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Bevor im Fernsehen die Abenteuer von Jean-Luc Picard und seinen Freunden fortgesetzt wurden, schrieb eine langlebige Romanreihe ihre Geschichten weiter. Dieser Relaunch der Next Generation knüpfte an den letzten Kinofilm Nemesis an und konfrontierte die Crew der Enterprise mit schwerwiegenden Epochenbrüchen - sei es eine nie dagewesene Borg-Invasion und der anschließende Wiederaufbau oder das Aufkommen eines neuen kalten Kriegs in der Galaxis. Auf den Seiten der Romanfortführung mussten Picard und seine Mitstreiter so mutig und entschlossen wie nie zuvor für die Sicherung der Zukunft kämpfen. Dieses Sachbuch trägt alles Wichtige über dieses einzigartige Sequelprojekt zusammen und bespricht sämtliche Werke. Nur der Himmel ist das Limit!
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Seitenzahl: 354
Veröffentlichungsjahr: 2025
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„Warum bringen sich Menschen um? Weil sie mehr Angst davor haben, zu leben. Weil sie sich den Entscheidungen nicht stellen wollen, die sie treffen müssen, der Verantwortung, die sie zu schultern haben, wenn sie weitermachen.“
Er starrte sie einen langen Moment an. „Wollen Sie damit etwa sagen, dass ich solche Angst davor habe, Vater zu werden, dass ich lieber in den Tod gehe?“
„Was ich sage, ist dies: Dass Sie, wenn Sie in die Zukunft blicken, nur den möglichen Schmerz und Verlust sehen. Sie sehen die schwierigen Zeiten, in denen wir leben. Sie sehen die Borg, die zerstören, was Ihnen lieb und teuer ist. Sie sehen sich selbst die Trauer um den Verlust eines Kindes durchleiden. Aber so funktioniert es nicht, Picard. […] Wenn Sie in diesen Zeiten, in denen wir nun mal leben, weiterhin ein Beispiel abgeben wollen, dann brauchen Sie etwas, wofür Sie leben. Wofür Sie brennen.“
- Guinan und Jean-Luc Picard in Mehr als die Summe
Einführung
| Forschen war gestern…
01
| Post-
Nemesis
/Prä-
Destiny
: Schatten am Horizont (2379-81)
02
| Der schlimmste Feind: Was sagen die
Star Trek
-Romane über die Borg?
03
| Alltagsabenteuer im großen Abenteuer: Über das Familienleben im All
04
| Crossover: Das Ende der Galaxis, wie wir sie kannten (2381)
05
| Crossover:
The Next Generation
in der
Typhon Pact
-Reihe (2382/83)
06
| Ein neuer Widersacher entsteht: Der Typhon-Pakt
07
| Sterbendes Volk: Das dunkle Schicksal der Andorianer
08
| Post-
Destiny
: Picard und Co. im neuen Zeitalter (2381-87)
09
| Schwere Prüfungen voraus: Die Charaktere des TNG-Relaunch
10
| Crossover:
The Next Generation
in der
The Fall
-Reihe (2385)
11
| Crossover: Vom Ende eines Universums inmitten des Multiversums (2387)
12
| Das Ende ist nicht das Ende: Zum Abschluss des
Star Trek
-Litverse in der
Coda
-Trilogie
13
| Auf Kollision mit dem Primäruniversum: Der TNG-Relaunch im Vergleich zur offiziellen Fortführung
Schlussbetrachtung
| TNG 2.0: Disruption allenthalben
Eine längliche, von einer hohen Decke herabhängende Fahne. Sie kam ihm bekannt vor. Ja, natürlich. Historisch betrachtet handelte es sich bei der schwarzen Silhouette eines Vogels auf rotem Stoff um das Symbol einer vor mehr als 300 Jahren untergegangenen Nation auf der Erde. Während die Erde begonnen hatte, sich ganz allmählich vom Dritten Weltkrieg zu erholen, erste Warp-Raumschiffe ins All aufbrachen und ein ständiger Dialog mit den Vulkaniern aufgebaut wurde, hatte der Wandel jedoch Zeit gebraucht, um die ganze Erde zu erfassen. Viele Teile des ruinierten Planeten hatten im postapokalyptischen Sumpf weitergemacht, als hätte die Zäsur sich nie ereignet; teils hatten sie sich sogar gegen die neue Ära gewehrt. Nicht nur militärisch, sondern auch propagandistisch, weshalb es Säle wie jenen gegeben hatte, in dem Picard sich nun aufhielt.
Ein Gerichtssaal für Schauprozesse aus der Postatomaren Schreckenszeit. Er war sich bewusst, dass dies bloß Kulisse war. Erwachsen aus einer zynischen Haltung von Wesen, die sich für etwas Besseres hielten. Dies war der Ort, an dem ihm das Q-Kontinuum den Prozess gemacht hatte. Nie würde er vergessen, was während des Fluges nach Farpoint Station geschehen war und ihn seither immer wieder beschäftigt, immer wieder heimgesucht hatte. Doch der Raum war jetzt gänzlich leer, und es war still.
Picard hob verwundert den Kopf und beobachtete, wie Q auf seinem mächtigen Thron zu ihm herabschwebte. Er trug wieder den weiten Umhang von Richter Gnadenlos, eine schwarzrote Robe mit einer schwarzen, enganliegenden Kapuze, die nur sein Gesicht von Wange zu Wange und vom Kinn bis zur Stirn aussparte, wodurch sein helles Antlitz wie das eines Geistes wirkte. Abgerundet wurde sein der Kulisse angepasstes Richterkostüm von einem schwarzen Barett auf dem Kopf sowie einer schweren, goldenen Kette um den Hals. Eine Kette, die schrankenlose Macht zum Ausdruck brachte.
Doch etwas war anders als sonst. Soeben entledigte sich Q seiner roten Handschuhe, als seien sie ihm etwas Lästiges geworden.
„Ich habe es Ihnen ja gesagt: Wenn Sie Angst davor haben, sich eine blutige Nase zu holen, sollten Sie lieber zuhause unter die Bettdecke kriechen.“, gab Q von sich. „Im All gibt es keine Sicherheit. Es gibt nur das Unerwartete. Und es gibt die Wunder und Überraschungen, mit denen alle Wünsche und Bedürfnisse gestillt werden. Aber Sie mussten sich ja unbedingt da hineinstürzen, nicht wahr?“ Er machte eine kreisende Handbewegung. „Zieh los, zieh los, mon capitaine. Vermutlich würden Sie sagen, es liegt in Ihrer unnachahmlichen Natur. Jean-Luc Picard war schon immer zum Forschen geboren.“
Picard gab einen mürrischen Ton von sich. „Was wollen Sie schon wieder, Q? Warum bin ich hier?“
Der Omnipotente breitete die Hände aus und grinste. „Was ich will? Das Übliche: Zuwendung, Liebe und Verständnis.“
„Ich bin nicht mehr Ihre Schachfigur.“
„Sie verkaufen sich unter Wert, Jean-Luc. Sie sind nicht bloß eine Figur. Sie sind immer das Schachbrett gewesen, auf dem das Spiel ausgetragen wird. Wissen Sie, was ich stets interessant gefunden habe. Sie halten sich für einen Entdecker. Doch tatsächlich wissen Sie kaum etwas von dem Universum, in dem Sie leben. Dieses Universum wird durch Kräfte zusammengehalten, die Sie sich nicht einmal vorstellen können. Sie haben wenig zu tun mit Wissenschaft und Mathematik, ebenso wenig mit Diplomatie und Politik. Dieser Kosmos besteht aus Wahrnehmung und Gedanken, Sphären aus Moment und Möglichkeit…“
Picard erhob sich und betrachtete den Anderen halb argwöhnisch, halb beeindruckt. „Q, was wollen Sie mir damit sagen?“
Im tiefen, verschwörerischen Blick des allmächtigen Wesens funkelte es. „Dass die wahre Forschungsreise für Sie erst begonnen hat, Jean-Luc. Eine Reise, die sich mit nichts vergleichen lässt, was Sie bisher erlebt haben. Doch ich hoffe, ich konnte Sie zumindest ein kleines Bisschen darauf vorbereiten, nach all dem Spaß, den wir miteinander hatten.
Andere Leben, andere Realitäten… All das ist für uns Q bekanntlich nur ein Fingerschnipsen entfernt. Und wissen Sie, was mir die Aufenthalte in diesen Welten mitgeteilt haben? Dass Sie, mon capitaine, wahrhaft unbestechlich sind. Mit ein oder zwei Abzügen versteht sich, wo Sie eben doch schwach geworden sind. Nein, Sie sind ganz bestimmt nicht fehlerfrei. Doch für jemanden vom Menschengeschlecht ist das eine beachtliche Leistung. Niemand kann Ihnen in dieser Hinsicht das Wasser reichen. Sie sind mal dieser und mal jener Mann, aber immer dort, wo es um etwas geht. Im Frieden, im Krieg, auf großer Fahrt, was auch immer… Sie können sich einfach nicht aus der Welt heraushalten, anders als die vielen anderen, die sich damit begnügen, den Kopf in den Sand zu stecken oder kaum über ihren Bauchnabel hinauszusehen.
Und noch etwas ist interessant. So unterschiedlich die Welten sind, so sehr werden Sie doch immer wieder umkreist von denselben Leuten… Wie ein Atom. Aber diese Gefährten haben sich immer wieder verändert. Ihr Verhalten, ihre Beziehungen, ihre Standpunkte gewechselt. Vom Leben beeinflusst. Aber Sie waren immer Sie selbst, unverbiegbar und konsequent wie keine andere Menschenseele. Ein Mann, der immer nur das Beste in uns und der Welt sieht. Er liebt nun mal die Menschen und glaubt an ihr Potenzial. An die Möglichkeiten. Egal, was andere von ihnen halten oder welche Fehler sie haben. Dieser Mann würde sich selbstlos für eine Schar Kolonisten aufopfern, die gegen ihren Willen umgesiedelt werden sollen. Ohne sie zu kennen. Nein, er würde sich für einen einzigen Fremden aufgeben, wenn es sein muss. Denn auch er hat die Chance verdient, ein wertvoller Mensch zu werden…obgleich diese Chance noch so gering ist. Und ich wusste, darum geht es hier.“
So viele Fragen wirbelten in Picards Kopf. Es waren fundamentale Fragen, die den Prozess der Menschheit betrafen und den niemals geklärten Umstand, wieso gerade er als deren Vertreter auserkoren worden war. Doch wieder einmal warf Q mit seinen vermeintlichen Offenbarungen, anstatt Antworten zu liefern, noch mehr neue Rätsel auf. „Weshalb erzählen Sie mir das? Warum hier? Warum jetzt?...“ Picard spürte, wie er seltsam fröstelte. Es war kühl geworden und unheimlich still. „Was geschieht hier?“
„Sie sind jetzt zwischen zwei Sekunden, buchstäblich zwischen Tick und Tack.“, hörte er Q sagen. „Sie müssen sich fallenlassen. Vertrauen Sie sich dem Multiversum an. Treten Sie bis zum Rand des Abgrunds des Endes aller Dinge, Jean-Luc, und ich wünsche Ihnen, dass Sie erkennen, was Ihnen so lange verborgen blieb.“
Es wurde immer dunkler. Die Umgebung des Gerichtssaals war bereits verschwunden, und die Lichtgrenze verlief nur mehr ein paar Meter jenseits von ihnen. Ein letzter Scheinwerfer, der seinen sterbenden Schein auf sie warf. „Q, ist das wieder eine Prüfung? Was möchten Sie, dass ich erkenne?“
„Es ist eine Prüfung in eigener Sache. Betrachten Sie es als Geschenk an Sie.“ Qs Stimme wurde leiser, aber auch eindringlicher. So hatte sie noch nie geklungen. „Wenn ein Universum entsteht und niemand da ist, um es zu sehen, darüber nachzudenken, ihm einen Sinn zu geben, existiert es dann wirklich? Es kann nicht das sein, was es sein muss, wenn es niemand sieht. Aber Sie sollen sie sehen. Sie sollen alle sehen. Wissen Sie noch, Jean-Luc, was ich Ihnen gesagt habe? Lösen Sie sich von Zeit und Raum…und entdeckten Sie die schieren Möglichkeiten.“ Im schwindenden Licht fiel nun sein Gesicht den Schatten anheim. „Es gibt Völker, die glauben, dass das Universum ein Bewusstsein hat. Dass es durch uns hindurchschaut, damit es sich selbst verstehen kann. Um sich selbst Bedeutung zu verleihen. Eine Unzahl von Augen, Köpfen und Herzen richtet sich auf eine einzige Frage. Ein Rätsel, um alle Rätsel zu beenden. Ein Wort.“
„Welches Wort?“, wollte Picard wissen.
Bevor alles schwarz wurde, hörte er Q zum letzten Mal, wie er sagte: „Warum?... Viel Glück dort draußen…und gute Erkenntnisse.“
Hinweis: Diese Szene entstammt nicht dem in diesem Buch zu behandelnden TNG-Relaunch, sondern wurde vom Autor im Sinne eines kleinen ‚Aperitifs‘ ergänzt.
Tod im Winter (Death in Winter)
Autor: Michael Jan Friedman
Erscheinungsjahr: 2005; deutsche Übersetzung: 2009
Zeitraum: 11/2379
Inhalt
Jean-Luc Picard scheint seine besten Tage als Captain hinter sich zu haben. Nach dem Shinzon-Zwischenfall vor ein paar Wochen hat ein Großteil der Crew die nach wie vor im Dock liegende Enterprise-E verlassen. Auch die meisten seiner Führungsoffiziere und engsten Freunde weilen nicht mehr an Bord, abgesehen von Geordi La Forge und dem Klingonen Worf, der sein heimatloses Heil vor einer Weile wieder auf der Enterprise fand. Der Verlust des Androiden Data bleibt eine zusätzliche schwere Hypothek.
Picard ist – verständlicherweise – in einer melancholischen Stimmung, seine Leute schließlich verloren zu haben; auch und v.a., was sein nie gänzlich geklärtes Verhältnis zu Beverly Crusher anbelangt, welche nun auf der Erde tätig ist. Nicht umsonst treiben ihn Erinnerungen an ihre gemeinsame Vergangenheit mit Jack Crusher um, an die Hochzeit von Jack und Beverly, auf die er als Trauzeuge mit einem tief vergrabenen Geheimnis eingeladen worden war.
Indes erfährt der Leser, dass das Romulanische Sternenimperium, so wenige Wochen nach dem Tode Shinzons, zwar mit Tal’Aura schon über eine neue Prätorin verfügt (sie unterstützte Shinzon einst und witterte schließlich selbst Oberwasser), aber innenpolitisch weit von stabilen Zuständen entfernt ist: Überall in imperialen Territorien, vornehmlich in den Randgebieten, brechen Aufstände und regelrechte Rebellionen aus, zurückgehend auf Separationsbewegungen unterdrückter Völker. Lange genug befanden sie sich im Würgegriff romulanischer Zentralgewalt und wittern nun die Chance auf Freiheit, vergleichbar vielleicht mit dem Zerfall der Sowjetunion.
Doch die Schneise des internen Konflikts zieht sich nicht nur durch koloniale Breitengrade des Imperiums, sondern auch geradewegs durch die romulanische Führung. Dabei stehen Tal’Aura und ihr gewiefter Stellvertreter Tomalak auf der einen, Commander Donatra und Admiral Suran als Vertreter eines nicht unerheblichen Teils der imperialen Flotte auf der anderen Seite. Donatra nämlich ist die stärkste Sympathisantin der Rebellen auf der romulanischen Grenzwelt Kevratas, mit deren Anführer Braeg sie eine geheime Liebesbeziehung verbindet. Auge um Auge, Zahn um Zahn: Wer sich zuerst bewegt im Imperium, ist tot.
Eines Tages schickt das Sternenflottenkommando Beverly Crusher undercover nach Kevratas, wo eine tödliche Seuche um sich greift. Sie soll im Rahmen ihrer verdeckten Mission ein Heilmittel finden. Das Oberkommando handelt dabei nicht nur aus reinem Gutmenschentum, sondern auch und v.a., weil es sich verspricht, die Sympathien der krisengebeutelten Kevratianer für die Föderation zu wecken. Kaum ist Beverly auf Kevratas eingetroffen, nimmt das Unheil seinen Lauf: Sie gerät in die Fänge romulanischer Truppen und wird als Spionin der Föderation festgesetzt – von keiner Geringeren als der durchtriebenen Sela.
An Bord der Enterprise wird Picard darüber in Kenntnis gesetzt, dass Beverly sich seit mehreren Tagen nicht mehr bei der Sternenflotte gemeldet hat und möglicherweise tot ist; diese Aussicht kann und will er nicht akzeptieren. Picard erhält vom Oberkommando den Auftrag, einen anderen Mediziner nach Kevratas einzuschleusen, der Crushers Arbeit fortsetzen soll. Man will ihm aber auch den Freiraum lassen, nach ihr zu suchen.
Da die Enterprise im Gefolge der zurückliegenden Schlacht im Bassen-Bruch alles andere als einsatzfähig ist, gibt die Sternenflotte ihm ein alternatives Reisemittel: das zivile Frachtschiff Annabel Lee unter dem Kommando seines alten Stargazer-Kameraden Pug Joseph. Begleitet wird er neben Joseph und dem benannten Arzt – Carter Greyhorse (ein nicht ganz sündenfreier Geselle!) – von einem Romulaner namens Decalon, der beizeiten zur Föderation übergelaufen ist und selbst eine Weile auf Kevratas gelebt hat.
Mit dem Abflug Richtung Neutrale Zone beginnt für Picard ein Wettlauf gegen die Zeit – und mit ihm die Erkenntnis, dass es dringender denn je ist, sich zu seinen wahren Gefühlen für Beverly Crusher zu bekennen…
Kritik
Ein Buch von ganz eigenartiger Konsistenz hat Michael Jan Friedman da abgeliefert. Denn streng genommen ist Tod im Winter kein eindeutiger Auftakt für einen Relaunch, sondern eher so etwas wie ein Nachtrag zu TNG mit eigenem Kontext. Gleichzeitig ist es auch eine verkappte Fortsetzung von Friedmans Stargazer-Reihe, sieht man einmal auf Picards Begleitung an Bord der Annabel Lee. In erster Linie aber ist es die Geschichte einer verschütteten Liebe. Und das macht den Roman, trotz manch erheblicher Mängel, zu etwas Besonderem. Es ist ein gutes Zeichen, dass man bei Pocket Books offenbar jenen Mut gefasst hat, den die Produzenten der TV-Serie anno dazumal nicht aufbrachten: Picard und Beverly eine Zukunft zu geben, selbst, wenn es bedeutet, den in Nemesis angedeuteten Weggang der Ärztin wieder zurückdrehen zu müssen.
Damit setzt das Buch von vorneherein klare Prioritäten und verspielt sein Inspirationskapital nicht in Belanglosigkeit. Einerseits liegt der Charakterfokus ausschließlich auf der Konstellation Picard-Beverly, was durch die Flashbacks trefflich untermauert wird, wo man so viel wie selten zuvor über die Vergangenheit dieser beiden Figuren erfahren darf. Andererseits wird die persönliche Problematik sehr schön in den Hintergrund der politischen Wirren im romulanischen Reich integriert, was abermals durch die Rückblenden vorbereitet wird.
Das Machtvakuum, das der Putschist Shinzon hinterließ, hat Intrigen, Mord und Todschlag freigesetzt: Verschiedene romulanische Fraktionen buhlen um die Macht. Nebenbei gesagt ist es schön, dass die Remaner diesmal außen vorbleiben. Die Auflösung des Romans in die sich gewahr werdende Liebe zwischen Picard und Beverly – ein lang überfäl-liger Prozess – lässt es einem richtig warm ums Herz werden (wobei ich mich doch zeitweilig fragte, was eigentlich aus Anij aus Der Aufstand geworden ist?) und die zuweilen kitschigen Anwandlungen verzeihen.
Speziell der Ausklang des Buches, als die Rebellen es schaffen, eine Seuche aus der Taufe zu heben, die Romulaner infizieren kann und die sich auf dem Weg nach Romulus befinden könnte, ist weitgehend geglückt. Hier winkt möglicherweise eine Fortsetzung, die Tod im Winter einen grö- ßeren Zusammenhang verleihen könnte. Demgegenüber ist der Verlauf der Kevratas-Handlung zwar spannend und actionlastig, ganz sicher aber nicht überoriginell, da gravierende Schnitzer in der Story stecken. Die grundlegende Irrlogik, wieso Beverly sich erst 40 Jahre später aufmacht, eine Seuche zu heilen, von der sie als Mädchen erfuhr, verpasst Tod im Winter einen ordentlichen Glaubwürdigkeitsdämpfer. Ebenso ist ganz und gar unverständlich, weshalb die Bewohner von Kevratas der offenbar schon so lange wütenden Seuche nicht erlegen sind. So schlimm kann sie dann doch nicht sein.
Ein paar der überhaupt sinnresistentesten Szenen darf man bestaunen, wenn es um Geordi und Worf geht. Während ihr Captain schon längst über alle interstellaren Berge ist, sitzen der Ingenieur und der Klingone auf der Enterprise und versuchen verzweifelt zu rekonstruieren, wo Picard hingeflogen sein könnte. Wie schade, dass sie niemanden kennen, der ihnen eine Auskunft erteilen will. Geordi und Worf scheinen nicht mehr ganz so gut angebunden zu sein wie früher. Und als sie Picards Aufenthaltsort schließlich doch herausfinden, macht ihnen Admiral Janeway einen Strich durch die Rechnung. Dumm gelaufen. So reißt dieser Handlungsbogen in der Mitte des Buches dann auch einfach ab. Der Verdacht liegt nahe, dass hier ein paar Seiten auf die Schnelle gefüllt werden wollten. Persönlich hätte ich es schöner gefunden, etwas daraus zu machen und die letzten Loyalen ihrem Captain zur Hilfe eilen zu lassen.
In der zweiten Hälfte des Buches büßen die Szenen merklich an Spannung ein, wirken mechanisch und sind vorhersehbar konstruiert. Da kann man die Zeilen regelrecht überfliegen. Auch merkt man, dass mit der Idee, in die Abgründe romulanischer Politik einzutauchen, in Tod im Winter bewusst gespielt wird. Doch am Ende bleibt dies Makulatur, weil man dem just im selben Jahr erschienen Pilotroman von Star Trek: Titan (Eine neue Ära) wohl nicht die Show stehlen wollte. Trotz der Skizzierung politischer Hintergründe muss sich Tod im Winter damit begnügen, so wie Nemesis mit den Remanern einen Nebenkriegsschauplatz zu thematisieren und eher an der Oberfläche zu bleiben. Ebenfalls ein Manko ist Selas Rückkehr: Wer sich auf ein gefährliches Spiel mit der hybriden Antagonistin freut, wird enttäuscht werden. Sie scheint seit den letzten Begegnungen abgebaut zu haben.
Schwierig sind schließlich die Verweise in die (ausgesprochen erfolglose) Stargazer-Reihe von Autor Friedman. Es wirkt beinahe wie eine kleine Selbstbeweihräucherung. Das Gros der TNG-Fans, die zu diesem Buch greifen, wird mit Joseph Pug und Carter Greyhorse nur herzlich wenig anfangen können und sie als ablenkenden Ballast empfinden.
Fazit
Unter dem Strich ist das alles aber zu verschmerzen, denn das Buch dreht sich, wie vom Cover bereits angedeutet, nur in zweiter Linie um Politisches. Tod im Winter sollte für das wertgeschätzt werden, worauf es von der ersten Seite aus ist: aufzuräumen mit einer totgeschwiegenen Liebe. Deshalb verteidige ich dieses Buch, weil ich finde, dass es aus der Masse der generischen Star Trek-Romane hervorsticht. Und doch kann Tod im Winter die über allem schwebende Frage, wie es denn jetzt mit TNG weiter geht, nicht hinreichend beantworten. Zu schwer wiegt da noch der in gro- ßem Stil erfolgte Wegzug der Stammbelegschaft, für die erst einmal Ersatz aufgetrieben werden muss. Der Roman ist bestenfalls ein Vorlauf für künftige Bücher, denen es zufallen wird, TNG dauerhaft wiederzubeleben. Nichtsdestotrotz will ich nicht mit Vorschusslorbeeren geizen: Tod im Winter hat bei mir gewisse Erwartungen geweckt.
Das romulanische Schisma – ein Thema der ST-Literatur
Teil des Relaunch-Universums der Star Trek-Romane ist im Besonderen die Zukunft des Romulanischen Sternenimperiums, das am Ende von TNG, DS9 und VOY als großer Rivale verblieb. Der TNG-Relaunch teasert diese Thematik mit dem Debütwerk Tod im Winter lediglich an, bevor andere Reihen die Geschehnisse nach Shinzons Staatsstreich im Imperium erheblich vertiefen. Dabei ereignen sich weitere, schwerwiegende Umwälzungen.
Obwohl Captain William Riker sich während seiner ersten Mission mit der U.S.S. Titan redlich darum bemüht hat, die brüchig gewordene Ordnung im romulanischen Reich zu stabilisieren (Roman Eine neue Ära), bricht dieses bereits 2380 an seiner schwächsten Stelle auseinander. Commander Donatra führt eine innere Rebellion an und ernennt sich zum Oberhaupt eines neu gegründeten Imperialen Romulanischen Staates mit Achernar Prime als Zentralwelt. Mit der Unterstützung eines wesentlichen Teils des romulanischen Militärs umfasst ihr Gebiet bald mehrere für die allgemeine Versorgung wichtige Welten wie Ralatak, Xanitla und Virinat. Indes verbleibt der Rumpf des alten Imperiums weiter unter Leitung von Shinzons einstiger Komplizin, Prätorin Tal’Aura. Eine politische Entwicklung von solcher Tragweite wäre nicht ohne weiteres denkbar gewesen ohne die tiefsitzende Feindschaft der beiden Regentinnen, die in Nemesis und Tod im Winter ihren Ausgang genommen hat. Ausgestattet mit weitgehenden Vollmachten, beginnen Tal’Aura und Donatra an der Spitze ihrer jeweiligen Staaten – und zunehmend auf dem Rücken ihrer eigenen Bevölkerungen – einen erbitterten Bruderkrieg auszutragen. Die Romulaner erleben einen machtpolitischen Niedergang, zumal beide Gebilde – Sternenimperium und Imperialer Staat – nur bedingt autark sind. Das Klingonische Reich gibt sich alle Mühe, die Romulaner in diesem chaotischen Zustand zu belassen. So erkennt es Donatras abgespaltenes Territorium offiziell an (Roman Die Gesetze der Föderation).
Weitere erschütternde Veränderungen folgen auf dem Fu- ße: In David Macks einschneidender Destiny-Trilogie findet eine beispiellose Borginvasion statt, an deren Ende die Bedrohung durch das kybernetische Kollektiv nicht länger existiert. Die eisige Unversöhnlichkeit zwischen Tal’Aura und Donatra trägt erheblich dazu bei, dass beide Herrscherinnen ihre Reiche in unterschiedliche Blöcke hineinmanövrieren: Tal’Aura das Imperium in den neu gegründeten Typhon-Pakt, eine Allianz, zu der auch die Tholianer, Gorn, Breen und Tzenkethi gehören; Donatra ihren Staat in ein Bündnis mit VFP und Klingonen. Weil die neue Bipolarität im Quadrantengefüge die romulanische Teilung auf absehbare Zeit zu zementieren droht, beginnt sich in beiden Reichen Missmut und Protest gegen ihre selbstherrlich agierenden Regentinnen zu regen. Die Geschichte dieser abrupten Veränderungen und neuen Konfrontationen wird v.a. im Rahmen der Typhon Pact-Reihe erzählt, insbesondere im Roman Bestien.
Widerstand (Resistance)
Autorin: J.M. Dillard
Erscheinungsjahr: 2007; deutsche Übersetzung: 2009
Zeitraum: 3/2380
Inhalt
Wie sagte Captain Kirk einst so melancholisch? – „Die Enterprise kommt mir vor wie ein Haus, das von allen Kindern verlassen worden ist.“ Und tatsächlich scheint sich die Geschichte zu wiederholen: Auch 100 Jahre später gibt es einen einsamen Enterprise-Captain, der mit dem Weggang seines Ersten Offiziers erst noch klarkommen muss. Und wo wir schon dabei sind, auch mit dem Weggang der Counselor und dem Verlust seines androiden Wissenschaftsoffiziers. Einen Vorteil gegenüber Kirk hat Picard dann doch, wenn auch erst neuerdings: Er darf jetzt neben seiner Chefärztin aufwachen, zu der er sich schließlich bekannte und die zu ihm auf die Enterprise zurückkehrte.
Aber auch sie stößt an ihre Grenzen, als Picard eines Nachts unvermittelter Dinge schweißgebadet aus einem Albtraum hochschnellt – und hinter der Stirn die Stimmen seiner wahren Nemesis vernommen hat: Borg. Die folgenden Tage und Stunden, in denen Picard seine neuen Offiziere – u.a. einen vulkanischen Counselor – an Bord begrüßt, stehen mehr und mehr im Schatten dieser nächtlichen Anwandlung. Und als sich die visionsartigen Zustände wiederholen, ist sich der Captain schnell sicher: Die Borg sind hier, hier im Alpha-Quadranten, gerade damit beschäftigt, eine neue Königin zu erschaffen. Und weil das Kollektiv durch die Taten Admiral Janeways an den Rand des Zusammenbruchs gedrängt wurde, soll es keine Assimilationsversuche mehr geben – stattdessen sollen Menschheit und Föderation ein für allemal ausgelöscht werden.
Es ist auch diese Veränderung im Selbstverständnis der Borg, die Picard wittert und die ihn mit Furcht umtreibt. Die seit seiner Deassimilation von Locutus niemals gänzlich verschwundene Intuition ob des Hive-Bewusstseins lässt ihn im Gefolge ahnen, in welchem Sektor sich der entsprechende Borgkubus befindet – ein Schiff, das tatsächlich vom Kollektiv abgeschnitten wurde und bemüht ist, sich eine neue Identität zu stiften, nachdem alle seine Transwarp-Verbindungen in den Delta-Quadranten gekappt wurden. Schnell wendet sich Picard an die Sternenflotte, doch anfänglich glaubt ihm niemand, und er ist gezwungen, auf eigene Faust vorzugehen.
Als schließlich die Sensoren der Enterprise tatsächlich einen Borgkubus auflesen, ergibt sich für den Captain schnell ein handfestes Dilemma: Während Janeway ihm befiehlt, auf die ihr zuarbeitende Seven of Nine zu warten und dieser die Untersuchung des Borgschiffes zu überlassen, verrät Picard sein berüchtigtes Bauchgefühl, dass er nicht warten kann – denn mit jeder Stunde wird der angeschlagene Kubus stärker und stärker. Wohl wissend, dass bislang immer auch eine gehörige Portion Glück gegen die kybernetischen Invasoren im Spiel war, widersetzt er sich der Anweisung aus dem Oberkommando und schlägt – wie schon sieben Jahre vorher – auf eigene Faust los.
Seine Vorahnung scheint einzutreffen: Als ein Außenteam mit konventionellen Methoden versucht, den Kubus zu entern und dabei getötet wird, ergeht rasch die Erkenntnis, dass die Borg sich wirklich verändert haben. Picard realisiert, dass es nur eine Möglichkeit gibt, die hier heraufkeimende Bedrohung abzuwenden: Er muss sich seiner größ-ten Angst stellen. Er muss wieder Locutus von Borg werden…
Kritik
Mit dem – abgesehen von der Picard-Beverly-Beziehung – eher seichten, wenn auch nicht schlechten Übergangsroman Tod im Winter
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