Star Wars. Gegenwind - Paul S. Kemp - E-Book

Star Wars. Gegenwind E-Book

Paul S. Kemp

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Beschreibung

Allein gegen einen übermächtigen Feind

Eine Vision der Macht führt den Jedi-Ritter Jaden Korr in die Unbekannten Regionen. Hier soll etwas geschehen, das Luke Skywalkers Hoffnung auf Frieden für immer vernichten kann. Und tatsächlich! Ein uraltes Schiff der Sith taucht aus der Vergangenheit auf. An Bord befindet sich eine große Einheit der Sith – und ein Mineral, das sie nahezu unbesiegbar macht! Jaden Korrs einzige Hoffnung auf Sieg ist ein Sith-Lord, der von sich behauptet, der hellen Seite der Macht zu dienen ...

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Paul S. Kemp

GEGENWIND

Aus dem Englischen

von Andreas Kasprzak

& Tobias Toneguzzo

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Star Wars™ Crosscurrent«

bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung August 2011

bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München.

Copyright © 2010 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.

All rights reserved. Used under authorization.

Translation Copyright © 2011 by Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: HildenDesign, München

Cover Art Copyright © 2010 by Lucasfilm Ltd.

Cover illustration by Dave Seeley

Redaktion: Marc Winter

HK · Herstellung: sam

Satz: omnisatz GmbH

ISBN 978-3-641-07811-9

www.blanvalet.de

Für meine beiden kleinen Padawane,

Roarke und Riordan.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …

Dramatis Personae

DREV HASSIN; Jedi-Padawan (Askajianer)

JADEN KORR; Jedi-Ritter (Mensch)

KELL DOURO; Attentäter/Spion (Anzati)

KHEDRYN FAAL; Captain der Schrottkiste (Mensch)

MARR IDI-SHAEL; Navigator der Schrottkiste (Cereaner)

RELIN DRUUR; Jedi-Meister (Mensch)

SAES RROGON; Sith-Lord, Captain der Herold (Kaleesh)

1. Kapitel

DIE VERGANGENHEIT – 5000 JAHRE VOR DER SCHLACHT VON YAVIN

Der größte der Monde von Phaegon III verglühte unter der gnadenlosen Kanonade der vierundsechzig speziell ausgerüsteten Kreuzer. Diese Schiffe waren kaum mehr als gewaltige Waffen, eingepackt in dicke Stahlplatten und mit gerade genug Schaltkreisen und Elektronik, um sie von einem Ort zum nächsten zu bringen. Ihre silberglänzenden Umrisse bewegten sich in präziser Formation durch die Schwärze des Alls, während sie einen beständigen Strom gleißender Vernichtung spien. Dass der Anblick imposant war, überraschte Saes nicht – dass er etwas Ästhetisches, Schönes an sich hatte allerdings schon. Wie, fragte er sich, konnte so unvorstellbare Verwüstung nur in so bezaubernden, warmen Farben erstrahlen?

Schillernde Plasmablitze zuckten vom Bug eines jeden Kreuzers auf den dichtbewaldeten Mond hinab, wo sie ein engmaschiges Netz aus Vernichtung und Qual woben. Das tiefe Grün leuchtete auf, verwandelte sich in loderndes Rot und verkümmerte dann zu einem verkohlten Schwarz. Eine dunkle Wolke aus Qualm und Staub breitete sich einem Leichentuch gleich in der Atmosphäre aus, und sie wurde rasch größer, als die Schiffe ihren Beschuss fortsetzten und die Oberfläche des Trabanten systematisch verdampften.

Das grelle Lodern füllte die Sichtfenster der Herold, und im Vergleich dazu verblasste der Schein der Sonne, die wie ein orangefarbener Lampion im Zentrum des Systems hing. Abgesehen vom gelegentlichen Piepsen eines Droiden und ein paar geflüsterten Worten ging die Brückenbesatzung ihrer Arbeit schweigend nach, und die Augen der Männer und Frauen wanderten zwischen ihren Instrumenten und den Sichtfenstern hin und her. Aus den Lautsprechern ertönten die Funksprüche der anderen Kreuzer – Meldungen, die vom planmäßigen Verlauf der Operation kündeten und sich zu einem optimistischen Summen vermengten. Die ruhige Atmosphäre auf der Brücke bildete einen krassen Gegensatz zum Chaos und der Vernichtung auf dem Mond. Saes’ scharfer Geruchssinn nahm den Schweiß der größtenteils menschlichen Crew wahr, gewürzt mit Adrenalin und Anspannung.

Während er dem Tode des Mondes beiwohnte, musste er unwillkürlich an die Daelfrüchte denken, die er als Kind so oft gegessen hatte. Zahlreiche Nachmittage hatte er damit zugebracht, unter der Sonne seiner Heimatwelt die raue, harte Schale aufzubrechen, um an das süße, weißliche Fruchtfleisch zu gelangen. Das Prinzip, dem diese Operation folgte, war im Grunde dasselbe, nur dass er heute einen ganzen Mond schälte. Und das süße Fruchtfleisch, das unter der baumbedeckten Oberfläche lag, war ein Erz namens Lignan, das sie abbauten, damit es den Sith beim Kampf um Kirrek einen entscheidenden Vorteil verschafft. Auch Saes’ Stellung in der Hierarchie des Ordens würde diese Operation stärken. Der Einzige, der seinem Aufstieg dann noch im Weg stünde, wäre Shar Dakhon. Natürlich würde Saes ihn nicht sofort herausfordern – er war noch nicht lange genug ein Sith –, aber sobald sich eine günstige Gelegenheit bot, würde er bereit sein.

Im ungezügelten Ehrgeiz liegt die Wurzel des Bösen, hatte Relin ihn einst gewarnt.

Saes lächelte. Was für ein Narr sein ehemaliger Meister doch gewesen war. Naga Sadow belohnte Ehrgeiz.

»Status?«, fragte er 8K6. Der Wissenschaftsdroide wandte sich von seinem Instrumentenpult ab und blickte Saes aus gelben Augen an. Die Plasmastrahlen, die jenseits der Sichtfenster loderten, spiegelten sich auf seiner silberglänzenden Hülle.

»Siebenunddreißig Prozent der Mondkruste sind vernichtet.«

Da der Droide kabellos mit seiner Konsole verbunden war, musste er sich nicht erst wieder dem Bildschirm zuwenden, um den Fortschritt der Operation zu erfassen, und so fuhr er mit monotoner Stimme fort: »Achtunddreißig Prozent. Neununddreißig Prozent.«

Der Sith nickte und drehte sich wieder den Sichtfenstern zu, woraufhin der Droide verstummte.

Trotz der großen Entfernung zwischen der Herold und dem grünen Mond trug die Macht das Grauen und den Schmerz der Lebewesen, die im Plasmaregen vergingen, in Saes’ Bewusstsein. Die Wälder wurden zwar lediglich von niederen Primaten bewohnt, aber ihre Gefühle waren deshalb nicht weniger intensiv. Er konnte sich die kleinen Kreaturen bildlich vorstellen, wie sie sich panisch kreischend von einem Ast zum nächsten hangelten, während die Wand aus Feuer und Rauch immer näher kam – und sie letztendlich verschlang. Hunderttausende dieser Tiere lebten auf dem Mond, und hunderttausende Tode hallten im Geist des Sith wider, ebenso flüchtig wie intensiv – und gleichzeitig auch zutiefst befriedigend.

Die anderen Sith an Bord der Herold und der Omen konnten die Emotionen von der Mondoberfläche ebenfalls spüren, und vermutlich nahmen sogar die Massassi, die auf jedem der vierundsechzig Schiffe untergebracht waren, dieses schmerzerfüllte Vibrieren in der Macht wahr – wenngleich natürlich nur auf eine viel undeutlichere Weise als Saes und seinesgleichen.

Bald schon würde alles Leben und mit ihm auch alles an Gefühlen, das dort unten existierte, vernichtet sein. Die Kreuzer arbeiteten präzise und konsequent auf dieses Ziel hin.

Vor langer Zeit, als Saes noch ein Jedi gewesen war, da hätte ihn allein der Gedanke an die Vernichtung aller empfindungsfähigen Wesen auf diesem Mond mit Entsetzen erfüllt. Es wäre ihm unverzeihlich erschienen, falsch. Heute wusste er es besser. Nichts war je völlig richtig oder völlig falsch. Es gab nur die Macht. Der, welcher sie einsetzte, bestimmte, was rechtens war und was nicht. Diese Erkenntnis und die Freiheit, die sie ihm verliehen hatte, war das größte Geschenk der Dunklen Seite. Und gleichzeitig auch der Grund, warum die Jedi eines Tages unweigerlich fallen mussten. Kirrek würde der erste Schritt auf dem Weg zu ihrem Untergang sein. Danach würden sie Coruscant verlieren – und schließlich die gesamte Galaxis.

»Wie hoch ist die Temperatur in den verbrannten Gebieten?«, wollte er wissen.

Der Wissenschaftsdroide wertete innerhalb eines Wimpernschlags die Sensordaten aus und sagte dann: »Die Temperatur befindet sich innerhalb der Toleranzgrenze der Schürfdroiden.«

Saes sah zu, wie die Kreuzer über der Atmosphäre dahinglitten, in perfektem Einklang, in perfekter Harmonie, um den nächsten Abschnitt des Waldmondes in Asche zu verwandeln, dann drehte er sich im Kommandosessel herum und richtete seinen durchdringenden Blick auf den Ersten Offizier, Los Dor. Die tiefrote, gefleckte Haut des Massassi wirkte im gedämpften Licht der Brücke beinahe schwarz, und seine großen, gelben Augen leuchteten im Schein des Infernos auf dem Mond, als er erwartungsvoll den Kopf hob. Dabei pendelte dessen Blick sich allerdings auf Höhe der beiden Hörner ein, die seitlich aus Saes’ Kiefer ragten. Dem Kaleesh direkt in die Augen zu sehen, wagte er nicht. Das wagte kaum jemand.

Der Sith wusste, dass Dors Loyalität nicht nur ihm galt. Denn während er vordergründig wie ein pflichtbewusster, vertrauenswürdiger Offizier erschien, war er im Grunde doch kaum mehr als ein Spion Naga Sadows. Bei dieser speziellen Operation bestand seine Aufgabe darin sicherzustellen, dass Saes das Lignan – das gesamte Lignan – zu Sadows Truppen bei Primus Goluud brachte.

Die dünnen Tentakel in Dors Gesicht zuckten, und die knorpeligen Kämme über seinen Augen hoben sich fragend.

»Lasst die Schürfdroiden von der Herold und der Omen starten, Colonel!«, sagte Saes.

»Jawohl, Captain«, antwortete Dor, dann drehte er sich zu seinem Pult herum und gab den Befehl an die Hangars beider Schiffe weiter.

Einen Moment noch blickte Saes auf den Rücken des Offiziers. Bis vor Kurzem hatte der Kaleesh Jagdgruppen durch Sümpfe und Wälder geführt, und auch, wenn er in der Aufgabe, einen Sternenkreuzer zu kommandieren, voll aufging, hatte er sich doch immer noch nicht daran gewöhnt, Captain genannt zu werden.

Kurz darauf schossen hunderte zylindrischer Kapseln aus den Hangars der Herold, und hunderte mehr wurden von deren Schwesterschiff, der Omen, ausgespien. Wie ein Kometenschauer zuckten sie an den Sichtfenstern vorbei, ehe sie in die Atmosphäre des Mondes hinabstürzten und dort mit hellem Flackern verschwanden. Hätte sich dieses Schauspiel nicht über einem verbrannten, an schwarzem Qualm erstickenden Mond abgespielt, man hätte es für ein festliches Feuerwerk halten können.

»Die Schürfdroiden sind in die Atmosphäre eingedrungen«, berichtete 8K6.

Saes drehte seinen Sessel zum Hauptschirm in der Mitte der Brücke herum. »Auf die Droiden, vergrößern!«

»Verstanden«, entgegnete Dor, dann nickte er dem Kommunikationsoffizier zu, der an den Kontrollen des Schirms saß.

Die Darstellung des Waldmondes, auf dem die Flugbahnen der Schürfdroiden als leuchtende Linien sichtbar waren, veränderte sich, zoomte näher an die Oberfläche heran. Die meisten der Kapseln waren unter der dichten Rauchwolke verschwunden, nur hie und da, wo der Qualm sich lichtete, konnte Saes silberne Punkte über der schwarzen Erde sehen. Der junge Offizier an den Kontrollen folgte dieser Handvoll Kapseln auf ihrem Weg durch die brodelnde Luft.

»Verluste nach Atmosphäreeintritt sind geringfügig: null Komma null drei Prozent«, meldete 8K6.

Saes nickte, hielt die Augen aber fest auf den Hauptschirm gerichtet. Fünf Kilometer über der Mondoberfläche zündeten die Bremsdüsen der Kapseln, und die silbernen Zylinder begannen auseinanderzuklappen, während sie, immer langsamer werdend, dem Boden entgegenschwebten. Als sie die verkohlte, qualmende Oberfläche schließlich erreichten, hatten die Schürfdroiden sich voll entfaltet – gewaltige, metallene Insekten mit Antigrav-Servosystemen und rundem, greifarmgespicktem Körper, der von sechs langen, vielgliedrigen Beinen sicher über die verbrannte Erde getragen wurde.

»Auf die Kamera eines der Droiden schalten!«, befahl Saes.

»Verstanden, Sir.« Dor winkte dem Kommunikationsoffizier zu.

Der junge Mann betätigte einige Knöpfe, und das Bild auf dem Schirm veränderte sich, zeigte nun den Anblick, der sich den »Augen« des Droiden darbot. Ein gedämpftes Raunen ging durch die Reihen der Brückenbesatzung, und selbst 8K6 blickte von seinem Instrumentenpult auf.

Captain Korsin, der Kommandant der Omen, wo dasselbe Bild über die Schirme flackerte, meldete sich per Funk, und seine laute, autoritäre Stimme schnitt durch das Surren des Kom-Verkehrs wie ein Messer durch Flimsiplast.

»Was für ein Anblick!«

»In der Tat«, nickte Saes.

Rauch stieg in faserigen Fahnen von der verbrannten Mondoberfläche auf. Die Hitze der Plasmastrahlen hatte die Erde in Glas verwandelt, und ein Netz aus Rissen zog sich über den schwarzen Boden. Asche und Qualm verdunkelten den Himmel, aber dank der leistungsstarken Filter waren die tiefen Krater und Spalten, die überall ringsum prangten, deutlich zu sehen. Das Wabern der erhitzten Luft verlieh der Szenerie einen unwirklichen, traumartigen Zug.

Hunderte Schürfdroiden krabbelten über den Mond, wie Fliegen, die sich auf eine verbrannte Leiche gestürzt hatten. Mit gestelzten, ruckhaften Schritten staksten sie dahin, bis sie schließlich die vorprogrammierte Formation eingenommen hatten. Dabei schwenkten ihre rüsselartigen Sensoren dicht über dem Boden dahin und suchten in der verkohlten Erde nach der molekularen Signatur von Lignan.

Als er an das Erz dachte, leckte Saes sich die Lippen. Dabei schmeckte er einen schwachen Hauch von Phosphor auf der Zunge. Vor einigen Jahren hatte er einmal einen kleinen Lignan-Kristall in Händen gehalten, und die Erinnerung an den Energiestoß, den die Berührung durch seinen Körper geschickt hatte, kribbelte jetzt noch in seinen Nervenenden. Doch diese Berührung, so schmerzhaft und kurz sie auch gewesen war, hatte vieles verändert. Mit ihr hatte sein Weg zur Dunklen Seite seinen Anfang genommen.

Die ungewöhnliche Molekularstruktur des Lignans machte es zu einem Katalysator für die Dunkle Seite, und als solcher verstärkte es die Kräfte eines Sith. Unglücklicherweise war der Orden bislang nicht in der Lage gewesen, größere Lignan-Vorkommen für sich zu erschließen. Zumindest nicht bis zum heutigen Tage, so kurz vor der Schlacht um Kirrek – und er, Saes Rrogon, war es, der es vollbracht hatte.

Vor ein paar Standardmonaten hatte ihn Naga Sadow damit beauftragt, die Galaxis nach Lignan abzusuchen, auf dass die Sith es im Krieg gegen die Jedi zu ihrem Vorteil nutzen könnten. Schon damals war Saes klar gewesen, dass es sich um einen Test handelte, und dass Los Dor, sein Erster Offizier, ihn beobachten, ihn bewerten und über ihn richten würde. Die Macht hatte ihn geführt, hatte ihn gerade noch rechtzeitig vor dem Ausbruch des Konfliktes hierhergebracht, zu Phaegon III und seinem dicht bewaldeten Mond. Saes wusste, er war für Sadow nur ein Instrument, ein Werkzeug, durch das der Sieg der Sith sichergestellt werden sollte.

Diese Erkenntnis brachte einige Fragen mit sich, und längst nicht alle waren sie angenehm. Saes’ schuppige Haut knirschte, als er sein Gewicht im Kommandosessel verlagerte.

Er würde genug Lignan einsammeln, um jeden Sith-Lord und jeden Massassi-Krieger, der am Angriff auf Kirrek teilnehmen mochte, damit auszurüsten. Hätte er mehr Zeit gehabt, wäre er beim Abbau methodischer und weniger zerstörerisch vorgegangen – aber er hatte keine Zeit, und Naga Sadow machte keinen Unterschied zwischen einer Verzögerung und einem Versagen.

Also hatte Saes selbst entschieden, was in dieser Situation richtig war und was falsch. Sein Auftrag hatte Vorrang vor dem Leben der Primaten, die auf dem Mond zu Hause waren – oder besser gesagt: zu Hause gewesen waren.

Während er ungeduldig auf die Ergebnisse der Sensorscans wartete, fuhr er mit der Fingerspitze über den Griff seines Lichtschwerts. In seiner geschwungenen Form erinnerte es an eine große Klaue. Als schließlich ein hohes Piepen die Entdeckung einer Lignan-Signatur verkündete, rutschte er an den Rand des Sessels und beugte sich nach vorne. Der Bildschirm wechselte zu einer schematischen Darstellung des Mondes. Ein grüner Punkt leuchtete darauf. Nach ein paar Sekunden und einem weiteren Piepen gesellte sich ein zweiter hinzu, dann ein dritter. Saes warf seinem Ersten Offizier einen kurzen Blick zu, aber der starre Gesichtsausdruck und die tentakelähnlichen Fortsätze vor seinem Mund machten es unmöglich abzuschätzen, ob Dor sich freute oder ärgerte.

»Das ist eine wahre Goldgrube«, meldete sich Korsin von der Omen. »Wir haben mitten ins Schwarze getroffen.«

Eigentlich hatte nur Saes mitten ins Schwarze getroffen. Korsin war ihm lediglich gefolgt. »Ja«, murmelte der Kaleesh.

»Es scheint sich um ein gewaltiges Vorkommen zu handeln«, meinte 8K6.

Immer mehr Schürfdroiden zirpten, und immer mehr grüne Punkte tauchten auf der Karte auf, bis sie zu einem großen, unförmigen Fleck verschmolzen.

Dor räusperte sich. »Es sieht so aus, als befände sich auf dem Mond mehr Lignan, als wir in der kurzen Zeit einsammeln können«, erklärte er. »Soll ich den Befehl geben, das Plasmabombardement einzustellen, Captain? Weitere Teile der Mondoberfläche zu vernichten erscheint mir … überflüssig.«

Saes erkannte die Frage hinter der Frage und schüttelte den Kopf. Wenn der Colonel glaubte, ihn zu einer Geste des Erbarmens, der Schwäche verleiten zu können, hatte er sich getäuscht. »Nein, wir werden die gesamte Oberfläche zerstören. Was wir uns nicht rechtzeitig nehmen können, werden wir nach dem Sieg bei Kirrek holen.«

Dor nickte, und seine Tentakel kräuselten sich über einem schmalen Lächeln. »Jawohl, Sir.«

Saes fixierte seinen Ersten Offizier mit einem harten Blick. »Und vergesst nicht, Lord Sadow bei Eurem nächsten Bericht hiervon zu erzählen!«

Dors Augen zuckten hoch, und einen kurzen Moment starrte er seinen Captain erschrocken an, dann glitt sein Blick rasch wieder zu den Kieferhörnern neben dessen Kinn hinab. Die tentakelähnlichen Fortsätze in seinem eigenen Gesicht zuckten erneut, aber diesmal war es kein Lächeln, das sie erzittern ließ.

Saes gönnte sich eine Sekunde hämischer Genugtuung, ehe er sich wieder dem Hauptschirm zuwandte. Unten auf dem Mond, das wusste er, hatten die Droiden inzwischen die Stahlbohrer aus ihren Unterleibern ausgefahren und sammelten gierig freigelegtes Lignan vom Boden des sterbenden Trabanten auf. Die Kreuzer setzten ihren Beschuss derweil unvermindert fort, und das Leiden der Primaten hallte auf den Schwingen der Macht weiter in Saes’ Bewusstsein. Allerdings war ihr Wehklagen nun deutlich schwächer – die meisten von ihnen waren bereits tot. Bei diesem Gedanken konnte sich der Kaleesh ein Schmunzeln nicht verkneifen. Rasch senkte er den Kopf, damit Dor es nicht sah.

»Setzt die Shuttles der Herold und der Omen für den Erztransport ein!«, wies er den Massassi dann an. »Wir nehmen so viel davon an Bord, wie in der kurzen Zeit möglich ist.«

»Verstanden.«

Drei Standardstunden später war die gesamte Oberfläche des Mondes verbrannt und jedes Wesen, das dort einmal gelebt hatte, in den Flammen untergegangen. Die vierundsechzig Kreuzer hatten das System nach getaner Arbeit verlassen, und nur die Omen und die Herold waren zurückgeblieben. Ein steter Strom von Frachtshuttles pendelte zwischen den Hangars der Schiffe und dem toten Mond hin und her. Die Laderäume füllten sich mit unraffiniertem Lignan, und die unmittelbare Nähe zehntausender Erzblöcke blieb auf Saes nicht ohne Wirkung. Er fühlte sich benommen, beinahe berauscht. Dor und den anderen machtempfänglichen Personen an Bord erging es vermutlich ganz ähnlich, ebenso wie der Besatzung der Omen.

»Sorgt dafür, dass die Massassi im Zaum gehalten werden!«, sagte Saes an Dor gerichtet. »Das Lignan wird sie ganz wild machen, und wir wollen keine Gewaltausbrüche.«

Der Erste Offizier nickte. Nein, das wollten sie nicht – nicht, wenn sie die Aggression der Massassi nicht auf ihre Feinde richten konnten. »Ich werde den Sicherheitsmannschaften Bescheid geben«, erklärte er. Dann zögerte er einen Moment. »Spürt Ihr das auch, Captain?«

Saes neigte den Kopf, trunken von der Macht. Die Luft auf der Brücke, ja, auf dem gesamten Schiff, schien zu vibrieren, widerzuhallen vom Versprechen der Dunklen Seite. Die Haut des Kaleesh glühte, und eine rauschhafte Leichtigkeit machte sich in seinem Kopf breit.

Tatsächlich kostete es ihn größte Willenskraft, sich wieder auf die Mission zu konzentrieren. Es gab noch einiges zu erledigen, und sie hatten nicht mehr viel Zeit bis zu ihrem Treffen mit Naga Sadow und der Streitmacht der Sith, die er gegen Kirrek führen wollte.

Saes öffnete einen Kom-Kanal zur Omen. »Noch eine Stunde, Korsin, dann brechen wir auf.«

»Verstanden.« Die Stimme des Menschen troff vor Selbstzufriedenheit. »Fühlt Ihr auch diese Kräfte um uns, Saes? Kirrek wird brennen! Jawohl, brennen!«

Saes’ Blick wanderte zu den Sichtfenstern hinüber, zu dem schwarzen, leblosen Ball, der sich dort in der sternenbesprenkelten Weite des Alls drehte.

»Kirrek wird brennen«, stimmte er zu, dann unterbrach er die Verbindung.

Relin starrte durch die Transparistahlkuppel, die sich über dem Cockpit des Sternenjägers wölbte. Neben ihm tippte sein Padawan Drev die Koordinaten für den Hyperraumsprung in den Navigationscomputer ein. Obwohl nach den Maßstäben seiner Spezies geradezu dürr, war der Askajianer doch eindeutig zu breit für seinen Sitz. Das Gleiche galt für seinen Pilotenanzug. Relin erinnerte der Anblick jedenfalls mehr an eine Wurstpelle; der Stoff spannte sich über Drevs voluminösen Körper und schnitt an Handgelenken und Hals tief ins Fleisch. Doch wenn der Jedi-Meister zu seinem Schüler hinüberblickte, dann war es weniger der gequälte Gesichtsausdruck, der ihm auffiel, sondern vielmehr der Strom der Macht. In seinem ganzen Leben war Relin noch keinem Askajianer mit einem solchen Potenzial begegnet.

Ihr Sternenjäger der Infiltrator-Klasse schwebte durch das orangerote Glühen des Remmon-Nebels. Mit seiner ungleichmäßigen Emissionssignatur, der schnittigen Form und seinen Störgeräten war das kleine Schiff ganz auf effiziente Tarnung ausgelegt, und nun, im Zentrum des farbenprächtigen Wirbels, war es praktisch völlig unsichtbar, ein Phantom, das sich jedem Radar entzog.

Linien gelben und orangenen Lichts wanderten durch das überhitzte Gas des Nebels wie Blitze, dann flackerten sie auf, als die gesamte Wolke sich unter der Gewalt magnetischer Winde verformte. Voll stummer Bewunderung beobachtete Relin dieses Spektakel. Obwohl er während seiner Zeit im Orden die halbe Galaxis bereist hatte, war er immer noch sprachlos ob der Schönheit, die sich selbst in den entlegensten Winkeln des Alls verbarg. Diese Schönheit war in seinen Augen das Gesicht der Macht – die physische Manifestation einer für gewöhnlich unsichtbaren Kraft, die jedes noch so kleine Molekül durchströmte und das gesamte Universum zusammenhielt.

Aber nun war dieses Universum in Gefahr. Naga Sadow und die Sith versuchten, es zu korrumpieren und zu pervertieren. Relin wusste, in welch bodenlosen Abgrund sie alles Leben zu reißen versuchten. Er wusste es seit jenem schicksalhaften Tag, an dem er Saes Rrogon an die Dunkle Seite verloren hatte.

Hastig schob er den Gedanken beiseite. Die Erinnerung war wie eine Narbe auf seiner Seele, die nie ganz verheilen konnte, und jedes Mal, wenn er sich ihr zuwandte, drohte sie, wieder aufzubrechen.

Der Konflikt zwischen den Jedi und den Sith hatte einen Wendepunkt erreicht. Kirrek würde darüber entscheiden, zu wessen Gunsten sich die Waagschalen des Schicksals neigten. Relin wusste, dass Memit Nadill und Odan-Urr den Planeten so gut es nur ging auf den Angriff vorbereitet hatten. Aber er wusste auch, dass Sadow mit einer gewaltigen Streitmacht anrücken würde. Wenn die Sith Kirrek tatsächlich einnahmen, dann würde ihr nächstes Ziel Coruscant sein.

Noch während er die letzten Koordinaten eingab, hob Drev den Kopf. »Werden wir das Signal des Senders denn im Hyperraum empfangen können?«, fragte er.

Relin nickte fest. »Ja.« In Gedanken fügte er allerdings noch hinzu: Falls die Herold und die Omen wirklich diese Hyperraumroute genommen haben; falls Saes nicht plötzlich einen anderen Kurs eingeschlagen hat; falls die beiden Schiffe sich noch in der Nähe der Hyperraumroute aufhalten; falls das Signal stark genug ist … Die Liste ließ sich beliebig fortsetzen.

»Was, wenn Saes den Sender entdeckt und zerstört hat?« Drev gingen also ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf wie seinem Meister.

Relins Blick wanderte wieder nach draußen auf den Nebel. »Sich über das Ungewisse den Kopf zu zerbrechen, ist sinnlos, mein Padawan. Die Dinge sind, wie sie sind.«

In den letzten Tagen hatten diese Dinge sich allerdings so rasend schnell entwickelt, dass er nicht einmal regelmäßig dem Tempel hatte Bericht erstatten können – mehr als vereinzelte, kurze Subraumnachrichten waren nicht möglich gewesen.

In der Nähe von Primus Goluud, wo sich eine ganze Armada von Sith-Schiffen auf einen Großangriff vorbereitete, hatten sie die Fährte seines ehemaligen Schülers aufgenommen und einen knappen Bericht nach Coruscant und Kirrek geschickt. Als Saes’ Kreuzer, die Herold, und deren Schwesterschiff, die Omen, sich dann aus dem gewaltigen Verband lösten und davonflogen, hatte er Order erhalten, ihnen zu folgen und so viel wie möglich über ihre Absichten herauszufinden. Allerdings war Saes bislang nur von einem verlassenen, abgelegenen System zum nächsten gereist und an jedem Ort gerade lange genug geblieben, um eine Handvoll Aufklärungsdroiden abzusetzen und einen oberflächlichen Scan der Planeten und Monde durchzuführen. Was genau er suchte, blieb ein Rätsel.

»Er sucht irgendetwas«, murmelte Relin, mehr zu sich selbst als zu seinem Padawan.

Drev kicherte, und sein Doppelkinn erbebte. »Vermutlich sein Gewissen. Es scheint ihm abhandengekommen zu sein.«

Relin lächelte nicht. Der Fall von Saes schmerzte ihn immer noch zu sehr, als dass er ihm etwas Komisches abgewinnen konnte. »Mir missfällt dein Mangel an Ernsthaftigkeit. Tausende, vielleicht sogar Zehntausende werden in diesem Krieg sterben.«

Drev senkte den Kopf, und seine massigen Schultern sanken herab. Das runde Gesicht unter dem wirren, braunen Haar wirkte betreten. »Verzeiht mir, Meister. Es ist nur, dass ich …« Er hielt inne, und in seinen Augen konnte Relin ablesen, dass der Padawan mit sich und seinen Gedanken haderte.

»Was?«, fragte er.

Der Askajianer sah auf seine Hände hinab, als er antwortete. »Manchmal glaube ich, dass Ihr keine Freude kennt. Noch nie sah ich Euch lachen. Auf meiner Heimatwelt predigen die Schamanen der Mond-Frau, dass eine Tragödie stets ein Anlass zur Heiterkeit sein soll. Sie sagen, man soll lächeln, wenn man traurig ist, und lachen, wenn man stirbt. In jeder noch so trostlosen Situation lässt sich Freude finden.«

»Wo Freude ist, lauert stets auch Schmerz«, sinnierte Relin. Seine Gedanken drehten sich immer noch um Saes, seinen gefallenen Padawan. Dann gab er sich einen Ruck. »Ist alles bereit für den Hyperraumsprung?«

Drev richtete sich im Sitz auf, soweit die viel zu engen Gurte das zuließen. Sein Tonfall war kühl und diszipliniert. »Jawohl, Meister.«

»Dann lass uns herausfinden, wonach Saes sucht!«

Relin steuerte den Sternenjäger aus dem Nebel heraus und überprüfte währenddessen noch einmal die Daten, die Drev in den Navigationscomputer eingegeben hatte. Schließlich blieb das orangerote Leuchten hinter ihnen zurück, und vor ihnen lag einmal mehr das samtene Schwarz des Alls. »Dann wollen wir mal«, meinte Relin.

Sein Schüler drückte einen Knopf auf der Konsole, und ein dunkler Filter legte sich über die Cockpithaube. Jenseits davon verwandelten die Sterne sich in langgezogene Linien – und dann wurde der Jäger in den wirbelnden, blauen Tunnel des Hyperraums gesogen.

DIE GEGENWART – 41,5 JAHRE NACH DER SCHLACHT VON YAVIN

Dunkelheit umgab Jaden. Völlige Finsternis war rings um ihn, und er stürzte mitten hindurch. Es schien, als würde er ewig fallen. Sein Magen stülpte sich ihm um, und seine Kehle war vor Angst wie zugeschnürt. Er spürte, dass sein Mund weit aufgerissen war, aber er hörte keinen Schrei. Er hörte überhaupt nichts.

Seine Sinne flackerten wie eine Kerzenflamme im Wind. Zwar konnte er in und um sich noch die Macht spüren, aber sie war gedämpft, ein schwaches Echo. So, als wäre er nicht mehr empfänglich für ihre Stimme.

Dann schlug er plötzlich auf. Der Boden war hart, und die Landung presste ihm die Luft aus der Lunge. Ächzend stemmte er sich auf alle viere hoch. Unter seinen Händen knirschte Schnee. Böen eisigen Windes peitschten über ihm hinweg, zerrten an seiner Kleidung, an seinem Haar, und die Eiskristalle, die der Sturmwind mit sich trug, stachen in seine Wangen, überzogen den Bart mit einer Schicht aus Raureif. Die Dunkelheit war immer noch vollkommen, und er streckte tastend die Hände aus, während er sich auf die Beine hochkämpfte. Dann stand er da, schwankend, blind und frierend.

»Wo bin ich?«, schrie er. Seine Stimme klang leise und unbedeutend in der schwarzen Leere. Zitternd hob er die Hände vor das Gesicht. Er konnte sie nicht sehen, auch dann nicht, als sie nur noch wenige Zentimeter von den Augen entfernt waren. Panik keimte in ihm auf. »Ersechs?«

Keine Antwort.

»Ersechs?«

Wie merkwürdig, schoss es ihm durch den Kopf. Warum rufe ich in dieser unheimlichen Situation nach meinem Droiden? Warum nicht nach den anderen Jedi?

Er griff nach seiner Hüfte, doch die Halterung am Gürtel war leer, und als seine Hände ins Kreuz wanderten, ertastete er dort, wo sich sonst sein zweites Lichtschwert befand – jene vergleichsweise primitive, aber doch äußerst effektive Waffe, die er als Junge auf Coruscant gebaut hatte, noch ehe er zum Jedi ausgebildet worden war –, ebenfalls nur Leere und Kälte. Sein Blaster befand sich nicht im Halfter, und es war auch kein Glühstab in der Tasche zu finden.

Alleine, ohne Ausrüstung oder Waffen, stand er in der Finsternis.

Was war geschehen? Er konnte sich an nichts erinnern, was vor seinem Sturz durch die eisige Schwärze lag.

Jaden raffte seine Robe enger um die bebenden Schultern, aber das konnte Wind und Kälte nicht abhalten. Seine klappernden Zähne und der Gongschlag seines Herzens waren die einzigen Laute, die er über das Heulen des Sturms hörte, so sehr er die Ohren auch anstrengte und auf Geräusche lauschte, die ihm Aufschluss über seine Umgebung geben könnten. Blind und taub, wie er war, wandte er sich an die Macht. Mit ihr wollte er den Nebel um seine Sinne durchdringen und seinen Aufenthaltsort indirekt erkunden. Aber es kostete ihn größte Anstrengung, eins mit dem Fluss der Macht zu werden. Was ihm sonst so leicht fiel, was beinahe wie von selbst geschah, wurde mit einem Mal zur Kraftprobe. Während er normalerweise in einen mächtigen Strom eintauchte, kroch sein Verstand nun in ein träge dahinmäanderndes Rinnsal. Jaden wollte schon aufgeben, als er plötzlich doch noch etwas wahrnahm …

Er war nicht allein.

Da waren andere – mehrere Personen.

Wie er standen sie orientierungslos und einsam in der undurchdringlichen Schwärze.

Er holte tief Luft und schob sich weiter durch das ausgetrocknete Flussbett der Macht. Was er spürte war … ein schmerzhaftes Stechen. Ein verlockendes Streicheln. Ein Schatten der Dunklen Seite.

Sith … dort draußen waren Sith.

Genau genommen … nicht wirklich. Sie trugen das Potenzial dazu in sich – die Dunkle Seite hatte sie berührt, korrumpiert. Aber noch hatte sie sie nicht völlig verschlungen.

Jaden versuchte, das verführerische und nur allzu bekannte Flüstern der Dunklen Seite zu ignorieren. Die Linie zwischen Licht und Dunkelheit war so schmal wie eine Vibroklinge, das hatte ihn schon sein Lehrmeister, Kyle Katarn, gelehrt. Es war ein Drahtseilakt. Manche wussten um den bodenlosen Abgrund, der unter ihnen klaffte, andere waren völlig ahnungslos. Es waren Letztere, die nur allzu oft in die Finsternis stürzten, aber zumindest blieb ihnen die Last und die Qual des Wissens erspart, mit der Erstere leben mussten. Auch Jaden hatte sich schon oft gewünscht, alles, was er im Orden gelernt hatte, vergessen zu können, wieder zu dem Jungen auf Coruscant zu werden, dem die Macht wie Zauberei erschienen war.

Die Worte seines Meisters hallten durch das Dunkel: Die Macht ist ein Werkzeug, Jaden. Sie kann eine Waffe sein und ein Verband, kann Tod bringen und Heilung. Die Dunkle Seite, die Helle Seite … diese Differenzierung ist bedeutungslos. Versuche nicht, die Macht in Schwarz und Weiß zu unterteilen! Das ist der Fluch allen intelligenten Lebens. Wir versuchen, alles in bestimmte Kategorien einzuordnen, um es besser verstehen zu können. Aber diese Trennlinien, die wir so übereifrig ziehen, sind eine Illusion. Du musst die Wahrheit akzeptieren, denn sie birgt ein tieferes Verständnis der Dinge, ein unverzichtbares Wissen. Also vergiss dieses Schubladendenken! Öffne dich der Realität, und mache deinen Frieden mit ihr!

Aber Jaden hatten sich nie mit dieser Wahrheit arrangieren können, und mittlerweile bezweifelte er, dass er sich je damit arrangieren würde. Schlimmer noch – er wusste nicht, ob er sich je damit arrangieren wollte! Nach dem Ende seiner Ausbildung zum Jedi hatte er sich intensiv mit den verschiedenen Theorien über die Macht beschäftigt – vor allem mit den eher unorthodoxen Erklärungsversuchen. Und im Verlaufe seiner Nachforschungen war er immer mehr zu der Einsicht gelangt, dass sein Meister mit seiner Sicht womöglich recht gehabt hatte. Allerdings machte das die Dinge nicht einfacher. Im Gegenteil.

»Zeigt euch!«, schrie er in die Dunkelheit, und der eisige Wind riss ihm die Worte von den Lippen. Vermutlich war es ohnehin überflüssig. Wenn er die Gegenwart der Sith spüren konnte, waren sie zweifelsohne auch schon auf seine Präsenz aufmerksam geworden.

Sie waren überall um ihn herum, und …

Jaden legte den Kopf zur Seite, konzentrierte sich. Ja, sie kamen näher – und das sehr schnell. Einen kurzen Moment kehrte die Panik zurück. Er war blind, wehrlos – verloren. Um sich nicht mit seiner Furcht auseinandersetzen zu müssen, tauchte er tiefer in die Macht ein. Ihre erhabene Energie half ihm, wieder Herr seiner Gefühle zu werden und Ruhe zu finden.

Er spannte seinen Körper, die Beine leicht gebeugt, sämtliche Sinne geschärft, bereit zu reagieren, sollten die Sith ihn angreifen. Auch ohne Lichtschwerter war er ein ernstzunehmender Gegner.

»Jaden«, flüsterte eine Stimme in sein Ohr. Eine Stimme, die er kannte. Die er schon einmal gehört hatte, allerdings nur in Vidschirm-Überwachungsaufnahmen.

Er wirbelte herum, sammelte die Macht in seinen Handflächen, bereit, jeden fortzuschleudern, der sich ihm näherte. Aber da war nur Dunkelheit.

Lumiya.

Es war Lumiyas Stimme gewesen. Aber, nein. Das konnte nicht sein. Oder? Sie war schon lange tot.

Eine Hand packte seine Robe. »Jaden!«, rief jemand.

Lassin.

Er riss sich los, sprang in hohem Bogen nach hinten. Überschlug sich in der sturmgepeitschten Luft und landete drei Meter von der unsichtbaren Gestalt entfernt im knirschenden Schnee. Es konnte nicht Lassin sein; der Jedi war kurz nach dem Kampf mit den Jüngern Ragnos’ gestorben. Aber die Stimme war unverkennbar.

Jadens Konzentration flackerte. Machtblitze, blau und knisternd, tanzten auf seinen Fingerspitzen. Wie leuchtende Würmer fraßen sie sich durch die Dunkelheit.

Die Haare in Jadens Nacken stellten sich auf. Er blickte auf seine Hände hinab und fokussierte seine Willenskraft. Die blauen Funken erloschen.

»Jaden Korr«, sagte da eine dritte körperlose Stimme, links von seiner Position. Auch sie war ihm vertraut. Kam Solusar. Aber Jaden konnte die Präsenz des Jedi nicht spüren, ebenso wenig wie die Aura der Hellen Seite. Da war nur die unheilvolle Energie der Dunkelheit.

Er drehte sich im Kreis, versuchte, die Schwärze mit den Augen zu durchdringen. Vergebens.

»Was du suchst, kannst du nur im Schwarzen Loch auf Fhost finden, Jaden«, flüsterte Mara Jade Skywalker in den Schatten.

Auch sie blieb unsichtbar.

Auch sie war tot.

»Wer bist du?«, rief Jaden, und der Sturm antwortete ihm mit eisigem Heulen. »Wo bin ich?«

Einmal mehr griff er mit der Macht in die Düsternis hinaus. Er streckte seine Sinne nach Lumiya und Lassin, nach Solusar und Skywalker aus – aber sie waren alle verschwunden.

Er war wieder alleine. Wie so oft. Wie eigentlich immer.

Erst da erkannte er, dass er träumte. Die Macht sprach zu ihm. Schon viel früher hätte es ihm auffallen müssen.

Diese Offenbarung setzte dem Sturm ein Ende. Das Kreischen des Windes verebbte, die unsichtbaren Finger, die an seiner Kleidung gezerrt hatten, erlahmten, und der Regen der Eissplitter erstarb.

Aber die Dunkelheit blieb. Undurchdringlich und schwer. Sie drückte auf seine Brust, lastete auf seinen Schultern.

Angespannt stand Jaden da, wartete darauf, dass etwas geschah.

Schließlich erklang ein gedämpfter Schrei aus dem Nichts. Er wiederholte sich, immer und immer wieder, und in seiner Regelmäßigkeit wirkte er fast mechanisch. Er schien aus großer Entfernung an Jadens Ohren zu dringen.

»Hilf uns! Hilf uns! Hilf uns! Hilf uns …«

Er ballte die Fäuste. »Wo bist du?«

Da teilte sich die Finsternis um ihn plötzlich. Punkte weißer Helligkeit bohrten sich wie Nadelstiche durch die erdrückende Schwärze. Sterne. Er blickte zu ihnen hinauf, suchte mit zusammengekniffenen Augen nach einer vertrauten Konstellation. Dort! Dieses Sternbild hatte er schon einmal gesehen. Und da, der blau leuchtende Gasriese, umgeben von einem ausladenden Ringsystem aus Eis und Stein. Jaden kniff die Lippen zusammen, durchforstete seine Erinnerungen. Plötzlich wusste er, wo er war: auf einem Mond dieses Gasriesen, im randwärtigen Teil der Unbekannten Regionen.

Die Dunkelheit um ihn wich weiter zurück, und als seine Augen sich an die Sichtverhältnisse gewöhnt hatten, erblickte er eine öde, eisverkrustete Ebene, die sich scheinbar endlos in alle Richtungen erstreckte. Vom Wind aufgetürmte Schneeverwehungen erhoben sich in unregelmäßigen Abständen wie Wellenkämme und verliehen der Landschaft dadurch den Eindruck eines gefrorenen Meeres. Tiefe Risse durchzogen das graue Eis, und hie und da klafften Krater auf der Mondoberfläche wie hungrig aufgerissene Mäuler. Das entfernte Knirschen von Gletschern klang in diesem Zusammenhang wie das Magenknurren eines Riesen. Aber nirgends sah er die Sith, die sich als Lumiya, Lassin, Solusar und Skywalker ausgegeben hatten. Nichts auf dieser trostlosen, eisigen Ebene deutete auf Leben hin.

Gepresst atmete Jaden aus, und eine Wolke weißen Dampfes stieg aus seinen Mundwinkeln. Die Finger seiner linken Hand zuckten reflexartig. Hätte er doch nur sein Lichtschwert!

Plötzlich und ohne jede Vorwarnung explodierte der Himmel. Ein ohrenbetäubendes Donnern rollte durch die Atmosphäre, gefolgt von einer Wolke aus grellrotem Feuer. Die Sterne verschwanden unter einem Vorhang aus beißendem Qualm, und der Boden unter Jadens Füßen bäumte sich auf.

Der Jedi kauerte sich zusammen, presste die Hände vor Mund und Nase und hielt die Augen fest geschlossen, während eine infernalische Hitzewelle über ihn hinwegfegte und das Eis rings um ihn mit lautem Klirren zersprang. Als er schließlich wieder die Lider hob und zum Himmel hinaufblickte, war die Mondlandschaft immer noch in einen blutigen, roten Schein getaucht. Ein Schauer glühender Trümmer regnete aus der Atmosphäre herab. Die schemenhaften Objekte fielen wie in Zeitlupe, gehüllt in einen Umhang orangefarbener Flammen, der sie vor Jadens Augen einen Moment lang in farbenfrohe, exotische Vögel verwandelte. Aber dann zeigte die Macht ihm, was er dort tatsächlich sah, und jegliche Bewunderung verwandelte sich in eisigen Schrecken.

Diese flammenden Partikel – das war die Manifestation der Dunklen Seite! Jaden drehte sich weg, zog seine tastenden Sinne zurück, versuchte, seinen Geist abzuschotten. Aber es war bereits zu spät. Die Energie des Bösen traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Er übergab sich, stürzte vornüber auf den Boden und rollte sich dort zusammen, einen stummen Schrei auf den schmerzverzerrten Lippen. Die Macht der Dunklen Seite ergoss sich über ihn wie ätzender Schleim, und ihr Gewicht drohte ihn zu zermalmen.

Es gab keine Möglichkeit, diesem zerstörerischen Regen zu entgehen, keinen Ausweg. Die Gestalt gewordene Finsternis prasselte überall um ihn herum auf die Mondoberfläche herab, erstickte ihn unter einem von Fäulnis zerfressenen Leichentuch der Verderbnis …

In Schweiß gebadet schreckte Jaden aus seinem Traum hoch. Ihm war schwindelig, seine Muskeln zitterten, und das Dröhnen seines Herzschlags übertönte selbst das monotone Surren des Gleiterverkehrs draußen vor seinem Apartment auf Coruscant. Vor seinem geistigen Auge sah er immer noch diesen flammenden Regen des Bösen. Er keuchte, und als die Sensoren im Zimmer erkannten, dass er nicht länger schlief, aktivierten sie die Beleuchtung.

»Ersechs?«, murmelte er.

Keine Antwort. Immer noch von den Nachwehen seines Albtraums geplagt, schwang Jaden die Beine über den Rand des Bettes.

»Ersechs?«

Draußen vor dem Fenster ertönten plötzlich Rufe und Schreie. Alarmiert sprang der Jedi auf. Hier, in der Realität von Coruscant, war die Macht wieder stark und klar in ihm, und so reichte ein einzelner, kurzer Gedanke, um das Lichtschwert vom Beistelltisch neben dem Bett in seine Hand fliegen zu lassen. Er aktivierte die Waffe, und noch während die leuchtende Klinge sich entfaltete, sprang er zum Fenster.

Korriban füllte Kells Blickfeld vollkommen aus – ein schwarzer Ball, umgeben von einer Decke wütend brodelnder Wolken.

Eine geraume Weile musterte der Anzati den Planeten, dann erst steuerte er die Prädator in eine tiefere Umlaufbahn. Der Manteljäger verfügte über einen Hyperraum-Schlitten und war mit einer Tarntechnologie ausgestattet, die einem gestohlenen StealthX entliehen war, aber im Augenblick wären stärkere Schilde von Nutzen gewesen. Denn die dunkle Energie, die sich um den Planeten ausgebreitet hatte, schüttelte das kleine Schiff hin und her. Metall quietschte, und kleine, weiße Blitze zuckten über die Instrumente. Der Anzati versuchte, sich davon nicht ablenken zu lassen. Er konzentrierte all seine Sinne auf Korriban und kniff die Augen zusammen. Einen kurzen Moment schien der Planet zu verschwimmen. Als er wieder klare Konturen annahm, konnte Kell Hunderte von Daen Nosi – oder Schicksalslinien, so die Übersetzung, die ein Gelehrter auf Coruscant für diesen Anzati-Begriff gefunden hatte – sehen, die auf dieser trostlosen Welt zusammenliefen. Dieser Anblick war nur den wenigsten vergönnt. Es erinnerte an ein bunt glühendes Spinnennetz, und seine Überschneidungen und Verästelungen bargen die Geheimnisse von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Jede dieser Linien – ob nun gelb oder blau, orange oder rot – entsprach dem Schicksal eines Lebewesens, das sich dort unten auf der Heimatwelt der Sith aufhielt.

Die Galaxis quoll über vor Möglichkeiten, und in jeder Sekunde ging sie mit unzähligen neuen Gelegenheiten schwanger. Das Netz der Daen Nosi umspannte jede noch so entlegene Welt, und es war enger gewebt als der feinste Stoff. Zum ersten Mal hatte Kell diese Stränge als Kind gesehen, an dem Tag, als er zum ersten Mal getötet hatte. Seitdem wiesen die Linien ihm seinen Weg durchs Leben. Bisweilen hielt er sich für einzigartig, einmalig unter den Anzati, einen Auserwählten. Es gab aber auch Tage, an denen er sich fragte, ob er sich das nicht vielleicht alles nur einbildete.

Heute war keiner dieser Tage.

Der Gedanke an seinen ersten Mord ließ ihn an die Wesen denken, die im Frachtraum der Prädator untergebracht waren. Hunger erfüllte ihn und stellte seine Selbstdisziplin auf die Probe. Aber nach einem Moment hatte er die Gelüste seines Körpers wieder unter Kontrolle.

Seine eigene Daen Nosi streckte sich vor ihm aus, voller Verzweigungen und Überschneidungen – die silberne Ader seines Lebens. Sie führte durch die wirbelnden Wolken hinab zu den Grüften der Sith – hin zu jenem verborgenen Ort, wo die Einen Sith warteten.

Er tippte die Zielkoordinaten in den Navigationscomputer des Manteljägers ein und aktivierte den Autopiloten. Während die Prädator in die schwarze Atmosphäre von Korriban hinabsank, verließ er das Cockpit und kletterte hinunter in den Frachtraum. Es würde noch eine halbe Standardstunde dauern, ehe er sein Ziel erreicht hätte – genügend Zeit, um seinen Hunger zu stillen, der durch die Anspannung nur noch größer geworden war.

Entlang einer Wand waren fünf Stasiskapseln aufgereiht. Wie silberne Särge sahen sie aus. Kell hatte Werkzeug und Ausrüstung, die normalerweise den gesamten Frachtraum füllten, auf einer Seite der Kammer übereinandergeschichtet, um den Zylindern gebührend Platz einzuräumen. In jeder dieser Kapseln befand sich ein Lebewesen – drei davon Menschen, zwei Rodianer. Kell schritt an ihnen entlang, überprüfte die Anzeigefelder und die Vitaldaten. Seine Passagiere erfreuten sich allesamt bester Gesundheit. Perfekt.

Nun wanderte Kells Blick etwas höher, zu den kleinen Sichtfenstern. Jenseits der dicken, leicht beschlagenen Scheiben ruhten fünf schlafende, reglose Gesichter. Wie jedes Mal, wenn er seine Fracht überprüfte, fragte er sich auch diesmal, was wohl hinter den geschlossenen Augen dieser Personen vor sich ging. Der Gedanke an ihre Träume war wie ein verlockendes Aroma – es steigerte seinen Hunger bis fast ins Grenzenlose. Keiner der Schlafenden war empfänglich für die Macht – ein Jammer –, aber sie mussten genügen.

Mit einem wölfischen Grinsen stellte Kell sich vor die Zylinder, und sein Finger glitt von einem zum nächsten, im Takt eines uralten Abzählreims. Fünf Daen Nosi führten von den Kapseln zu ihm, und eine führte von seiner Brust zu den Kapseln. Sie verästelte sich, fächerte aus wie die Wurzel einer Pflanze, und bald würde eine dieser Verbindungen erlöschen. Fragte sich nur noch, welche. »… raus bist du.« Sein Finger deutete auf das Gesicht des grauhaarigen Menschen, den er auf Corellia gefangen hatte. Er folgte der grünen Schicksalslinie des Mannes, bis nur noch das Metall und das Glas der Kapsel sie voneinander trennten.

Das Wasser lief Kell im Munde zusammen, als er den Tauzyklus aktivierte. Gas entwich mit einem lauten Zischen, und während die Temperatur im Innern des Zylinders kontinuierlich anstieg, wechselten die Zahlen auf dem Anzeigefeld vom Negativen ins Positive, und die ebenmäßigen Kurven der Diagramme wechselten von Rot auf Grün. Durch das kleine Sichtfenster beobachtete Kell, wie die Farbe ins Gesicht des Menschen zurückkehrte. Sein Hunger wurde immer unerträglicher, und die Fühler, die in den Hautfalten an seinen Wangen eingerollt waren, zuckten. Aber sein Opfer musste wach sein, ansonsten funktionierte es nicht. Also kontrollierte er seine Gier und wartete.

Seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf das grüne Band der Daen Nosi. Er zupfte daran wie an der Saite eines Instruments.

Erwache!, befahl er.

Die Augen des Corellianers sprangen auf, groß und fast völlig schwarz. Furcht erfüllte seinen Geist, und aufgrund der mentalen Verbindung konnte auch Kell diese Emotionen wahrnehmen. Voller Genuss rieb er Daumen und Zeigefinger aneinander. Die Kontrolltafel zeigte ungleichmäßigen Herzschlag und erhöhte Atemfrequenz an. Der Mensch öffnete den Mund, wohl, um nach Hilfe zu rufen, aber seine motorischen Fähigkeiten waren nach dem langen Tiefschlaf immer noch beeinträchtigt. Die Zunge lag ihm wie ein Stück Blei im Rachen, und so war das einzige Geräusch, dass seiner Kehle entfloh, ein unartikuliertes, raues Krächzen.

Kell betätigte einen weiteren Knopf, und der Deckel des Zylinders klappte auf. Ganz ruhig, dachte er, und schon wanderte die Aufforderung ins Bewusstsein des Menschen.

Aber die Panik des Corellianers nahm nur noch weiter zu. Er wand sich in Kells mentalem Griff, versuchte, seine tauben Glieder zu bewegen. Schließlich fand er seine Stimme wieder. »Bitte! Ich habe nichts getan!«

Der Anzati beugte sich über sein Opfer und legte die Hände fest um das teigige, von kaltem Schweiß bedeckte Gesicht. Der Mann wollte den Kopf wegdrehen, aber benommen und halb gelähmt, wie er war, konnte er Kells sehniger Muskelkraft nichts entgegensetzen. »Bitte«, wimmerte er. »Warum tun Sie das? Wer sind Sie? Was sind Sie?«

Kell blickte auf die Brust des Menschen hinab, auf die Daen Nosi, die nur er sehen konnte. All die Verästelungen, die Pfade einer möglichen Zukunft, verkümmerten, bis nur noch ein einzelner Strang übrig war – eine grüne Linie, die sich mit Kells silbern leuchtendem Schicksalsfaden kreuzte – und dann verschwand.

»Ich bin ein Geist«, flüsterte er, als die Schlitze an seinen Wangen sich öffneten. Die Fühler schoben sich hervor, dünn und lang und vor Hunger zuckend wie Schlangen.

Der Mensch schrie. Voller Verzweiflung bäumte er sich in der Stasiskapsel auf, doch Kells Hände hielten ihn wie ein Hydroschraubenschlüssel.

Ganz ruhig! Diesmal projizierte er die Botschaft mit mehr Nachdruck ins Bewusstsein seines Opfers. Benommen sank der Corellianer zurück. Seine Glieder erschlafften, die Lider flatterten.

Kell beugte sich weiter vor, und seine Fühler strichen über die Schläfen des Mannes. Mit schlängelnden Bewegungen tasteten sie sich tiefer, bis sie die Nase des Menschen erreichten, den Zugang zu seinem Schädel, zu seinem Hirn, zu seinem Bewusstsein – das, was die Anzati die »Suppe« und das »Meer der Erinnerungen« nannten. Ekstatisch zuckend bohrten sich die Tentakel dann in die Nasenlöcher, drangen höher und höher. Kell verdrehte die Augen, Speichel tropfte von seinen Lippen. Er blickte hinab in das Gesicht des Corellianers, labte sich an den Veränderungen, die darin vor sich gingen.

Der Körper des Mannes zuckte, als die Fühler sich in seinen Schädel rammten, und Tränen quollen aus seinen Augen. Sie rannen an seinen Wangen hinab zu den bebenden Lippen, die stumme Worte formten, während die Tentakel fast liebkosend über die dünne Membran um das Gehirn strichen. Blut floss aus seiner Nase, als die Fühler sich schließlich in das saftige, graue Gewebe hineinfraßen.

Kell grunzte genüsslich, während er die Suppe seines Opfers verschlang, während seine Tentakel das um Hilfe schreiende Gehirn aushöhlten. Schließlich kam der Moment, in dem Kells Daen Nosi den Lebensfaden des Menschen absorbierte – und eins mit dem Schicksal wurde. Sein Bewusstsein dehnte sich aus, wurde weit und tief wie das Universum selbst, und er konnte all das Potenzial fühlen, das die Schwärze des Raums füllte. Die Zeit blieb stehen, und das bunte Durcheinander der Schicksalslinien entwirrte sich. Während dieses einen Sekundenbruchteils konnte er die Ordnung hinter dem Chaos sehen, das Muster, das allem – allem! – zugrunde lag. Nur noch einen Moment länger, und er würde es entziffern, es begreifen. Jeder Schlag seiner Herzen schickte ein erwartungsvolles Prickeln durch seinen Körper.

Zeig es mir!, dachte er. Lass es mich sehen!

Aber dann war der Moment vorbei. Das Leben wich aus den Zügen des Corellianers. Seine Augen schlossen sich. Keuchend trat Kell von dem Toten zurück, und der erschlaffte Körper klatschte laut auf das Deck.

Das Wissen, die Antwort auf alle Fragen – was eben noch zum Greifen nahe gewesen war, huschte davon wie ein verschrecktes Tier. Schwarze Balken schoben sich vor die Pracht der Galaxis, als Kells Bewusstsein wieder in die Schranken seines Verstandes verwiesen wurde. Er blinzelte, stöhnte, wurde wieder er selbst, Fleisch und Blut.

Seine mit Schleim und Gehirnmasse bedeckten Fühler glänzten feucht, als sie sich wieder in die Hautfalten in seinem Gesicht zurückzogen, und er spürte, wie sie sich über seinen Kiefern zusammenrollten.

Immer noch benommen nach diesem bewusstseinserweiternden Erlebnis, blickte der Anzati auf die Leiche hinab. Einmal mehr wurde ihm klar, dass er nur durch Mord Freiheit und Wissen erlangen konnte – unendliche Freiheit und absolutes Wissen.

Seufzend schleifte er den Corellianer in die Luftschleuse. Dann blies er ihn in die Kälte des Alls hinaus, mit der Gleichgültigkeit und der Routine von hunderten Jahren und tausenden Opfern. Während er vor dem Schott stand und dem sich überschlagenden, schnell kleiner werdenden Körper nachblickte, tröstete er sich mit dem Wissen, dass er eines Tages einem stärkeren Bewusstsein begegnen würde; einem Geist, der ihn lange genug mit dem Universum verbinden würde, um die Wahrheit über das Schicksal zu erfahren.

Nun, da sein Hunger gestillt war, ging er ins Cockpit und verband seinen Kom-Empfänger mit dem Navigationscomputer, so, wie man es ihm befohlen hatte. Einen Moment später erlosch das gelbe Lämpchen des Autopiloten – und Kell musste daran denken, wie die Augen des Menschen erloschen waren, wie der Mann sich innerhalb eines Herzschlags von einem lebenden Wesen in ein erkaltendes Stück Fleisch verwandelte hatte. Eine Kraft von der Planetenoberfläche übernahm die Kontrolle über die Prädator. Kell lehnte sich in seinem Sitz zurück und sah zu, wie das Schiff durch die wolkenverhangene Atmosphäre der dunklen Seite von Korriban entgegensank.

Wenige Minuten später setzte der Manteljäger inmitten uralter Ruinen auf dem Boden auf. Blitze zuckten über den schwarzen Himmel, und in ihrem Schein leuchteten halb zerfallene Pyramiden, Türme aus zerfressenem Stein und kristalline Kuppeln auf – die Tempel und Grüfte der Sith, erbaut vor zahllosen Jahren nach der Gestalt der Dunklen Seite.

Kell erhob sich, schlüpfte in seinen Tarnanzug und überprüfte noch einmal die beiden Vibroschwerter am Gürtel, ehe er das Cockpit verließ. Im Frachtraum blieb er kurz vor seinem Waffenschrank stehen und rüstete sich zusätzlich noch mit einem Blaster aus. Er hatte keine sonderlich hohe Meinung von Laserwaffen. Ihnen fehlte die Eleganz einer guten Klinge; jemanden zu erschießen, war zu einfach, war bedeutungslos. Aber er wusste nicht, was ihn erwartete, und da ging er lieber auf Nummer sicher. Nachdem er das Halfter am Gürtel befestigt hatte, trat er in die Schleuse und betätigte den Knopf für die Landerampe.

Einen Moment erfüllte das Summen der Hydraulik die Luft, dann peitschten Wind und Regen ins Innere der Prädator. Kell atmete ein. Der Geruch der Vergangenheit und des Verfalls stieg in seine Nase. Donner grollte.

Er blickte hinaus in die Finsternis – und legte eine Hand an den Griff seines Schwertes, als drei pyramidenförmig angeordnete Lichter in der Schwärze auftauchten und sich ihm näherten. Schließlich entpuppten sie sich als Leuchtdioden in der Brust eines silbernen Protokolldroiden. Kell konzentrierte sich, kniff die Lider zusammen und sah sich mit den Augen des Schicksals um. Doch immer noch herrschte Dunkel um ihn. Die einzigen Daen Nosi, die er wahrnehmen konnte, waren die seiner Gefangenen und seine eigene. Der Droide besaß natürlich keine Schicksalslinie. Er war eine Maschine, programmiert, leblos. Maschinen trafen keine eigenen Entscheidungen – wenn überhaupt, griffen sie auf die Entscheidungen ihrer Erbauer zurück und zogen daraus ihre Schlüsse. Aus genau diesem Grund konnte Kell Droiden nicht ausstehen. Die Präsenz der silberglänzenden Gestalt irritierte ihn.

Mit staksenden Schritten kam die Maschine näher. Der Regen trommelte auf ihre Metallhülle. Am Fuß der Rampe blieb sie schließlich stehen und deutete mit surrenden Gelenken eine Verbeugung an. »Meister Anzati«, erklärte sie in kühl moduliertem Basic, »ich bin Devierfünf. Bitte folgt mir! Mein Herr erwartet Euch.«

Unwillkürlich beschleunigte sich der Schlag von Kells Herzen. Adrenalin strömte durch seine Adern. Die Fühler zuckten in ihren Hautfalten. Mein Herr erwartet Euch. Er atmete tief ein, zwang sich zur Ruhe. »Wer ist dein Herr? Krayt selbst?«

»Bitte folgt mir!«, sagte der Droide anstelle einer Antwort. Dann drehte er sich trippelnd herum und ging davon.

Kell stülpte die Kapuze des Anzugs über den Kopf, sah aber davon ab, sich die Schutzmaske vors Gesicht zu schieben, die an den Stoff angenäht war. Dann stapfte er die Rampe hinunter in den Sturm. Innerhalb weniger Sekunden hatte Korriban ihn bis auf die Knochen durchnässt. Kell regulierte seine Körpertemperatur, um die frostige Kälte der regnerischen Nacht zu kompensieren, und ließ sich von dem Droiden durch schon seit Ewigkeiten nicht mehr benutzte Wege hinabführen. Zu beiden Seiten ragten gewaltige Sith-Monumente in den dunklen Himmel. Er sah Metall und Stein, aber weder Ferrobeton noch Transparistahl oder irgendein anderes modernes Bauelement. Er wusste, dass in den meisten Regionen des Planeten neue Gebäude und Städte auf den Ruinen der alten erbaut wurden, und das schon seit vielen tausend Jahren – eine Schicht lag über der anderen, ein archäologischer Querschnitt der Sith-Zeitalter.

Doch niemand hatte es je gewagt, an dieser Stelle eine neue Siedlung zu bauen, denn hier befanden sich die ältesten Gräber und Tempel des Planeten. Hier waren Krayts Träume von Macht und Eroberung noch lebendig.

Ein Blitz zuckte über den Himmel, und einen Augenblick lang tauchte er die Nekropolis in weißes Licht und harte Schatten. Dieses kurze Aufflammen von Helligkeit überforderte die fotorezeptive Oberfläche von Kells Tarnanzug, und so leuchtete er erst auf, als ringsum schon wieder tiefe Dunkelheit eingekehrt war. Er blickte sich um. Noch immer konnte er nichts sehen, aber er spürte deutlich, dass ihn jemand beobachtete, dass sich ein mächtiges Bewusstsein auf ihn konzentrierte.

Vor ihm erhob sich ein breiter Turm aus uraltem Stein – Krayts Refugium. Spiralen dunkler Energie wirbelten um das Bauwerk, dessen glatte, schwarze Fassade nur stellenweise von Fenstern unterbrochen wurde – klaffenden Löchern, hinter denen nur noch größere Düsternis lag. Kell erinnerten sie an Münder, aufgerissen in stummem Protest gegen die unaussprechlichen Dinge, die hinter diesen Mauern vor sich gingen.

Der Protokolldroide stakste die breite Treppe vor dem Turm hinauf und blieb schließlich an einer eisernen Doppeltür stehen. Ihr dunkles Metall war mit Schriftzeichen und Mustern überzogen, die Alter und Rost allerdings zerfressen und unkenntlich gemacht hatten.

»Wartet bitte hier!«, bat die Maschine. Sie verbeugte sich noch einmal und verschwand dann im Innern des Turmes.

Kell verharrte unter Korribans erzürntem Himmel, inmitten von Wind und Regen und umgeben von den Grüften toter Sith-Lords. Reglos stand er da, seine Sinne ganz auf die unheimliche Umgebung konzentriert, und nur hin und wieder warf er einen Blick auf sein Chrono.

Dann erklangen Schritte jenseits der Tür, und als er den Kopf hob und die Augen zusammenkniff, sah er ein verschlungenes Netzwerk von Daen Nosi, die sich aus der Vergangenheit durch die Gegenwart in die Zukunft wanden und die gesamte Galaxis umspannten wie eine Würgeschlange, bereit, das Gefüge der Realität zu zermalmen.

2. Kapitel

DIE VERGANGENHEIT – 5000 JAHRE VOR DER SCHLACHT VON YAVIN

Relin und Drev saßen in nachdenklicher Stille nebeneinander, während ihr Sternenjäger zwischen den blau glühenden Wänden des Hyperraumtunnels dahinschoss. Meister und Padawan hatten ihre Augen auf das Kontrollpult gerichtet, und sie warteten geduldig auf das Piepen des Hyperraumsenders, den die Agenten der Jedi an Bord der Herold angebracht hatten. Wenn sie nicht bald ein Signal auffingen, mussten sie wohl davon ausgehen, dass sie Saes verloren hatten.

Drev überprüfte die Instrumente – zum sechsten Mal innerhalb der letzten beiden Stunden. »Scanner funktionieren tadellos«, erklärte er dann – zum nunmehr siebten Mal. Nachdem er Relin einen kurzen Seitenblick zugeworfen hatte, begann er, leise zu summen, eine fröhliche Melodie seiner Heimatwelt.

»Muss das sein?«, fragte Druur schmunzelnd. Mit hochgezogener Augenbraue sah er seinen Schüler an.

»Ja«, antwortete Drev. Auch er lächelte, aber er behielt die Augen starr auf die Instrumente gerichtet. »Es hilft mir, mich zu konzentrieren.«

Der Askajianer schien allem, was er tat, einen positiven Aspekt abgewinnen zu können. Relin bewunderte ihn für dieses Talent, auch wenn er selbst die Meinung vertrat – und es seinen Padawan so lehrte –, dass es wichtiger war, eine emotionale Balance zu finden. Extreme Gefühlsregungen führten nicht selten auf die Dunkle Seite.

Aber obwohl die Rollenverteilung klar war – er, der Lehrer, und Drev, der Schüler –, fragte er sich bisweilen doch, ob sein Padawan ihm nicht auch das ein oder andere beibrachte. Der Askajianer lächelte jedenfalls deutlich mehr als sonst, wenn er in der Gegenwart seines Meisters war. Als wolle er ihn mit der Nase auf etwas stoßen. Saes’ Fall in die Abgründe der Dunklen Seite hatte mit der Präzision eines chirurgischen Lasers alle Freude aus Relins Seele geschnitten. Drev versuchte nun, ihn wieder Frohmut zu lehren.

Aber im Moment fiel es selbst ihm schwer, seine Frustration zu verbergen. »Komm schon!«, brummte er und trommelte mit seinen dicken Fingern auf das Instrumentenpult.

Einen Moment später hellte sein Gesicht sich plötzlich auf. Die Sensoren hatten ein schwaches Signal aufgefangen. Drev stieß seinen Meister mit dem Ellbogen an, dann beugten sie sich beide in ihren Sitzen nach vorne.

Das Signal wurde stärker, klarer. »Ha!«, machte der Padawan und deutete mit dem Finger auf den Bildschirm. »Das ist es!«

Relin war bereits damit beschäftigt, die Sensordaten in den Navicomputer einzutippen. Einen Moment später waren sie ausgewertet, und der Schirm füllte sich mit Worten und Koordinaten. »Das Phaegon-System.«

Ohne auf weitere Befehle zu warten, suchte Drev im Bordcomputer nach Informationen über dieses System. Was er fand, war nicht gerade ermutigend.

»Dort gibt es überhaupt nichts«, murmelte er, während seine Augen noch über die Zeilen auf dem Schirm huschten. »Was könnte Saes dort wollen?«

»Vielleicht ist er immer noch auf der Suche«, mutmaßte Relin. Er deaktivierte den Autopiloten und übernahm wieder die Kontrolle über das Schiff. Das Signal war mittlerweile sehr nahe – bald würden sie den Hyperraum verlassen müssen.

»Er hält sich im Zentrum des Systems auf. Wir sollten in sicherer Entfernung in den Normalraum zurückspringen. Sagen wir … zehn Lichtsekunden.«

Drev nickte. Seine Finger huschten über die Kontrollen. »Es gibt vier Planeten im Phaegon-System«, las er von dem Infoschirm ab, »jeder davon mit mehreren Monden. Ein Asteroidengürtel trennt den dritten vom vierten.«

»Das ist es«, nickte Relin. »Wir benutzen den Gürtel als Tarnung, bis wir herausgefunden haben, was Saes vorhat.«

»Deaktiviere Hyperraumantrieb in fünf, vier …«

»Aktiviere Tarnsysteme und Störgeräte.« Relin legte eine Reihe von Schaltern um. Gleichzeitig setzte er seine Jedi-Fähigkeiten ein, um seine und Drevs Präsenz in der Macht zu verwischen. So waren sie nicht nur vor den Sensoren der Sith geschützt, sondern auch vor Saes’ scharfen Sinnen.

»… zwei, eins.« Der Padawan schaltete den Hyperraumantrieb aus, und der blau glühende Tunnel um sie fiel auseinander, wurde zu einem Kreis langgezogener Lichtstreifen, dann waren sie zurück im samtenen Schwarz des Normalraums mit seinen Sternen und Planeten. Ein gewaltiger Asteroidengürtel füllte ihr Blickfeld.

Eine Woge von purer Energie der Dunklen Seite – rau und scharfkantig wie die Zähne einer wilden Bestie – spülte über den Sternenjäger hinweg. Drev war gegen diesen Ansturm der Finsternis nicht gewappnet; er stöhnte, krümmte sich im Sitz zusammen und übergab sich schließlich in seinen Schoß. Aber auch Relin musste mit sich ringen. Sein Gesicht war eine Maske der Qual, und die Hände hatte er so fest zu Fäusten geballt, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

»Woher kommt diese Energie?«, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

Sein Padawan hob ächzend den Kopf. Er fuhr sich mit dem Ärmel über den Mund, dann streckte er seine zitternden Finger nach dem Sensorschirm aus.

Er war immer noch mitgenommen, und nachdem er ein paar Sekunden hilflos an den Reglern gedreht hatte, stellte Relin die Sensoren schließlich selbst neu ein. Allerdings zeigten die Instrumente in ihrer Nähe nur das wirbelnde Chaos des Asteroidengürtels und Phaegon III samt seinen vielen Monden an.

Relin verdrängte die stechenden Ranken der Dunklen Seite aus seinem Kopf und zog die Macht um sich zusammen wie einen schützenden Mantel. Völlig neutralisieren konnte er den Einfluss der bösen Energie zwar auch so nicht, aber zumindest wurde aus dem ohrenbetäubenden Kreischen ein leises, erträgliches Raunen. Obgleich er immer noch einen unangenehmen Druck zwischen den Schläfen verspürte, war er wieder Herr seiner Sinne.

»Alles in Ordnung?«, wandte er sich an seinen Padawan.

Drev räusperte sich. Auch er schien die Dunkle Seite halbwegs ausgeblendet zu haben, denn seine größte Sorge galt nun seinem befleckten Anzug. »Mir geht es gut«, murmelte er beschämt. »Es tut mir leid, Meister.«

Relin winkte ab. Er selbst war ebenso unvorbereitet gewesen wie sein Schüler.

»Als ich das zum ersten Mal im Mund hatte, hat es irgendwie besser geschmeckt«, versuchte Drev sich an einem Scherz, aber sein Grinsen konnte nicht über die rot glühenden Wangen hinwegtäuschen.

»Und es hat auch definitiv besser gerochen«, schmunzelte der Jedi-Meister. Anschließend widmete er sich wieder den Ergebnissen des Scans.

»Ich erzähle Euch die besten Witze der Galaxis, und Ihr zuckt nicht einmal mit der Wimper. Dann muss ich mich einmal übergeben, und Ihr kommt aus dem Lächeln nicht mehr heraus«, brummte Drev, während er mit einem Stofftuch das Erbrochene von seinem Schoß wischte. »Ihr findet es also lustig, andere Leute in peinlichen Situationen zu sehen.« Er zog einen Getränkebeutel hervor und spülte sich den bitteren Nachgeschmack aus dem Mund. »Hätte ich die dunkle Energie nicht rechtzeitig abgeblockt, müsste ich jetzt vermutlich meine Hose wechseln.« Aus schelmisch blitzenden Augen blickte er seinen Meister an. »Ich nehme an, das hätte Euch mehr als nur ein Lächeln abgerungen.«

Relins Gesicht wurde ernst, und Drev unterbrach sich hastig. Dieser Ton geziemte sich nicht für einen Jedi-Padawan, auch wenn der Askajianer nur versucht hatte, die Stimmung aufzulockern. Das war nach wie vor sein größtes Problem: Er wusste nicht, wie weit er es mit seinen Späßen treiben durfte. Als er den Mund zu einer Entschuldigung öffnete, schüttelte Relin nur den Kopf. Dafür war jetzt keine Zeit.

Sie mussten sich auf das Phaegon-System konzentrieren, herausfinden, was hier vor sich ging. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte Relin eine solch intensive Woge purer Energie der Dunklen Seite gespürt. Wonach immer Saes auch gesucht hatte – es schien, als wäre er fündig geworden.

»Was könnte das ausgelöst haben?«, fragte Drev, nun wieder völlig ernst. »Eine neue Waffe vielleicht? Oder ein Sith-Artefakt?«