Sportdidaktik - Michael Bräutigam - E-Book

Sportdidaktik E-Book

Michael Bräutigam

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Beschreibung

Das Buch versteht sich als eine Einführung in die Sportdidaktik. Wer einen ersten Überblick über wichtige Fragen und Probleme des Schulsports gewinnen will, findet eine geordnete Zusammenstellung grundlegender Erkenntnisse und Einsichten. In der Hauptsache geht es darum, ein differenziertes Verständnis für die Aufgaben und Probleme des Sportlehrerberufs zu entfalten, die Analyse und Reflexion des pädagogischen Auftrags des Schulsports und seiner Ziele, Inhalte und Methoden anzubahnen, den theoretischen Grundstein für die Planung, Gestaltung, Durchführung und Auswertung des Sportunterrichts zu legen und die Stellung der Sportdidaktik als Arbeitsbereich innerhalb der Sportwissenschaft zu klären. Die vorliegende Einführung in die Sportdidaktik ist als Lehrbuch angelegt und vor allem für Studienanfänger geschrieben, die noch keine wissenschaftlichen Vorkenntnisse besitzen.

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Seitenzahl: 358

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Ein besonderer Dank gilt den Kollegen am Dortmunder Institut für Sport und seine Didaktik, Dirk Blotzheim, Uli Fischer, Jürgen Swoboda und Jörg Thiele und den studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Yvonne Harttung, Svenja Kamper, Diana Kranemann, Andreas Neugebauer und Gregor Wesolly. Wolf-Dietrich Brettschneider und Detlef Kuhlmann bin ich zu Dank verpflichtet, weil sie mir durch ihre Anfrage als Reihenherausgeber den Anstoß gegeben haben, ein Wunschprojekt in die Tat umzusetzen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Meyer & Meyer Verlags danke ich für ihre Unterstützung.

Die Reihe

Sportwissenschaft studieren richtet sich vor allem an Sportstudierende, aber auch an alle im Sport Lehrenden und an diejenigen, die an sportwissenschaftlichen Themen und ihrer Vermittlung interessiert sind. Alle Bände der Reihe Sportwissenschaft studieren sind als Lehrbücher in Lektionen abgefasst. Ihr durchgängiger Fragencharakter bahnt einen Dialog mit dem Leser/der Leserin an. Die Lehrbücher haben Einführungscharakter und sind demnach: komprimiert im Inhalt, klar strukturiert im Aufbau, verständlich geschrieben und übersichtlich gegliedert. Die Reihe Sportwissenschaft studieren eignet sich zum Selbststudium sowie als begleitende Lektüre (z. B. in Vorlesungen) oder als Diskussionsgrundlage (z. B. in Seminaren).

Bereits erschienen:

Eckart Balz & Detlef Kuhlmann: Sportpädagogik (Band 1)

Gerhard Trosien: Sportökonomie (Band 2)

Dorothee Alfermann & Oliver Stoll: Sportpsychologie (Band 4)

Rainer Wollny: Bewegungswissenschaft (Band 5)

Sportwissenschaft studieren Band 3

Michael Bräutigam

Sportdidaktik

Ein Lehrbuchin 12 Lektionen

Meyer & Meyer Verlag

Herausgeber:

Prof. Dr. Wolf-Dietrich Brettschneider und Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

Sportdidaktik

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2003 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

5. Auflage, 2015

Adelaide, Auckland, Budapest, Cape Town, Graz, Indianapolis,Maidenhead, New York, Olten (CH), Singapore, Toronto

Member of the World

Sport Publishers’ Association (WSPA)

eISBN: 9783840325472

E-Mail: [email protected]

www.dersportverlag.de

Inhalt

Einleitung Worum geht es in diesem Buch?

 

Lektion 1 Was hat ein Sportlehrer zu tun?

Aufgaben und Ansprüche

Lektion 2 Wie wichtig ist die Arbeit von Sportlehrern?

Die Legitimation des Sports als Schulfach

Lektion 3 Unter welchen Bedingungen findet Schulsport statt?

Sport in der Institution Schule

Lektion 4 Welcher Leitidee kann der Schulsport folgen?

Die Lehrpläne und ihre Aussagen

Lektion 5 Gibt es konkrete Anleitungen zum Handeln?

Die Vielfalt sportdidaktischer Entwürfe

Lektion 6 Was soll im Sportunterricht gemacht werden und wozu?

Ziele und Inhalte des Faches

Lektion 7 Wie kann Sport vermittelt werden?

Methoden im Sportunterricht

Lektion 8 Was ist vor dem Unterricht zu tun?

Die Analyse und Planung von Sportunterricht

Lektion 9 Wie sieht die Unterrichtspraxis aus?

Schüler und Lehrer im alltäglichen Sportunterricht

Lektion 10 Was ist nach dem Unterricht zu tun?

Auswerten und Bewerten

Lektion 11 Wie kommt die Sportdidaktik zu ihren Erkenntnissen?

Arbeitsweisen und Forschungsmethoden

Lektion 12 Was ist Sportdidaktik?

Geschichte, Gegenstand und Aufgaben eines sportwissenschaftlichen Arbeitsbereichs

EinleitungWorum geht es in diesem Buch?

Das Buch ist eine Einführung in die Sportdidaktik. Wer einen Einblick in wichtige Fragen des Schulsports gewinnen will, findet eine erste Orientierung und grundlegendes Wissen. In vier Schwerpunkten geht es darum, ein differenziertes Verständnis für die Aufgaben und Probleme des Sportlehrerberufs zu entfalten (Lektion 1, 2 und 3), die Analyse und Reflexion des pädagogischen Auftrags des Schulsports und seiner Ziele, Inhalte und Methoden anzubahnen (Lektion 4, 5, 6 und 7), den theoretischen Grundstein für die Planung, Durchführung und Auswertung des Sportunterrichts zu legen (Lektion 8, 9 und 10) und die Stellung der Sportdidaktik als sportwissenschaftlicher Arbeitsbereich zu klären (Lektion 11 und 12).

Das Buch versteht sich als Lehrbuch. Es kann als Begleit- oder Basistext in Lehrveranstaltungen eingesetzt werden, und es soll das Selbststudium anleiten und unterstützen. Die Gestaltung des Textes entspricht diesem Charakter. Es werden Strukturierungshilfen gegeben, wichtige Begriffe und Aussagen sind hervorgehoben. Dies geschieht mit der gebotenen Zurückhaltung, um die beabsichtigte Eigenständigkeit des Zugangs auf den Text und der Erschließung seiner Inhalte nicht über Gebühr einzuengen. Wer an einer Vertiefung der Themen interessiert ist, findet am Ende eines jeden Kapitels Hinweise und Anregungen. Außerdem ist die Lektüre der verwendeten Primärquellen zu empfehlen, die für jede Lektion gesondert ausgewiesen sind. Aus dem Lehrbuchcharakter ergibt sich auch der Verzicht darauf, durch geeignete Schreibweisen beiden Geschlechtern gerecht zu werden. Es ist weniger umständlich und erleichtert die Lesbarkeit des Textes, wenn von Sportstudenten, Lehrern und Schülern im Sinne von Berufs- oder Funktionsbezeichnungen gesprochen wird. Alle Sportstudentinnen und -studenten, alle Lehrerinnen und Lehrer und alle Schülerinnen und Schüler werden um Verständnis gebeten.

Das Buch ist vor allem für Studienanfänger geschrieben, die noch keine wissenschaftlichen Vorkenntnisse besitzen. Die Ausführungen nehmen jeweils Fragestellungen auf, die – vermutlich – so oder ähnlich zu Beginn eines Sportstudiums gestellt werden oder gestellt werden müssten. Auf wörtliche Zitate und Literaturverweise im Text ist verzichtet worden. In dem Bemühen, knapp und verständlich zu bleiben, ist manche Differenzierung, Problematisierung und kritische Bewertung ausgeblieben. Eine Einführung in die Sportdidaktik setzt darauf – und nur so ergibt sie schließlich Sinn –, dass eine Weiterführung und Vertiefung folgt.

Das Buch beschäftigt sich mit der Theorie des Schulsports. Zwischen der Theorie und der Praxis des Schulsports bestehen zwar enge Bezüge, grundsätzlich jedoch unterscheiden sie sich. Die Praxis ist gekennzeichnet durch den unmittelbaren Handlungsvollzug. Wer in einer konkreten Situation unter Entscheidungs- und Handlungszwang steht, greift auf handfeste Lösungen zurück, die für die erfolgreiche Bewältigung der Aufgabe die größtmögliche Sicherheit versprechen. Die eigenen Erfahrungen haben sich zumeist bewährt und spielen in der Praxis die zentrale Rolle. Anders die Theorie: Sie führt Erkenntnisse und Einsichten zusammen, die aus der gedanklichen Beschäftigung mit bestimmten Ereignissen, Sachverhalten und Fragestellungen hervorgegangen sind. Die Reflexion schafft Distanz, und aus der Distanz kann man die Dinge intensiv und differenziert beleuchten. In dem Bemühen, Problemsichten zu schärfen, Hintergründe und Zusammenhänge aufzudecken, Alternativen sichtbar zu machen, ruft die Theorie eher Zweifel und Unsicherheiten hervor. Letztlich ist die Qualität der Erkenntnisse entscheidend, und mit dem Ziel, Erkenntnisse zu gewinnen, führt die Theorie oft von der Praxis weg und nicht zwingend auf sie zu.

Was kann ein Praktiker dann mit Theorie anfangen? Oder konkreter: Was hat der Sportlehrer von der Sportdidaktik? Die Antwort ist zunächst: unmittelbar nichts! Denn Theorien geben keine Handlungsanweisungen an die Praxis. Mittelbar jedoch sind Theorien für die Praxis von unverzichtbarem Gewinn. Sie stellen das für jede Praxis notwendige Aufklärungs- und Orientierungswissen bereit, sie geben Praktikern Hinweise zum Nachdenken und Anregungen zum Handeln.

Die Inhalte des vorliegenden Buches zielen auf die Sportlehrer, genauer: auf die Theorie, über die sie subjektiv verfügen. Diese ist auszubilden und bewusst fortzuentwickeln. Warum ist das so wichtig? Die Gründe liegen auf der Hand: Die Berufstätigkeit des Sportlehrers stellt ein reichlich komplexes und widersprüchliches Praxisfeld dar. Die in Schule und Sportunterricht gestellten Aufgaben lassen sich nicht kompetent lösen, wenn man als Lehrer ausschließlich über ein begrenztes Erfahrungswissen verfügt. Wer verantwortungsvoll handeln will, muss über die Bedingungen und Möglichkeiten seines Handelns aufgeklärt sein und sein Handeln begründen können. Dazu sind differenzierte Erkenntnisse und Einsichten nötig, die das praktische Handeln theoretisch fundieren, anleiten und rechtfertigen können. Auf eine knappe Formel gebracht: Nichts ist für eine gute Praxis so nützlich wie eine gute Theorie.

Literatur

GRÖßING, S. (2001). Einführung in die Sportdidaktik (8., überarbeitete Aufl.). Wiebelsheim: Limpert.

GÜNZEL, W. & LAGING, R. (Hrsg.). (1999). Neues Taschenbuch des Sportunterrichts. Bd. 1: Grundlagen und pädagogische Orientierungen. Baltmannsweiler: Schneider.

GÜNZEL, W. & LAGING, R. (Hrsg.). (1999). Neues Taschenbuch des Sportunterrichts. Bd. 2: Didaktische Konzepte und Unterrichtspraxis. Baltmannsweiler: Schneider.

MARTIN, K. (2000). Sportdidaktik zum Anfassen. Schorndorf: Hofmann.

SÖLL, W. (1996). Sportunterricht – Sport unterrichten. Schorndorf: Hofmann.

WOLTERS, P., EHNI, H., KRETSCHMER, J., SCHERLER, K. & WEICHERT, W. (2000). Didaktik des Schulsports. Schorndorf: Hofmann.

Lektion 1Was hat ein Sportlehrer zu tun?Aufgaben und Ansprüche

Diese Lektion gibt einen Überblick über die Berufstätigkeit des Sportlehrers. Es soll deutlich werden, wie vielfältig und komplex seine Arbeit in Schule und Sportunterricht ist, welche Ansprüche sich aus den gestellten Aufgaben ergeben und welche Kompetenzen ein Sportlehrer für eine erfolgreiche Berufsausübung benötigt.

Ausgangspunkt ist der Versuch, das Bild eines typischen Sportstudenten zu zeichnen, der mit einer ausgeprägten Motivation und Erwartungshaltung sein Lehramtsstudium aufnimmt. Die Beschäftigung mit der Situation eines Studienanfängers ist besonders wichtig: Es besteht eine enge Verbindung zwischen der persönlichen Erfahrungsgeschichte eines (angehenden) Sportlehrers und seinen (zukünftigen) Berufsorientierungen. Ein professionell arbeitender Sportlehrer muss über diesen grundlegenden Zusammenhang Bescheid wissen und imstande sein, seine subjektiven Erfahrungs- und Wissensbestände zu thematisieren, selbstkritisch zu bewerten und systematisch weiterzuentwickeln.

Der erste Abschnitt dieser Lektion ist in der Absicht geschrieben, das Nachdenken über die eigene Person anzuregen. Im Zuge einer reflexiven Zuwendung auf die subjektiven Vorstellungen über Ausbildung und Beruf können die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, ein kompetenter Sportlehrer zu werden und zu bleiben. Im weiteren Verlauf dieser Lektion geht es darum, das Aufgabenfeld des Sportlehrers zu beschreiben. Zunächst erfolgt die Übersicht über die allgemeinen Arbeitsanforderungen, die im Prinzip für Lehrer aller Fächer gelten. Daran schließen sich die Ausführungen an, die auf die besondere Situation und Anforderungsstruktur des Sportlehrerberufs Bezug nehmen. Insgesamt werden fünf Fragestellungen aufgenommen: Warum studiert man Lehramt Sport? Welche Anforderungen stellt der Arbeitsplatz Schule? Wie sieht der Arbeitsplatz des Sportlehrers aus? Welche Kompetenzen benötigen Sportlehrer? Was zeichnet einen guten Sportlehrer aus?

1 Warum studiert man Lehramt Sport?

Wer Sport studiert, um Lehrer zu werden, hat sich die Entscheidung mehr oder weniger gründlich überlegt. Die Motive für die Studien- und Berufswahl sind in der eigenen Biographie verankert. Aus verschiedenen Untersuchungen ist bekannt, dass die Mehrzahl der Studierenden des Faches sportlich engagiert ist – nicht selten schon über lange Zeit und in der Regel mit gutem Erfolg. Die Idee, das Hobby zum Beruf zu machen, ist nahe liegend, und es reift der Entschluss, das zu studieren, was den eigenen Begabungen und Interessen entspricht.

An die Entscheidung für das Sportstudium sind Erwartungen geknüpft. Man rechnet damit, dass sich das eigene Sporttreiben in der Ausbildung fortsetzen lässt. Es bietet sich – so die Vorstellung – im Sportstudium die attraktive Möglichkeit, das eigene sportpraktische Können zu vertiefen und um solche Kompetenzen zu erweitern, die für die Vermittlung des Sports an andere hilfreich sind. Die vorhandene emotionale Bindung an den Sport und die positiven Gedanken, die mit Sport assoziiert werden – wie Freizeit, Abwechslung, Erlebnis, Spannung, Fitness und Erfolg –, spielen sich in die Erwartungen an das Studium ein. Man geht davon aus, dass der Spaß am eigenen Sporttreiben sich im Spaß an den Studieninhalten fortsetzt. Gleichsam in einer Verlängerung dieser Annahme besteht die Zuversicht, dass auch die spätere Berufstätigkeit als Sportlehrer Spaß machen wird. Schließlich ist das Fach bei den Schülern beliebt und lässt sich gut unterrichten, da der Sport mit seinen weithin bekannten und eindeutigen Anforderungen klar konturierte Vorgaben für die Unterrichtsarbeit liefert und die eigene praktische Kompetenz eine sichere Basis für die erfolgreiche Weitervermittlung sportlicher Fertigkeiten und Fähigkeiten an die Schüler abgibt.

Auf den ersten Blick erscheinen die Voraussetzungen für den Start in das Sportstudium viel versprechend: Motivation ist gegeben, ausgeprägte Interessen und positive Erwartungen liegen vor und in bestimmten Sportbereichen ist eigenes Können bereits vorhanden. Wo ist das Problem? Der Knackpunkt ist der, dass vor allem der Wunsch nach sportlicher Eigenrealisation die Entscheidung für ein sportwissenschaftliches Studium bestimmt, während das theoretische Interesse am Fach deutlich geringer ausgebildet ist. Studienanfänger sehen sich nun mit der Erfahrung konfrontiert, dass in ihrer Ausbildung Sport nicht betrieben, sondern studiert wird. Es besteht die Gefahr, dass Erwartungen enttäuscht werden, die Motivation sinkt und die Beschäftigung vor allem mit denjenigen Studienanforderungen vernachlässigt wird, die für die erfolgreiche Bewältigung der zukünftigen Berufsaufgaben entscheidend sind: der Erwerb wissenschaftlichen Wissens über das zukünftige Berufsfeld und seine Bedingungen, die Einübung in die Fähigkeit, Berufsaufgaben und -tätigkeiten zu reflektieren und die Ausbildung einer geschärften Urteilskraft, die erforderlich ist, um eine präzise Sicht für die Schwierigkeiten in der Berufspraxis zu entwickeln und konkrete Problemlösungen zu erkennen.

Ehe ein Sportlehrer zu der Souveränität findet, die ihn als Experten in seinem Beruf auszeichnet, hat er einen entscheidenden Schritt zu vollziehen: Er muss einen Perspektivenwechsel vom Sportler zum Sportlehrer vornehmen. Diese Umorientierung wird ohne die gedankliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen und Ansprüchen des Berufs nicht gelingen: (1) Es bedarf der Klärung der persönlichen Studien- und Berufsmotivation und daran schließt sich die Frage nach der Tauglichkeit und Angemessenheit der eigenen Erwartungen an. Je nachdem, wie die Antworten ausfallen, sind erhebliche Korrekturen an den Berufsvorstellungen notwendig. Häufig wird der Schwierigkeits- und Anspruchsgrad einer professionellen Ausübung des Sportlehrerberufs falsch eingeschätzt. (2) Es ist notwendig, die eigenen Erfahrungen im Sport aufzudecken und zu analysieren, welche Sichtweisen auf den Sport entstanden sind und wie damit umzugehen ist. Oft hat sich ein verkürztes Bild vom Sport entwickelt. Feste Vorstellungen davon, was Sport ist oder zu sein hat, sind aufzubrechen, damit sich die Bereitschaft ausbilden kann, Sport unter verschiedenen pädagogischen Perspektiven in den Blick zu nehmen und für didaktische Zwecksetzungen neu zu arrangieren. (3) Es ist unumgänglich, die eigene Schülerbiographie zu entschlüsseln und nach der Einseitigkeit der persönlichen Erfahrungen in Schule und Sportunterricht zu fragen. Man hat nur eine Auswahl an Sportlehrern erlebt und ihr Handeln aus der subjektiven Perspektive wahrgenommen. Die Begrenztheit der eigenen Erfahrungen gilt es zu erkennen und neues Wissen über die objektiven Anforderungen an die Rolle des Sportlehrers zu erwerben. Erst differenzierte Einsichten in die Aufgaben des Sportlehrerberufs schaffen die Voraussetzungen dafür, ein grundlegendes Verständnis für die Notwendigkeit eines umfangreichen Kompetenzerwerbs zu entwickeln.

Insgesamt zeigt sich deutlich: Der Schlüssel für die Umorientierung vom Sportler zum Sportlehrer liegt in der Bereitschaft und Fähigkeit, sich selbst in Frage zu stellen und zu prüfen, welche Aufgaben und Ansprüche in dieser Funktion an einen gestellt sind. Es ist offenkundig, dass die Suche nach neuen Orientierungspunkten ohne Theoriearbeit nicht gelingen kann. Der deutlich begrenzte eigene Horizont, der sich aus der Subjektivität der bisherigen Erlebnisse ergibt, erweitert sich nur, wenn eine reflexive Beschäftigung mit den Themen Schulsport und Sportlehrerberuf stattfindet. Die Sportdidaktik liefert dazu den Stoff.

Empirische Daten über die Motive und Einstellungen von Studienanfängern liefert die Untersuchung von Rüdiger HEIM (1996). Die Frage nach der eigenen Studienmotivation eröffnet einen ersten Zugang auf die Auseinandersetzung mit eingespielten Bildern von Sport und Sportunterricht. Diese systematisch zu analysieren und aus der Distanz zu betrachten, ist der Schlüssel für die Berufsausbildung zum Sportlehrer. Eine Anleitung dazu findet sich in dem Buch der FRANKFURTER ARBEITSGRUPPE (1982, bes. S. 24-57) mit dem Titel „Offener Sportunterricht – analysieren und planen“.

2 Welche Anforderungen stellt der Arbeitsplatz Schule?

Im Mittelpunkt der Berufstätigkeit eines Lehrers steht das Unterrichten. Unterricht ist eine schulische Veranstaltung, deren wesentliche Merkmale das Lehren und Lernen sind. Im Alltag fallen Lehr-Lern-Prozesse gelegentlich auch unsystematisch, planlos, improvisiert und zufällig aus. Im Unterricht ist das Lehren und Lernen weitgehend beabsichtigt und zielorientiert angelegt. Es wird versucht, Unterricht wirkungsvoll zu arrangieren und so zu organisieren, dass die Lehraktivitäten des Lehrers und die Lernaktivitäten der Schüler wechselweise ineinander übergehen. Man kann sagen: Unterricht ist eine organisierte Interaktion von Lehr- und Lernvorgängen.

Die Aufgabe des Lehrers ist nicht auf die Organisation des Unterrichts begrenzt. Ziel seiner Bemühungen ist es, die Schüler am Ende ihrer Schulzeit in die Selbstbestimmung entlassen zu können. Dazu müssen die zunächst noch erforderlichen Maßnahmen der Fremdbestimmung Schritt für Schritt zurückgenommen und Schülern zunehmend Gelegenheiten für eigenverantwortliches Handeln eingeräumt werden. Mit dieser Aufgabe ist der Anspruch verbunden, die Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden zu fördern. Die bewusste Einflussnahme auf die Entwicklung der Schüler wird üblicherweise Erziehen genannt und gehört zum Aufgabenspektrum des Lehrers.

Lehrer haben weitere Funktionen: Sie sind aufgefordert, ihre Schüler in fachlicher Hinsicht, bei Ausbildungs- und Schulproblemen und bei Fragen der Berufs- und Lebensplanung nach Möglichkeit zu beraten. Im Verantwortungsbereich der Schulen liegt außerdem die Zuteilung von Abschlüssen und Berechtigungsnachweisen. Diagnostizieren und Beurteilen sind daher wesentliche Elemente der Lehrertätigkeit. Zuletzt sind Lehrer umfassend gefordert, an der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der Arbeit an Schulen mitzuwirken. Grundlage dafür sind soziale und politische Fähigkeiten, etwa bei der Kooperation im Kollegium, organisatorische Fähigkeiten bei der Umsetzung von Modellmaßnahmen und die Bereitschaft, die eigene berufliche Kompetenz zu überprüfen, zu überdenken und ständig auszubauen. Dieses Aufgabenfeld wird mittlerweile zusammengefasst als Evaluieren bezeichnet.

Die Komplexität der Lehrerarbeit ist aber nicht nur durch die Breite und Vielfalt der Tätigkeiten verursacht. Aus der Typik der Berufsaufgaben resultieren außerdem hohe Anforderungen an die Arbeitsqualität. Besondere Schwierigkeiten der Berufstätigkeit ergeben sich (1) aus der Widersprüchlichkeit der gestellten Anforderungen und (2) aus der Unvorhersehbarkeit des beruflichen Alltagsgeschäfts.

(1) Lehrer befinden sich in einer für ihren Beruf typischen Grundspannung: Sie sind einerseits der individuellen Förderung und Entwicklung ihrer Schüler verpflichtet, andererseits handeln sie im Auftrag der Gesellschaft, die von der Schule verlangt, gemeinsame kulturelle Inhalte und verlässliche Qualifikationen zu vermitteln, die Integration des Einzelnen in die Gesellschaft zu sichern und die Selektion nach anerkannten Leistungskriterien vorzunehmen. Die Widersprüchlichkeit dieser verschiedenen Ansprüche und Erwartungen durchzieht das berufliche Handeln des Lehrers bis hinein in die konkrete Unterrichtspraxis: Die heterogenen Interessen aller Schüler aufeinander abzustimmen, zugleich den Anforderungen des Lehrplans zu genügen, die eigenen Ansprüche zu realisieren, die sich nicht immer mit denen der Kollegen decken, den fachlichen Erfordernissen gerecht zu werden und ihnen gegen den erklärten Willen der Schüler Geltung zu verschaffen, die berechtigten Wünsche der Schüler zu berücksichtigen, auch wenn die Möglichkeiten der Schule das nicht immer zulassen – es ist offensichtlich, dass es für den Lehrerberuf keine einheitlichen Zielvorgaben geben kann. Die beruflichen Anforderungen sind aufgrund struktureller Bedingungen widersprüchlich, konfliktgeladen und spannungsreich.

(2) Lehrer stoßen bei ihren Anstrengungen, die Ereignisse und Vorgänge in ihrem Berufsfeld umfassend und im Detail zu durchschauen, schnell auf Grenzen. Dies liegt nicht nur an der prinzipiellen Eingeschränktheit der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit, sondern auch daran, dass das reale Geschehen in Schule und Unterricht in der Tat hochkomplex ist: Die Interaktions- und Kommunikationsprozesse zwischen Lehrern und Schülern sind vielschichtig und nicht vollständig zu entschlüsseln; die Einflüsse, die von außen auf die Ereignisse einwirken, sind umfangreich und verringern die Möglichkeit des Lehrers, die Situation zu steuern und das Umfeld zu kontrollieren; die Erziehungs- und Unterrichtspraxis entwickelt eine Eigendynamik und im gleichen Maße, in dem sich die Unvorhersehbarkeit des Geschehens erhöht, verringert sich die Möglichkeit des Lehrers, das eigene Handeln auf zuverlässige Prognosen zu stützen und damit die Erfolgsaussichten zu steigern.

Insgesamt wird deutlich: Das Berufsfeld Schule stellt an Lehrer hohe Anforderungen mit entsprechenden Konsequenzen für das Anspruchsniveau an eine erfolgreiche Bewältigung. Die kompetente Berufsausübung erfordert Qualitätsstandards, die üblicherweise an professionelles Handeln angelegt werden. Der professionelle Charakter der beruflichen Tätigkeit des Lehrers ergibt sich aus dem Umstand, dass sein Handeln nicht programmierbar und standardisierbar ist – obwohl der Lehrer selbstverständlich auch auf eingespielte Gewohnheiten und Rituale zurückgreift. Ein Lehrer kann sich nicht damit begnügen, auswendig gelerntes Standardwissen mit routinierten Handlungsrezepten zu verknüpfen und dann einfach auf Situationen und Personen anzuwenden. Die jeweiligen Besonderheiten der wechselnden Situationen, die Unterschiedlichkeit der einzelnen Aufgabenstellungen und die Komplexität der Ansprüche markieren deutlich die Notwendigkeit, dass die Ausübung des Lehrerberufs nur auf der Basis eines theoretisch fundierten Handlungs- und Reflexionswissens gelingen kann.

Der Lehrer ist für sein berufliches Handeln in besonderer Weise verantwortlich. Die Übernahme von Verantwortung bezeichnet die Verpflichtung, auf Fragen an das eigene Handeln – ganz im Wortsinn von Verantwortung – Antworten zu geben, die vernünftig und überzeugend sind. Auskünfte über die Qualität der Berufsausübung des Lehrers erwarten vor allem die Schüler, die Eltern, die Kollegen und stellvertretend für Staat und Gesellschaft die Schulaufsichtsbehörden und Ministerien. In erster Linie ist es jedoch der Lehrer selbst, der sich und seine Arbeit zu befragen und darauf schlüssige Antworten zu geben hat. Zur Einlösung dieser Anforderung bedarf es auf Seiten des Lehrers einer grundlegenden reflexiven Kompetenz: Er hat die Fähigkeit zu entwickeln, sein Können und Wissen bewusst wahrzunehmen, sein Denken und Handeln kritisch zu betrachten, Korrekturen an seinen Verhaltensweisen und Einstellungen selbst vorzunehmen und sich auf diese Weise eigenständig weiterzuentwickeln. Diese Reflexivität ist ein zentrales Strukturmerkmal des Lehrerhandelns. Ein professionell arbeitender Lehrer übernimmt dies als Maßstab in sein berufliches Selbstverständnis und handelt danach. Wenn – wie dies mittlerweile oft geschieht – von dem Berufsethos des Lehrers gesprochen wird, dann ist dieser Selbstanspruch des Lehrers gemeint, die eigene Arbeit an einem hohen Niveau von Handlungs- und Reflexionskompetenz zu orientieren.

Nicht selten empfinden Lehrer die Widersprüchlichkeiten der an sie gestellten Ansprüche, die Unsicherheiten über die Qualität der eigenen Arbeit und die Ungewissheit über die Wirkungen ihres Tuns als besondere berufliche Belastungen. Die Vielfalt und Komplexität der beruflichen Aufgaben machen es schwer, Kriterien für den Erfolg der eigenen Berufsausübung zu definieren. Fehlende Erfolgserlebnisse können die Entwicklung einer Berufszufriedenheit stören, die wiederum eine wichtige Voraussetzung für engagiertes und motiviertes Arbeiten ist. Andererseits: Gerade anspruchsvolle Berufstätigkeiten sind besonders reizvoll und attraktiv. Wer es schafft, schwierige Aufgaben erfolgreich zu bewältigen, zieht daraus einen besonderen Gewinn: die Erfahrung eigener Kompetenz und Selbstwirksamkeit sowie die Anerkennung und Wertschätzung durch andere.

Nach dem „Strukturplan für das Bildungswesen“ von 1970 sind die fünf Aufgaben eines Lehrers das Lehren, Erziehen, Beurteilen, Beraten und Innovieren (DEUTSCHER BILDUNGSRAT, 1970, S. 217-220). Diese Auffassung findet sich heute noch in aktuellen Leitbildern für den Lehrerberuf wieder (TERHART, 2000, S. 44-56). Wer sich gründlich in Fragen der Berufsausbildung und Berufsausübung von Lehrern einarbeiten will, dem ist die Lektüre der Kapitel 3 „Aneignungsschwierigkeiten didaktischen Theoriewissens“ und 8 „Professionalisierung in der Lehrerbildung“ des Buches von Hilbert MEYER (2001) anzuraten.

3 Wie sieht der Arbeitsplatz des Sportlehrers aus?

Sportlehrer befinden sich in einer widersprüchlichen Grundsituation: Sie vertreten ein Fach, dessen Bedeutung in der Öffentlichkeit, unter Fachleuten und wohl auch unter Sportlehrern selbst kontrovers diskutiert wird. Der Sport erfährt in der Schule eine besondere Aufwertung bei gleichzeitiger Geringschätzung des Faches im Gesamt des schulischen Fächerkanons. Die Aufwertungsdebatte gewinnt ihre Argumente über Befunde, nach denen die veränderten Bedingungen des Aufwachsens offensichtlich zu Bewegungsdefiziten bei Kindern und Jugendlichen führen. Unter diesen Umständen kommt der Schule in zunehmendem Maße eine pädagogische Verantwortung zu: Sie soll die für die körperliche Entwicklung der nachwachsenden Generation notwendigen Bewegungs- und Belastungsreize sicherstellen und hat Schülern zu zeigen, welche Möglichkeiten Bewegung, Spiel und Sport für eine gesunde Lebensführung bieten. Die Abwertungsdebatte nimmt Analysen auf, die auf rasante Entwicklungen in der aktuellen Berufs- und Lebenswelt hinweisen. Wenn Schulen die Zukunftschancen der jungen Menschen sichern wollen, sind sie dazu verpflichtet, ihre Anforderungen auf die veränderten Bedingungen der modernen Zeit abzustimmen. In Konsequenz sind nicht nur die Curricula einzelner Fächer zu korrigieren, sondern das gesamte Unterrichtsangebot gehört auf den Prüfstand. Der Konkurrenzdruck unter den Schulfächern steigt und geht u. a. auf Kosten der so genannten musischen Fächer wie Kunst, Musik und Sport, die für mehr oder weniger entbehrlich gehalten werden. In diesem Zuge werden Stimmen laut, die für eine Reduktion der Pflichtstunden oder sogar die Abschaffung des Faches Sport plädieren. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass der Status des Sportlehrers zwiespältige Züge aufweist. Einerseits trägt er eine hohe Verantwortung, andererseits tritt er für ein Fach ein, dessen Ansehen vergleichsweise gering ist.

Spannungen besonderer Art ergeben sich für den Sportlehrer aus der paradoxen Situation, dass der Sport, der außerhalb der Schule getrieben wird, weil und solange er Spaß macht, in der Schule als Unterrichtsfach einen durchaus ernsthaften Charakter annimmt. Der Sport ist außerhalb der Schule eine Freizeitaktivität und zeichnet sich durch Freiwilligkeit aus. In der Schule wird er zum Pflichtfach, in dem sportliche Leistungen bewertet und zensiert werden. Diese Spannung so auszubalancieren, dass Sportunterricht weder zur läppischen Spielerei noch zum übertriebenen Drill wird, verlangt vom Sportlehrer das besondere Vermögen, ernsthaftes Engagement und humorvolle Gelassenheit miteinander zu verbinden.

In der Praxis des Unterrichts stehen Sportlehrer im Unterschied zu Lehrern anderer Fächer, die üblicherweise im Klassenzimmer unterrichten, vor typischen Problemen. Sport- und Bewegungsaktivitäten der Schüler sind umso schwieriger zu regulieren und zu kontrollieren, je raumgreifender und intensiver sie angelegt sind und je mehr Personen daran teilnehmen. Nicht selten befinden sich Sportlehrer in der merkwürdigen Situation, dass mit der zunehmenden Qualität ihrer Arbeit zugleich der eigene Stress wächst: Hohe Aktivitätsgrade der Schüler sind erwünscht und angezielt, zugleich erschweren sie die Übersicht und Ordnung im Unterricht, erhöhen den Lärmpegel und sind zuletzt mit Verletzungsrisiken verbunden; Gruppenprozesse und Emotionen werden bewusst initiiert, zugleich erhöht sich mit deren Intensität die Gefahr, dass übliche Toleranzschwellen überschritten werden, weil Affekte und Konflikte außer Kontrolle geraten. Das enge Beziehungs- und Kommunikationsgeflecht zwischen Lehrer und Schülern, wie es die fachspezifischen Besonderheiten des Sportunterrichts mit sich bringen, ist eine Erleichterung und Erschwernis zugleich. Einerseits ermöglicht der enge Kontakt zu Schülern, der bei gemeinsamen Sport- und Bewegungsaktivitäten entsteht, eine entspannte und motivationsförderliche Unterrichtsatmosphäre und kann die gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung fördern. Andererseits sieht sich der Sportlehrer tagtäglich vor die Schwierigkeit gestellt, persönliche Nähe und notwendige Distanz zu seinen Schülern so auszugleichen, dass das geforderte Maß an Respekt und Autorität nicht verloren geht.

Untersuchungen machen deutlich, dass bei den typischen Belastungen im Sportunterricht Disziplinschwierigkeiten, unzureichende räumliche und materielle Ausstattung, Motivations- und Benotungsprobleme, unangemessene Lehrplanvorgaben, Leistungs- und Interessensheterogenität der Schüler, Probleme bei der Absprache mit Kollegen und körperliche Beanspruchungen des Lehrers an vorderer Stelle rangieren (HEIM & KLIMEK, 1999). Wir wissen zudem, dass sich die Situation der Sportlehrerinnen von der ihrer männlichen Kollegen unterscheidet. Geschlechtsspezifische Diskriminierungen und Machtkämpfe mit Schülern, die die Fachkompetenz von Lehrerinnen grundsätzlich anzweifeln, stellen besondere Belastungen dar. Ausführlich beschrieben sind diese Gegebenheiten bei Michaela FIRLEY-LORENZ (1998) sowie bei Heidi SCHEFFEL & Birgit PALZKILL (1994).

4 Welche Kompetenzen benötigen Sportlehrer?

Im Mittelpunkt der Berufstätigkeit eines Sportlehrers steht das Unterrichten. Für die Ausübung dieser Tätigkeit sind bestimmte Kompetenzen erforderlich. Eine alltägliche Szene aus dem Sportunterricht macht deutlich, worum es geht:

Die Schüler einer 4. Klasse spielen Basketball – sieben gegen sieben auf großem Feld. Die meisten Kinder sind immer dort, wo gerade der Ball ist. Dieser ist im ständigen Gewühl kaum zu sehen. Die Schüler schreien aufgeregt durcheinander. Jeder möchte den Ball haben. Sogar zwei Spieler aus einer Mannschaft kämpfen darum. Der Gewinner stürmt mit dem Ball davon, von allen anderen verfolgt. In der Hektik vergisst er das Prellen. Wütende Protestschreie der Gegner, selbst von Seiten der Mitspieler. Der Ballbesitzer stutzt, wird eingeholt und umzingelt. Es entbrennt ein erneuter Kampf um den Ball, der plötzlich seitlich aus der Spielertraube herausrollt. Ein Spieler stürzt sich auf den Ball, ein Zweiter über ihn. Ein Dritter entreißt beiden den Ball und stürmt mit großen Sätzen auf den Korb zu. Er wirft, aus viel zu großer Entfernung, und trifft nicht einmal das Brett. Der Lehrer steht am Spielfeldrand. Er beobachtet den Spielverlauf und ruft ab und zu laut dazwischen: „Mehr abgeben, gebt doch ab!“ – „Prellen, das Prellen nicht vergessen!“ – „Freilaufen, lauft euch doch frei!“ Einzelne Spieler, die an ihm vorbeilaufen, nimmt er gelegentlich zur Seite und redet auf sie ein. Zweimal unterbricht er das Spiel, versammelt die Schüler um die Wandtafel in der Besprechungsecke der Sporthalle, weist sie auf technische und taktische Regeln hin und schreibt die Anweisungen in Kurzform auf. Doch das nützt nicht viel. Sobald der Ball wieder im Spiel ist, läuft alles wie gehabt ...

Für jeden erkennbar handelt es sich um eine Situation aus dem Sportunterricht. Es wird Sport getrieben, in diesem Fall Basketball gespielt. Basketball ist ein Mannschaftsspiel, das auf Dauer nur befriedigend gelingt, wenn der Ballbesitz zwischen den Spielern einer Mannschaft wechselt, durch ein geordnetes Zusammenspiel eine korbnahe Wurfposition erreicht und der Ball schließlich erfolgreich in den Korb geworfen wird. Die gegnerische Mannschaft versucht, dies zu verhindern. Damit sie die Chance hat, ohne den im Basketball verbotenen Körperkontakt selbst in Ballbesitz zu kommen, müssen die Spieler mit dem Ball während des Laufens dribbeln. So sind die Regeln des Spiels, ohne die ein für alle verständliches Miteinander und Gegeneinander nicht möglich ist.

Der Lehrer fordert die Spieler auf, den Ball häufiger abzuspielen. Damit dies möglich ist, gibt er die Anweisung, sich freizulaufen. Er macht wiederholt auf die Schrittzahlregel aufmerksam, die es verbietet, mit dem Ball in der Hand zu laufen, ohne zu dribbeln. Seine Hinweise gibt er an einzelne Spieler und zweimal an die gesamte Gruppe weiter. Der Lehrer kennt das Spiel und seine Regeln. Er ist bemüht, sein Wissen an die Schüler weiterzugeben.

Die Schüler spielen nach ihren eigenen Vorstellungen und Regeln. Der Ball ist für alle das begehrte Objekt. Jeder möchte ihn für sich und nicht etwa für die Mannschaft haben. Um ihn in seinen Besitz zu bringen, muss man hinter ihm herlaufen und nicht etwa von ihm weg. Freilaufen, wie das der Lehrer nennt, macht da keinen Sinn. Und wer nach großen Mühen endlich selbst in Ballbesitz gelangt ist, möchte ihn natürlich so lange wie möglich behalten. Ihn freiwillig abzuspielen, erscheint da eher widersinnig.

Das Geschehen findet in der Schule statt. Die Akteure sind Schüler einer 4. Klasse, die in ihrer Sportstunde unter der Anleitung und Verantwortung ihres Sportlehrers Basketball spielen. Dies ist so vorgesehen, weil es der Lehrplan empfiehlt, den schulinternen Absprachen der Sportfachkonferenz entspricht oder Lehrer und Schüler sich darauf verständigt haben. Um bei der großen Anzahl von Schülern möglichst viele am Spiel zu beteiligen, wird sieben gegen sieben gespielt. Die in der Sporthalle angebrachte Tafel ist der Ort, der üblicherweise als Treffpunkt für Demonstrationen, Besprechungen, Mannschaftsbildungen etc. dient.

Der systematische Blick auf die Unterrichtsszene macht deutlich, dass die Tätigkeit des Sportlehrers vier wesentliche Bezugspunkte aufweist (vgl. Abb. 1). Sein Handeln bezieht sich auf die Sache, auf die eigene Person, auf die Schüler und auf die Institution Schule.

Abb. 1: Der sportdidaktische Stern (nach SCHERLER)

Es liegt auf der Hand, dass der Sportlehrer für die professionelle Bewältigung seiner Berufsaufgaben Kompetenzen benötigt, in denen sich diese Handlungsbezüge konsequent widerspiegeln: Er benötigt Sachkompetenz, die ihn in den Stand setzt, die Anforderungsstrukturen des Sports zu erkennen und daraufhin eine geeignete Auswahl, Aufbereitung und Darbietung des Lehr- und Unterrichtsstoffs vorzunehmen. Er ist auf Selbstkompetenz angewiesen, die ihn zur bewussten Auseinandersetzung mit den eigenen Möglichkeiten und Ansprüchen befähigt, auch in Form von gezielter Selbstevaluation. Er muss über Sozialkompetenz verfügen, die seine Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit sichert und auf die Verständigung und Zusammenarbeit mit seinen Schülern ausgerichtet ist. Er wird nicht ohne Schulkompetenz auskommen, die Voraussetzung dafür ist, die institutionelle Rahmung der pädagogischen Arbeit in Schule und Sportunterricht angemessen aufzunehmen und konstruktiv zu optimieren. Ein Sportlehrer kann seiner Aufgabe gerecht werden, wenn er um die Zusammenhänge weiß, in die seine Tätigkeiten eingebunden sind. Er hat sich in seinem Denken und Handeln auf den Sport, die Schüler, die Schule und sich selbst zu beziehen und dazu eine begründete Position auszubilden.

Die in diesem Kapitel vorgetragenen Überlegungen sind weitgehend von Karlheinz SCHERLER übernommen. Der didaktische Stern ist ursprünglich seine Idee. In seinem Beitrag in der Zeitschrift „Körpererziehung“ (SCHERLER, 1996) nimmt er dieses Denkmodell auf und erläutert die vier Bezüge, in die jede Unterrichtshandlung des Lehrers eingebunden ist.

5 Was zeichnet einen guten Sportlehrer aus?

Der gute Sportlehrer ist fachlich kompetent, kann gut vormachen, verständlich erklären und hilfreiche Korrekturen geben. Er pflegt einen verständnisvollen Umgang mit den Schülern, ist gerecht und zuverlässig, zeigt Engagement, sein Unterricht ist abwechslungsreich und motivierend. Er ist sportlich, tritt sicher auf, hat Spaß an seinem Beruf, zeigt Geduld und Humor und kann über sich selbst lachen. Insgesamt zeichnen einen guten Sportlehrer besondere fachliche und soziale Kompetenzen aus. Der schlechte Sportlehrer dagegen ist unzugänglich für die persönlichen Probleme der Schüler, verträgt keine Kritik, ist rechthaberisch, ungeduldig und einseitig interessiert. Er hat weder Schwung noch Abwechslung in seinem Unterricht und zeigt wenig Verständnis für die Schüler.

Ein gutes Verhältnis zu den Schülern gibt den Ausschlag dafür, ob ein Sportlehrer ankommt oder nicht. Schüler nehmen ihren Lehrer als Gesamtperson wahr und registrieren all seine Verhaltensweisen und Fähigkeiten: Ob er gut oder schlecht gelaunt ist, ob er ausgeglichen oder aggressiv ist, ob er Schüler sympathisch findet oder ablehnt, ob das Unterrichtsthema für ihn spannend oder langweilig ist, ob er ein engagierter Sportlehrer ist oder lustlos seinen Job abreißt. Schließlich wissen die Schüler sogar, welche Einstellungen und Wertorientierungen ihr Lehrer vertritt. Zusammenfassend lässt sich dieses Fazit ziehen: Schüler sehen nicht nur, was ihr Lehrer tut, sie erkennen auch, wer er ist. Jeder Sportlehrer ist, ob er das will oder nicht, ein Vorbild. Das verlangt von ihm die Bereitschaft und Fähigkeit, sich dieser Rolle bewusst zu sein und das eigene Handeln und Wirken daraufhin zu kontrollieren.

Sportlehrer – und dies gilt im Grundsatz für alle Lehrer – haben einen pädagogischen Auftrag. Ihre Aufgabe ist es, Schüler kompetent in die Welt des Sports einzuführen und ihnen dabei mehr und mehr Gelegenheiten zu geben, sich in eigenständiges und verantwortungsvolles Handeln einzuüben. Dem guten Sportlehrer gelingt es, Schule und Sportunterricht als einen Ort der Vermittlung anzulegen zwischen den Ansprüchen des Individuums auf Entfaltung seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten einerseits und den Ansprüchen der Gesellschaft andererseits, dass die Heranwachsenden zu vernunftgeleitetem und mündigem Handeln in sozialer Verantwortung zu befähigen sind. Der gute Sportlehrer besitzt das Vermögen, die Gestaltung der Schul- und Unterrichtspraxis an der Idee von Demokratie und politischer Verantwortung zu orientieren.

Die Ausführungen in diesem Kapitel sind aus zwei Gründen nicht unproblematisch. Im Prinzip ist davon auszugehen, dass es keine einheitliche und verbindliche Vorstellung, sondern nur verschiedene Auffassungen davon geben kann, was einen Sportlehrer auszeichnen soll. Jeder Versuch, das Bild eines guten Sportlehrers zu entwerfen, argumentiert von einer besonderen normativen Perspektive aus und ist jeweils kritisch einzuordnen. Wer die Frage vertiefen will, was einen guten Sportlehrer auszeichnet, kann sich an die Überlegungen von Jürgen FUNKE-WIENEKE (1997) halten und den grundlegenden Beitrag von Inge BERNDT und Bernd TRENNER (1998) lesen. Ein zweiter Hinweis ist notwendig: Es ist nicht zu erwarten, dass Sportlehrer allen Ansprüchen und Aufgaben in idealer Weise gerecht werden. Wie in jedem anderen Berufsfeld gibt es von Person zu Person erhebliche Kompetenz- und Qualitätsunterschiede. Einen Überblick über verschiedene Typen von Sportlehrern – und zwar aus der Sicht von Schülern – gibt Michael BRÄUTIGAM (1999).

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Lektion 2Wie wichtig ist die Arbeit von Sportlehrern?Die Legitimation des Sports als Schulfach

Von einem professionell arbeitenden Sportlehrer wird erwartet, dass er nicht nur weiß, was er tut, sondern auch weiß, warum er dies tut. Die Erwartung an ihn besteht zu Recht, schließlich hat er einen pädagogischen und fachlichen Auftrag mit hohem Anspruch zu erfüllen. Die Forderung an den Sportlehrer, sein Handeln zu begründen, ist nicht nur eine Selbstverpflichtung. Wer von der Notwendigkeit seines Tuns nicht überzeugt ist, wird unsicher sein und ohne Selbstbewusstsein auftreten. Wer die Gründe und Hintergründe seines Tuns nicht kennt, wird sein Handeln nicht beurteilen und weder sich selbst noch anderen gegenüber rechtfertigen können. Mit der Fähigkeit, die Anliegen und Ziele seines Berufs als bedeutsam ausweisen zu können, gewinnt der Sportlehrer Motivation und Souveränität.

Diese Fähigkeit ist nicht isoliert zu sehen und hängt eng mit anderen Aufgaben zusammen. Eine erste besteht darin, die für das Fach ausgewiesenen Ziele in die Praxis des Sportunterrichts umzusetzen. Eine zweite Aufgabe ist es, die Ziele des Schulsports programmatisch zu entwerfen und in differenzierter Weise zu verdeutlichen. Eine dritte Verpflichtung – um diese geht es in dieser Lektion – verlangt, Aufgaben und Ansprüche des Schulsports zu begründen und den schlüssigen Nachweis für die Berechtigung des Sports als Schulfach zu erbringen. Diese Bemühungen zielen auf die Legitimation des Faches.

Bei der Behandlung der Legitimationsfrage werden in dieser Lektion drei Ausgangspunkte gewählt:

eine anthropologische Grundlegung, die die Bedeutung von Leiblichkeit, Bewegung und Spiel für eine ganzheitlich ausgerichtete Erziehung in der Schule heraushebt;

eine vom Kind und vom Jugendlichen her zu begründende Notwendigkeit, mit den fachspezifischen Möglichkeiten des Schulsports die Bildung, Erziehung und Entwicklung der Heranwachsenden insgesamt zu fördern;

eine von der Sache her, d. h. der gesellschaftlichen und individuellen Bedeutung des Sports her zu rechtfertigenden Verpflichtung, in der Schule auf dieses Handlungsfeld vorzubereiten und Schüler zu einer Handlungsfähigkeit im Sport zu führen.

In einem abschließenden Kapitel wird die Tauglichkeit der Argumente für eine kontrovers geführte Debatte untersucht.

1 Warum ist Schulsport unverzichtbar?

Das Fach Sport weist eine Besonderheit auf, durch die es sich von allen anderen Schulfächern unterscheidet: Schulsport versteht sich als Anwalt für die körperlich-motorische Entwicklung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen. Daraus erwächst nicht nur ein besonderer Erziehungsauftrag, darin ist auch seine Unverzichtbarkeit begründet, da kein anderes Fach diesen Erziehungsanspruch übernehmen kann.

Die Schule steht unter der pädagogischen Verpflichtung zu einer ganzheitlichen Bildung und Erziehung. Schulen sind nicht nur für die Entwicklung und Förderung intellektueller, sondern auch körperlich-motorischer Fähigkeiten verantwortlich. Die Einlösung dieser Anforderung sichert das Fach Sport. Die Besonderheit des Faches wird deutlich, wenn man in diesem Zusammenhang auf anthropologische Grundgedanken zurückgreift. Die Anthropologie ist die Lehre vom Menschen. Sie sucht Klärung über Eigenschaften, die den Menschen in ihrer Existenzform wesensgemäß sind. Das zentrale Thema der Anthropologie ist das „So-Sein“ des Menschen: so, wie der Mensch ist, und so, wie er in der Welt ist.

(1) Als eine grundlegende anthropologische Einsicht gilt: Ein Wesensmerkmal des Menschen ist seine leibliche Verfasstheit. Meine Existenz ist in fundamentaler Weise durch meinen Leib bestimmt. Zwar weiß ich nicht immer um meine Leiblichkeit. Mein Körper fällt mir gar nicht weiter auf, wenn ich mich nicht auf ihn konzentriere und mir besondere körperliche Zustände und Befindlichkeiten nicht bewusst werden. Der Körper bleibt im alltäglichen Handeln oft in der Anonymität des Selbstverständlichen verborgen. Doch auch in solchen Situationen ist unser Leib immer mit dabei. Solange wir leben, ist er bei uns und wir in ihm. Insofern trifft die Aussage zu: Der Mensch ist Leib.

In Fällen allerdings von Behinderungen und Störungen meldet sich unser Körper und wir werden uns seiner bewusst. Wir spüren körperliche Zustände der Ermüdung, des Unvermögens und des Schmerzes. Die selbstverständliche Übereinstimmung mit dem Leib geht dann verloren. Wir wenden uns unserem eigenen Körper zu. Für diesen Fall, der übrigens auch in Situationen von Glück und Euphorie positiv ausgerichtet sein kann, gilt die Formel: Der Mensch hat Körper.

Die anthropologische Doppelformel, dass der Mensch Leib ist und Körper hat, bleibt nicht folgenlos. Es ist leicht zu erkennen, dass wir mit der Entwicklung unserer körperlichen Potenziale und Fähigkeiten unser eigenes Selbst erschließen. Dies zum einen, und zum anderen: Auf unsere leibliche Verfasstheit gründet sich auch der unmittelbare Zugang zu unserer Umwelt. Über leibliche Erfahrungen vermitteln sich die Gegenstände, die uns in der äußeren Welt umgeben. Zugleich erschließen sich über diese Erfahrungen wiederum eigene Möglichkeiten und Fähigkeiten. Der Leib ist das Instrument, der Fühler und das Medium. Er vermittelt zwischen dem eigenen Selbst und der Umwelt. Er bestimmt die Art und Weise der Erfahrungsprozesse und am Ende deren Ergebnisse. Die Wege, über die solche Erfahrungen führen, stehen in einem direkten Zusammenhang mit den menschlichen Wahrnehmungssystemen. Die Wahrnehmung seiner Welt und die Wahrnehmung seiner selbst gewinnt man über die Sinne. Dabei kommt den körpernahen Sinnen besondere Bedeutung zu. Erst das Tasten, Berühren und Bewegen schaffen die Voraussetzungen dafür, Gehörtes und Gesehenes abzusichern und dauerhaft in der Erfahrung zu verankern. Dies sind Erfahrungen gleichsam „aus erster Hand“.

Der Leib ist keine abgegrenzte Unterabteilung des Menschen. Leiblichkeit ist vielmehr ein Aspekt, der in allen menschlichen Aktivitäten ständig mit anwesend ist. Deshalb sind leibliche Erfahrungen für jeden Menschen elementare Grunderfahrungen, und alle Erfahrungen, die der Mensch macht, sind mit seiner Leiblichkeit verknüpft. Grundsätzlich gilt: Der Mensch ist als eine Gesamtheit zu sehen. Körperlich-motorische, emotional-affektive und kognitiv-intellektuelle Elemente sind zwar unterscheidbar, aber im Menschen selbst unmittelbar aufeinander bezogen und miteinander vernetzt. Viele Erfahrungen aus der konkreten Lebenspraxis verweisen auf diese Ganzheitlichkeit des Menschen: Körperliche Verletzungen und Krankheiten mindern nicht selten die geistige Leistungsfähigkeit und provozieren psychische Missstimmungen. Intensive geistige Arbeit und seelische Belastungen führen zu körperlicher Müdigkeit und Erschöpfung. Körperliche Überforderung vermindert die Konzentrationsfähigkeit.

Die anthropologischen Befunde von der Leiblichkeit und Ganzheit des Menschen weisen nicht nur beschreibend auf Zusammenhänge hin. Es liegt auf der Hand, dass die Einsichten zu pädagogischen Forderungen führen: Da Heranwachsende ein Anrecht auf eine umfassende und ganzheitliche Förderung ihrer Anlagen, Potenziale und Fähigkeiten haben, sind Bemühungen um eine angemessene und optimale Entwicklung unvollständig, wenn sie das Thema Leib und Leiblichkeit auslassen.