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Die letzte Konfrontation mit den Nihil steht unmittelbar bevor, doch die tapferen Jedi müssen an verschiedenen Fronten um ihr Überleben kämpfen. Einige stellen sich den Nihil-Plünderern entgegen, die den Planeten Eriadu für seinen Widerstand gegen ihre Herrschaft bestrafen wollen. Andere patrouillieren an der gefährlichen Grenze zur Okklusions- Zone, um die dortigen Welten vor brutalen Nihil-Überällen zu schützen. Eine mutige Gruppe versucht unterdessen, die geheimnisvolle Verderbnis aufzuhalten – eine Infektion, die von Planet zu Planet wandert und ganze Welten ihrer Lebenskraft beraubt. Wieder andere kämpfen gegen den fi nsteren Marchion Ro und seine monströsen, namenlosen Kreaturen. Um die Republik zu retten, müssen die Jedi ihren größten Ängsten ins Auge blicken – in den bisher schwersten Prüfungen ihres Lebens. Scheitern sie auch nur an einer dieser Fronten, wird die Welle der Dunkelheit das Licht der Jedi für immer auslöschen …
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Seitenzahl: 506
Veröffentlichungsjahr: 2025
AUSSERDEM BEI PANINI ERHÄLTLICH
Star Wars: Die Hohe Republik – Die Bewährungsprobe
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-3944-1
Star Wars: Die Hohe Republik – Kampf um Valo
Daniel José Older – ISBN 978-3-8332-4084-3
Star Wars: Die Hohe Republik – Mission ins Verderben
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-4194-9
Star Wars: Die Hohe Republik – Flucht von Valo
Daniel José Older, Alyssa Wong – ISBN 978-3-8332-4497-1
Star Wars: Die Hohe Republik – In die Dunkelheit
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3943-4
Star Wars: Die Hohe Republik – Aus den Schatten
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-4083-6
Star Wars: Die Hohe Republik – Mitternachtshorizont
Daniel José Older – ISBN 978-3-8332-4193-2
Star Wars: Die Hohe Republik – Trotzt dem Sturm
Tessa Gratton, Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-4496-4
Star Wars: Padawan
Kiersten White – ISBN 978-3-8332-4257-1
Star Wars: Ahsoka
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3450-7
Star Wars: Bürde der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3941-0
Star Wars: Schatten der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3636-5
Star Wars: Hoffnung der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-4082-9
Star Wars: THE MANDALORIAN – Staffel 1 Jugendroman
Joe Schreiber – ISBN 978-3-8332-4013-3
Star Wars: THE MANDALORIAN – Staffel 2 Jugendroman
Joe Schreiber – ISBN 978-3-8332-4192-5
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IN DAS LICHT
ROMAN
Von Claudia Gray
Ins Deutsche übertragen von Andreas Kasprzak
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars: The High Republic – Into the Light“ by Claudia Gray, published by Lucasfilm Press, an imprint of Buena Vista Books Inc., April 2025.
© 2025 & TM LUCASFILM LTD. All Rights Reserved.
Design by Kurt Hartmann, Soyoung Kim, Scott Piehl and Leigh Zieske
Deutsche Ausgabe 2025 by Panini Verlags GmbH, Schloßstr. 76,
70176 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Presse & PR: Steffen Volkmer
Übersetzung: Andreas Kasprzak
Lektorat: Irina Marx
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDSWHR009E
ISBN 978-3-7569-9951-4
Gedruckte Ausgabe:
1. Auflage, Mai2025, ISBN 978-3-8332-4631-9
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PaniniComicsDE
Für Mike, Jen, Charles, Justina, Cavan, Daniel, Lydia, Crash, George, Tessa und Zoraida − danke, dass ihr mich auf diese Reise mitgenommen habt.
STAR WARS DIE HOHE REPUBLIK
DIE PRÜFUNGEN DER JEDI
Die finale Konfrontation zwischen den Jedi und den Nihil steht unmittelbar bevor. Die heldenhaften Jedi sind dem Feind zahlenmäßig weit unterlegen, da sie ihren Gegnern an vier verschiedenen Fronten die Stirn bieten müssen.
Einige Jedi trotzen den NIHIL-PLÜNDERERN, die vorhaben, den Planeten ERIADU dafür zu bestrafen, dass er ihrer Gewaltherrschaft Widerstand leistet. Andere patrouillieren die gefährliche Grenze der OKKLUSIONSZONE, um umliegende Planeten vor skrupellosen Nihil-Überfällen zu schützen. Und einige wenig tapfere Jedi-Ritter tun ihr Bestes, um der mysteriösen VERDERBNIS Einhalt zu gebieten, einer Infektionskrankheit, die einen Planeten nach dem anderen befällt und alles Leben auf diesen Welten auslöscht. Andere wiederum kämpfen gegen den finsteren MARCHION RO und seine monströsen NAMENLOSEN.
Um die Republik zu retten, müssen sich die Jedi nicht bloß ihren eigenen Ängsten, sondern auch ihrer bislang größten Herausforderung stellen. Falls sie auch nur an einer einzigen Front ihres galaktischen Kampfs versagen, wird die Woge der Finsternis das Licht der Jedi für alle Zeiten auslöschen …
EINS
Der Planet Inad schwebte in der Dunkelheit des Alls wie eine perfekt geformte, schimmernde Kugel, deren Blau- und Grüntöne auf eine üppige Vegetation und Tierwelt hinwiesen. Viele Generationen zuvor hatten die Inadi beschlossen, ihre Welt rein zu halten, ohne Umweltverschmutzungen durch Großindustrie. Über den Himmel zogen nur die allernötigsten Satelliten. Alles mit dem Ziel, den Frieden und die Harmonie ihrer Lebensweise und das Erbe ihrer Kinder zu wahren.
Einige Generationen später entschieden die Inadi dann, dass es gut wäre, mehr Credits zu verdienen.
Credits zu verdienen, erforderte Industrie – aber die Inadi glaubten, sie müssten dafür nichts opfern. Inads größerer Mond, Inad Komesh, besaß eine atembare Atmosphäre, reichlich Erzvorkommen und eine Schwerkraft, die sich innerhalb der entsprechenden Republik-Normen bewegte, war abgesehen davon aber karg und unfruchtbar und bot nur Mikroben ein Zuhause. Mit einem Shuttle dauerte der Flug zwischen dem Planeten und dem Mond kaum länger als zwanzig Minuten. Warum also nicht neue Industrie auf diesem Mond ansiedeln und gleichzeitig Inad in seiner natürlichen Schönheit erhalten?
Und so wurde Inad Komesh zum Standort aller Fabriken, Raffinerien und Minen von Inad. Der interplanetare Handel florierte. Die Bürger von Inad erwachten morgens in schönen Häusern inmitten urtümlicher Wälder oder an einer Küste mit Sand, so weiß wie die Sterne. Dann begaben sie sich zu einem der – sorgsam mit natürlichem Fels verkleideten – Raumhäfen, die gänzlich mit ihrer Umgebung verschmolzen, und pendelten nach Inad Komesh − das, wenig überraschend, schnell all das wurde, was Inad nicht war: überentwickelt, schmutzig, laut und so vollgestopft mit Gebäuden, dass der eigentliche Boden in manchen Gegenden kaum noch zu sehen war. Einige bezeichneten Inad Komesh als „Klein-Coruscant“ − ein Spitzname, der gut gepasst hätte, wäre Coruscant ohne Rücksicht auf Schönheit, Eleganz, Erhabenheit oder gar Komfort errichtet worden. Doch um ehrlich zu sein, mochten die meisten Inadi diesen Gegensatz sogar, da er ihnen am Ende jeden Tages die Heimkehr umso mehr versüßte.
Gleichwohl, eine Gefahr, die Inad Komesh barg, war übersehen worden: Auf einer so überbauten, dicht bevölkerten Welt hatten gewisse Bedrohungen einen großartigen Nährboden, um Wurzeln zu schlagen und sich die ganze Zeit unbehindert auszubreiten, bevor sie jemand bemerkte.
Bedrohungen wie die Verderbnis.
Während die Inadi munter ihrem Tagwerk nachgingen, breitete sich die Verderbnis so langsam aus, dass sie anfangs niemand bemerkte. Dann, innerhalb weniger grässlicher Tage, veränderte sich der Mond dramatisch. Ein Gebäude stürzte ein, dann noch eins und noch eins. Leben gingen verloren, und im Umkreis von Dutzenden Klicks rings um den jeweiligen Unglücksort gab es Stromausfälle. Die künstlich angelegten Wasserstraßen versiegten, als das kostbare Nass scheinbar in den Kern des Mondes gesaugt wurde. Die Leute begannen zu fordern, sämtliche Aktivitäten auf Inad Komesh unverzüglich einzustellen, bis die Vorkommnisse gründlich untersucht worden waren, machten Bauunternehmen und Bauherren für die Katastrophe verantwortlich und verlangten nach Konsequenzen. Und die hätte es auch gegeben − wäre das nächste Gebäude, das einstürzte, nicht ausgerechnet der Orbital-Operationsturm gewesen, von dem aus der gesamte Luft- und Raumverkehr, die Kommunikation und sämtliche Satellitenfunktionen kontrolliert wurden.
Mit anderen Worten: Sobald der Turm in Trümmern lag, waren jene Inadi, die sich in diesem Moment auf Inad Komesh befanden, auf dem Mond gefangen. Jetzt endlich erkannten sie auch, dass die Verderbnis unter ihnen wütete. Panik breitete sich aus, doch niemand konnte sich in Sicherheit bringen − nicht ohne Hilfe.
„Bleibt ruhig!“, rief Jedi-Ritter Reath Silas der Menge zu, die sich um einen der größeren Republik-Transporter drängten, der kürzlich auf einem der zentralen Raumhäfen gelandet war. Hunderte, vielleicht sogar tausend Wesen waren in ihrer Verzweiflung hergekommen, in der Hoffnung, irgendwie von Inad Komesh zu entkommen. Die Luft schien vor Furcht zu vibrieren. „Wir haben genug Schiffe, um alle in Sicherheit zu bringen! Aber das braucht Zeit! Je unorganisierter das hier abläuft, desto länger wird es dauern − also bewahrt Ruhe, meidet den Kontakt mit allem, das Anzeichen der Verderbnis aufweist, und tut, was ich sage!“
Seine Worte wurden durch ein entsprechendes Gerät verstärkt, und die, die sie vernahmen, beruhigten sich ein wenig. Doch leider hörten die meisten Leute ihn nicht − sie wussten nur, dass wichtige Anweisungen gemacht worden waren, die sie nicht mitbekommen hatten, was sie nur noch panischer werden ließ.
Reath warf einen verzweifelten Blick auf seine Freunde und Jedi-Gefährten Bell Zettifar und Burryaga, die am Rande der Menge versuchten, für Ordnung zu sorgen – ohne Erfolg. Sogar Jedi-Meister Adampo, ihr Teamleiter, war so damit beschäftigt, den Verletzten zu helfen, dass er außerstande war, die Situation mit seinem beruhigenden Einfluss zu entschärfen. Auf dem Raumhafen herrschte völliges Chaos. Schon in wenigen Minuten würde der nächste Transporter landen, doch Reath befürchtete, dass das Schiff von einem Massenansturm empfangen werden würde, der nicht weniger gefährlich war als ein weiterer Gebäudeeinsturz.
Er schaute zum trüben Himmel von Inad Komesh hinauf und entdeckte hoch über sich den tiefer sinkenden Transporter, kaum mehr als ein vager Punkt. Doch auch die Leute sahen ihn, und das Gemurmel der Menge wurde immer lauter und hektischer.
Dann blitzte plötzlich ein violetter Lichtschein auf, begleitet von einem lauten, scharfen Knall. Alle − auch Reath − drehten sich um und sahen, wie sich Jedi-Ritterin Vernestra Rwoh mit ihrer glühenden Lichtpeitsche in der Hand einen Weg durch die Menge bahnte. „Alle heeeeerhören!“, rief Vernestra. Die Menge verstummte schlagartig, sodass ihre nächsten Worte weithin zu hören waren: „Das nächste Transportschiff ist gleich hier! Und eure einzige Chance, an Bord dieses Schiffs zu gelangen, besteht darin, zu tun, was Reath sagt, und seine Anweisungen zu befolgen! Kapiert?“ Ein paar Leute nickten, und das leise Murmeln der Versammelten verriet, dass sie verstanden hatten. Vern nickte zufrieden. „Also gut. Gehen wir’s an!“
Als die Umrisse des Transporters schließlich deutlich am Himmel auszumachen waren, hatten sie die Inadi in lange Schlangen eingeteilt. Die Kinder und alte, verletzte oder auf andere Weise besonders schutzbedürftige Personen standen ganz vorn. Reath sorgte dafür, dass sich seine Wege lange genug mit denen von Vernestra kreuzten, um ihr zu sagen: „Ich hoffe, irgendwann kriege ich auch den Dreh raus, wie man so was macht.“
Vernestra lachte. „Manchmal ist ein bisschen Strenge gar nicht so verkehrt.“ Offenbar standen Reath seine Zweifel ins Gesicht geschrieben, denn sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und fügte hinzu: „Das ist nicht dasselbe, wie dem Zorn nachzugeben oder so was. Es geht darum, die Leute aufzurütteln − sie aus ihrer Schockstarre zu reißen, sodass sie dazu imstande sind, das zu tun, was sie tun müssen.“
„Natürlich.“ Eigentlich hätte sich Reath das selbst denken können, und zweifellos wäre er auch allein darauf gekommen, wären die vergangenen zwei Tage nicht ein solches Chaos gewesen. Seit der Ankunft des Jedi-Teams auf Inad Komesh hatte er keine fünf Stunden geschlafen, und irgendwie schien es, als würde der Andrang der Leute, denen sie helfen mussten, mit jedem Transporter, der abhob, größer zu werden, statt nachzulassen. Der grobkörnige Staub in der trockenen Luft des Mondes hatte seine Robe mit einem grauen Film überzogen und, den anderen Jedi nach zu urteilen, vermutlich auch sein Haar. (Burryaga sah aus, als wäre er mit Puderzucker bestäubt worden wie Süßbuttergebäck.) Reath redete sich ein, dass es sich tatsächlich bloß um reinen Staub handelte – um Staub, der nicht mit Verderbnispartikeln verseucht war, denn sonst wäre ihre Mission bereits zu Ende gewesen, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Ihre Aufgabe war klar: Sobald die Evakuierung abgeschlossen war, mussten sie alles tun, was in ihrer Macht stand, um die Wahrheit herauszufinden, doch bis dahin mussten sie versuchen, die schreckliche Bedrohung durch die Verderbnis zu ignorieren. Was kein leichtes Unterfangen war, denn die Inadi wurden von Stunde zu Stunde immer angespannter und verzweifelter.
Wer könnte es ihnen verdenken?, ging es Reath durch den Kopf, während er die Menge weiter zur Ordnung rief. In der Ferne kläffte Bells Aschehündin Ember fröhlich, während sie einige weitere Inadi zu ihrem Platz in der Schlange trieb, genauso wie sie unter anderen Umständen Muunyaks zur Schur getrieben hätte. Reath freute sich über das Gebell, den einzigen offenkundigen Beleg dafür, dass das Leben ungeachtet allen Kummers doch noch Freude barg. Am Rande der Menge gab Jedi-Meister Adampo sein Bestes, um für Ordnung zu sorgen, doch er tat sich schwer damit, denn abgesehen vom allgemeinen Grauen der Situation, forderten drei Jahre des Konflikts und der Verluste mehr und mehr ihren Tribut. Adampo war erschöpft und ausgelaugt. Die Verderbnis war hier so lange unbemerkt geblieben, dass sie nicht einmal ahnten, in welcher Gefahr sie schwebten, bis ihr Leben akut davon bedroht war. Die Verderbnis war eine schleichende Gefahr, die die Welten, die sie befiel, zwar langsam verschlang, aber dafür umso unerbittlicher. Auf Inad Komesh bedeutete die späte Entdeckung der heimtückischen Seuche, dass der gesamte Mond innerhalb weniger Tage auseinanderzubrechen drohte. Offensichtlich waren verwilderte, zugewucherte Gebäude und überlastete Fundamente eine besonders schlechte Kombination, was die Anfälligkeit für die Korrosionskräfte der Verderbnis betraf.
Reath überkam ein kurzer Anflug von Dankbarkeit dafür, dass sich die Verderbnis auf Coruscant bislang auf den Jedi-Tempel beschränkte. Aber wie lange noch?
Er schob seine Zweifel hastig beiseite. Dafür war jetzt keine Zeit: Die Inadi brauchten ihre Hilfe. Er sah nach einigen derer, die schwerer verletzt waren und von Padawan Amadeo Azzazzo und Sanitäter Dorian Innes versorgt wurden. „Keine Sorge“, sagte er zu einer älteren Frau, die auf einer Bahre lag und vor Schmerzen zitterte. „Das Schiff ist im Anflug. Es dauert nicht mehr lange.“
„Ich glaube, ich habe Halluzinationen“, entgegnete sie mit schwankender Stimme. Mit zittriger Hand deutete sie auf einen Turm in der Nähe. „Es sieht aus, als würde der tanzen.“
Reath öffnete den Mund, um ihr etwas Beruhigendes, Beschwichtigendes zu sagen − doch dann erhaschte er einen Blick auf den Turm, der sich neigte wie ein Baum im Wind. Jeder, der auf Coruscant aufgewachsen war, hatte schon hohe Gebäude schwanken sehen, aber für Reaths geübten Blick war der Neigungswinkel des Bauwerks bedenklich.Gefährlich bedenklich.
Er griff gerade nach seinem Kommlink, als die Stimme von Indeera Stokes aus dem Gerät drang: „Der Transporter ist da! Keine Angst! Wir landen in weniger als zwei Minuten.“
„Ihr müsst so viele Leute an Bord nehmen wie irgend möglich, ohne dass es die Flugfähigkeit beeinträchtigt“, sagte Reath. „Es ist nicht erforderlich, dass alle sitzen. Jeder, der noch stehen kann, sollte stehen. Außerdem müssen wir so schnell wie möglich weitere Transporter anfordern. Wir brauchen so viele Schiffe hier, wie wir kriegen können, und zwar so schnell wie möglich! Wir rechnen jede Minute mit weiteren Gebäudeeinstürzen, die eine Kettenreaktion in der ganzen Region auslösen könnten!“
„Verstanden“, gab Indeera zurück. „Übrigens: Ich habe noch ein paar weitere Jedi dabei. Aber wie du ja bereits weißt, haben wir so viele wie irgend möglich bereitgestellt, um euch zu unterstützen.“
„Ja, ich weiß“, sagte er. Der Jedi-Orden war wegen des Nihil-Aufstands und der Machenschaften von Marchion Ro seit Monaten − nein, mittlerweile seit Jahren – chronisch überlastet. Reath konnte sich kaum noch daran erinnern, wie es gewesen war, mit einem ganzen Trupp seiner Jedi-Gefährten auf Missionen zu gehen, in dem Wissen, dass alle bestens ausgerüstet und auf alles vorbereitet waren, was sie erwarten mochte. „Doch ich fürchte, Inad Komesh steht unmittelbar vor dem totalen Zusammenbruch.“
Indeera Stokes fluchte leise. „Ich kontaktiere sofort Coruscant.“
Mittlerweile schwebte der Transporter nur noch wenige Stockwerke über dem Boden, um mit seinen Triebwerken die Luft zu verdrängen und noch mehr aschfahlen Staubs aufzuwirbeln. Reath musste niesen und wünschte sich dann, er hätte den Mund lieber geschlossen gehalten, als der Staub zwischen seinen Zähnen knirschte. Sein Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken, dass der Staub von Partikeln der Verderbnis kontaminiert war − unsichtbar und tödlich. Doch ihm blieb nichts anderes übrig, als weiterzumachen. Er spuckte auf den Boden, ehe er über das Stimmverstärkungsgerät rief: „Wir beginnen mit dem Einsteigen, sobald sich die Rampe senkt, also alle −“
Er verstummte, als das Knirschen und Kreischen von sich verbiegendem Metall ihn übertönte. Noch während der Transporter hinter ihm landete, wirbelte Reath herum und sah − zu spät, um irgendwie darauf zu reagieren –, wie ein Gebäude ganz in der Nähe, kaum einen Viertelklick entfernt, einstürzte. Entsetzensschreie schallten durch die Menge, als der Boden unter ihren Füßen erbebte und sich eine gewaltige Staubwolke durch die Straßen wälzte, die wie eine unaufhaltsame Woge über sie kam – so dicht, dass Reath schlagartig nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen konnte. Er schaffte es, sich hinzuknien, bevor er hinstürzen konnte, doch die Schmerzensschreie und die verängstigten Rufe ringsum verrieten ihm, dass nicht alle unverletzt geblieben waren.
„Kommt!“, hallte eine vertraute Männerstimme durch den aufgewirbelten Staub. „Folgt dem Licht!“ Bei diesen Worten durchschnitt der gleißende, blaue Schein eines Lichtschwerts das Zwielicht und sorgte für gerade genügend Helligkeit, um die vagen Umrisse des Transportschiff-Zugangs aus dem Dämmerlicht zu reißen.
Reath begann, die Leute in Richtung des blauen Lichtscheins zu führen, während er sich dazu zwang, sich voll und ganz auf die zu bewältigende Aufgabe zu konzentrieren. Als er sich dem Lichtschwert näherte, breitete sich ungeachtet der Staubkörnchen zwischen seinen Zähnen ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Dachte ich’s mir doch, dass ich diese Stimme kenne!“
„Schön zu wissen, dass du nicht vergessen hast, wie oft ich dir beim Sparring in den Arsch getreten habe“, entgegnete Dez Rydan. Durch den Staub konnte er Dez’ Grinsen ausmachen. Sein alter Freund und Mentor sah wieder ganz wie er selbst aus, jedenfalls soweit Reath das unter den eingeschränkten Sichtverhältnissen erkennen konnte. Offensichtlich hatte Dez seine Abwesenheit nach dem Ablegen des Barash-Gelübdes gutgetan. So stand dem Orden in einer Zeit, in der sie ihn am nötigsten brauchten, ein weiterer großartiger Jedi zur Verfügung.
Doch nur Sekundenbruchteile später ging die Freude über ihr Wiedersehen im Kreischen reißenden Metalls unter. Reath schaute nach oben und sah, wie die verschwommenen Umrisse des größten Turms in der Nähe – die Umrisse des tanzenden Turms – auf das Transportschiff zustürzten, auf die Menge und auf Reath selbst, um sie alle unter sich zu zerquetschen.
ZWEI
Der Einsturz eines Gebäudes war für die Jedi beunruhigend und für die Menge ringsum schockierend gewesen. Doch eine zweite Katastrophe dieser Art könnte zu einer Massenpanik führen, ganz zu schweigen davon, dass sie alle von einer weiteren, noch größeren Wolke aus Staub und Schutt bedeckt werden würden, die möglicherweise mit der Verderbnis verseucht war.
Darum durfte es keinen weiteren Einsturz geben.
Reath hob seine Hände gen Himmel – das war eigentlich nicht nötig, um sich der Macht zu bedienen, doch ihm half es häufig, seinen Körper so zu bewegen, dass er den gewünschten Effekt nachahmte, um den Geist zu zentrieren und sein Bewusstsein zu klären. Er konzentrierte sich auf die Inadi und seine Jedi-Gefährten um sich herum, jedoch nicht auf ihre Angst, sondern auf ihren Wunsch, zu leben, auf ihre Versuche, einander zu helfen, auf das Gefühl der Gemeinschaft, das dieses Unglück mit sich brachte – das alles barg im Licht große Kraft. Neben ihm reckte Dez die Arme ebenfalls in die Höhe, und Reath spürte, wie auch all die anderen Jedi ihre Energie bündelten, um mit vereinten Kräften zu verhindern, dass die Situation zu völliger Verwüstung eskalierte.
Während er zu seinen Händen hinaufstarrte, drückte das Gewicht des Turms so mächtig auf den Widerstand, den er in der Macht geschaffen hatte, dass Reath für einen Moment das Gefühl hatte, das sonnenversengte Mauerwerk warm und rau auf seiner Haut zu spüren. Doch dann erstarrte der Sturm während des Einstürzens in der Luft, ein warnender Finger, der wie urteilend auf die Menge zeigte. Der Schatten des umstürzenden Gebäudes verdunkelte die Gesichter der Leute, die sich in Panik darunter zusammenkauerten.
„Zur Seite“, keuchte Dez; er klang erschöpft. Die beiden Jedi zitterten unter der Last ihrer Bürde, genau wie sie es getan hätten, wenn sie versucht hätten, ein gewaltiges Gewicht statt mit der Macht mit der Kraft ihrer Muskeln zu heben. „Schieben wir das Ding zur Seite; dann können wir es langsam runterlassen.“
Reath nickte. Eigentlich waren überhaupt keine Worte nötig − er konnte spüren, dass jeder Jedi in dem von dieser Katastrophe betroffenen Gebiet von Inad Komesh die gleiche Absicht verfolgte; dass alle im Gleichklang dachten und handelten. Doch genau wie Handbewegungen konnten Worte helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, darauf, worauf es in diesem Moment ankam – und selten zuvor war es so wichtig gewesen wie jetzt, sich zu fokussieren, um Hunderttausende Kilo Ziegelsteine daran zu hindern, auf die Köpfe so vieler hilfloser Leute herabzustürzen. Reath bewegte sich langsam und drehte sich genau so, wie Dez sich drehte, um den halb eingestürzten Turm von ihnen weg zu anderen Gebäuden zu dirigieren, die hoffentlich leer waren. Doch für den Fall, dass sie es nicht waren, begann er, den Turm ganz langsam herunterzulassen, um zu verhindern, dass irgendwelche darunter befindlichen Gebäude zerquetscht wurden. Mittlerweile hatte sich der Staub so weit gelegt, dass er ganz in der Nähe Vernestra ausmachen konnte, und ein bisschen weiter entfernt Bell und Burryaga, und jeder von ihnen gab sein Bestes. Alle Jedi bewegten sich im Einklang miteinander, als würden sie der Choreografie eines Tanzes folgen, den sie schon viele Male getanzt hatten.
Der allmählich tiefer sinkende Turm gab auch weiterhin Geräusche von sich – man vernahm das Splittern berstender Fenster und das dumpfe Poltern von herabstürzendem Durabeton −, aber bald darauf spürte Reath, wie die Last von ihm und den anderen genommen wurde, als der Turm sicher auf dem Boden lag. Doch statt zu verschnaufen, verlor er keine Zeit und drängte die anderen, nicht nachzulassen. „Kommt! Wir müssen die Leute an Bord des Transporters bringen!“
Dez wandte sich dem Schiffszugang zu, um die Geretteten zu zählen und den Einstieg besser zu organisieren. Dann hielt er gerade lange genug inne, um zu fragen: „Wo ist Meister Adampo?“
Reath ließ seinen Blick über die Menge schweifen und bemerkte erst jetzt, dass das Ratsmitglied vorhin am Rand der aufgeregten Schar gestanden hatte – ganz in der Nähe des umgestürzten ersten Turms. „Ich gehe ihn suchen!“
Zu versuchen, sich seinen Weg durch die aufgebrachte Menge zu bahnen, die verzweifelt versuchte, an Bord des Transporters zu gelangen, wäre aussichtslos gewesen. Stattdessen katapultierte sich Reath mithilfe der Macht gute vier Meter in die Luft empor und sprang mit einem gewaltigen Satz über die Leute – und Vernestras Kopf – hinweg, ehe er geschickt landete, mit den Füßen über das staubige Pflaster schlitterte und nicht weit von Burryaga entfernt zum Stehen kam. Der Wookiee brüllte ermutigend, während er zwei Verletzte − mit jedem Arm einen − zum Transportschiff trug.
„Meister!“, rief Reath und begann hektisch, herabgestürzte Balken und Gesteinsblöcke anzuheben, um den Schutt zu durchforsten. War Adampo womöglich darunter verschüttet, verwundet und außerstande, irgendwie auf sich aufmerksam zu machen?
Dann wuchtete er eine weitere Durastahlplatte in die Höhe – und fand Adampo. Oder besser: das, was von ihm noch übrig war. Offenbar war ein tonnenschweres Trümmerteil auf ihn gestürzt, ohne dass es ihm gelungen war, sich mit der Macht davor zu schützen. Jetzt war von Meister Adampos Kopf nicht mehr viel zu sehen außer Blut und Gewebe.
Ein weiteres Ratsmitglied verloren? Noch ein Toter? Das schiere Entsetzen dieser Tatsache spülte wie eine eiskalte Woge über Reath hinweg, doch er konnte es sich jetzt nicht erlauben, sich damit auseinanderzusetzen – nicht in diesem Moment, in dem es so viele Leben zu retten galt. Würde nicht jeder Jedi-Meister das Wohl der anderen über seine persönlichen Belange stellen? Reiß dich zusammen! Mach weiter!
Von neuer Entschlossenheit erfüllt, gelangte Reath zu dem Schluss, dass jetzt keine Zeit war, den Leichnam zu bergen. Aller verfügbarer Platz an Bord der Transporter musste für die Lebenden genutzt werden. So, wie es aussah, würde der völlige Zusammenbruch von Inad Komesh wahrscheinlich ohnehin für Meister Adampos Begräbnis sorgen.
Reath machte sich wieder daran, den Leuten beim Einstieg in den Transporter zu helfen, und wies dem nächsten Schiff einen geeigneten Landeplatz zu. Über den Kommlink an seinem Gürtel kamen immer wieder Mitteilungen von anderen Rettungsteams in anderen Quadranten des Mondes herein, die alle das Gleiche meldeten: noch mehr Einstürze, noch mehr Erdfälle, noch mehr katastrophale Schäden. Das Ausmaß der Zerstörung wurde von Minute zu Minute größer – und beschleunigte sich immer mehr.
„Beeilung, Silas!“, brüllte Bell Zettifar. Er und Ember standen an der Einstiegsluke des zweiten Transportschiffs, das zweifellos das letzte sein würde, das diesen Ort jemals wieder verließ.
Die letzten Nachzügler eilten an Bord. Reath folgte ihnen mit einem nächsten großen Machtsprung, der ihn an Bells Seite brachte – und ihm ein schräges Lächeln seines Freundes eintrug. „Angeber!“
Das war nur ein kleiner Scherz, der keinen von ihnen in einer so fatalen Situation lange amüsieren würde, aber in diesem Moment immerhin besser als nichts. Reath und Bell hielten sich an den Streben der Einstiegsrampe fest, als der Transporter in die Höhe stieg und rings um sie her noch mehr grauen Staub aufwirbelte. Einmal mehr schoss Reath durch den Kopf, dass die Gefahr bestand, dass in diesen Staubpartikeln die Verderbnis lauerte, doch er zwang sich, auf ihre Atmosphärenanalysen zu vertrauen und zu akzeptieren, dass sie in diesem Augenblick ohnehin nichts tun konnten, als weiterzumachen.
Gleichwohl, die Staubwolken konnten nicht verbergen, dass der Boden unter ihnen nachzugeben begonnen hatte – überall um sie herum brach die Erde weg, während der Kreis immer größer und größer wurde und sich zu einem riesigen Schlund ausweitete, der gierig noch mehr einstürzende Gebäude verschlang. Burryaga keuchte entsetzt, als Inad Komesh zusehends schneller in sich zusammenfiel und sich die Verwüstungen immer weiter ausbreiteten, je höher das Transportschiff stieg. Als sie schließlich die obere Atmosphäre erreichten und die Jedi gezwungen waren, die Luke zu versiegeln, schien der grässliche Anblick unter ihnen einem Albtraum entsprungen zu sein: Ein Bauwerk nach dem anderen verkalkte, von tödlichem Weiß überzogen, um dann zu geisterhaftem Staub zu zerfallen. Hier stürzte ein Shuttle-Dock Ebene für Ebene ein, um mit jedem nächsten Knirschen mehr an Substanz und Form einzubüßen; dort geriet eine Landebrücke ins Schwanken und sank in die Tiefe, als würde sie verzweifelt auf die Knie gehen. Bald wirkte es nicht bloß, als wäre auf der Oberfläche nichts mehr intakt − sondern auch, als wäre die Oberfläche selbst viele Meter tiefer hinabgestürzt.
Die Jedi standen ein paar Sekunden schweigend da und atmeten schwer. Überall um sie herum weinten geschockte Inadi; andere waren starr vor Entsetzen. Es war Bell, der schließlich sagte: „Kommt. Stellen wir uns bei den Hygiene-Kabinen an. Ich war noch nie so scharf darauf, mich zu waschen.“
Doch Bells unbeschwerter Tonfall täuschte niemanden. Mittlerweile wusste so ziemlich jeder in der Galaxis um die Risiken einer potenziellen Infektion mit der Verderbnis. Reath klammerte sich an die Ergebnisse ihrer Planetenscans, denn in den wenigen Minuten, die er in den letzten Tagen zum Meditieren aufbringen konnte, hatte er gespürt, dass sie sich auf diese Scans verlassen konnten – jedenfalls soweit dies unter den aktuellen Umständen überhaupt möglich war. Doch das war letztlich reiner Instinkt, keine Gewissheit – nichts, womit sich die nervösen Inadi beruhigen ließen.
Also taten alle, Retter und Gerettete gleichermaßen, was Bell sagte, und reihten sich in mehreren Schlangen vor den Hygiene-Kabinen auf. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Reath schloss sich ihnen an und wünschte, er hätte den Leuten um sich herum mehr Trost und größere Hoffnung spenden können als diese langsame, bürokratische Abfolge von Reinigungsprozeduren und Kontrollen, die vor allem anderen dazu dienten, zu bestimmen, ob die Verderbnis ihnen wie ein bösartiger Schatten von Inad Komesh aus gefolgt war.
Im Orbit des sterbenden Mondes Inad Komesh kreiste ein Satellit, so klein, dass er mühelos in die Hand eines Humanoiden gepasst hätte. Dank seiner geringen Größe entging der Satellit allen organischen Lebensformen und auch den meisten Droiden; genauso gut hätte es sich um ein beliebiges Stück Weltraumschrott handeln können, um die Art von Treibgut, die jeden bewohnten Planeten umkreiste, bis er schließlich in die Atmosphäre eindrang, sich durch die Eintrittswärme erhitzte und in einem Lichtfunken verglühte, zu flüchtig, als dass ihn überhaupt jemand bemerkte. Auch mit einem Energiescan ließ sich der Satellit nicht erfassen, denn er verbrauchte nur sehr wenig Energie. Seine Solarbatterien benötigten gerade genügend Leistung, um ein paar Sensoren und einen Transmitter zu versorgen.
Dieser Transmitter übermittelte sein Signal an einen Verteiler tief in der Okklusionszone, der seine Sendekoordinaten alle paar Tage änderte. Erst am zweiten Übertragungsort – an Bord eines speziell modifizierten Nihil-Spider-Squall-Kreuzers namens Feuerbringer − wurde der Untergang von Inad Komesh zur Kenntnis genommen.
„Wirklich interessant“, murmelte Dr. Mkampa. Ihre winzigen, umherhuschenden Dienerdroiden rollten und trippelten näher an sie heran – wenn Dr. Mkampa zufrieden war, hatten sie in ihrer Nähe nichts zu befürchten. Und in diesem Moment war sie nicht bloß zufrieden, sondern geradezu verzückt. Ihr breites, strahlendes Lächeln hob sich überdeutlich von ihrer dunklen Haut ab. Sogar ihre zahlreichen kybernetischen Verbesserungen schienen im Licht des Labors zu glänzen. „Absolut nicht das, was man mir gesagt hat – aber genau das, was ich erwartet habe.“
Mit einer Hand justierte sie die Daten, die an ihren Standort übermittelt wurden, und erstellte eine detaillierte Aufzeichnung, die sie später in Ruhe analysieren konnte, nur für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass sie sich trotz allem doch irrte. Mit der anderen Hand aktivierte sie das primäre Kommsignal der Feuerbringer, mit dem sie den Anführer der Nihil, Marchion Ro, kontaktieren und ihm Nachrichten übermitteln konnte.
Er reagierte nicht sofort. Das hatte Mkampa auch nicht erwartet. Gegenwärtig herrschte Ro nicht bloß über die Nihil, sondern ebenso über einen stetig größer werdenden Bereich des galaktischen Raums, der früher unter der Kontrolle der Republik gestanden hatte. Seine Zeit war kostbar. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass ihre Botschaft sein Interesse erregen würde. Er würde sich schon bald melden, dessen war sie sich gewiss.
Auch damit sollte Mkampa recht behalten, denn es waren noch keine zehn Minuten vergangen, als sein lebensgroßes Hologramm an Bord ihres Schiffs aufflackerte, nur wenige Schritte vor ihr: Marchion Ro mit Helm und in voller Kampfausrüstung. Das Auge in der Mitte seines Helms wirkte wie ein roter Strudel, als er sagte: „Dr. Mkampa. Gibt es irgendwas Wichtiges?“
Das gab es, und das wusste er genauso gut wie sie, andernfalls hätte er sich nicht die Mühe gemacht, zu antworten. Trotzdem spielte Mkampa sein Spielchen mit. „Euer Versuch, ein Gegenmittel gegen die Verderbnis zu entwickeln, scheint gescheitert zu sein“, erklärte sie und hob ihr Kinn.
„Das war kein Test.“
„Tatsächlich? Soweit ich mich entsinne, hatten wir uns darauf geeinigt, dass der Industriemond von Inad ein hervorragendes Testobjekt wäre …“
„Ich habe mich dagegen entschieden“, entgegnete Ro knapp. „Die Evakuierung begann zu spät. Es gab zu viele Zeugen, die binnen kürzester Zeit vom Überleben des Mondes berichtet hätten − was der Republik bloß falsche Hoffnungen gemacht und so den Konflikt unnötig in die Länge gezogen hätte.“
„In der Tat“, sagte Mkampa. Noch vor wenigen Wochen hatte Marchion Ro argumentiert, dass der beste Ort für ihre Versuche eine dicht bevölkerte Welt oder ein bewohnter Mond wäre, da man die Auswirkungen der Verderbnis auf diese Weise nicht bloß an einer Vielzahl von Pflanzen, Tieren und anderen empfindungsfähigen Lebensformen testen könne, sondern zugleich auch an Bauwerken und Maschinen. Zuvor hatte Mkampa ihrerseits vorgeschlagen, den Test auf einem Asteroiden durchzuführen, da Ro darauf hingewiesen hatte, dass es ihnen allein an einem so verlassenen Ort möglich sein würde, die Ergebnisse ihrer Experimente komplett geheim zu halten. „Sollen wir uns dann jetzt auf die Suche nach einer ehemals bewohnten, jetzt verlassenen Welt machen? Um die Wirkung der Verderbnis auf die dort verbliebenen Strukturen zu untersuchen?“
Das wirbelnde Auge von Ros Maske schien sich eine Winzigkeit zusammenzuziehen, aber vielleicht bildete sie sich das auch bloß ein – bisweilen fokussierte sich Mkampas kybernetisches Auge für ihren Geschmack zu scharf auf bestimmte Dinge −, vermutlich inspiriert von der Gereiztheit und dem Misstrauen, von denen sie wusste, dass sie sich hinter der Maske verbargen. „Ein ausgezeichneter Vorschlag, Dr. Mkampa. Bitte, leiten Sie unverzüglich alles Erforderliche in die Wege.“
„Während Ihr mit dem gegenwärtigen Saatprotokoll fortfahrt?“ Sie ließ ihre Worte so beiläufig wie möglich klingen, als wäre ihr dieser Gedanke gerade eben in den Sinn gekommen, ohne sie sonderlich zu interessieren.
„Selbstverständlich. Aber überlassen Sie das mir, Dr. Mkampa. Konzentrieren Sie sich ganz auf die Suche nach einem geeigneten Planeten.“
„Gewiss, Mylord“, sagte Mkampa, bevor sie die Verbindung zu Marchion Ro zum vermutlich wirklich allerletzten Mal unterbrach.
Als Marchion Ro die Galaxis damit in Erstaunen versetzte, dass er Kanzlerin Lina Soh anbot, nicht bloß die Republik, sondern alle und jeden vor der Verderbnis zu retten, war Mkampa fasziniert gewesen. Was für ein Heilmittel besaß er gegen die Seuche? Wer unter den Nihil wäre imstande gewesen, ein solches Heilmittel zu finden, wenn nicht sie selbst? Sie hatte Proben angefordert und darum gebeten, ihren Beitrag bei der Erforschung dieses Mittels und seiner möglichen Weiterentwicklung zu leisten, ja, hatte geradezu um die Chance gebettelt, es sich selbst verabreichen zu dürfen. Damit hatte der Reigen von Ros sich ständig ändernden Prioritäten begonnen. Doch inzwischen kannte Mkampa die Wahrheit – jene Wahrheit, die das Auge des Sturms sowohl vor der Republik als auch vor den Nihil selbst verbarg: Er hatte kein Mittel gegen die Verderbnis. Sein Versprechen war nichts als heiße Luft. Weder er noch sonst jemand konnte die Seuche aufhalten.
Rationale Reaktionen darauf wären tiefe Erschütterung, himmelschreiende Empörung oder überwältigendes Entsetzen gewesen. Mkampa hingegen, wie stets von der überbordenden Begeisterung einer wahren Fanatikerin erfüllt, spürte, wie das Lächeln auf ihren Zügen breiter wurde.
„Irgendwann werden alle erkennen, dass das Auge lügt“, sagte sie zu den Droiden um sie herum. Dieses stumme, glänzende Publikum war das Einzige, das sie brauchte. „Dann werden sie mit den Zähnen knirschen und in allen Sprachen wehklagen, die die Galaxis kennt. Doch ihr Schicksal ist unausweichlich. Die Galaktische Republik und der Nihil-Sturm werden ihr Ende finden, alle beide, und danach … kann nur noch eine vollkommen andere Art von Macht darauf hoffen, zu obsiegen.“
Selbst die heimtückische Verderbnis würde lange brauchen, um die gesamte Galaxis zu zerstören. Weiter entfernte Bereiche des Wilden Raums könnten sich für risikobereite Individuen, die bereit waren, die sich ihnen bietenden Möglichkeiten zu ergreifen, gleichermaßen als sicherer Hafen wie auch als Rohstofflieferant erweisen.
Mkampa ging zu ihrem persönlichen Tresor an Bord der Feuerbringer, den nicht einmal ihre eigenen Droiden zu öffnen vermochten, da sie das Schloss mit ihrem kybernetischen Auge synchronisiert hatte, sodass allein ihr eigener Blick imstande war, das zu enthüllen, was sich im Innern des Tresors befand.
Sie hatte das Objekt vor etwa einem Jahr entdeckt, während ihrer anfänglichen Suche nach potenziellen Testgebieten für ein „Heilmittel“. Seinerzeit war sie Marchion Ro gegenüber absolut loyal gewesen – trotzdem hatte sie das Gerät geheim gehalten, weil sie wusste, dass seine Macht zu groß war, um sie jemand anderem zu überlassen. Mkampa würde es entweder selbst einsetzen – oder dafür sorgen, dass niemand sonst Gelegenheit dazu hatte. Hätte Ro auch nur ein einziges seiner Versprechen gehalten, hätte sie das Objekt womöglich in die Glut einer Sonne geschleudert, um es zu schmelzen.
Aber das hatte er nicht getan. Und so oblag es ihr, über diese Macht zu verfügen, wie sie es für richtig hielt.
„Tief im Innern der Ruinen lag es“, flüsterte Mkampa, während sie sich in das Scannerlicht des Schlosses beugte. Ihr Gesicht flackerte in dem grünen Schein. Sie lächelte, als sie das Surren und Klacken des Öffnungsmechanismus vernahm. „Bedeckt mit Staub. Die Scanner wussten nichts damit anzufangen. Bloß gut, dass das nicht für mich galt. Man könnte sogar sagen, es hat nach mir gerufen …“
Die Tür des Tresors glitt auf und gab den Blick auf die schwach leuchtende Pyramide eines Sith-Holocrons frei.
Mkampas Lächeln wurde noch breiter. „Höchste Zeit für ein bisschen Spaß!“
DREI
Mkampa behielt ihre Gedanken über Marchion Ros langfristige Strategie, die Verderbnis einzudämmen – oder die Tatsache, dass es so was überhaupt nicht gab −, für sich. Gut möglich, dass es allein ihr riesiges Ego war, das dafür sorgte, dass sie nicht einmal in Erwägung zog, vielleicht nicht die Einzige zu sein, die zu diesem Schluss gelangt war.
Auch andere Nihil erkannten, dass Ros Vision der Zukunft alles andere als durchdacht war … und viele von ihnen reagierten auf diesen Umstand anders als Dr. Mkampa. Ghirra Starros sah die Zeichen auch.
Als Ro dem Universum sein großzügiges Angebot unterbreitet hatte, die Verderbnis auszumerzen und sich damit zum Retter der Galaxis aufzuschwingen, war Ghirra davon genauso überrascht gewesen wie alle anderen. Sie hätten das im Vorfeld miteinander besprechen, das Für und Wider dieses Hilfsangebots erörtern, einen Preis aushandeln sollen, den sie für diese Hilfe verlangen würden, ja, sie hätten zusammen eine genaue Taktik für sein Gespräch mit Kanzlerin Soh ausarbeiten können. Stattdessen hatten sie diesbezüglich kein einziges Wort gewechselt. Ghirra war verärgert darüber gewesen, dass Ro weder dieses erstaunliche Heilmittel mit ihr geteilt hatte noch seine Überlegungen darüber, wie er diesen mächtigen Aktivposten einzusetzen gedachte. Anfangs hatte sie darin ein Zeichen von Misstrauen gesehen. Doch mittlerweile war sie zu demselben Schluss gelangt wie Mkampa: Sie fürchtete, dass es überhaupt kein Heilmittel gab und dass Ros Versprechen auf Erlösung nichts als leere Worte waren.
Waren all seine anderen Versprechungen genauso falsch?
Sie wusste, dass sie nicht die Einzige war, die sich das fragte. Angesichts des Umstands, dass die Nihil so mächtig und einflussreich waren wie nie zuvor, hätte die Stimmung an Bord ihrer Schiffe und bei ihren Zusammenkünften eigentlich überschwänglich, ja, fast ekstatisch sein müssen. Stattdessen vernahm man überall dort, wo Gruppen von Nihil zusammenkamen, unzufriedenes Murren. Gewiss, es hatte schon immer Rivalität in den Reihen des Sturms gegeben, jede Menge Verrat und Mauscheleien – doch zumindest ging es dabei stets um ein konkretes Ziel, um etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnte. In letzter Zeit hingegen waren die Streitigkeiten nicht bloß immer zahlreicher, sondern auch immer kleinkarierter geworden − manchmal so kleinkariert, dass es schon ans Kindische grenzte. Ghirra war davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es zu ersten echten Rissen in ihren Reihen kam.
Doch noch frustrierender für sie war, dass dies alles vermeidbar wäre. Würde Marchion Ro zu seinem Wort stehen und der Anführer werden, den sie einst – wie so viele andere – in ihm zu sehen glaubte, ließe sich all das wieder in Ordnung bringen, bevor alles, was sie erreicht hatten, den Bach runterging. Die Nihil waren gegenwärtig so stark wie nie zuvor. Ro stand kurz davor, die Kontrolle über die Galaxis zu übernehmen. Eigentlich lag alles in Marchions Hand.
Trotzdem weigerte er sich, tatsächlich zu herrschen. Er beschränkte sich darauf, in seinem Ruhm zu schwelgen und nach Belieben seine Macht zu nutzen, doch die meisten der Pflichten, die damit einhergingen, ignorierte er einfach.
Ghirra hatte versucht, ihn darauf hinzuweisen, um ihn dazu zu bringen, seinen Kurs zu ändern. Das Gespräch war nicht sonderlich gut verlaufen.
„Ihr klingt wie eine Bürokratin“, sagte er zwischen zwei Schlucken alderaanischen Weins. Sie saßen an einem lächerlich prunkvollen Esstisch, der so mit Geschirr und Deko beladen war, als würden sie den gesamten Senat zum Essen erwarten; dabei speisten die beiden allein. „Vermutlich wäre es Euch lieber, wenn ich irgendwelche Formulare bereitstellen würde, damit die Regierungsbeamten etwas zum Ausfüllen haben. Wenn ich Berechtigungscodes für den Sturmwall ausgeben würde. Wenn ich Schiffen amtliche Passierbescheinigungen ausstellen würde.“ Er spie das Wort „amtlich“ mit einer solchen Verachtung aus, als wär’s ein Stück fauligen Fleisches. „Ich habe den Sturm nicht um mich geschart, um als einfacher Büroangestellter zu dienen.“
„Und das erwartet auch niemand von Euch“, sagte Ghirra, auch wenn sie insgeheim der Ansicht war, dass es vielleicht keine schlechte Idee gewesen wäre, die genannten Aufgaben jemand anderem zu übertragen. „Aber ohne Autorität kann man nicht herrschen – und bei Autorität geht es nicht allein um Macht. Autorität bedeutet, dass man die Mittel und die Fähigkeit besitzt, Dinge zu erledigen. Auch wenn sich viele gern über Bürokratie lustig machen, ist nun einmal ein gewisses Maß davon notwendig, um zu gewährleisten, dass Systeme und Regierungen reibungslos funktionieren.“
„Denkt Ihr, wir kämen nicht ohne so was zurecht?“ Marchion bedachte sie mit seinem an eine gebogene Messerklinge erinnernden Lächeln. „Dann werdet Ihr überrascht sein.“
Dank ihrer langjährigen Laufbahn in der Politik war Ghirra sehr gut darin, den Mund zu halten. Doch an diesem Abend entschied sie sich dagegen. „Oh, sicherlich würden die Nihil auch ohne Bürokratie klarkommen … zumindest für ein paar Monate. Möglicherweise für ein Jahr. Vielleicht sogar zwei. Aber je länger Ihr keine funktionierende Regierung habt, desto schneller führt Ihr Euren eigenen Untergang herbei.“
„Die Jedi sind keine Gefahr mehr −“
„Wer redet hier von den Jedi?“ In ihrer Entrüstung schlug Ghirra so heftig mit der Hand auf den Tisch, dass Teller, Becher und Besteck klirrten. Marchion warf ihr die Art von Blick zu, die sie schlagartig daran erinnerte, wo genau sich die nächste Luftschleuse befand, durch die er sie rausschmeißen lassen könnte. Sie zügelte ihren Tonfall, jedoch nicht ihre Worte. „Euer Sieg über die Jedi ist einer Eurer größten Triumphe. Aber Euch stehen nicht unbegrenzt Namenlose zur Verfügung … und nicht bloß die Jedi verteidigen die Republik. Wenn sich das Volk gegen Euch erhebt, Marchion − das einfache Volk, das nicht über die Macht gebietet, das sich nicht um die Namenlosen schert … Was denkt Ihr, wie lange Ihr dann imstande wärt, Euch zu behaupten?“
Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Das werden wir rausfinden, wenn es so weit ist. Mein Sturm wird jedenfalls gewappnet sein.“
Dein Sturm besteht aus Leuten, die früher gar nicht so anders waren als die Republik-Bürger, die du so verachtest, dachte Ghirra, als sie an diesem Abend nach dem Essen allein zu ihrem Quartier zurückging. Sobald jene, die von der Republik unterdrückt und geknechtet werden, erkennen, dass die Nihil nichts weiter als einfältige Schläger sind, werden sie ihre eigenen Schläger ins Feld führen.
Einst gab es eine Zeit, da hatte sie geglaubt, die Republik bedürfe so dringend tiefgreifender Korrekturen, dass selbst die plündernden, unzivilisierten Nihil dafür ein akzeptables Mittel seien, da nur die Art von Zerstörung, die die Nihil über die Galaxis brachten, dazu taugte, eine seit Zehntausenden von Jahren etablierte Institution wirklich zu verändern. Doch mittlerweile konnte Ghirra sich kaum noch daran erinnern, was sie damals überhaupt für so änderungsbedürftig gehalten hatte, dass es das Opfer wert war, sich dafür dem Wohl und Wehe von Marchion Ro zu unterwerfen.
Dabei hätte das alles keine Rolle gespielt, hätte Ro den Konflikt, den Ghirra einstmals für unausweichlich hielt, bereits endgültig für sich entschieden. Gewiss, noch hatte er die Oberhand, doch je länger es ihm nicht gelang, aus seiner Stärke Kapital zu schlagen − solange er sie nicht ausbaute und festigte, um daraus echte Autorität zu schöpfen −, und je mehr Schaden die Verderbnis all dem zufügte, von dem sie einst geglaubt hatte, er würde irgendwann darüber herrschen, desto lauter wurde das Flüstern in ihrem Hinterkopf, dass sie bei diesem Rennen womöglich auf das falsche Fathier gesetzt hatte.
Als sie um die abgerundete Ecke des Korridors bog, stieß sie beinah mit Thaya Ferr – so mürrisch und omnipräsent wie immer − und dem Mädchen namens Nan zusammen. Und wie immer stieß der Anblick dieser Möchtegern-Geheimagentin, die aus unerklärlichen Gründen Ros Wohlwollen genoss, Ghirra sauer auf. „Wie nennt Thaya dich eigentlich?“, fuhr Ghirra das Mädchen an. „Hast du keinen Nachnamen?“
Nan zögerte. „Wie wär’s mit Hague?“, sagte sie dann. „Hague war immer anständig zu mir. Und ein Nachname ist so gut wie der andere.“
„Nun, Nan Hague, wenn ihr unterwegs seid, um euch mal wieder bei Marchion einzuschmeicheln, spart euch die Mühe“, sagte Ghirra, nicht ohne eine gewisse Genugtuung. „Als ich ging, war er zwar schon mit dem Essen fertig, aber noch nicht mit dem Wein. Ich bezweifle, dass er noch bei Bewusstsein ist, wenn man euch zu ihm vorlässt.“
So abgebrüht wie immer erklärte Thaya: „Das Auge hat gerade nach ihr geschickt. Sie folgt bloß seinen Wünschen.“
Er hatte Ghirra hinauskomplimentiert, um sich seinen „drängenderen Angelegenheiten“ zuzuwenden? Angelegenheiten, die mit einem Niemand wie diesem Mädchen zu tun hatten? Ghirra war so außer sich vor Wut, dass es ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Stimme verschlug. Ohne dass ihr eine weitere Silbe über die Lippen kam, eilte sie an den beiden vorbei, an Bord der Gaze Electric, die ihre vor Zorn glühenden Wangen mit einem Schwall kalter Luft empfing.
Sie hatte keine Ahnung, was Ro mit Nan im Sinn hatte, und es kümmerte sie auch nicht sonderlich. Worum auch immer es ging, es handelte sich zweifellos um weitere streng vertrauliche Geheimdienst-Manöver, die zwar allesamt raffiniert verschleiert und potenziell verheerend für den Feind sein würden, sie einer funktionsfähigen Regierung jedoch kein einziges Stück näherbrachten.
Ich hätte nicht so schroff zu ihm sein sollen, dachte Ghirra. Er ist es leid, immer dieselbe Leier von mir zu hören – und ich bin die Einzige, von der er so was überhaupt hört. Wenn ich jeden Einfluss auf ihn verliere, ist es nicht bloß möglich, dass es zu einer Katastrophe kommt, sondern unvermeidlich.
Doch die Frage war nicht, wann oder wie sie diesen Einfluss verlieren könnte. Die Frage war vielmehr, ob das nicht schon längst passiert war.
Siehan, dachte Nan, als Thaya Ferr sie in Marchion Ros Kammer führte. Wieder war ein Mitglied des Inneren Kreises ausgeschieden. GhirraStarrosistraus.AlldieLeute,zudenenichfrüheraufgeschauthabe,vondenenichdachte,siewürdenunsbisinalleZeitenanführen,gehenunter …Dochichbinnochhier.
Marchion Ro fläzte sich in einem seiner breiten, hochlehnigen Sessel, die auch im Kanzleramt des Galaktischen Senats nicht fehl am Platz gewirkt hätten. Der durchscheinende Kelch in seiner Hand war noch fast voll, wenn auch zweifellos nicht zum ersten Mal an diesem Abend. Starros mochte in vielerlei Hinsicht nicht mehr ganz auf dem Laufenden darüber sein, was in den Reihen der Nihil vor sich ging, doch was die persönlichen Gefälligkeiten des Auges betraf, hatte sie sich noch nie geirrt.
„Nan Hague, Sir“, sagte Thaya. „Wie gewünscht. Ich warte draußen und begleite sie zurück zu ihrem Quartier, sobald Ihr so weit seid.“
Falls Ro zur Kenntnis nahm, dass Nan jetzt einen Nachnamen hatte oder dass ihm dieser vorher nicht bekannt gewesen war, ließ er es sich nicht anmerken. „Danke, Thaya.“
Er bedankt sich nur bei sehr wenigen Leuten, dachte Nan, während sie Thaya, die bereits im Begriff war, wieder zu gehen, einen flüchtigen Seitenblick zuwarf. Wahrscheinlich, weil sein kleiner Lakai für ihn sterben und dabei sogar noch darauf achten würde, keine Sauerei zu hinterlassen. Er weiß immer, wer ihm loyal ergeben ist und wer nicht. Diesen Mann zu täuschen, ist nicht einfach.
„Wir haben zusammen einen weiten Weg zurückgelegt, nicht wahr?“, begann Ro. „Du bist ein Kind der Nihil – die erste Generation, die innerhalb unserer Reihen geboren wurde; die erste Generation, die in einer Galaxis leben wird, die frei ist vom Makel der Republik.“
„Ja, Mylord.“ Wie so oft versuchte sie, sich an die Gesichter ihrer Eltern zu erinnern, doch mit der Zeit waren sie mehr und mehr verblasst. Dafür entsann sie sich noch, wie Hague sie als kleines Mädchen hochgehoben hatte, um ihr das wirbelnde Zyklonsymbol der Nihil zu zeigen, und sagte: Das sind wir, Nan. Dieses Zeichen bedeutet, dass wir hier waren. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte es sich gut angefühlt, Teil von etwas zu sein, das größer war als sie selbst. Hague hatte ihr vom großen Traum der Nihil erzählt und davon, was er ihnen alles verhieß.
„Als sich dir das erste Mal die Gelegenheit bot, uns zu helfen, damals, auf der Amaxinen-Station, wo du durch die Große Katastrophe gestrandet warst, hast du unsere kühnsten Erwartungen übertroffen. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, das hättest du getan, denn seinerzeit kannten wir dich noch nicht gut genug, um überhaupt etwas von dir zu erwarten. Aber du hast die Jedi infiltriert. Du hast ihr Vertrauen gewonnen, hinter die Kulissen ihres Ordens geschaut und dich als zuverlässigere Informationsquelle erwiesen als viele Agenten, die schon jahrelang dasselbe versuchten.“
„Mit Haags Hilfe, Mylord.“
Ro ließ nicht erkennen, dass er ihre Worte gehört hatte. „Anschließend hast du mir Berichte über das Ende der Starlight-Station zukommen lassen. Du warst Zeugin ihres Untergangs. Du hast die Hoffnungen der Jedi, die Station zu retten, zunichtegemacht und bist unversehrt von dort entkommen. Danach hast du unter Dr. Mkampa auf der Blitzschlag-Station gedient und mich über ihre Loyalität gegenüber den Nihil auf dem Laufenden gehalten – oder besser: über ihren bedauernswerten Mangel daran.“ Er nahm noch einen großen Schluck, ehe er sie mit schief gelegtem Kopf musterte, wie ein Salzfalke, der eine saftige Kröte erspäht. „Man begegnet nur selten jemandem, der einerseits Eigeninitiative zeigt und andererseits imstande ist, Befehle zu befolgen. Und du scheinst ein solcher Jemand zu sein.“
„Ich habe immer nur versucht, den Nihil so gut zu dienen, wie es mir irgend möglich ist“, sagte Nan. Sie wusste, dass er Dr. Mkampa nicht grundlos erwähnt hatte, doch vermutlich war es besser, kein Interesse an diesem oder einem anderen Thema zu zeigen. Ro wollte, dass die Aufmerksamkeit seiner Untergebenen zuerst und vor allem ihm galt. „Aber es freut mich, dass Ihr der Ansicht seid, ich hätte meine Sache gut gemacht.“
„Du hast dir schon lange gewünscht, eine Spionin zu sein, nicht wahr? Eine richtige Geheimagentin?“
Nan wusste, dass sie ihre Antwort darauf sehr vorsichtig formulieren musste. „Ich habe das Gefühl, als hätte ich bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt, dass ich für diese spezielle Aufgabe durchaus geeignet bin. Allerdings war mein Handeln bei diesen Gelegenheiten immer eher improvisiert. Ich habe einfach versucht, das Beste aus einer herausfordernden Situation zu machen. Und ja, seitdem habe ich mich oft gefragt, wie es wohl wäre, in größerem Rahmen und mit klar vorgegebenen Zielsetzungen zu agieren, um geheimdienstrelevante Informationen für Euch zu sammeln.“
Ro nickte. „Dann weißt du, wo der Unterschied zwischen dem liegt, was du bereits getan hast, und dem, was du gern tun würdest?“
„Gewiss, Mylord.“
„Nun, vielleicht habe ich genau so einen Auftrag für dich“, erklärte Ro. „Du wirst auf dich allein gestellt sein – ohne Unterstützung, ohne Verstärkung und nur mit minimaler Bewaffnung. Bis zum Abschluss der Mission wird es keinerlei Kommunikation zwischen dir und unserem Sturm geben − es sei denn natürlich, du bringst etwas so Bedeutsames in Erfahrung, dass du es für wert hältst, die Missionsprotokolle zu brechen, um mich darüber zu informieren. Doch wenn du das tust, sei dir darüber im Klaren, dass es dich teuer zu stehen kommen wird, sollte ich nicht der Meinung sein, dass deine Informationen dieses Opfer wert sind.“
Nan fragte sich, ob das bedeutete, dass sie dann ein schneller oder ein langsamer Tod erwartete, schließlich war Ro mit beidem nicht übermäßig zurückhaltend. „Ich würde es mir nicht anders wünschen.“
„Du bist vielleicht noch sehr jung, doch deine Erfahrung − vor allem dein Improvisationstalent in Momenten der Gefahr oder wenn sich dir eine günstige Gelegenheit bietet – verrät mir, dass auf dein Urteilsvermögen Verlass ist. Also schauen wir mal, ob ich damit richtigliege, hm?“
Er stellte ihr einige Fragen, als stünde es ihr frei, die Mission abzulehnen. Doch Nan wusste es besser. Die Aufgabe, die Ro ihr übertrug, war alles andere als freiwillig. Sich dem Willen des Auges zu widersetzen, bedeutete Ungehorsam, und dafür gab es nur eine angemessene Strafe: den Tod.
Aber das spielte keine Rolle. Nan hatte nicht vor, diese Mission abzulehnen. Tatsächlich hatte sie sogar eine ungefähre Ahnung, was er von ihr verlangen würde, und wenn sie damit recht hatte, war diese Mission genau das, wovon sie schon seit Monaten träumte. Mit etwas Glück bot sich ihr hier die größte Chance ihres Lebens.
Ro erhob sich aus seinem Sessel und kam auf sie zu. Mit seiner beachtlichen Körpergröße überragte er Nan, die für einen Menschen ziemlich klein war und die Hoffnung auf einen späten Wachstumsschub mittlerweile aufgegeben hatte. Doch gerade weil sie so klein war, hatte sie gelernt, sich nicht einschüchtern zu lassen – und dass es sehr einfach war, Leute, die größer waren als sie, in dem Irrglauben zu wiegen, von ihnen eingeschüchtert zu sein, denn so konnte man sie viel leichter überrumpeln. Was das Auge des Sturms anging, so entschied sie, dass der goldene Mittelweg hier die beste Strategie war: Sie senkte den Kopf gerade weit genug, um Respekt, ja, sogar Ehrfurcht anzudeuten, während sie gleichzeitig so aufrecht dastand, wie es nur ging. Sie wollte, dass er, wenn er sie anschaute, eine Waffe sah, die wie für seine Hand gemacht schien.
„Sag mal, Nan“, begann er. „Warst du schon mal auf Coruscant?“
Ich hatte recht, dachte sie und schaffte es irgendwie, nicht zu lächeln.
VIER
Einst hatte es eine Zeit gegeben, in der das Frachtschiff CatharCrown mit dem Stolz und der Anmut einer Flagge durchs All geflogen war, ein prachtvolles Sinnbild des Wohlstands und der Ingenieurskunst ihres Heimatplaneten. Doch Gabs Marise, die Kapitänin des Transporters, schätzte, dass diese Zeit schon gut und gerne dreihundert Jahre zurücklag. Seitdem hatten zahlreiche wechselnde Besitzer das Schiff mit einer Mischung aus cleverer Wartung, schlampigen Reparaturen und jeder Menge Gebete an verschiedene planetare Götter in der Luft gehalten. Gabs’ Meinung nach setzten die gegenwärtigen Besitzer die CatharCrown nur noch ein, weil sie auf eine Katastrophe spekulierten, die es ihnen ermöglichen würde, die Versicherung abzukassieren. Kein sonderlich beruhigender Gedanke für die Crew.
Und noch nie war dieser Gedanke beunruhigender gewesen als in dem Moment, als diese verdächtigen Signale am Rande des Systems aufzutauchen begannen. Der ithorianische Navigator gluckste leise und besorgt, während er einen weiteren Scan durchführte − der ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigte.
„Nihil im Anflug!“, tschilpte ihre Chadra-Fan-Pilotin. „Nicht mehr als ein Wind, vielleicht sogar bloß eine Brise, aber −“
Die Pilotin brauchte den Satz nicht zu beenden. Die wenigen Verteidigungsvorrichtungen, über die die Cathar Crown verfügte, waren unzuverlässig und kaum der Rede wert. Gabs bezweifelte, dass sie imstande waren, sich über längere Zeit auch nur gegen ein einziges Nihil-Schiff zu behaupten.
„Notsignal senden!“, befahl Gabs. „Auf allen Kanälen und allen Frequenzen! Sofort!“
Die Pilotin ließ ihre spitzen Ohren hängen − sie wusste so gut wie jeder andere im Cockpit, dass die Republik viel zu wenige Ressourcen besaß, um auf jeden Hilferuf zu reagieren −, doch sie sagte nur: „Aye, Captain.“
Gabs’ Gedanken rasten. „Okay, wir wissen alle, dass wir sie mit unseren antiquierten Waffensystemen nicht besiegen können. Und so nah bei Viasyl können wir nicht in den Hyperraum springen.“ Gegenwärtig waren sie dabei, in den äußersten Schichten des Gasriesen Viasyl Schwere Gase zu sammeln − eine mühsame Arbeit, bei der die Triebwerke schon an ihre Grenzen stießen, nur um den enormen Gravitationskräften zu widerstehen. „Meinst du, wir schaffen es, von hier zu verschwinden, bevor die Nihil uns erreichen?“
„Dazu müssten wir direkt auf die Nihil zufliegen“, entgegnete die Pilotin. „Das würde uns ein paar Minuten verschaffen, um weit genug von Viasyl wegzukommen, dass wir den Sprung riskieren können …“
Der Navigator ließ ein hoffnungsvolles Schnurren hören, doch er hatte sich zu früh gefreut.
„… aber wenn die mitkriegen, was wir vorhaben, und beschleunigen, fliegen wir geradewegs in unser Verderben“, schloss die Pilotin.
Sie werden uns nicht sofort hochjagen, dachte Gabs. Sie wissen, dass wir flüchtige Gase schürfen, und werden keine Explosion riskieren, die auch einige ihrer eigenen Schiffe zerstören könnte. Außerdem sind die Nihil Plünderer. Sie plündern. Wahrscheinlich werden sie uns entern und sich unter den Nagel reißen, was irgendeinen Wert hat. Aber danach …
Manchmal nahmen die Nihil Geiseln und forderten exorbitante Lösegelder, wenn sie glaubten, es bestünde die Chance, dass sie die Credits tatsächlich bekamen. Doch ein Blick auf die CatharCrown genügte, um sie wissen zu lassen, dass die Besitzer des Transporters nicht einmal genügend Lösegeld zahlen würden, dass es für ein Mittagessen reichte. Nein, wenn die Nihil sie erwischten, waren Gabs und ihre Mannschaft erledigt. Tot.
„Vielleicht haben sie uns ja noch gar nicht bemerkt?“, sagte Gabs.
Der ithorianische Navigator schüttelte seinen riesigen Kopf und deutete auf die Monitore, die zeigten, dass die Nihil bereits in Angriffsformation gingen.
„Okay. Höchste Zeit, sich zu verkrümeln!“ Gabs rief die Daten über Viasyl auf, der wie alle Gasriesen von mehreren Klicks Dunst umgeben war, bevor man sich irgendetwas Festem wie einer nennenswerten Oberfläche näherte. „Wie stehen die Chancen, dass wir es schaffen, in die oberen Planetenschichten abzusinken und so ihre Systeme zu verwirren?“
„Vermutlich würden sie es mitkriegen“, entgegnete die Pilotin. „Aber mit etwas Glück nehmen sie vielleicht nicht die Verfolgung auf. Ihre Schiffe sind kleiner als unseres, was bedeutet, dass es für sie schwerer wird, der Schwerkraft zu entkommen, als uns − obwohl das auch für uns kein Spaziergang werden dürfte.“
Gabs hatte nicht die Absicht, zu verrecken, weil sie in die volle Dichte eines Gasriesen gesaugt und schließlich von der Schwerkraft zerquetscht wurden. Aber wenn sie die Wahl zwischen diesem Schicksal und dem hatten, von den Nihil gefoltert zu werden, ehe man sie aus einer Luftschleuse warf, zog Gabs den Gasriesen vor. „Dann los. Bring uns runter. Aber vorsichtig!“
Die Chadra-Fan-Pilotin warf ihr einen grimmigen Blick zu − sie wusste selbst am besten, dass sie vorsichtig sein mussten; nur ein Narr wäre das nicht gewesen −, doch sie tat, was Gabs sagte. Sie begannen, sich langsam dem Gasriesen zu nähern, der vor ihnen immer größer und röter wurde. Nicht mehr lange, und er würde die Dunkelheit des Alls und alle Sterne am Firmament auslöschen −
„Verdammt!“, rief die Pilotin entsetzt, als wie aus dem Nichts eine weitere Nihil-Brise auftauchte. Gabs’ Herz machte einen Satz, als ihr klar wurde, dass die Nihil offensichtlich geahnt hatten, was sie vorhatten, denn das andere Schiff hatte sich die ganze Zeit über hinter dem Gasriesen verborgen gehalten, unmittelbar außer Sicht.
Was sollten sie jetzt tun? Alles auf eine Karte setzen? Ein Kamikazemanöver starten? In den Kern fliegen und darauf hoffen, dass die Nihil ihnen so dicht auf den Fersen folgten, dass es auch ein paar von ihnen erwischte, wenn die Cathar Crown schließlich explodierte? Keine der Optionen, die sie hatten, war gut, aber das war vielleicht noch die beste. Gabs dachte einen Moment lang an ihr Zuhause, an ihre Heimat − an den wunderschönen Nachthimmel; an die drei Monde, die in ihren verschiedenen Phasen darüberzogen −, dann hob sie eine Hand, um den Befehl zu geben.
„Seht!“, rief die Pilotin. „Da kommt was!“
Gabs’ Augen weiteten sich, als eine weitere kleine Flotte aus dem Hyperraum auftauchte und die silbernen Streifen mehrerer Schiffe in Sicht kamen − Schiffe, die weder zu den Nihil noch zur Republik gehörten.
„Cathar Crown, hier spricht Affie Hollow vom Byne-Gildenschiff Schiff!“, verkündete eine junge Frauenstimme über das Komm. „Halten Sie sich so nah wie möglich bei dem Planeten, wie Sie können! Wir helfen Ihnen!“
Einige auf der Brücke jubelten, als die Byne-Gildenflotte näher kam und zwischen der Cathar Crown und den Nihil in Position ging. Die Gildenflotte war ein bunt zusammengewürfelter Haufen: Da waren Frachtschiffe wie ihr eigenes, kleinere Schlepper, ein paar Raumjäger und sogar eine umfunktionierte Vergnügungsjacht. Doch sie alle schienen bewaffnet und kampfbereit zu sein.
Die Nihil reagierten nicht sofort. Hätte Gabs raten sollen, was gerade in den Plünderern vorging, hätte sie spekuliert, dass die Nihil bloß einen Haufen ziviler Schiffe vor sich zu haben glaubten und damit rechneten, dass sie entweder die Flucht ergreifen oder sich ergeben würden. Erst als die Gildenschiffe in Angriffsformation gingen, drehten die Nihil hektisch bei, doch da war es bereits zu spät. Die selben Flugmuster, die ideal waren, um ein einzelnes Schiff zu umzingeln, sorgten gleichzeitig dafür, dass sie außerstande waren, sich effektiv gegen eine feindliche Flotte zu verteidigen, ganz egal, wie groß oder klein.
Ein seltsam bauchiges, bläuliches Schiff raste vorwärts, ohne zu feuern − Gabs konnte kaum glauben, was sie da sah −, aber das kleine Schiff hatte offensichtlich einen Skifter im Ärmel. Der ithorianische Navigator zwitscherte: „Sie haben einen Traktorstrahl aktiviert!“
„Einen Traktorstrahl? Bei einem Schiff dieser Größe?“ Das war zwar ungewöhnlich, aber nicht unmöglich. Gabs hatte so etwas schon erlebt. Was sie hingegen noch nie gesehen hatte, war das, was als Nächstes geschah: Das kleine Schiff richtete seinen Strahl auf das Nihil-Führungsschiff. Die beiden Schiffe umkreisten einander in einer Ellipse, wobei es den Anschein hatte, als würde das bläuliche Schiff die Nihil mit dem Strahl umschlingen wie einen Stein mit einer Schleuder. Dann deaktivierte das winzige Schiff genau im richtigen Moment seinen (offenbar extrem leistungsstarken) Traktorstrahl, um das Nihil-Schiff unkontrolliert in den Gasriesen zu schleudern, über die Grenze hinaus, wo es den Plünderern noch möglich gewesen wäre, der Schwerkraft des Planeten zu entkommen. Sekunden später war das Nihil-Schiff von den Anzeigen verschwunden; Gabs bildete sich ein, das Knirschen zu hören, mit dem seine Außenhülle brach.
Die übrigen Schiffe der Flotte griffen die Nihil mit regulären Waffen an, aber diese Brise war auf leichte Beute aus gewesen. Jetzt, wo es deutlich mehr Mühe – und Verluste – erfordern würde, die CatharCrown zu kapern, verloren sie schlagartig das Interesse. Mit einem Mal begannen die Schiffe, beizudrehen – allerdings nicht in geordneter Formation. Die Nihil-Schiffe würden in Kürze auf über einem halben Quadranten verstreut sein.
Sie wissen, wie es ist, zu gewinnen, dachte Gabs. Mit Niederlagen haben sie entschieden weniger Erfahrung.
Das kleine blaue Schiff steuerte auf die Cathar Crown