Star Wars. Das Erbe der Jedi-Ritter 10. Jainas Flucht - Elaine Cunningham - E-Book

Star Wars. Das Erbe der Jedi-Ritter 10. Jainas Flucht E-Book

Elaine Cunningham

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Beschreibung

Jaina Solo flieht nach einer verlustreichen Mission aus dem Territorium der Yuuzhan Vong. Von Trauer und Rachegedanken beherrscht, ist sie blind für die Gefahr, selbst von der dunklen Seite der Macht verschlungen zu werden …

Die einzelnen Folgen spielen mehr als 20 Jahre nach »Die Rückkehr der Jedi-Ritter« (Episode VI).

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Seitenzahl: 420

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Inhaltsverzeichnis

WidmungDanksagungDramatis PersonaeKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28EpilogCopyright

Für Erik Kulis, meinen Neffen,einen Star-Wars™-Fan,der mitten im voll besetzten Kinoam Ende des Kampfes zwischen Obi-Wan undDarth Maul aufstand und schrie: »NEIN!«

Danksagung

Mein Dank gilt Shelly Shapiro und Sue Rostoni, die mich mit großer Geduld durch den Schreibprozess begleiteten, und Kathleen O’Shea David, die an vorderster Front mitwirkte. Auch bin ich dankbar für die Anmerkungen, Vorschläge und die Detailgenauigkeit, die mir von den aufmerksamen Wächtern der Kontinuität bei Lucasfilm Ltd. zuteil wurde. Dank an alle, die sich an dem E-Mail-Brainstorming beteiligten und mir wichtige Informationen zugänglich machten: Troy Denning, Grey Keyes, Mike Friedman, Matt Stover, Walter Jon Williams und Aaron Allston. Des Weiteren geht mein Dank an Chris Perkins und Dave Gross vom Star Wars™ Gamer-Magazin, weil sie mir die Möglichkeit boten, einige weitere Geschichten über Jaina und ihre Freunde zu schreiben. Dank an die Star-Ladys für ihren Optimismus, und an Fred Espenchied, der einen enormen Beitrag für die Online-Gemeinschaft leistet. Dank an Andrew Cunningham für die Diskussionen über Schwarze Löcher, dunkle Themen und die Star Wars™-Technologie, und an Sean Cunningham, der meine Sympathien für Tenel Ka teilt.

Schließlich möchte ich mich noch bei R. A. Salvatore bedanken, der meinen Namen ins Spiel gebracht hat. Nochmals danke, Bob.

Dramatis Personae

Han Solo: Kapitän des Millennium Falken

Harrar: Priester der Yuuzhan Vong

Isolder: hapanischer Prinz

Jagged Fel: Kommandant im Chiss-Geschwader

Jaina Solo: Jedi-Ritter

Khalee Lah: Yuuzhan-Vong-Krieger

Kyp Durron: Jedi-Meister

Leia Organa Solo: Botschafterin der Republik

Lowbacca: Jedi-Ritter, ein Wookiee

Ta’a Chume: frühere hapanische Königin

Tenel Ka: Jedi-Ritter

Teneniel Djo: hapanische Königin

Trisdin Gheer: Höfling

Tsavong Lah: Kriegsmeister der Yuuzhan Vong

Zekk: Jedi-Ritter

1

Die Korona der aufgehenden Sonne ließ die riesigen Wälder im Norden des Planeten Myrkr grünlich leuchten. Aus dem Raum betrachtet wirkte der Planet so fruchtbar und grün wie Yuuzhan’tar, die verlorene Heimatwelt aus den Legenden der Yuuzhan Vong.

Zwei männliche Yuuzhan Vong standen am Sichtfenster eines Priesterschiffes und hatten sich tief in die Betrachtung der Szene vor sich versenkt. Einer war groß und hager, hatte eine flache Stirn, und sein Gesicht wies scharfe, aristokratische Züge und die Narben vieler Opfer auf. Diese Male sowie sein geschickt gewickeltes Kopftuch machten ihn als hochrangigen Priester kenntlich. Sein Gefährte war jünger und breiter und körperlich so imposant, dass man auf den ersten Blick keine sichtbaren Grenzen zwischen Rüstung und Waffen und dem Krieger, der sie trug, erkennen konnte. Er zog stets die Blicke aller auf sich und erweckte den unauslöschlichen Eindruck einer lebendigen Waffe. Doch nun hatte er respektvoll Haltung angenommen.

Der Priester wies mit der dreifingrigen Hand auf die Szene vor ihnen. »Dämmerung: heller Tod der sterblichen Nacht«, rezitierte er.

Harrars Worte folgten dem abgedroschenen Pfad der Sprichwörter, aber in seinen Augen funkelte eine aufrichtige Ehrfurcht, während er die ferne Welt betrachtete. Der junge Krieger legte in einer frommen Geste zwei Finger an die Stirn, doch seine Aufmerksamkeit galt weniger dem strahlenden Anblick von Myrkr, sondern viel mehr dem Gefecht, das sich über dem Planeten abspielte.

Vor der grünen Welt zeichnete sich ein faustgroßer Klumpen schwarzer Yorikkoralle ab. Das alte Weltschiff, auf dem hunderte Yuuzhan Vong mit ihren Sklaven und Dienstwesen lebten, wirkte wie ein lebloser Stein. Doch als sich Harrars Priesterschiff näherte, konnte man die Zeichen eines Kampfes erkennen: Winzige Korallenflieger schwärmten umher und stachen zu wie Feuermücken, Plasmageschosse wogten in wildem, unregelmäßigem Rhythmus hin und her. Wenn das Leben aus Schmerz bestand, war das Weltschiff sehr lebendig.

»Wir treffen zur rechten Zeit ein«, stellte der Priester fest und blickte den jungen Krieger an. »Diese jungen Jeedai scheinen entschlossen zu sein, sich als würdige Opfer zu präsentieren!«

»Wie Sie meinen, Eminenz.«

Die Worte klangen höflich, doch abwesend, als schenke der Krieger ihnen nur wenig Aufmerksamkeit. Harrar betrachtete seinen Begleiter forschend. Die Missklänge zwischen Priester- und Kriegerkaste waren längst nicht mehr zu übersehen, doch fiel ihm bei Khalee Lah nichts auf, das auf solche Vorbehalte hindeutete.

Der Sohn des Kriegsmeisters Tsavong Lah war ein stolzer Yuuzhan Vong. Seine ursprünglich graue Hautfarbe war nur noch an wenigen Stellen zwischen den schwarzen Narben und Tätowierungen sichtbar. Der Kommandantenmantel hing an den Haken, die in die Schultern implantiert waren. Weitere Implantate in Form von Stacheln zierten seine Ellbogen und die Fingerknöchel seiner Hände. Ein kurzer, dicker Dorn ragte aus der Mitte seiner Stirn – eine schwierige Operation, die auf wahre Würde schließen ließ.

Harrar fühlte sich geehrt, dass dieser viel versprechende Krieger ihm als militärische Eskorte zugeteilt worden war, aber er war wachsam und dazu ziemlich neugierig. Wie jeder gute Priester von Yun-Harla, der Göttin der List, genoss Harrar Spiele der Täuschung und der Strategie. Sein alter Freund Tsavong Lah beherrschte das vielschichtige Handeln meisterhaft, und von dem jungen Kommandanten erwartete Harrar das Gleiche.

Khalee wandte sich um und stellte sich der Musterung durch den Priester. Sein direkter Blick ließ keinesfalls den nötigen Respekt vermissen. »Darf ich offen sprechen, Eminenz?«

Harrar vermutete langsam eine Absicht dahinter, dass Tsavong Lah seinen Sohn zu einem Priester der List geschickt hatte. Offenheit war eine Schwäche – eine potenziell tödliche.

»In dieser Angelegenheit sollten Sie das Urteil des Kriegsmeisters bedenken«, riet er und versteckte mahnende Worte hinter seiner scheinbaren Zustimmung.

Der junge Mann nickte ernst. »Tsavong Lah hat Sie mit dem Opfer der Zwillings-Jeedai betraut. Noch liegt es in den Händen der Götter, ob sein letztes Implantat erfolgreich anwachsen wird, und Sie sind der Fürsprecher seiner Wahl. Wen der Kriegsmeister achtet, den verehre ich.« Er beendete seine Worte, indem er sich auf ein Knie niederließ und sich voller Respekt verneigte.

Dies war keineswegs die Botschaft, die Harrar zu übermitteln beabsichtigte, aber Khalee Lah schien mit dem Gespräch zufrieden zu sein. Er erhob sich und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Weltschiff.

»Offene Worte also. Mir kommt es so vor, als würde der Kampf nicht so verlaufen wie erwartet. Vielleicht nicht einmal so gut, wie Nom Anor berichtet hat.«

Harrars vernarbte Stirn verzog sich finster. Er selbst hatte ebenfalls keine gute Meinung von dem Spion. Aber Nom Anor durfte den Rang eines Exekutors sein Eigen nennen, und man konnte ihn nicht so ohne weiteres kritisieren.

»Solche Worte nähern sich gefährlich Verrat, mein junger Freund.«

»Die Wahrheit ist niemals Verrat«, widersprach Khalee Lah.

Der Priester wog diese Worte sorgsam ab. Für die Priesterschaft von Yun-Harla und auch für einige andere Gruppen stellte dieses Sprichwort nur einen ironischen Scherz dar, die Ernsthaftigkeit des jungen Mannes ließ sich hingegen nicht verkennen.

Harrar setzte ebenfalls eine ernste Miene auf. »Erklären Sie.«

Khalee Lah zeigte auf einen kleinen dunklen Punkt, der sich von dem Weltschiff fort- und in schrägem Winkel auf das Priesterschiff zubewegte. »Das ist die Ksstarr, die Fregatte, mit der Nom Anor nach Myrkr gekommen ist.«

Der Priester beugte sich zu dem Sichtfenster vor, doch verfügte er nicht über so scharfe Augen wie Khalee Lah mit seinen Implantaten. Er tippte gegen das Portal. Als Reaktion wischte eine dünne Membran über die transparente Oberfläche und reinigte sie. Das lebende Gewebe formte sich neu und verstärkte die konvexe Wölbung, was zu einer leichten Vergrößerung führte.

»Ja«, murmelte der Priester und bemerkte die eindeutigen Knoten und Knollen an der Unterseite des sich nähernden Schiffes. »Wenn der Kampf gegen die Jeedai so gut wie gewonnen ist, wie Nom Anor berichtet hat, warum flieht der Exekutor dann? Ich muss sofort mit ihm sprechen!«

Khalee Lah wandte sich der Tür zu und wiederholte Harrars Worte als Befehl. Die Wachen, die dort standen, schlugen die Fäuste mit gekreuzten Armen an die Schultern und entfernten sich, um den Wünschen ihres Kommandanten nachzukommen.

Das Klicken chitinartiger Stiefel kündigte die Untergebene an. Eine Kriegerin, die protzig grün und gelb tätowiert war, betrat den Raum, und in den krallenartigen Händen hielt sie einen verzierten Gegenstand. Sie verneigte sich, zeigte den Villip Harrar und stellte ihn auf einen kleinen Ständer.

Der Priester schickte sie mit einem abwesenden Wink hinaus und streichelte die empfindungsfähige Kugel. Die äußere Schicht stülpte sich um, das weiche Gewebe nahm die Gestalt von Nom Anors vernarbtem Gesicht an. Eine Augenhöhle war leer, das geschwollene Lid schien in dem blauen sichelförmigen Sack unter der Höhle zu verschwinden. Das Gift spritzende Plaeyrin Bol, das einst Nom Anors Äußeres geprägt hatte, war verschwunden, und offensichtlich hatte der Exekutor noch nicht die Möglichkeit erhalten, es zu ersetzen.

Harrar kniff zufrieden die Augen zusammen. Nom Anor hatte wiederholt versagt, doch niemals hatte er die Verantwortung für seine Handlungen übernommen. In einer Weise, die für einen Yuuzhan Vong höchst unwürdig war, hatte er stets anderen die Schuld zugewiesen. Harrar war für seinen Anteil an einer missglückten Spionageaktion zeitweise degradiert worden; Nom Anor hatte man lediglich eine Rüge erteilt, obwohl seine Agenten eine wichtige Rolle beim Scheitern des Plans gespielt hatten. Für Harrar sah es nun so aus, als würde der Gerechtigkeit der Götter in nicht ferner Zukunft Genüge getan.

Dem etwas undeutlichen Abbild von Nom Anor gelang es, ein Gefühl der Ungeduld oder sogar der Sorge zu übermitteln.

»Eminenz?«, sagte Nom Anor.

»Ihr Bericht«, erwiderte Harrar knapp.

Nom Anor kniff das eine Auge zusammen, und einen Moment lang glaubte Harrar, der Exekutor wolle protestieren. Als Agent hinter den feindlichen Linien wurde Gehorsam gegenüber der Priesterschaft selten von ihm verlangt. Sein Schweigen dauerte jedoch länger, als es sein Stolz verlangt hätte, und Harrar befürchtete langsam, Khalee Lahs Verdacht sei möglicherweise gar nicht so weit von der bitteren Wahrheit entfernt.

»Sie haben verloren?«

»Wir mussten Verluste hinnehmen«, berichtigte Nom Anor. »Die Voxyn-Königin und ihre Nachkommenschaft wurden vernichtet. Die beiden Jedi, die auf dem Weltschiff gefangen gehalten wurden, sind befreit worden. Ihnen, wie auch einigen der anderen, gelang die Flucht.«

Harrar blickte Khalee Lah an. »Haben Sie das Fluchtschiff der Ungläubigen gesichtet?«

Der Krieger riss die Augen auf, und einen Moment lang leuchtete das Gesicht begreifend und voller Entsetzen auf, ehe dieses Gefühl sich verflüchtigte und die Miene sich zornig verdüsterte.

»Fragen Sie, wer die Ksstarr fliegt: der Exekutor oder die Ungläubigen?«

An diese Möglichkeit hatte Harrar noch gar nicht gedacht. Rasch gab er die Frage über den Villip weiter.

»Einigen der Jedi ist es gelungen, die Fregatte unter ihre Kontrolle zu bringen«, räumte Nom Anor ein. »Wir verfolgen sie, und die Kaperung dieses Schiffes wird einen weiteren Sieg für uns darstellen.«

Kaperung. Harrar drehte sich der Magen um, denn das eine Wort bestätigte die Identität der entkommenen Jedi.

»Kaperung!«, wiederholte Khalee Lah verächtlich. »Sie sollten das besudelte Ding lieber in Korallenstaub verwandeln! Welcher Yuuzhan Vong würde noch ein von Ungläubigen verunreinigtes Schiff fliegen wollen?«

»Mehrere Jedi sind durch unsere Krieger gefallen«, fuhr Nom Anor fort, der offensichtlich den Hohn des Kriegers nicht bemerkte. »Der jüngere Solo wurde getötet. Der Kriegsmeister wird sich freuen zu erfahren, dass Jacen Solo lebt und sich in unserer Gewalt befindet.«

»Jacen Solo?«, fragte Harrar. »Was ist mit Jaina Solo, seiner Zwillingsschwester?«

Das Schweigen dauerte so lange, dass der Villip begann, sich zu seiner ursprünglichen Gestalt umzustülpen.

»Wir verfolgen sie«, erklärte Nom Anor schließlich. »Die Jedi sind nicht in der Lage, ein Schiff wie die Ksstarr richtig und über einen längeren Zeitraum zu steuern.«

»Es ist schon eine Schande, dass sie es überhaupt fliegen!«, unterbrach ihn Khalee Lah.

Harrar warf ihm einen ernsten Blick zu und wandte sich wieder dem Villip zu. »Ich nehme doch an, Sie werden diesen Jacen Solo nicht mitnehmen wollen, wenn Sie die Schwester verfolgen. Es heißt, die Jeedai können über weite Entfernungen miteinander kommunizieren, ohne Villips oder mechanische Abscheulichkeiten zu benutzen. Falls dies der Fall ist, würde er sein weibliches Gegenstück sicherlich von Ihrer Ankunft unterrichten.«

Khalee Lah schnaubte spöttisch. »Welcher Jäger hängt seinem Bissop-Rudel eine Glocke um den Hals?«

Bei diesem Vergleich musste Harrar trotz der Unhöflichkeit grinsen. Seiner Meinung nach war Nom Anor von der Dekadenz und der Schwächlichkeit der Ungläubigen befleckt. Das Bild des Exekutors, wie er hinter Eidechsen-Hunden durch Schlamm und Sumpf kriecht, passte so überhaupt nicht und war dennoch ausgesprochen reizvoll.

Der Exekutor nahm sich die Zeit, über Harrars Bemerkung nachzudenken. »Haben Sie eine militärische Eskorte?«

»Zwölf Korallenskipper begleiten das Priesterschiff. Wünschen Sie, dass wir die Verfolgung von Jaina Solo aufnehmen?«

Über das vom Villip geformte Gesicht lief eine Bewegung, als würde es nicken. »Wie Sie schon richtig erkannt haben, sollte es zwischen den beiden Jedi-Zwillingen nicht zu einem Kontakt kommen. Ich werde Jacen Solo direkt zum Kriegsmeister bringen.«

»Damit der Ruhm dem Exekutor zufällt, während sein Scheitern dem Priester angelastet wird«, knurrte Khalee Lah.

Harrar wandte sich von dem Villip ab. »Sie werden etwas lernen«, sagte er leise. »Doch lassen wir für den Moment Nom Anors Ehrgeiz außer Acht. Sie wurden dazu abgestellt, mich nach Myrkr zu eskortieren, mehr nicht. Es ist meine Aufgabe, das Opfer der Zwillings-Jeedai zu beaufsichtigen. Ich muss sie verfolgen. Khalee Lah, Sie sind nicht verpflichtet, mich zu begleiten.«

Der Krieger brauchte darüber nicht erst nachzudenken. »Diese Jeedai, diese Jaina Solo, fliegt in einem lebenden Schiff. Das beleidigt mich. Sie ist von einem Weltschiff entkommen. Das hätte nicht möglich sein sollen. Sie ist ein Zwilling, eine Eigenschaft, die den Göttern vorbehalten ist oder den Vorboten von großen Ereignissen. Es ist Blasphemie. Ich würde sie bis in die hinterste Ecke dieser Galaxis verfolgen, und wenn ich mich dazu an ein Paar sich häutender Grutchins klammern müsste.«

»Eindrücklich vorgetragen«, erwiderte Harrar trocken. Er wandte sich an den wartenden Exekutor. »Wir werden Jaina Solo zurückholen.«

»Sie zögern. Sind Sie sicher, dass Sie Erfolg haben werden?«

»Es ist der Befehl des Kriegsmeisters«, antwortete Harrar schlicht. Er blickte Khalee Lah an und fügte mit einem Hauch Strenge hinzu: »Und ein heiliger Feldzug.«

Sein Sarkasmus entging Khalee Lah. Der Krieger neigte zustimmend den Kopf, und sein Gesicht strahlte auf eine Weise, die Harrar gelegentlich schon beobachtet, aber noch nie gutgeheißen hatte.

Plötzlich lief dem Priester ein Schauer den Rücken hinunter. Eine Leidenschaft wie die von Khalee Lah erschien Harrar stets auch gefährlich. Des Kriegers Glaube barg Gestalters Kunst, was die im Scherz gemeinten Worte Harrars mit einer verschlagenen Ironie unterlegte, die der Priester stets mit seiner Göttin in Verbindung gebracht hatte.

Und hieß es nicht, dass Yun-Harla ihre hinterhältigsten Tricks für diejenigen aufbewahrte, die ihr am besten dienten?

2

Anakin ist tot. Jacen ist verschollen.

Diese Gedanken hallten durch Jaina Solos benommenes Bewusstsein und wiederholten sich beharrlich in der inneren Stille, die so tief war wie das Schweigen der wachsamen Sterne.

Diese Gedanken übertönten den Lärm des Gefechts und die hektischen Kommentare der sieben jungen Jedi, die sich abmühten, das gestohlene Yuuzhan-Vong-Schiff zu fliegen. Wie ihre Gefährten war Jaina nach Tagen des Eingesperrtseins und des Kampfes, der viel zu lange gedauert und einen zu hohen Preis gefordert hatte, in übler Verfassung und zudem nicht gerade sauber.

Nur neun Jedi hatten es zusammen mit der geborgenen Leiche ihres jungen Anführers von dem Weltschiff auf eines der kleineren Schiffe geschafft. Die Überlebenden hatten die Yuuzhan-Vong-Fregatte schnell und mit überraschender Leichtigkeit gekapert. Jaina erinnerte sich dunkel an glühenden Zorn und tödliches Licht, an ihren Freund Zekk, der sie aus dem Pilotensitz schob und auf den Platz an einem Yuuzhan-Vong-Geschütz drängte. Nun hockte sie auf der Kante eines zu großen Stuhls und feuerte Geschosse aus geschmolzenem Stein auf die Korallenskipper, welche die Jedi und das gestohlene Schiff verfolgten.

Jaina beobachtete mit eigenartiger Distanz, wie das außergalaktische Schiff auf ihren Befehl hin Plasma von sich gab, wie die Korallenskipper starben und ihre Yuuzhan-Vong-Piloten sich während der kurzen hellen Blitze vor dem dunklen Hintergrund des Raums abzeichneten. Es war ein Fiebertraum, mehr nicht, und Jaina war lediglich eine Figur, die in ihrem eigenen Albtraum gefangen war.

Jacen ist verschollen.

Das erschien ihr alles unfassbar. Es war nicht zu fassen. Jacen lebte. Er musste leben. Wie könnte sie leben, wenn Jacen tot wäre? Ihr Zwillingsbruder war stets ein Teil von ihr gewesen und sie von ihm, schon vor ihrer Geburt. Was sie waren, konnte nicht von dem getrennt werden, was sie füreinander bedeuteten.

Ihre Gedanken trudelten wie ein außer Kontrolle geratener X-Flügler. Jainas Piloteninstinkte übernahmen, und sie beendete die wilde Spirale.

Sie suchte mithilfe der Macht und wuchs über die Grenzen ihrer Kraft und ihrer Ausbildung hinaus, während sie nach ihrem Bruder forschte. Wo Jacen einst gewesen war, herrschte nun eine so unergründliche Schwärze wie die des Raums. Sie versenkte sich tief darin und spähte nach dem Ort in ihr, der stets für Jacen reserviert gewesen war. Doch auch dieser Ort war verschleiert.

Jacen war verschollen. Jaina fühlte sich nicht beraubt, sondern auseinander gerissen.

Ein Plasmageschoss flog flammend auf das gestohlene Schiff zu. Jaina schoss ebenfalls eins ab. Es raste auf das herannahende Plasma zu wie ein Komet der Rache. Die beiden Geschosse trafen sich wie Wellen aus gegenüberliegenden Ozeanen und warfen eine Gischt aus hellem Plasma in die Dunkelheit.

Zekk riss das Schiff zur Seite und drehte die Versorgungskabel der Pilotenhandschuhe bis zur äußersten Grenze, um das Schiff außer Reichweite der tödlichen Gischt zu bringen.

Zum Glück für die Jedi waren die verfolgenden Yuuzhan Vong ebenfalls zum Abdrehen gezwungen. Dieser Umstand verschaffte ihnen einen Augenblick der relativen Ruhe, in dem ihnen keine unmittelbare Gefahr drohte und sie kein deutliches Ziel hatten.

Jaina beugte sich in ihrem Stuhl vor, bis sie das Weltschiff sehen konnte, auf dem Anakin gefallen und Jacen verschollen war. Es erschien ihr eigenartig, dass so ein schrecklicher Ort plötzlich so klein wie ein Klumpen schwarzer Koralle wirkte.

»Wir kommen zurück, Jacen«, versprach sie. »Du hältst durch, und wir holen dich.«

Ich komme zurück, fügte sie im Stillen hinzu. Sie würde allein aufbrechen, wenn es so weit wäre, so wie Anakin allein nach Yavin 4 gegangen war, um Tahiri zu retten.

Jetzt war Anakin tot, und Tahiri wachte, verletzt und mit gebrochenem Herzen, über seiner Leiche. Das kleine blonde Mädchen leuchtete in der Macht wie eine Nova – Jaina konnte gar nicht anders, als ihr Leid zu fühlen. Der Bund zwischen Anakin und Tahiri war anders gewesen als der zwischen den Zwillingen, doch vielleicht nicht weniger tief.

Diese Erkenntnis traf sie wie ein Knallkäfer. Anakin und Tahiri. Wie seltsam – und trotzdem schien es richtig und perfekt zu sein.

Tränen sammelten sich in Jainas Augen und brachen das Licht eines herannahenden Strichs geschmolzenen Goldes, sodass es wie ein tödlicher Regenbogen aussah. Im Pilotensitz murmelte Zekk einen Fluch und zog die Nase der Fregatte hoch und hart nach Backbord. Das außergalaktische Schiff stieg in einer scharfen Kurve nach oben, und Jaina drehte sich der Magen um. Plasma versengte die Unterseite der Fregatte und schoss an den unregelmäßigen Korallenknötchen mit schrillem Kreischen vorbei.

Jaina zog die linke Hand aus dem lebenden Handschuh und drückte sich mit der Faust durch die Kontrollhaube hindurch die Tränen aus den Augen. Währenddessen beschrieben die Finger ihrer rechten Hand Striche und Kreise, und sie markierte das Ziel. Sie rammte die Linke wieder in den Handschuh, ballte sie zur Faust und schoss Plasma auf den angreifenden Korallenskipper ab – einen Augenblick bevor dieser ebenfalls Plasma abfeuerte.

Jainas Geschoss traf das Yuuzhan-Vong-Schiff in dem winzigen Intervall, in dem der Schild für den Angriff aufgehoben wurde. Schwarze Korallenscherben brachen explosionsartig aus dem Rumpf, und die Schnauze heizte sich zu einem Unheil verkündenden Rot auf, während geschmolzener Stein darüber hinwegwogte. Im Sichtfenster des Yuuzhan-Vong-Piloten bildeten sich Risse.

Abermals feuerte Jaina, und erneut stimmte das Timing, das in zwei langen Jahren der Übung und viel zu vielen Missionen auf Höchstleistung trainiert war. Die projizierte Gravitation des Korallenskippers schluckte das erste Geschoss; das zweite überforderte den bereits schwer angeschlagenen Rumpf. Das Schiff brach auseinander und entließ sein Leben in die Leere des Raums.

»Ich kenne das Gefühl«, murmelte Jaina.

Eine kleine, kräftige Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie spürte Tenel Kas starke Gegenwart durch die Macht – präsent, aber durch und durch anders. Ein Augenblick verstrich, bis Jaina begriff, warum: Die Gefühle ihrer Freundin, die für gewöhnlich geradlinig und unzweideutig erschienen, waren sorgsam verhüllt.

»Wir tun das Richtige für Jacen«, sagte Tenel Ka fest. »Weil sie nur einen von euch Zwillingen haben, können sie euch beiden nichts antun. Das haben wir bisher vermutet, aber jetzt haben wir den Beweis. Sie versuchen nicht, dieses Schiff zu zerstören.«

»Ich bin jedenfalls nicht der Beweis«, murmelte Zekk, während er scharf zur Seite zog, um dem nächsten Plasmageschoss auszuweichen.

»Fakt«, sagte die Kriegerin freiheraus. »Zekk, du bist zwei Jahre lang Frachtschiffe geflogen – sicherlich nicht das beste Training für diese Flucht.«

»Ja? Hier hast du noch einen Fakt: Bis jetzt habe ich verhindert, dass wir abgeschossen werden.«

»Und hier noch ein paar Fakten«, gab Tenel Ka zurück. »Jaina war im Renegaten-Geschwader. Sie hatte beim Geheimdienst der Neuen Republik Zugang zu feindlichen Schiffen. Sie hat mehr Luftkämpfe überlebt als jeder andere hier. Wenn wir hier rauskommen wollen, musst du sie fliegen lassen.«

Zekk hatte den Protest schon auf der Zunge, aber eine weitere Sperrfeuerkanonade unterbrach ihn. In wildem Zickzack wich er dem Feuer aus und brachte das Schiff in den Sturzflug. Die Wucht warf Tenel Ka in den Sitz hinter dem Piloten. Sie flüsterte etwas in ihrer Muttersprache und mühte sich mit den Haltegurten ab.

Jaina stemmte die Füße gegen den unregelmäßigen Korallenboden und wappnete sich gegen das mörderische Anwachsen der Gravitation. Sie erwartete, ihre Kontrollhaube werde sich aufblähen wie die Backen einer dagobahnischen Sumpfeidechse, doch die Haube blieb bequem sitzen. Jaina merkte sich das für die Zukunft. In jedem Schiff der Neuen Republik wäre dieses Manöver jedenfalls mörderisch gewesen; offensichtlich war die interne Gravitation eines Yuuzhan-Vong-Schiffes wesentlich komplexer und anpassungsfähiger.

Dennoch war es für einige Momente unmöglich zu sprechen. Jaina ging in Gedanken rasch die Liste der Überlebenden durch, während sie über Tenel Kas Worte nachdachte. Neun Jedi hatten es geschafft, genau einer mehr als die Hälfte des ursprünglichen Kommandoteams. Tahiri war erst fünfzehn und keine Pilotin. Sie war schwer verwundet und hatte seelische Blessuren davongetragen, und Tekli, die Chadra-Fan-Heilerin, kümmerte sich intensiv um sie. Tesar, der einzige Überlebende der Barabels, bemannte die Schildstation am Heck. Lowbacca wurde woanders gebraucht; seit ihrer Flucht rannte er herum und flickte die Wunden des lebenden Schiffes. Wenn er bei seinen Bemühungen scheiterte, redete er auf das Schiff ein oder drohte ihm mit Wookiee-Schimpfwörtern, bei denen Em Tede, der verschollene Übersetzungsdroide, seine Mühe gehabt hätte, mit eleganten Umschreibungen aufzuwarten.

Blieben also Tenel Ka, Alema Rar und Ganner Rhysode. Jaina schloss Tenel Ka aus. Yuuzhan-Vong-Schiffe wurden nicht entwickelt, um von einarmigen Piloten gesteuert zu werden. Alema konnte man vergessen. Die Twi’lek war emotional zu instabil – Jaina spürte, dass Alema sich am Rande einer blindwütigen Rachsucht befand. Wenn man Alema ans Steuer ließ, musste man unmittelbar mit einem Selbstmordangriff auf den Dovin Basal des Weltschiffs rechnen. Ganner war ein starker Jedi, ein beeindruckend aussehender Mann, der bei dieser Mission die Rolle des »falschen« Anführers gespielt hatte – als Tarnung für Anakin, den eigentlichen. Ganner hatte seine Vorteile, aber auch seine Fähigkeiten als Pilot reichten nicht aus, um sie hier herauszubringen.

Tenel Ka hatte Recht, folgerte Jaina. Anakin war gestorben, um die Jedi vor den tödlichen Voxyn zu retten. Er hatte die Führung beim letzten Teil der Mission Jacen überlassen, doch jetzt war sie diejenige, die das Ganze zu Ende bringen musste. Für die Jedi – zumindest für die Jedi auf diesem Schiff – trug nun sie die Verantwortung.

Eine leise Stimme drängte sich in Jainas Bewusstsein, kaum hörbar im Pfeifen des Sturzflugs und dem Ächzen und Stöhnen des misshandelten Schiffes. In einer dunklen Ecke ihres Verstands kauerte eine kleine Gestalt, die voller Qualen und Unentschlossenheit weinte. Jaina schlug die Tür zu und brachte ihr gebrochenes Herz zum Schweigen.

»Ganner soll hier meinen Posten übernehmen«, sagte sie, sobald sie wieder sprechen konnte.

Tenel Ka verzog das Gesicht kurz vor Sorge, aber sie löste sich aus den Haltegurten und erhob sich. Wenig später erschien sie mit dem älteren Jedi.

»Jemand muss meinen Posten am Geschütz übernehmen«, erklärte Jaina. Sie erhob sich, ohne Handschuhe oder Haube abzulegen. »Wir haben keine Zeit für eine große Einführung. Am besten arbeitest du mit mir, bis du die Sache im Griff hast. Der Sitz ist groß genug für uns beide.«

Nach kurzem Zögern ließ sich Ganner in dem Stuhl nieder. Jaina setzte sich bei ihm auf den Schoß.

Er kicherte und schob die Hände an ihren Hüften vorbei nach vorn. »Daran könnte ich mich gewöhnen.«

»Der Gedanke könnte hilfreich sein«, sagte Jaina. Sie hatte schon das nächste Schiff gesichtet. »Dann bleiben deine Hände in Bewegung.«

Verärgerung wallte von Zekk herüber, doch Jaina nahm Ganners Flirt als das, was er war. Ganner war groß, dunkel und so unglaublich attraktiv, dass er Jaina an die alten Holovids von Prinz Isolder erinnerte. Die Narbe auf seiner Wange verstärkte diesen Eindruck nur. Wenn Ganner seinen Charme zuschaltete, stieg sein Pheromon-Level vermutlich auf den eines Falleens, aber Jaina wusste sich vor so etwas zu schützen.

»Schieb deine Hände in die Handschuhe und lass deine Finger auf meinen liegen«, forderte sie ihn auf.

Während Ganner ihrer Anweisung folgte, stellte Jaina eine Verbindung durch die Macht zu ihm her. Ihr fehlte zwar Jacens Empathie, aber sie konnte mithilfe ihres Machtpotenzials Bilder an Ganner übermitteln.

Beim Zielen und Feuern formte sie also mentale Bilder von dem, was sie sah – das Gefecht, wie es sich durch das ausgedehnte Sichtfeld der Kontrollhaube darstellte, die verschwommenen konzentrischen Kreise, die als Zielgerät dienten. Durch die Macht fühlte sie die brennende Intensität von Ganners Konzentration, spürte einen Verstand und einen Willen, die beide so zielgerichtet waren wie ein Laser. Bald schon bewegten sich seine Finger mit ihren in einem präzisen Duett. Als sie glaubte, er sei bereit, zog sie ihre Hände zurück, nahm die Haube ab und glitt von seinem Schoß. Sie stülpte die Haube über Ganners Kopf.

Der Jedi zuckte zusammen, als sich die direkte Verbindung mit dem Schiff herstellte. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit gewöhnte er sich daran und feuerte Plasma auf eine heranfliegende feindliche Kugel. Die beiden Geschosse kollidierten im Raum wie ein Feuerwerk.

Ganners triumphierendes Frohlocken wurde vom Stöhnen und Beben des Schiffes verschluckt. Mehrere Plasmaspritzer hatten die Fregatte getroffen, trotz der Schildanomalie und Zekks Ausweichmanövern.

»Tenel Ka hat Recht«, sagte Jaina. »Überlass mir das Schiff, Zekk.«

Der Pilot schüttelte den Kopf mit der Haube und brachte das Schiff in den Steigflug. »Vergiss es. Du bist nicht in der richtigen Verfassung.«

Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. »Ja? Alle an Bord könnten einen Tag in einem Bacta-Tank gebrauchen, dich eingeschlossen.«

»Das habe ich nicht gemeint. Man kann von niemandem verlangen zu fliegen nach dem Verlust von … nach dem, was dort unten passiert ist«, beendete er den Satz.

Schmerz und Verlust lasteten auf dem Schweigen, das zwischen ihnen hing, und dazu die harten, noch allzu lebendigen Erinnerungsbilder.

Dann erhaschte Jaina einen Blick auf das, was Zekk am meisten beunruhigte – das Bild einer kleinen aufgelösten Frau in einem zerrissenen Overall, die einen Blitz gegen einen Yuuzhan-Vong-Krieger schleuderte. Der Moment war vergangen, ehe Jaina in dem zornigen, rachedurstigen Gesicht ihr eigenes erkannt hatte.

Plötzlich wusste sie, woher die Sorge ihres alten Freundes tatsächlich rührte. Zekk, der an der Schattenakademie zunächst die dunkle Seite kennen gelernt hatte, war in dieser Hinsicht nicht weniger wachsam als Jacen. Dass sich Zekk auf dem Pilotensitz niedergelassen hatte, hing weder mit ihrem Verlust noch ihrem Bewusstseinszustand zusammen. Er vertraute ihr einfach nicht.

Jaina stählte sich gegen den Schmerz, den dieser neue Verrat verursachte, doch der stellte sich nicht ein. Vielleicht war sie durch den Verlust von Jacen über jeden Schmerz hinaus.

Sie rief sich ein Bild des Blitzes vor Augen, den sie so instinktiv ausgelöst hatte. Sie füllte das Bild mit solcher Kraft, dass die Luft fast zu summen begann und der metallische Geruch eines Gewitters beinahe wahrzunehmen war. Dieses Bild projizierte sie ihrem alten Freund in den Kopf.

»Raus aus dem Sitz, Zekk«, sagte sie kühl und kontrolliert.

Er zögerte einen Moment, dann riss er sich die Haube herunter und stand auf. Er sah sie an, und seine grünen Augen spiegelten Sorge und Angst, woraufhin Jaina die Macht-Verbindung zwischen ihnen beendete. Sie kannte diesen Ausdruck – bei ihrer Mutter hatte sie ihn oft während der schrecklichen Monate gesehen, die auf Chewbaccas Tod gefolgt waren, als ihr Vater sich in Trauer und Schuldgefühlen verloren hatte.

Dafür war nun keine Zeit.

Jaina glitt in den Pilotensitz und überließ sich der Verbindung mit dem Schiff. Ihre Finger bewegten sich sicher und geschickt über die organische Konsole und bestätigten die Sensorimpulse, die sie über die Haube erhielt. Ja, das war der Hyperantrieb – oder das, was damit vergleichbar war. Hier der vordere Schild. Das Navigationszentrum blieb ihr ein Rätsel, doch während der Gefangenschaft hatte Lowbacca mit einem der Nervenzentren des Weltschiffs ein wenig herumgespielt. Der junge Wookiee ließ sich gern auf Herausforderungen ein, die das Unmögliche verlangten.

Plötzlich riss ein Warnsensor Jaina aus den Gedanken. Ein Chorus wortloser Stimmen ertönte überall auf dem Schiff.

Die Details über ihre Situation umspülten sie wie eine Woge. Mehrere Plasmageschosse flogen auf sie zu, auf die Unterseite des Schiffes – die bisher das bevorzugte Ziel dargestellt hatte. Korallenskipper hatten sich vor und hinter ihnen postiert, andere näherten sich von unten von den Seiten. Ein weiteres Schiff hielt auf sie zu, war noch ein gutes Stück entfernt, preschte jedoch schnell heran.

Gleichgültig, was sie tun würde, sie konnte dem Sperrfeuer nicht ausweichen.

3

Jaina hielt den Kurs und flog direkt auf die herannahenden Plasmageschosse zu. Im letztmöglichen Moment zog sie das Schiff in einen Spiralflug. Die Plasmaflut zischte an dem wirbelnden Schiff vorbei und richtete keinen nennenswerten Schaden an. Als das Kreischen, mit dem das Plasma über die lebende Koralle kratzte, nachließ, brachte sie das Schiff aus der Spirale und hielt direkt auf ein herankommendes Skip zu.

»Lowbacca, hierher«, rief sie. »Ganner, mach mir den Weg frei.«

Der Jedi-Schütze schleuderte Plasma auf den Korallenskipper, der ihnen im Weg war. Als der Dovin Basal das Geschoss absorbierte, feuerte Ganner erneut. Sein Timing war perfekt, und das Skip löste sich in einer kurzen grellen Explosion auf.

Rasch lenkte Jaina ihren Dovin Basal auf den vorderen Schild um und wich instinktiv zurück, als die Korallentrümmer gegen den Rumpf krachten. Über die Schulter blickte sie zu Zekk zurück.

»Zekk, hast du eigentlich viel Dejarik gespielt?«

»Was habe ich gespielt?«

»Habe ich mir schon gedacht«, murmelte sie. Während sich Zekk darauf konzentriert hatte, jeweils den unmittelbaren Angriff abzuwehren, hatte die von einem Yammosk koordinierte Flotte mehrere Züge im Voraus geplant und das gestohlene Schiff in eine sorgfältig aufgestellte Falle manövriert. Dejarik oder andere Strategie-Spiele hatte sie nie besonders gern gemocht, obwohl Chewbacca großen Wert darauf gelegt hatte, sie ihr beizubringen. Zum ersten Mal begriff sie nun den Grund dafür.

Lowbacca trat zu ihr und heulte eine Frage.

»Übernimm die Navigation«, sagte Jaina und deutete mit dem Kopf auf eine abgerundete, hirnähnliche Konsole. »Hyperraumsprung. Ziel: gleichgültig, nur nicht Myrkr. Kannst du die Koordination eingeben?«

Der Wookiee setzte sich, betrachtete den biologischen »Computer« und kratzte sich an der Schläfe genau an der Stelle, wo sich ein schwarzer Streifen durch sein rotbraunes Fell zog.

»Je schneller, desto besser«, meinte Ganner.

Lowbacca knurrte eine Beleidigung auf Wookiee und zog sich die Kontrollhaube über den Kopf. Nach einem Moment fuhr er eine seiner Kletterkrallen aus und schlitzte vorsichtig die dünne obere Membran durch. Mit erstaunlichem Fingerspitzengefühl berührte er Nervencluster und sortierte schlanke, lebendige Fasern, wobei er mit jeder neuen Erkenntnis zufrieden grunzte.

Schließlich wandte er sich Jaina zu und knurrte eine Frage.

»Setz den Kurs nach Coruscant.«

»Warum Coruscant?«, protestierte Alema Rar. Ihre Kopftentakel, die mit blauen Flecken gesprenkelt waren und praktisch nur noch von Bacta-Pflastern zusammengehalten wurden, zuckten vor Aufregung. »Wir werden von den Schiffen der Republik abgeschossen, ehe wir die Atmosphäre des Planeten erreichen, falls wir nicht vorher der Friedensbrigade in die Hände fallen!«

»Die Friedensbrigade besteht aus Kollaborateuren. Die haben keinen Grund, dieses Schiff anzugreifen«, konterte Ganner. »Auf der anderen Seite hat die Republik keinen Grund, darauf zu verzichten.«

Tenel Ka schüttelte den Kopf heftig und ließ ihre zerzausten rotgoldenen Zöpfe schwingen. »Manchmal ist ein lebendiger Feind so viel wert wie hundert tote. Ein kleines Schiff wie dieses stellt keine Bedrohung dar. Die Patrouille wird uns zur Landung zwingen, in der Hoffnung, ein lebendiges Schiff in die Hände zu bekommen, und man wird neugierig sein, welcher Grund ihnen die Besatzung in die Arme getrieben hat.«

»Genau das habe ich mir auch überlegt«, stimmte Jaina zu. »Also, das Renegaten-Geschwader hat eine Basis auf Coruscant, und in der Flugkontrolle sitzen Leute, die alle Tricks und Eigenheiten der einzelnen Piloten kennen. Wenn ich mit diesem Felsen ein paar eindeutige Manöver durchführe, haben wir eine gute Chance, dass man mich tatsächlich erkennt. Wie sieht es aus, Lowbacca?«

Der Wookiee nahm geschickt eine Reihe von Einstellungen vor, dann signalisierte er Bereitschaft, indem er die massigen Pranken jeweils auf eine Seite der Konsole legte und resigniert stöhnte.

Jaina aktivierte den Hyperantrieb des Schiffes. Die Wucht des Sprungs drückte sie in den übergroßen Sitz und zerrte an den Versorgungsschnüren, die Haube und Handschuhe mit dem Schiff verbanden. Plasmablitze dehnten sich aus wie ein goldener Sonnenaufgang im Dunst; Sterne streckten sich zu langen Linien.

Dann breitete sich um die Jedi Stille und Dunkelheit aus, und ein Gefühl des Schwebens ersetzte den intensiven Druck der Subraumbeschleunigung. Jaina nahm die Haube ab und ließ sich in ihren Sitz zurückfallen. Während der Adrenalinstoß langsam nachließ, spürte sie, wie die Trauer sich wieder einstellte.

Sie verdrängte die Emotionen und konzentrierte sich auf ihre Begleiter. Das nervöse Zucken von Alema Rars Kopftentakeln verlangsamte sich zu dem subtilen Schlängeln, das für weibliche Twi’leks so typisch war. Tenel Ka schüttelte ihre Haltegurte ab und begann, im Schiff hin- und herzuschreiten – bei den meisten Leuten wäre dies ein Zeichen für Rastlosigkeit gewesen, doch die Dathomiri fühlte sich am wohlsten, wenn sie in Bewegung war. Der Wookiee studierte weiter das Navihirn. Ganner nahm die Kontrollhaube ab, erhob sich und strich sorgfältig sein schwarzes Haar glatt. Er ging zum hinteren Teil des Schiffs, vermutlich, weil er nach Tahiri sehen wollte.

Jaina wollte nicht über Tahiri nachdenken, wollte sich die Totenwache des Mädchens nicht vorstellen.

Sie verdrängte das grimmige Bild, das diese Gedanken hervorriefen. Als Zekk sich dem Pilotensitz näherte, schenkte sie ihm ein dankbares Lächeln. Warum auch nicht? Er war ihr ältester Freund und eine Ablenkung zur rechten Zeit – und mit ihm konnte man wesentlich leichter umgehen als mit den meisten anderen Ablenkungen, die sich ihr in diesen Zeiten boten.

Dann leuchteten seine grünen Augen in einer Weise auf, dass sich Jaina überlegte, ob diese letzte Feststellung tatsächlich zutraf.

»Eine Weile dachte ich schon, wir würden nie nach Hause kommen«, meinte Zekk. Er ließ sich auf dem Platz nieder, den Ganner gerade geräumt hatte, blinzelte Jaina an und grinste halbherzig. »Ich hätte es besser wissen sollen.«

Sie nickte und akzeptierte seine zurückhaltende Entschuldigung, die allerdings sehr zögerlich ausfiel. Ihr alter Freund versuchte, seine Gefühle abzuschotten, doch seine Zweifel und Sorgen drangen durch.

»Bringen wir die Sache lieber jetzt hinter uns, damit wir nicht in der nächsten Krise wieder wie eine Diskussionsgruppe dastehen. Du wolltest nicht, dass ich das Schiff fliege, weil du mir nicht vertraust«, sagte sie.

Zekk starrte sie einen Moment lang an. Dann stieß er einen langen Pfiff aus und schüttelte den Kopf. »Ganz die alte Jaina – so feinsinnig wie eine Thermogranate.«

»Wenn du wirklich glauben würdest, ich hätte mich nicht geändert, dann würden wir dieses Gespräch nicht führen.«

»Lassen wir es also. Ist sowieso nicht der richtige Augenblick.«

»Du hast Recht«, gab sie zurück. »Wir hätten das schon vor einigen Tagen austragen sollen – alle zusammen. Vielleicht wären wir dann dort unten nicht auseinander gefallen.«

»Was meinst du damit?«, fragte er vorsichtig.

»Ach, komm schon. Du warst dabei. Du hast gehört, wie sich Jacen ständig unnötige Sorgen über Anakins Motive und Methoden gemacht hat und seine Entscheidungen bei jedem Schritt in Frage gestellt hat. Du hast gesehen, was passiert, wenn sich Jedi nicht mehr auf das konzentrieren, was sie tun, sondern über das Wie und Warum streiten.«

Über ihr Gesicht huschte ein schwaches, wenig amüsiertes Lächeln. »Es ist wie die alte Geschichte mit dem Tausendfüßer, der nie Schwierigkeiten beim Laufen hatte, bis ihn jemand fragte, wie er eigentlich die vielen Beine koordiniert. Nachdem er einmal damit angefangen hatte, darüber nachzudenken, konnte er überhaupt nicht mehr laufen. Höchstwahrscheinlich ist er als Abendessen einer Falkenfledermaus geendet.«

»Jaina, du kannst Jacen nicht die Schuld an dem geben, was Anakin passiert ist!«

»Das will ich auch gar nicht«, sagte sie rasch. Und weil es Zekk war, mit dem sie sprach, fügte sie hinzu: »Jedenfalls nicht die ganze.«

»Und dir selbst kannst du nicht die Schuld geben für das, was mit Jacen geschehen ist.«

Sie war noch längst nicht bereit, das einzuräumen, und sie hatte keine Lust, darüber zu diskutieren.

»Ich habe mich bis zu einem bestimmten Punkt vorgearbeitet«, erwiderte sie. »Jacen war von seiner nebulösen Vision seines Jedi-Ideals abgelenkt. Und du warst von der Furcht abgelenkt, welche die beiden dunklen Jedi in dir freigesetzt haben.«

»Aus gutem Grund. Sie sind einfach weggeflogen und haben uns sitzen lassen. Sie haben Lowbacca verwundet und Raynar entführt. Nach allem, was wir wissen, haben sie ihn getötet.«

»Dafür werden sie sich verantworten müssen. Kann ich jetzt weitererzählen?«

Ein Mundwinkel zuckte bei Zekk nach oben. »Ich habe mich schon gefragt, wann du darauf zu sprechen kommst.«

Dieser trockene Kommentar war so vertraut, so normal. Für einen flüchtigen Moment erinnerte sich Jaina daran, wer sie noch vor ein paar Jahren gewesen waren – ein furchtloser Junge, der Schreckliches überlebt hatte, und ein Mädchen, das stets voller Vorfreude auf das nächste Abenteuer zusteuerte.

Zwei weitere Opfer der Yuuzhan Vong.

»Es ist so«, sagte sie leise. »Während der letzten zwei Jahre habe ich mir ständig Anakins und Jacens Debatte über die Rolle der Jedi und unsere Beziehung zur Macht angehört. Und wohin hat das am Ende geführt?«

Zekk beugte sich vor und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie schüttelte sie ab, ehe er leere Phrasen von sich geben konnte, um sie zu trösten, ehe er die abgedroschenen Argumente wiederholte, die sie zu oft in den Auseinandersetzungen zwischen Kyp Durron und ihrem Onkel Luke gehört hatte.

»Anakin war langsam dahinter gekommen«, fuhr sie fort. »Ich habe es bei ihm nach Yavin 4 gespürt. Er hatte etwas gelernt, das dem Rest von uns fehlte, etwas, das den Unterschied hätte ausmachen können, wenn er nur Zeit gehabt hätte, es vollständig zu begreifen. Wenn es so etwas wie ein vorbestimmtes Schicksal gibt, glaube ich, wäre Anakin diesen Weg gegangen. Er war immer anders. Auf besondere Weise.«

»Natürlich. Er war dein Bruder.«

»Er ist …« Sie unterbrach sich abrupt, schüttelte die Trauer ab, die sie wie ein Stich durchfuhr, und nahm die notwendige Korrektur vor. »Er war mehr als das.«

Für die nächsten Worte nahm sich Jaina Zeit, sie gründlich zu überlegen. Von Natur aus war sie nicht gerade introvertiert; dies jedoch brannte ihr schon seit Anakins Heldentaten auf Yavin 4 auf der Seele, und noch immer konnte sie es nicht recht fassen.

»Mit Anakins Tod habe ich einen Bruder verloren, doch die Jedi haben etwas verloren, was ich überhaupt nicht zu beschreiben vermag. Meine Gefühle sagen mir, dass es etwas Wichtiges darstellte, etwas, das wir vor langer Zeit verloren haben.«

Eine Weile lang schwieg Zekk. Schließlich sagte er: »Vielleicht. Aber wir haben die Macht, und wir haben einander.«

Einfache Worte, doch mit dieser persönlichen Note wurden sie wie ein Geschenk dargeboten, das Jaina nur anzunehmen brauchte.

»Einander«, wiederholte sie leise. »Doch für wie lange, Zekk? Wenn die Jedi weiterhin solche ›Erfolge‹ feiern wie diese letzte Mission, wird bald niemand mehr von uns übrig sein.«

Er nickte und akzeptierte ihre Ausflucht, als habe er sie erwartet. »Wenigstens geht es jetzt erst einmal nach Hause.«

Abermals brachte sie ein schwaches Lächeln zustande, und im Stillen bemerkte sie einen weiteren Unterschied zwischen der Wahrnehmung ihres Freundes und ihrer eigenen. Zekk war auf Ennta geboren und mit acht Jahren nach Coruscant gebracht worden. Dort hatte er sich in den rauen unteren Ebenen des Stadtplaneten durchschlagen müssen. Jainas Eltern hatten während des größten Teils ihres Lebens in den prestigeträchtigsten Türmen der Stadt gewohnt, doch sie selbst hatte erstaunlich wenig Zeit ihrer bisherigen achtzehn Jahre auf Coruscant verbracht.

Für Jaina war Coruscant nicht ihr Zuhause. Es stellte lediglich den logischen nächsten Zug auf dem Dejarik-Brett dar.

4

In der Enge seines XJX-Flüglers streckte Kyp Durron seine schlaksige Gestalt aus, so gut er konnte. Er lehnte sich in die Kuhle zurück, die er während der vergangenen zwei Jahre und im Verlauf von mehr Gefechten, als er sich erinnern konnte, in den Sitz gedrückt hatte.

»Wie viele sind es gewesen?«, fragte er sich laut.

Ein Licht auf der Konsole blinkte und signalisierte Kommunikation von Null-Eins, dem verbeulten Q9-Droiden, den Kyp kürzlich billig aus dem Nachlass eines Mon-Calamari-Philosophen erstanden hatte.

IST DIES EINE BITTE UM KONKRETE DATEN ODER LEDIGLICH EINE RHETORISCHE FRAGE?

Kyp strich sich das dunkle Haar zurück. »Großartig. Jetzt stellen schon Droiden meine Motive in Frage.«

NICHT IM MINDESTEN. IM ALLGEMEINEN IST EIN PHILOSOPHISCHER DISPUT DEUTLICH UNTERSCHEIDBAR VON EINEM RUF ZUM KAMPF.

»Ist mir auch schon aufgefallen«, sagte Kyp trocken.

UM ZUKÜNFTIGE MISSVERSTÄNDNISSE ZU VERMEIDEN, SOLLTEN SIE DIREKTE BEFEHLE VIELLEICHT IM IMPERATIV SINGULAR ERTEILEN, ZUM BEISPIEL NACH DEM MUSTER: »GIB DIE KOORDINATION FÜR DAS ABREGADO-SYSTEMEIN« ODER »LENKE ENERGIE AUF DIE HINTEREN SCHILDE«.

»Wie wäre es mit: ›Melde dich beim Wartungsdienst für eine ersönlichkeitsveredelung‹?«, sagte Kyp.

Ein Augenblick verstrich. IST DAS EIN BEFEHL ODER EINE BELEIDIGUNG?

»Was besser funktioniert.«

Kyp überließ es Null-Eins, darüber nachzudenken, und wandte seine Aufmerksamkeit der Aufgabe zu, die vor ihm lag. Er nahm die Position an der Spitze ein. Zu beiden Seiten seines X-Flüglers flogen jeweils sechs tadellose XJ-Jäger. Das war Kyps Dutzend, die neueste Formation einer Gemeinschaft von Helden oder Renegaten oder Schurken, je nachdem, wen man fragte.

Kyp checkte ihre Position auf dem Navigationsschirm. »Spielst du immer noch den Philosophen, Null-Eins?«

ICH VERSTEHE LEIDER NICHT DIE TIEFERE SEMANTISCHE BEDEUTUNG IHRER FRAGE.

»Man könnte es als einen ›Hinweis‹ bezeichnen. Hör auf, dein … zentrales Interface-Terminal anzustarren und kümmere dich um die Astronavigation. Wir sollten in Kürze unsere Hyperraumkoordinaten erreichen.«

WAS MIR DURCHAUS BEWUSST IST. ES IST MÖGLICH, GLEICHZEITIG ZU DENKEN UND ZU HANDELN, erwiderte der Droide.

»Offensichtlich warst du in letzter Zeit bei keiner der Jedi-Versammlungen«, meinte Kyp.

SIE SIND DER EINZIGE JEDI, MIT DEM ICH KOMMUNIZIERE. UNGLÜCKLICHERWEISE WURDE ICH NICHT PROGRAMMIERT, DANKBARKEIT ZU EMPFINDEN.

Kyp grinste schwach. »War das eine unlogische Folgerung oder eine Beleidigung?«

WAS BESSER FUNKTIONIERT.

»Nicht einmal die Vong beschimpfen mich so häufig«, beschwerte sich Kyp und schaltete sein Kom auf den abgesprochenen offenen Kanal.

»Es dauert nicht mehr lange, Dutzend. Unsere primäre Mission besteht darin, das Schiff zu beschützen, auf dem sich die Jedi-Wissenschaftler befinden. Wir fliegen in Vierergruppen. Jeder Leutnant benennt jeweils die Ziele. Nachdem wir in den Raum von Coruscant eingetreten sind, nehme ich eine Lageeinschätzung vor und passe unsere Strategie entsprechend an.«

»Kaum zu glauben, dass Skywalkers Jedi schließlich doch noch ihren Arsch hochgekriegt haben«, merkte Ian Rim an, Kyps neuester Leutnant.

»Vergiss nicht Anakin Solo«, warf Veema ein, eine dralle, hübsche Frau, die sich der fünften Lebensdekade näherte. Kyp mochte sie … zumindest so weit er sich gestattete, persönliche Gefühle für seine Piloten zu hegen. Ihre Art, sich zu amüsieren, war in bestimmten Kreisen legendär, und ihr herzliches, offenes Lächeln hatte vermutlich mehr Prügeleien herausgefordert als ein schlecht gelaunter Gamorreaner. Jeder, der Veema über den Weg lief, stellte jedoch bald fest, dass sie Grübchen aus Durabeton hatte und länger schmollen konnte als ein Hutt.

»Von Anakin habe ich als Letztes gehört, er sei allein und gegen den Befehl von Skywalker und Borsk Fey’lya ins Yavin-System aufgebrochen«, fuhr Veema fort. Sie gab einen Laut von sich, der halb ein Seufzen und halb ein Schnurren war. »Er ist jung, sieht gut aus, ist verwegen und vielleicht ein bisschen dumm – ganz die Art Mann, die ich mag! Könntest du mich ihm nicht vorstellen, Kyp?«

»Warum sollte ich? Ich habe nichts gegen den Jungen.«

»Er ist nicht der Einzige, der handelt«, meinte Octa Ramis, die einzige andere Jedi in Kyps Gruppe. Die ernste Frau, deren kompakte Gestalt ihre Herkunft von einer Welt mit hoher Schwerkraft verriet, hatte in letzter Zeit eine zunehmend militantere Position eingenommen. Sie war die erste Jedi, die sich bei Kyp einreihte – wenn man einmal von Jaina Solos vorübergehender und mithilfe der Macht angestoßener Zusammenarbeit bei Sernpidal absah.

»Ich habe von ein paar hitzköpfigen Jedi gehört, die gegen die Friedensbrigade die Initiative ergriffen haben«, erklärte Ian Rim.

»Und wennschon«, erwiderte Octa knurrend. »Wen interessiert, was mit dieser feigen Sith-Brut passiert? Jedi gegen Jedi – daran habe ich nichts auszusetzen!«

»Andere jedoch schon«, wandte Kyp seufzend ein. »Ich kenne die drei, die Ian meint. Vielleicht sollte ich versuchen, sie für uns an Land zu ziehen.«

Er schaltete das Kom ab und wandte sich an seinen Astromech-Droiden. »Was würdest du mir raten, Null-Eins, Stimme der Vernunft?«

ICH WURDE NICHT DARAUF PROGRAMMIERT, IRONIE ZU VERSTEHEN.

»Macht mir die Vong fertig«, murmelte Kyp, während er sich wieder zu seinem Geschwader schaltete.

»Erzählt mir was, Dutzend.«

»Ich setzte zwei Credits auf Veema, dass sie die meisten Abschüsse schafft«, begann Ian Rim. »Niemand macht die Männer jeder beliebigen Spezies so fertig wie sie!«

Die Frau lachte schallend, doch Kyp hörte Anspannung heraus. »Ihr solltet besser schon mal einkalkulieren, mir mit eurem Gewinn einen Drink zu spendieren.«

»Du bist dabei. Will sonst noch jemand einsteigen?«

Das Gerede ging an Kyp vorbei wie Hintergrundrauschen, während er sich in die Macht versenkte und seinen Instinkten und Gefühlen vertraute, die ihn durch das kommende Gefecht führen sollten wie schon durch so viele andere.

»Du bist so still, Kyp«, sagte eine körperlose Stimme.

»Nur äußerlich.«

Er sprach, ohne nachzudenken. Sein Kommentar rief einen Augenblick Schweigen hervor, dann ein bisschen unsicheres Lachen. Keiner der Piloten hatte es je mit eigenen Augen gesehen, wenn Kyps dunklere Seite entfesselt wurde, aber alle kannten die Geschichten. Niemand wagte darüber zu sprechen, was er früher gewesen war und getan hatte.

Dennoch war es stets gegenwärtig.

»Fünf Credits auf Veema«, meinte Kyp gelassen. »Und wenn du Veemas Abschüsse um mehr als drei übertriffst, gebe ich Null-Eins als Bonus dazu.«

»Ich bleibe bei zwei«, sagte Octa ernst.

Das wiederum rief aufrichtiges Lachen hervor – zum Teil, weil Octas Antwort die plötzliche Anspannung gebrochen hatte, und zum Teil, weil jeder Pilot im Geschwader wusste, dass sie unfreiwillig komisch war. Die Q9-Einheit gab ein entrüstetes Piepen von sich.

Die meisten Kommandanten, die Kyp kannte, wollten, dass ihre Piloten ruhig und konzentriert in den Kampf zogen. Kyp unterstützte die Ausgelassenheit. So war der Kopf beschäftigt, und Emotionen durften an die Oberfläche gelangen. Er kannte keinen Piloten – keinen lebenden jedenfalls –, der sich durch das Gefecht gegrübelt hatte. Geschwindigkeit und Grimmigkeit beim Kampf Schiff gegen Schiff waren eine Frage von Instinkt, Reflex und Glück. Niemand würde Han Solo je mit einem Philosophen verwechseln, und er war länger im Raum unterwegs als jeder andere, den Kyp kannte.

Wenn man die Sache richtig betrachtete, worüber sollte man schon nachdenken? Die Yuuzhan Vong mussten aufgehalten werden: So einfach war es. Nachdem der Kampf des heutigen Tages ausgefochten wäre, sollten die alten Leute doch darüber debattieren, wie es der Feind geschafft hatte, Coruscant zu erobern. Kyp wäre längst unterwegs in die nächste Schlacht.

Er blickte zum Navigationsschirm hinüber und gab den Befehl, auf Lichtgeschwindigkeit zu gehen. Nach dem Sprung beruhigte er sich in der Stille und Dunkelheit. Mit einer Disziplin, die teilweise aus der Macht und teilweise aus seiner langen Erfahrung als Pilot herrührte, zwang er sich, ein wenig zu schlafen, solange er konnte.

Er wachte abrupt auf, als die Sensoren das bevorstehende Verlassen des Hyperraums ankündigten. Sterne flammten auf, und alle Lichter seines Instrumentenbretts erwachten zum Leben.

Der Jedi betrachtete die große Anzahl der blinkenden Zeichen auf dem Display, von denen jedes ein feindliches Skip darstellte. »Möchtest du mir etwas sagen, Null-Eins?«

MEINE AUF ERFAHRUNG BERUHENDEN DATEN ZEIGEN MIR, DASS SIE KEINEN GROSSEN WERT AUF EINE SUBTILE VORGEHENSWEISE LEGEN.

Wenn der Droide hier falsch lag, dann nur, weil es sich bei diesem Kommentar um eine Untertreibung handelte. Voller Bestürzung erkannte Kyp, dass er seine Piloten mitten ins Gewühl geführt hatte.

Der Himmel über Coruscant flackerte und brannte. Schiffe jeder Größe und Bauart flohen von der zum Untergang verdammten Welt. Eine riesige Yuuzhan-Vong-Flotte erwartete sie. Einigen Schiffen gelang die Flucht eher aufgrund des allgemeinen Chaos als durch koordinierte Verteidigung. Von dem Jedi-Geschwader war keine Spur zu sehen.

Das Dutzend schwenkte ein und behielt dabei die Keilformation bei. Allein in der Kom-Stille drückte sich die allgemeine Bestürzung aus.

Einer aus dem Dutzend, ein früher XJ-Prototyp in hervorragendem technischen Zustand, verließ die Formation und blieb zurück wie ein Trödler.

Kyp runzelte die Stirn: »Fünf, bitte melden.«

Das Schiff reihte sich sofort wieder ein. »Fünf, hier.«

Die Stimme klang lächerlich jung – ein bubenhaftes Grollen, dem der richtige Bariton noch fehlte. Der Pilot, Chem, war der Sohn eines wohlhabenden Diplomaten, eines Sammlers, der ein kleines Lagerhaus voller glitzernder und nie geflogener Schiffe besaß. An seinem vierzehnten Geburtstag hatte Chem das Lieblingsschiff seiner Mutter gestohlen und sich auf die Suche nach Kyps Dutzend gemacht. Er hatte nicht um Aufnahme gebeten, sondern war dem Geschwader einfach von einer Mission zur anderen gefolgt. Nach mehreren Standardmonaten und dem Verlust unzähliger Piloten hatte Kyp Chem in die Staffel aufgenommen. Seitdem hatte der Junge sieben Vong-Korallenskipper vaporisiert und sein Erbe mit so albernen Dingen wie neuen XJs, Aufschlaggeschossen und Treibstoff verschwendet.

»Konzentrier dich, Fünf. Wäre mir gar nicht recht, wenn unser bestes Stück einen Kratzer bekäme«, mahnte Kyp sanft.

»Geht mir genauso, Sir. Denn in dem Fall würde ich lieber dem Kriegsmeister persönlich gegenübertreten als der rechtmäßigen Eigentümerin dieses Schiffes.«

»Bestätige das«, mischte sich Ian Rim ein. »Ich habe Chems Mutter mal Gesellschaft geleistet. Und da denkt man immer, die Vong wären hinterhältig und hässlich.«

»Sie spricht immer in lobenden Tönen von dir«, gab Chem direkt zurück. »Zumindest von deinen Fliegerfertigkeiten. Sie meint, wenn du noch ein bisschen übst, wirst du der beste Nerf-Hirte auf Corellia.«

Kyp kicherte bei der Vorstellung, wie das Fliegerass mit einem schwerfälligen Hüteschlitten dahinkroch – ein Bild, das Nerf-Hirte zu einer fiesen Beleidigung machte. Der kurze Wortwechsel löste die Anspannung ein wenig, die Kyp bei seinen Piloten spürte. Bei allen außer einem. In seinem jüngsten Piloten hielt sich ein starkes Unbehagen.

Er schaltete auf einen privaten Kanal. »Probleme, Fünf?«

Es folgte ein Moment des Schweigens. »Die Lichter gehen aus, Sir. Die Lichter von Coruscant.«