9,99 €
STAR GATE – das Original: Die 7. Kompilation
Wilfried A. Hary (Hrsg.): „Die Bände 61 bis 70 der laufenden Serie STAR GATE – das Original – zusammengefasst!“
Die Serie STAR GATE – das Original existiert nun schon seit 1986(!). Einige Autoren sind daran beteiligt. Viele Leser schätzten das frühere Heftformat und genießen das Taschenbuchformat, in dem die Serie inzwischen erscheint, aber es gibt nicht wenige Leser, die immer wieder auch nach einem umfangreichen Buchformat verlangen, vergleichbar etwa mit den Silberbänden der Perry-Rhodan-Serie.
Für diese haben wir nun nach den ersten sechs die siebte Kompilation geschaffen, basierend auf den Bänden 61 bis 70 der laufenden Serie!
Die Kompilation beinhaltet die Romane:
61 »Brückenkopf Phönix« W. Kimball Kinnison (KF)
62 »Umsturz auf Phönix« W. Kimball Kinnison (GB)
63 »Das Ding von den Sternen I« Frederick S. List (GB)
64 »Das Ding von den Sternen II« Frederick S. List (GB)
65 »Die Urmutter« Wilfried Hary (GB)
66 »Erben des Alten Feindes« Wilfried A. Hary (AS)
67 »Nergaard« W. A. Travers (GB)
68 »Planet der Rätsel« Wilfried A. Hary (GB)
69 »Asteroidenfieber I« W. Berner (GB)
70 »Asteroidenfieber II« W. Berner (GB)
(In Klammern Abkürzung des jeweiligen Coverkünstlers des Originals!)
Viel Freude beim Lesen dieser immerhin wieder ganze 10(!) Bände umfassenden Kompilation!
Euer Wilfried A. Hary (Hrsg.)
Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie
STAR GATE - das Original:
Uwe Anton, Werner K. Giesa, Wilfried A. Hary,
Frank Rehfeld
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch)
by hary-production.de
Achtung: „STAR GATE - das Original“ ist eine eigenständige Serie, die nachweislich Jahre vor Serien ähnlichen Namens begann, wie sie im Fernsehen laufen oder liefen oder im Kino zu sehen sind oder waren! Daher der Zusatz „das Original“!
ISSN 1860-1855
© neu 2017 by HARY-PRODUCTION
Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken * Telefon: 06332-481150 * HaryPro.de * eMail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.
Coverhintergrund: Anistasius, Titelbild: Karl-Heinz R. Friedhoff
Nähere Angaben zum Herausgeber und Hauptautor siehe hier: de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2017
Die 7.
Kompilation
Wilfried A. Hary (Hrsg.)
Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie STAR GATE - das Original: Uwe Anton, Werner K. Giesa, Wilfried A. Hary, Frank Rehfeld.
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de.
ISSN 1860-1855
Diese Fassung basiert auf den Romanen 61 bis 70 der laufenden Serie!
© 2017 by HARY-PRODUCTION
Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken
Telefon: 06332-481150
www.HaryPro.de
eMail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und
Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.
Lektorat: Werner Schubert
Titelbild: Karl-Heinz R. Friedhoff
Coverhintergrund: Anistasius
Achtung: „STAR GATE - das Original“ ist eine eigenständige Serie, die nachweislich Jahre vor Serien ähnlichen Namens begann, wie sie im Fernsehen laufen oder liefen oder im Kino zu sehen sind oder waren! Daher der Zusatz „das Original“!
Die Serie STAR GATE – das Original existiert nun schon seit 1986(!). Einige Autoren sind daran beteiligt. Viele Leser schätzten das frühere Heftformat und genießen das Taschenbuchformat, in dem die Serie inzwischen erscheint, aber es gibt nicht wenige Leser, die immer wieder auch nach einem umfangreichen Buchformat verlangen, vergleichbar etwa mit den Silberbänden der Perry-Rhodan-Serie.
Für diese haben wir nun nach den ersten sechs die siebte Kompilation geschaffen, basierend auf den Bänden 61 bis 70 der laufenden Serie!
Die Kompilation beinhaltet die Romane:
61 »Brückenkopf Phönix« W. Kimball Kinnison (KF)
62 »Umsturz auf Phönix« W. Kimball Kinnison (GB)
63 »Das Ding von den Sternen I« Frederick S. List (GB)
64 »Das Ding von den Sternen II« Frederick S. List (GB)
65 »Die Urmutter« Wilfried Hary (GB)
66 »Erben des Alten Feindes« Wilfried A. Hary (AS)
67 »Nergaard« W. A. Travers (GB)
68 »Planet der Rätsel« Wilfried A. Hary (GB)
69 »Asteroidenfieber I« W. Berner (GB)
70 »Asteroidenfieber II« W. Berner (GB)
(In Klammern Abkürzung des jeweiligen Coverkünstlers des Originals!)
„Alarm auf Phönix – abgeschnitten von der Erde!“
Es ist der 1. November 2063, auf Phönix – so von den Menschen genannt, die sich hier befinden, inzwischen abgeschnitten von der Erde, seit diese von den Kyphorern überrannt wurde (siehe Band 17 der laufenden Serie, enthalten auch in der zweiten Kompilation: Invasion der Kyphorer).
Eine schwierige Situation, nicht nur wegen ihrer Isolation und der Ungewissheit, was das weitere Schicksal der Menschheit betrifft, sondern das Ganze wird auch noch durch immer stärker zutage tretende innere Schwierigkeiten verschärft.
Zeit zu handeln – und Zeit, die sich dramatisch zuspitzenden Geschehnisse auf Phönix näher zu schildern. Und was ist inzwischen eigentlich aus „unserem“ Reporter Jerry Bernstein geworden?
»Good morning, Phööönix!«
Die meist noch schläfrigen Söldner merkten nun freudig auf und horchten erwartungsvoll dem Kommenden, gleich was sie gerade taten, ob sie beim Aufwachen gerade herzhaft gähnten, sich noch träge dehnten, sich schaudernd eiskalt wuschen, bereits erste gymnastische Frühübungen machten oder schon beim Frühstücken waren.
»Na, Jungs! Habt ihr auch wirklich ausgeschlafen, alle miteinander? Oooder seid ihr heute Nacht doch wieder auf der Jagd nach Worpas gewesen und habt einen dieser unheimlichen Fleischberge erlegt? Oder sogar gaaanz heimlich hübsche schlanke Bulowafrauen mit dicken Titten verfolgt?«
Jerry Bernstein war voll in seinem Element, wie schon die ganze Zeit hier auf seiner ersten Station als Exklusiv-Mechanics-Weltraumreporter. Nun träumte er nicht mehr von der großen Story. Er filmte, knipste, schrieb, kommentierte und gestaltete sie, war selbst mittendrin, lebte in ihr, und es war keiner da, der ihm diese heißen Stories wegschnappen konnte oder ihn gar nicht erst heran ließ! Nun betreute er nicht mehr so eine dämliche Rubrik wie »Du und dein Hobby«, sondern er lieferte richtige Aufmacher, sämtliche Titelstorys für »Du und deine Aufgabe im Universum« und was sonst noch alles durch die Medien auf Phönix ging. Er selbst mochte zwar die regelmäßig eingestreuten Zoten ganz und gar nicht, die er über Kanal »Phönix M« durchgab. Aber dieser spezielle Sender für die Konzernsoldaten war sogar das Wichtigste an seinem Job. Er war von Commander Jeff Haller persönlich damit beauftragt worden, hier ständig für gute Laune zu sorgen. Denn auf diesem besetzten Planeten waren auf Dauer dreitausend hartgesottene, meist männliche und wenig zimperliche Söldner, die wegen der zurzeit herrschenden Ruhe unterbeschäftigt waren, wie ein gut gefülltes Pulvermagazin, das jederzeit in Form einer Revolte gegen Mechanics Inc. hochgehen und somit die Herrschaft des Konzerns aus Detroit über die erste extrasolare Kolonie beenden konnte.
Als Jerry Bernstein nach einigen Minuten das Gefühl hatte, die Soldaten für den Rest des Tages in die richtige Laune versetzt zu haben, sah er zu der großen raumteilenden Scheibe zum Nachbarraum hinüber und winkte mit hoch erhobenem Zeigefinger seinem Assistenten im Studio II zu, dass er die Sendung nun übernehmen solle. Das schaffte dieser auch reibungslos und hob, vergnügt zu Bernstein hinüber grinsend, den rechten Daumen. Jerry nickte anerkennend zurück, atmete tief zufrieden durch, klopfte sich im Geiste auf beide Schultern, legte den Bügelkopfhörer ab, stand auf und wechselte so leise wie möglich auftretend in den Nebenraum über. Er bückte sich zu dem kleinen Mann vor dem Sendegerät hinunter, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Dieser hob seine rechte Hörmuschel ein wenig vom Kopf ab, damit er seinen Chef besser verstehen konnte.
»Mach jetzt alleine weiter, gib denen ordentlich was auf die Ohren! Heiz sie mal richtig ein! Jag ihnen ein paar so hammerharte Heavymetalstücke über die Frühstückstische, dass die Wurstscheiben auf den Panzerplatten tanzen! Ich muss jetzt rübergehen zum Commander in eine wichtige Besprechung!«
Pieto nickte eifrig und grinste, so breit er konnte. Nur zu gerne tat er das. Von dem Wenigen, was ihm an den seltsamen Fremden gefiel, stand an erster Stelle diese brachiale Musik, die bestens seinem frühkulturellen Naturell entsprach.
In blendender Laune steuerte Jerry Bernstein dem Ausgang des Gebäudes zu. Hätte er jedoch gewusst, was sich am Abend zuvor im Wohncontainer 6P des Blockes IX in der Söldnerstadt Nord abgespielt hatte, hätte er zumindest einige sorgenvolle Gedanken gewälzt...
*
»Was? Schon wiiieder Full House? Das gibt’s doch gar nicht! Der Kerl schummelt doch bestimmt! Wie macht der das bloß?«
Lou Gossett schmiss wütend seine beiden Pocket Cards auf den Tisch aus Leichtmetall, um den er und seine fünf Kumpane sich versammelt hatten.
»Ich hab’s satt, immer zu verlieren! Erst hierher auf diesen Scheißplaneten, dann langsam aber sicher unter dieser Killersonne vergrillen, dieser verdammte Fettgrasfraß hier, und jetzt habe ich auch noch alles verloren, was ich zu Hause hatte!« Lou schnellte so heftig hoch, dass der Feldhocker unter ihm nach hinten kippte, scheppernd auf dem Metallboden aufprallte und in sich zusammenklappte.
»Reg dich ab, Lou. Mann, du weißt doch, dass Kort ein exzellenter Pokerspieler ist«, versuchte Jesus Maria Corcoran die aufkommende Wut in seinem Nachbarn zu dämpfen. »Bisher hatten wir alle hier ihm gegenüber das Nachsehen. So ist das nun mal. Der eine hat mehr, der andere weniger Glück im Leben.«
»Dafür haben wir mehr Glück in der Liebe als er«, stichelte Brian O’Shea gegen den klein gewachsenen Seriensieger, »denn er ist der Einzige von uns, den unsere tolle Janet hier nicht an sich ranlässt, nicht wahr?«
Bei diesen Worten schlang er seinen rechten Arm um die kräftigen Schultern seine Kameradin auf dem Hocker neben ihm und zog sie zu sich heran. Diese ließ ihn nicht nur gewähren, sondern reizte ihn mit einem kecken Schwung ihrer Taille, bis sich ihre Rippen mit den seinen rieben. Aber gleichzeitig traf ihr verdeckter Blick den gegenübersitzenden Kort Than, der so breit grinsend, dass seine ohnehin schmalen Mandelaugen fast geschlossen waren, gerade mit langem Arm seinen Gewinnstapel vom Tisch in seine große Feldtasche streifte. Trotzdem entging ihm nicht das Geringste, und er wusste Janets geheimen Blick zu deuten – bei ihm musste nur der Preis stimmen, dann durfte auch er an sie ran, und zwar mehr als nur ein paar Mal, so oft, wie er gerade gewonnen hatte.
Johnny Red Cloud, der Lakota, seufzte tief: »Im Grunde hat unser guter Lou aber völlig recht. Was haben wir hier noch verloren? Ich will heim und rauf in meine Black Hills! Wenn das Scheißgate doch nur endlich wieder funktionieren würde, diese blöde Milchstraßentüte!«
»Sollen wir etwa bis zum Lebensende hier jeden Abend ›Texas Holdem‹ spielen, Kumpels, hä?«, regte sich Gossett weiter auf. »Mir wird schon wieder ganz schlecht bei dem Gedanken, dass wir hier gar nicht mehr wegkommen.«
»Weiterspielen geht überhaupt nicht mehr, Lou«, war Corcoran immer noch bestrebt, seinen Kameraden wieder an den Tisch und ruhig zu bekommen. Rasch bückte er sich und griff nach dem zusammengefalteten Klappstuhl, zog ihn wieder auseinander, ließ ihn scheppernd aufständern und dirigierte den widerstrebenden Nachbarn auf den Sitz zurück.
»Richtig«, bestätigte ihn O’Shea, »denn was willste jetzt noch einsetzen, hä? Hast doch eben alles gesetzt, was du auf der Erde zurückgelassen hast.«
»All in! Mann, du bist doch auch blöd, bei zwei Pärchen so viel zu riskieren!«, besserwisserte Red Cloud dazwischen.
»Leute! Das war das dritte Full House von Kort hintereinander. Das ist doch nicht normal. Da musste ich mir doch absolut sicher sein, dass er dieses Mal blufft«, verteidigte sich Gossett zornig.
»Ich nix nötig haben bluffen«, grinste der Gelbhäutige. »Karten sein mir hold, immer!« Dabei provozierte er seinen Gegenüber absichtlich mit seinem Radebrechen, da er als Sohn gebürtiger US-Amerikaner chinesischer Herkunft natürlich fließend englisch sprach.
Aber noch bevor Gossett sich auf diesen stürzen konnte, hielt Jesus Maria Corcoran ihn an der Schulter schon fest gepackt weiter auf Sitzhöhe und insistierte rundum: »Mensch, Lou! Mensch, Leute! Bevor wir uns noch richtig in die Wolle kriegen, fangen wir lieber an, uns endlich einen gemütlichen Abend zu machen.«
»Jesus Maria hat recht«, seufzte Red Cloud erleichtert, »fangen wir endlich an; ich bin schon seit Stunden wieder ganz kribbelig danach.«
»Langsam, Jungs«, bremste O’Shea, »wir haben nur noch eine Runde übrig, und die muss reichen bis morgen Abend, wenn wir nach der neuen Ernte uns endlich so richtig eins nach dem andern reinziehen können! Wenn wir jetzt anfangen, sind wir vor Morgengrauen schon wieder fix und fertig vor Gier nach dem nächsten Blatt. Haltet also noch zwei bis drei Stunden aus. Das sag’ ich euch zu eurem Besten!«
»Was? So lange soll ich hier noch rumzittern, bis es endlich so weit ist? Nee, und wenn ich um dreie heut Nacht nicht mehr weiß, wie es weitergeht, ich will das jetzt und gleich und sofort. Ist das klar, O’Shea?« Lou sah ihn beim Sprechen an, als ob er ihn gleich erwürgen wollte.
Der sah sich rasch in der Runde um und erblickte keinen einzigen Gesichtsausdruck, der ihm signalisierte, dass man auf seiner Seite war: »Okay, dann fangt schon mal an und macht auch meine Portion mit fertig. Aber ich versuche, es bei mir noch ein Weilchen hinauszuzögern. Okay?«
»Okay, okay! Brian, dann guckst du eben zu, wie gut es uns gleich gehen wird«, sprach Janet den ersten Satz, seit sie mit dem Spielen angefangen hatten, spuckte ihr ewiges Kaugummi in ihre linke Handfläche und klebte es unter ihrer Tischecke fest.
»Kort, ist die Luft rein?«, kommandierte Red Cloud, der Ranghöchste unter ihnen.
Der Angesprochene eilte zum Fenster, legte sein Gesicht fast platt ans Glas und lugte nach allen Seiten. Dann zog er am Stoffband neben dem Fenster, so dass die Lamellen vor dem Fenster ratschend heruntergingen, kippte diese auf Verdunklung und nickte zufrieden: »Ist ganz rein, niemand weit und breit zu sehen.«
»Lou, hol das Zeug her!«, fuhr Red Cloud fort, die Aktion zu leiten, und rückte sich erwartungsvoll auf seinem Stuhl zurecht. Der Angesprochene war längst in seinem Spind am Stöbern, räumte seine Stiefel beiseite, zog den Deckel von einem Geheimfach im Boden heraus, griff tief hinein und kam mit einem schmalen Packen A4-Klarsichtfolien an den Tisch zurück. Alle starrten begierig auf den flachen Stapel, den Lou nun so verteilte, dass sechs einzelne Teile auf dem Tisch lagen. Jeweils zwischen zwei Folien steckte ein fast durchsichtiges braungrünes Blatt. Es hatte eine annähernd ovale Form und maß in der Länge etwa achtundzwanzig Zentimeter und in der Breite etwas mehr als die Hälfte davon.
Corcoran war der Geschickteste im Umgang mit dem fein verästelten, nur millimeterdünnen und doch so festen Kraut, das trotzdem auf keinen Fall zerreißen sollte. Er schob seinen rechten Daumennagel unter die obere Folie und zog sie zügig, aber gefühlvoll ab. Dann nahm er eine faustgroße Metalldose mit einem Kreis eingeschlagener Löcher im Deckel zur Hand und bestreute das offene Blatt mit einer Mischung aus synthetischem Zucker, einem Zimtersatz und einem Gewürz von diesem Planeten. Die letztgenannte Zutat wurde von ihnen »Kat« genannt, weil sie, auf dem Blatt aufliegend, wie ein Katalysator wirkte und half, den chemischen Stoff entstehen zu lassen, der sie so in Verzückung versetzte. Außerdem machte erst diese Bestreuung das Ganze schmackhaft und verträglich. Dann bog er beidhändig die untere Folie an ihrer Längsseite hoch, bis die Außenkante des Blattes in sich einzurollen begann. Nun hielt er mit seinem linken Zeigefinger die beginnende Rolle fest, ließ die Folie auch mit der Rechten los und rollte beidhändig das Blatt fest ein. Am Ende war es wie ein überlanger grünlicher Zigarillo, der einen gewöhnungsbedürftigen Geruch verbreitete, der auf der beginnenden Wirkung des Planetengewürzes auf das Blatt beruhte.
Da diese Ration für Lou bestimmt war, schnitt dieser selbst das Röllchen in zwei gleich lange Teile, packte dann das linke Stück beidhändig und schob es sich in die Mundhöhle, in den Zwischenraum von Oberlippe und Oberkiefer, dann stopfte er die rechte Blatthälfte zwischen Unterlippe und Unterkiefer. Mit dem gewölbten Mund und den dicken Backen sah er aus, als hätte er den längst ausgerotteten Mumps, oder wie einer, der den Rekord im Luftanhalten brechen wollte. Doch keiner lachte ihn aus; sie schauten ihn im Gegenteil erwartungsvoll an, und alle, außer O’Shea, konnten sich kaum noch weiter beherrschen. Angefeuert von den Ungeduldsäußerungen seiner Kameraden machte sich Corcoran über die anderen Blätter her und schuf so schnell er konnte die fertigen Rationen. Bis auf O’Shea saßen nun alle schweigend mit vollem Mund um den Tisch, und O’Shea wurde so Zeuge der Veränderung, die mit seinen Kameraden vor sich ging.
»Ah«, stöhnte Gossett voller Wonne, der die Wirkung am frühesten verspürte, »ich werd’ schon so richtig scharf!«
»Scharf auf was?«, nuschelte und grinste Than, die Antwort kennend, mit schon größer werdenden Pupillen, »doch nicht etwa...?«
»Ach, Blödmann!« Gereizt schlug Lou mit der flachen Hand auf den Tisch. »Du weißt ganz genau, was ich meine!«
»Sag’s ihm«, drängte ihn Red Cloud mit einem hässlichen, gepressten Lachen, »der kann es doch nicht oft genug hören. Der zieht sich doch jedes Mal daran hoch, wenn du ihm das sagst.«
»Ja, sag’s ihm doch endlich!«, assistierte ihm Corcoran mit den über die Zahnkanten gestülpten Lippen kaum verständlich sprechend, die geballte Faust auf den Tisch krachen lassend. »Sag’s ihm!«
»A-also, Jungs«, und Lou Gossett fletschte die Zähne, dass ihm das Kraut hinten durch die Weisheitszahnlücken auf die Zunge am Gaumen rutschte, »am liebsten würde ich jetzt einen umbringen!«
»Ja! Ich auch! Und zwar den Clint Fisher! Der ist nämlich schuld daran, dass wir hier rumsitzen«, brüllte Corcoran so begeistert los, dass ihm seine obere Rolle auf die Zungenspitze fiel und er sie flink in die Mundhöhle einzog, wie ein Frosch, der eine Fliege fängt.
»Was? Einen nur? Alle hier natürlich und auch da hinten auf dem Planeten Arsch Eins dieser Galaxis, wo wir alle herkommen! Also all die daheim gebliebenen Erdlinge auch!« Red Clouds Faust krachte auf den Tisch.
»Geil! Und dann matschen wir sie alle so richtig klein zu Brei!«, ließ Janet Evans ein grausames Kichern hinterhervibrieren.
»Wann fangen wir endlich an?« Thans Pupillen waren jetzt weit und starr. »Mit Schlitzen, Fetzen, Massakrieren, Töten, Töten, Töten?«
»Morgen!«, tönte Gossetts Stimme durch den Raum. »Morgen nach der Ernte fliegen wir zum Bulowadorf und fangen da an, und nach der Rückkehr machen wir diese hundsblöden Wissenschaftler kalt, und den Haller und seine Helfershelfer machen wir allesamt nieder. Alle, alle, alle, die hier uns zum Narren halten!«
Die blutrünstig unterlaufenen Augen Gossetts blieben nun am Gesicht O’Sheas haften, als ob Lou schon sein erstes Opfer fixierte. Dieser schauderte vor dem Blick zurück und verzog sich, die Augen niederschlagend und rückwärts gehend, zu seinem Feldbett, jedoch nicht ohne seine Ration. Gossetts Blick irrte jedoch sogleich von ihm ab, als ihn die anderen mit ihren Mordfantasien wieder ablenkten, und O’Shea legte sich zitternd auf die längs gefaltete graue Oberdecke seines Bettes. Er versuchte verzweifelt, zur Besinnung zu kommen und sich mit Vernunftgedanken von diesem Teufelszeug zu befreien.
Sieh nur, dachte er, was hat dieses phönixsche Breitblatt in nur wenigen Wochen aus uns gemacht! Sieh doch nur mal richtig hin! Was ist aus Lou geworden, dem Gutmütigsten von uns, der auf der Erde Gedichte geschrieben hat? Was aus Johnny, Kort und Jesus Maria, die eigentlich alle keine richtigen Soldaten sind, eher viel zu weich im Herzen, aber das viele Geld von Mechanics Inc. nur zu gut gebrauchen konnten? Was aus Janet, der Sportlichen, die wegen angeblichen Dopings aus der Olympiamannschaft geflogen, dabei aber nur das Opfer der Rache eines von ihr abgewiesenen Funktionärs geworden war? Und was schließlich aus mir selbst, der ich bisher versucht habe, lieber das Innere eines Gegenübers zu ergründen als ihm wehzutun?
Trotz ihrer sehr unterschiedlichen Schicksale waren sie alle in diese raue Menschenschar hineingestrandet. Innerhalb dieser brutalen Truppe hatten sie sich zusammengetan, sich von den anderen Söldnern etwas abgesondert und ihr eigenes Freizeitgrüppchen gebildet, das die meisten anderen darum nur höhnisch »Die sechs Weichis-ohne-Eier« nannten oder mit ähnlichen abwertenden Begriffen belegten.
Lass die Finger davon, bearbeitete O’Shea sich weiter. Das Zeug macht euch zu Bestien, ja, zu reinen Teufeln! Hör auf, steh auf, geh raus und melde dich bei Commander Haller und mache Selbstanzeige für alle. Damit tust du dir und den anderen nur das Beste an!
Wieder spürte er den mordlüsternen Blick Gossetts auf sich ruhen, und auch sein Körper vibrierte nun vor schierem Verlangen nach diesem Erfüllung verheißenden Kraut. Die Angst, das Ziehen im Körper, die Gier und das tobende Gebrüll seiner Kameraden vernebelten nun sein Hirn mehr und mehr. Langsam und fast mechanisch hoben sich seine Arme, und seine Hände steckten die erste halbe Rolle vor das obere Zahnfleisch. Wie ein Automat stopfte er weiter und ließ sich nun entspannt in die Matratze einsinken. Die Essenz des Blattes durchdrang die Schleimhäute und verteilte sich im Nu im Blutkreislauf. Nach einer guten Viertelstunde schob er mit der Zunge die Röllchen in die Mundhöhle und begann gleichmäßig zu kauen. So verstärkte und verlängerte sich die Wirkung noch. Nur in den Magen durfte das Zeug nicht kommen, denn in ihm wurde es von einem Enzym, das es nur dort gab, sofort zersetzt und konnte nicht weiter wirken.
Bei ihm wirkte der Blattextrakt noch stärker als bei seinen Kameraden und er delirierte schon nach kurzer Zeit, und hierbei sah er vor seinem inneren Auge Jerry Bernstein auf sich zukommen, ihm eine lange Machete in die Brust stechen, bis diese auf der Rückseite wieder herausdrang, die Klinge hin und her ziehend, dem röchelnden, Blut spuckenden Reporter mit einem zweiten, kurzen Messer die Gurgel mit mörderischem Druck auf die Klinge durchschneiden, bis der Kopf nach hinten kippte. Im Wahn zerfetzte er den Körper bis zur Unkenntlichkeit, bis alles sich in einer blutigen Masse verstrudelte, die Vision sich vor ihm auflöste und er in einen komaähnlichen Rauschschlaf hinübersank.
Bevor Jerry Bernstein ins Freie trat, traf er seine Vorbereitungen. Wie überall war neben der Ausgangstür in Augenhöhe ein fünf Liter großer Plastikbehälter befestigt. Aus dem Spender, der darunter angebracht war, drückte er sich einen ordentlichen Klecks Sonnenöl mit Lichtschutzfaktor 50++ heraus. Damit rieb er sich sorgfältig Gesicht, Unterarme und Hände ein, denn jetzt, im Phönix-Frühherbst, waren alle noch leicht bekleidet, aber die UV-Strahlung der kleinen Sonne war immer noch viel höher als auf der Erde selbst am Äquator an derem heißesten Tag. Jerry seufzte kurz auf, verfluchte sich zum hundertsten Mal für seinen besonders hellen blassen Hauttyp. Schon bei seinen Selbstgrillversuchen in der Jugend hatte er es nie auch nur zur geringsten Sonnenbräune, sondern nur zu unfreiwilligen, qualvollen Häutungen gebracht und sich kurzzeitig das Aussehen eines Krebseinzelgängers eingebrockt. Auch hier auf Phönix gehörte er daher zu den Gefährdetsten und musste sich höllisch in Acht nehmen.
Dann zog er aus seiner linken Westentasche seine extrem getönte, goldgerahmte Sonnenbrille mit vollspiegelnden Gläsern heraus, klappte beidhändig mit Daumen und Zeigefingern die Halter auf und schob sich die enganliegenden Bügel auf die kurzrasierten Schläfen oberhalb der Ohren. Zuletzt nahm er seinen riesigen Stetson vom Haken ab, setzte ihn sich mehrmals hin und her wippend gerade auf, schob ihn sich dann mit einer beidhändigen Geste, die er sich den Westernhelden in den alten Filmschinken des 20. Jahrhunderts abgeguckt hatte, tiefer in die Stirn und trat aus der Tür hinaus in das bereits grelle Licht des Phönix-Morgens. Hier liefen alle mit dieser besonders breitkrempigen Sonderanfertigung von Cowboyhüten herum, denn nachdem Chief Haller erkannt hatte, was hier vonnöten war, kam nach einer Woche eine extra SG-Fuhre, wie das im hiesigen Jargon nun hieß, mit der bestellten Tonne Sonnencreme, je 3300 Sonnenbrillen und Texashüten an, und besonders Letzteres fand begeisterte Abnehmer. Vor allem die weit über tausend Schwarzen hier, zumeist untere Dienstränge, konnten sich gar nicht mehr davon trennen, obwohl sie diese Bedeckungen am wenigsten brauchten, und trugen diese sogar nachts.
»Achtung, eine wichtige Durchsage! Achtung, Leute! Das Spiel in der PBL zwischen den Star Gate Tetras und den Phönix Croas im Clint-Fisher-Stadium wird um eine Stunde auf 15 Uhr Phönixzeit verschoben. Ein paar von den Croa-Batters werden verspätet von der Streife zurückkommen und brauchen noch ein bisschen Pause vor dem Spiel! Achtung...«
Jerry grinste in sich hinein, denn das Team der Star Gate Tetras bestand aus Technikern und Wissenschaftlern, war gegen alle anderen nur krasser Außenseiter und ab und zu nach besonders originell misslungenen Aktionen für einen Lacher gut. Ansonsten waren die Söldner in den verschiedenen Ligen unter sich.
Im Weitergehen, wobei er nicht mehr auf die sich wiederholende Durchsage achtete, passierte er den Friedhof der Garnison. Obwohl er die erste letzte Ruhestätte außerhalb des Solsonnensystems keines Blickes würdigte, sondern im Gegenteil seine Schritte beschleunigte, wusste er bis ins Detail, wer dort bereits in Sarg oder Urne bestattet war. Denn für jeden Toten hatte er im Tagesblatt »The Phönix Universal« – Phönix-Bote hatte ihm zu provinziell geklungen – einen »hehren« (auf Anordnung von »oben«) Nachruf verfasst. Herausgeber, Chefredakteur und Chefreporter dieser einmaligen Zeitung war natürlich er höchstpersönlich selbst.
Zunächst hatten zwei Söldner bei dem Überfall auf das Bulowadorf ihr Leben für Mechanics Inc. geopfert, waren übergangsweise eilig eingescharrt und später hierher überführt worden. Dann folgte der bisher prominenteste Tote: Commander Hank Bruddock starb bei der Befreiung des Genada-Randall-Teams in der Stadtfestung Xarith im Westen. Es gab nicht viele, die ihm hinterher trauerten, denn er sollte ein äußerst grobschlächtiger Kerl gewesen sein, hatte Bernstein im Nachhinein erfahren. Davon stand natürlich nichts im Nachruf; in dem war er der erste Held von Mechanics Inc., der bei der Eroberung des Universums gefallen war.
Ein weiteres Grab war leer und harrte des zweiten in Xarith gefallenen Söldners, dessen Leichnam zurückgelassen worden war.
Die nächsten drei Toten hatte William Maverick auf dem Gewissen: Einen Sergeanten und zwei Soldaten, die von Worpas zertrampelt worden waren, die dieser Verräter mit Hilfe von Pieto, den er dazu ausgenutzt hatte, auf jene losgelassen hatte.
Dazu hatte es bis heute zweiundzwanzig Todesfälle gegeben durch vier Unglücke, drei nicht aufgeklärte Morde, fünf unerklärliche Organversagen und alle anderen durch die nun immer mehr eskalierenden Männerkämpfe um die wenigen Frauen hier.
Bernstein verscheuchte die aufkeimenden trüben Gedanken, reckte sich zu seiner vollen Körperlänge (nämlich ganze zwei Zentimeter mehr als auf der Erde!) und schritt beschwingt weiter. Durch die hier geringere Planetenanziehungskraft von 0,875 g geriet jede Bewegung etwas weiter und schwungvoller. Auch waren alle Frauen und Männer nach einigen Wochen bis zu drei Zentimeter größer als auf ihrem Heimatplaneten, da sich der ganze Körper, vor allem der Rücken, durch die geringere Belastung mehr in der Höhe ausdehnen konnte.
Auch die Luftdichte war dadurch an der Phönixoberfläche geringer als auf der Erde. Weil das aber durch den etwas höheren Sauerstoffgehalt der hiesigen Atmosphäre wieder ausgeglichen wurde, blieb es beim gleichen Atemrhythmus wie gewohnt.
»Mr. Bernstein«, ließ sich eine Stimme vernehmen, die ihm in letzter Zeit oft in den Ohren lag, nämlich die von Smith, der früheren rechten Hand von Commander Bruddock. Bernstein versuchte, durch Schnellergehen zu entkommen, doch schon war Nelson, die frühere linke Hand Bruddocks, auf Augenhöhe neben ihm.
»Lieber Mister Bernstein. Geben Sie uns doch noch eine Gelegenheit, Gutes zu tun!«, dienerte sich dieser an. Nun überholte auch Smith, und beide standen vor ihm wie zwei Bittsteller vor dem Papst.
»Bitte, bitte, Mr. Bernstein. Wir können doch gar nicht genug Gutes tun! Setzen Sie bitte wieder eine Anzeige für uns in die nächste Ausgabe, bitte, bitte!« Beide falteten dabei inbrünstig die Hände und blickten ihn wie jedes Mal flehend an. Bernstein beobachtete sie dabei so unauffällig wie möglich. Und richtig, deren Augen hatten immer noch den leicht glasigen stieren Ausdruck wie seit einigen Wochen schon, als sie sich so wundersam von zwei der übelsten Rabauken der Alten Welt zu den barmherzigsten Samaritern dieses Planeten gewandelt hatten. Auch sonst waren sämtliche Hardliner vor Ort richtig handzahm geworden, wenn auch nicht so extrem wie diese beiden hier. Sie waren Bruddocks dickste Freunde und obwohl nur Sergeanten, auch seine wichtigsten Helfer gewesen, weil er sich auch bei der ärgsten Gemeinheit auf sie hatte verlassen können. Alle rätselten, wie dies bei ihnen und auch den anderen hatte geschehen konnte. War etwa doch etwas an jenem Gerücht dran, dass ein Kraut von dieser Welt daran schuld sein sollte?
Bernstein musste sie jedenfalls abwimmeln und versprach sofort: »Morgen steht unter der Kolumne ›Barmherzigkeiten freigiebig zu verteilen‹: Smith und Nelson bieten ihre Dienste nach Feierabend an. Jede Arbeit wird verrichtet im hehren Dienste an der Gemeinschaft!«
»Im hehren Dienste an der Gemeinschaft?«, wiederholte Smith ehrfürchtig, und Nelson freute sich wie ein Erlöster. »Wunderbar, das bringt uns bestimmt ein Stück weiter dem Himmel entgegen! Lass uns jetzt alle Latrinen des IX. Blocks nochmals reinigen!« Beide sausten augenblicklich vor Opferbreitschaft überschäumend davon.
Jerry Bernstein sah ihnen fassungslos nach, schüttelte mehrmals ungläubig den Kopf und erblickte dann nach einigen weiteren Schritten neben sich das kleine Gefängnisgebäude der Garnison. Zwei Burschen kamen sogleich von innen her an die Gitter ihrer Zellen, schlangen ihre Hände um die Stäbe, blickten zu ihm hin, begannen zu zetern und zu schreien und warfen ihm übelste Beschimpfungen an den Kopf. Auch sie hatten den gleichen Blick wie die anderen beiden eben. Doch hier handelte es sich um Brett Simon und John Garfunkel, zwei der ehrlichsten und bravsten der Söldner, so dass sich schon jeder wunderte, was diese überhaupt bei so einer Truppe verloren hatten. Sie waren gerade noch brauchbare Männer, aber nun nicht mehr wieder zu erkennen.
Bernstein schüttelte abermals verwundert den Kopf. Echt verkehrte Welt war das seiner Meinung nach. Eigentlich müsste raus, was drinnen, und rein, was draußen war.
Nun wurde es aber wirklich höchste Zeit für ihn, und er verfiel in einen leichten Trab, bis er das Hauptquartier erreichte und hastig eintrat. Durch den Flur näherte er sich nun dem Konferenzraum und versuchte drinnen sogleich, eilig aber auch so unauffällig wie möglich, Platz zu nehmen, denn von den von Commander Jeff Haller einberufenen dreißig Personen war er der Letzte.
Trotzdem erfasste ihn Jeff Haller sogleich mit seinem nächsten Blick. Doch der war eher ein kurzes freundschaftliches Zwinkern als eine Rüge, denn bei dem Nachfolger Bruddocks hatte Bernstein von Anfang an einen Stein im Brett gehabt. Jerry zwinkerte erleichtert zurück und stellte für die Aufnahme seinen Mikrocomputer, betriebsbereit auf Raumerfassungsmodus, vor sich auf den Tisch. Unter gesenkten Lidern hervorspähend, nahm er die Versammlung rundum in Augenschein. Dabei versuchte er den Eindruck zu erwecken, sich nur mit dem vor ihm liegenden Notizblock und den beiden Kugelschreibern zu beschäftigen, und schob diese Utensilien, die jeder von ihnen auf seinen Tisch gelegt bekommen hatte, mehrmals hin und her.
Rechts von ihm, einen Viertelkreis entfernt, saß Jeff Haller, der Chief, wie er intern nur noch genannt wurde, und studierte seine Unterlagen, die Augenbrauen seines jugendlich wirkenden Gesichtes voller Konzentration hoch nach oben gezogen. Heute präsentierte er sich von seiner martialischen Seite mit frisch gefärbten rostroten Haaren, oben gerade wie abgemäht, wie eine umgekehrte Bürste zurechtgeschnitten. Das verlieh ihm ein brutales Aussehen, das aber nicht seinem Innenleben entsprach. Bei ihm wusste man nie, was ihm als Nächstes für seine Haarpracht einfiel.
Bernstein erinnerte sich immer wieder voller Dankbarkeit an seine erste Begegnung mit Haller. kurz nachdem er hier am 20. September 2063 »gelandet« war: »Was, Sie sind Reporter? Klasse, Mann! Dann habe ich endlich mal einen echten Medienfachmann hier!« Jovial hatte Haller ihm dabei auf die Schulter geklopft, und das alles zusammen war ihm runter gegangen wie Öl. Eines hatte sich dann zum anderen gefügt, und unter der Protektion seines großen Gönners war er langsam, aber stetig innerhalb von nur vier äußerst arbeitsintensiven Wochen zum »Medienzar« von Phönix aufgestiegen.
Rechts neben dem Commander saß dessen Chiefassistant, Lieutenant Cassius Claydon, schwarz wie Ebenholz, lebhaft um sich blickend, dessen Zähne bei seinem häufigen breiten Lachen jedes Mal wie eine Reihe Perlen blinkten. Unter seinem rechten Auge befand sich ein großer, ovaler und noch dunklerer Fleck, ein ordentlicher Bluterguss, und seine ohnehin etwas vorstehende dickliche Unterlippe war tüchtig angeschwollen. Trotzdem sprühte er, seine schmerzenden Rippen ignorierend, vor bester Laune. Denn erst gestern Abend, bei der ersten Phönix-Fight-Night, hatte er sich in einem mitreißenden Kampf gegen seinen eine Handspanne größeren Gegner, obwohl er selbst mit einem Meter vierundneunzig (plus drei Phönixzentimeter) Gardeübermaß hatte, zum ersten K1-Meister aller Klassen von Phönix geboxt. Bernstein, der natürlich als Exklusivlivereporter für seine Midnight-Event-Sendung »Fight Club Phönix« in der völlig überfüllten »Lino-Frascati-Hall« mit dabei gewesen war, hatte sich total heiser gebrüllt, so sehr ins Mikro geschrien, dass die Hörer allerorten leiser stellen mussten, denn die beiden hatten sich eher eine ultimative Schlacht denn einen Kickboxkampf geliefert, und erst nach der vierten Verlängerungsrunde hatte Claydon seinen ebenfalls blutüberströmten Gegner mit K.O. ins Reich der Träume schicken können. (Es gab auch ein paar unvermeidliche Neider von der Gegenpartei, die gehässig anmerkten: »Würde Hank Bruddock noch leben, hätte er den Schwarzen glatt zermatscht!«)
Der umtriebige Lieutenant war auch für das umfangreiche Sportprogramm auf Phönix verantwortlich. So sorgte er, wie auch Jerry an einer anderen Front, für die sozialverträglich überlebensnotwendige Ablenkung der rauen hier fast überflüssigen Scharen. Er hatte auch die PAFL und die PBBL eingeführt, und wenn er es geschafft hätte, Eisflächen herbeizuzaubern, hätte es jetzt auch eine Phönix-Eishockey-Liga gegeben.
Daneben saß – und Jerrys Hose begann, sich unter ihrem lasziven, unter gesenkten Lidern verdeckten Blick zu ihm hin, mehr und mehr den Reißverschluss entlang hochzubeulen – Daisy Daily. Sie gehörte zu dem Typ Frauen, bei dem sich Männer beim Hinterhergucken ein 180-Grad-Gewinde im Hals herbeiwünschten. Mit einem Meter achtundsiebzig (plus eins) besaß sie lange, lange Beine und eine top, top Figur. Blonde, lange Haare umrahmten ein etwas zu volles Gesicht, welches keineswegs als makellos gelten konnte. Doch das unerschütterliche Selbstbewusstsein, das diesem pausenlos entströmte und so die kleinen Schönheitsfehler förmlich überblendete, war für schlichte Männer, also alle, einfach umhauend.
Haller hatte sie ihm als Assistentin zugeteilt, damit sie ihm helfend »zur Hand gehen sollte«, und das tat sie, seine neue, große, einzigartige Flamme. Und wie sie ihn zu jeder sich bietenden Gelegenheit entflammte ... Schließlich war er ein bestens ausgestatteter 28 Jahre junger Bursche, zwar etwas untersetzt, aber immer noch im Toleranzbereich schlank, und er hatte blonde Haare, die er gleich lang wie sie trug. Wenn das nicht ideal zusammenpasste!
Um wieder herunterzukommen, ließ er seinen Blick eilig weiterschweifen und erfasste das Trayce-Team, welches nach dem Abenteuer auf dem »Planeten der Götter« am 1. Oktober 2063 wieder hier materialisiert und seitdem mit diversen Forschungsaufgaben beschäftigt war. Ursprünglich waren sie zu acht gewesen, aber William Maverick hatte sich am 7. Oktober 2063 Erdzeit durch das SG abgesetzt und war vermutlich im Mond-SG materialisiert. Die Einstellung dorthin, was sich aus Professor Wylberts nachträglicher Überprüfung der Abstrahldaten ergab, war jedenfalls richtig gewesen. Neben Miss Daily saß also zunächst Susan Vortray, dann folgten die weiteren sechs: Dr. John Trayce, Anthony C. Goodbody, Tanith Callahan, Cathy Urban und Frank Thys Rayfield. Von ihrem Abenteuer auf dem Planeten der Götter hatte Bernstein eine spannende Fortsetzungsserie als E-Book in Produktion und trug sich, so überdreht wie er nun schon seit einiger Zeit war, bereits mit dem Gedanken, das Ganze hier auf Phönix mit verkleideten Bulowas als Statisten, die jene Sonnenkinder des »Planeten der Götter« verkörpern sollten, zu verfilmen.
Im weiten Kreis, dem Commander direkt gegenüber sitzend, bildete Professor Holmes mit Professor Wylbert und beider wichtigstem Mitarbeiter Walter Barnes den naturwissenschaftlichen, aber auch recht schwergewichtigen Gegenpol zu den Militärs, bei denen zumindest Haller auf seine Weise auch als äußerst kluger Kopf gelten konnte.
Beim Anblick von Bryan Holmes kam Jerry Bernstein regelrecht die Galle hoch, denn für ihn war dieser eingebildete Fettwanst so etwas wie die Unperson des ganzen Planeten, hatte dieser sich doch mehrfach lautstark beim Commander über ihn, den »Zeilenschinder« und »Zirkusclown«, beschwert! Bei seinem letzten Versuch, ihn fast auf Knien liegend doch noch zu einem Interview zu überreden, hatte dieser ihm sogar gedroht, er, die allergrößte Nervensäge dieses Planeten, solle sich nur ja nicht mehr in der Nähe des Gates aufhalten, sonst würde er ihn sogleich höchstpersönlich hineinschubsen und stracks zu den Kyphorern expedieren lassen. Die wüssten mit Sicherheit am besten, wie so ein komischer Vogel wie er zu rupfen sei.
Auch um Professor Wylbert machte er jetzt lieber einen riesengroßen Bogen, hatte dieser doch tatsächlich von ihm verlangt, ihm täglich vier Seiten als persönliche Rubrik einzuräumen, wenn er ihm ein Interview gäbe. Vier Seiten reinstes Fachchinesisch im nun wichtigsten Massenblatt des Universums, die doch kein vernünftiger Mensch je lesen würde, das war ihm selbst für ein Interview mit einem der fähigsten Wissenschaftler der Menschheit zu viel.
Glücklicherweise war da noch Barnes, der trotz seiner Masse ein umgänglicher Typ war, ein netter Bursche mit zerfurchtem, bartlosem Gesicht, der ihm alles Wissenswerte, für die Allgemeinheit verständlich aufbereitet, heimlich für die Kolumne »Wie werden wir eigentlich durch den Äthermorph gejagt?« zusteckte.
Zu der Gruppe der Star-Gate-Fachleute gehörte noch der Nuklearphysiker William Nolan, der aufgrund seines sagenhaften Erlebnisses als Statue und der damit verbundenen Ehrfurcht der Eingeborenen zu ihren wichtigsten Kontaktpersonen gehörte – nebst Pieto. Von ihm versprach sich der Chief ab jetzt eine friedlichere Verständigung mit den einheimischen Nachbarn im von ihnen gemeinsam wieder aufgebauten Dorf.
Die Versammlung wurde durch einige Offiziere, Techniker, Lieutenant Schmitt-Wesson zur Linken des Commanders und ihn selbst vervollständigt. Zu Schmitt-Wesson glitt sein Blick sogleich noch einmal zurück, und richtig, auch bei ihm erkannte er den leicht starren Blick und das veränderte soziale Verhalten, war dieser doch die halbrechte Hand Bruddocks gewesen und nicht minder übel beleumundet. Dieser hagere, lang aufgeschossene, sonst immer düster blickende Typ, der mit eingekerbten Wangenfalten, hartem Mund, dunklen, stechenden Augen und schwarzen, streichholzkurzen Haaren wirklich wie ein harter Hund aussah, blickte freundlich wie noch nie in seinem Leben drein.
»Heute haben wir den 1. November 2063 Erdzeit! Nehmen wir den 15. Juli 2063, 14:07 Uhr, als das Genada-Randall-Team hier erstmals im SG erschien, dann haben wir hier nach umgerechneter Phönixzeit Tag 135 im Jahre 0 nach GRT«, eröffnete Commander Jeff Haller die Besprechung. »Heute steht eine Bestandsaufnahme an, die Erwägung der Konsequenzen, sowie die Beschlussfassung der daraus resultierenden nötigen Maßnahmen. Lieutenant Schmitt-Wesson, listen Sie den bisherigen Ablauf auf! Danach kommen wir zur Bestandsaufnahme und beraten die zu beschließenden Konsequenzen«, hielt sich der Chief nicht weiter mit der trotz der Wiederholungen kurzen Eröffnung auf.
»Zu Befehl, Commander! Beginn der Einschleusung am 21. Juli 2063 mit Commander Bruddock, Survival-Spezialist Ken Randall und 28 Mann, einem Schwebepanzer Typ SP 5 – Nummer 413 –, einem weiteren Schwebepanzer – Nummer 414 –, weiteren 30 Mann. Dieser Trupp marschierte sofort als Vorauskommando zum Bulowadorf ab. Danach 67 Schübe à 30 Söldner und Söldnerinnen, macht 2010 Personen. Dann 5 Gleiter, und diese ab mit 2000 Mann nach Xarith unter dem Kommando der Lieutenants Claydon und Schmitt-Wesson. Danach 930 Mann in 31 Gängen unter Kommando des stellvertretenden Commanders Haller. Diese 940 Leute nahmen die nächsten Schübe mit Material in Empfang und begannen, die Station hier aufzubauen. Insgesamt wurden 6000 Tonnen Material transitiert, darunter weitere Gleiter, Schwebepanzer, zuletzt diverse Bauteile für ein kleines Raumschiff, mehrere Trägerraketen, Satelliten und Fabriken zum Aufbau der Selbstversorgung. Danach folgten nach und nach 300 Wissenschaftler, Techniker und das Personal für Küchen und Kantinen mit weiteren 3000 Tonnen Zubehör. Anschließend war das Gate nicht mehr in größerem Umfang einsetzbar. Wir sind nun praktisch gestrandet und...«
»Stopp! Danke, Lieutenant, für den bis hier präzisen Bericht. Ich unterbreche Sie jedoch jetzt, pardon, weil ich etwas sehr Wichtiges und Grundsätzliches einfügen muss!« Haller holte tief Luft und fuhr fort: »Ein für alle Mal stelle ich hiermit klar, dass wir nicht gestrandet, abgeschnitten oder sonstwas sind. Wir sind ein Brückenkopf! Vielleicht sogar die letzten freien Menschen. Denn – und hiermit beende ich die Geheimstufe eins für diese Informationen – wir können mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die Erde von den Kyphorern angegriffen und wohl besiegt wurde, denn ich kann mir nicht vorstellen, wie man sich dort gegen diese überlegene Technik hätte wehren können. Herr Professor Holmes wird Ihnen jetzt erklären, wie wir zu dieser Vermutung gekommen sind. Bitte sehr.«
»Danke, Commander, dass sie die Erklärung mir überlassen«, begann dieser etwas umständlich und deklamierte: »Also, nachdem Xybrass dieses Gate, es ist eigentlich ein Personen-Gate, wieder in Betrieb gesetzt hatte, bauten wir die freundlicherweise nach uns benannte ›Holmes-Wylbert-Weiche‹ ein.« Dabei sah zu seinem ebenfalls schwergewichtigen Nachbarn, Professor Wylbert hinüber, welcher unwillkürlich sofort seinen Bauch einzog, damit jedoch vergeblich versuchte, etwas Haltung zu vermitteln. Sichtlich geschmeichelt senkte er bestätigend seinen fast kahlen Kopf.
»Die kyphorischen Star Gates funktionieren in der Weise, dass vor jeder Sendung ein Hyperimpuls an das Empfangsgate abgestrahlt wird. Dieses bestätigt mit einem Rückimpuls die Empfangsbereitschaft, und ab geht die Post, wenn ich das ausnahmsweise mal so salopp sagen darf. Die hier integrierte Weiche nun verhindert den Rückimpuls und somit auch die Sendung. Aber wir können und konnten den Abfrageimpuls registrieren. Als Xybrass vor etwa hundert Jahren die Craahls, ein Hilfsvolk der Kyphorer, von diesem Planeten verjagte und ihnen die Vernichtung des Gates nach ihrem Sprung ankündigte, nehmen die Kyphorer wohl an, das Phönixgate existiere nun tatsächlich nicht mehr, denn sie konnten es nicht mehr anpeilen. Daher kann diese Serie von Vorabimpulsen, die wir im Laufe des Oktobers 2063 registrierten, nur von einem Gate abgeschickt worden sein, welches die neue, von Xybrass justierte Norm von Phönix kennt. Und das kann nach der Explosion des Erdgates nur das Mondgate sein. Also müssen die Kyphorer dort sein. Wir können uns nur damit trösten, dass die Invasoren durch den fehlenden Rückimpuls nicht in der Lage sind, unsere galaktische Position zu orten. Wie lange wir hier unbehelligt bleiben, ist allerdings ungewiss.«
Nach diesem abschließenden Statement sah der Professor zu Haller hinüber. Dieser nickte dankend, sah Claydon direkt an, welcher den Blickball aufnahm und zu referieren begann: »Daher sind wir vermutlich, wie der Chief, ähem, Commander Haller, bereits sagte, die letzte Bastion der Menschheit, ein Brückenkopf nicht nur von Mechanics Inc. sondern von allem auf der Erde. So sollten wir jetzt auch des Weiteren verfahren und die Interessen des Konzerns entschlossen ganz hinten anstellen.«
Stimmengebrodel erhob sich im Raum; der Lieutenant konnte vor lauter Lärm sich nicht mehr verständlich machen. Allen war fast augenblicklich klar, dass das schon eine regelrechte Abnabelung von ihrem weltmächtigen Brötchengeber war und schon jetzt Grund für eine fristlose Kündigung, falls dies überhaupt noch von Belang sein konnte.
»Ruhe!« Haller klopfte energisch auf den Tisch, »Ruhe! Lassen Sie ihn weiterreden, Herrschaften!«
»Also ... ganz hinten anstellen!«, wiederholte Claydon diese brisanten, weil revoltierenden Worte deutlich und gedehnt und erklärte weiter: »Das bedeutet, wir müssen eigenverantwortlich handeln, nämlich den Brückenkopf halten, ausbauen, Kontakte nach allen Seiten knüpfen und so weiter. Des Weiteren müssen wir uns über die Struktur dieser Bastion klar sein und auch hier ungewöhnliche Wege gehen. Zum Beispiel dem zwischenmenschlichen Zusammenlegen ...«, hier machte der Offizier eine Pause und begann breit zu grinsen, denn er kannte ja schon die diesbezügliche Maßnahme. Nachdem alle Anwesenden seine Zahnreihen wieder mal ausgiebig hatten bewundern können, fuhr er fort: »Wir haben also ein Verhältnis von exakt fünf zu eins zwischen Männern und Frauen. Äußerst ungesund auf Dauer, und es hat auch bereits einige Tote deswegen gegeben. Da dieser Zustand aber durchaus auf lange Zeit bestehen kann, gibt es in den Augen der Führung dieses Lagers, also uns Offizieren, nur eine Lösung, die Vielmännerei und...«
»AU-JA!«, ertönte laut und rundum vernehmlich eine helle, weibliche Stimme.
KRACKS! Bernstein zerbrach seinen Kugelschreiber vor Schreck und nahm hastig den zweiten Kugelschreiber vor ihm zur Hand. Diese Stimme kannte er nur zu gut.
Daisy Daily hatte sofort geschaltet, trappelte aufgeregt mit ihren Füßchen unterm Tisch herum, und mit rosafarben gewordenen Bäckchen musterte sie die Männerschar um sich herum: »Wen nehme ich denn da ...?«, murmelte sie versonnen mehr für sich als für die anderen vor sich hin. »Einen habe ich ja schon ... Also...«
KRACKS! Bernstein zerbrach schon wieder seinen Kugelschreiber und lieh sich diesmal ungefragt einen Stift seines linken Nachbarn aus.
»Miss Daily«, fuhr Jeff Haller die Dame ungewöhnlich unwirsch an, »lassen Sie bitte den Lieutenant ausreden!«
Die jedoch machte nur ein schnippisches Gesicht, und ihre Haltung drückte ein deutliches »und ich mache doch, was ich will« aus.
Claydon, der nur mit Mühe sein übliches breites Lachen unterdrücken konnte, fuhr fort: »Natürlich sollen sich dabei die Damen nicht x-beliebig umsehen, sondern auch bei sowas hat alles seine Grenzen. Die Gemeinen sowie alle weiteren Dienstränge bleiben jeweils unter sich, und im Verhältnis von fünf zu eins nehmen sich die Frauen...«
»EBEN! Deswegen sehe ich mich doch hier schon mal um ...«, klang energisch die Stimme von Miss Daily wieder durch.
KRACKS! Bernstein betrachtete betroffen die kläglichen Überreste des letzten Kugelschreibers und lieh sich flugs und natürlich ungefragt einen weiteren Stift seines rechten Nachbarn aus.
Und unbeirrbar energisch fuhr sie fort: »Ich jedenfalls picke mir jetzt fünf heraus und...«
»Halt! Von wegen! Das könnte Ihnen so passen, Miss Daily, wir sind auch noch da«, fuhr ihr die selbstbewusste Stimme von Susan Vortray dazwischen. »Das kommt nicht in Frage, dass sie sich hier die Rosinen herauspicken. Nein, nein, so geht das auf gar keinen Fall.«
Heftiges Nicken der drei anderen weiblichen Anwesenden unterstützte diese energische Feststellung, und Daisy Daily sah sich in der Minderheit. Im Nullkommanichts jedoch präsentierte sie eine praktikable Lösung dieser kniffeligen Frage: »Na, dann teilen wir die Männer eben!«
KRACKS! Bernstein gelangte zu der Meinung, dass die Kugelschreiber allmählich knapp wurden ... und lieh sich ungefragt einen Schreiber seines linken übernächsten Nachbarn aus.
»Ich wähle zuerst einen, dann Miss Vortray den nächsten, dann ist Miss Callahan dran, Miss Urban und zuletzt die Offizierin dort neben Mister Bernstein, deren Namen auf dem Schild ich leider von hier aus nicht lesen kann, aber dafür darf die dann gleich nochmal wählen, und es geht rückwärts aussuchend wieder zu mir und so weiter...«
KRACKS! Bernstein lieh sich seufzend einen weiteren Schreiber – diesmal seines rechten übernächsten Nachbarn – aus.
Ungerührt der wahrhaft destruktiven Tätigkeit des Reporters, der ihr gegenübersaß, setzte Daisy Daily ihren wohlausgewogenen Auswahlvorschlag fort: »... und so hat jede von uns dann ein paar gute und ein paar schlechtere Männer beisammen und...«
»Halt!« Jerry Bernstein hatte nun die Nase endgültig gestrichen voll. »Hier sind nur gute Männer im Raum, die Besten des Planeten, die Crème de la Crème des Männlichen ist versammelt, um mit ihren überragenden Fähigkeiten über die anderen hier zu herrschen und zu bestimmen. Jawoll!«
»JAWOLL!«, donnerte es aus vierundzwanzig rauen Kehlen zu seiner massiven Unterstützung.
»Umso besser«, keckte Miss Daily frech und unbeeindruckt zurück, »dann fange ich jetzt erst recht damit an. Hm, mal sehen...«
»STOPP!« Haller haute seine rechte Faust so vehement auf den Tisch, dass in seinem Halbkreis sämtliche Kugelschreiber in Bewegung gerieten. »Sie, werte Damen, machen das gefälligst nachher in der Kantine untereinander aus! Die Sitzung geht jetzt zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Lieutenant Schmitt-Wesson, halten Sie für die Befehlsausgabe fest, dass jede Frau auf Phönix bis übermorgen Abend fünf feste Bindungen nachweisen muss. Zum Teil wird das ja schon längst exerziert und wie und was daraus in der Realität dann arrangiert wird, geht uns weniger an und bleibt eine Angelegenheit dieses offiziellen Sechserbundes. Und das Ganze gilt für alle hier; es gibt keine einzige Ausnahme. Der Wahl der Damen wird nicht widersprochen, und Übergriffe in andere Gruppen werden strengstens bestraft! Allerdings dürfen die Damen einmal tauschen, wenn sie sich einig sind. Irren ist schließlich weiblich.«
Daisy Daily hatte ganz offensichtlich nur »tauschen« verstanden, denn sie beugte sich sogleich zu ihrer Nachbarin Susan Vortray hinüber und wisperte ihr zu, nur für diese hörbar: »Und nach ein paar Wochen tauschen wir unser Fünferpack, okay?«
Diese schüttelte jedoch nur pikiert den hübschen Kopf.
»Bernstein!«, hatte sich Haller inzwischen an den Medienchef gewandt.
»Ja?«
»Miss Dailys sämtliche Einlassungen werden aus dem Protokoll gestrichen, und ich will in den nächsten Nachrichten nichts darüber lesen oder hören, verstanden?«
»Na, klar doch, Chief, ähem, wird gemacht, Commander!«
»Gut. Nächster Punkt: Verpflegung. Da stehen wir vor der vollständigen Selbstversorgung mit dem, was diese Welt zu bieten hat.«
»Wieso?«, ließ sich Professor Holmes reichlich unbedacht vernehmen, der nach wie vor nur Augen und Ohren für sein SG-Projekt hatte. »Bis jetzt war doch noch mit dem Essen alles in Ordnung.«
»So? Dann hat Ihnen gestern Mittag in der Kantine das Worpageschnetzelte auf grünem Fettgrasspaghetti also gut geschmeckt?«
»Würg!«
»Jetzt stellen Sie sich bloß nicht so an, Professor, sie haben sich ja sogar zweimal Nachschlag geholt!«
»Klopf, klopf«, klang es durch die geschlossene Tür hinter den Militärs, die zur Leitstelle führte. Da Haller klar war, dass eine Störung, veranlasst durch den Offizier vom Dienst, auf jeden Fall äußerst dringend sein musste, denn sonst würde dieser nicht einen Melder in die Versammlung platzen lassen, unterbrach er die Sitzung sofort mit einem lauten: »Herein!«
Der Sergeant vom Dienst öffnete ruckartig, und mit eifrigem Gesichtsausdruck, der Wichtigkeit seiner Botschaft gewiss, schritt er eilig zum Commander, riss die Hacken zusammen, salutierte und übergab ihm ein Blatt mit einer schriftlichen Meldung, die er gleichzeitig laut aufsagte: »Meldung von der Planetenüberwachungsstation! Das über der Festung Xarith stationierte ›Fliegende Auge‹ hat heute am frühen Morgen Bilder vom Auszug einer kleinen Karawane aus dem westlichen Stadttor übermittelt. Diese Gruppe von neunundvierzig Reitern bewegte sich seitdem mehrere Stunden lang nordwestlich in Richtung unseres Camps. Zehn Meilen entfernt von hier hat die Hauptgruppe nun ein kleines Lager aufgeschlagen, und sieben von den Gepanzerten machen zurzeit einen Abstecher zum Bulowadorf, zu dem sie in hohem Tempo reiten. Das mitgeflogene Auge konnte per Superzoom als Anführer dieser kleinen Gruppe den Reiterführer Kardas ausmachen, sowie, im Lager zurückgeblieben, den obersten Magier der Stadt, Lacon. Dass es sich um eine friedliche Delegation handelt und diese sich noch heute hier im Camp einfinden wird, ist jetzt ganz offensichtlich. Ende.«
»Danke, Sergeant Webster, für den auf Wort und Komma mündlich wiedergegebenen Bericht. Wie haben sie den langen Wisch bloß so schnell auf dem Weg hierher auswendig gelernt?«, lobte Haller den Mann, der vor Stolz fast platzte.
Ab und zu muss man eben auch eisenharte Befehlsempfänger ölen...
... und unter dieser Sonne ohnehin. Übrigens bekam sie den Namen »Glühendes Ei«, denn das passte zur Phönixlegende, in der dieser Vogel sich in das brennende Nest stürzte und aus einem glühenden Ei neu entstand. Das hatte die Namensgeberin Miss Genada nun davon. Außerdem hatten die »Fliegenden Augen« bereits den ganzen Planeten abgeflogen und kartographiert. So hatte Bernstein schon eine Serie in der Zeitung über die verschiedenen Kontinente laufen, und die Leser erfuhren, dass hier die bulowaleerste Stelle dieser Welt war, vordem wohl mit Bedacht von den SG-Betreibern so gewählt. Selbst die mächtige Veste Xarith war nur ein kleiner, unbedeutender Stadtstaat im Vergleich zu den riesigen Residenzen und Reichen verschiedener großer Fürsten auf den Südkontinenten, dicht besiedelt mit Millionen und Abermillionen von Bulowas. Auf Hallers Schreibtisch stand bereits ein provisorischer fußballgroßer Globus von Phönix, den der Commander gelegentlich mit heftigen Anschlägen wie eine tibetanische Gebetstrommel in Rotation versetzte, wenn ihm die Probleme dieser weltfernen Kugel, auf der er sich nun befand, über den Kopf zu wachsen drohten. Dann wünschte er sich so manches Mal, doch lieber ein »armer« UN-General mit einem Sechstel des Gehalts seines jetzigen geworden zu sein, statt nun dieses Himmelphönixfahrtskommando zu leiten.
»Gut, dann wollen wir uns jetzt mal unverzüglich darauf vorbereiten, denn ein gebührendes Empfangsritual müssen wir auf jeden Fall auf die Beine kriegen. Claydon, übernehmen Sie das. Fangen Sie gleich damit an!«
Cassius Claydon nickte eifrig, erhob sich, winkte einem weiteren Offizier zu und ging mit diesem und dem Boten durch die Tür ab, dabei breit grinsend diesem freundschaftlich leicht in die Seite boxend, war dieser Walt Webster doch ein treuer Anhänger von ihm und sogar Vorsitzender des Fan-Clubs »CC – Der unbesiegbare Phönixmann«.
Haller ging sofort wieder zur Tagesordnung über: »Weiter im Takt: Die Garnison wird dezentralisiert! Natürlich gibt es da jede Menge Argumente für und wider. Für eine Sammlung der Kräfte spricht vor allem die Wichtigkeit des Gates. Aber sollten die Kyphorer uns doch entdecken, hätten sie uns hier mit einem einzigen großen Schlag im Sack. Und dass sie das können, steht außer Zweifel. Also müssen wir uns aufteilen, so dass die Überlebenschancen für wenigstens einige von uns steigen. Abgesehen von diesem strategischen Grund ist das auch für die Selbstverpflegung besser, denn hier wächst im weiten Umkreis bald kein Grashalm und sonstiges mehr. Also: Tausend gehen unter Claydon in den Osten, je fünfhundert nach Süd und Nord, gründen an den Küsten dieses Kontinents, den wir nun Balakonien getauft haben, an jeweils günstigen Stellen Außenposten. Den Westen mit Xarith lassen wir erst einmal außen vor, denn mit denen wollen wir keinen Konflikt heraufbeschwören.
Der Rest bleibt unter meinem Befehl hier. Zur Interkom-Interkommunikation wird ein T-Satellit in den Orbit geschossen und auf eine Umlaufbahn phönixstationär über dem Star Gate gebracht. Das übernehmen Sie, Professor Wylbert!«
Zu dem Zeitpunkt, als Jerry Bernstein seinen ersten Kugelschreiber zerbrochen hatte, setzte die Schweberflotte die ersten Gruppen von Söldnern auf einem horizontweiten, bereits halb abgeernteten Fettgrasfeld ab. Dieses befand sich etwa eine halbe Flugstunde vom Lager entfernt im Westen, und die Pflanzen standen hier noch hüfthoch. Näher zum Camp war schon alles abgegrast, und die Trupps mussten nun regelrecht eingeflogen werden. Auch die Gruppe der »Weicheicher« stieg aus, bewegte sich recht steif zu den Erntegerätschaften hin, die schon seit gestern hier lagen, und begann recht träge mit der Arbeit.
Lou Gossett beugte sich zu Johnny Red Cloud hinüber und flüsterte: »Ich hau jetzt ab, wie abgemacht. Ihr macht die Ernte für mich mit und ich sehe zu, dass ich so viel von dem Zeugs auftreibe, wie ich nur tragen kann.«
»Hoffentlich brichst du erst darunter zusammen, wenn du damit wieder hier bist«, ermunterte ihn der Angesprochene auf seine sarkastische Weise, »mach dich endlich los!« Und mit seiner Machete mähte er das erste Büschel des fetten Grases ab.
Gossett spurtete tief gebückt durch das Gras davon, verfolgt von den erwartungsvollen Blicken seiner Kameraden, die nun in der Hoffnung auf baldige Erleichterung mit neuer Energie an die Arbeit gingen.
Lou bahnte sich indessen seinen Weg weiter, und wenn ihn welche aus den anderen Gruppen verwundert ansahen, zeigte er mit entsprechenden Gesten an, dass er austreten müsse.
Schnell war er außer Sichtweite der Erntehelfer, und keiner der anderen beachtete ihn mehr. Obwohl das Feld riesig war, kam er bald an einen Hain, hinter dem sich leicht bergan steigend eine wildere Vegetation ausbreitete. Von anderen, auch konsumierenden Söldnern wusste Lou, in welchen Biotopen das Breitblatt wuchs. Er hielt Ausschau nach feuchteren Gegenden und niedrigem Strauchwuchs mit stachligen Ästen in der Nähe von fließendem Wasser.
Endlich hörte er es plätschern und brach sich mit seiner Machete einen Weg durch das Unterholz dem Geräusch entgegen. Von einer weit entfernten Kuppe schlängelte sich ein Bach durch die Wildnis – und richtig, hier gingen die dornigen, fast kerzengeraden Äste weit über den Bach hinweg, und die Blätter hingen in langen, parallelen Reihen herab bis fast zur ständig gluckernden Oberfläche des Wassers.
Lous Augen gingen ihm fast über; er riss das nächstbeste Blatt ab und stopfte es sich zusammengeknüllt in den Mund. Obwohl ihm fast schlecht wurde von dem bitteren Geschmack und die Wirkung ohne die Aufbereitung nur gering war, verspürte er doch ein leichtes Nachlassen seines Verlangens und spuckte den ausgekauten grünen Klump erleichtert aus. Bis zur Rückkehr würde er erst einmal weniger leiden.
Er säbelte zehn drei Meter lange Äste ab, hackte hastig die störenden Dornen ab und trug so mehrere hundert Blätter zu seinen Kumpels zurück, von denen er in hellster Begeisterung in Empfang genommen wurde.
Während Corcoran auf dem gemähten Rasenplateau auf einer ausgefächerten Lage geschnittenen Grases in aller Eile für sich und die anderen ordentlich gewürzte und gerollte Portionen fertig machte, rissen die anderen voller Ungeduld bereits Blätter von den Zweigen, knüllten diese einfach zusammen und zerkauten sie hastig, auch wenn die Wirkung so sehr viel geringer war, denn nur mit dem Planetengewürz ging es erst wirklich so richtig auf den Trip.
Kauklumpen ausspeien und die erste fertige Rolle reinstopfen war ein Vorgang, und sie mampften wie um die Wette. Da sie nun im Überfluss schwelgten und Hunderte von Blätter hatten, machte sich schon jeder die nächste Rolle selbst zurecht, wie sie es eben konnten, und stopften sich auf diese Weise innerhalb kurzer Zeit gut ein halbes Dutzend hinterher.
Um später nicht von den anderen gestört zu werden, hatten die fünf Verbliebenen der Gruppe sich im Laufe des Tages immer weiter nach Norden von den anderen Erntegruppen weggemäht, so dass Lou nach seiner Rückkehr sogar eine Weile nach ihnen hatte suchen müssen. Dafür konnten sie nun ungehemmt genießen, und so taten sie es eine gute Stunde lang, bis sich ein Gleiter näherte, um die geernteten Garben einzuladen.
»Ojemine, wo mäht ihr denn hin?«, machte der Pilot sie gleich nach der Landung lauthals an, als er die Kabinentür beiseite fahren ließ. Darauf ließ er aber ein sympathisches Lachen folgen, und man sah ihm an, dass er dies nur als kameradschaftliche, gutmütige Anmache gemeint hatte. Dann stieg er behäbig aus, steckte sich die Daumen in sein Koppel und näherte sich im gemächlichen Seemannsschritt Lou Gossett, der ihm sogleich entgegengegangen war, ihm flüchtig zunickte und sich seitlich zu einem hohen Haufen Fettgras hinabbeugte, um so die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zu lenken, damit der nicht bemerkte, was sie da weiter hinten trieben. Dabei ließ er sein langes Messer in der Rechten jedoch nicht los.
»Warum bleibt ihr nicht in der Reihe, wie die anderen da hinten, he?«, grinste der Pilot Gossetts Rücken an, erkannte nun erst diesen und auch die anderen und fuhr fort: »Ach, ja, jetzt versteh’ ich! Ihr seid ja diese ›Weichis-ohne-Eier‹ und geht immer eure eigenen Wege! Hahah...!«
Lou hatte zunächst nur den Gleiter in seinen Besitz bringen und sich mit den anderen absetzen wollen. Vielleicht hätte er den Mann betäubt und liegen gelassen, aber nach dessen Worten und dem darauf folgenden abfälligen Gelächter wirbelte er blind vor Wut herum und zog die Klinge seiner Machete mit einer solchen Kraft durch den emporgereckten Hals, wie sie nur unbändiger Zorn ermöglicht, und sprang dem wirbelnden Kopf sogleich hinterher, um ihn nach seinem Aufprall in zwei noch lachende Gesichtsteile zu halbieren und unmittelbar darauf zu vierteln.
Die anderen rannten nun herbei und stürzten sich enthemmt auf den Körper des Piloten, hieben die vier Extremitäten davon ab, und jeder nahm sich sein Stück vor, um es klitzeklein zu hacken.
Thok war mit seinem Teil, dem rechten Arm, recht schnell fertig, atmete tief und heftig ein und aus und sah sich nach O’Shea (linker Arm), Janet Evans (rechtes Bein) und Corcoran (linkes Bein) um, die noch beschäftigt waren.
Red Cloud war auch schon fast fertig, obwohl er den Torso hatte, aber er war stark und hieb wie ein Berserker.
»Schon gut, Leute, hört mal auf, wir haben jetzt Wichtigeres zu tun. Verplempern wir hier nicht mehr unsere Zeit, sondern machen wir uns endlich los«, versuchte Thok, seine Kumpel zu bremsen. Er wandte sich zu Lou um, der gerade dabei war, das letzte Schädelzweiunddreißigstel in zwei Vierundsechszigstelpartikel zu zerlegen: »Lou! Lass jetzt gut sein! AUFHÖREN!«
Widerwillig ließ dieser ab und sah mit blutrünstigen Augen zu seinen Kumpanen hinüber.
»Zum Bulowadorf!«, kommandierte nun Johnny Red Cloud, stieg auch sofort als Erster in den Gleiter und winkte den anderen heftig zu.
Lou Gossett fletschte die Zähne, schmierte sich mit der Linken grau-gallertige Hirnspritzer aus seinem Gesicht, strahlte ob des zu erwartenden Schlachtfestes, sprang zu dem Gefährt, johlte begeistert, dabei das blutige Schlagmesser herumschwingend, und zog dieses erst dann zu sich in die Kabine, als sich die Tür bereits schloss und es fast in dem Spalt stecken geblieben wäre.
Dass sie trotz allem nicht vergaßen, die Zweige mit den restlichen Blättern mitzunehmen, brauchte nicht extra erwähnt zu werden, denn so etwas vergaß kein Süchtiger.
*
Nach einer kurzen Pause, in der die Wissenschaftler und Techniker sich vor allem über die Aufgabenverteilung für den Raketenstart, mit dem das Satellitenprojekt seinen Anfang nehmen sollte, beratschlagten, klopfte Haller auf den Tisch.
»Meine Damen und Herren, wir wollen weitermachen. Der nächste Punkt ist die Kontaktaufnahme mit anderen Welten, beziehungsweise wir müssen in Erfahrung bringen, was eigentlich im Heimatsystem und anderswo am Laufen ist! Wir können hier nicht wie Robinson Crusoe auf Flaschenpost warten, sprich auf Nachrichten per Star Gate hoffen, sondern müssen die Initiative ergreifen und...«
»Klopf, Klopf«, erklang es nun zum zweiten Mal durch die gleiche Tür wie vorhin. Aber dieses Mal reagierte der Commander ungehalten, denn er kam kaum voran mit der Tagesordnung. Trotzdem rief er ein »Herein!«
Wieder war es Walt Webster, dem man es diesmal aber ansah, dass er erstens schlechte Nachrichten hatte und zweitens sehr wohl spürte, dass die Störung seinem Chief Jeff Haller nicht passte. Trotzdem reichte er ihm zackig das Blatt und sagte wieder aufs Komma fehlerfrei den Text auf: »Meldung von der Planetenüberwachungsstation. Das über dem Bulowadorf positionierte ›Fliegende Auge‹ hat das Eindringen eines Gleiters registriert, der eigentlich zur Fettgrasernte abkommandiert ist. Eine sofortige Nachfrage dort ergab, dass jener Pilot offensichtlich von einer Gruppe Söldner erschlagen wurde und diese mit dem Gefährt unerlaubterweise nun in diese Zone eingedrungen sind. Lieutenant Claydon hat daraufhin sofort der am nächsten positionierten Einheit der Militärpolizei den Befehl zum Eingreifen gegeben. Zurzeit ist zu beobachten, dass diese Gruppe im Dorf brandstiftet und metzelt. Da, wie berichtet, sieben Reiter von Xarith sich auf dem Weg dorthin befinden und fast angelangt sind, ist eine Eskalation der Ereignisse zu befürchten, die auch ernste politische Folgen in Bezug auf die Gesandtschaft haben kann. Ende.«
»Danke!«, nickte der Commander dem Sergeanten zu, sich nicht ein anerkennendes Nicken verkneifend über dessen gutes Gedächtnis, »das war doch sehr wichtig. So ernst ist die Lage nun, dass es keinen Sinn mehr hat, die Sitzung fortzusetzen, zumal wir noch heute die Gesandtschaft gebührend empfangen wollen. Meine Herrschaften! Die Sitzung ist aufgehoben und wird zu gegebener Zeit, frühestens übermorgen, erneut anberaumt!«
*
»Sergeant!«
»Ja, Sir?«
»Wir legen eine Rast ein. Lassen Sie die Leute absitzen.«
»Ja, Sir!« Sergeant Jim LaValle hob sich leicht in die Steigbügel, so dass er sich im Sattel des breiten Pferderückens drehen konnte, bis er die nachfolgenden Soldaten ins Blickfeld bekam: »ALLE MANN, ABSITZEN!«
Nur zu gern folgten die zweiundzwanzig in zwei Reihen nachfolgenden Reiter dem Befehl, pflockten die Pferde an ihren kurzen Beinen an und machten es sich sogleich bequem. Lieutenant Frank Wayne stapfte zügig durch das hohe Gras davon, denn um auszutreten wollte er außer Sichtweite kommen. Kaum hatte er sein kleines Geschäft erledigt, summte sein Interkom auf und stellte sich auf Empfang ein: »Lieutenant Wayne?«
»Ja? Wayne ist hier, auf Empfang! Ich höre Sie, Sir!«