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Der packende Roman über den kampfstärksten Jedi der Galaxis: Mace Windu.
Um den letzten Wunsch des ermordeten Qui-Gon Jinn zu erfüllen, reist Mace Windu nach Metagos, ein Planet, dessen Oberfläche durch eine Sonneneruption in verstrahltes Glas verwandelt wurde. Dort soll er dem Clan Sa’ad gegen die Verbrecherbarone beistehen, die nach der Katastrophe die Macht übernommen haben. Mace infiltriert die Feinde der Sa’ad. Doch das Geflecht aus Intrigen, Gegnern und Verbündeten ist so komplex, dass der Jedi-Kodex an seine Grenzen stößt. Mace Windu stellt nicht nur seine Überzeugungen infrage, sondern sogar seinen Glauben an die helle Seite der Macht.
Weitere Romane über Mace Windu und den Hohen Rat der Jedi:
Die Jedi-Meister
Mace Windu und die Armee der Klone
Yoda – Pfad der Dunkelheit
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Seitenzahl: 518
Veröffentlichungsjahr: 2025
Um den letzten Wunsch des ermordeten Qui-Gon Jinn zu erfüllen, reist Mace Windu nach Metagos, einem Planeten, dessen Oberfläche durch eine Sonneneruption in verstrahltes Glas verwandelt wurde. Dort soll er dem Clan Sa’ad gegen die Verbrecherbarone beistehen, die nach der Katastrophe die Macht übernommen haben. Mace infiltriert die Feine der Sa’ad. Doch das Geflecht aus Intrigen, Feinden und Verbündeten ist so komplex, dass der Jedi-Kodex an seine Grenzen stößt. Mace Windu stellt nicht nur seine Überzeugungen infrage, sondern sogar seinen Glauben an die helle Seite der Macht.
Weitere Romane über Mace Windu und den Hohen Rat der Jedi:
Die Jedi-Meister
Mace Windu und die Armee der Klone
Yoda – Pfad der Dunkelheit
Steven Barnes
Mace Windu
Der Glasplanet
Deutsch von Andreas Kasprzak
Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel »Star Wars™ Mace Windu – The Glass Abyss« bei Random House Worlds, New York.
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Copyright der Originalausgabe © 2024 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.
All rights reserved.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 by Blanvalet
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
(Vorstehende Angaben sind zugleich
Pflichtinformationen nach GPSR)
Redaktion: Alexander Groß
Covergestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft
nach einer Originalvorlage © & ™ 2024 LUCASFILMLTD
Coverillustration: Oliver Barrett
Coverdesign: Scott Biel
Copyright Original:
Jacket art: Oliver Barrett
Jacket design: Scott Biel
HK · Herstellung: fe
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-32083-6V001
www.blanvalet.de
Familie ist mehr als Blut. Ein Fluss aus Liebe und Dankbarkeit entspringt meinen beiden lebenden Vätern,
Larry Niven und Steve Muhammad …
Ein Fluss, der mich durchströmt und hinfließt zu …
meinem Sohn Jason und meiner Tochter Nicki …
Ihr seid mein Herz.
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …
»Erzähl die Geschichte noch mal!«, bettelte das Kind.
»Es ist schon spät«, sagte die Hüterin des Netzes, obwohl sie wusste, dass sie bereits verloren hatte.
»Bitte!«, riefen alle.
Die Hüterin schürzte in gespielter Missbilligung die Lippen, aber schließlich nickte sie zustimmend. Sie hatte diese Geschichte schon immer geliebt, und falls das Leben es gut mit ihr meinte, würde sie das auch immer tun.
»Vor langer Zeit«, begann sie, »gab es im Netz eine gepeinigte Welt, ein Land kristallener Wunder. Ein Volk, das am Rande des Untergangs schwebte.«
Die Kinder stießen einander mit dem Ellbogen an und wisperten voller Vorfreude. Dies war mehr als nur eine gute Geschichte … es war die beste.
Die Hüterin des Netzes fuhr fort: »Aber Weber verzweifeln nicht. Niemals. Sie wussten, dass alles Leben durch das Netz miteinander verbunden ist. Und dass eines Tages ein Krieger erscheinen würde – der größte und mächtigste der Galaxis. Er kam vielleicht aus Pflichtgefühl, doch er blieb aus Liebe …«
Mit dem Stab in der Hand betrat der Fremde die Elendsviertel von Neu-Xaxxis, der Hauptstadt des Planeten Metagos. In früheren Zeiten hatten die unterirdischen Höhlen, die Neu-Xaxxis beherbergten, dieser Welt den Namen »Glasplanet« eingetragen – wegen der gigantischen Kristallobelisken, die wie Stalagmiten stolz aus dem Boden hervorstachen oder wie gezackte Fänge von der Decke herabhingen. Die gesamte Stadt war aufgebaut wie ein Wagenrad, mit Straßen und Kanälen anstelle von Speichen. Und das ärmste Viertel, das manchmal auch das Kinderlabyrinth genannt wurde, bildete die Radnabe.
Der Fremde, ein hochgewachsener, schlanker Mensch, war ganz in Schwarz gekleidet. Sein Gesicht war fast ebenso dunkel wie sein knöchellanger Mantel aus Bantha-Leder, und seine Stiefel schmatzten bei jedem Schritt durch die schmalen Straßen, weil überall Feuchtigkeit aus den Brunnen sickerte.
Ganz in der Nähe stieg aus klaffenden Vulkanschächten warme Luft nach oben, die unter der Decke dunstige Wolken formte, hin und wieder verwirbelt durch dahingleitende Personenspeeder oder Reptilien mit ledrigen Schwingen.
Drei bewaffnete Schläger tauchten auf der Straße auf: ein Mensch und zwei Zilka, die wie vierbeinige Käfer mit dickem Rückenpanzer aussahen. »Mann, ist der hässlich!«, rief der Mensch mit einem Lachen. Er trug einen Schockstab, genauso wie einer der Zilka; das andere Käferwesen hielt eine Hellebarde mit getrocknetem Blut an der rostigen Klinge.
»Alle Menschen sind hässlich«, brummte Letzterer. »Aber den hier könnte man als Vogelscheuche benutzen.« Sie lachten gackernd über den Witz. Der Fremde schien sie zu ignorieren, doch falls sie glaubten, dass er sie nicht gehört hatte, hätten sie besser auf das verärgerte Funkeln in seinen Augen achten sollen.
»Zivilkontrolle, Fremder«, sagte der Zilka mit dem Schockstab, der vor den anderen ging. »Bürger oder Besucher?«
»Besucher. Gerade erst gelandet.«
»Und bist du bewaffnet?«, fragte der Schläger.
Der Neuankömmling nickte und schob bedächtig seinen Mantel beiseite, bis man die Waffe sehen konnte, die in einem Holster an seiner Seite hing. Die Schläger hoben drohend ihre eigenen Waffen und nahmen ihm die Pistole ab. Den zwei Meter langen Stab in seiner Hand ignorierten sie allerdings.
»Dafür braucht man hier eine Genehmigung«, erklärte der Mensch, ein stämmiger Mann mit übergroßen Händen. Händen, die ein Opfer mühelos erwürgen konnten – und das vermutlich auch schon getan hatten.
»Jetzt darfst du weiter«, sagte der zweite Zilka.
Der Mensch lachte. »Wetten, dass wir morgen früh seine Leiche finden werden?«, scherzte er, als würde der Fremde nicht direkt vor ihm stehen.
»Willkommen in Neu-Xaxxis«, schnaubte der erste Zilka.
Der Neuankömmling ließ den Blick über die Gebäude schweifen, bis er ein Plakat entdeckte, das nicht weit entfernt feuchtfröhliche Unterhaltung versprach. Er ging einen halben Block, ohne auf die Rufe von Händlern, andere gesäuselte Angebote oder fragende Blicke zu reagieren, bis er ein Schild mit der Aufschrift Vin-Vins Fährhaus entdeckte und durch die Tür trat. Es war laut im Innern, und die meisten Tische waren besetzt, aber an der Bar selbst gab es einige freie Plätze, also ging der Fremde hinüber.
Der Schankwirt war ein Metagosaner namens Vin-Vin Sonnenfall. Diese reptilienähnliche Spezies sah fast ebenso brutal und muskulös aus wie ihre entfernten Verwandten, die berüchtigten Trandoshaner. Es war ein geschäftiger Abend, denn die erschwinglichen Getränke, die akzeptablen Speisen und die Musik des Quartetts Xaxxis Axis samt seinen Tänzerinnen (»Harte Akkorde, heiße Akrobatik«) hatten viele Gäste angelockt. Dennoch bemerkte Vin-Vin den Fremden sofort, als er den Schankraum betrat. Ihm entging grundsätzlich nichts; das war einer der Gründe, warum er noch lebte, während der Großteil seiner Familie das Netz nährte.
Ohne etwas zu sagen, deutete der Fremde auf ein Glas mit einer schaumigen braunen Flüssigkeit, das gerade von einem Muun-Bergarbeiter geleert wurde, und hob dann den Finger, um anzuzeigen, dass er das Gleiche wollte. Vin-Vin kannte solche Gäste. Sie hatten nur einen Wunsch: in Frieden gelassen zu werden.
Als der Fremde eingetreten war, hatte er sich so zielstrebig bewegt, als würde er an einer Schnur gezogen. Seine braunen Augen waren nicht hart, aber fokussiert. Dies war ein Mann der Tat, der Ruhe wollte. Halt, nein. Er war der Ursprung der Ruhe, jemand, der sich durch nichts um ihn herum erschüttern ließ. Vin-Vins Finger strichen über den großen Hammer, der unter der Theke versteckt war. Hoffentlich würde er ihn nicht brauchen; bei dem Gedanken, gegen den Neuankömmling kämpfen zu müssen, zog sich sein Magen zusammen.
Er stellte ein Glas Bier auf die Theke und ließ sich eine Münze geben. Anschließend wollte er sich seinen anderen Gästen zuwenden, aber da marschierten zwei Schläger durch die Tür, ein Mensch und einer dieser unausstehlichen Zilka. Ersterer stank nach ungewaschenen Achseln und Arroganz, während die Drüsen des Käferwesens diesen unverkennbaren Geruch verströmten, den jeder in der Stadt mit Gefahr gleichsetzte. Die beiden bahnten sich grob einen Weg durch die Menge und bauten sich dann links und rechts hinter dem Fremden auf. Vin-Vin hatte den Eindruck, dass sie eine Unterhaltung fortsetzen wollten, die bereits draußen begonnen hatte.
»Du stolzierst hier rein wie ein Harch auf Todesstäbchen«, sagte der Mensch. »Für wen hältst du dich eigentlich?«
Keine Antwort. Der Zilka beugte sich vor und spuckte einen Klumpen grünlichen Schleims in das Glas des Neuankömmlings. Dann trat er grinsend zurück und wartete auf eine Reaktion.
Nichts. Die Musiker spielten weiter auf ihren Schlag- und Blasinstrumenten, die Tänzerinnen krümmten sich weiter in beeindruckenden Posen. Die gedämpften Unterhaltungen und das Klicken und Klacken von Gläsern und Besteck setzten sich fort, als wäre nichts geschehen. Und der Fremde reagierte auch nicht. Da brummte der Mensch: »Einen ganz Mutigen haben wir hier.«
Sie lachten und stießen einander an, während sie wieder hinausgingen.
Hm. Glaubten sie wirklich, der Fremde hätte Angst vor ihnen? Oder hatten sie vielleicht dieselbe Gefahr gespürt, die Vin-Vin die Nackenhaare aufstellte?
Der Mann deutete erneut mit dem Finger und legte eine Münze auf die Theke.
InteressanterKerl, dachte der Metagosaner.
Er konnte keinerlei Furcht auf dem dunklen, kräftigen Gesicht erkennen, aber ebenso wenig schien ihn die Provokation verärgert zu haben. Da war überhaupt keine Regung.
»Wasss führt dich her, Fremder?«, wollte Vin-Vin wissen, und das säuselnde Zischen, das so typisch für seine Spezies war, zog die Frage in die Länge.
»Ich hörte, hier gibt es Arbeit.«
Der Wirt machte sich daran, ein Glas zu polieren. »Für die richtige Art von Wesen, ja.« Er zwinkerte verschlagen. »Oder für die falsche Art, wenn du verstehst, was ich meine.«
Der Fremde zog eine Augenbraue hoch. Der Rest seines Gesichts blieb völlig unbewegt. Beeindruckend.
»Wie wäre es mit einem Wesen, das keine Angst hat, sich die Hände schmutzig zu machen?«, fragte er.
Maya-12, ein Holodroide, der aussah, als würde er einen Geschäftsanzug tragen, musterte den Fremden von Kopf bis Fuß. Dann veränderte die Einheit ihr Aussehen, sodass sie einer dunkelhäutigen Menschenfrau glich, und kam herüber. Sie gehörte zu Vin-Vins Stammgästen, und ihre »Schwestern«, Maya-8 und Maya-14, waren die akrobatischen Tänzerinnen von Xaxxis Axis.
Maya-12 nutzte das Fährhaus für etwas andere Geschäfte. Sie selbst bezeichnete sich als Vermittlerin. Egal, ob man einen Leibwächter oder einen Therapeuten brauchte, einen Sprachlehrer oder einen Masseur, einen Schwarzmarkthändler oder einen Privatdetektiv – Maya-12 konnte einem weiterhelfen. Sie und ihre Schwestern hatten Vin-Vin nie Ärger gemacht, und solange das so blieb, würde er sie gewähren lassen.
»Holla, Fremder! Brauchst du jemanden, der dich ein wenig herumführt? Ich habe Verbindungen zu den Sa’ad. Oder möchtest du vielleicht einen Spinnenwurm treffen?«
Der Neuankömmling lächelte. »Im Moment nicht. Aber falls ich meine Meinung ändere, weiß ich ja, an wen ich mich wenden muss. Hier, bitte, setzen Sie sich. Wirt, was immer die Dame möchte.« Er schob eine Münze über die Theke.
»Dame …?«, begann der Droide überrascht.
»In meinen Augen schon.«
Richtige Antwort. Sie glitt auf den Hocker neben ihm. »Mein Name ist Maya-Zwölf. Du bist neu hier.«
»Nur ein dahinrollender Fasha-Busch, der nach einem Ort sucht, wo er eine Weile Wurzeln schlagen kann.«
Sie senkte ihre Stimme zu einem Wispern. »Hier ist es nicht sicher. Jedenfalls nicht für einen … Gentleman. Vielleicht solltest du dir besser einen anderen Ort suchen.«
»Danke für den Rat.«
Sie steckte das Geldstück ein, dann drehte sie sich um und ging zu einem Tisch, wo die beiden anderen Holodroiden der Maya-Serie Platz genommen hatten und ihr zuwinkten – die Band machte gerade eine Pause.
Der Fremde platzierte eine weitere Münze vor Vin-Vin.
»Noch mal dasssselbe?«, fragte der Wirt.
»Nein. Informationen.«
Eine winzige Bewegung seiner Klauen, und die Münze war verschwunden. »Worüber?«
»Die Stadt. Was muss jemand wissen, der hier Arbeit finden will?«
»Also schön. Informationen. Damit kann ich dienen. Neu-Xaxxisss ist wie eine Schlange mit zwei Köpfen, und wenn du einen küssst, wirst du früher oder später vom anderen gebisssen.«
»Zu welcher Seite gehören Sie?«
»Oh, ich bin zufrieden da, wo ich bin.«
»In Ordnung. Erzählen Sie mir mehr über diese beiden Köpfe.«
»Chulok und Sssybil. Das weisss hier jedes Kind.« Vin-Vins gespaltene Zunge zuckte zwischen seinen Reptilienlippen hervor.
»Sucht einer der beiden Leute?«
Der Wirt lachte. »Sssybil lässt in der Regel nur ihre eigenen Kinder für sssich arbeiten.« Er hielt inne, während er überlegte, ob er noch mehr sagen sollte. Ach, was konnte es schaden? »Aber ihre Kinder heuern manchmal Leute von aussserhalb an.«
»Hat sie viele Kinder?«
»Oh, fast jeden Tag kommen neue dazu.«
»Das klingt nach einer schwer beschäftigten Frau. Und Chulok?«
»Oh, Chulok stellt Leute ein … wenn ein Posten neu besetzt werden musss.«
»Und wie oft kommt das vor?« Der Fremde zog erneut die Augenbraue hoch, ohne dass sich der Rest seines Gesichts bewegte. Entweder waren ein paar Nerven unter seiner dunklen Haut durchtrennt worden, oder der Mann konnte seine Muskeln auf beeindruckende Weise kontrollieren. So jemanden würde Vin-Vin automatisch als gefährlich einschätzen, und obwohl der Neuankömmling mehrere Zentimeter kleiner und einige Kilo leichter war als Vin-Vin selbst, stellten sich ihm erneut die Haare im Nacken auf.
»In letzter Zeit habe ich nichtsss gehört. Und selbst wenn Chulok jemanden sucht, müsstest du von jemandem empfohlen werden, dem er traut. Oder ein speziellesss Talent besitzen.«
»Hm.« Etwas tat sich hinter diesen dunklen Augen. Vielleicht lag es nur am Licht, aber die braunen Iriden schienen sich plötzlich zu verdunkeln. Vin-Vin konnte förmlich hören, wie es im Kopf des Fremden klick machte. Er hatte eine Entscheidung getroffen … und sie schien nicht sehr angenehm zu sein.
»Wie heissst du, Freund?«
Der Mann antwortete nicht.
»Also gut, falsche Frage. Was für Arbeit suchssst du?«
»Ich bin ein Problemlöser.« Mit diesen Worten schob der Fremde seinen Hocker von der Theke zurück.
»Wo willssst du hin, Problemlöser?«
»Na, mein Problem lösen.«
Der Metagosaner blickte dem Mann kurz nach, dann schrubbte er mit dem Finger über den feuchten Fleck, der auf der Theke zurückgeblieben war – nicht, dass sie je sauber gewesen wäre. Einen Moment später hatte er den Fremden bereits vollständig aus seinem Gedächtnis gelöscht.
Schließlich kamen jeden Tag neue Leute in der Stadt an, die sich für besonders clever oder hart hielten. Die meisten von ihnen überlebten nicht mal bis zum nächsten Morgen.
Die Höhle, die Neu-Xaxxis und seine fast eine Million Einwohner beherbergte, hatte einen Durchmesser von mehreren Kilometern, sodass die äußersten Ränder im Dunst verschwanden und der Eindruck eines echten Horizonts entstand. Die Stadt glich einer gigantischen Geode, mit riesigen Kristallen, die an der Decke und den Wänden schimmerten – die am Boden waren im Lauf von Jahren und Jahrzehnten abgebaut oder in die Stadtlandschaft integriert worden. Der Aufbau ähnelte einem riesigen Kuchen, mit Straßen und Kanälen, die die einzelnen Stücke voneinander trennten und in der Mitte zusammenliefen.
Am nordwestlichen Rand führte eine verzweigte Straße zu einer Brücke, unter der ein gluckernder Fluss zu einem großen, runden Becken strömte. Der Zugang wurde von denselben drei Schlägern bewacht, die den Fremden zuvor in der Stadt aufgehalten hatten: zwei Zilka und ein Mensch.
Als der Fremde sich ihnen diesmal näherte, waren sie gerade damit beschäftigt, eine Tynnanerin mit silbernem Fell und ihre drei Kinder zu schikanieren. Die Mutter trug ein weißes Trauerkleid, und ihre Kinder weinten, während sie sich alte und neue Wunden hielten. Jedes von ihnen hatte einen Wasserkrug, geschnitzt aus gemasertem Holz – und augenscheinlich leer.
»Kapier es endlich, Marzi«, sagte einer der Zilka, wobei er seinen Schockstab hob. »Haben wir nicht gesagt, du musst den Wegzoll zahlen?«
Die alte Frau blinzelte mit ihren flehenden, trüben Augen. »Wir wollen nur Wasser holen. Wir hatten seit zwei Tagen kein Wasser mehr.«
Der Mensch lachte – ein metallischer, unbarmherziger Laut. »Das ist unsere Brücke. Geh außen rum, wenn du dir den Zoll nicht leisten kannst.«
»Aber mein lahmes Bein … Meine Kinder brauchen Wasser.«
»Dann hättest du dir einen besseren Mann suchen sollen. Der alte Kassis hat uns Geld geschuldet. Was bedeutet, dass du uns Geld schuldest.«
Sie ballte die Fäuste. »Ihr habt ihn umgebracht!«
»Er hätte eben zahlen sollen. Jetzt geh außen rum. Sollte auch nicht mehr als anderthalb Tage dauern.« Der andere, größere Zilka packte die Mutter mit seinen Saugnapffingern.
Genau diesen Moment wählte der Fremde, um vorzutreten. »Ist das die Art, wie Männer in Neu-Xaxxis Witwen und Waisen behandeln? Davon steht im Fremdenführer ja gar nichts.«
Der Schläger mit der Hellebarde lachte. »Da ist ja wieder unser Held.«
»Was willst du, Nerfhirte?«, schnaubte der Mensch.
»Warum störst du uns bei unserer Pflicht?«, fügte der zweite Zilka hinzu.
Der Fremde neigte den Kopf, als würde er versuchen, die Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. »Oh, die Frau interessiert mich nicht. Aber ihr? Ihr schuldet mir ein Getränk.«
Sie starrten ihn ungläubig an. »Wenn du heute nicht sterben willst, pass besser auf, was du sagst, Fremder.«
Der Mann lehnte sich gegen seinen Stab. »Ihr seht nicht wie Brüder aus. Eure Väter habt ihr vermutlich ohnehin nicht gekannt, aber ich bezweifle doch sehr, dass eine Frau allein so viel Hässlichkeit in die Welt bringen könnte. Arbeitet ihr für Chulok?«
Sie kamen auf ihn zu.
Was danach geschah, war noch Jahre später das Thema von Diskussionen, denn jeder Zeuge wollte etwas anderes gesehen haben.
Die einen sagten, dass der Fremde einem der Zilka mit seinem Stab einen Schlag verpasste, dann dem Menschen einen Tritt und zu guter Letzt den Stab auf den Kopf des zweiten Zilka herabsausen ließ. Andere hingegen sagten: Nein, nein, nicht der Stab. Stattdessen habe der Fremde den ersten Zilka entwaffnet, dem Menschen einen Tritt verpasst und den dritten Schläger dann mit dem stumpfen Ende der Hellebarde zu Boden geschickt. Keiner der Zeugen konnte jedoch erklären, warum der erste Zilka in einem hohen Bogen von der Brücke geflogen war.
Einig waren sie sich nur darin, dass der Fremde sich ganz langsam bewegt hatte, während die drei Schläger blitzschnell angriffen. Dennoch waren sie einen Wimpernschlag später alle bewusstlos gewesen; einer mit gebrochenen Rippen, einer mit einer mächtigen Beule am Kopf und der dritte mit zerschmetterter Schulter unten am Flussufer.
Innerhalb eines Wimpernschlags.
Anschließend beobachteten die Zeugen mit großen Augen, wie der Fremde seinen eigenen Blaster unter dem Gürtel des größeren Zilka hervorzog.
»Ich habe noch immer keine Antwort«, murmelte er, während er die Hellebarde fallen ließ und seinen Stab holte, der an dem Geländer der Brücke lehnte. Wann hatte er ihn dort abgestellt?
Niemand vermochte es zu sagen. Alles war viel zu schnell gegangen.
»Was war denn die Frage, Herr?«, erkundigte sich ein Passant.
»Für wen sie arbeiten.«
»Oh … für Chulok, natürlich. Den Jedi-Killer.«
Mace Windus Augen loderten kurz, dann verbarg er dieses Feuer rasch wieder. »Sagt Chulok, dass ich Arbeit suche. Meine Referenzen liegen hier auf der Brücke.«
Blühend, grün und friedlich, dachte Mace. Qui-Gon wäre es viel zu idyllisch gewesen.
Die Bestattung fand auf einem der Ehrenplätze des königlichen Friedhofs von Naboo statt, wo vier Meter große geflügelte Statuen über die Zeremonie wachten. Qui-Gon Jinns Leichnam lag auf einem von Stein eingefassten Scheiterhaufen, die Hände über seiner Brust gefaltet. In gewisser Weise war es der perfekte Ort, um seine sterblichen Überreste den Flammen zu überantworten, umgeben von so vielen großen Kriegern, die hier zur »letzten Ruhe« gebettet waren. Mace vermutete, dass Qui-Gon es herrlich ironisch gefunden hätte.
Der Jedi-Meister war durch die Hand eines Sith gefallen, während er Königin Amidala bei der Befreiung ihres Planeten geholfen hatte. Letztlich war der Tod eine private Angelegenheit, aber der Tod eines Jedi war nicht selten ein Anlass für öffentliche Trauer und formelle Betroffenheit. Darum standen auch bedeutende Würdenträger der Galaktischen Republik, des Jedi-Ordens und von Naboo um den Scheiterhaufen herum.
Mace Windu achtete nicht weiter auf die natürliche Schönheit der Stadt Theed mit ihrem dahinströmenden Wasser und ihrer blühenden Pflanzenpracht. Sein Gesicht mochte friedlich wirken, doch sein Herz schlug schwer unter dem Gewicht der wahren Bedeutung von Qui-Gons Tod. Die Sith waren zurück.
Qui-Gons früherer Padawan, Obi-Wan Kenobi, sprach gerade von seinem Mentor, gehüllt in die schmucklosen Stoffe einer traditionellen Jedi-Robe. Aber auch diese Trauerrede ging größtenteils an Mace vorbei.
»Für jeden, der ihn kannte, war er der beste Freund, den man sich nur vorstellen kann. Ein Mentor, der mir öfter das Leben rettete, als ich eingestehen möchte. Ein Mann von großer Weisheit und tiefer Güte. Er lächelte nicht oft, aber wenn er es tat, war es, als würde die Sonne hinter einer Wolke auftauchen …«
Und so ging es weiter. Jedes Wort war ehrlich und wahr.
Doch nichts davon brachte Mace Frieden.
Obi-Wan hatte den mysteriösen Sith niedergestreckt – eine Leistung, die Mace mit Stolz erfüllte. Ihre Widersacher waren also nicht die unsterblichen Monster aus alten Schauergeschichten, sondern Wesen aus Fleisch und Blut. Und Fleisch konnte durchtrennt, Blut vergossen werden …
Seine Gedanken drohten, weiter in diese Richtung abzudriften, als Meister Yoda ihn leicht anstieß. Der Großmeister reichte ihm bis knapp übers Knie, trotzdem war er doppelt so weise, daran hatte Mace nicht den geringsten Zweifel. Falls es irgendjemanden in der Galaxis gab, zu dem er aufblickte, dann war es dieser kleine, grünhäutige Titan.
Selbst der leise Anflug von Yodas Missbilligung ließ ihn augenblicklich ins Hier und Jetzt der Zeremonie zurückkehren.
Obi-Wan war inzwischen fertig damit, Qui-Gons Weisheit, seine Hingabe zur Macht und das Festhalten an seiner persönlichen Interpretation des Jedi-Kodex zu loben. Als Symbol des Respekts zogen Mace und die anderen ihre Lichtschwerter und aktivierten sie, die Klingen erhoben wie Säulen aus heiligem Feuer, deren Schein über die Versammelten hinwegschwappte.
Im Glühen der Lichtschwerter begann nun Königin Amidala mit ihrer Ansprache. Später erinnerte sich Mace nur noch daran, dass sie über Pflicht und Opferbereitschaft gesprochen hatte; der Rest zog an ihm vorüber, ohne Eindruck zu hinterlassen. Es war erstaunlich, wie gut sie bereits in so jungen Jahren die vertrauten Phrasen einer Politikerin verinnerlicht hatte. Natürlich wusste Mace, dass die Galaxis Politiker brauchte, aber ihre Denkweise stand oft im Widerspruch zu seiner eigenen Natur, auf intellektueller ebenso wie auf emotionaler Ebene. In seinen Augen war Politik die Kunst der Kompromisse und der Täuschung. Eine Kunst, die negativen Einfluss auf jene haben konnte – und bereits gehabt hatte und weiterhin haben würde –, die nach etwas Höherem strebten. Es war schon seltsam, dass der Senat so oft Krieger kritisierte, nur um dann politische Fehler mit ihrem Blut wegzuwaschen.
Es gab sogar Stimmen, die meinten, die Jedi sollten den Senat leiten. Aber das wäre ein weiteres potenzielles Desaster. Politische Macht verdarb einen nicht zwangsläufig, doch sie war wie Sonne und Regen und ließ wachsen, was in den Schatten der Seele lauerte. Die Verbindung mit der Macht war bereits Versuchung genug.
Die Bestattung endete mit dem traditionellen Jedi-Ritual: Meister Yoda entzündete den Scheiterhaufen mit Qui-Gons eigenem Lichtschwert, und während die Flammen höher stiegen, versanken die anwesenden Jedi kollektiv in tiefer Meditation, um ihr Bewusstsein auf Qui-Gons Reise in die Macht zu fokussieren.
Dies war der Teil, der schließlich auch Mace Windus Seele anrührte. Manche hätten die Ruhe, die ihn erfüllte, für Emotionslosigkeit gehalten, aber das wäre ein Irrtum – und ebenso wenig war es die Schwachstelle, die Feinde bisweilen darin sahen. Viele von ihnen hatten diesen Fehler mit dem Leben bezahlt. Natürlich nur, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ, doch selbst das war für Mace noch zu oft.
Etwas kam auf sie zu, da war er ganz sicher. Die Rückkehr der Sith kündigte größere Konflikte an. Und die Jedi hatten gerade einen ihrer fähigsten Ritter verloren.
Als die Flammen herunterbrannten – der Prozess wurde durch die Öle beschleunigt, mit denen das Holz und der Leichnam präpariert worden waren –, war von Qui-Gons Körper nur noch Asche übrig.
Mace verabschiedete sich wortlos von seinem alten Freund und Ordensbruder, aber während die anderen in kleinen Gruppen zusammenkamen und sich gedämpft unterhielten, zog er sich bei der ersten Gelegenheit zu seinem Schiff zurück.
Öffentliches Trauern widersprach nämlich ebenfalls seiner Natur.
Der Jedi-Tempel auf Coruscant war ein ebenso ikonisches wie historisches Bauwerk, das als spirituelles und administratives Herz des Jedi-Ordens fungierte. Die meisten sahen darin einen riesigen, ehrfurchtgebietenden Komplex, welcher die Prinzipien und Werte des Ordens widerspiegelte.
Für Mace Windu war es das einzige Zuhause, das er je gekannt hatte.
Das Bauwerk befand sich in einem geschäftigen Bereich, genannt der Tempelbezirk, wo es einen ganzen Quadratkilometer der endlosen Stadtlandschaft beanspruchte und hoch über den umliegenden Gebäuden aufragte.
An diesen heiligen Ort zurückzukehren, erfüllte Mace jedes Mal aufs Neue mit innerem Frieden. Die Architektur war eine Mischung aus klassischen und modernen Stilen, wobei der eigentliche Tempel die Form einer gigantischen Zikkurat hatte, die sich nach oben hin leicht verjüngte, jede Ebene ein wenig schmaler und reicher verziert als die darunterliegende. Die Mauern bestanden aus hellem Stein – abgebaut in privaten Steinbrüchen auf Coruscant –, der dem Gebäude ein einzigartiges, nobles Aussehen verlieh. Dass dieser Stein aufgrund seiner Dichte fast jedem Beschuss standhalten konnte, war natürlich auch kein Zufall.
Durch Transparistahlfenster in dem majestätischen, kegelförmigen Dach der Zikkurat schien natürliches Licht ins Innere hinein.
Mace ließ seinen Blick über den Tempel schweifen, während er sein Schiff durch die Atmosphäre von Coruscant steuerte. Mehrere prächtige Höfe und Gärten boten den Jedi friedliche Rückzugsorte, und natürlich diente ihre Pflege auch dazu, Disziplin zu üben. An diesen Orten formten Statuen, Brunnen und allerlei Pflanzen eine harmonische Umgebung, perfekt, um zu meditieren und in sich zu gehen.
Mace landete auf der privaten Plattform, die seinem Quartier am nächsten war, und aktivierte dann den Autopiloten, der das Schiff nach sechzig Sekunden in den Haupthangar hinabfliegen würde.
Sein Weg führte durch breite Korridore, die sich in regelmäßigen Abständen kreuzten und die verschiedenen Nervenzentren des Tempels miteinander verbanden, einschließlich des Sitzungsraumes, wo der Rat seine die ganze Galaxis betreffenden Entscheidungen traf.
Anschließend erreichte er den Trainingsbereich, wo schon Zigtausende Stunden knochenharter Übungen stattgefunden hatten. Die großen Räume und Dojos waren mit modernster Ausrüstung versehen – auch mit zahlreichen Sonden und anderen Werkzeuge für Lichtschwertübungen –, welche selbst die Waffenexperten der Czerka-Gesellschaft in Staunen versetzt hätte. Jünglinge, Padawane oder Ritter – hier feilten sie alle im Kampf gegen Ziele, Droiden oder einander an ihren Fähigkeiten. Natürlich mit hölzernen Stäben, nicht mit echten Lichtschwertern. Alles hier wirkte gleichzeitig funktionell und symbolisch, und die Verpflichtung der Jedi, den Frieden zu sichern, stand klar im Vordergrund.
Eine von Mace’ liebsten Erinnerungen hatte hier ihren Ursprung: sein erster Sieg über einen seiner Jedi-Ausbilder. Der Ausdruck von Verwunderung und echtem Respekt auf T’ra Saas Gesicht war unglaublich befriedigend gewesen. Tatsächlich waren alle anderen Schüler herbeigeströmt, um ihm zu gratulieren. Da war kein Neid gewesen, keine Missgunst. Nur ein »Gut gemacht, Bruder«.
Der wohl berühmteste Teil des Tempels, die Archive, enthielt eine gewaltige Sammlung aus Holocrons, Schriftrollen und Datenkarten – so viele, dass die Archive in mehrere Sektionen unterteilt waren, jede für ein anderes Gebiet, von Geschichte über Diplomatie bis hin zu den Mysterien der Macht.
Und über allem, in einem der äußeren Türme, befand sich der runde Sitzungsraum, wo der Hohe Jedi-Rat zusammenkam. Zwölf Sessel waren dort im Kreis angeordnet, einer für jedes Ratsmitglied, von denen jedes eine eigene Aufgabe erfüllte.
Für Mace war der Tempel auf Coruscant nicht nur ein Bauwerk; er war der Ort, wo Jedi-Ritter trainierten, lehrten und sich vorbereiteten, um die Galaxis und das Gleichgewicht der Macht zu schützen, auf dass zukünftige Generationen in Frieden und Wohlstand leben mochten.
Und mehr als alles andere war es … sein Zuhause.
Mace’ Quartier enthielt nicht viel mehr als ein Bett und eine Meditationsmatte. Einem Außenstehenden wäre die Einrichtung karg erschienen, aber Jedi lebten ja auch nicht dort, wo sie schliefen; sie lebten in der Macht. Ein Jedi war mehr als sein Körper.
Der Raum entsprach seinem Status innerhalb des Ordens. Die Außenwelt wusste nur wenig über diese Dinge, und Mace fand die Spekulationen, die ihm immer wieder zu Ohren kamen, milde belustigend. Die Unterkunft eines Jedi war bescheiden und funktional, denn sie spiegelte die Disziplin wider, die den Kern der Jedi-Philosophie bildete. Sein eigenes Quartier war da keine Ausnahme.
Er tippte die Kontrolltafel draußen neben der Tür an, und sie öffnete sich. Im Innern führte ein kleiner Durchgang zu einer Meditationsnische – in der Regel seine erste Anlaufstelle, wenn er von einer Reise zurückkehrte. Er sammelte sich hier gerne, bevor er den Wohnbereich betrat. Heute ließ er sich dafür ausnahmsweise nicht im Schneidersitz auf den Boden sinken, sondern blieb mit geschlossenen Augen stehen.
Als er sich umdrehte, fiel sein Blick zunächst auf eine Vitrine aus Plexistahl. Hier bewahrte Mace seine Lichtschwertgriffe auf, angefangen mit der ersten, nur halb so großen Waffe, die er als Kind zusammengebaut hatte. Daneben lagen mehrere Modelle, die ihm im Lauf der Jahre gute Dienste erwiesen hatten. Ihnen allen wohnten Kyberkristalle von Ilum inne, deren Ruf Mace vernommen hatte. Mit jedem Griff trat sein persönlicher Stil ein wenig stärker in den Vordergrund.
Das Lichtschwert eines Jedi war wie ein Stück funktioneller Kunst, und das Glühen seiner Klinge war für Mace ebenso beruhigend, wie es für die Kriminellen der Galaxis beunruhigend war. Mehr als ein Gegner hatte schon seinen Blaster zu Boden geworfen und sich ergeben, wenn diese violette Klinge zum Leben erwachte. Die Farbe war eher ungewöhnlich für einen Jedi, und manche unterstellten Mace, dass er ein wenig zu stolz auf das exotische Leuchten der Waffe war. Er konnte diese Ansicht ein Stück weit nachvollziehen, aber er war niemand, der sich willkürlichen Meinungen beugte.
Jedes dieser Schwerter hatte ihm mehrfach das Leben gerettet; hier waren sie sicher verstaut und gleichzeitig stets in Reichweite.
Mace hatte auch eine kleine Sammlung von Holotagebüchern. Diese Datenträger enthielten detailliertes Wissen über die Macht – vermutlich mehr, als man sonst irgendwo außerhalb der Jedi-Archive finden konnte. Seine Gedanken und seine Abenteuer waren hier für alle Zeit festgehalten, organisiert mit einer maschinengleichen Präzision, die selbst schon viel über Mace’ Persönlichkeit aussagte.
In der Ecke des Raumes hatte er einen kleinen Trainingsbereich eingerichtet, mit einer Matte, auf der er jeden Morgen nach dem Aufstehen und jeden Abend vor dem Zubettgehen Dehn- und Kraftübungen durchführte. Hätte ihn ein Außenstehender dabei beobachtet, wäre er vermutlich aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen.
Heute war sein Herz betrübt, und die beste Art, sich mit seinen Emotionen auseinanderzusetzen, war … Bewegung.
Als er sich aufgewärmt hatte und sein Körper vor Schweiß glänzte, zog Mace das Lichtschwert und begann spontan, mehrere Vaapad-Schritte durchzugehen. Diese fortgeschrittene und sehr gefährliche Kampfform hatte er gemeinsam mit Sora Bulq entwickelt, einem langjährigen Freund und Ordensbruder.
Vaapad basierte auf Form VII, auch bekannt als Juyo, war allerdings aggressiver und intensiver, was es für seine aktuelle Gemütslage absolut perfekt machte.
Er vollführte weite, kräftige Hiebe und schnelle, entschlossene Bewegungen, die zwar nicht gegen einen echten Feind gerichtet waren, wohl aber gegen die Ketten der Trauer, die sich um sein Herz gelegt hatten. »Man muss Schmerz in Stärke verwandeln«, hatte Qui-Gon ihm einmal erklärt.
Mace vermisste seinen Freund.
Als er seinen Emotionen genug Luft gemacht hatte, um selbst nach Atem zu ringen, deaktivierte er seine Klinge und machte mit leeren Händen weiter, wobei seine Drehungen immer enger und schneller wurden, doch noch immer wohnte jeder Aktion eine unglaubliche, knochenbrechende Präzision inne. So verarbeitete er seine Trauer: Er verwandelte Emotionen in Bewegung und Bewegung in Vorbereitung, um dem gewachsen zu sein, was immer die anfängliche Trauer ausgelöst hatte.
Dass Mace für seine Lichtschwertkünste berühmt war, lag nicht nur an seinen Machtfähigkeiten. Selbst wenn er diese Fähigkeiten nicht einsetzte, hätte er den größten menschlichen Athleten der Galaxis Konkurrenz machen können … auch wenn er es natürlich nie zeigte, geschweige denn damit prahlte. Na schön, eine Ausnahme hatte es vielleicht gegeben. Er sprach nicht oft darüber, aber einmal hatte er unter falschem Namen am Heptathlon auf Fasha IX teilgenommen. Ohne je auf die Macht zurückzugreifen, hatte er in jeder Disziplin dominiert, bis er absichtlich gegen seine machtunempfänglichen Rivalen verloren hatte. Er war schließlich nur zu dem Wettbewerb angetreten, um sich zu amüsieren und seine körperliche Fitness zu testen.
Nunmehr ohne Schwert, setzte er die fließenden Bewegungen des Vaapad mit unerbittlicher Konzentration fort, schneller und schneller, bis er zum Abschluss der Übung einen 720-Grad-Drehkick durchführte, einen Salto machte und in der Luft das Schwert in seine Hand fliegen ließ. Als er wieder landete, hängte er die Waffe zufrieden an seinen Gürtel.
Sein Wohnbereich war spartanisch, seine Kleidung schlicht. Aber wenn er ganz ehrlich sein sollte … ja, die Farbe seiner Klinge gefiel ihm wirklich. Sie war – wie sagten die Jünglinge heutzutage doch gleich? – »synchro«.
Ja, vollkommen synchro. Und sie schenkte einem Herzen, das in der Hitze der Schlacht gestählt worden war, Freude und Frieden.
Ein blinkendes Licht und ein leises Summen kündigten Besucher an. Vor der Tür standen Obi-Wan und Kit Fisto, ein standhafter Jedi und verlässlicher Mitstreiter.
»Bitte, tretet ein«, sagte Mace.
»Es dauert nicht lange«, erklärte Fisto. Der nautolanische Jedi-Meister war berühmt für seine außergewöhnlichen Fähigkeiten im Lichtschwertkampf … und sein gewinnendes Lächeln. Seine vorgewölbten Augen und Kopftentakel ließen ihn aus jeder Menge hervorstechen, aber es war seine Aura scharfer Wachsamkeit, die ihn für Mace unverkennbar machte. Fisto war für seine Kameraden ein unerschütterlicher Verbündeter und für seine Feinde eine tödliche Gefahr.
»Hier.« Obi-Wan hielt Mace ein scheibenförmiges Päckchen hin, umwickelt mit metallischer Folie. Die dunklen Ringe unter seinen Augen kündeten von schlaflosen Nächten, und dennoch stellte er sich seinen neuen Pflichten als Jedi-Ritter mit stiller Entschlossenheit. »Qui-Gons Lichtschwert wurde in die Archive gebracht, aber er wollte, dass Ihr nach seinem Tod das hier erhaltet. Ich weiß, dass Ihr gut befreundet wart.«
Mace nahm das Päckchen mit ernster Miene entgegen. Wie ungewöhnlich! Vielleicht eine Nachricht? Er und Qui-Gon waren in der Tat gute Freunde gewesen; sie hatten den Mut, die Intelligenz und die Weisheit des jeweils anderen geachtet und sich mehr als einmal im Kampf aufeinander verlassen. Aber Jedi hinterließen nur selten Botschaften für den Fall ihres Todes. Mace’ Intuition sagte ihm, dass es um mehr gehen musste als nur um sentimentale Abschiedsworte.
»Tja, ich schätze, wenn man auf Stufe-Zehn-Dejarik gegen jemanden verliert, hat man entweder einen Feind oder einen lebenslangen Freund.«
»Die Partie hätte ich gern gesehen«, kommentierte Fisto.
»Wir trafen im Halbfinale eines Turniers aufeinander, und wir schlossen eine kleine Wette ab, um es ein wenig spannender zu machen.«
»Worum ging es bei dieser Wette?«, fragte Obi-Wan.
»Einen Gefallen.«
Fisto lächelte strahlend. »Was für ein Gefallen?«
Mace erwiderte das Lächeln. »Da haben wir uns nicht genau festgelegt. Nur dass der Verlierer dem Gewinner etwas schuldig ist. Qui-Gon hat durch ein Savrip-Gambit gewonnen, wollte den Gefallen aber nicht nennen.« Er schüttelte den Kopf. »Wahrlich eine einzigartige Seele.«
»Und falls Ihr gewonnen hättet?«, hakte Obi-Wan nach.
»Darüber habe ich nie wirklich nachgedacht. Es war klar, dass er gewinnen würde.«
»Warum habt Ihr dann überhaupt gegen ihn gespielt?«, wollte Fisto wissen.
»Ich wollte sehen, wie vernichtend er mich schlagen kann.«
Nachdem die beiden gegangen waren, setzte sich Mace auf den Boden und betrachtete das Bündel. Es war behutsam eingewickelt und verschnürt worden. Der elegante Knoten allein hätte Mace schon verraten, von wem das Päckchen stammte. Er öffnete es, und wie erwartet enthielt es das Dejarik-Set, mit dem Qui-Gon geübt hatte – ursprünglich ein Geschenk vom Herrscher einer dankbaren Nation. Mace überlegte gerade, in welcher Ecke seines Zimmers er einen kleinen Ehrenplatz dafür frei räumen sollte, als unvermittelt ein Hologramm zum Leben erwachte. Ein Mensch nahm vor ihm Gestalt an, dessen Bart und wehendes Haar von erstem Grau durchzogen waren und dessen stechend blaue Augen eine unerschütterliche Ruhe ausstrahlten.
Qui-Gon Jinn.
»Seid gegrüßt, Meister Windu, mein alter Freund. Falls Ihr diese Botschaft seht, muss das wohl bedeuten, dass der Tag, auf den wir uns alle vorbereiten, gekommen ist.«
»Ja, alter Freund«, sagte Mace, mehr an sich als an das Holo gerichtet.
»Und das bedeutet auch, dass es nun Zeit ist, diesen Gefallen einzufordern, den Ihr mir schuldet. Es gibt da einen Planeten am Äußeren Rand – Metagos heißt er.«
Metagos …? Den Namen hatte er noch nie gehört.
Eine Holokarte ploppte auf, die langsam an einen Stern am Äußeren Rand der Galaxis heranzoomte, dann vergrößerte sich der Bildausschnitt, und ein Planet wurde sichtbar, der wie eine verbrannte Wüste aussah.
»Er wurde vor mehreren Tausend Jahren kolonisiert, aber erst während der vergangenen Jahrhunderte erlangte er Wohlstand, weil von dort Hillia-Seide exportiert wurde. Dann, vor fünfzig Jahren, kam es an der Oberfläche zu einer Katastrophe, und die Bewohner zogen sich unter die Erde zurück. In dem Chaos und der Verwirrung rissen die Kriminellen die Kontrolle an sich.« Qui-Gons Abbild lächelte reuevoll. »Ich kam auf der Suche nach einem Attentäter und Schmuggler dorthin, der politische Aufrührer mit illegalen Waffen versorgte. Um ein Haar wäre ich dort gestorben. Es gibt einen Gangster auf Metagos – er heißt Chulok. Nehmt Euch vor ihm in Acht. Hinter seinem theatralischen Auftreten verbirgt sich ein Krieger, der es selbst mit einem Jedi aufnehmen kann. Dies ist der Gefallen, um den ich Euch bitte: Brecht seinen Einfluss – und den der Kreatur namens Sybil.«
Mace atmete ruhig ein. Die Mission nahm allmählich Gestalt an, und sie versprach, herausfordernd zu werden.
»Ihr müsst mit KinShan Nachtvogel vom Weber-Clan Kontakt herstellen. Sie gehört zu den Sa’ad. KinShan wird Euch alles Weitere erklären. Ich habe ihr mein Wort gegeben, doch ihre Bitte erreichte mich mitten während einer anderen Aufgabe. Falls alles gut geht, werde ich nach Metagos fliegen, sobald ich hier fertig bin. Falls Ihr diese Nachricht hingegen hört … nun, dann ist offensichtlich nicht alles gut gegangen. Ich muss jetzt los. Aber das Schicksal des Planeten liegt in Euren Händen, alter Freund. Und es sind die besten Hände, die Metagos sich nur wünschen könnte. Alles Weitere erkläre ich, falls ich Gelegenheit dazu bekomme.« Das Holo verblasste … nur, um wieder aufzublitzen. »Hier ist noch eine weitere Nachricht gespeichert, aber ich möchte Euch bitten, sie nicht abzuspielen, bis Ihr diese Mission erledigt habt. Vergesst nicht … Ihr seid mir etwas schuldig.«
Mace Windu hörte sich die Aufzeichnung ein zweites Mal an und prägte sich alles genau ein. Während er lauschte, entdeckte er einen daumengroßen, mit Gravuren verzierten Kristall, der ebenfalls in dem Päckchen lag. Zunächst nahm er an, dass es ein Edelstein war, doch bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass er aus einer glasartigen Substanz bestand. Neugierig hielt Mace den Gegenstand ins Licht, und er sah einen Schatten in seinem Innern. Was war das? Eine Spinne? Ein Wurm?
Hm.
Er musste mit Yoda sprechen.
Am nächsten Morgen suchte Mace seinen alten Freund und Mentor im Trainingsraum der Jünglinge auf. Als er eintrat, beobachtete Yoda gerade ein Trio von Kandidaten bei einer Übung.
Unter den dreien war auch das Kind von Tatooine, das Obi-Wan und Qui-Gon in den Tempel gebracht hatten. Mace musterte den Jungen. Er hatte dunkelblondes Haar, blaue Augen und war klein für sein Alter, aber er hatte eine draufgängerische Persönlichkeit. Und wie entschlossen er war! Er lauschte jedem Wort und strengte sich mehr an, als von ihm verlangt wurde. So viel Ehrgeiz in so jungen Jahren … das war fast schon beunruhigend.
Mace grüßte Yoda und teilte seine Gedanken über Qui-Gons Bitte mit dem legendären Großmeister. »Es fühlt sich nicht nach einer Angelegenheit für die Jedi an«, sagte er.
»Mehr über diesen Gefallen mir erzählt.«
»Es gibt da einen Planeten namens Metagos, der von Gangstern heimgesucht wird. Qui-Gon will, dass ich die Leute von ihrer Herrschaft befreie.«
»Von Metagos gehört ich habe. Einen grausamen Attentäter dorthin Qui-Gon verfolgte. Nur mit knapper Not überlebt er hat. Ungewöhnlich dies ist, hm.« Anschließend stimmte er Mace zu: »Und auch keine offizielle Jedi-Angelegenheit.«
»Nein. Außerdem könnte der Moment nicht unpassender sein. Ich hatte in jüngster Zeit besorgniserregende Träume. In ihnen sehe ich etwas Schreckliches, das immer näher und näher kommt.«
»Aber was über diese Mission Ihr denkt?«
»Ich spüre, dass sie mein Ende sein könnte, doch ich weiß auch, dass Qui-Gon mich nicht darum gebeten hätte, wenn es nicht wichtig wäre.«
»Jeden der Tod einholt. Sogar Jedi.«
Mace nickte. Nicht, dass es nötig war; sie kannten einander, und sie kannten den heiligen Pfad, den sie als Mitglieder des Ordens beschritten.
Er räusperte sich. »Es war falsch, Qui-Gons Bedenken bezüglich der Sith zu ignorieren. Ich möchte diesen Fehler nicht noch einmal wiederholen. Vielleicht kann ich die Wurzel dieses Übels finden und sie ausmerzen, ehe es sich weiter ausbreitet.«
»Hm. Ja, unangefochten Euer Können ist.«
»Ihr seid zu gütig, Meister Yoda. Aber man kann sich immer verbessern.«
»Töricht Qui-Gon nicht war. Seine Gründe er hatte – auch, um Euch zu wählen. Gehen Ihr müsst.« Yoda hielt kurz inne, dann fragte er in neugierigem Ton: »Was sagt ihr, junge Jedi?«
Die beiden anderen Kandidaten waren Umbaraner und ungefähr im selben Alter. Obwohl Frisk und Kiest nicht wirklich Geschwister waren, sah man den einen nur selten ohne die andere. »Jedi gehen, wohin immer die Macht sie führt«, sagte Frisk, der Ältere. Eine standardmäßige Antwort.
»Es klingt synchro«, fügte Kiest hinzu.
Ein wenig zu respektlos, befand Mace.
Der kleine Anakin warf seinen Begleitern einen abfälligen Blick zu. »Wir sind Jedi! Es gibt keinen anderen Pfad.« Er versuchte, ganz besonders gerade zu stehen, die Schultern straff, die Brust vorgereckt. Seine linke Hand strich über seine Rippen.
»Tut es noch immer weh?«, fragte Mace.
Ein medizinischer Eingriff war nötig gewesen, um den Sklavenchip zu entfernen, der ihm implantiert worden war – die frische Narbe war eine schmerzhafte Erinnerung an die Unterdrückung durch seinen Meister auf Tatooine. An die Ungerechtigkeit in der Galaxis. Mace befürchtete jedoch, dass sie Anakin vor allem an die Grenzen des Ordens erinnerte. Denn auch wenn die Jedi ihn gerettet hatten, die gewissenlose Sklaverei außerhalb der Republik ging weiter.
»Ich kann alles ertragen, wenn es mich zu einem Jedi macht«, sagte der Junge. »Jedi müssen ihre Gefühle ignorieren.«
»Große Worte. Deine eigenen es sind?«
»Ja.« Dann überlegte Anakin es sich anders. »Na ja … Qui-Gon und Obi-Wan haben etwas in der Art gesagt.«
»Ich glaube, du hast sie missverstanden«, entgegnete Mace. »Jedi ignorieren ihre Gefühle nicht. Sie integrieren sie. Wir haben Angst, aber wir fürchten uns nicht davor. Wir werden wütend, aber wir nutzen diese Wut nur als Antrieb für ehrenhafte Taten. Verstehst du?«
Der Junge nickte, obwohl Mace wusste, dass er nicht verstand – jedenfalls noch nicht.
»Da wäre noch eine Sache«, wandte er sich an seinen Mentor. »Meister Yoda … es gibt eine zweite Nachricht, die ich allerdings erst abspielen soll, wenn die Mission auf Metagos abgeschlossen ist.«
»Seltsam das ist«, kommentierte Anakin, ohne mit der Wimper zu zucken. Todernst. Yoda schien sich nichts weiter dabei zu denken, aber Mace überlegte, ob Anakin sich nicht vielleicht einen Scherz auf Kosten des Jedi-Meisters erlaubte.
Diesen Jungen sollten sie besser genau im Auge behalten.
Ein Flug mit Überlichtgeschwindigkeit war für Mace immer etwas Aufregendes, und das Erlebnis war nie dasselbe. Sein präziser, kalkulierender Geist bewunderte die Fremdartigkeit des unermesslichen Hyperraums. Nun traf er gerade die Vorbereitungen für einen weiteren Sprung, während er am Steuer eines schlanken Delta-12 Skysprite saß. Dieser Bautyp war für seine Wendigkeit und Geschwindigkeit berühmt – das perfekte Schiff, um durch die Strömungen des Hyperraums zu rasen.
Mace verglich Schiffe gern mit Fathieren, den besten Reittieren der Galaxis. Das Zusammenspiel von Pilot und Maschine war dem zwischen Tier und Reiter gar nicht unähnlich, und diese magische Verbindung war in seinen Augen ebenso wichtig wie der Antrieb selbst.
Er gab mehrere Koordinaten in den Navigationscomputer des Schiffes ein. Diese Daten hatte er auf Grundlage bekannter Hyperraumrouten selbst berechnet und dabei Gravitationsfelder, Himmelskörper und etliche weitere Hindernisse berücksichtigt.
Als er fertig war, aktivierte er den Hyperantriebsring mit seinem leistungsstarken externen Antrieb. Einen Knopfdruck später zogen sich die Sterne zu Streifen in die Länge, als das Schiff auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte, dann tauchte es in den vertrauten, blau pulsierenden Tunnel des Hyperraums ein.
Während er dahinraste, durchforstete Mace die Datenbank des Schiffes nach hilfreichen Informationen über seinen Zielort.
Metagos war vor gar nicht allzu langer Zeit eine blühende Welt gewesen. Es war nur knapp fünfzig Jahre her, dass eine Sonneneruption zerstörerische Strahlungswellen in die Atmosphäre gejagt hatte. Die Meere waren verdampft, Winde mit dreihundert Stundenkilometern über das Land gepeitscht, und ein Großteil der Oberfläche hatte sich in Glas verwandelt. Neunzig Prozent der Bevölkerung waren während der Katastrophe gestorben, aber mehrere Millionen hatten sich in das Netzwerk von Höhlen und Tunneln unter der Erde geflüchtet.
Der Computer wartete nicht nur mit Informationen über die großen Fraktionen und die Wirtschaft der Stadt auf, sondern sogar mit Empfehlungen für einen Landeplatz. Einer befand sich nahe genug am Eingang eines Tunnels, um die Stadt auch ohne Gleiter sicher erreichen zu können.
Das Schiff tauchte in einem Netz verschwommener Helligkeit aus dem Hyperraum auf, das sich langsam zu den leuchtenden Stecknadelköpfen von Sternen zusammenzog. Das Leitsystem wies Mace den Kurs, dem er von hier aus folgen musste.
Er ließ sich bis unter die Wolkendecke führen, wo eine sandfarbene Landschaft zum Vorschein kam, eingehüllt in die Schatten der Nacht. Fast nirgendwo war Grün zu sehen, aber ein Geflecht brauner Linien deutete auf abgestorbene Vegetation hin. Wo es wenig Pflanzenleben gab, gab es logischerweise auch nur wenige Pflanzenfresser. Und demzufolge auch wenige Fleischfresser.
Mace flog über die Ruinen einer großen Stadt hinweg, vielleicht zehntausend Quadratkilometer groß, wenn man die Randgebiete und Vororte mit einbezog. Einst hatten hier Millionen gelebt; jetzt herrschte fast völlige Dunkelheit. Nur ein paar schimmernde Lichtpunkte deutete darauf hin, dass jemand – oder etwas – noch hier lebte. Vielleicht verzweifelte Flüchtlinge oder Schrottsammler.
Er landete in einer verglasten Schlucht, wo das Schiff gut getarnt sein sollte. Es passte perfekt in die Lücke zwischen zwei kristallisierten Bäumen. Kurz überlegte Mace, ob er die Selbstzerstörungsfunktion des Raumjägers aktivieren sollte, doch er entschied, dass es unnötig war: Im Frachtabteil lagen zwar ein paar Werkzeuge und Ersatzteile, aber nichts davon war geheime Technologie. Tatsächlich hatte er abgesehen von seinem Lichtschwert nichts mitgebracht, was auch nur darauf hindeuten würde, dass er zur Republik gehörte.
Nachdem er ausgestiegen war, verbrachte er die nächsten fünfzehn Minuten damit, aus der Schlucht zu klettern. Anschließend begann er seine nächtliche Wanderung durch das verstrahlte Terrain, an bizarren, halb geschmolzenen Kuppeln und den zerschmetterten Rechtecken zerstörter Gebäude vorbei. Immer wieder bemerkte er die Überreste von Menschen und Vertretern anderer Spezies. Etwas Ähnliches hatte er bereits in alten Städten gesehen, die Lava und Asche zum Opfer gefallen waren, aber hier hatten die Strahlungsstürme die Wesen in Glas verwandelt.
Mace analysierte all diese neuen Informationen, um ein geschichtliches und gesellschaftliches Gesamtbild zu erstellen. Dies war das Spielbrett, auf dem er die kommende Partie austragen würde – eine Partie Dejarik-Holoschach, bei der nicht weniger als die Zukunft des Planeten auf dem Spiel stand. Qui-Gon hätte den Vergleich sicher amüsant gefunden.
Willkommen auf Metagos, dachte er. Die sachliche Beschreibung des Bordcomputers hatte ihn nicht auf die schroffe Schönheit und die unheimliche Leblosigkeit der zerklüfteten Oberfläche vorbereitet. Die gesamte Welt hatte sich in ein Schattenreich aus verglasten Bäumen und kristallenen Ruinen verwandelt.
Doch nichts beeindruckte Mace mehr als der Kristallwald, auf den er nach einer Weile stieß. Die Stämme und Äste schienen aus durchsichtigem Glas zu bestehen und brachen das Mondlicht in einem schillernden Farbenspiel. Manche Bäume hatten eine glatte Oberfläche, andere waren mit den Mustern und Rillen eines gnadenlosen Sonnensystems verziert.
Inmitten dieses glitzernden Waldes erhoben sich weitere kristalline Gebilde wie Krypten für die früheren Bewohner der Oberfläche. Mace vermutete, dass sie aus normalen Baumaterialien errichtet und dann während der Sonnenstürme zu Glas erstarrt waren. Das wäre jedenfalls logischer als die Alternative: dass die Bewohner gläserne Nägel in gläserne Bretter gehämmert hatten.
Das Mondlicht ließ alles glitzern.
Mehrere Pflanzenarten trotzten offenbar den harschen Bedingungen, denn immer wieder stieß Mace auf gläserne Büsche und Sträucher, deren durchscheinende Blätter und Zweige das Licht wie ein Kaleidoskop widerspiegelten. Ob diese Anpassungsfähigkeit in den Genen der metagosischen Flora lag? Hatte es so fürchterliche Sonnenstürme schon früher gegeben – oft genug, dass die Pflanzen zweierlei Form annehmen konnten?
Die wenigen rattenähnliche Tiere, die er umherhuschen sah, waren genauso bemerkenswert. Sie schienen sich ihrem extremen Lebensraum auf einzigartige Weise angepasst zu haben, sei es durch hitzeabsorbierende Exoskelette oder die Fähigkeit, durch ihre durchsichtige Haut Nährstoffe aufzunehmen.
Es war inzwischen so etwas wie ein Hobby für Mace, über die Ursprünge von Lebensformen zu spekulieren. Die Veränderungen, die er hier auf Metagos sah, hätten nie so schnell vonstattengehen können, es sei denn, das Potenzial dafür war bereits genetisch in diesen Kreaturen verankert gewesen.
Das bestärkte ihn in seiner Vermutung, dass es schon früher Sonnenstürme gegeben hatte – vermutlich sogar zahllose Male im Lauf der Jahrmillionen. Eine Art sich wiederholender Makrozyklus. Und nur die anpassungsfähigen Tiere und Pflanzen überlebten, um danach von Neuem zu erblühen.
Was er bereits während des Landeanflugs und auch jetzt während seines Fußmarsches spürte, war ernüchternd. Die Bewohner von Metagos waren hoch entwickelt gewesen, aber gegen den Willen der Natur hatten sie keine Chance gehabt.
Nun stand ihre stolze Architektur verlassen da. Doch nicht alles, was Mace sah, stammte aus der alten Zeit. Da waren Reihen um Reihen von Solarrezeptoren, die zwar ein wenig verstaubt, aber zumindest nicht kristallisiert waren. Sie mussten also nach dem Sturm errichtet worden sein.
Die überlebende Bevölkerung schien hochmoderne Technologien entwickelt zu haben, um die regelmäßigen Sonnenstürme zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die Kollektoren waren mit Speichersystemen in den alten Häusern verbunden, und Mace vermutete, dass dies die Hauptenergiequelle der unterirdischen Stadt darstellte.
Metagos war ein Ort der Kontraste. Der harschen Schönheit der Landschaft stand die gnadenlose Realität tödlicher Sonnenstrahlung gegenüber. Ob die Bewohner anfangs wohl in die vermeintliche Sicherheit ihrer kristallisierten Häuser zurückgekehrt waren, als die ersten Stürme nach dem großen Unglück milder auszufallen begannen? Wann hatten sie erkannt, dass dieselbe Strahlung, die Metall und Holz in Glas verwandelt hatte, früher oder später auch sie töten würde, falls sie hierblieben?
Was auf diesem Planeten geschehen war, war mehr als nur gefährlich. Es war die Art weltenzerstörender Katastrophe, die nur einmal alle tausend Jahre stattfand. Die Art, auf die sich keine Zivilisation wirklich vorbereiten konnte.
Metagos war ein Beweis für die unglaubliche schöpferische und zerstörerische Kraft der Natur. Mace war froh, dass er seine Wanderung im Schutz der Nacht durchführen konnte, denn tagsüber fegten nach wie vor tödliche Stürme über die Oberfläche, und es würde vermutlich noch Jahrzehnte dauern, bis der Planet wieder vollends zur Ruhe kam.
Während Mace seiner mentalen Karte folgte, sanken seine Stiefel zunehmend in etwas ein, das mehr zermahlenes Glas als Sand oder Erde war. Dann spürte er ohne Vorwarnung ein Zittern in der Macht, und als er herumwirbelte, watschelte eine gepanzerte Kreatur in sein Blickfeld. Sie war so groß wie ein Mensch, hatte allerdings vier Beine. Mit ihrem zotteligen Fell und ihren mächtigen, geschwungenen Stoßzähnen bot sie einen Furcht einflößenden Anblick, während sie an Mace’ Fußspuren schnüffelte. Dann senkte sie den Kopf und starrte ihn aus tief liegenden, schleimumrandeten braunen Augen an.
Der Jedi blieb ruhig, streckte aber seine Sinne aus. Das einsame Geschöpf schien keine Bedrohung darzustellen, dennoch wollte er nicht riskieren, dass es ihn nur ablenkte, während sich weitere Tiere von hinten anschlichen. Die Kreatur wagte sich nicht näher als sechs Schritte an ihn heran, und er spürte keine Aggressivität in ihr. Sie war nur neugierig. Nichtsdestotrotz behielt Mace eine Hand an seinem Lichtschwert, als er weiterging. Man konnte nie wissen.
Gesunder Menschenverstand und Logik sagten ihm, dass er sich mit jedem Schritt tiefer in feindliches Gebiet vorwagte, genau, wie Qui-Gon Jinn in seiner Botschaft gesagt hatte. Hoffentlich würde er auf Metagos auch ein paar Verbündete finden, aber fürs Erste musste er davon ausgehen, dass er auf allen Seiten von Feinden umgeben war.
Dies war eine Welt, wo der kleinste Fehler den Tod bedeutete.
Trotzdem war Mace weniger angespannt und eher verwirrt, als vor ihm eine Stimme ertönte. »Oje. Oh weh. So viel zu tun. So viel sauber zu machen …«
Seine Verwirrung wuchs noch weiter, als ein Reinigungsdroide mit Kettenantrieb hinter einem Hügel auftauchte und dabei eine Staubwolke aufwirbelte. Er war ramponiert und von der Sonne gebleicht, aber offensichtlich funktionstüchtig. »Oh weh. Oh weh«, fuhr er fort, während er den Staub am Straßenrand zu einem kleinen Haufen auftürmte und ihn dann auf die andere Seite hinüberfegte. Mace blieb neugierig stehen.
Dann erkannte er, dass die arme Einheit solarbetrieben war. Womöglich schob sie den Staub hier schon seit Jahrzehnten hin und her, um die Stadt für Wesen zu säubern, die nie wieder zurückkehren würden.
»Oh weh. Oh weh.« Und dann bemerkte ihn der Droide. »Meister! Oh nein. Sie sind nicht mein Meister. Ich bin … ich bin …« Er hielt inne, als würde er versuchen, rostige Schaltkreise zu neuem Leben zu erwecken. »Oh weh. Ich erinnere mich nicht daran, wer ich bin. Das ist nicht gut.« Einen Moment lang wirkte die Einheit betrübt, dann reckte sie hoffnungsvoll den Kopf. »Kennen Sie vielleicht Tappan Quezel?«
Mace war ziemlich sicher, dass dieser Quezel schon lange tot war. Wäre das in dieser Situation die richtige Lösung: dem Droiden die traurige Wahrheit zu erklären und seinem Dasein jeglichen Sinn zu rauben? Vermutlich nicht.
»Nein, ich kenne niemanden, der so heißt«, antwortete er also. »Aber ich bin sicher, er wird sich freuen, dass du so gute Arbeit leistest.«
»Oh ja. Ja, ja. Hier gibt es immer etwas zu tun. So viel Arbeit …«
Mace schlich sich unauffällig davon. Hoffentlich würde ihm bis zu seiner Rückkehr eine Möglichkeit einfallen, um dem Droiden zu helfen.
Falls er zurückkehrte …
Vorsichtig setzte Mace einen Fuß vor den anderen. Um nicht sofort entdeckt und beobachtet zu werden, hatte er sein Schiff in einiger Entfernung von der Stadt abgestellt. Dafür musste er nun diesen langen, ungeschützten Fußmarsch in Kauf nehmen.
Die Sterne starrten gnadenlos vom Himmel herab, und die Drillingsmonde von Metagos warfen seltsame, gebrochene Schatten über die Landschaft, die Mace das Gefühl gaben, als wäre er von düsteren Gestalten umgeben. Schließlich kam in der Ferne etwas in Sicht, das er zunächst nicht klar erkennen konnte. Vielleicht eine Art Dorf. Die Umrisse kleiner Kuppeln zeichneten sich vor dem Horizont ab, aber das einzige Zeichen von Leben bestand aus lichtem Rauch, der sich in der Ferne himmelwärts kräuselte. Davon abgesehen: keine Lichter, keine Geräusche und auch keine Bewegung.
Was immer ihn erwartete, es war vermutlich nichts Angenehmes. Das Gefühl der Trost- und Hoffnungslosigkeit, das Mace entgegenschlug, wurde stärker.
Sein Kopf fuhr nach rechts, einen Moment bevor er bewusst registrierte, dass er aus dem Augenwinkel eine Bewegung gesehen hatte. Jahre des Trainings und der Disziplin hatten seine Sinne geschärft wie eine Beskarklinge, und dank seiner engen Verbindung mit der lebendigen Macht reichte seine Wahrnehmung weiter, als normale Augen sehen konnten.
Jemand war ganz in der Nähe. Nur ob es Freund oder Feind war, musste sich noch zeigen.
Die Gebäude voraus waren inzwischen deutlicher zu erkennen. Es sah aus wie eine alte Bergbausiedlung, rasch aus vorgefertigten Kuppeln errichtet und dann mit einer verhärtenden Substanz besprüht, die das Material unnachgiebig wie Fels machte.
Dieser Verdacht bestätigte sich, als Mace die erste Unterkunft erreichte und sie mit dem Stiefel anstieß. Das Gebäude war kaum größer als er, aber hart wie Beton. Auch als er mit der Macht nachhalf, rührte sich nichts; die Grundmauern schienen tief unter den Boden zu reichen. Diese Siedlung war auf die Schnelle errichtet worden, doch zumindest waren Profis am Werk gewesen. Und da die Kuppeln nicht verglast waren, musste sie wohl nach dem großen Sonnensturm entstanden sein.
Mace überlegte, ob es vielleicht ein Flüchtlingslager sein könnte, das verzweifelte Seelen hier errichtet hatten. Vorsichtig ging er auf die Knie und kroch durch einen kurzen Tunnel ins Innere des Gebäudes. Die Struktur erinnerte ihn an die runden Eisbauten, die man oft in arktischen Breiten vorfand.
Im Schein seiner Taschenlampe sah er, dass Überreste von Essen auf dem Tisch standen. Da war außerdem eine Leiche … nein, zwei Leichen. Offenbar waren sie von einem späteren Sonnensturm überrascht und zu Kristall verbrannt worden. All ihre Bemühungen, eine Unterkunft zu bauen, die der Strahlung standhalten würde, waren am Ende erfolglos gewesen. Mace musste an die Kindergeschichte über einen Oger denken, der zu Glas erstarrte, als das erste Licht des Morgens ihn berührte.
Dies war zweifellos eine der Gefahren, vor denen Qui-Gon ihn gewarnt hatte. Er schob sich näher an den Tisch heran, um in die Augen der Toten zu sehen. Wie klare Murmeln starrten sie unter den durchsichtigen Lidern in ihren durchsichtigen Gesichtern hervor. Ihr Mund war in einem panischen Schrei erstarrt, der Laut in ihren kristallinen Kehlen erstickt. Warum hatten sie nur eine so erbärmliche Zuflucht gewählt? Warum waren sie nicht mit den anderen in die Höhlen geflohen?
Noch immer mit diesen Fragen beschäftigt, kroch Mace wieder nach draußen.
Als er an dem traurigen kleinen Dorf entlangstapfte, sah er, dass es neben den kleinen Kuppeln auch größere Hütten gab, wo die Einwohner vermutlich als Gruppen zusammengekommen waren. Vor einem dieser Gebäude entdeckte er etwas Überraschendes: ein totes Tier.
Weißes Fell, stachelige, kristalline Schuppen, vier kurze, stummelartige Beine. Es ähnelte der Kreatur, der Mace vorhin begegnet war, nur dass es tot auf dem Rücken lag. Sein Leib war aufgerissen, seine Eingeweide herausgezerrt, und der Boden ringsum war mit Fetzen halb verdauten Fleisches bedeckt. Etwas hatte sich hier den Bauch vollgeschlagen und die Hälfte dann wieder hochgewürgt. War das Fleisch giftig … oder das andere Wesen zu krank, um es zu verdauen?
Ein weiteres Geräusch. Mace konnte keine Bewegung ausmachen, doch sein Nacken prickelte unheilvoll, und er drehte sich langsam im Kreis. Erst jetzt erkannte er, dass da doch etwas war. Seine Augen hatten ihm einen Streich gespielt. Es war ein Tier, ähnlich einer übergroßen Durakretschnecke, aber irgendetwas war mit ihm geschehen. Sein glasiges Fleisch war so durchsichtig, dass man die Muskeln und kristallinen Knochen in seinem Leib sehen konnte. Langsam kam es näher. Und dahinter tauchte eine zweite Kreatur auf. Dann eine dritte! Offensichtlich benutzten sie ihr fahles, durchscheinendes Fleisch als Tarnung, wenn sie jagten.
Ihre Bewegungen wirkten langsam und gequält. Bedeutete das, dass die tote Kreatur noch schwächer und kränker gewesen war? Mace hatte in jedem Fall nicht vor, die Tiere näher an sich heranzulassen.
Er zückte sein Lichtschwert und aktivierte die violette Klinge. »Fordert mich nicht heraus«, sagte er. »Ich bin niemandes Beute. Ich will euch nicht töten, aber ich werde es tun.« Er bezweifelte, dass sie die Worte verstanden, aber sein Ton und seine Haltung sprachen für sich.
Trotzdem schienen die Kreaturen nicht zu begreifen, oder vielleicht waren sie auch einfach zu hungrig. Die gesamte Gruppe schob sich näher heran. Dabei gaben sie einen Laut von sich, der klang wie das Heulen des Windes, und es setzte sich weiter und weiter fort, bis Mace tatsächlich nicht mehr sicher war, ob es noch ihren Kehlen entstammte oder der wirbelnden Luft.
»Zurück!«
Eines der Tiere schlurfte vor und streckte seine Armstummel nach dem Jedi aus.
Voller Bedauern – und das war eine Emotion, die er nicht oft empfand – schlug Mace zu. Das glasartige Fleisch zischte, die Kreatur stürzte heulend auf die Seite … und zerschellte. Splitter von etwas, das einmal Fleisch gewesen war, flogen in alle Richtungen davon. Erneut heulte das Wesen, und der Wind heulte mit ihm. Der Rest der Gruppe erwiderte das Wehklagen, schob sich aber trotzdem weiter über den Boden.
Mace drehte sich zu ihnen herum. Er sah schrecklichen Schmerz in diesen Gesichtern, diesen toten Augen. Instinktiv wusste er, dass sie blind waren. Nur warum wussten sie dann, wo er war?
Die Antwort offenbarte sich bereits einen Moment später. Sie hatten ihn gehört. Erst sein Würgen, als er den Kadaver gefunden hatte. Dann seine Stimme, als er gesprochen hatte. Und nun hörten sie das Knistern seines Lichtschwerts. Mace deaktivierte die Waffe, machte mehrere Schritte nach hinten und blieb wieder stehen.
Die Schnecken krochen umher, erst hierhin, dann dorthin, wobei sie leise vor sich hin ächzten. Ein paarmal näherten sie sich seiner Position, doch es war offensichtlich, dass sie ihn nicht finden konnten. Schließlich verloren sie das Interesse und schleppten sich davon.
Unbeantwortete Fragen füllten Mace’ Kopf. War das Fleisch des toten Tieres infiziert gewesen, oder konnten diese Kreaturen nicht länger Fleisch verdauen? Und falls sie nicht fressen konnten, warum waren sie dann nicht schon längst verhungert? Es gab viel, was er noch nicht über diesen Ort wusste, aber dieses Detail erschien ihm wahrlich verstörend. So hatte er seine Mission nicht beginnen wollen.
Tief in seinem Innern spürte Mace drohende Gefahr. Etwas Hungriges, Unbekanntes. Aus irgendeinem Grund hatten die Bewohner dieser Hütten es riskiert, nach der Zerstörung der Städte an der Oberfläche zu bleiben. Und dasselbe galt für diese Tiere. Hatte es sich bei ihnen einst um intelligenzbegabte Wesen gehandelt? Hatte eine weitere Woge aus Sonnenstrahlung ihnen das angetan? Und falls ja, wie lange war das her? Hatten sie schlichtweg noch keine Zeit gehabt, um zu verhungern? Brauchten sie vielleicht keine Nahrung? Oder benötigten sie eine andere Form von Stärkung, die Mace unbekannt war? Bei der Macht, es wäre sogar möglich, dass sie lebendige Solarzellen waren. Es wäre nicht das Seltsamste, was er in dieser Galaxis bislang gesehen hatte.