Spuren in unseren Herzen - Lili Eden - E-Book

Spuren in unseren Herzen E-Book

Lili Eden

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Beschreibung

Johnny ist auf großer Europareise und will seine gute Freundin Ellen in Deutschland überraschen. Doch die Begrüßung fällt anders aus, als er erwartet hatte: Am Ende hat er eine verletzte Schulter und den Groll von Ellens Ehemann Sascha auf sich gezogen. Um die Schulter so gut wie möglich zu heilen, ruft Ellen ihre beste Freundin und Physiotherapeutin Klara zur Hilfe. Die kümmert sich liebevoll um Johnny, und obwohl sie sich dagegen wehrt, kann Klara sich dem Charme des gut aussehenden Australiers nicht entziehen. Zwischen ihnen entflammt eine heiße Romanze. Für beide ist klar, dass es nur eine kurze Affäre ist, steht Johnnys Heimreise doch schon bald an.

Wieder in Tasmanien kann Johnny die faszinierende Frau nicht vergessen und findet nur schwer in sein eigentlich geliebtes Farmleben zurück. Und auch Klara merkt, dass der junge Rancher sich in ihr Herz geschlichen hat. Nun muss sie sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie sich ihrer größten Angst stellen kann, um ihn wiederzusehen. Hat ihr gemeinsames Glück eine Zukunft?

»Spuren auf unseren Herzen« ist der dritte Band der einfühlsamen und romantischen Liebesromanreihe von Lili Eden. Für alle, die romantische Geschichten lieben. Dieser Roman ist bereits in einer früheren Ausgabe unter dem Titel »Die Spuren auf unserer Haut - Band 3« erschienen.

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Seitenzahl: 364

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Epilog

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Johnny ist auf großer Europareise und will seine gute Freundin Ellen in Deutschland überraschen. Doch die Begrüßung fällt anders aus, als er erwartet hatte: Am Ende hat er eine verletzte Schulter und den Groll von Ellens Ehemann Sascha auf sich gezogen. Um die Schulter so gut wie möglich zu heilen, ruft Ellen ihre beste Freundin und Physiotherapeutin Klara zur Hilfe. Die kümmert sich liebevoll um Johnny, und obwohl sie sich dagegen wehrt, kann Klara sich dem Charme des gut aussehenden Australiers nicht entziehen. Zwischen ihnen entflammt eine heiße Romanze. Für beide ist klar, dass es nur eine kurze Affäre ist, steht Johnnys Heimreise doch schon bald an.

Wieder in Tasmanien kann Johnny die faszinierende Frau nicht vergessen und findet nur schwer in sein eigentlich geliebtes Farmleben zurück. Und auch Klara merkt, dass der junge Rancher sich in ihr Herz geschlichen hat. Nun muss sie sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie sich ihrer größten Angst stellen kann, um ihn wiederzusehen. Hat ihr gemeinsames Glück eine Zukunft?

Lili Eden

Spuren in unseren Herzen

   Kapitel 1   

Johnny

Seit Wochen hatte er sich auf diesen Moment gefreut, nur jetzt, beim Anblick der Tür, raste sein Puls. Vielleicht war es ja doch keine gute Idee, hier einfach unangemeldet aufzuschlagen. So viel Zeit war vergangen. Aber gerade deshalb musste er vorbeischauen und sehen, wie es ihr ging. Als sein Finger schon beinahe die Klingel berührte, hielt er inne. Etwas passte nicht. Er beugte sich vor und versuchte, trotz der Dunkelheit, den Nachnamen unter der Klingel zu entziffern. Er war falsch. Aber dies war ihre Adresse, zumindest die, die sie ihm damals gegeben hatte. Nur für den Fall. Hatte er zu lange gewartet? Warum zum Teufel hatte er sich nur nicht schon viel früher zu dieser Reise aufgemacht?

Er wusste, weshalb. Weil es immer jede Menge zu tun gab. Eigentlich auch jetzt gerade, doch es hatte einfach sein müssen. Es war die letzte Gelegenheit, und er hatte gewusst, dass er es bis ans Ende seiner Tage bereut hätte, wenn er sie hätte verstreichen lassen. Aber das brachte ihn nun in das Dilemma, vor dieser Tür zu stehen und auf einen falschen Namen zu starren.

Er trat einige Schritte zurück und rieb sich über den Nacken. Um diese Zeit zu klingeln, wenn es nicht sie war, wäre unangebracht. Sein Blick schweifte umher, und er entdeckte einen schmalen moosbewachsenen Weg entlang der Hauswand. Vielleicht konnte er unauffällig durch die Fenster schauen und herausfinden, wer hier wohnte? So wie es aussah, hatte er keine andere Wahl, auch wenn es möglicherweise nicht ganz anständig war.

Bemüht, keinen Mucks zu machen, ging er um das Haus und spähte in das hell erleuchtete Wohnzimmer. War sie das, die eben hinter der offenen Zimmertür durch den Flur gegangen war? Sie musste es einfach sein.

Er wollte gerade wieder zur Haustür gehen und endlich klingeln, als er von hinten gepackt wurde. Mit Wucht riss es ihn zurück, und ein Arm legte sich um seinen Hals. Der Druck gegen den Kehlkopf machte das Atmen beinahe unmöglich. Im ersten Schreckmoment rührte er sich nicht, dann durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass er sich verdammt noch mal wehren musste. Jetzt! Er rammte seinen Ellenbogen gegen den Oberkörper seines Angreifers. Ein kurzes Stöhnen war zu hören, aber der Griff lockerte sich nicht und drückte ihm weiterhin die Luft ab.

Der Kerl brüllte ihm unverständliche Worte ins Ohr, doch selbst, wenn er hätte antworten wollen, konnte er es dank des festen Griffs nicht. Das Rauschen in seinen Ohren kündigte eine nahende Ohnmacht an. Ganz sicher würde er nicht einfach hier zu Boden gehen. Mit letzter Kraft trat er auf den Fuß seines Angreifers, der daraufhin den Arm etwas lockerte. Er wand sich heraus, fuhr herum, und schlug zu, noch ehe er weiter darüber nachdenken konnte. Im Lichtschein, der aus dem Fenster fiel, stellte er zufrieden fest, dass er das Jochbein seines Gegenübers geradezu perfekt erwischt hatte.

Wütend sah dieser ihn kurz an, ehe er ihn bei den Schultern packte und ihm seine Stirn in sein Gesicht rammte.

Er konnte das Blut schmecken, das über seine Lippe rann. Der Kerl packte ihn erneut und warf ihn zu Boden. Ein heftiger Schmerz durchfuhr seine rechte Schulter. Das Atmen fiel ihm schwer. Ob wegen des Schmerzes oder des Gewichts des Knies auf seinem Rücken, konnte er nicht sagen.

In diesem Moment vernahm er eine ihm bekannte Stimme. Noch immer war der Schmerz in seiner Schulter kaum auszuhalten, doch er zwang sich, den Kopf zu heben.

Da stand sie.

Auch wenn es dunkel war, es gab keinen Zweifel. Ihr Blick wanderte von dem Kerl, der auf ihm kniete, zu ihm hinunter. Er konnte erkennen, wie sie die Augenbrauen zusammenzog und ihn anstarrte.

»Johnny?« Fassungslos sah sie ihn weiter an.

»Hi!« Mühsam presste er das Wort zwischen den Zähnen hindurch.

Endlich schien sie sich aus ihrer Erstarrung zu lösen und redete aufgebracht abwechselnd auf ihn und auf den Kerl ein. Doch er konnte kein einziges Wort von dem verstehen, was sie sagte.

Brummend hörte er die Stimme des Mannes hinter sich, dann ein gepresstes »fuck«, immerhin das verstand er. Schließlich spürte er, wie der Druck auf seinen Rücken nachließ, und er am Hemd gepackt und hochgezogen wurde. Mit einem Schrei griff er mit seiner linken Hand an den rechten Arm. Etwas stimmte nicht, er hing zu weit vorne. »Fuck.« Dieses Mal kam das Wort aus seinem Mund. Es war kaum auszuhalten, und Johnny schnappte nach Luft.

Sie trat näher an ihn heran und sprach mit ihm, doch er verstand sie nicht.

»Ellen, sprich Englisch«, bat er fast tonlos. Noch immer durchzog der stechende Schmerz seinen Oberkörper.

»Ach, natürlich, entschuldige.« Sie stürzte auf ihn zu und fasste ihn vorsichtig an den Arm. »Um Himmels willen! Das sieht nicht gut aus, komm schnell mit rein.« Mit einer Hand in seinem Rücken geleitete sie ihn zur Vorderseite des Hauses.

Wortlos folgte er ihr. Hinter sich konnte er die Schritte des Mannes hören, dem er die Schmerzen verdankte. Im Wohnzimmer angekommen, drehte Johnny sich um und sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Er war ebenso groß wie er. Meist war er es gewohnt, dass er der Größte war, aber dieser Typ war mit ihm auf Augenhöhe, und zudem noch breiter gebaut und älter als er selbst. Kalt spürte Johnny den verkniffenen Blick auf sich ruhen. Auch wenn ihm die Situation unangenehm war, wich er dieser abschätzigen Musterung nicht aus. Mit Genugtuung stellte er fest, dass auch er Spuren hinterlassen hatte. Auf der linken Wange dieses Arsches zeichnete sich deutlich ein Abdruck seiner Faust ab. Wenigstens etwas.

»Das ist mein Mann Sascha.« Ellen deutete auf den Kerl. »Und das ist Johnny«, sie machte eine kurze Pause, ehe sie weitersprach, »aus Tasmanien.«

Johnny aus Tasmanien. Er hatte sie immer Ellen aus Europa genannt. Allerdings war ihre Begrüßung auf der Farm damals deutlich freundlicher ausgefallen als seine eben. Johnny bemerkte, wie der Typ die Augenbrauen hochzog und ihn erneut musterte. Ellen war wirklich mit diesem Kerl verheiratet? Es wäre wohl tatsächlich besser gewesen, wenn er sich in irgendeiner Form angemeldet hätte. Aber mehr als ihre Adresse hatte er nicht gehabt, und im Telefonbuch hatte er sie nicht gefunden. Einen Brief zu schreiben, war ihm merkwürdig altbacken vorgekommen. Wer schrieb noch Briefe?

Irgendwie hatten sie die Handynummern damals nicht ausgetauscht. In dem Jahr, in dem Ellen auf der Farm gelebt hatte, war es nicht nötig gewesen. Ihre Hütte hatte nur einen Steinwurf vom Haus seiner Familie entfernt gelegen. Und an diesem letzten Tag hatten sie es vermutlich deshalb nicht gemacht, weil es ihnen unsinnig erschienen war. Was brachte es bitte, mit jemandem in Kontakt zu bleiben, der am anderen Ende der Welt lebte und den man nie wiedersehen würde. Jedenfalls hatten sie das damals gedacht. Aber dann war viel passiert, und nun stand er hier und wurde von einem ziemlich ungastlichen Ehemann beäugt, der ihm die Nase geprellt und den Arm ausgekugelt hatte.

Ein Überraschungsbesuch war vermutlich nicht seine beste Idee gewesen. »Mit dieser Begrüßung hatte ich nicht gerechnet«, sagte er schließlich, ohne den Kerl aus den Augen zu lassen.

»Sascha hat dich für jemand anderes gehalten. Im Dunkeln ums Haus zu schleichen war keine gute Idee.« Ellen lächelte ihm entschuldigend zu. »Ich würde dich ja drücken, aber dein Arm ...« Sie kramte ein Taschentuch aus einer Schublade und reichte es ihm. »Für deine Nase. Hat schon fast aufgehört zu bluten. Nur zur Sicherheit.«

Für jemand anderes gehalten? Wer hatte denn so etwas verdient? Und doch war es trotz allem schön, sie nach mehr als drei Jahren wiederzusehen. Auch wenn es etwas anders abgelaufen war als erwartet. Seine Augen huschten über ihre Aufmachung. Sie trug ein kariertes Hemd, das weit hinunterreichte. Offensichtlich war es eins ihres Mannes. Ihre nackten Beine wirkten schmal unter dem breiten Hemd. Es war unschwer zu erkennen, warum sie auf seine Kleidung zurückgriff. »Herzlichen Glückwunsch.«

Ellen lächelte und fuhr über den deutlich gewölbten Bauch. »Danke.« Dann sah sie ihn besorgt an. »Jetzt schauen wir uns erst mal deinen Arm an.« Sie sah einen Augenblick zwischen ihrem Mann und ihm hin und her. »Da habt ihr ja was Schönes angestellt, Jungs.« Sie ging auf ihn zu und wollte nach seinem Arm greifen, doch Johnny wich zurück. »Besser nicht anfassen.« Krampfhaft hielt er mit der linken Hand die rechte Schulter fest. »Ich kann ihn nicht loslassen. Sobald ich es tue, schmerzt es höllisch. Bin mir ziemlich sicher, dass er ausgekugelt ist.«

Sie sah zu ihrem Mann und sagte etwas, das er nicht verstand. Schnaubend trat auch er einige Schritte auf ihn zu. »Entschuldige, das war nicht beabsichtigt«, brummte dieser Sascha. »Und was machen wir jetzt?«

»Was sollen wir schon machen? Johnny muss ins Krankenhaus.« Ellen schüttelte den Kopf. »Du liebst den großen Auftritt wirklich, oder?« Sie zwinkerte ihm zu.

»So groß hätte auch nicht sein müssen. Allerdings würde ich ungern ins Krankenhaus.« Er wich ihrem Blick aus. »Ich habe keine Auslandskrankenversicherung für die Reise abgeschlossen.«

Ellen schnaufte hörbar. »Natürlich hast du das nicht. Das passt ja irgendwie zu dir.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Dann müssen wir eine andere Lösung finden, die weniger teuer wird.« Sie runzelte die Stirn und sprach mit ihrem Mann. Schließlich drehte sie sich wieder zu ihm um. »Wir rufen eine Freundin an. Vielleicht kann sie helfen.«

Wie sollte ihm eine Freundin von Ellen bei einem verdammten ausgerenkten Arm helfen? Stöhnend setzte er sich vorsichtig auf das Sofa. Genau zwei Wochen waren es noch bis zu seinem Rückflug. Die ganze Reise war glattgelaufen und nun das. Sein Besuch hier und dann eine Tour über Berlin und letztlich zum Flughafen nach Frankfurt hatte den krönenden Abschluss bilden sollen. Jedenfalls hatte Johnny es sich so ausgemalt. Immerhin war dieser Vorfall hier nach Spanien passiert, und er hatte nach Herzenslust surfen können. Allerdings baute ihn das jetzt auch nicht wirklich auf. Wie lange brauchte so eine Schulter überhaupt, bis sie auskuriert war? Aus den Augenwinkeln sah er zu Sascha, unter dessen Auge sich ein dunkler Schatten ausbreitete. Mistkerl.

Ellen ging durch das Zimmer und nahm ihr Handy von der Ablage. Johnny beobachtete, wie sie wählte und dann aufgeregt mit jemandem sprach. Sie gestikulierte wild mit der freien Hand, was ihm verriet, dass sie die Situation mehr aufwühlte, als er angenommen hatte. Wenn sogar Ellen nervös wurde, saß er eindeutig in der Patsche. Er kannte niemanden, der so die Nerven behalten konnte wie sie. Selbst an den richtig stressigen Arbeitstagen auf der Farm hatte Ellen damals Ruhe ausgestrahlt. Kaum hatte sie aufgelegt, sah sie ihn jedoch aufmunternd an. »Wir bekommen Unterstützung. Vielleicht kann meine Freundin das ja in Ordnung bringen.«

Sascha nickte, stapfte aus dem Zimmer und kam gleich darauf mit zwei Packungen gefrorenen Erbsen wieder. Eine reichte er ihm. »Für die Schulter.« Die andere presste er sich selbst an die Wange.

Wortlos griff John danach und legte sie an seine Schulter.

Ellen lachte, was Johnny etwas Zuversicht gab, und sackte neben ihm aufs Sofa. Sie schüttelte immer wieder den Kopf und blickte erneut zwischen ihnen hin und her. »Das ist ein Anblick ... Ihr beide mit den Erbsen.«

»Ich würde lachen, wenn's nicht so wehtun würde«, brummelte Johnny.

»Was machst du überhaupt hier?« Ungläubig sah sie ihn an. »Nie hätte ich mit dir gerechnet. Ich fasse es nicht. Was für eine Überraschung!«

»Na ja, ich habe mir gedacht, ich sollte endlich deinem Rat von damals folgen und mir was von der Welt anschauen. Gucken, was es auf der anderen Seite so gibt. Seit zwei Monaten bin ich unterwegs und war in Spanien, Italien, Frankreich und der Schweiz.« Er nickte anerkennend. »Europa ist wirklich schön und hat einiges zu bieten, muss ich zugeben. Und nun bin ich hier. Ich dachte, ich muss einfach bei dir vorbeischauen, aber vielleicht war das doch keine gute Idee.« Sein Blick wanderte zu diesem Sascha, der ihn noch immer wenig freundlich beobachtete.

»Ach was.« Fröhlich sah sie ihn an. »Ich freue mich total! Sobald wir das da hinbekommen haben«, sie deutete auf seinen Arm, »musst du mir unbedingt von der Farm und deinen Eltern erzählen. Du glaubst ja gar nicht, wie oft ich daran zurückdenke. Es war so schön in der Hütte.«

Ein unzufriedenes Brummen war zu hören.

Ellen zischte etwas auf Deutsch, und Sascha presste die Zähne aufeinander.

Ganz sicher hatte es nur etwa eine Viertelstunde gedauert, aber Johnny war es wie eine Ewigkeit vorgekommen. Und das nicht nur wegen der Schmerzen, sondern auch angesichts der merkwürdigen Stimmung, die hier herrschte. Mit knappen Sätzen hatte er Ellen Fragen zu seiner Reise beantwortet, während ihr Mann scheinbar gar nicht daran dachte, den Raum zu verlassen und ihn unentwegt beobachtete. Also war die angespannte Atmosphäre geblieben. Endlich vernahm Johnny vor dem Haus ein Auto und atmete durch. Was auch immer diese Freundin gleich tun sollte, um zu helfen, es konnte wohl kaum unangenehmer werden, als das alles hier eh schon war. Der Blick seines Sparringpartners verriet ihm, dass dieser ihn am liebsten aus dem Haus schmeißen wollte und sich nur wegen Ellen zurückhielt. Und das wiederum ließ Johnny vermuten, dass Sascha wusste, was vor einer gefühlten Ewigkeit in Tasmanien geschehen war. Allem Anschein nach interpretierte er sein Auftauchen hier vollkommen falsch. Allerdings war Johnny nicht danach, sich jetzt ausführlich zu unterhalten. Oder gar etwas zu erklären. Sollte dieser Mistkerl doch schmoren.

Sascha trat auf Ellen zu, hielt ihr eine Hand hin und zog sie vom Sofa hoch. Da! Der Anflug eines Lächelns war in Saschas Mundwinkeln zu erkennen gewesen, als er ihr flüchtig über den Rücken fuhr. Also konnte dieser Kerl auch anders, schloss Johnny daraus. Ein wenig beruhigte es ihn, dass seine Freundin sich womöglich doch einen Mann geangelt hatte, der nicht nur ätzend war. Aber noch war es zu früh, um ein endgültiges Fazit zu ziehen. Vorerst blieb Johnny bei seiner wenig guten Meinung über den Kerl.

Ellen watschelte gemächlich in den Flur. Er hörte, wie sie die Tür öffnete und jemanden begrüßte. Johnny vernahm eine glockenhelle Stimme. Etwas an dem Klang machte ihn neugierig. Er ignorierte den stechenden Blick seines Gegenübers und sah zur Tür, die zum Flur führte. Sogar den Schmerz in seiner Schulter vergaß er für einen Augenblick.

***

Klara

Sie hatte schon gedöst, als Ellen angerufen hatte. Hektisch war Klara aus dem Bett gesprungen und hatte den Anruf angenommen. Natürlich hatte sie befürchtet, dass mit dem Kind etwas nicht stimmte, und erst einmal erleichtert nach Luft geschnappt – es war alles in Ordnung. Fast jedenfalls. Das, was sie während des Telefonats erfahren hatte, klang interessant. Und irgendwie schräg. Allem Anschein nach war dieser Johnny aus Tasmanien mit Sascha aneinandergeraten und hatte nun vermutlich eine ausgerenkte Schulter. Irgendwie war bei ihrer besten Freundin doch immer was los. Im Gegensatz zu ihrem Leben, das für gewöhnlich sehr planmäßig verlief. Ganz so, wie Klara es eben mochte.

Um keine Zeit zu verlieren, war sie schnell in die alte Jogginghose geschlüpft und direkt ins Auto gestiegen. Die zwanzigminütige Fahrt von Freiburg raus in das Dorf und zu Ellens abgelegenem Haus war ihr länger vorgekommen als üblich, so neugierig war sie auf die Situation, die sich ihr gleich bieten würde. Natürlich hatte Ellen ihr von diesem Johnny erzählt, immerhin waren sie beste Freundinnen, und da sprach man über alles, allerdings wusste Klara nicht viel über den Typen. Ein Farmer. Das klang schon ein wenig nach Wild-West-Romantik, rauen Händen und einem harten Kerl. Zugegebenermaßen züchtete dieser Farmer Kirschen und keine Rinder, war also vermutlich nicht so cool wie die Schauspieler aus diesen inzwischen verbotenen Marlboro-Werbungen von früher. Fast fand Klara es ein wenig schade. Ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, parkte sie auch schon vor dem Haus ihrer Freundin. Die Haustür wurde geöffnet, und Ellen winkte ihr zu. Kaum hatte Klara den Schlüssel abgezogen, sprang sie aus dem Auto und stürzte auf sie zu.

Ellen umarmte sie hastig. »Gut, dass du da bist. Ich glaube, er hat heftige Schmerzen.«

»Ist das wirklich der Kerl aus Tasmanien?«, flüsterte Klara ihr ins Ohr.

Ellen nickte eilig und bugsierte sie in den Eingangsbereich. Sascha stand an die Wand gelehnt da und hielt sich eine Packung Erbsen ans Gesicht.

»Was soll das denn?« Klara ging zu ihm und schob die Packung zur Seite, ehe er protestieren konnte. Sie begutachtete sein Gesicht, wo ein dunkler Schatten unterhalb des rechten Auges zum Vorschein kam. Allem Anschein nach hatte Ellen am Telefon nicht untertrieben. Hier war mächtig was los gewesen. Während sie – wie üblich – viel zu früh über einem Krimi eingenickt war. Deshalb dauerte es auch grundsätzlich ewig, bis sie ein Buch durchhatte. Lesen wirkte bei ihr besser als jede Baldriantablette. Und dabei las Klara gerne, was diesen Umstand wirklich nervig machte.

»Frag gar nicht erst«, brummte Sascha und drückte das Tiefkühlgemüse erneut gegen die bereits anschwellende Stelle. »Da drin ist dein Patient. Mir geht's gut.«

Dass Sascha mehr als schlecht gelaunt war, war kaum zu übersehen. Klara warf Ellen einen vielsagenden Blick zu und folgte ihr ins Wohnzimmer.

Obwohl sie nicht auf den Marlboro-Cowboy gehofft hatte, überraschte sie der Anblick, der sich ihr bot, nun doch. Auf dem Sofa saß mit verkrampftem Gesichtsausdruck ein Typ, der zugegeben süß war, aber offensichtlich auch noch ziemlich jung. Erneut warf sie Ellen einen Blick zu, aber die gestikulierte nur auffordernd in seine Richtung, was wohl zu bedeuten hatte, dass Klara ihre Gedanken jetzt gerade für sich behalten sollte. »Schon gut«, raunte sie Ellen zu, setzte ein Lächeln auf und wandte sich dann an den braungebrannten Gast. »Hi, ich bin Klara.«

»Johnny.« Er sah sie trotz der Schmerzen, die er seiner Haltung nach hatte, aufmerksam aus seinen dunklen Augen an. »Du bist die Erste, die hier direkt Englisch mit mir spricht. Danke dafür.« Schelmisch sah er zu Ellen, die die Augen verdrehte.

»Beschreib mir bitte den Schmerz.« Klara versuchte, sich auf seine Verletzung zu konzentrieren und dieses verdammt freche Grinsen zu ignorieren. Das war es sicherlich gewesen, was Ellen dazu gebracht hatte ...

»Sie sind übel«, riss Johnny sie aus ihren Gedanken. »Ja, das trifft es wohl ziemlich gut.«

»Bewegen kannst du ihn nicht, oder?« Prüfend fuhr sie mit den Händen über seine Schulter und den Arm hinunter, den er krampfhaft mit der anderen Hand stützte. Unter dem Druck ihrer Finger zuckte er zusammen.

»Ich glaube, ich kann ihn nicht mal loslassen.«

Klara richtete sich auf und seufzte. »Eindeutig ausgerenkt, aber das habt ihr ja schon vermutet. Er muss ins Krankenhaus, da hilft nur einrenken.«

»Ja ... was das angeht«, Ellen machte einen Schritt auf sie zu, »Johnny hat keine Krankenversicherung außerhalb von Tasmanien.«

»Oh Mann.« Klara seufzte erneut. Dieses hübsche Grinsen würde ihm rasch vergehen, das war sicher. »Die Behandlung kann teuer werden. Röntgen werden sie auf alle Fälle, und wenn er Pech hat, muss er noch in die Röhre. Und die Kosten können sich leicht auf mehrere Tausend Euro belaufen.« Sie blickte diesen Johnny mitleidig an. »Das hat sich echt gelohnt.«

»Na ja«, Ellen druckste nervös herum. »Ich dachte, du könntest das vielleicht erledigen? Immerhin ist es nicht Johnnys Schuld, dass der Arm ...«

»Bin ich jetzt etwa dafür verantwortlich?«, brummte es aus dem Flur. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Sascha seine Frau an.

»Er hat sich den Arm ja nicht selbst ausgekugelt«, antwortete diese. »Wobei es natürlich auch keine Glanzleistung war, im Dunkeln ums Haus zu schleichen.«

»Was war hier denn los? Ich will unbedingt die ganze Geschichte hören«, verlangte Klara.

»Ach, egal.« Ellens Miene wurde flehend. »Kannst du nicht vielleicht ... so ein bisschen ...?«

Erstaunt sah sie ihre Freundin an. »Ich soll ihm den Arm einrenken? Hier?«

»Kannst du das denn?«, klinkte Johnny sich in das Gespräch ein. Tatsächlich hatten sie sich die ganze Zeit auf Englisch unterhalten, dabei war das Klara doch sonst unangenehm, und sie tat es nur dann, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ. Obwohl sie es eigentlich recht gut konnte, seit dem Schüleraustausch in London damals. Sie betrachtete den Gast erneut. »Ich kann das schon, aber ich darf es faktisch nicht. Ich bin keine Ärztin.«

»Und was bist du?«

»Physiotherapeutin und Osteopathin.«

»Na, das reicht mir.« Ein verschmitztes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Ich bin auch kein Mechaniker und kann trotzdem alles reparieren.«

War das sein Ernst? Der Vergleich hinkte gewaltig, immerhin ging es hier nicht um irgendeinen Motor, sondern um einen echten Arm. An dem zufällig dieser Tasmanier hing. Klara schüttelte den Kopf. »Sollte mehr verletzt sein, könntest du längerfristige Probleme bekommen.«

»Und wenn nicht?« Ellen sah sie nachdenklich an.

»Dann hilft es, wenn er den Arm für einige Zeit ruhig hält. Aber das Risiko, dass mehr kaputt ist, besteht.«

Erneut betrachtete Klara ihn. Johnny schien in guter Form zu sein und wirkte trainiert. Das würde bei der Heilung sicherlich von Vorteil sein. »Wann fliegst du zurück?« Innerlich fluchte Klara über sich selbst. Zog sie es etwa wirklich in Betracht, das zu tun, wofür man sie allem Anschein nach herbeordert hatte? Ellen schien es ernst zu meinen, und dieser braungebrannte Bursche wirkte eindeutig zu entspannt für die Situation, in die er sich befördert hatte.

»In zwei Wochen.« Erwartungsvoll hafteten die dunklen Augen auf ihr.

»Ich fasse nicht, dass ich das mache!« Klara stemmte die Hände in die Hüften. »Also gut, versuchen wir es. Aber du gehst zu Hause zur Sicherheit zum Arzt, ja?«

»Deal.« Zufrieden lächelte er sie an.

Das Lächeln würde ihm noch vergehen, davon war sie überzeugt. Der arme Tropf hatte keine Ahnung, was auf ihn zukam. »Ihr sagt keinem was, in Ordnung? Ich kann da wirklich nichts riskieren. Wenn was schiefgeht, bringt ihr ihn ins Krankenhaus und erwähnt mich nicht. Dann habt ihr das selbst angestellt. Da hängt immerhin mein Job dran ...«

»Natürlich.« Ellen nickte eifrig. »Und was machen wir jetzt genau? Drehst du einfach an seinem Arm, bis alles wieder dahin springt, wo es hingehört?«

Klara atmete tief ein. »Ein bisschen komplizierter ist das schon. Zuerst brauche ich eine Schere. Mit dem T-Shirt kann ich ihn nicht gut greifen. Jeder Griff muss sitzen oder es geht schief.«

»Das ist doch ein Irrenhaus hier«, grummelte Sascha und löste sich von der Wand. »Ich hol dir eine. Je schneller der Arm wieder funktioniert, umso schneller kann er von hier verschwinden.« Sascha ging mit schweren Schritten in die Küche.

»Irrenhaus passt ganz gut«, gluckste Klara, dann beugte sie sich erneut hinunter und sah Johnny ernst an. »Das wird wehtun. Also richtig.«

Wieder zuckten seine Mundwinkel. »Danke, jetzt fühle ich mich gleich viel besser.«

Dass er bei dieser Verletzung noch Witze machte, wunderte sie. »Willst du das wirklich? Im Krankenhaus könnten sie dir was zur Entspannung spritzen, das kann ich nicht.«

»Wird schon gehen.« Dieser Kerl war um seine Zuversicht ehrlich zu beneiden. Entweder war er tiefenentspannt oder ein kompletter Idiot. Was genau, würde sich wohl noch zeigen.

»Hier hast du sie.« Sascha hielt ihr die Schere hin.

»Na dann.« Vorsichtig, um Johnny nicht zu stechen, begann sie, das Shirt zu zerschneiden. Als der Stoff an ihm hinunterrutschte, betrachtete Klara flüchtig seinen Oberkörper. Nun verstand sie, was Ellen an ihm gefunden hatte. Konzentrier dich. »Wir machen das am besten auf einem der Küchenstühle.«

Ellen bedeutete ihm, ihr zu folgen, und sie gingen alle in die Küche hinüber.

Nachdem Klara einen Stuhl in der Mitte des Raums platziert hatte, setzte Johnny sich. Ohne starken Druck tastete sie erneut die Schulter ab. Vorsichtig fasste sie seinen Unterarm und hob ihn langsam an. Zwar machte er keinen Mucks, doch sein schmerzverzerrtes Gesicht sagte alles.

»Tut mir leid.« Ihre Finger bohrten sich in seine äußere Schulter, um die aktuelle Position des Gelenks zu ertasten. Ein lautes Stöhnen zeigte ihr, dass sie die richtige Stelle gefunden hatte. Sanft ließ sie den Arm nach unten sinken und trat einen Schritt zurück. Wollte sie das wirklich durchziehen? Wenig begeistert sah sie zu Ellen, die auf ihrem Daumennagel kaute und zu Sascha, der die inzwischen allem Anschein nach aufgetauten Erbsen in die Spüle beförderte. Das hier waren ihre Freunde, und sie hatten sie um Hilfe gebeten. Und eigentlich konnte sie das, was sie gleich tun würde, auch. Jedenfalls hatten sie es damals in der Ausbildung durchgenommen. So kompliziert war das Einrenken eines Arms gar nicht, redete sie sich ein, ehe sie durchatmete. »In Ordnung, das sollte klappen. Allerdings brauche ich Hilfe. Sascha?«

»Wenn's sein muss.« Er nickte verkniffen und ging zum Küchenschrank. Klara beobachtete, wie er die Whiskyflasche herausnahm, den Deckel abschraubte und sie Johnny hinhielt.

»Perfekt.« Mit der linken Hand nahm dieser die Flasche entgegen und setzte sie an seine Lippen. Überrascht beobachtete Klara, wie er gleich mehrere große Schlucke trank, ehe er Sascha wieder die Flasche reichte. Vermutlich war das besser als nichts.

Sascha nahm ebenfalls einen Schluck. »Also gut, was soll ich tun?« Er stellte den Whisky weg und wartete auf Befehle.

»Stell dich hinter ihn. Ich zeige dir gleich eine Stelle neben dem Hals, da packst du zu. Mit der anderen Hand fixierst du Johnny zur Sicherheit irgendwie, falls er rumzappelt oder so.«

»Ich zapple sicher nicht rum.« Vorwurfsvoll sah der Verletzte sie an. »Was denkst du denn von mir?«

Dass du ein verdammter Dummkopf bist, weil du ohne Krankenversicherung verreist. »Wir werden sehen. Sicher ist sicher.«

Klara platzierte Saschas Finger an der richtigen Stelle. Dann legte sie eine Hand auf Johnnys äußere Schulter und fühlte erneut nach dem Gelenk. Mit der anderen Hand hob sie seinen ausgestreckten Arm an. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie Ellen sich wegdrehte. Na dann. Klara packte zu. Ein lautes Stöhnen war zu hören und wie Johnny Luft durch die Zähne einsog.

»Das war es noch nicht. Durchhalten, in Ordnung?« Klara zwinkerte ihm zu. Warum tat sie das? Hatte ein Zwinkern je jemandem geholfen? Aber was sollte sie auch sonst tun? Auf seiner Stirn standen Schweißperlen, und er schloss die Augenlider für einen Moment, was Klara als Zustimmung wertete. Sascha wirkte nicht mehr so verbissen wie eben noch, stattdessen war er ein wenig grün um die Nase, während Ellen nur immer wieder über die Schulter linste und »Oh mein Gott, ist das fies«, murmelte.

»Gib mir bitte das Geschirrtuch«, forderte sie ihre Freundin auf.

Ellen reichte ihr das Tuch, und Klara hielt es Johnny vor das Gesicht. »Mund auf.«

»Das brauche ich nicht.«

»Du hast eben schon ordentlich die Zähne aufeinandergebissen, es muss dir jetzt nicht noch ein Zahn abbrechen. Da kann ich dann auch nichts machen. Und Zahnärzte sind ziemlich teuer, also würde ich mir das an deiner Stelle genau überlegen.« Ohne auf seine Zustimmung zu warten, steckte sie ihm den Stoff in den Mund, woraufhin er ein entrüstetes Schnaufen hören ließ. Warum mussten Männer nur immer so tun, als ob sie die härtesten waren? Sascha jedenfalls sah aus, als ob er jeden Moment umkippen würde.

Klara fixierte seinen Blick. »Okay, noch einmal. Halt ihn fest, ja? So richtig. Egal, was passiert.«

Sascha nickte wenig begeistert, und Klara führte den Arm ein zweites Mal nach oben. Die Muskeln auf Johnnys Oberkörper spannten sich bebend an, während ihm der Schweiß über die Stirn rann, und er starrte geradeaus an die Wand. Weiter. Klara ignorierte sein Stöhnen und drehte den Arm, ganz so, wie ihr es ihre Hand an seiner Schulter vorgab. Dann zog sie den Arm nach vorne und drehte weiter. Johnny stöhnte noch lauter auf, biss in das Geschirrtuch, und Klara wagte die entscheidende letzte Drehung. Da war es. Das Geräusch, das den Erfolg verkündete. Sascha hatte Schwierigkeiten, Johnny auf dem Stuhl zu halten, doch schließlich ließ dessen Körperspannung nach, und er spuckte das Tuch aus. Schwer atmend sah er sie an. »War's das? Bist du endlich fertig damit, mich zu quälen?«

»Das heißt Danke. Und ja, das war's. Aber beweg den Arm nicht, ich muss ihn an deinem Körper fixieren.« Sie sah sich suchend um. »Hast du ein größeres Tuch oder etwas anderes, was ich nehmen kann?«

Ellen eilte zum Küchenschrank und kramte darin. Sie zog eine Tischdecke heraus und hielt sie Klara hin. »Die ist eh hässlich und noch von meiner Oma, die kannst du nutzen.«

Rasch griff Klara nach dem Stoff und schnitt ihn mit der Schere in passende Teile.

Zufrieden betrachtete Klara ihr Werk. Sie hatte die Tischdecke mit den lila Blumen fest um Johnnys Arm und Oberkörper geknotet. Für den Moment sollte es so funktionieren, auch wenn es nicht ideal war. Aber jetzt gerade war sie einfach nur erleichtert, dass es überstanden war. »Habt ihr Ibuprofen im Haus?«

»Ja, haben wir.« Ellen nickte.

»Gut, dann soll er das dreimal täglich nehmen. Wie gesagt, wenn es ganz schlimm wird, dann muss er doch ins Krankenhaus.« Nachdenklich sah sie auf Johnny, der in die Tischdecke eingewickelt noch immer auf dem Stuhl in der Mitte der Küche hockte und etwas geschafft wirkte. »Wo schläfst du eigentlich?«

»In meinem Auto.« Er blickte an sich hinab und zupfte mit der freien Hand an dem geblümten Stoff.

»Meinst du den alten Kombi, der vor dem Grundstück an der Straße steht? Der mit dem Surfboard obendrauf?« Klara runzelte die Stirn. Jetzt erst fiel ihr ein, dass sie das Auto auf dem Weg hierher aus den Augenwinkeln wahrgenommen und sich über das Surfbrett gewundert hatte. Nun ergab es allerdings Sinn. In der Tat wirkte Johnny wie ein Surfer, auch wenn sie keine Ahnung hatte, woran ein solcher zu erkennen war. Zu ihrem Patienten passte das Board jedenfalls.

»Ganz genau. Ich habe die Sitze ausgebaut und hinten eine Matratze reingelegt. Es ist nicht luxuriös, doch es funktioniert.«

Klara sah ihn zweifelnd an. »Mit dem Arm aber nicht, du kannst damit nicht auf die Matratze kriechen. Sobald du dich nach vorne beugst, wird es wehtun.« Nein, das ging auf keinen Fall. Ob dieser Kerl es einsah oder nicht, er brauchte Ruhe und ein richtiges Bett. Also wandte sie sich erneut an Ellen. »Das Gästezimmer, in dem Eric gewohnt hat, ist doch ungenutzt. Besser, Johnny schläft erst mal dort.« Auffordernd sah sie zwischen Ellen und Sascha hin und her.

»Ja, natürlich. Ich beziehe schnell das Bett. Es ist zwar nicht frisch geputzt, aber wer in einem Auto pennt, den wird das nicht stören.« Ellen watschelte aus der Küche ins Schlafzimmer, und Klara konnte hören, wie sie den großen Schrank öffnete. Kurz darauf ging sie mit einem Bettbezug unter dem Arm hinauf in den ersten Stock.

»Man sieht dir an, was du denkst«, sagte Klara auf Deutsch leise zu Sascha.

»Dann ist ja gut.« Ohne ein weiteres Wort ging er durch den Eingangsbereich und zur Haustür hinaus.

Als sie wieder zu Johnny sah, musterte er sie unverhohlen. Etwas daran war ihr unangenehm. Sie wich seinem Blick aus und sammelte die restlichen Stücke der zerschnittenen Tischdecke zusammen. »Ich komme morgen nach der Arbeit vorbei und schau mir deinen Arm an. Aber ich glaube, wir können zuversichtlich sein.« So wirklich konnte sie noch nicht fassen, was sich hier in der letzten halben Stunde abgespielt hatte. Der Abend war eindeutig weitaus aufregender geworden als erwartet. Vielleicht etwas zu aufregend.

»Danke. Ich schulde dir was.« Ein wenig zu schnell stand Johnny auf und schwankte leicht.

»Der Whisky wirkt dann jetzt wohl. Pass auf, dass du nicht auch noch fällst.« Lachend brachte Klara die Stofffetzen zum Mülleimer und machte sich in Gedanken eine Notiz für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie noch einmal jemandem einen Arm einrenken musste, damit zu warten, bis der Alkohol seine Wirkung vollständig entfaltete. Der arme Kerl hatte ganz schön was aushalten müssen, und doch schien er bereits wieder bestens gelaunt.

»Es braucht schon etwas mehr, um mich umzuhauen.« Abermals sah Johnny sie mit diesem durchdringenden Blick an. »Nochmals danke.« Dann wandte er sich um und ging die Treppe hinauf Ellen hinterher.

Klara sah sich in der leeren Küche um und zuckte mit den Schultern. »Dann fahre ich jetzt wohl mal heim«, murmelte sie zu sich selbst. Immerhin wartete dieser Krimi noch auf sie. Nach all der Aufregung würde sie heute hoffentlich nicht gleich wieder einschlafen.

   Kapitel 2   

Johnny

Vogelgezwitscher drang durch das gekippte Fenster, und Johnny blinzelte in die Sonnenstrahlen. Gestern Abend war er, ohne sich weiter zu kümmern, wo er sich befand, ins Bett gefallen. Benebelt von Schmerzen und Whisky war er einfach eingeschlafen. Das Zimmer, in dem er lag, war spärlich eingerichtet und mutete dennoch gemütlich an. Es war nicht groß, und die Einrichtung bestand lediglich aus dem Bett, einem Schrank und einem Schreibtisch unter dem Fenster. Alles in allem war es wohl ein passables Gästezimmer und die Matratze immerhin weicher als die in seiner Karre. Das hatte allerdings auch nicht viel genutzt. Er streckte sich und gähnte. Die Schmerzen in seiner Schulter hatten ihn in der Nacht immer wieder geweckt. Eine gemütliche Schlafposition zu finden, war kaum möglich gewesen. Klara hatte recht gehabt, ins Auto hätte er es in diesem Zustand wohl nicht geschafft. Klara. Schmunzelnd rieb er sich über die Augen und dachte an den vergangenen Abend zurück. Wie ein Wirbelwind war sie mit ihren leuchtend roten Haaren ins Haus gestürmt, um ihm zu helfen. Ihre zerknitterte Jogginghose und das Shirt mit dem Fleck auf der Brust hatten ihm verraten, dass sie vermutlich schon im Bett gelegen hatte, als Ellen sie gebeten hatte zu kommen. Die Haare hatte sie in einen unordentlichen Zopf gebunden, doch es war ihr offensichtlich egal gewesen. Trotz seiner Schmerzen hatte er nicht aufhören können, sie anzusehen. Diese roten Haare und die wachen grünen Augen, mit denen sie ihn gemustert hatte, hatten ihn vom ersten Moment an fasziniert. Ohne Frage passte eine Frau wie sie auf eine irische Postkarte. Er sah es geradezu vor sich, wie Klara mit wehenden Haaren in den Highlands stand und in die Kamera lachte. Er kam nicht umhin, sich über sich selbst zu wundern. Wie kam er nur auf solch eine Vorstellung? Es musste an den Schmerzmitteln liegen. Ja, ganz sicher. Und doch wanderten seine Gedanken erneut zu der fremden Frau. Hatte Ellen sie damals nicht hin und wieder erwähnt? War Klara die Freundin aus Kindheitstagen, mit der sie an den Wochenenden stundenlang telefoniert hatte? Ellen. Auch von ihr war er überrascht. Sehr sogar. Zwar hatte er nicht gewusst, was er zu erwarten hatte, als er beschloss, sie zu besuchen, doch sicher nicht, dass sie inzwischen verheiratet und schwanger war. Verheiratet mit diesem Arsch, der ihm den Arm ausgerenkt hatte.

Stöhnend rappelte er sich auf und sah sich erneut in dem Zimmer um. An der Wand neben dem Bett hing eine Zeichnung. Vorsichtig stand er auf und betrachtete das Porträt genauer. Es zeigte ein Kleinkind mit konzentriertem Gesichtsausdruck, wilden Locken und war geradezu faszinierend lebensecht gezeichnet.

Von unten waren Geräusche zu hören. Johnny sah in den Spiegel neben dem Schrank und fand, dass er mit den Augenringen und der scheußlichen Tischdecke einen mehr als bemitleidenswerten Eindruck machte. Rasch fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und versuchte, sie zumindest etwas in Form zu bringen. Die Hose anzubekommen, stellte geradezu eine Herausforderung dar und Johnny schwante, dass die nächsten Tage nicht gerade spaßig werden würden. In seiner Schulter pulsierte es ununterbrochen unangenehm, und sobald er sich nach vorne beugte, nahm der Schmerz schlagartig zu. Wie zum Teufel sollte er so weiterreisen? Nach einem neuerlichen deprimierten Blick in den Spiegel beschloss er, sich zusammenzureißen. Er würde nicht zulassen, dass so eine Kleinigkeit seine Reise verderben würde. Das Schultergelenk war immerhin wieder da, wo es hingehörte, und dieser Umstand hatte ihn dank Klara kein Vermögen gekostet. Das war doch positiv, oder nicht? Und wenn ihn nicht alles täuschte, roch es nach Kaffee. Den konnte er nach der miesen Nacht dringend vertragen. Er öffnete die Tür, ging die Treppe runter und folgte den Geräuschen und dem verheißungsvollen Kaffeeduft in die Küche.

Ellen saß am Tisch und frühstückte. »Herrje. Du siehst nach einer unruhigen Nacht aus.« Sie legte das Brot auf ihren Teller und lächelte.

Neben ihr hockte ein kleiner Junge, der ihn aufmerksam ansah. War das das Kind auf dem Bild in seinem Zimmer? Die gelockten Haare ließen es vermuten. Eilig konzentrierte er sich wieder auf Ellen. »Ja, die Nacht war nicht so angenehm.«

Sie bedeutete ihm, sich zu setzen, und Johnny folgte der Aufforderung nur zu gerne. »Ist das dein Sohn?«

»Ja. Das ist Silas.« Liebevoll fuhr sie über den Schopf des Jungen.

Also wurde Ellen schon zum zweiten Mal Mutter, stellte Johnny beeindruckt fest. Offensichtlich hatte sie keine Zeit verschwendet. »Und wie alt ist der Bursche?« Johnny schnitt dem Kind eine Grimasse, das ihm daraufhin die Zunge rausstreckte und sich königlich darüber amüsierte. Das fröhliche Glucksen tat nach der unruhigen Nacht gut, und Johnny verdrehte gespielt die Augen, was mit einem lauten Lachen belohnt wurde. Der Zwerg war wirklich putzig, stellte er fest. Sogar noch putziger als auf der Zeichnung.

»Silas ist jetzt etwas über zweieinhalb«, erzählte Ellen und schnitt das Brot auf dem Teller ihres Sohnes durch.

Zweieinhalb. Irritiert betrachtete Johnny das Kind.

Ellen räusperte sich und legte das Messer beiseite. »Ich weiß, was dir gerade durch den Kopf spukt, aber es ist nicht so.«

»Und was sollte das sein?« Herausfordernd sah er sie an. Natürlich war ihm klar, was Ellen da andeutete.

»Du fragst dich, ob er von dir ist.«

Johnny lachte auf. »Die Frage stellt sich nicht. Man sieht ihm seinen Vater zweifelsohne an. Aber um ehrlich zu sein, habe ich überlegt, dass es sehr schnell gegangen sein muss mit der Schwangerschaft.«

Ellen sah verlegen auf ihren Teller und er glaubte, gerötete Wangen zu erkennen. »Ja, das war eine Überraschung. Eine schöne Überraschung.«

»Da bin ich mir sicher.« Versöhnlich lächelte er ihr zu. Sie sollte nicht glauben, dass er ihr irgendetwas vorwarf. Das tat er ganz und gar nicht, und es freute ihn, sie hier als Mutter zu sehen. Auch wenn er es nicht erwartet hatte, so war der Anblick schön. Und immerhin schien das Kind wenigstens charakterlich nicht nach seinem Vater zu kommen, der zum Glück nicht mit am Tisch saß. Die miese Nacht hatte Johnnys Meinung zu diesem verfluchten Sascha nicht gerade verbessert.

»Ich hole dir einen Kaffee, den kannst du ganz sicher gebrauchen, so fertig wie du aussiehst. Und dann frühstückst du, damit du deine Schmerzmittel nehmen kannst. Klara hat mir vorhin geschrieben, dass du unbedingt vorher was essen sollst.« Sie stand auf und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen.

»Ich sollte nach dem Frühstück ein paar Sachen aus dem Auto holen. Meinst du, ich könnte es hier parken? Es steht noch immer an der Straße.« Er sah an sich hinab. »Ich kann ja nicht ewig nur in diese Tischdecke gewickelt rumlaufen.«

»Klar, du kannst es gerne vors Haus stellen. Aber ich finde, die Blumen stehen dir ausgezeichnet.« Ellen lachte und stellte die Tasse vor ihn. »Sascha arbeitet nebenan in der Scheune, ich bitte ihn gleich, das Auto vors Haus zu stellen. So kannst du ja nicht mal schalten.«

Stimmt. Das konnte er nicht. Er hatte ja kaum den Hosenknopf zubekommen. Johnny nickte unwillig und griff nach dem Brot.

»Aber jetzt erzähl von der Farm. Wie geht es allen? Wie war die letzte Ernte?« Erwartungsvoll sah Ellen ihn an, während sie ihrem Sohn eine Banane schälte, der sein Brot in beeindruckender Geschwindigkeit verdrückt hatte.

»Die letzte Ernte war gut. Die beste bisher. Es war dadurch aber auch mehr Arbeit als sonst.« Er machte eine kurze Pause. »Zu viel für Dad.« In Gedanken sah er die Farm vor sich, während er ungeschickt mit der linken Hand Butter aufs Brot schmierte.

»Geht es ihm nicht gut?« Ellen klang besorgt.

Er musste es ihr sagen. »Dad hatte einen Schlaganfall. Kein schwerer, dennoch soll er jetzt besser auf sich achten. Keine sechzehn Stunden am Tag mehr arbeiten und alles kontrollieren, du weißt, wie er ist. Aber da ist ja Mum.« Er grinste bei dem Gedanken daran, wie sie ihren Vater zurückpfiff, wenn er zu viel machte. »Sie passt wie ein Schießhund auf, und wir haben zwei Aushilfen eingestellt für die Zeit, in der ich reise. Er erholt sich allmählich.«

»Das tut mir wirklich leid.« Betrübt sah sie ihn an. »Ist das der Grund, warum du dich zu dieser Reise aufgemacht hast?«

»Es war die letzte Möglichkeit, das zu tun. Sobald ich zurück bin, werde ich die Farm endgültig mit allen Pflichten übernehmen, und dann ist das nicht mehr zu schaffen.«

Überrascht sah sie ihn an. »Und dein Vater ist wirklich bereit, die Farm an dich zu übergeben?« Ellen sah fast so perplex aus wie er vor ein paar Monaten, als sein Vater die Übergabe einfach so nebenbei beim Abendessen verkündet hatte. Johnny hatte sich den Moment, an dem sein Vater ihm die Verantwortung für das Land der Familie übertragen würde, immer irgendwie gewichtig vorgestellt. So ein richtiges Gespräch von Mann zu Mann, während sie ein Glas guten Whisky tranken. Aber stattdessen hatte sein Dad es einfach zwischen zwei Bissen Hackbraten verkündet, und Johnny ihn nur ungläubig angestarrt. »Dad sagt, es sei an der Zeit, dass die nächste Generation das Ruder übernimmt. Ich glaube, der Schlaganfall war ein deutliches Zeichen. Und um ehrlich zu sein«, er lächelte ihr zu, »freue ich mich darauf, endlich selbst alles zu organisieren. Ich habe mich lange genug von meinem alten Herrn durch die Gegend scheuchen lassen.«

»Oh ja, mir hat er auch keine ruhige Minute gegönnt.« Mit einem Lappen wischte sie die Hände ihres Sohnes sauber und half ihm vom Stuhl. Kreischend rannte der Junge ins Wohnzimmer, und wenig später war das Klackern einer Murmelbahn zu hören.

Ellen begann, den Tisch abzuräumen. »Dann herzlichen Glückwunsch zu deiner eigenen Farm. Und noch mal wegen gestern: Es tut mir leid. Sascha sicher auch. Es war ein dummes Missverständnis.«

»Um ehrlich zu sein, überrascht es mich schon.«

»Was?« Sie sah von der Spülmaschine zu ihm rüber.

»Na, dass du dir ausgerechnet diesen Kerl als Mann ausgesucht hast.«