Erkenntnis, die aus der eigenen Verwirklichung entsteht (aparoksha). Es heißt aber auch, dass das Hören dem intellektuellen Verständnis der Wahrheit diene, die Meditation das Verständnis kläre und Kontemplation schließlich die Verwirklichung der Wahrheit bewirke. Solch ein Wissen sei nicht beständig. Es werde erst dann beständig, wenn es klar und vertraut sei wie die Stachelbeere, die man in der hohlen Hand hält.

Es gibt jene, die versichern, dass das Hören allein genügt, denn ein kompetenter Mensch, der bereits, vielleicht in früheren Geburten, die nötige Fähigkeit erworben hat, verwirklicht das Selbst und bleibt im Frieden, sobald er nur einmal die Wahrheit gehört hat, während ein anderer, der nicht so fähig ist, durch die oben beschriebenen Stadien gehen muss, bevor er in samadhi eingehen kann.«

Talk 22

Frau Piggot kam zu einem weiteren Besuch aus Madras und stellte Fragen über Ernährung.

F.: »Welche Ernährung eignet sich für jemanden, der sich spirituellen Übungen widmet (sadhaka)?«

M.: »Sattvische Nahrung in mäßigen Mengen.«

F.: »Welche Nahrung ist sattvisch?«

M.: »Brot, Obst, Gemüse, Milch und solche Dinge.«

F.: »Die Menschen in Nordindien essen Fisch. Ist das erlaubt?«

Der Maharshi antwortete nicht.

F.: »Wir Europäer sind an eine bestimmte Ernährung gewöhnt. Eine andere Ernährung greift die Gesundheit an und schwächt den Geist. Muss man nicht die physische Gesundheit bewahren?«

M.: »Unbedingt. Je schwächer der Körper ist, desto stärker wird der Geist.«

F.: »Ohne unsere gewohnte Nahrung leidet unsere Gesundheit, und der Geist verliert an Stärke.«

M.: »Was meinst du mit ›Stärke des Geistes‹?« F.: »Die Kraft, weltliche Bindungen zu beseitigen.«

M.: »Die Qualität der Nahrung beeinflusst den Geist. Der Geist ernährt sich von der aufgenommenen Nahrung.«

F.: »Tatsächlich? Aber wie können sich die Europäer an rein sattvische Nahrung gewöhnen?«

Der Maharshi wandte sich an Herrn Evans-Wentz und fragte: »Du hast unser Essen gegessen. Bereitet es dir irgendwelche Schwierigkeiten?«

E.W.: »Nein. Ich bin daran gewöhnt.«

F.: »Was ist mit jenen, die nicht daran gewöhnt sind?«

M.: »Gewöhnung ist nur eine Anpassung an die Umgebung. Es ist der Geist, der zählt. Tatsache ist, dass der Geist darauf trainiert wurde, bestimmtes Essen gut und schmackhaft zu finden. Der nötige Nährwert ist in vegetarischen wie auch in nicht-vegetarischen Nahrungsmitteln enthalten. Aber der Geist verlangt nach der Nahrung, an die er gewöhnt ist und die er für schmackhaft hält.«

F.: »Gelten diese Einschränkungen auch für den Verwirklichten?«

M.: »Nein. Er ist gefestigt und wird von der Nahrung, die er zu sich nimmt, nicht beeinflusst.«

F.: »Ist die Zubereitung von fleischlicher Nahrung nicht Mord?«

M.: »Gewaltlosigkeit (ahimsa) steht für den Yogi an oberster Stelle.«

F.: »Auch Pflanzen leben.«

M.: »Auch die Bretter, auf denen du sitzt.«

F.: »Sollten wir uns allmählich an vegetarische Kost gewöhnen?«

M.: »Ja, das ist der richtige Weg.«

Talk 23, 2. Februar 1935

Herr Evans-Wentz fragte am folgenden Tag: »Kann man mehr als einen spirituellen Meister haben?«

M.: »Wer ist ein Meister? Letzten Endes ist er das Selbst. Entsprechend der Entwicklung des Geistes manifestiert sich das Selbst als der äußere Meister. Der berühmte Heilige Avadhuta [Dattatreya] des alten Indiens sagte, er habe mehr als vierundzwanzig Meister gehabt. Der Meister ist einer, von dem man etwas lernt. Der Guru kann auch etwas Unbelebtes sein, wie im Fall von Avadhuta. Gott, Guru und das Selbst sind dasselbe.

Ein spirituell gesinnter Mensch glaubt, dass Gott alles durchdringt, und hält ihn für seinen Guru. Später bringt ihn Gott mit einem persönlichen Guru in Kontakt, der dem Menschen alles bedeutet. Zuletzt empfindet der Mensch durch die Gnade des Meisters, dass sein Selbst nichts anderes als die Wirklichkeit ist. So erfährt er, dass das Selbst der Meister ist.«

F.: »Weiht Sri Bhagavan Schüler ein?«

Der Maharshi schwieg. Da nahm es einer der Schüler auf sich zu antworten: » Der Maharshi sieht niemanden außerhalb seiner selbst. Deshalb gibt es für ihn keine Schüler. Seine Gnade durchdringt alles, und er übermittelt sie jedem, der sie verdient, im Schweigen.«

F.: »Wie trägt die Kenntnis der heiligen Schriften zur Selbstverwirklichung bei?«

M.: »Nur indem sie die Neigung des Geistes zum Spirituellen fördert.«

F.: »Und inwieweit fördert der Verstand die Selbstverwirklichung?«

M.: »Nur insoweit, als er bewirkt, dass man ihn ins Ego versenkt und das Ego ins Selbst.«

Talk 24, 4. Februar 1935

Frau Piggot: » Warum trinkst du Milch, isst aber keine Eier?«

M.: »Die Kühe geben mehr Milch als sie für ihre Kälber brauchen. Es ist für sie eine Erleichterung, wenn man sie milkt.«

F.: »Auch die Henne kann nicht alle ihre Eier ausbrüten.«

M.: »Aber sie enthalten potenzielles Leben.«

F.: »Manchmal hören die Gedanken plötzlich auf, und ein ›Ich-Ich‹ erhebt sich ebenso plötzlich und bleibt bestehen. Es ist nur im Empfinden, nicht im Denken. Kann das richtig sein?«

M.: »Ja, das ist ganz richtig. Die Gedanken müssen aufhören, und der Verstand muss verschwinden, damit das ›Ich-Ich‹ sich erheben und empfunden werden kann. Das Empfinden ist der Hauptfaktor, nicht das Verstehen.«

F.: »Zudem geschieht es nicht im Kopf, sondern auf der rechten Seite der Brust.«

M.: »So sollte es sein, denn dort liegt das spirituelle Herz.«

F.: »Wenn ich mich dann nach außen wende, verschwindet es. Was soll ich tun?«

M.: »Halte es fest.«

F.: »Handelt man immer richtig, während man sich mit diesem Erinnern beschäftigt?«

M.: »So sollte es sein. Doch solch ein Mensch kümmert sich nicht darum, ob sein Handeln richtig oder falsch ist. Sein Tun ist Gottes Tun und muss deshalb richtig sein.«

F.: »Warum muss er sich dann noch bei der Ernährung einschränken?«

M.: »Deine gegenwärtige Erfahrung wird von der Atmosphäre hier beeinflusst. Kannst du dieselbe Erfahrung auch ohne diese Atmosphäre machen? Die Erfahrung ist sprunghaft. Bis sie beständig wird, muss man üben. Einschränkungen bei der Ernährung tragen dazu bei, dass sich solch eine Erfahrung wiederholt. Ist man einmal in der Wahrheit gefestigt, dann fallen die Einschränkungen von selbst weg. Außerdem beeinflusst die Nahrung den Geist, und er muss rein bleiben.«

Frau Piggot erzählte später einem Schüler: »Ich spüre seine Ausstrahlung viel intensiver als zuvor und kann das Ich-Zentrum leichter erreichen.«

Talk 25

Bei einer früheren Gelegenheit fragte der Autor von ›Self-Realization‹ [Narasimha Swami]: »Wer bin ich? Wie kann man das herausfinden?«

M.: »Stelle dir selbst die Frage. Der Körper (annamaya kosa) und seine Funktionen sind nicht ›ich‹. Gehe tiefer. Der Geist (manomaya kosa) und seine Funktionen sind nicht ›ich‹. Der nächste Schritt führt zu der Frage: ›Woher kommen überhaupt die Gedanken?‹ Die Gedanken sind unwillkürlich, oberflächlich oder analytisch. Sie arbeiten im Verstand. Wer aber ist sich ihrer bewusst? Das Vorhandensein von Gedanken, deren klare Begriffe und Wirkungsweisen zeigen sich dem Individuum. Diese Analyse führt also zu der Schlussfolgerung, dass sich die Individualität für das Vorhandensein von Gedanken und Gedankenfolgen als nötig erweist. Diese Individualität ist das Ego oder Ich, wie die Leute es nennen. Vijnanamaya kosa (der Intellekt) ist nur eine Hülle des Ich und nicht das Ich selbst.

Forscht man weiter, dann stellt sich die Frage: ›Wer ist dieses Ich? Woher kommt es?‹ Das Ich war sich seiner im Tiefschlaf nicht bewusst. Wenn es auftaucht, wechselt der Tiefschlaf zum Traum oder zum Wachzustand hinüber.

Aber im Augenblick träume ich nicht. Wer bin ich jetzt, im Wachzustand? Wenn das Ich aus dem Schlaf hervorgeht, dann war es zuvor von Unwissenheit bedeckt. Solch ein unwissendes Ich kann nicht das Ich sein, das die Schriften und die Weisen meinen. Ich existiere sogar jenseits des Tiefschlafs. Mein wahres Ich muss hier und jetzt da sein und auch im Tiefschlaf und im Traum, unberührt von den Eigenschaften dieser Zustände. Ich muss deshalb das eigenschaftslose Substrat sein, auf das diese drei Zustände basieren (und das auch die Hülle der Seligkeit, anandamaya kosa, überschreitet). Kurz gesagt, das wahre Ich ist jenseits der fünf Hüllen.08 Das, was zurückbleibt, nachdem man alles verworfen hat, was das Nicht-Selbst ist, ist das Selbst, sat-chit-ananda.«