Spookily Yours - Jennifer Chipman - E-Book + Hörbuch

Spookily Yours Hörbuch

Jennifer Chipman

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Beschreibung

Mein Kater ist ein Dämon

Willow ist eine Hexe – das ist jedoch nichts Ungewöhnliches in dem kleinen Städtchen Pleasant Grove, in dem es vor Magiebegabten nur so wimmelt. Trotzdem spürt sie, dass das einsame Leben hier für sie nicht alles ist. Zwar liebt sie die Arbeit in dem kleinen Café ihrer Schwester, doch für immer sieht sie sich dort nicht.

Als ihr ein sprechender schwarzer Kater über den Weg läuft, der ihr mitteilt, ein verfluchter Dämon zu sein und sie um ihre Hilfe bittet, wittert Willow ihre Chance, mehr Pepp in ihren Alltag zu bringen. Mithilfe von Mondschein, Kräutern und dem richtigen Zauberspruch kann sie Damien wieder in seine menschliche Gestalt verwandeln – und kann ihren Augen nicht trauen, was für ein ansehnliches Exemplar eines Mannes da vor ihr steht.

Kann Willow ihm und seiner Anziehungskraft widerstehen, immerhin ist er doch ein Dämon?

Und wieso und von wem wurde Damien überhaupt erst verwandelt?

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Zeit:6 Std. 40 min

Veröffentlichungsjahr: 2025

Sprecher:Leon WanderMarie Langenfeld

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Zum Buch:

Doch da … Der schwarze Kater vor mir zuckte mit dem Schwanz. Starrte mich mit seinen leuchtend gelben Augen an und leckte sich dann die Pfote.

Er sah genauso aus wie die Katze von diesem Morgen. Aber das war unmöglich, oder?

Selbst Vertrauenstiere waren keine magischen Tiere.

Lucifer stand auf dem kleinen Namensschild. Er sah jung aus, wenn auch bei Weitem nicht so jung wie die Babykatze, die ich vor Jahren bekommen hatte. Aber er hatte etwas an sich. Etwas, das schrie: Nimm mich mit nach Hause! Ich gehöre dir!

Das war es, wonach ich gesucht hatte. Er legte den Kopf schief und blinzelte.

Mit dem Schicksal soll man nicht diskutieren, richtig?

Zur Autorin:

Jennifer Chipman stammt ursprünglich aus der Gegend von Portland und lebt jetzt in Orlando mit ihrem Hund Walter und ihrer Katze Max. Sie hat ihre Nase immer in einem Buch und liebt es, in ihrer Freizeit in die Disney Parks zu gehen.

Jennifer Chipman

Spookily Yours

Roman

Übersetzt aus dem Englischen von Nora Petroll

HarperCollins

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem TitelSpookily Yours im Selfpublishing.

© 2023 by Jennifer Chipman

Deutsche Erstausgabe

© 2025 für die deutschsprachige Ausgabe

by HarperCollins in der

Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH

Valentinskamp 24 · 20354 Hamburg

[email protected]

Covergestaltung von Buxdesign | Lisa Höfner mit einem Cover Art von @sennydoesarty

E-Book Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN9783749909681

www.harpercollins.de

Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte der Urheberinnen und des Verlags bleiben davon unberührt.

Für meine gruseligen, Halloween-begeisterten Girls.

Das hier ist für euch.

1 Willow

Mir wurde beigebracht, dass schwarze Katzen Glück bringen. Möglicherweise war das dem Umstand geschuldet, dass ich die Tochter einer Hexe bin, aber immer wenn ich einer begegnete, schien mir das Schicksal wohlgesonnen.

Als ich den einsamen, dunklen Pfad Richtung Dorf entlangschlenderte, nahm ich aus dem Augenwinkel einen schwarzen Blitz wahr.

Auf der Backsteinmauer, die den Pfad säumte, lag eine Katze, und es war ihr zuckender Schwanz, der meine Aufmerksamkeit erhascht hatte. Sie leckte sich die Pfote, als wäre sie völlig frei von Sorgen.

Obwohl ich vermutete, dass dem nicht so war. Katze müsste man sein.

»Wenn wir doch alle so ein Glück hätten wie du und den ganzen Tag faul herumliegen könnten«, seufzte ich.

Die kleine Mieze trug kein Halsband, daher vermutete ich, dass sie keinen Besitzer hatte. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst, rückte die Tasche zurecht, die an meinem Arm hing, und setzte meinen Weg fort.

Der Boden war bedeckt mit trockenem Laub, das bei jedem meiner Schritte befriedigend raschelte. Die ganze Welt war in leuchtende Farben getaucht, und die Bäume erstrahlten in prächtigen Herbsttönen.

Ich blieb stehen und schaute zurück zur Backsteinmauer, doch die Katze war verschwunden.

Ich liebte diese Jahreszeit, alles daran – wenn es draußen langsam kalt wurde und man die dicken Pullis aus dem Schrank kramen konnte. Es fühlte sich an, als hüllte man sich mit einer Tasse heißem Cider in den Händen in eine warme, kuschelige Decke.

Aber der Herbst in Pleasant Grove war noch besonderer. Es war schon immer ein geheimer Zufluchtsort für Hexen gewesen, ein gemütliches kleines Dorf voller Zirkel, wo Magie auf der Tagesordnung stand. Als es vor langer Zeit gegründet worden war, hatten die Hexen magische Schutzbarrieren errichtet, um es vor der Außenwelt abzuschirmen. Und uns damit die Freiheit geschenkt, ganz wir selbst sein zu können, ohne unser wahres Ich verstecken zu müssen.

Ich lächelte, als eine in Spinnweben gehüllte Veranda in mein Blickfeld kam; den Rasen davor schmückte eine riesige Spinne. Die Familien im Dorf hatten schon vor Wochen begonnen, ihre Halloweendekoration auszupacken. In unserer Gemeinschaft kam es einem großen Wettbewerb gleich, den wir genauso ernst nahmen wie die Menschen ihre Weihnachtsbeleuchtung.

Der Oktober war mein Lieblingsmonat. Schon als Kind hatte ich mich immer darauf gefreut, gemeinsam mit meiner Familie den Dorffeierlichkeiten beizuwohnen. Es gab nichts Schöneres als die Tage, wenn wir unser Haus für den Halloweenabend schmückten, vor allem wenn dabei ein Topf Kürbissaft auf dem Herd vor sich hin brodelte.

Ich vermisste das.

Der verlockende Duft von Zucker und Gebäck stieg mir in die Nase, noch bevor ich die Hand nach der Tür zur Bäckerei des Dorfes ausstreckte – Das Hexenbräu. Meine Schwester und ich hatten sie vor vielen Jahren gemeinsam eröffnet, und ich konnte bis heute nicht fassen, wie überlaufen sie jeden Morgen war.

Doch noch war es ruhig, Morgentau legte sich auf das Dorf, und erst langsam erwachte die Welt zum Leben.

Das Glöckchen klingelte, als ich die Tür aufstieß, und was auch immer in der Backstube im Ofen war, ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Zuckerkekse waren die Spezialität meiner Schwester, glasiert mit höchster Raffinesse. Alles, was sie machte, war zum Reinsetzen, aber jedes Jahr sehnte ich den Herbst herbei, weil ich genau wusste, dass es dann Kürbisgebäck gab.

Auf dem Weg zur Backstube ließ ich meine Tasche auf einen Stuhl fallen, griff nach meiner Schürze und band mir mein hellbraunes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen.

»Wil!« Lunas blonder Lockenkopf erschien. »Guten Morgen!« Beim Klang ihrer fröhlichen Stimme hellte sich sofort meine Stimmung auf. Diesen Effekt hatte sie schon immer auf mich gehabt.

Wir waren uns wie aus dem Gesicht geschnitten, meine Schwester und ich, mit Ausnahme unserer Haare. Wir hatten die gleiche Stupsnase und die gleichen hellgrünen Augen. Doch während sie das schöne honigblonde Haar unserer Mutter geerbt hatte, hatte ich den Karamellton unseres Vaters bekommen.

»Morgen«, antwortete ich, band mir die Schürze um und atmete tief durch die Nase ein, um den in der Luft liegenden Duft einzusaugen. »Wie war dein Start in den Tag?«

Lunas Herzblut, das sie in die Bäckerei steckte, war der Grund, weshalb die Leute morgens in der Regel vor unserer Tür Schlange standen. Während meine Fähigkeit darin bestand, magische Tränke zu brauen, meisterte Luna die Herstellung von Broten, Muffins und sonstigem Süßgebäck.

»Gut.« Auf ihrem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. »Ich hab dein Lieblingsgebäck gemacht.«

Mhmm. Dachte ich mir doch, dass ich sie gerochen hatte. »Chocolate-Chip-Kürbis-Scones?«

»Bingo.« Mit einer Bewegung ihres Fingers ließ sie ein Scone zu mir herüberschweben.

Als wir noch klein waren, hatten unsere Eltern uns eingebläut, uns nicht allein auf unsere Zauberkräfte zu verlassen. Nicht alle Hexen im Dorf, nicht mal alle in unserem Zirkel, beherrschten Telekinese, doch wir hatten beide Glück gehabt. Unsere Kräfte hatten uns schon aus so mancher Notlage gerettet.

Das noch ofenwarme Scone landete in meiner Hand, und ich biss glücklich hinein. »Hm, lecker«, seufzte ich. »Das hab ich gebraucht. Mein Morgen war bisher … na ja …«

Nur mit Mühe hatte ich es geschafft, mich aus dem Bett zu schälen. Und dann war da noch die Katze. Ich blinzelte.

»Ich habe eine Katze gesehen.« Die Worte purzelten einfach so heraus.

Luna zog eine Augenbraue hoch. »Süße, in Pleasant Grove gibt es fast so viele Katzen wie Hexen. Nicht umsonst sind sie die gängigsten Vertrauenstiere.«

Vertrauenstiere waren in unserem Dorf kein Geheimnis und die Verbindung zwischen ihnen und ihrem Menschen unglaublich stark. Sie waren mehr als Haustiere – sie waren Teil der Familie.

Die Verbindung ging über eine einfache Haustier-Besitzer-Beziehung hinaus.

Ich hatte auch mal ein Vertrauenstier gehabt – meinen Kater Binx –, ein großer grauer Flauschball. In dem Augenblick, als er mir in meine sechsjährigen Arme gelegt wurde, hatte ich es mehr oder weniger gewusst. Er verstand mich, konnte mir tief in die Seele schauen. Unsere Verbindung war einzigartig. Er war mein Vertrauenstier, mein Lebensgenosse und das Geschöpf meines Herzens.

Aber zweiundzwanzig Jahre war für jede Katze ein stolzes Alter.

Im vergangenen Sommer hatten wir in unserem Garten ein kleines Grab ausgehoben, und Luna hatte per Hand den kleinen Grabstein graviert.

Jetzt war mein Haus leer – still.

Doch das war nicht alles. »Diese Begegnung war … anders.« Ich zuckte mit den Schultern.

»Willow.« Lunas Stimme war sanft – einfühlsam. »Ich weiß, dass Binx dir fehlt. Aber vielleicht ist es an der Zeit.«

Nach vorn zu schauen.

Zu akzeptieren, dass ich ein neues Tier finden musste, um die Leere in meinem Herzen zu füllen. Meinen Tränken mangelte es in letzter Zeit an dem gewissen Etwas. Als fehlte eine Zutat.

Zum Glück konnte ich noch immer einen phänomenal guten Mocha machen, schließlich war ich für das der Bäckerei angegliederte Café zuständig.

Ich nahm einen tiefen Atemzug. »Ich weiß.«

Binx hatte ein gutes Leben gehabt. Es war Zeit, seine Seele in die Nachwelt gehen zu lassen, ins Jenseits. Dieses Recht hatte er sich verdient.

Aber meiner Einsamkeit tat das keinen Abbruch. Meine Schwester war vor sechs Monaten aus dem Haus unserer Eltern ausgezogen, dem Haus, in dem wir aufgewachsen waren, und seitdem lebte ich allein in dem knarzenden alten viktorianischen Gebäude. Immerzu sagte ich, es müsste mal auf Vordermann gebracht werden, nur hatte ich bisher nicht den Mut aufgebracht, die Zwillinge mit der Renovierung zu beauftragen. Wäre ich keine Hexe, hätte ich geschworen, dass in dem Haus Geister ihr Unwesen trieben. Vielleicht taten sie das auch.

»Ich habe darüber nachgedacht, mal beim Tierheim vorbeizugehen. Nur um mal zu schauen.«

Ob ich zu einem der Tiere eine Verbindung spürte. Ob eine der Katzen mich wählte. Schon seit Monaten drückte ich mich davor. Wovor hatte ich Angst? Dass keine von ihnen eine Verbindung zu mir hätte – oder dass doch?

Seufzend schüttelte ich den Kopf. »Ich muss einfach aus diesem Stimmungstief raus.«

Luna tunkte ihren Finger in die Schüssel mit dem Frosting. »Zum Glück steht das Kürbisfest vor der Tür. Und Halloween! Das hat dich noch immer aufgemuntert.« Sie steckte sich den Finger in den Mund und leckte das Frosting ab. »Braucht mehr Vanille«, sagte sie naserümpfend.

»Ja, aber …«

Ich hatte keine gute Ausrede, daher begnügte ich mich damit, Kaffee aufzusetzen.

Meine Schwester verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich eindringlich an. »Arbeitet Eryne heute nicht im Café? Warum nimmst du dir den Tag nicht frei? Geh, und schau einfach. Und hab vielleicht auch mal ein bisschen Spaß. Du tust ja gerade so, als wäre dein Seelengefährte gestorben.«

»Hey!« Ich runzelte die Stirn. Nein, was das anging, herrschte in meinem Leben schon lange tote Hose. Wann hatte ich das letzte Mal einen Mann gedatet? Wahrscheinlich noch bevor unsere Eltern gestorben waren.

Es gab einen Grund, weshalb ich mit achtundzwanzig immer noch Single war. Die letzten Jahre hatte ich mich eingemauert und das Haus unserer Eltern nur verlassen, um zur Arbeit zu gehen, einzukaufen oder mich mit meinem Hexenzirkel zu treffen. Ich war eine Stubenhockerin, zugegeben. Lieber machte ich es mir mit einer Decke und einer Schüssel Popcorn auf dem Sofa gemütlich, als auszugehen.

»Da wäre auch immer noch der Verwunschene Hexenkessel«, sagte Luna mit einem verschlagenen Grinsen im Gesicht. »Wer weiß, vielleicht kommt Mr. Perfect angewalzt und fegt dich vom Besen.«

Ich schnaubte. »Als ob.«

Aber mein Gehirn konnte nicht anders, als das Bild eines Mannes heraufzubeschwören – groß, dunkelhaarig und gut aussehend –, der herbeischwebte und mir die romantischste Nacht meines Lebens bescherte. Träumen durfte man ja wohl noch, oder?

Ich schüttelte den Kopf. Das würde nicht passieren. Abgesehen davon, hatte ich das bereits probiert. Den Männern hatte ich abgeschworen, vor allem Menschenmännern, aus gutem Grund.

»Vielleicht hatte Mom recht«, sagte Luna nachdenklich. »Als sie meinte, dass wir in unsere Zukunft schauen sollen. Um zu sehen, mit wem wir zusammenkommen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Du weißt es besser, als in unserem eigenen Leben herumzupfuschen.«

Manche Hexen machten damit Geld. Hellseherische Fähigkeiten waren selten, selbst in unserer Gemeinschaft, und wer sie besaß, war viel gefragt.

Luna nannte sich nicht gern eine Seherin, aber sie hatte starke vorausahnende Kräfte. Doch statt sich mit Wahrsagerei selbstständig zu machen oder in die Menschenwelt überzusiedeln, um ihre Dienste dort anzubieten, hatte sie sich entschieden, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen.

Das Backen.

Ich hingegen hatte meine große, wahre Leidenschaft noch nicht gefunden. Ich war eine gute Geschäftsführerin, sowohl für die Bäckerei als auch für das Café, doch wirklich erfüllend war es für mich nicht. Nicht so wie für Luna. Sie war drei Jahre jünger als ich, schien ihr Leben aber so viel besser im Griff zu haben.

Vielleicht war das der Grund für meine folgenden Worte. Warum ich beschloss, mal aus diesem traurigen kleinen Hexenleben auszubrechen, in dem ich quasi im Stillstand schwebte. Als würden mich meine Hände in der Luft halten, aber ich bewegte mich nicht vorwärts. Ich wollte mich vorwärtsbewegen – wollte fliegen.

Leben.

»Weißt du was … lass uns hingehen«, sagte ich.

Luna klappte die Kinnlade runter, und sie starrte mich über die Frostingschüssel hinweg an. »Wie bitte?«

»Gehen wir zur Bar. Wir haben uns eine wilde Nacht verdient. Du kannst eines deiner Kleider anziehen, von denen ich ganz genau weiß, dass du sie hinten in deinem Schrank versteckst, wo sie nur auf die richtige Gelegenheit warten.«

Sie quietschte und fiel mir um den Hals. »Oh, Wil! Das wird so ein Spaß!«

Sie ließ den Blick über mein Outfit gleiten, von dem knielangen orangefarbenen Cordrock über den schwarzen Body bis hin zu meinem Lieblingshut, der das Ganze abrundete. Nicht gerade sexy, nein, aber es war eben ich. Ich legte Wert auf Gemütlichkeit. Und der Rock hatte Taschen.

Luna runzelte die Stirn. »So gehst du aber nicht.«

Ich seufzte. »Versprichst du mir, dich nicht zu sehr an mir auszutoben?«

Ihr Gesicht erstrahlte. Natürlich musste ausgerechnet meine Schwester die eine Hexe im Dorf sein, die auf Pastellfarben stand. »Ich hab da schon eine Idee.« Sie sah sich um, bevor sie mit den Händen eine wegscheuchende Bewegung machte. »Jetzt geh! Raus hier! Ich komme zu dir, sobald wir den Laden für heute dichtgemacht haben.«

Eine Bäckerei mit Café in einem kleinen Dorf zu betreiben, bedeutete dankbarerweise geregelte Arbeitszeiten, da nach sechzehn Uhr ohnehin niemand mehr irgendetwas zu brauchen schien. Danach gab es immer noch den Diner und die Bar, und wir machten nur allzu gern früh die Schotten dicht.

»Okay, okay«, schnaufte ich und ließ ein weiteres Scone zu mir herüberschweben. »Aber das hier nehme ich mit, als Pfand.«

Luna zwinkerte mir zu und schob mich aus der Backstube. Doch bevor ich wirklich gehen konnte, gab es vor Ladenöffnung noch ein paar Dinge zu erledigen. Ich kochte mehr Kaffee, schäumte eine Tasse Milch auf und seufzte zufrieden, als sich die Gerüche vermischten.

Möglich, dass ich mein Leben nicht voll im Griff hatte, aber wenigstens hatte ich Kaffee.

Und der hielt mich zumindest am Laufen.

Als ich die Bäckerei verließ, aß ich den letzten Bissen meines zweiten Scones und nippte an dem Pumpkin Spice Latte, den ich mir gemacht hatte, bevor Eryne eintraf. Wir hatten sie im vergangenen Jahr eingestellt, und sie war meine Lieblingsmitarbeiterin, mit ihrem roten Bob und den süßen Hexenohrringen, die sie jeden Tag zur Arbeit trug. Es war schwer, nicht in Festtagsstimmung zu kommen, wenn man in einem Laden wie dem Hexenbräu arbeitete. Heute trug sie Besenohrringe.

Es war nicht mal sieben Uhr. Der Morgen war noch jung. Ich könnte in die Bibliothek gehen oder zu meiner Lieblingsapotheke. Mein Vorrat an Kräutern und Zutaten zu Hause schwand, wobei ich vor dem nächsten Treffen mit dem Hexenzirkel noch ausreichend Zeit hatte, ihn aufzustocken.

Ich könnte zur Tierhandlung gehen, aber … Ich war nicht sicher, ob ich dazu schon bereit war. Zwar waren schon viele Monate vergangen, doch ich hatte immer noch das Gefühl, Zeit zu brauchen.

Auf der Main Street setzte ich mich auf eine Bank, massierte mir den Nacken und nahm einen großen Schluck von meinem Latte. Von hier aus hatte man das Dorf perfekt im Blick. Die Main Street begann gerade erst, zum Leben zu erwachen, und die ersten Leute fuhren auf dem Weg zur Arbeit oder um irgendetwas zu erledigen durch die Straßen. Die meisten Geschäfte öffneten erst um neun, daher waren die Fußgängerwege noch größtenteils leer.

Dies war die perfekte Art, den Morgen zu genießen. Ich holte ein Buch aus meiner Tasche, schlug es auf der Seite auf, auf der ich zu lesen aufgehört hatte, und ließ mich von der morgendlichen Stille in die andere Welt ziehen.

Es gab kaum etwas Magischeres, als sich in den Seiten eines guten Buchs zu verlieren. Dieses Gefühl hatte ich schon immer geliebt – aufzublicken und zu erkennen, dass ich gerade drei Stunden pausenlos gelesen hatte.

Als ich schließlich das Lesezeichen wieder zwischen die Seiten schob, sah ich auf die Uhr. Für den Abend war ich mit Luna verabredet, aber was sollte ich mit meinem freien Tag anfangen? Die Buchhaltung hatte ich bereits erledigt, die Bestellungen für die nächsten zwei Wochen waren aufgegeben.

Das bedeutete … dass ich tatsächlich machen konnte, was ich wollte.

Sollte ich mal im Tierheim vorbeischauen?

Ich dachte an die schwarze Katze von heute Morgen. Ohne Halsband. Ohne Zuhause. Lief da draußen ein Tier herum, das genauso einsam war, sich genauso sehr nach Gesellschaft sehnte wie ich?

Dieser Gedanke ließ mich innehalten – die Vorstellung, dass ein anderes Geschöpf da draußen mich vielleicht brauchte.

Ich schob mein Buch in die Tasche, drehte mich um und ging in entgegengesetzte Richtung die Main Street hinab.

In Richtung Tierheim.

»Wenn du eine siehst, bei der du eine Verbindung spürst oder die du dir mal näher ansehen möchtest, ruf mich einfach.« Die junge Hexe schenkte mir ein Lächeln, bevor sie mich in dem Raum voller Käfige allein ließ.

Es war schwer zu beschreiben, wie tief das Band zwischen einer Hexe und ihrem Vertrauenstier ging, aber es war der Grund, weshalb ich bisher nicht bereit gewesen war, Binx zu ersetzen.

Allerdings … wurde es Zeit. Das wusste ich.

Ich wollte jemanden, zu dem ich nach Hause kommen konnte.

Selbst wenn dieser Jemand, nun ja … meine Katze war.

Ich blickte in jeden einzelnen der Käfige, während ich zwischen ihnen entlangging. Die süße Braune streckte ihren Rücken lang, doch obwohl sie so niedlich mit der Nase zuckte, spürte ich … nichts. Genauso bei der Tigerkatze im Nachbarkäfig und jeder weiteren daneben. An Dutzenden Katzen ging ich vorbei und spürte keinerlei Zug, keinerlei Anziehung. Keine Verbindung.

Doch da … Der schwarze Kater vor mir zuckte mit dem Schwanz. Starrte mich mit seinen leuchtend gelben Augen an und leckte sich dann die Pfote.

Er sah genauso aus wie die Katze von diesem Morgen. Aber das war unmöglich, oder?

Selbst Vertrauenstiere waren keine magischen Tiere.

Lucifer stand auf dem kleinen Namensschild. Er sah jung aus, wenn auch bei Weitem nicht so jung wie die Babykatze, die ich vor Jahren bekommen hatte. Aber er hatte etwas an sich. Etwas, das schrie: Nimm mich mit nach Hause! Ich gehöre dir!

Das war es, wonach ich gesucht hatte. Er legte den Kopf schief und blinzelte.

Mit dem Schicksal soll man nicht diskutieren, richtig? Hoffentlich waren uns viele gemeinsame Jahre bestimmt.

»Entschuldigung?«, sagte ich zu der jungen Tierheimmitarbeiterin. »Darf ich … ihn mal halten?« Ich deutete auf den Käfig.

Ich wollte ihn so gern hier rausholen. Er wirkte beinahe … verärgert, in diesem besseren Glaskasten festzusitzen.

Er hatte ein großes Haus verdient, in dem er nach Herzenslust herumrennen und Mäuse jagen konnte und bis zum Umfallen gestreichelt wurde. Das konnte ich ihm geben. Ich hatte Platz zur Genüge für diesen kleinen Stubentiger – das war der größte Vorteil daran, das Clarke-Haus geerbt zu haben.

»Oh, ihn?«, fragte die Mitarbeiterin und zog die Nase kraus. »Er ist nicht sehr zahm. Bist du sicher?«

Ich nickte. »Ja, bitte.«

Sie zuckte mit den Schultern und führte mich in ein Hinterzimmer. Dann ging sie zurück, um den Kater zu holen.

Meinen Kater.

Nachdem sie uns beide allein gelassen hatte, tapste er zögerlich zu mir, legte auf sehr katzenuntypische Art den Kopf schief und sah mich an.

Wieder ein Schwanzzucken.

»Hi, Samtpfote«, gurrte ich und streckte die Hand aus, als er sich vor mich hinsetzte.

Mit schief gelegtem Kopf sah ich ihn an. »Wie heißt du wohl wirklich?«

Der Kater schien regelrecht zu schnauben, als würde er sich über den Namen ärgern, den ihm die Menschen gegeben hatten. Er sah nicht aus wie ein Lucifer, obwohl seine Augen, wenn sich das Licht auf eine bestimmte Art in ihnen fing, beinahe … rot waren.

Aber das war unmöglich.

Wieder streckte ich ihm die Hand hin, und er streifte sie. »Angeblich bist du nicht zahm, dabei bist du doch ein ganz Süßer, nicht wahr?«, säuselte ich.

Da stieß er mit dem Kopf gegen meine Hand und ließ zu, dass ich ihn streichelte, während er an mir entlangstrich und schließlich in meinen Schoß kletterte und sich dort zusammenrollte.

Sein Schnurren besiegelte, dass dies mein Kater war.

»Möchtest du mit mir nach Hause kommen, kleiner Tiger?« Ich kraulte seinen Kopf.

Er miaute und blickte zu mir hoch.

»Das nehme ich als Ja.«

Mit ihm im Arm stand ich auf und klopfte an die Tür, um die Hexe zu verständigen.

»Ich nehme ihn«, sagte ich mit einem nachdrücklichen Nicken.

Die junge Hexe sah mich skeptisch an. »Du willst die Dämonenkatze?«

Ich drückte ihn an die Brust und runzelte die Stirn. »Ja. Und er ist kein Dämon.« Ich kraulte ihn zwischen den Ohren, und er blickte zu mir hoch. »Stimmt’s, kleiner Tiger?«

Wenn ich doch nur gewusst hätte.

2 Damien

Das Halsband, das mir die verdammten Menschen angezogen hatten, baumelte um meinen Hals.

Wussten sie denn nicht, dass ich keine Katze war?

Ich meine, in meiner derzeitigen Gestalt sah ich aus wie eine, schon klar.

Aber das lag nur daran, dass ich darin gefangen war. Ausgesucht hatte ich mir das nicht. Und alles nur wegen dieser einen gottverdammten Nacht.

Ein Monat. Schon seit einem Monat war ich in dieser Gestalt gefangen, und was hatte es mir eingebracht? Ein Halsband und mehr oder weniger einen Daueraufenthalt in diesem Tierheim.

Ich gehörte nicht in ein Tierheim, verdammt noch mal. Klar, ich könnte abhauen, doch das tat meiner derzeitigen Zwangslage auch keinen Abbruch.

Wenn ich nur meine magischen Kräfte einsetzen könnte, würde ich schon einen Weg aus diesem Schlamassel herausfinden.

Aber nein. Sie hatten mich in einen Käfig gesperrt, und ich konnte nichts tun, als mein Spiegelbild anzustarren und mir zu wünschen, diese verdammte Gestalt loszuwerden. Um alles noch schlimmer zu machen, hatten sie mir einen Namen gegeben. Und zwar keinen, der mich charakterlich gut darstellte. Nein.

Da war es mir lieber, wenn sie mich Dämonenkatze nannten. Das wenigstens war zutreffend.

Aber diese Frau … Ich hatte sie gespürt.

Irgendetwas an ihrem Geruch wirkte anziehend auf mich, und ich hatte nicht mal das Bedürfnis verspürt, die katzenartigen Triebe zu unterdrücken, die in mir jeden Tag stärker wurden.

Sie hatte mir in die Augen geblickt, und ein Teil von mir wusste, dass ich ihr vertrauen konnte.

Und vielleicht … konnte sie mir sogar helfen.

Das war der Grund, warum ich ihr in den Schoß geklettert war. Warum ich mich von ihr hatte mitnehmen lassen.

»Wie findest du’s?«, fragte sie jetzt, als sie mich in ihr Haus trug. »Ich weiß, es ist etwas heruntergekommen, aber … es ist mein Zuhause.«

Von außen sah das alte viktorianische Haus genau so aus, wie ich es mir vorgestellt hätte, bis hin zu dem Besen, der an der Hauswand lehnte.

Und drinnen war es warm. Eindeutig ein Zuhause. Ein Familienzuhause.

Doch wo war ihre Familie? Es schien nicht so, als lebte außer der Frau noch jemand hier, keinerlei Spuren deuteten darauf hin. Möglich, dass da der ganz leichte Geruch eines anderen Menschen in der Luft lag – weiblich – und dann noch ein paar ältere, aber sonst nichts.

Hübsch hier, dachte ich. Besser als jedes Zuhause, das ich je hatte. Nur sagen konnte ich das nicht.

Sie trug mich in die Küche und setzte mich auf den Boden. Dann warf sie einen Blick in den Kühlschrank und runzelte die Stirn.

»Was meinst du, kleiner Tiger? Möchtest du etwas Wasser? Ich muss erst einkaufen gehen …« Sie biss sich auf die Lippe. »Das alles kommt ein bisschen unerwartet heute.« Sie seufzte, und während sie weiter vor sich hin murmelte, nahmen ihre Wangen einen leichten Rotton an.

Oh. Das war süß.

Ich legte den Kopf schief und sah sie mit glühender Aufmerksamkeit an, während sie eine Schüssel mit Wasser füllte.

Sie hielt inne. »Kommst du klar, während ich weg bin?«

Sie beugte sich herab, um die Wasserschüssel auf den Boden zu stellen, und kraulte mich zwischen den Ohren, was mir ein unfreiwilliges Schnurren entlockte.

Das war … neu.

Seit ich in dieser Gestalt war, hatte sich noch nie richtig die Gelegenheit ergeben, mich von Menschen streicheln zu lassen. Ich war überrascht, wie sehr ich es genoss, wenn sie es tat.

Zur Antwort miaute ich und hoffte, dass sie es als ein »Ich komm schon zurecht, Menschenfrau« verstand.

Aber was wusste ich schon?

Die Frau stand auf, strich sich über den orangefarbenen Rock – bestimmt Katzenhaare, die ich darauf zurückgelassen hatte – und nickte.

»Okay, mein Kleiner. Bin bald zurück. Sei brav, und mach keine Dummheiten.« Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Wenn ich zurückkomme, muss ich aufräumen. Herrje.«

Belustigt stellte ich die Ohren zurück, während die Frau so mit sich selbst sprach.

»Grundgütiger, Willow«, murmelte sie. Willow. Der Name gefiel mir. »Du musst aufhören, mit dem Kater zu sprechen, als könnte er dir antworten.«

Wenn sie nur wüsste.

Die Frau – Willow, korrigierte ich mich – ging zur Tür, nahm ihr Handy zur Hand und tippte auf das Display, bevor sie es ans Ohr hielt.

»Ja, Luna?«, sagte sie ins Telefon. »Das mit heute Abend müssen wir auf ein andermal verschieben …« Sie verzog das Gesicht. »Ich weiß. Tut mir leid …« Und dann war sie aus der Tür, und ich konnte ganz allein mein neues Zuhause erkunden.

Mit zuckendem Schwanz lief ich über den Dielenboden. Wenn ich schon hier festsaß, bis ich einen Weg fand, den verdammten Fluch aufzuheben, konnte ich mir auch einen Überblick über die Lage verschaffen.

Was ist das? Meine Nase schnappte einen Geruch auf, und ich konnte nicht anders, als ihm zu folgen.

Was duftete da so herrlich? Mir lief das Wasser im Mund zusammen, und ich wusste genau, dass das der Kater in mir war, der nun schon zu lange die Oberhand hatte. Er ließ mich durch die Zimmer streifen und nach dem Ursprung des umherwabernden Geruchs suchen.

Ich stieß eine nur angelehnte Tür auf, schlich in das dahinterliegende Zimmer und blieb wie angewurzelt stehen, weil plötzlich all meine Sinne überwältigt waren von ihr. Willow. Ihr Geruch war in diesem Zimmer überall, und nur einen Sekundenbruchteil später wurde mir schlagartig klar, was ich da betreten hatte. Ihr Schlafzimmer.

Ich schoss hinaus und zum anderen Ende des Hauses – wo ich meinen Kopf in einen Raum steckte, der aussah wie eine Bibliothek. Außerdem gab es noch ein leeres Schlafzimmer mit lila Wänden, und schließlich – fand ich den Ursprung des Geruchs, der mir in der Nase hing.

Es roch nach Katzenminze, Rosmarin, Ringelblumen – all dem, was der Kater in mir liebte.

Das Zimmer selbst wirkte wie ein großer Abstellraum, in dem jedoch alles seinen Platz zu haben schien. An der hinteren Wand standen Bücherregale, gefüllt mit etlichen Utensilien: ätherische Öle, Kristalle, Pflanzen, Kräuter, getrocknete Blumen, Kerzen, Räucherstäbchen und Bücher.

Ich sprang auf den Tisch in der Raummitte und musterte die Kristallkugel und das aufgeschlagene Grimoire. Daneben lagen ein Stapel Bücher und noch mehr Kerzen.

Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, wozu dieser Raum genutzt wurde.

Hexe.

Und dann kam mir ein Gedanke.

Diese Frau – sie konnte mich wieder in Ordnung bringen. Sie konnte diesem verdammten Fluch ein Ende bereiten und mich in meine wahre Gestalt zurückverwandeln.

Vielleicht war das Glück ja auf meiner Seite gewesen, als ich in das Tierheim gebracht wurde. Dass ich in einem Hexendorf landen würde, hätte ich sicher nicht gedacht.

Schicksal.

Das hier musste rückgängig gemacht werden.

Aber wie …?

Die Frau mit den braunen Haaren war zurück und hatte eine Tüte mit Katzenspielzeug und Leckerlis mitgebracht.

»Hier, Katerchen«, gurrte sie und raschelte mit der Leckerlitüte.

Innerlich verdrehte ich die Augen, und zum Zeichen meiner Verärgerung schlug ich mit dem Schwanz.

»Komm schon«, seufzte sie. »Die sind lecker. Glaube ich zumindest.« Sie blickte in die Tüte, als hätte sie plötzlich Zweifel.

Ich schnüffelte an einem der Leckerlis und verzog die Nase. Schlimm genug, dass ich die letzten Wochen diesen furchtbaren Tierheimfraß hatte essen müssen. Ich war nur deshalb nicht verhungert, weil ich es hin und wieder gewagt hatte, mich davonzuschleichen.

Aber das? Nein. So tief würde ich nicht sinken.

Ich war keine Katze, verdammt noch mal.

»Magst du keine Leckerlis?« Auf Willows Stirn erschienen Sorgenfalten, die ich sofort glätten wollte.

Warum, Damien? Warum ist ausgerechnet das der erste Gedanke, der dir in den Kopf schießt?

Ich sprang auf die Füße und tapste auf der Suche nach richtigem Essen umher. Irgendetwas Schmackhaftes, das mir nicht sofort wieder hochkommen würde. Kein Trockenfutter oder aus was auch immer diese Katzenleckerlis bestanden, die mir jeder vorzusetzen versuchte.

»Wo willst du denn hin, kleiner Tiger?«, murmelte die Hexe und folgte mir durchs Wohnzimmer in die Küche.

Vor dem Kühlschrank setzte ich mich hin und miaute.

Sie öffnete ihn und warf einen Blick hinein. »Was möchtest du? Thunfisch?« Sie nahm eine Dose heraus.

Angeekelt legte ich die Ohren zurück. Nein danke. Den hatte ich noch nie sonderlich gemocht.

»Mhhh.« Sie wandte sich wieder dem Kühlschrank zu und nahm ein Stück frischen Lachs heraus. »Wie wär’s hiermit?«

Miau. Bejahend strich ich ihr um die Beine.

Sie kicherte. »Wählerischer Kater, was?«

Meine kleine Hexe hatte ja keine Ahnung.

Willow seufzte. »Ich schätze, dann koche ich dir wohl Abendessen. Ich glaube nicht, dass roher Lachs gut ist für Katzen.«

Ich gurrte zur Bestätigung, bevor ich mich in der Ecke zusammenrollte, den Kopf auf die Vorderpfoten legte und ihr beim Kochen zusah. Sie war ein Naturtalent in der Küche, und ich musste an den Raum mit den Zauberzutaten denken, den ich gefunden hatte. Obwohl dort leicht völliges Durcheinander herrschen könnte, war er penibel aufgeräumt – als hätte alles seinen angestammten Platz.

Ich hatte das Gefühl, dass sie genauso gut darin war, ihre Zaubertränke zu brauen, wie sie kochte.

Und jetzt musste ich mir einen Plan zusammenbrauen – einen, der sie dazu bringen würde, mir zu helfen.

Ohne ihr einen Riesenschrecken einzujagen, wenn ich ihr meine wahre Identität offenbarte.

Etwas nagte in mir – was war es? Das Gefühl breitete sich in mir aus, ohne dass ich es benennen konnte.

»Bitte schön, kleiner Tiger«, sagte sie und stellte mir einen Teller vor die Pfoten.

Meine Nase zuckte, während ihr Blick zwischen mir und dem gebratenen Lachs hin und her schoss. Willst du mir etwa beim Essen zugucken, kleine Hexe?

Anscheinend schon. Ich schnüffelte an dem Fisch, kam zu dem Entschluss, dass er gut roch – sie hatte ihn perfekt gebraten –, und nahm einen Bissen.

Zur Hölle! Ich verschlang das gesamte Filet schneller, als ich blinzeln konnte.

Willow kraulte mich unter dem Kinn. »Du hattest ja richtig Hunger. Armer Kleiner. Ich muss mir immer noch einen Namen für dich überlegen.«

Dämonenkatze passt schon, dachte ich, setzte mich auf die Hinterpfoten und blickte zu ihr hoch. 

Sie schnaubte, ohne den Blickkontakt abreißen zu lassen. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie dich Dämonenkatze genannt haben. Du bist doch so ein süßes Kerlchen.« Wieder kraulte mich meine Hexe unter dem Kinn, und ich ließ ein unfreiwilliges Schnurren hören.

Damien, dachte ich und hoffte, dass sie es über das Band, das sie zwischen uns zu spüren schien, verstand. Mein Name ist Damien.

Noch nie hatte ich einem Menschen willentlich meinen Namen verraten, aber … ich hatte nichts dagegen, wenn sie ihn kannte.

Hatte nichts dagegen, hier zu sein, auch wenn ich in diesem Katzenkörper gefangen war.

Willows Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Damien?«

Ja! Erfreut miaute ich, strich ihr um die Beine und schmiegte den Kopf an ihre Haut.

»Damien. Das gefällt mir auch.« Sie hob mich hoch und hielt mich wie ein Baby. »Was hältst du davon, wenn wir uns aufs Sofa setzen und einen Film anschauen, kleiner Tiger? An Halloween laufen immer so viele gute.«

Miau.

Ja.

Ich war noch nie sehr häuslich gewesen. Hatte nie die Wahl gehabt, einfach dazusitzen und zu sein. Irgendetwas war immer zu tun gewesen, irgendetwas, das mein Bruder von mir verlangte. Ich konnte nie ganz ich selbst sein.

Doch hier, in diesem Dorf, in diesem Hexenhaus, würde vielleicht alles anders sein.

Daher ließ ich mich von ihr zum Sofa tragen, kringelte mich auf ihrem Schoß ein und sah zu, wie sich ein Pärchen ineinander verliebte, während es gemeinsam ein altes Bed and Breakfast renovierte. Schnaubte, wenn die beiden eindeutig zu dumm waren, sich ihre Gefühle einzugestehen. Sah hingerissen zu, bis mich der warme Schoß der Hexe in den Schlaf lullte. Ich hatte mich noch nie so wohl, so friedlich gefühlt.

Vielleicht war das Leben als Kater gar nicht so übel. Dieser Gedanke ließ mich hochschrecken.

Ich konnte mir nicht erlauben, so etwas zu denken. Keine Ahnung, was mit mir nicht stimmte, aber ich musste aus diesem Körper raus – bevor die Verwandlung unwiderruflich war. Solange es auch nur den Hauch einer Möglichkeit gab, dass ich für immer ein Kater blieb, musste ich alles tun, um es zu verhindern.

Willow stand auf und gähnte. Sie reckte und streckte sich, bevor sie sich zu mir drehte.

Ich versuchte, das nagende Gefühl zu ignorieren, und sagte mir, dass es bis morgen warten konnte.

Neugierig legte ich den Kopf schief und spitzte die Ohren. Erwartete sie, dass ich in ihrem Zimmer schlief? Das fühlte sich an wie eine Grenze, die ich nicht überschreiten sollte. Vor allem, wenn man bedachte, dass ich in Wahrheit gar kein Kater war.

Und früher oder später würde ich ihr das klarmachen müssen.

Doch als sie mich so ansah und sich die Haare hinters Ohr strich, konnte ich spüren, wie verletzlich diese kleine Hexe war. Wie allein.

Und ich wollte nicht, dass sie sich so fühlte.

»Sollen wir jetzt ins Bett gehen, Damien?«

Miau. Ich stand auf, machte einen Katzenbuckel, sprang vom Sofa und folgte ihr ergeben.

Der beste Freund der Hexe, dachte ich schmunzelnd.

Von klein auf war mir beigebracht worden, keinen Umgang mit Hexen zu pflegen, doch diese Frau hatte alles Erdenkliche getan, damit ich glücklich war. Damit es mir gut ging.

Obwohl ich nur ihr Kater war.

An den Füßen der Hexe rollte ich mich ein, und zum ersten Mal seit Wochen schlief ich die ganze Nacht durch.

3 Willow

»Guten Morgen, Stubentiger«, raunte ich dem schwarzen Fellknäuel zu, das faul auf meinem Bett lag und sich die Vorderpfote putzte.

Als ich das Haus herbstlich dekoriert hatte, hatte ich meine orange karierte Tagesdecke auf dem Bett ausgebreitet, und zusammen mit den Kürbis-Dekokissen sah Damien darauf fast aus wie ein perfektes kleines Stofftier.

Miau. Es war verrückt: Obwohl er ein eher ruhiger Kater war, hatte ich beinahe das Gefühl, seine Gedanken erraten zu können. Auch wenn er sie nur mit einem einfachen Miau ausdrückte. Guten Morgen, Menschenfrau.

Seit Wochen hatte ich nicht so gut geschlafen wie vergangene Nacht. Lag es daran, dass ein anderes Wesen da war? Es konnte einsam sein in diesem alten, knarzenden Haus.

»Heute muss ich arbeiten«, sagte ich und streichelte Damien langsam. »Aber nicht den ganzen Tag – nur bis der morgendliche Ansturm vorbei ist. Luna, meine Schwester, braucht mich. Ich lasse sie nur ungern allein, verstehst du?«

Er machte ein zustimmendes Geräusch.