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Über zwanzig Jahre wohnte Marlene Maywald mit ihren beiden jüngsten Kindern als alleinerziehende Mutter in einem kleinen Dorf in Schleswig Holstein, nachdem sie nach der Wende ihre kleine Heimatstadt in Sachsen verlassen hatte und arbeitete in einer eigenen kleinen Praxis für Med. Fußpflege und Kosmetik. Eines Tages muss sie die angemieteten Räume verlassen, der Vermieter hat auf Eigenbedarf geklagt und Marlene von heute auf morgen vor die Tür gesetzt. Da entscheidet sich Marlene in ihre alte Heimatstadt Bergau in Sachsen zurück zu gehen. Noch während ihrer Umzugspläne mietet sie einen kleinen Garten am See. Dort lernt sie Jacob Karsten als netten Gartennachbarn kennen. Jacob hilft Marlene in ihrem Garten und hat bald ein Auge auf sie geworfen. Es gelingt ihm, dass Vertrauen Marlenes zu gewinnen und sie lässt sich darauf ein. Er schafft es, Marlene zu beeinflussen und zu überreden, bis sie ihm zubilligt vorübergehend bei ihr zu wohnen. Zu spät merkt sie, dass Jacob nicht ehrlich ist. Aus dem netten Gartennachbarn entwickelt sich auf einmal ein Monster. Er misshandelt und stalkt Marlene, ... ein Wettlauf gegen die Angst und eine wenig arrangierte Justiz beginnt.
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Seitenzahl: 425
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Margarithe W. Mann
Stalking
... ein Opfer erzählt
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Wie alles begann
Fatale Folgen
Zu spät
Es ist noch nicht zu Ende
Impressum neobooks
Margarithe W. Mann
Stalking
Ein Opfer erzählt ( überarbeitete 2. Auflage)
Ein Justizkrimi nach einer wahren Begebenheit
Spannend erzählt
Stalking, ... was ist das eigentlich?. Stalking aus dem Englischen übersetzt bedeutet so viel wie Nachstellen, ... im weiteren Sinne auch das ständige Auflauern, bzw. Nachlaufen einer Zielperson. Ja, ... nun gut, ... hört man es des Öfteren sagen, ... dann lass` ihn doch, oder seltener auch sie, wenn sie Spaß daran haben, die auserkorene Person zu beobachten, ihr gegebenenfalls nachzulaufen und damit deutlich zu machen, dass ein Verzicht auf diese unmöglich scheint. Mehrfach wird scherzhaft geäußert: Du hast ja einen hartnäckigen Verehrer. So amüsant wie sich das Ganze oft darstellt ist es aber meistens nicht, ... im Gegenteil. Wenn die betroffene Person, der nachgestellt wird, dem Aufdringling unmissverständlich zu verstehen gibt, dass sie das nicht wünscht und der Verfolger dennoch nicht nachlässt, sein auserwähltes Objekt zu bedrängen, dann spricht man von Stalking. Es entsteht eine Täter – Opfersituation, die eskalieren und für das Opfer gefährlich, manchmal sogar lebensbedrohlich werden kann. Das Thema Stalking ist also auf keinen Fall eine Sache, die man am „Rande“ diskutieren sollte. Für den Betroffenen ist es immer ratsam, nachdem er seinem Verfolger unmissverständlich verdeutlicht hat, dass er den Kontakt nicht oder nicht mehr wünscht, die Familie und den Freundeskreis über diese Situation zu informieren. Tut man es nicht, versucht der Stalker fast immer das Umfeld seines Opfers zu beeinflussen und auch zu manipulieren, indem er sich nicht selten selber als Opfer darstellt und dabei fast immer einen glaubwürdigen Eindruck hinterlässt, während dadurch dem Opfer ein schlechtes Gewissen suggeriert wird. Auf keinen Fall sollte man auf den Stalker reagieren, egal ob das Anrufe, Briefe oder E-Mails sind, denn er akzeptiert kein Nein, sondern wertet es als Reaktion des Opfers, ... und genau das will er erreichen. Ignorieren Sie deshalb diese Dinge, auch wenn Sie sich noch so sehr darüber ärgern und aufregen. Dokumentieren Sie aber alle Versuche des Stalkers, die er unternimmt, um sich Ihnen zu nähern oder Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Heben Sie die Briefe auf, notieren Sie, wann Sie diese bekommen haben, schreiben Sie Datum und Uhrzeit auf, an denen Ihr Verfolger Ihnen aufgelauert hat. ( z.B. Im Nahbereich Ihrer Wohnung oder der Arbeitsstelle ). Suchen Sie nach Zeugen aller Begebenheiten. Ein Anrufbeantworter ist günstig und liefert Beweismaterial, welches für ein striktes Vorgehen immer vorteilhaft ist. Sehr häufig hatten Stalker eine vorangegangene Beziehung zum Opfer und verstehen dessen Abbruch nicht. Nicht selten wird das Opfer sogar massiv bedroht. Scheuen Sie sich nicht bei Stalking, ... und das erst recht bei daraus resultierenden Bedrohungen, Hilfe bei einem Rechtsanwalt zu suchen und auch Hilfe unter der Notrufnummer 110 der Polizei in Anspruch zu nehmen. Schreien Sie laut, wenn Sie in Bedrängnis geraten. Natürlich ist es fraglich, ob Ihnen auch jemand zur Hilfe kommt. Versuchen Sie es wenigstens, wenn Sie still sind, dann kann Sie erst recht niemand wahrnehmen. Für ein erhöhtes Sicherheitsgefühl sorgt ein akustisches Alarmgerät, es macht andere Personen auf die Situation aufmerksam. Der Rechtsanwalt, ... oder Anwältin kann eine gerichtliche Verfügung veranlassen, in die der Stalker zur Unterlassung seiner Aktivitäten gegen seine Zielperson aufgefordert wird. Tut er es dennoch nicht, stellt es einen Verstoß gegen die erfolgte Anordnung seinerseits dar und es können daraufhin weitere Maßnahmen erfolgen.
Die nachfolgende Geschichte eines Opfers, welches misshandelt und anschließend gestalkt wurde, beruht auf einer wahren Begebenheit. Sie wurde mit dessen Genehmigung zu Papier gebracht. Die Erzählung der betroffenen Person zeigt auf, dass die Gesetzgebung unseres Staates das sogenannte Stalking zwar unter Strafe und dessen Verfolgung gestellt hat, aber dass die Realität oft etwas anders aufweist, bzw., dass es häufig schwer ist, dem Täter sein Vergehen nachzuweisen. Der Grund dafür ist, dass nicht nur die häusliche Gewalt, sondern eben auch das Stalking, welches der Täter auf seine Zielperson ausübt, oft äußerst geschickt vorgenommen wird. Nicht nur bei der häuslichen Gewalt zählen neben körperlichen Übergriffen auf das Opfer auch Demütigungen, Drohungen, Nötigungen und Beleidigungen, die ebenfalls Misshandlungen, wenn auch psychischer Art darstellen.
Sehr häufig sind die Spuren körperlicher Misshandlungen, die dem Opfer beigebracht werden nicht gleich deutlich zu erkennen. Es gibt Peiniger, die ihr Opfer nur dann angehen, wenn sie sich mit ihm alleine wähnen. Sie quälen ihr Opfer unter anderem körperlich, indem sie dessen Gliedmaßen, z.B. die Arme verdrehen, weil das auf Anhieb keine äußeren Spuren hinterlässt. Sie nötigen und demütigen die von ihnen auserkorene Person bis zu dessen psychischen Zusammenbruch. Die, seltener auch der Geschädigte, hat keine Zeugen und kann dem zur Folge nicht beweisen, was ihr (oder ihm ) für Drangsalierungen widerfahren sind, oder auch immer wieder aufs Neue widerfahren. Die Zielperson weiß nicht, wie sie sich dem entziehen soll, bzw. wie sie es beweisen soll, dass sie permanent oft auf das Schärfste beleidigt gequält, genötigt, bedroht und verfolgt wird. Solche Opfer sollten bei Familienmitgliedern oder Freunden eine Art Notfalltasche deponieren, in der sich neben Kleidungsstücken auch die wichtigsten Papiere und Unterlagen befinden.
Ich bezeichne es als ein Unding, dass laut Strafgesetzbuch Misshandlungen und genannte Dinge, oft einem geringeren Strafmaß zugeordnet werden, wenn man dem Täter seine Unzurechnungsfähigkeit unter Alkoholeinfluss bescheinigt. So etwas darf nicht sein und muss genauso geahndet werden, wie ein Vergehen im nüchternen Zustand. Wenn nun jemand die Äußerung zur Debatte stellt: Alkoholismus ist eine anerkannte Krankheit, so meine ich: Ja, das ist sicher richtig, aber ausnahmslos jeder, der selber gegen dieses Übel etwas tun möchte, dem stehen alle Wege dafür offen. Er kann sich in eine Klinik einweisen und behandeln lassen, denn das wird von der Krankenkasse übernommen. Ich möchte mich sogar soweit aus dem Fenster lehnen und sagen, dass man damit solche Menschen, die ihre Verbrechen, gleich welcher Art, unter Alkoholgenuss auf das Opfer ausgeübt haben, und man ihnen möglicher Weise auf Grund dessen eine geringere Strafe auferlegt, dass man diese Leute unter einen gewissen „Naturschutz stellt“. Sie dürfen einer gerechten Strafe nicht entgehen, erst recht nicht, wenn sie sich gegen einen vorgeschlagenen Entzug zur Wehr setzen!.
Man sollte bei begangenen Straftaten auch nicht, wie es oft praktiziert wird, eine schlechte Kindheit des Peinigers vorschieben. Das ist zwar sicher für den Täter schrecklich gewesen und keine gute Grundlage für sein nachfolgendes Leben, aber es berechtigt ihn trotzdem nicht, sich alsdann an anderen Menschen zu vergehen.
Dennoch sollte man nicht zögern, im Notfall die Polizei zu alarmieren und seinen Despoten anzeigen. Diese Anzeige, die einerseits in jedem Falle erfolgen sollte, führt aber auf der anderen Seite nur dann zum Erfolg, das heißt, zur Ergreifung des Schänders, wenn ihm dessen Untaten auch zweifelsfrei nachgewiesen werden können. - Wäre es deshalb nicht richtig, dass die Justiz diejenige Stelle sein müsste, die diese genannten Verbrechen nachweist, … und nicht das Opfer, welches ohnehin schon genug gelitten hat und zu dem man oft sagt: Wenn Sie nichts beweisen können, dann kann man auch nicht viel machen?. Nicht jeder, der körperlich oder seelisch misshandelt wurde ist in der Lage, allein damit fertig zu werden. Zu allem Übel ist es für den Geschädigten auch noch so, dass er auf einen dringend notwendigen Beginn einer psychologischen Behandlung oft ein Jahr warten muss. Sollte man für diese Opfer nicht ein wenig mehr tun?. Es gibt Lügendedektoren, die man gegebenenfalls bei der Ermittlung einsetzen könnte. Diverse Blutanalysen und auch DNA- Abgleiche würden dabei helfen, den Täter zu überführen. Natürlich ist das teuer, aber ich meine, es gibt so viele andere Dinge, wo man Geld einsparen könnte. Ein betroffenes Opfer hat von einem DNA- Abgleich nichts mehr, wenn es den Übergriff seines Thyrannen nicht überlebt hat, denn leider ist auch das ist nicht unbedingt eine Seltenheit. Man sollte gleichfalls der Polizei mehr Handlungsfreiheit bei derartigen Vorkommnissen einräumen. Wäre es nicht endlich an der Zeit, die Gesetze zu Gunsten der Opfer zu ändern und festzulegen?. Niemand!, aber auch gar niemand, weder ein Anwalt, ein Arzt oder sonst jemand, kann es sich vorstellen, wie das ist, ein Opfer häuslicher Gewalt oder Stalking geworden zu sein. Wie sich das anfühlt, das kann nur derjenige nachvollziehen, der selber davon betroffen war oder ist. Selbst dann, wenn der Täter überführt und festgenommen werden konnte und man gesagt bekommt: Es ist jetzt gut, alles ist vorbei, … für ein Opfer ist es nie vorbei. Physisch beigebrachte Wunden mögen irgendwann ausheilen, aber in jeder Seele bleibt eine Narbe zurück, die schmerzhaft daran erinnert was geschah.
Ich appelliere an die Menschen, die zum Zeugen ausgeübter Gewalttaten und Stalking geworden sind: Schauen Sie nicht weg!. Sagen Sie nicht, ich habe es zwar gesehen, aber ich möchte mich nicht einmischen, … nein!, … helfen Sie durch Ihre Aussage, dem Übel ein Ende zu setzen und den Täter zu überführen, damit er seiner gerechten Strafe nicht entgeht!. Die Personen, die vorgeben ein Opfer zu sein, warum auch immer, aber es in Wirklichkeit gar nicht sind, weil sie jemanden „Eine Auswischen wollen“, die sollten einmal genau darüber nachdenken was sie damit anrichten, … und es sollten noch viel mehr Opfer ihre Geschichte erzählen, um dadurch beizutragen damit sich endlich etwas ändert!.
Die Namen der vorkommenden Personen sind frei
erfunden, die Ortschaften der betreffenden Handlungen
wurden willkürlich ausgewählt und stehen in keinem Zusammenhang der Geschehnisse. Übereinstimmungen wären rein zufällig
Seit meiner Kindheit wohne ich in einem kleinen Städtchen Sachsens, in der Nähe von Dresden. Hier bin ich zur Schule gegangen, habe später meinen Beruf erlernt und bin Gartenbauingenieurin geworden. Irgendwann habe ich geheiratet und zwei Kinder bekommen, ein Junge und ein Mädchen, beide sind noch zu Zeiten der DDR geboren. Im letzten Jahr ging nach meiner Tochter auch mein Sohn aus dem Haus. Es ist der Lauf der Welt, aber trotzdem war es eine Umstellung für mich, jetzt bin ich allein. Mein Mann ist vor ein paar Jahren durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Seither habe ich angefangen, in meiner freien Zeit nicht nur meinen Garten als Hobby zu betrachten, sondern ich habe damit begonnen Bücher zu schreiben.
Nun bin ich gerade beim Wohnungswechsel, für mich genügt jetzt eine kleine Zwei – Zimmerwohnung mit Balkon am Rande meiner kleinen Heimatstadt Bergau. Mein Garten befindet sich in unmittelbarer Nähe, ... den konnte ich behalten, weil ich innerhalb meiner Stadt nur um ein paar Straßen weiter in Richtung Bahnhof gezogen bin und meine große Wohnung gegen dieses kleine Domizil tauschen konnte. Meinen Umzug bewältige ich allein, ... bis auf das Aufstellen der Möbel. Ich habe mir neue Schränke gekauft und durch die Firma, die sie geliefert hat gleich aufbauen lassen. Für den Rest, also für ein paar Kleinigkeiten und meinen persönlichen Kram leistet mir mein Pick- up gute Dienste. Noch stehen überall in meiner Wohnung Kartons umher, die ich aber je nach Inhalt entsprechend sortiert und beschriftet habe, damit ich meine verpackten Habseligkeiten schneller wiederfinden kann. Während ich die letzte Kiste in mein neues, zukünftiges Zuhause schleppen will, nehme ich mir vor, für heute Feierabend zu machen. Auch die Lampen wurden bereits angebracht, nur die Fenster sehen noch ein wenig unbekleidet aus, wenn ich es so formulieren kann. Na, ja, bis morgen hänge ich eben eine Decke davor, die tut es, bis ich die Klemmrollos angeschraubt habe. Ich schließe mein Auto ab, schnappe die letzte Kiste, die ich dazu kurz auf dem Bürgersteig abgestellt hatte und freue mich auf ein heißes Bad. Wir haben bereits Mitte Oktober und es ist am Abend schon empfindlich kühl. Ich lasse mir Wasser ein und zerre aus einem Karton ein Handtuch, sowie ein paar Utensilien für das Badezimmer hervor. Es duftet angenehm würzig nach Fichtennadelbadezusatz. Während das Wasser einläuft und dabei dieses einladende Geräusch preisgibt, klingelt irgendwo mein Handy. Fast überhöre ich das Klingeln, ich drehe das Wasser wieder ab. Wo habe ich mein Telefon bloß hingelegt?, ... ach hier ist es, auf dem Fensterbrett in der Küche. Das Display leuchtet auf und zeigt eine mir unbekannte Nummer an. „Ja, ... hallo?, ... Susanne Werther am Apparat, ... wer ist denn da bitte?, mit wem spreche ich?“. „Ich bin es, ... Marlene“, antwortet die Stimme am anderen Ende. „Marli?, ... du?, na endlich meldest du dich bei mir, ich habe mir schon Sorgen gemacht“. „Hallo, grüß` dich Susanne, ... ja, ich bin` s Marlene“. „Mensch, Marli, ich habe ja schon ewig nichts mehr von dir gehört, ... wie geht es dir?, ... wo bist du gerade?“. „Du wirst es mir nicht glauben Susi, ... aber ich bin hier, ... hier in der Stadt!“. „Das ist aber schön, dass du mal wieder da bist, wie lange bleibst du denn hier ?, wie lange hast du diesmal Urlaub?“. „Ich bin für immer da Susi, ich bin zurück aus Schleswig Holstein, ... ich wohne jetzt wieder hier“. „Waaaas?, ... das gibt es doch nicht, wie lange bist du denn schon wieder da?“. „Susi, du, ich traue mich fast nicht, es dir zu sagen, ... eine halbe Ewigkeit schon“. „Na sag` mal, ... und da meldest du dich nicht einmal bei mir?, ... ich habe so oft versucht dich anzurufen, aber ich konnte dich unter deiner Nummer nicht erreichen, ... was ist denn los?“. „Du konntest mich auch nicht erreichen Susanne, ... ich habe schon eine Weile eine neue Telefonnummer“. „Sag` mir, was ist los Marlene?, geht es dir gut?, ... ist etwas passiert?“. „Na,ja, Susi, ... wenn ich ehrlich sein soll, … es ging mir schon besser, … und du, was machst du?“. „Ich bin gerade umgezogen, allerdings nur ein paar Straßen weiter, … aber sag` mir lieber wo du gerade steckst, … wo wohnst du denn jetzt?“. „In der Nähe vom Bahnhof habe ich eine Wohnung bekommen, … in der Friedensstraße, ziemlich weit vorne , Nr.10“. „Marli, das gibt es doch wohl nicht, ich bin jetzt in die Gartenstraße gezogen, das ist ja fast um die Ecke, wie man sagt. Du bist schon so lange hier und auch noch in der Nähe, … und trotzdem haben wir uns nicht gesehen?. Die Kantstraße, wo ich vorher gewohnt habe ist ja auch nicht weit von der Friedensstraße entfernt“. „Ja, Susi, das stimmt schon, aber ich bin in letzter Zeit nicht sehr oft aus dem Haus gewesen“. „Was ist denn nur los Marli?, irgend etwas stimmt doch nicht, kann ich dir helfen?, … oder willst du reden?“. „Ja, ... gern, ... aber ich kann dir das alles nicht in ein paar Minuten erklären“. „Wollen wir uns treffen?, ganz so spät ist ja noch nicht, … soll ich zu dir kommen Marli?“. „Ja, das wäre schön, … wenn du Zeit für mich hast, ... immerhin bin ich diejenige, die sich so lange nicht gemeldet hat“. „Das ist doch keine Frage Marli, ich ziehe mir nur etwas über und komme vorbei, dann reden wir, … und wir haben uns ja auch lange nicht mehr gesehen. In der Nr. 10, in der Friedensstraße wohnst du, sagtest du vorhin?“. „Ja, das ist richtig, es ist schön Susi, dass du kommst, ich freue mich“. -
Klar hatte ich Zeit für Marlene, sie ist meine beste Freundin, wir sind schon während der Schulzeit durch Dick und Dünn gegangen und haben als junge Mädchen viel Zeit miteinander verbracht. Wir wurden im Sommer des selben Jahres, jeweils mit unserem ersten Kind Mutter und trafen uns nicht nur regelmäßig mit unserem Nachwuchs bei der Mütterberatung, die es als prima Einrichtung bei uns in der DDR gab. Dann ging Marlenes Ehe schief, sie zog eines Tages zu ihrem neuen Partner nach Wandelsand in Schleswig Holstein und heiratete noch einmal. Leider hatte sie mit ihrem neuen Mann auch kein Glück und litt sehr unter dessen Alkoholabusus. Ich vermisste sie sehr, es fiel mir schwer zu akzeptieren, dass sie aus ihrer Heimat fort ging. Natürlich ist unser Kontakt nie abgerissen, wir besuchten uns gegenseitig, schrieben uns und als es dann die Handys gab telefonierten wir auch regelmäßig miteinander. Es war das erste Mal, dass ich so lange Zeit nichts von Marlene gehört hatte, alle Versuche, sie telefonisch zu erreichen schlugen fehl. Nun war sie unerwartet am Ende der anderen Leitung und ich hatte das sichere Gefühl, es ist etwas nicht in Ordnung. Ich kenne Marlene schon ein halbes Leben lang und spüre genau wenn etwas nicht stimmt. Ich verschiebe also mein geplantes heißes Bad und krame in der Küche in einem Karton, von dem ich weiß, dass ich dort noch eine Flasche Rotwein finden würde. Ich ziehe meine Jacke an und mache mich auf den Weg. Ich lasse mein Auto stehen und gehe zu Fuß, es ist nicht weit von der Gartenstraße bis in die Friedensstraße, höchstens eine viertel Stunde werde ich für diese kurze Strecke benötigen. Auf dem Weg zu meiner Freundin überlege ich mir, was mit Marli nicht in Ordnung sein könnte. Normaler Weise hätte sie zu mir gesagt, als ich sie fragte, ob ich vorbei kommen soll: Nee, nee lass` mal, ich habe es genauso weit wie du, ich komme zu dir!. Aber so ruhig, wie sie gerade am Telefon war kenne ich sie nicht. Meine Freundin war immer lebhaft, aufgeschlossen und fröhlich. Es gab für sie nichts und niemanden, von dem sie sich hätte unterkriegen lassen, obwohl sie vom Leben nicht gerade gestreichelt wurde. Man kann durchaus sagen, dass es ihr oft übel mitgespielt hat. Marli ist ein Mensch auf den man sich immer verlassen konnte, eben jemand mit dem man Pferde stehlen kann. Sie war immer für mich da, besonders in der schweren Zeit damals, als mein Mann Daniel eines Tages von der Arbeit nicht mehr nach Hause kam. Ein betrunkener LKW – Fahrer hatte ihm die Vorfahrt genommen, … Daniel hatte keine Chance, sieben Jahre ist das jetzt her, … . Aber nun hört sich Marli so ungewöhnlich still an, so, als ob sie irgendetwas bedrückt, … es muss irgend etwas passiert sein was sie aus der Bahn geworfen hat, anders kann ich es mir nicht vorstellen, … es ist nicht Marlenes Art, sich einfach nicht zu melden. Nach ein paar Minuten erreiche ich Marlenes neue Wohnung und suche ihren Namen auf dem Klingelschild. Ach hier im Erdgeschoss wohnt sie, genau wie ich, denke ich bei mir und läute bei M. Maywald. Kurz darauf ertönt durch die Sprechanlage ein zögerliches. „Ja?, … wer ist da bitte?”. „Ich bin es, Susanne“. Der Summer der Sprechanlage ertönt und gleichzeitig öffnet sich die Haustür. Ich schalte das Licht im Hausflur an und stehe im nächsten Augenblick vor Marlenes Wohnungstür. Nach einem Moment, und erst als ich noch einmal direkt an ihrer Tür klingele, wird diese sehr vorsichtig von ihr einen Spalt breit aufgemacht, so als ob sie sich erst noch einmal davon überzeugen müsse, dass wirklich ich es bin, die da vor ihrer Tür steht. „Schön, dass du da bist Susanne, bitte komm` herein“. Gleichzeitig schiebt sich ein schwarzes Etwas zwischen uns, ein mittelgroßer Mischlingshund. Ich werde von ihm schwanzwedelnd begrüßt, so als ob er mich schon ewig kennt. Ich erwidere die Umarmung meiner langjährigen Freundin, die im nächsten Augenblick die Tür schnell wieder schließt und auch gleich den Schlüssel im Schloss umdreht. „Was ist denn nur los, Marli, so kenne ich dich doch gar nicht, sag` mal, das ist ja gerade so, als ob du vor irgendetwas Angst hättest?“. Sie schaut mich mit großen Augen an und ich weiß sofort: Ich habe den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich ziehe meine Schuhe aus und nehme den Rotwein aus meiner Tasche. Wir gehen in ihre winzige, aber gemütliche Stube. „Nun sag schon, Marlene, du hast doch Angst?, wovor denn?, ich habe es gleich gemerkt, als du die Tür aufgemacht hast!, … stimmt` s oder habe ich recht?,“. Sie holt zwei Weingläser und wir setzen uns auf das Sofa hinter dem kleinen Couchtisch. „Ja, du hast recht Susi, ich habe Angst und es geht mir auch nicht besonders gut“. „Menschenskind, Marli, jetzt sag` mir bitte, wie viel lange Jahre kennen wir uns mittlerer Weile schon?, … nun lass` dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen und rede endlich!, was ist denn?, …“. Ein paar Tränen kullern aus den großen dunklen, sonst so fröhlichen Augen meiner Freundin. „Susanne, … ich, ich, … ich wurde misshandelt und gestalkt“, würgt sie endlich hervor. „Was?!, wie bitte?, was sagst du da?“. Ich glaubte nicht richtig verstanden zu haben. „Das kann doch wohl nicht wahr sein!, warum hast du mich denn nicht längst angerufen Marli und mir das nicht schon eher einmal erzählt?, … wir sind doch Freundinnen?, … oder nicht?, … und dein Hund?, reagiert er denn nicht, wenn du angegriffen wirst?“. Sie wischt sich die Augen aus und schnäuzt ausgiebig in ihr Taschentuch, so als ob es ihr helfen würde, dadurch eine Art Befreiung zu erlangen und damit ihre Fassung zurück zu bekommen. „Du hast ja recht Susanne und es tut mir auch leid, … und ganz sicher bist du auch meine beste Freundin, aber ich habe gedacht, ich würde allein damit fertig werden und ich wollte es dir erzählen wenn alles vorbei ist. Aber dann, … ich hätte doch niemals geglaubt, was solche Dinge nach sich ziehen, … und dass es noch immer nicht vorbei ist, ich habe zwar zur Zeit Ruhe vor ihm, aber die Angst, die vergeht einfach nicht, na ja und mein Hund, … der hatte selber Angst, der bellt doch nicht einmal wenn es klingelt, er rennt auch gleich zu jedem hin“. „Sag` mal, wie ist das denn überhaupt dazu gekommen?, was ist das denn für ein Mistkerl?, hast du ihn nicht angezeigt?“. „Ja, klar habe ich ihn angezeigt, aber gebracht hat es mir letzten Endes nicht viel, ... um nicht zu sagen gar nichts!“. „Meine Güte, Marli, das ist ja dann wohl doch die Krönung in deinem Leben“. „Das kann man durchaus so sagen Susi, aber ich gehöre dafür zu den Menschen, die nichts in ihrem Leben ausgelassen haben“. Ein gewolltes, aber verzerrt,gequältes Lächeln huscht flüchtig über schmales Gesicht. „So kann man das natürlich auch bezeichnen, das ist wohl war, es ist dir nichts, aber auch gar nichts erspart geblieben. Aber nun erzähle mir endlich alles der Reihe nach, wer ist dieser Kerl?, was ist passiert?, warst du etwa wegen ihm zurück gekommen oder hängt es mit dem Verlust Deiner Praxis zusammen?, … du solltest sie doch räumen so viel ich weiß, weil der Vermieter auf Eigenbedarf geklagt hatte?“. Langsam findet meine Freundin wieder zu sich selber und beginnt zu erzählen. „Ja, ich habe mich entschlossen wieder in die Heimat zu kommen, weil ich die Praxis aufgeben musste, wegen Eigenbedarfsanspruch des Vermieters, mit dem ich nach meiner Scheidung erst kurz zusammen gewesen bin wie du weißt. Die Wohnung, die dazu gehörte habe ich auf meine Kosten renoviert und auch in die Praxis viel Geld investiert, auch für Dinge, die Aufgabe des Vermieters sind. Natürlich bin ich zu gutgläubig gewesen und habe keinen Vertrag gemacht gehabt mit diesem Herrn Scheffelmeier, also durfte ich mit leeren Händen wieder gehen. Ein erneuter Zuschuss oder ein kleines Darlehen, dessen Rückzahlung ich in Raten angeboten habe, wurde mir verwehrt. Ich wollte dann eben auf mobiler Basis weitermachen, aber ich habe nichts bekommen vom Staat, man braucht anscheinend keine Fachkräfte in und aus dem eigenen Land. Finanzielle Rücklagen als Alleinerziehende hat man nicht, also was bleibt übrig?, … Hartz IV, wenn man nicht mehr zwanzig ist, … ein wirklich prima Gefühl ist das“, beginnt sich Marlene in Rage zu reden. „Na ganz toll“ , meine ich zu ihr und frage: „Hast du denn dann wenigstens einen Teil des vielen Geldes zurückbekommen, was du jahrzehntelang für deinen geschiedenen Mann hingeblättert hast?, Du hattest doch geklagt über einen Rechtsanwalt?“. „Ach, geh mir bloß los, nichts habe ich bekommen, keinen Cent. Ich hatte es eingeklagt, freilich, schließlich waren es wie Du weißt einige Tausender in zweistelliger Höhe. Vier Anwälte hatte ich deshalb konsultiert, bei jedem von ihnen habe ich bloß eine nicht gerade kleine Gebühr bezahlt mit der Auskunft, dass eine Klage keinen Erfolg hätte. Von einem Anwalt habe ich sogar die Antwort bekommen: „Sie hätten ihn ja nicht zu heiraten brauchen!“. Der Gipfel war ein Anwalt, der für knapp fünfzehn Minuten Gespräch, während dem er auch noch mehrmals telefonierte, hundertfünfzig Euro von mir kassiert hat, ohne mit der Wimper zu zucken. Ein einziger Anwalt hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich auf Grund meiner finanziellen Lage Prozesskostenhilfe beantragen kann. Er hat es sogar erreicht, dass mein geschiedener Mann wenigstens einen Teil an mich zurückzahlen muss und ein Urteil zur Vollstreckung erwirkt, ...“ . „Ja, … und weiter?“. „Das will ich dir sagen, der sogenannte Drittschuldner war sein Betrieb, der mir dann mitteilte, dass der Herr Maywald außer mir noch weitere Gläubiger zu bedienen habe und ich quasi warten müsse, bis ich irgendwann an der Reihe bin, und das könnte noch eine Zeit dauern!“. „Na und jetzt?“ . „Auch das will ich dir sagen, vor kurzem habe ich die Mitteilung erhalten, dass der liebe Herr Maywald verstorben ist, … woran brauche ich dir ja nicht zu sagen, … tot gesoffen hat er sich eben!, entschuldige, aber anders kann ich es nicht bezeichnen!“. „Ach du liebe Zeit, na prima Marli, wirklich wahr, mehr kann ich nicht dazu sagen“. „Nee, Susi, … ich auch nicht, erst leiden wir, meine Kinder und ich ewige Zeiten unter dem Alkoholmissbrauch meines Mannes, dann darf ich die ganzen Schulden begleichen, die dadurch entstanden sind. Ich baue mir dann aus dem Nichts meine Med. Fußpflegepraxis mit Kosmetik auf. Als ich alle Schulden des Herrn Maywald in Raten abgezahlt hatte, das war vor zwei Jahren im März, da dachte ich, jetzt bleibt endlich das Geld, welches ich jeden Monat zur Schuldentilgung abgedrückt habe für mich übrig. Ja, denkst`e, einen Monat später im April ist die Praxis weg. Das alles war Grund genug, mich dazu zu entschließen, wieder in die Heimat zu kommen, … und was ist?, … ich tappe in die nächste Falle“.
Einfach unglaublich, was mir meine Freundin Marli da berichtete, … aber noch unglaublicher sollte das sein, was sie mir eine Nacht lang erzählte:
„Ich begann also im Sommer 2011 meine Praxis schweren Herzens in Schleswig Holstein aufzulösen und mich gleichzeitig in der alten Heimat nach Wohnraum umzusehen. Ich hegte die Hoffnung, eventuell in meinem Beruf vielleicht doch noch einmal Arbeit zu finden, auch wenn es nur ein paar Stunden sein würden. Ich bin nicht mehr jung genug, um es noch einmal mit Selbständigkeit zu versuchen, nein das ist zu spät, das schaffe ich nicht mehr. Du weißt selber, mit knapp sechzig ist der Zug in diese Richtung dann doch abgefahren. Auf dem Weg zum Wohnungsamt begegnete mir Gisela, eine Schulkameradin und Freundin aus der Teenyzeit. Wir hatten uns ewig nicht mehr gesehen. Wir gingen in das Kaffeehaus am Markt und kramten Erinnerungen aus. Als ich ihr von meiner geplanten Rückkehr nach Bergau erzählte und dabei den Wunsch äußerte, dass es schön wäre, wenn ich auch wieder einen Garten irgendwo bekommen könnte, meinte sie, dass sie mir in dieser Beziehung helfen könne. Allerdings wäre es ein Pachtgarten der Stadt und ich müsse mich bei der Liegenschaftsabteilung melden, weil dort auch immer hinterlegt ist, wieviel Ablösegebühr der jeweilige Besitzer bei dessen Abgabe haben möchte. Also ging ich zuerst zum Wohnungsamt,stellte einen entsprechenden Antrag und machte mich anschließend gleich auf den Weg zur Stadtverwaltung. Ich hatte Glück, der Garten war noch nicht vergeben und ich konnte vor meiner vorläufigen Heimfahrt nach Wandelsand noch schauen wo der Garten ist und dann Bescheid sagen, ob ich diesen pachten möchte oder nicht. So machte ich es auch, der Garten befindet sich in einer schönen Lage am Stadtrand, eine kleine Holzhütte steht darauf und er ist sogar eingezäunt. Ein Stückchen hinter dem Zaun ist ein See, hinter diesem See sieht man ebenfalls Gartenanlagen. Natürlich wollte ich diesen Garten haben, auch wenn ich nicht alles sehen konnte, weil ich ja noch keinen Schlüssel hatte. Verwildert war er, deshalb war die Ablösegebühr so niedrig. Aber Du weißt, ich bin schon mit ganz anderen Wüsten fertig geworden und ich habe mich gefreut, auch für meinen Hund Betty, dass es geklappt hatte. Ich rief also wie vereinbart die Stadtverwaltung zurück und bestätigte die Übernahme des Gartens. Es wurde so abgemacht, dass ich, wenn ich im Oktober wieder hier sein würde, die Pachtgebühr entrichte und im gleichen Zuge den Gartenschlüssel ausgehändigt bekomme“, berichtete meine Freundin und fuhr fort: „Im Oktober 2011 fahre ich wie geplant mit Betty in meinen neuen Garten, der gewünschte Wohnungswechsel wurde für das Jahr 2012 geplant. Eigentlich sucht man sich wohl erst eine Wohnung und dann den passenden Garten, aber wie du siehst, ist es bei mir gerade umgekehrt gewesen ...”.