6,99 €
Majas Leben nimmt von heute auf morgen eine überraschende Wendung - und sie steht vor dem Nichts. Vorübergehend zieht sie bei ihren Freunden Ellen und Sascha ein. Dort ist sie nicht der einzige gern gesehene Gast: Auch Ellens gutaussehender Bruder Eric geht ein und aus. Obwohl es keine Geheimnisse mehr in ihrem Haus geben sollte, trifft Ellen die Entscheidung, Eric ein entscheidendes Detail über Majas Vergangenheit zu verschweigen.
Maja und Eric kommen sich immer näher, aber Maja schafft es nicht, ihm die Wahrheit zu gestehen. Als sie endlich erkennt, dass sich der attraktive Einzelgänger in ihr Herz geschlichen hat, ist es bereits zu spät ...
»Spuren auf unserer Seele« ist der zweite Band der einfühlsamen und romantischen Liebesromanreihe von Lili Eden. Für alle, die romantische Geschichten lieben. Dieser Roman ist bereits in einer früheren Ausgabe unter dem Titel »Die Spuren auf unserer Haut - Band 2« erschienen.
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 315
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
Liebe Leserin, lieber Leser,
herzlichen Dank, dass du dich für ein Buch von beHEARTBEAT entschieden hast. Die Bücher in unserem Programm haben wir mit viel Liebe ausgewählt und mit Leidenschaft lektoriert. Denn wir möchten, dass du bei jedem beHEARTBEAT-Buch dieses unbeschreibliche Herzklopfen verspürst.
Wir freuen uns, wenn du Teil der beHEARTBEAT-Community werden möchtest und deine Liebe fürs Lesen mit uns und anderen Leserinnen und Lesern teilst. Du findest uns unter be-heartbeat.de oder auf Instagram und Facebook.
Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich für unseren kostenlosen Newsletter an: be-heartbeat.de/newsletter
Viel Freude beim Lesen und Verlieben!
Dein beHEARTBEAT-Team
Melde dich hier für unseren Newsletter an:
Majas Leben nimmt von heute auf morgen eine überraschende Wendung – und sie steht vor dem Nichts. Vorübergehend zieht sie bei ihren Freunden Ellen und Sascha ein. Dort ist sie nicht der einzige gern gesehene Gast: Auch Ellens gutaussehender Bruder Eric geht ein und aus. Obwohl es keine Geheimnisse mehr in ihrem Haus geben sollte, trifft Ellen die Entscheidung, Eric ein entscheidendes Detail über Majas Vergangenheit zu verschweigen.
Maja und Eric kommen sich immer näher, aber Maja schafft es nicht, ihm die Wahrheit zu gestehen. Als sie endlich erkennt, dass sich der attraktive Einzelgänger in ihr Herz geschlichen hat, ist es bereits zu spät ...
Lili Eden
Spuren aufunserer Seele
Zwei Jahre zuvor
Das schwache Licht der einzigen Straßenlaterne reichte gerade aus, um den Weg zu finden. Darauf bedacht, nicht in eine der Pfützen zu treten, ging Maja die schmale Gasse entlang. Fluchend blieb sie stehen und zerrte am Regenschirm. Schon wieder hatte sich der Stoff von einem der Stäbe gelöst und sie spürte, wie der Regen langsam, aber sicher ihre dünne Jacke durchnässte. Mit hektischen Bewegungen befestigte sie den Stoff erneut und lief weiter.
Als sie aus der Gasse heraustrat, beschleunigte sie ihre Schritte. Hier auf dem Gehweg bildeten sich keine Pfützen. Doch noch immer war es schwierig, durch den Regen etwas zu erkennen.
Es war nur der Bruchteil einer Sekunde gewesen, sie hatte eigentlich gar nicht in diese Richtung geschaut. Irritiert blieb sie stehen und hielt inne. Etwas war anders als sonst.
Zögerlich drehte sie um, ging einige Meter zurück und sah auf den Parkplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie kniff die Augen zusammen. Was immer dort lag, es gehörte nicht dorthin.
Sie sah auf die Uhr und seufzte. Wenn sie sich erneut verspätete, würde sie Ärger bekommen. Doch etwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Mitten in der Nacht herrschte hier kaum Verkehr. Sie eilte über die Straße und auf den Gegenstand zu, dessen Form sie noch immer nicht einordnen konnte. Und doch trieb ein ungutes Gefühl sie weiter. Ein paar Schritte davor blieb sie stehen und schlug die Hände vor den Mund.
Der Schirm fiel zu Boden, und Maja stürzte auf den Körper am Boden zu. Sie rüttelte an der Schulter des Mannes. Als er nicht reagierte, kniete sie sich hin und zog mit aller Kraft an ihm, um ihn auf den Rücken zu drehen. Die kleinen Schottersteine bohrten sich in ihre Knie, und Maja spürte, wie sich der Regen endgültig seinen Weg durch ihre Kleidung bahnte. Noch einmal zog sie kräftig und schließlich rollte er in Rückenlage. Ohne jegliche Körperspannung kippte sein Kopf zur Seite. Schockiert fuhr Maja mit der Hand über sein Gesicht. Sie kannte diesen Kerl. Allerdings war es lange her, dass sie ihn zuletzt gesehen hatte. Sie hatte keine Zweifel daran, was mit ihm geschehen war – oder wer ihm das angetan hatte.
Unsicher, ob er noch lebte, tastete sie mit zitternden Fingern nach seinem Puls und atmete dann durch. Offensichtlich war er nur bewusstlos.
»Hey, wach auf. Los!« Hilflos rüttelte sie an seinen breiten Schultern. Schließlich verpasste sie ihm mit der flachen Hand einen Schlag auf die Wange.
Stöhnend öffnete er langsam seine Augen.
»Wo bin ich?« Verwirrt sah er sich um.
»Auf dem Parkplatz vor eurem Haus.« Maja beobachtete, wie er versuchte, sich aufzurappeln, aber ächzend zurück auf den nassen Boden sackte. »Ich klingle schnell und hole Hilfe.« Als sie aufstehen wollte, umfasste er ihr Handgelenk.
»Nein. Das muss keiner mitbekommen. Gib mir 'nen Moment, dann geht es schon wieder.«Sorgenvoll betrachtete sie die Wunden und das Blut in seinem Gesicht. Das konnte er nicht schaffen. Vielleicht hatte er eine Gehirnerschütterung, aber auch wenn nicht, würde er in diesem Zustand nicht weit kommen.
»Das muss genäht werden.«
»Das wird wieder, mach dir keine Sorgen.« Gequält lächelte er ihr zu.
»Nein.« Ihre feste Stimme überraschte sie selbst. Nie hätte sie sonst in diesem Ton mit ihm gesprochen. »Du musst ins Krankenhaus. Entweder ich bringe dich, oder ich klingle. Es ist deine Entscheidung.«
»Fuck, Maja. Was soll das? Du weißt genau, mir werden dort Fragen gestellt, die ich nicht beantworten kann.« Genervt sah er sie an.
»Es ist eine Entscheidung«, wiederholte sie ruhig.
Er schloss für einen Moment die Augen. »Siehst du den alten Kombi dahinten?«
Maja sah über den Parkplatz und nickte.
»Auf dem linken Vorderreifen wird der Schlüssel liegen. Zumindest lag er da früher immer, weil mein Vater ihn sonst ständig verlegt hat.« Bereits das Sprechen schien ihn anzustrengen, und erneut schloss er die Augen.
Maja stand auf, ging zu dem Auto hinüber und tastete in der Dunkelheit nach dem Schlüssel. Erleichtert atmete sie aus, als sie das kühle Metall spürte. Das Schloss klemmte etwas, aber letztlich gelang es ihr, den Wagen zu starten und näher an den Verletzten heranzufahren. Sie streifte ihre hohen Schuhe ab und warf sie auf die Rückbank. Nachdem sie die Lehne des Beifahrersitzes zurückgedreht hatte, stieg sie aus und trat wieder neben den Körper am Boden.
Die Kälte des nassen Asphalts an ihren Füßen ließ sie frösteln, und dennoch hatte sie gleichzeitig das Gefühl zu glühen. Irgendwie musste sie ihn in das Auto bekommen, ehe sie jemand hier sah.
»Zähne zusammenbeißen, ich helfe dir, so gut ich kann.«
Als sie seinen Oberkörper nach oben zog, stöhnte er auf. Maja drückte ihr Knie in seinen Rücken, damit er nicht erneut zurück auf den Boden sackte. Sie wollte ihn kurz Kraft schöpfen lassen. Egal wie, er musste es auf den Beifahrersitz schaffen.
Konzentriert fuhr sie durch den Regen. Das alte Auto bereitete ihr Schwierigkeiten, sie war bereits seit Jahren nicht mehr selbst gefahren, und barfuß ließen sich die schwergängigen Pedale noch schlechter durchdrücken. Die Anspannung fiel erst vor ihr ab, als sie schließlich vor dem Parkhaus anhielt. Sie wollte den Schlüssel abziehen, doch er legte schwach seine Hand auf ihren Arm.
»Nicht. Du fährst direkt zurück, parkst das Auto, legst den Schlüssel auf den Reifen und meldest dich krank.«
»Und was ist mit dir?« Sorgenvoll betrachtete sie sein zugeschwollenes Auge und die Platzwunden, die nach wie vor nicht aufhörten zu bluten.
»Ich lasse mich einfach hier auf den Gehweg fallen, die werden mich schon einsammeln.« Er lachte trocken auf. »Du darfst auf keinen Fall mit mir gesehen werden. Und sag zu keinem was. Zu niemandem.« Er sah sie fest an, und Maja erkannte, dass es keinen Sinn hatte zu diskutieren.
Sie nickte und fuhr über seine Wange. Das Blut war in seinen Bart gelaufen, es haftete klebrig an ihren Fingern.
»Verbock es nicht.« Maja wusste, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Er hatte nun eine zweite Chance für sein Leben. Davon konnte sie nur träumen.
»Es wird bald Zeit, loszufahren.« Sascha trat ins Wohnzimmer und ließ sich auf das graue Sofa fallen. Ellen streckte den Rücken durch und nickte ihm zu. Sie saß am Boden und sammelte die im ganzen Raum verteilten Spielsachen ein. Im ersten Stock war leises Rumpeln zu hören, dann Schritte, die das Zimmer über ihnen durchquerten.
»Und was sagen wir ihm?« Sascha beugte sich vor und drehte abwesend den Ehering am Finger.
»Ich mache das schon«, sagte sie und stand auf. Jetzt waren die Schritte auf der Treppe zu vernehmen. Sie zwinkerte Sascha aufmunternd zu und ging in den Flur.
Mit seinem Notizbuch in der einen und einem Stift in der anderen Hand kam ihr Bruder die Treppe herunter. Seinen Blick fest auf die Zeilen vor sich geheftet, wäre er fast mit ihr zusammengestoßen, hätte sie nicht einen Satz zur Seite gemacht.
»Entschuldige.« Murmelnd ging er an ihr vorbei in die Küche, griff sich die Teekanne und stellte sie auf dem Tisch ab.
Ellen folgte ihm und nahm am Küchentisch Platz. Sie beobachtete, wie er eine Tasse aus dem Schrank holte und sich ihr gegenübersetzte. Noch immer löste Eric den Blick nicht von seinen Notizen. Als er sich schließlich den Tee einschenkte, schien er sie endlich wahrzunehmen.
»Ich fahre nachher zum Bahnhof«, sagte sie.
»Bekommst du Besuch?« Überrascht sah ihr Bruder sie an und nahm einen Schluck aus der Tasse.
»Eine Freundin von früher kommt für eine Weile zu uns.«
Eric legte den Stift neben dem Notizbuch ab und lehnte sich im Stuhl zurück. Er wirkte müde und überarbeitet. Wie schon so häufig verbiss ihr Bruder sich aktuell in ein Projekt und gönnte sich kaum eine Ruhepause. »Was bedeutet eine Weile?«
»Für einen Zeitraum, der noch nicht vollständig definiert ist«, führte Ellen aus und wählte bewusst eine Formulierung, die Eric nutzen würde.
Er nahm die Brille ab. Dann schloss er die Augen und rieb sich über die Schläfen. »Sag mir nicht, sie bekommt das Zimmer neben meinem?«
Statt einer Antwort lächelte Ellen ihm nur zu.
»Du weißt, ich brauche Ruhe, um zu arbeiten. Hier unten ist genug los und jetzt zieht auch noch jemand in das Zimmer neben meinem?« Seine Stimme klang ungewohnt gereizt, und Ellen schob es auf seine Erschöpfung.
»Dafür sind Gästezimmer nun mal da, und du wolltest doch den Sommer über hier wohnen.« Natürlich hatte sie sich schon gedacht, dass ihr Bruder von der Neuigkeit nicht angetan sein würde. Aber auch Eric war nur Gast in diesem Haus.
»Dann hoffe ich, dass sie sich ruhig verhalten wird.« Er setzte seine Brille wieder auf und betrachtete erneut die Notizen.
»Du wirst mit ihr schon zurechtkommen«, brummte es von der Küchentür. Sascha stapfte an ihnen vorbei zur Spüle und füllte sich ein Glas Wasser ein.
»Du kennst sie?«, entfuhr es Ellens Bruder, und sie konnte die Irritation in Erics Blick erkennen.
Es war erst etwas über ein Jahr her, dass Sascha hier bei ihr eingezogen war. Bisher waren die beiden Männer miteinander nicht wirklich warm geworden. Auch wenn Eric ihr nie offen gesagt hatte, was er von seinem Schwager hielt, so war es ganz offensichtlich nicht viel. Vermutlich konnte er noch nicht vergessen, dass Sascha sie erst schwanger im Stich gelassen hatte, bevor er schließlich doch zu ihr zurückgekehrt war. Und natürlich half Erics Wissen um die Vergangenheit ihres Mannes nicht gerade, um ein herzliches Verhältnis aufkommen zu lassen.
Sascha schüttelte den Kopf und stellte das geleerte Glas auf die Arbeitsplatte. »Ihr seid beide erwachsen, ihr werdet es schon hinbekommen, euch das obere Stockwerk zu teilen.« Er griff nach seinem Arbeitsgürtel mit den Werkzeugen von der Stuhllehne und legte ihn sich an. »Ich habe mich ja auch an dich gewöhnt«, setzte er hinzu, und Ellen glaubte in seinen Mundwinkeln ein Grinsen zucken zu sehen. Zärtlich küsste Sascha sie auf die Haare und trat aus dem Haus, um in seiner Werkstatt nebenan in der Scheune zu arbeiten.
Eric warf ihr einen vielsagenden Blick zu, griff nach seinen Notizen und der Tasse. Stöhnend stand er auf und schlurfte die Treppe hoch.
»Das wird schon funktionieren. Irgendwie«, sprach Ellen sich leise Mut zu.
Angespannt schloss Ellen die Tür auf. Ihr Sohn zappelte auf ihrem Arm, und sie war froh, als sie ihn im Eingangsbereich schließlich absetzen konnte. Die halbstündige Fahrt vom Bahnhof zurück hatte Silas beinahe durchgeschrien. Jetzt flitzte er ins Wohnzimmer zu seinen Spielsachen und konnte endlich die aufgestaute Energie loswerden.
Sie drehte sich um und nahm Maja eine ihrer beiden Taschen ab. Durch das schlecht gelaunte Kleinkind hatten sie auf der Fahrt kaum Gelegenheit gehabt, mehr als nur ein paar Worte miteinander zu wechseln.
»Es tut mir wirklich leid, dass Silas so mies drauf war. Autofahren direkt nach dem Mittagsschlaf mag er einfach überhaupt nicht.«
Maja lächelte verständnisvoll, und Ellen konnte die Nervosität in ihrem Gesicht erkennen. Offensichtlich ging es ihr ähnlich.
»Am besten zeige ich dir einfach dein Zimmer, dann kannst du dich etwas von der langen Bahnfahrt erholen.« Ellen deutete zur Treppe, und Maja folgte ihr nach oben. Die alten Holzstufen ächzten bei jedem Tritt. Als sie in dem kleinen Flur angekommen waren, öffnete sie die hintere der beiden Türen und stellte die Tasche auf dem frisch bezogenen Bett ab. Maja ließ die zweite daneben plumpsen und sah sich unsicher um.
»Das ist ein wirklich schönes Zimmer«, sagte sie, und es klang ehrlich gemeint.
Da es das erste Mal war, dass in diesem Raum jemand übernachtete, seit sie das obere Stockwerk endlich renoviert hatten, freute Ellen sich über das Lob. »Mein Bruder wohnt momentan in dem Zimmer nebenan, aber vermutlich wird er sich nicht oft blicken lassen, da er gerade ein Projekt beendet und wie besessen arbeitet. Leider gibt es nur ein Bad, es ist unten neben der Küche. Wenn du möchtest, kann ich dir nachher den Rest vom Haus zeigen.«
Maja sah sie dankbar an. »Es ist wirklich nett, dass ich hier eine Weile unterkommen kann.« Sie ging zum Fenster und blickte nach draußen in den Garten. »Und wo steckt Sascha?«
»Er arbeitet in der Werkstatt, du wirst ihn sicher bald sehen.«
Ellen verabschiedete sich und ging nach unten. Silas schob zufrieden einige Spielzeugautos durch das Wohnzimmer. Gut, so konnte sie Sascha schnell von Majas Ankunft berichten. Die Eingangstür ließ sie offen, um den Kleinen zu hören, wenn er nach ihr rufen sollte. Rasch lief sie in die Scheune hinüber und öffnete das Tor.
Sascha stand nach vorne gebeugt neben einem großen Brett und bearbeitete es mit dem Hobel. Wie Schnee rieselten die kleinen Holzflocken um ihn herum auf den Boden. Glücklich beobachtete Ellen einen Moment sein konzentriertes Gesicht. Wie immer war er voll in seine Arbeit vertieft und nahm nichts um sich herum wahr. Wie sie diesen Blick doch liebte!
»Maja ist da«, sagte sie schließlich und riss sich von dem Anblick los, der auch zwei Jahre nach ihrem ersten Kuss ihr Herz noch schneller schlagen ließ.
Überrascht sah er auf. »Ich habe das Auto gar nicht gehört.« Mit dem Arm wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Und wie geht es ihr?«
»Das kann ich nicht einschätzen. Wir konnten uns dank deines Sohnes und seiner schlechten Laune kaum unterhalten. Aber ich glaube, sie ist sehr verunsichert.«
Er lehnte sich gegen das Holzbrett und nickte. »Das ist auch nachvollziehbar. Wir werden sie schon auf andere Gedanken bringen. Wo ist sie jetzt?«
»Im Gästezimmer. Soll ich sie vielleicht rufen? Fragen, ob sie einen Kaffee möchte?«
»Warte ab, bis sie runterkommt. Kann gut sein, dass sie erst mal etwas Zeit für sich braucht.«
Ja, er hatte sicher recht. Ellen trat auf ihn zu und schmiegte sich an ihn. Sein vertrauter Geruch tat so gut. Noch immer war sie jeden Tag erneut dankbar dafür, dass Sascha zu ihnen zurückgekommen war. Sie hatte sich das Haus immer mit Leben erfüllt gewünscht, und das war es nun. Und jetzt war noch eine weitere Person dazugekommen. Die Situation war merkwürdig, aber sie war froh, dass sie Maja helfen konnten.
***
Maja starrte gedankenverloren in den großen Garten. Die Nachmittagssonne stand bereits tief, und der mächtige Kirschbaum in der Mitte warf einen breiten Schatten über das Gras. Sie sah sich in dem Zimmer um und setzte sich auf die Matratze. Heute Morgen war sie noch im Tumult der Großstadt gewesen und jetzt plötzlich hier. Mitten im Nirgendwo. Das Zimmer war schlicht, aber schön eingerichtet. Neben dem Bett stand eine Kommode, auf der gegenüberliegenden Seite ein großer Schrank. Er schien alt zu sein, war jedoch in einem hellen Eierschalenton lackiert. Bestimmt hatte Sascha ihn aufgearbeitet.
Unter dem einzigen Fenster standen ein geblümter, bequem wirkender Sessel und auf dem Beistelltisch eine Vase mit frischen Blumen und Zweigen. Ellen hatte das Zimmer für sie hergerichtet, und es war Maja unangenehm, ihr solche Umstände zu machen.
Aber sie hatte keine andere Möglichkeit gesehen. Mit der Hand fuhr sie über die weiche Tagesdecke und betrachtete ihre beiden Reisetaschen. In ihnen befand sich alles, was sie besaß. Oder besser gesagt alles, das sie hatte mitnehmen können. Mit Macht musste sie unterdrücken, an das zu denken, was sie zurückgelassen hatte. Alles, wofür sie gearbeitet hatte. Es war nicht fair, aber wann war ihr Leben das jemals gewesen?
Unbewusst strich sie über die hellrosa Fläche an ihrem Handgelenk, wie immer, wenn sie grübelte. Das hier war nicht ihre Welt. Das Haus und das Grundstück wirkten wie aus einem Rosamunde-Pilcher-Film. So friedlich und perfekt. Das passte nicht zu ihr. Wieder tastete sie über die Stelle und fuhr mit dem Zeigefinger die etwas verdickte Außenkante nach. Aber vielleicht würde ihr ein wenig Friedlichkeit sogar guttun. Abgesehen davon hatte sie keine Wahl. Wenn es hier nur nicht so ruhig wäre.
Sie stand auf und begann, die Kleider aus den Taschen in die Kommode und den Schrank zu räumen. Ihre Schminktasche stellte sie auf das Tischchen neben die Blumen.
Als alles ausgeräumt war, sah sie sich erneut in dem Zimmer um. Sollte sie nach unten gehen oder noch eine Weile hierbleiben? Ellens Lachen drang von unten durch die Wände, und sie hörte Silas begeistert quietschen. Nein, sie brauchte noch etwas Zeit für sich. Das alles hier drohte sie zu überwältigen.
Die letzten Tage waren aufreibend und anstrengend gewesen. Wieder ließen sie die Gedanken an ihr bisheriges Zuhause nicht los. Zuhause. Konnte man es wirklich so nennen? Und trotzdem war es genau das viele Jahre lang für sie gewesen. Ein ungewöhnliches Zuhause, aber dennoch eines. Maja verspürte keine Trauer um das, was sie hinter sich hatte lassen müssen. Vielleicht war es der richtige Zeitpunkt, neu anzufangen, auch wenn sie ihn nicht selbst gewählt hatte. Es war wie ein Tritt in den Hintern gewesen, der sie nun zwang, sich neu zu sortieren. Zu überlegen, was sie mit ihrem weiteren Leben anfangen wollte. Doch Maja hatte nicht die geringste Idee, was das sein sollte. Ab und an hatte sie darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, einen normalen Alltag zu führen, allerdings konnte sie es sich nicht recht vorstellen, wie so etwas sein würde. Sie brauchte einen Job, das war klar. Irgendwoher musste sie zumindest ein bisschen Geld bekommen, gerade so viel, dass sie über die Runden kommen würde. Nur was sollte sie tun? Sie hatte keinen langen Lebenslauf wie andere zu bieten, und keine Erfahrungen, die ihr etwas nutzen würden. Sie schüttelte den Kopf, um die trüben Gedanken zu verscheuchen. Darüber würde sie morgen nachdenken, heute war sie zu ausgelaugt dazu. Vielleicht konnte ein neuer Tag die richtige Eingebung bringen.
Maja setzte sich auf den Sessel und entdeckte einen Stapel Bücher auf dem unteren Brett des Tischchens. Neugierig zog sie eines davon heraus und betrachtete es. Wann hatte sie das letzte Mal ein Buch gelesen? Sie konnte sich nicht erinnern. Die Wahrheit war, sie wusste nicht, ob sie überhaupt jemals eines zu Ende gelesen hatte. Da es im Zimmer keinen Fernseher und damit keine Ablenkung für sie gab, schlug sie seufzend die erste Seite auf. Offensichtlich handelte es sich um einen historischen Roman, der im mittelalterlichen Schottland spielte. Einen Versuch war es wert, was sollte sie auch sonst tun? Gähnend kuschelte sie sich tiefer in den Sessel und begann zu lesen.
***
Mit einer hektischen Bewegung zog Eric die Kopfhörer ab. Er rieb sich über die Augen und starrte durch die Fensterscheibe vor ihm in den Himmel. Es lief einfach nicht, wie er gehofft hatte. Manche Tage waren nun mal so, auch wenn er es schlecht akzeptieren konnte. Frustriert klappte er den Laptop zu und sah auf die Uhr. Aus der Küche drangen Geräusche nach oben. Vielleicht würde er sich nach dem Abendessen besser konzentrieren können. Das Notizheft nahm er wie üblich mit, mit etwas Glück würde ihm doch noch eine Lösung für die ein oder andere schwierige Stelle einfallen.
Als er ins Erdgeschoss kam, deckte Ellen gerade den Tisch, und Sascha hatte Silas auf dem Schoß und schnitt ihm eine Brotscheibe in kleine Stückchen.
Eric setzte sich an seinen üblichen Platz und nahm sich etwas von dem Salat, den seine Schwester vor ihn gestellt hatte. Ellen und Sascha sprachen über einen neuen Auftrag, den er bekommen hatte, und Silas verdrückte zufrieden sein Brot. Wie meistens beteiligte Eric sich nicht an der Unterhaltung, sondern blätterte durch seine Notizen. Irgendwo musste er etwas ändern, die Geschichte war einfach nicht rund. Er kannte jeden einzelnen Satz und jedes Wort auswendig, und dennoch war ihm bisher nicht klar, was genau ihn störte. Es würde eine lange Nacht werden, das stand fraglos fest.
»Da ist sie ja!«
Saschas Worte rissen ihn aus seinen Gedanken. Eine Frau kam in die Küche und sah sich nervös um. Das war doch Nervosität, oder nicht? Eric sah auf ihre Finger, die am linken Daumennagel knibbelten und auf die Pupillen, die hin und her zuckten. Es spielte keine Rolle. Abermals versuchte er, sich auf seine Notizen zu konzentrieren, beobachtete dennoch aus den Augenwinkeln, wie Sascha aufstand und die Frau herzlich umarmte. Sein Schwager lachte sogar, was Erics Erfahrung nach nicht gerade häufig vorkam. Sie erwiderte lächelnd die Umarmung und setzte sich auf einen freien Stuhl, während Ellen ihr einen Teller holte.
»Ich war mir nicht sicher, ob du schläfst, und wollte dich nicht stören.« Ellen stellte den Teller vor ihr ab und trug ihr ohne Nachfrage Salat auf. Dann reichte sie ihr den Brotkorb und setzte sich wieder.
»Ich habe gelesen und nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist«, sagte die Frau mit heller Stimme.
Eric lehnte sich zurück und musterte sie. Etwas störte ihn. Es erschien ihm merkwürdig, dass diese Frau eine Freundin seiner Schwester war. Sie war kräftig geschminkt und absolut unpassend gekleidet. Das Erste, das er bei ihrem Eintreten wahrgenommen hatte, war der viel zu kurze Rock gewesen. Und auch das Oberteil mit dem tiefen Ausschnitt gab eindeutig zu viel preis. Abgesehen davon hatte Ellen diese Person nie zuvor erwähnt. Bis heute.
»Das ist übrigens mein Bruder Eric, er wohnt gerade in dem Zimmer neben deinem.« Ellen warf ihm einen strengen Blick zu. »Eric, das ist Maja.«
Eric verstand und erhob sich, um ihr die Hand hinzustrecken. Irritiert legte Maja einen kurzen Moment ihre Finger in seine.
Für ihn war die Sache damit erledigt, er setzte sich wieder und schlug das Heft auf. Er spürte einen Tritt gegen sein Schienbein und sah gereizt zu Ellen, die unauffällig auf Maja deutete. Genervt stützte er die Ellenbogen auf dem Tisch auf und wandte sich an die Frau. »Ich habe gehört, du wirst eine Weile hierbleiben?«
Sie sah zu ihm und nickte. »Ja, ich brauche etwas Zeit, um wieder auf die Füße zu kommen. Ich habe meine Arbeit verloren und muss jetzt überlegen, wie es weitergeht.«
»Lag es an einem Fehlverhalten deinerseits oder wurdest du unrechtmäßig gekündigt?«
Maja starrte Eric mit offenem Mund an und suchte scheinbar nach einer Antwort, während Sascha schallend loslachte und ihr die Hand auf die Schulter legte. »Nimm es nicht persönlich, Eric ist ziemlich direkt.«
»Das ist eine berechtigte Frage, wenn jemand seine Arbeit verliert. Der nächste Arbeitgeber wird dies vermutlich auch in Erfahrung bringen wollen.« Eric sah missbilligend zu seinem Schwager.
Maja rang immer noch nach Worten. »Ich schätze, ich habe meinen Mund einmal zu oft aufgemacht.« Sie schien zu überlegen. »Ja, ich denke, das trifft es ganz gut.«
»Und in welcher Branche bist du?« Eric konnte sehen, wie Sascha die Lippen aufeinanderpresste und schwer einatmete. Was war jetzt schon wieder nicht richtig gewesen?
»Ich war Kellnerin.« Maja lächelte ihn an und biss dann von ihrem Brot ab.
»Daher der kurze Rock, das erhöht das Trinkgeld.« Nickend griff Eric nach seinem Wasserglas.
Ellen stützte den Kopf in die Hände und stöhnte, während Sascha erneut loslachte.
Maja sah ihn verdutzt an. Dann beugte sie sich nach vorne und lächelte ihm zu. »Das kommt eher durch den Ausschnitt rein. Der ist nicht zu unterschätzen.«
»Das kann ich mir vorstellen. Brüste sind evolutionsbedingt ein Zeichen für Fruchtbarkeit und wirken daher anziehend auf uns«, murmelte Eric und bemühte sich erneut, sich auf seine Notizen zu konzentrieren.
»Tatsächlich?« Maja sah ihn fragend an.
»Natürlich. Es gibt eine neue Theorie, weshalb wir die einzige Spezies sind, die auch außerhalb des Säugens eine deutlich ausgeprägte Brust hat. Es ist in der Tat faszinierend. Die Brust soll in gewisser Weise die Rundungen des Hinterns spiegeln, die vermutlich durch unseren aufrechten Gang weniger sichtbar sind«, führte Eric aus.
»Okay, Zeit fürs Bett, kleiner Mann.« Sascha stand auf und hob Silas aus dem Hochstuhl. »Das ist nichts, was du in deinem Alter hören musst.« Er trug das Kind ins Badezimmer.
Eric stand ebenfalls auf und sammelte den Teller und die Notizbücher ein. Vielleicht würde er heute doch noch einige Seiten schaffen, wenn er nicht so von dem Gequatsche bei Tisch abgelenkt wurde. Er nickte seiner Schwester und Maja zu und steuerte die Treppe an.
***
Nach dem Essen half Maja, den Tisch abzuräumen und die Spülmaschine zu beladen. Sie bemerkte, wie Ellen immer wieder zu ihr herübersah.
»Nimm es meinem Bruder nicht übel.« Ellen stellte sich mit dem Putzlappen in der Hand neben sie. »Eric ist anders, er meint es nicht böse.«
Maja lächelte. »Eigentlich ist mir diese Direktheit ganz recht, da weiß man, woran man ist.« Tatsächlich hatte sie das Gespräch mit Eric amüsiert. Offensichtlich war er ein Sonderling, aber warum sollte daran etwas falsch sein?
Ellen lachte und ging zum Tisch hinüber, um ihn abzuwischen. »Das ist eine gute Einstellung. Vielleicht erzählst du das mal Sascha.«
»Die beiden scheinen sich nicht besonders zu verstehen, oder liege ich da falsch?«
Ellen wusch den Lappen am Waschbecken aus. »Nein, das trifft es ganz gut. Sie sind, ehrlich gesagt, nie richtig warm geworden. Ich hatte die Hoffnung, es würde sich ändern, als Eric hier vor ein paar Wochen eingezogen ist. Aber sie sind einfach grundverschieden und reden kaum miteinander.«
Maja überlegte. »Lass ihnen Zeit, irgendwann werden sie es lernen.«
»Ich hoffe es, an manchen Tagen machen sie mich wahnsinnig.«
»Das wird schon werden, ganz sicher.« Maja lächelte Ellen zu, die sie so offen in ihrem Haus aufgenommen hatte und sich offensichtlich größte Mühe gab, dass sie sich wohlfühlte. »Ich lege mich jetzt hin, es war ein langer Tag.«
»Schlaf gut«, sagte Ellen. »Und melde dich, wenn du irgendetwas brauchst!«
Dankbar nickte Maja. Sie lief die Treppe rauf und unterdrückte ein Gähnen. Die Zugfahrt und der Tag waren anstrengend und aufwühlend gewesen. Jetzt wollte sie sich nur noch im Bett verkriechen und Ruhe vor den überwältigenden Gedanken bekommen, die unablässig durch ihren Kopf spukten.
Als sie an Erics Tür vorbeiging, bemerkte sie, dass diese einen Spalt offen stand. Leise trat sie näher heran und schielte in den Raum hinein. Eric saß am Schreibtisch, die Füße auf die Kommode daneben gelegt und schrieb hektisch in diesem Heft, das er beim Abendessen kaum aus den Augen gelassen hatte. Er hatte Kopfhörer auf und wippte mit den Füßen. Der kleine Bereich des Zimmers, den sie durch den Spalt sehen konnte, war chaotisch. Überall auf dem Boden stapelten sich Bücher und dazwischen lagen Papiere und Landkarten verteilt. Was war das nur für ein komischer Kerl? Auf dem Bett lag etwas, das ihr Interesse weckte. Zaghaft klopfte sie an die Tür und trat ein.
Eric sah von seinen Notizen auf und zog die Kopfhörer ab.
»Ich möchte nicht stören, aber ist das die Ausgabe von heute?« Maja deutete auf die Tageszeitung auf seinem Bett.
Er nickte nur und legte den Stift beiseite.
»Kann ich mal kurz reinsehen? Vielleicht sind Stellenausschreibungen drin.«
»Nur zu.«
Maja griff nach der Tageszeitung und blätterte die Seiten durch. Da war, was sie gesucht hatte. Ihre Augen überflogen die Anzeigen, bis sie etwas gefunden hatte, das sie interessierte. Ein Schuhgeschäft suchte eine Aushilfe. Das bot sich doch an. Schuhe einräumen und verkaufen, das würde sie wohl hinbekommen. Hastig überflog sie die Daten und legte die Zeitung wieder zurück. »Danke«, sie wandte sich zum Gehen.
»War nichts dabei?«, fragte Eric hinter ihr.
Maja drehte sich um. »Doch, eine Sache klingt interessant, da werde ich mein Glück versuchen.«
»Dann nimm die Zeitung mit, du brauchst ja die Adresse und die Telefonnummer.«
»Das ist lieb, aber ich habe sie mir gemerkt.«
Überrascht sah er sie an. »In der kurzen Zeit?« Er schob seine Brille ein Stück zurück und griff wieder nach dem Stift. »Dann viel Erfolg.«
Maja nickte und ging in ihr Zimmer. Gedankenverloren schlüpfte sie aus dem Rock, zog das Oberteil aus und kuschelte sich unter die Decke. Morgen früh würde sie in dem Geschäft anrufen. Ein wenig Aufregung machte sich in ihr breit. Es war spannend, sich zu bewerben, aber die Sorge um ihren mangelhaften Lebenslauf ließ sie dennoch nicht los. Sie knipste die kleine Nachttischlampe aus und horchte in die Dunkelheit hinein. Es war so ruhig hier. Kein Verkehr, kein Stimmengewirr und keine Musik. In ihrem alten Zimmer war es nie still gewesen, selbst mitten in der Nacht nicht. Sie bezweifelte, dass es ihr bei dieser Ruhe gelingen würde, einzuschlafen. Doch die Sorge war unbegründet, die Müdigkeit übermannte sie nur wenige Minuten später.
Die ersten Sonnenstrahlen fielen in das Zimmer, Vogelgezwitscher drang durch die alten Fenster. Maja blinzelte und sah auf den Wecker, es war kurz nach sechs. Normalerweise ging sie um diese Zeit häufig erst ins Bett. Müde räkelte sie sich unter der Decke und stand dann auf. Sie suchte einen Pulli aus dem Schrank und zog dazu eine schwarze Leggins an.
Als sie das Fenster öffnete, drang die kühle Morgenluft herein. Maja atmete tief ein und sah hinunter. Mitten auf der Wiese saß Eric auf einer Matte. Neugierig kniete sie sich auf den Sessel und stützte die Arme auf dem Fensterbrett ab. Was machte er dort um diese Zeit?
Er saß mit dem Rücken zu ihr, aber sie konnte trotz der Entfernung erkennen, dass er im Schneidersitz hockte und die Hände entspannt auf seine Knie gelegt hatte. Meditierte er etwa? Einige Minuten beobachtete sie ihn, doch er bewegte sich nicht. Schließlich griff sie nach ihrer Schminktasche und verließ das Zimmer. Eine Dusche würde sie um diese unchristliche Zeit hoffentlich richtig wach werden lassen.
Vor der Dusche lagen zwei ordentlich zusammengefaltete Handtücher und auf ihnen eine Flasche Shampoo und Duschgel. Offensichtlich hatte Ellen es für sie bereitgelegt. Maja schloss die Tür ab und zog sich aus.
Das heiße Wasser tat gut. Am Ende zwang sie sich für einen Moment dazu, auf kalt zu drehen.
Frisch geduscht und ordentlich geschminkt fühlte sie sich schließlich für den Tag bereit. Zwar wusste sie nicht, was sie heute mit sich anfangen sollte, aber sie würde es auf sich zukommen lassen.
Als sie in die Küche trat, war Eric gerade dabei, Tee aufzugießen. Er murmelte einen knappen Gruß, und Maja glaubte zu erkennen, wie er sie von der Seite musterte. Er sah aus, als würde ihn etwas stören, und sie konnte sich denken, was. Doch sie war diese Art von Blicken gewöhnt, und es kümmerte sie nicht weiter. Maja schaute sich in der Küche um. Sie wusste nicht recht, was sie tun sollte. »Kann ich auch eine Tasse haben?«
Eric nickte und setzte die Kanne vor ihr auf dem Tisch ab. Er ging zum Schrank und nahm eine zweite Tasse heraus, als aus dem Kinderzimmer fröhlich quietschende Rufe drangen. Eilig stellte er die Tasse vor ihr ab, öffnete die Kinderzimmertür und verschwand in dem Raum.
Maja konnte hören, wie er lachend seinen Neffen begrüßte und die Fensterläden aufmachte. Mit Silas auf dem Arm kam Eric zurück in die Küche und nahm die Milch aus dem Kühlschrank. Das Kind hatte vom Schlafen rote Bäckchen und schmiegte sich an seinen Hals. Ein süßer Knirps, das musste Maja zugeben. Wer hätte gedacht, dass Sascha solch ein niedliches Kind zustande brachte? Schmunzelnd schenkte sie sich den heiß dampfenden grünen Tee ein und legte die Hände um die warme Tasse.
Sie beobachtete, wie Eric eine Milchflasche richtete und sich mit Silas auf dem Schoß auf einen der Stühle setzte. Zufrieden nuckelte der Kleine an der Flasche. Eric beachtete sie nicht weiter und öffnete den Schlafsack des Kindes. Als die Flasche schließlich geleert war, stellte er Silas auf den Boden und gab ihm lächelnd einen Klaps auf den Hintern.
»Los, weck mal deine Langschläfer-Eltern!«
Quietschend tapste der Einjährige in den Flur, und Maja konnte hören, wie er rumpelnd die Tür des Schlafzimmers aufstieß. Ellen lachte müde, und sie hörte Saschas brummige Stimme.
Maja fühlte sich augenblicklich fehl am Platz. Es war ihr unangenehm, in diese Familie hereinzuplatzen, auch wenn sie freundlich aufgenommen worden war. Solch ein Familienleben kannte sie nicht, hatte es selbst nie erlebt. Es war geradezu ein intimer Einblick in das Leben von Ellen und Sascha, der ihr nicht zustand. Und doch berührte es sie.
Eric griff nach seinem Notizbuch, das auf dem Tisch gelegen hatte, und blätterte abwesend durch die Seiten. Bisher wurde Maja nicht schlau aus ihm. Was machte er hier? Sein Umgang mit Silas war liebevoll, aber ansonsten wirkte er steif und merkwürdig. Er beachtete sie nicht, und Maja war froh, als Ellen in die Küche kam und sie begrüßte. Die Locken fielen Ellen wirr um den Kopf und sie trug einen weiten Pulli und eine Jogginghose.
Als sie Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank nahm, stand Maja auf und half, den Tisch zu decken. Sie stellte einen Teller vor Eric, doch er sah nicht auf. Sascha schlurfte mit Silas auf dem Arm herein und hob ihn in den Hochstuhl.
Er nickte ihr zu und setzte sich an seinen Platz. »Also, was steht heute an?« Er griff nach dem Brot und sah zu Ellen.
»Ich muss ein paar Besorgungen machen und später etwas im Gemüsegarten arbeiten.« Sie reichte ihrem Sohn das kleingeschnittene Brot und biss selbst von ihrem ab.
Als er Maja fragend ansah, zuckte sie mit den Schultern. »Ich könnte auf Silas aufpassen, während Ellen unterwegs ist?« Maja wollte sich zumindest etwas nützlich machen, wusste aber nicht, ob Ellen ihr das Kind anvertrauen würde.
Ellen sah auf und nickte zustimmend. »Es wäre tatsächlich schön, mal etwas Zeit für mich zu haben!« Sie lachte fröhlich.
Der angenehme Ton ließ Maja sich ein wenig entspannen.
Eric stand auf und nahm seinen Teller mit dem geschmierten Brot. Er klemmte sich das Notizbuch unter den Arm, griff nach der Tasse und verließ den Raum.
»Was ist mit ihm?« Irritiert sah Maja ihm nach.
Ellen machte eine abwinkende Handbewegung und nahm sich eine weitere Scheibe. »Es ist ihm zu viel los. Eric hat gerne seine Ruhe.«
»Sag doch, wie es ist: Er ist ein Eigenbrötler!« Saschas Stimme klang genervt.
Ellen lachte auf und sah ihren Mann an. »Das sagt genau der Richtige!«
Maja verschluckte sich fast an ihrem Tee und prustete ebenfalls los. Ja, Sascha war wirklich kein kontaktfreudiger Mensch. Sie sah von Ellen zu Sascha und zurück. Vielleicht würde es doch nicht so schlimm werden, hier einige Zeit zu verbringen? Die beiden gingen herzlich und leicht miteinander um, die gute Stimmung begann, sich langsam auch auf sie zu übertragen.
»Ich muss rasch telefonieren.« Maja stand auf, begab sich ins Wohnzimmer und schloss die Tür hinter sich. Hastig wählte sie die Nummer des Schuhgeschäfts. Nicht, dass sie es sich doch noch anders überlegte. Jetzt durfte sie nicht feige sein. Sie musste es einfach versuchen.
Das Gespräch verlief gut, und ihr wurde bereits für den Nachmittag ein Gesprächstermin angeboten. Hoffnungsfroh lief sie zurück in die Küche.
»Stellt euch vor, ich habe ein Vorstellungsgespräch.« Zufrieden sah sie ihre Gastgeber an.
»Das ist ja fantastisch. Und wo?«, fragte Ellen nach.
»In einem Schuhgeschäft in Freiburg. Zwanzig Stunden die Woche als Aushilfe, aber wer weiß, vielleicht könnte es der Einstieg in einen richtigen Job sein«, überlegte Maja. »Im Ort gibt es ja eine Haltestelle und ich vermute, der Bus fährt in die Innenstadt?«
Ellen nickte. »Bis an den Bahnhof. Ansonsten kannst du auch unser Auto nehmen.«
»Danke, aber der Bus ist in Ordnung. So sehe ich etwas von der Gegend und muss mich nicht auf den Verkehr konzentrieren.«
»Viel Erfolg. Gut, dass du es anpackst.« Zufrieden sah Sascha sie an.
Wie gut die Aussicht auf das Bewerbungsgespräch doch tat, stellte Maja fest. »Rufst du mich, wenn ich Silas übernehmen soll? Ich lese solange noch etwas.«
»Du hast noch mindestens eine Stunde, also genieße die Ruhe. Sobald du Silas hast, ist es damit vorbei«, sagte Ellen glucksend.
Beschwingt ging Maja in den Eingangsbereich und die Treppe hoch.
***
Eric saß am Schreibtisch und starrte auf den Bildschirm. Am gestrigen Abend war er doch noch ein Stückchen weitergekommen, aber heute wollte es ihm erneut nicht recht gelingen, sich zu konzentrieren. Vom Garten drangen helles Lachen und Silas' quietschende Stimme durch das gekippte Fenster. Er stand auf und sah hinaus. Maja jagte hinter dem Kleinen her, schnappte ihn und ließ ihn dann laufen. Silas jauchzte und stürmte erneut los. Er lief, so schnell ihn seine wackeligen Beinchen trugen, und sah sich immer wieder lachend nach Maja um. Als er stolperte und ins Gras fiel, schnappte sie ihn und wirbelte ihn durch die Luft.