Star Wars. Obi-Wan Kenobi und die Biodroiden - Steven Barnes - E-Book

Star Wars. Obi-Wan Kenobi und die Biodroiden E-Book

Steven Barnes

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Beschreibung

Der Planet Ord Cestus wird zu einer Gefahr für die Republik, als dort neuartige Biodroiden erschaffen werden. Sie sollen im Kampf noch effektiver und tödlicher sein als Klonkrieger. Deshalb wird Obi-Wan Kenobi nach Ord Cestus entsandt, wo er mit Diplomatie – und notfalls auch mit Gewalt – verhindern soll, dass die Biodroiden an die Konföderation geliefert werden. Er wird von dem jungen Jedi-Ritter Kit Festo und einem kleinen Trupp Klonkrieger begleitet ...

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Seitenzahl: 560

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Inhaltsverzeichnis

WidmungDramatis PersonaeBaktoid legt fünf weitere Betriebe stillKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Kapitel 42Kapitel 43Kapitel 44Kapitel 45Kapitel 46Kapitel 47Kapitel 48Kapitel 49Kapitel 50Kapitel 51Kapitel 52Kapitel 53Kapitel 54Kapitel 55Kapitel 56Kapitel 57Kapitel 58Kapitel 59Kapitel 60Kapitel 61Kapitel 62Kapitel 63Kapitel 64Kapitel 65Kapitel 66Kapitel 67Kapitel 68Kapitel 69Kapitel 70Kapitel 71Kapitel 72Kapitel 73Kapitel 74Kapitel 75Kapitel 76Kapitel 77Kapitel 78Kapitel 79Kapitel 80Kapitel 81Kapitel 82NachwortCopyright

Für meinen neugeborenen Sohn,Jason Kai Due-Barnes.Willkommen im Leben, Kleiner.

Dramatis Personae

Die Gruppe von Coruscant

Obi-Wan Kenobi; Jedi-Meister

Kit Fisto; Jedi-Meister (Nautolaner)

Doolb Snoil; Rechtsanwalt (Vippit von Nal Hutta)

Admiral Arikakon Baraka; Superkreuzer-Kommandant (Mon Calamari)

Lido Shan; Technikerin

ARC-Klonkrieger

A-98, »Nate«; Rekrutierung und Kommandogewalt

KK-X270, »Xutoo«; Pilot

KK-36/732, »Sirty«; Logistiker

KK-44/444, »Forry«; körperliches Training

KK-12/74, »Seefor«; Kommunikation

Cestianer

Trillot; Bandenchef (X’Ting, männlich/weiblich)

Fizzik; Brutgefährte von Trillot (X’Ting, männlich)

Sheeka Tull; Pilotin (Mensch)

Resta Shug Hai; Mitglied von Wüstenwind (X’Ting, weiblich)

Thak Val Zsing; Anführer von Wüstenwind (Mensch)

Bruder Nicos Fate; (X’Ting, männlich)

Skot OnSon; Mitglied von Wüstenwind (Mensch)

Die Fünf Familien von Cestus Kybernetik

Debbikin; Forschung (Mensch, männlich)

Lady Por’Ten; Energie (Mensch, weiblich)

Kefka; Manufaktur (Mensch, männlich)

Llitishi; Verkauf und Marketing (Chiss, männlich)

Caiza Quill; Bergbau (X’Ting, männlich)

Der Hof von Cestus

G’Mai Duris; Regentin (X’Ting, weiblich)

Shar Shar; Assistentin von Regentin Duris (Zeetsa, weiblich)

Konföderation

Graf Dooku; Anführer der Konföderation Unabhängiger Systeme

General Asajj Ventress; Kommandantin der Separatistenarmee

Band 531 Nummer 46 HoloNet-Nachrichten13:3,7

Baktoid legt fünf weitere Betriebe still

TERMIN, METALORN – In einer Mitteilung an die Aktionäre bestätigen die Baktoid Rüstungswerke, dass man fünf weitere Betriebe im Inneren Rand und in den Kolonien stilllegen wird. Diese Maßnahme sei eine direkte Folge der Verordnungen der Republik, die die Durchführung des Kriegsdroidenprogramms behindern.

Die Betriebe von Baktoid auf Foundry, Ord Cestus, Telti, Balmorra und Ord Lithone werden zum Monatsende schließen. Damit werden schätzungsweise 12,5 Millionen Arbeitnehmer entlassen.

Das vor acht Jahren vom Senat beschlossene Gesetz verlangt die Auflösung der Sicherheitskräfte der Handelsföderation, des größten Abnehmers der Kampfautomaten und Fahrzeuge von Baktoid. Überdies machten Lizenzeinschränkungen beim Verkauf der Kampfdroiden den Erwerb solcher Geräte für die meisten Kunden unerschwinglich …

1

Ein halbes Jahrtausend lang hatte Coruscant mit seinen goldenen Türmen wie die galaktische Krone der Republik geglänzt. Die Brücken und gewölbten Solarien stammten aus vergangenen Zeitaltern, als keines Führers Worte zu vermessen schienen, kein Wolkenkratzer zu spektakulär war. Die titanische Ausbreitung der Stadt proklamierte verwegen die Eroberung des Kosmos durch die Ratio.

Mit dem Beginn der Klonkriege glaubten manche, die glorreichen Tage seien vorbei. Ob die Holonachrichten nun von Sieg oder Niederlage berichteten, es fiel nicht schwer, sich vorzustellen, wie brennende Schiffe an fernen Himmeln trudelnd abstürzten, wie riesige Armeen aufeinander prallten und wie unzählige Träume starben. Der Frage, ob der gierige Rachen des Krieges nicht eines Tages auch das Juwel der Republik verschlingen würde, konnte man kaum ausweichen. In dieser Zeit bedeutete das Wort Stadt keinesfalls Errungenschaft, sondern Verletzlichkeit. Nicht Zuflucht, sondern mögliche Zerstörung.

Trotz dieser Ängste blieben die Milliarden Einwohner von Coruscant zuversichtlich und führten ihre Myriaden Leben fort. Ein Schwarm hakenschnabliger Thrantcills flog in perfekter Rautenformation durch Coruscants friedlichen, hellblauen Himmel. Seit hunderttausend Standardjahren zogen sie zum Winter nach Süden, und auch dieses Jahr würde es wohl wieder so sein. Ihre schwarzen Augen hatten mit angesehen, wie die Zivilisation das Tierreich unerbittlich zurückgedrängt hatte. Die früheren Herren des Planeten suchten jetzt in Durabetonschluchten nach Futter, ihre natürlichen Lebensräume waren künstlichen Sümpfen und Permabetonwäldern gewichen. Es war, so behaupteten andere, eine Zeit der Wunder und der wunderbaren Wesen aus hunderttausend verschiedenen Welten. Es war eine Zeit für Optimismus, für Träume und für ungezügeltes Streben.

Eine Zeit voller Möglichkeiten für jene, die Visionen hatten.

Die rot-weiße Scheibe des für zwei Passagiere ausgelegten Transporters der Limulus-Klasse schob sich durch die Wolkendecke von Coruscant. In der Morgensonne glitzerte er wie versilbertes Eis. Wie zu unhörbarer Musik tanzte das Schiff, das seinen modularen Hyperantrieb im Orbit ausgeschaltet hatte, in Spiralen abwärts durch die Schleierwolken und landete leise und sanft wie ein Kuss. Die glatte, glasartige Seite kräuselte sich. Ein rechteckiger Umriss erschien und glitt nach oben. Ein großer bärtiger Mann in einer braunen Robe trat in die Tür und sprang heraus; ihm folgte ein zweiter, glatt rasierter Passagier.

Der Bartträger hieß Obi-Wan Kenobi. Seit so vielen Jahren, dass er sie zu zählen aufgehört hatte, war Obi-Wan der bekannteste Jedi-Ritter der gesamten Republik. Der Zweite, ein beeindruckender jüngerer Mann mit feinem braunem Haar, hieß Anakin Skywalker. Obwohl er seine Jedi-Ausbildung noch nicht abgeschlossen hatte, stand er in dem Ruf, einer der mächtigsten Krieger der Galaxis zu sein.

Sechsunddreißig Stunden lang waren die beiden in ihrem Schiff unterwegs gewesen und hatten währenddessen ihre Jedifähigkeiten genutzt, um sich so lange auf den Beinen zu halten. Obi-Wan war müde, gereizt, ausgehungert und fühlte sich wie jemand, dem man Sand in die Gelenke gestreut hatte. Anakin, so fiel ihm auf, wirkte dagegen frisch und zu allen Schandtaten bereit.

Die heilsamen Kräfte der Jugend, dachte Obi-Wan reumütig.

Nur eine dringende Weisung vom Obersten Kanzler Palpatine hatte die beiden von ihrem Auftrag auf Forscan VI zurückrufen können.

»Also, Meister«, sagte Anakin. »Ich nehme an, hier trennen sich unsere Wege.«

»Ich habe keine Ahnung, worum es eigentlich geht«, antwortete der ältere Mann, »aber du wirst deine Zeit mit Studien im Tempel verbringen.«

Obi-Wan und Anakin gingen den Wolkensteg entlang. Von weit unten dröhnte der Verkehr der Stadt herauf, und der Blick auf die Gehsteige und Straßen wurde gelegentlich durch einen Wolkenschleier oder verirrte Thrantcills abgelenkt. Hinter ihnen entfaltete sich ein verwirrendes Netz von Straßen und Brücken, aber Obi-Wan hatte im Moment für die Schönheit des Anblicks nur wenig übrig. Im Augenblick hatte er andere, dringlichere Sorgen.

Als könnte sein Padawan Gedanken lesen, sagte Anakin: »Ich hoffe, Ihr seid nicht mehr verärgert, Meister.«

Er wollte es also noch einmal ansprechen, sein unbesonnenes Verhalten auf Forscan VI. Forscan VI war eine Planetenkolonie am Rande des Cron-Nebels, die gegenwärtig weder der Republik noch der Konföderation angehörte. Eliteagenten der Separatisten hatten auf Forscan ein Ausbildungslager errichtet, und ihre »Übungen« hatten den Siedlern viel Zerstörung beschert. Der heikelste Aspekt an der Gegenoperation bestand darin, diese Agenten zu vertreiben, ohne dass die Kolonisten die Hilfe von außen bemerkten. Verzwickt. Gefährlich.

»Nein«, antwortete Obi-Wan. »Wir haben die Situation ja in den Griff bekommen. Ich gehe an solche Dinge eher … besonnen heran. Du hingegen hast deinen bekannten Unternehmungsgeist an den Tag gelegt. Gegen einen direkten Befehl hast du nicht verstoßen, also … betrachten wir es als kreative Problemlösung und belassen wir es dabei.«

Anakin atmete erleichtert auf. Die beiden Männer waren durch mächtige Bande der Zuneigung und des gegenseitigen Respekts miteinander verbunden, doch manchmal stellte Anakins impulsive Art die Beziehung auf eine harte Probe. Dennoch gab es keinen Zweifel, dass der Padawan von Obi-Wan die besten Empfehlungen bekommen würde. Jahre der Beobachtung zwangen Obi-Wan regelrecht zu der Feststellung, dass Anakins scheinbares Ungestüm tatsächlich das tiefe und grundlegende Verständnis von überlegenen Fähigkeiten darstellte.

»Ihr habt Recht gehabt«, sagte Anakin, als erlaube ihm Obi-Wans milde Erwiderung, seine Fehler einzugestehen. »Diese Berge waren unpassierbar. Die Verstärkung der Konföderation wäre im Eissturm stecken geblieben, aber ich konnte kein Risiko eingehen. Zu viele Leben standen auf dem Spiel.«

»Es braucht Reife, einen Fehler zuzugeben«, sagte Obi-Wan. »Ich denke, wir können diese Angelegenheit für uns behalten. In meinem Bericht werde ich deinen Unternehmungsgeist loben.«

Die beiden Gefährten sahen sich an und fassten sich an den Unterarmen. Obi-Wan hatte keine Kinder und würde wohl nie welche bekommen. Die Verbindung zwischen Padawan und Meister war allerdings so tief wie das Verhältnis zwischen Eltern und Kind, und in mancher Hinsicht sogar intensiver. »Viel Glück«, sagte Anakin. »Richtet Kanzler Palpatine meine Grüße aus.«

Ein Luftgleiter schob sich an den Gehweg heran, Anakin hüpfte hinein und verschwand im Verkehr, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

Obi-Wan schüttelte den Kopf. Der Junge würde sich schon machen. Er musste sich machen. Wenn ein Jedi mit einer Begabung wie Anakin seine jugendliche Überheblichkeit nicht besiegen konnte, welche Hoffnung bestand dann noch für die anderen?

Aber inzwischen gab es wichtigere Fragen. Warum genau hatte man ihn nach Coruscant zurückgerufen? Sicherlich handelte es sich um einen Notfall, aber um was für einen …?

Der verabredete Treffpunkt war die T’Chuk-Sportarena, auf deren Tribünen eine halbe Million Zuschauer Platz fand. Hier wurde vor hunderttausenden jubelnder Fans Chin-Bret gespielt, der beliebteste Sport auf Coruscant. Heute jedoch setzten keine professionellen Chin-Bret-Spieler in eleganten Sprüngen über den Sand; keine Verteidiger retournierten Aufschläge. Die Torhüter in himmelblauen Westen sprangen nicht herum wie verrückt gewordene Demicots und hielten die Fackel ihres Teams nicht aufrecht. Heute war das riesige Stadion leer, abgesperrt und gründlich gesichert, damit eine ganz andere Versammlung stattfinden konnte.

Als Obi-Wan aus dem hallenden Eingangstunnel trat, suchte er die Tribünen ab. Die meisten Ränge waren so leer wie die Wüstengegenden auf Tatooine, doch im Logenbereich hatten sich ein paar Dutzend Zeugen versammelt. Obi-Wan erkannte hochrangige Offizielle: einige wichtige, doch zurückhaltende Bürokraten, ein paar Leute aus dem technischen Bereich und sogar mehrere Klonsoldaten. Instinkt und Erfahrung verrieten ihm, dass es sich um einen Kriegsrat handelte.

Im Laufe der Zeit hatte das ursprüngliche Chaos der Klonkriege einen gezeitenähnlichen Rhythmus entwickelt. Grenzen waren gezogen, Loyalitäten erklärt und Bündnisse geschmiedet worden. Die Galaxis war zu groß, als dass der Krieg an allen ihren unzähligen Küsten anbrandete, doch ständig wüteten auf hunderten verschiedener Welten die Schlachten. Obwohl es nur einen kleinen Bruchteil der Milliarden von Sternsystemen betraf, die zur Galaxis gehörten – vor allem wegen langjähriger Allianzen und Partnerschaften –, mochte das, was momentan nur Millionen Lebewesen betraf, rasch Auswirkungen auf Billionen zeitigen.

Längst hatten Königreiche, Nationen und Familien durch die Kriege schwere Verluste erlitten. Wenn die Anzahl der Konfliktherde wuchs und die Waffen unerbittlich mächtiger wurden, konnte die Zerstörung außer Kontrolle geraten und erneut solch äonenlange Auseinandersetzungen auslösen, wie sie einst zur Geburt der galaxisweiten Union geführt hatten. Sollte die Arbeit tausender Generationen vergeblich gewesen sein?

Niemals!

Die Grenzen waren gezogen: auf der einen Seite die Separatisten, die Republik auf der anderen. Für Obi-Wan und für viele andere stellten sie auch die Grenze zwischen Leben und Tod dar. Entweder würde die Republik fortdauern, oder Obi-Wan und mit ihm jeder Jedi, der zum Tempel gehörte, würde fallen. So einfach war die Gleichung.

Und in der Einfachheit lagen sowohl Klarheit als auch Kraft.

2

Auf dem sandbedeckten Boden der T’Chuk-Arena war nur eine bleiche, schlanke Humanoidenfrau mit einem weißen Technikerkittel und schwarzem kurz geschorenen Haar zugange. Sie stand dort und bastelte an einem glänzenden chromfarbenen Gegenstand in Form eines Stundenglases herum, den Obi-Wan nicht genau erkennen konnte; jedenfalls schien er in keiner Weise eine Gefahr darzustellen, die einem Jedi Sorgen bereitet hätte. In Reihen angeordnete dünne Beine stellten das einzige sichtbare Fortbewegungsmittel dar.

Was bei den Tausend Welten sollte das sein?

Die Technikerin fummelte an dem Gerät herum und zog mehrere Kabel zu Buchsen an ihrer Hüfte. Handelte es sich vielleicht um einen fortschrittlichen Medidroiden?

Im Publikum machte sich zunehmend Aufregung breit, während sie die Kabel einstöpselte und sich schließlich umdrehte.

»Ich heiße Lido Shan und möchte Ihnen für Ihre Geduld danken«, sagte sie und ignorierte die Tatsache, dass es ihren Zuhörern daran gemangelt hatte. »Ich glaube, wir können nun mit der Vorführung beginnen.« Shan verneigte sich leicht und deutete mit der Hand auf das glänzende Konstrukt. »Ich präsentiere Ihnen hier den JK-13. Um sein Können zu demonstrieren, haben wir einen Zerstörerdroiden der Konföderation ausgesucht, der auf Geonosis in Gefangenschaft geraten ist und den wir nach den Originalspezifikationen des Herstellers rekonstruiert haben.«

Der JK war brusthoch, hatte eine glasartige Oberfläche und eine ästhetische Gestalt wie nur wenige Droiden. Ein Kinderspielzeug, ein Museumsstück, ein Gesprächsthema und ein empfindliches Stück Elektronik vielleicht. Dagegen sah der schwarze radähnliche Zerstörerdroide vergleichsweise primitiv aus, verbeult und ausgebessert und trotzdem so bedrohlich wie ein verwundetes Acklay.

Unter dem Zischen der Hydraulik rollte der Zerstörerdroide vorwärts und hinterließ dabei tiefe Rillen im Sand. Das glänzende JK-Modell duckte sich und wirkte auf seltsame Weise hilflos. Es schien regelrecht zu zittern, als es sich hinkauerte. Dieser Eindruck der Hilflosigkeit wurde durch den Größenunterschied noch verstärkt: Der JK hatte ungefähr die halbe Größe des Kampfdroiden.

Zunächst fragte sich Obi-Wan, ob er hier mal wieder einer Demonstration der Kraft und Effizienz eines Zerstörerdroiden beiwohnen sollte. Kaum notwendig: Er trug schließlich genug Narben von diesen verdammten Dingern. Nein, die Annahme war absurd; Palpatine würde ihn nicht aus einem so prosaischen Grunde von Forscan herbeordern. Im nächsten Augenblick rollte der Zerstörerdroide bis auf fünf Meter an den JK heran, und nun bekam er eine Antwort auf seine Frage.

Innerhalb eines einzigen Augenblicks zerlegte sich der JK in verschiedene Segmente und nahm eine spinnenähnliche Gestalt an. In diesem Moment wirkte die Pose nicht mehr so wie die eines geduckten Pflanzenfressers, sondern wie die eines dieser verschlagenen Wesen, die Hilflosigkeit vortäuschen, um ihre Beute anzulocken.

Der Zerstörerdroide spuckte Feuer auf seinen Gegner. Der Sand schlug Wellen, als der JK dem Feind nicht nur ein einzelnes Kraftfeld entgegenschleuderte, sondern auch eine Reihe rotierender Energiescheiben, die mit Leichtigkeit die Feuerstöße absorbierten. Das war eine Überraschung: Typischerweise benötigt eine Maschine weniger technische Raffinesse, um Energie abzulenken, als sie zu absorbieren. Das Schauspiel deutete auf eine Form von hoch entwickelter Kapazität oder Erdungstechnik hin. Der angreifende Droide setzte seine Attacke mit Feuer fort und konnte nicht begreifen, wie wenig Wirkung seine Bemühungen zeigten.

Wie die meisten Maschinen war er stark, aber dumm.

Obi-Wan kniff die Augen zusammen. Hier fand etwas höchst Ungewöhnliches statt. Dem JK sprossen Tentakel aus den Seiten und aus der Oberseite, Ranken, die sich so schnell bewegten, dass der Zerstörerdroide nicht die geringste Chance zur Flucht erhielt. Jetzt beugte sich Obi-Wan vor, und mit ihm die meisten anderen Zuschauer, um zu beobachten, wie der Kriegsdroide hilflos im Griff des JK strampelte. Zuerst waren die Rankarme dick und klebrig. Doch während Obi-Wan zusah, wurden sie dünner und immer dünner und hüllten den Angreifer schließlich mit feinen Fäden ein, die beinahe nicht mehr zu sehen waren.

Diese Fäden durchdrangen das Gehäuse des Zerstörerdroiden wie hunderte Sägen aus seidenstarken Fasern. Endlich begriff der Droide die Gefahr, in der er schwebte, und begann sich heftig zu wehren, wobei er beunruhigend menschliche Geräusche von sich gab.

Die Gegenwehr des Droiden ließ bald nach. Er zitterte und vibrierte, bis er drohte, sich selbst kaputtzurütteln. Rauch stieg von dem aufgeschlitzten Gehäuse auf. Dann platzte er wie eine überreife metallische Frucht und zerfiel in seine Einzelteile. Diese krachten in den Sand, sprühten Funken und sonderten eine grünliche Flüssigkeit ab. Eine Sekunde später herrschte Stille.

Einen Atemzug lang schwieg das Publikum. Obi-Wan konnte das gut nachempfinden. Die Taktik war unkonventionell, die Waffe tödlich, das Ergebnis unstrittig.

»Droide gegen Droide«, höhnte der Bith mit dem kugelförmigen Schädel neben ihm. »Kinderspiele. Ganz gewiss kein Anlass, den Kanzler rufen zu lassen.«

Lido Shan blieb ungerührt. »Ich bitte um Nachsicht«, sagte sie. »Wir wollten lediglich einen Maßstab bieten, eine Referenz für einen Gegner, den sie kennen und ernst nehmen. Dieser Droide der Klasse Vier wurde zerstört, und zwar in weniger als … zweiundvierzig Sekunden.«

Hinter Obi-Wan gurgelte der Übersetzer eines amphibischen Aqualishaners eine Frage: »Aber was ist mit lebendigen Gegnern?«

Die Technikerin nickte, als habe sie eine solche Nachfrage erwartet. »Bei unserer nächsten Demonstration wird ein Soldat des Advanced Recon Commando teilnehmen.«

Auf dieses Stichwort hin trat ein ARC-Soldat in voller Kampfrüstung, der mit einem Infanterie-Blastergewehr bewaffnet war, aus seinem Warteraum unter dem Rand der Arena. ARCs waren hyperspezialisierte Klonkommandosoldaten – in der gesamten Galaxis gab es, wie es hieß, weniger als zweihundert davon. Es handelte sich um modifizierte gewöhnliche Klone, die über größere Unabhängigkeit in Hinsicht auf Denken und Handeln verfügten. Ein Helm verbarg das Gesicht, doch die Haltung allein drückte aggressive Bereitschaft aus. Im Publikum erhob sich unbehagliches Murmeln.

Der Aqualishaner zeigte sich bestürzt. »Ich … ich möchte nicht für den Tod eines Mannes verantwortlich sein …«

Die Technikerin fixierte das Amphibienwesen mit einem mitleidigen Blick, als habe sie genau diesen Einwand erwartet. »Keine Sorge.« Sie bewegte sich konzentriert und entspannt, während sie ein paar Einstellungen vornahm. »Die Maschine ist jetzt auf Festnahme bei lebendigem Leibe programmiert.«

Obwohl diese Ankündigung die meisten Anwesenden beruhigte, verspürte Obi-Wan sogar größere Besorgnis. Dieser Droide in seiner Schönheit und ungewöhnlichen Tödlichkeit hatte ganz bestimmt mit seiner bevorstehenden Mission zu tun. Aber was? »Worin besteht das Ziel des Soldaten?«, rief Obi-Wan nach unten.

Lido Shan zog die Mundwinkel nach oben. »Er soll den JK überwinden und mich gefangen nehmen.«

Die flüsternden Zuschauer betrachteten sie mit Unglauben und etwas, das erschreckte: Vorfreude. Sie wussten, dass man ihnen eine unvergessliche Vorstellung bieten würde. Aber worüber würden sie sich mehr freuen? Über die Niederlage des JK oder über den Denkzettel für die arrogante Technikerin.

Der Soldat näherte sich dem Geschöpf bis auf zwei Dutzend Meter …

Obi-Wan schüttelte den Kopf. Geschöpf? Hat er das tatsächlich gedacht? Geschöpf und nicht Droide? Was hatte diesen Gedanken ausgelöst?

Der Soldat legte den Blaster an die Schulter und feuerte einen roten Blitz ab. Erneut erschienen die drehenden Absorptionsscheiben und saugten den Energieblitz knisternd auf.

Allein die Tatsache, dass der Droide einen Schirm brauchte, schien den Soldaten zu ermutigen. Er täuschte nach rechts an, machte eine Rolle nach links, sprang leichtfüßig auf, feuerte abermals und wechselte wieder die Position, während der Droide sich weiter verteidigte.

Obi-Wan öffnete seine Sinne und dehnte sie in der Macht aus. Er spürte fast das klopfende Herz des Mannes, schmeckte seine Nervosität, spürte die Entscheidungen, mit denen er seine Ausweichmanöver einleitete. Links, rechts, links … als Nächstes ging es nach …

Links.

Vor den Augen des großen Jedi spuckte der JK ein Gewebe aus Schnüren aus, die so dick waren wie ein kleiner Finger und den Klon hilflos mitten im Sprung fesselten. Der Soldat wirkte wie ein verwundeter Thrantcill, den ein Moschushändler mit seinem Netz gefangen hat. Das Timing war hervorragend. Nein. Es ging über hervorragend hinaus: Es war perfekt. Welche Art von Programmierung machte solche Präzision möglich? Obi-Wan hätte schwören können, dass hier vorausschauendes Denken im Spiel war …

Aber das war unmöglich.

Der Soldat kämpfte mit dem Netz, während der JK ihn zu sich heranzog, brachte den Blaster in Anschlag und zielte auf die Technikerin. Obi-Wans Blick fuhr zu der Technikerin: Sie wirkte absolut unbesorgt. In dem Moment, bevor sich der Lauf auf sein Ziel richtete, floss eine orangefarbene Entladung über die Tentakel des Droiden. Der Soldat zuckte einmal heftig, trat mit den Hacken in den Sand und lag still. Der JK zog ihn zu sich heran, hob den Körper in die Höhe und streckte eine zweite, schlankere Sonde aus, die einen Lichtstrahl auf die geschlossenen Augen des Soldaten abschoss. Darauf legte der JK den Soldaten auf dem Sand ab und stand still und wachsam da.

Einen Augenblick lang stockte dem Publikum kollektiv der Atem. Dann entwirrte sich das Netz des JK und zog sich in den Droiden zurück. Der Soldat stöhnte und wälzte sich auf die Seite. Einen Moment später erhob er sich auf die Knie, wackelig, aber unverletzt. Ein anderer ARC half ihm, sich unter den Rand der vorgewölbten Arenamauer zurückzuziehen.

Das Publikum applaudierte, mit Ausnahme von Obi-Wan und einem zweiten Jedi, der sich durch die Menge zu ihm vordrängte. Obi-Wan fühlte sich erleichtert, als sich die vertraute Gestalt näherte, und auch, als er bemerkte, dass der Neuankömmling genauso wenig geneigt war, Beifall zu spenden.

Dieser Neuankömmling war zwei Zentimeter größer als Obi-Wan, hatte den gelbgrünlichen Hautton und die Schädeltentakel sowie die niemals blinzelnden Augen, die so typisch für die Nautolaner sind. Es handelte sich um Kit Fisto, der schon auf Geonosis und in hundert weiteren gefährlichen Krisengebieten gekämpft hatte. Angesichts dessen, was der JK vollbracht hatte, lächelte er nicht und applaudierte nicht: Kein Jedi würde jemals ein Vergnügen irgendeiner Art darin sehen, wenn ein anderes Wesen verletzt wurde, gleichgültig, wie oberflächlich oder vorübergehend diese Wunde sein mochte. War der Nautolaner rein zufällig hier, oder war er ebenfalls herbeordert worden?

Kit betrachtete Obi-Wans Hände und bemerkte ihre Anspannung. »Solche Schauspiele gefallen dir nicht?«, fragte er. Seine Stimme zischte feucht, auch wenn er von solch irdischen Dingen sprach. Die Oberfläche von Fistos nie blinzelnden schwarzen Augen zeigte Wirbel. Das war unterdrückte Wut, doch nur wenige Nicht-Nautolaner hätten das gewusst.

»Das Wohlergehen des Soldaten interessiert kaum jemanden«, sagte Obi-Wan.

Kit kicherte trocken. »Solche Darbietungen lassen den Krieg wie eine weit entfernte Unterhaltungsveranstaltung erscheinen.«

Das Wesen mit dem Kugelkopf vor ihnen drehte den Kopf um hundertachtzig Grad, ohne die Schultern zu bewegen. »Kommen Sie schon. Es ist doch nur ein Klon.«

Nur ein Klon. Fleisch und Blut, ja, doch im Reagenzglas gezeugt und nur einer von 1,2 Millionen anderen Klonkriegern, die aufwachsen mussten ohne einen Vater, der sie beschützen könnte, und ohne eine Mutter, die trauern wird.

Ja. Lediglich ein Klon.

Obi-Wan hatte keine Lust zu streiten. Für diese Leute, die kaum befürchten mussten, in der Schlacht zu sterben, und deren Nachwuchs die schrecklichen Folgen von Kriegen erspart bleiben würden, waren diese Klonkrieger eine äußerst praktische Sache. Dieser Höhlenbewohner hatte bloß seine ehrliche Meinung zum Ausdruck gebracht.

»Exzellent, exzellent«, sagte ein weiterer Zuschauer, ein ledriges Wesen mit einer zyklopenartigen Augengruppe in der Mitte des Kopfes. »Exzellent. Jetzt verstehe ich, wie die JKs bei den Kriminellen zu ihrem Ruf gelangt sind.«

Die beiden wechselten einen kurzen eigenartigen Blick, der Obi-Wans Neugier weckte. »Der da wäre …?«

Die beiden wandten sich wieder der Arena zu und gaben vor, seine Frage nicht gehört zu haben. Obi-Wan ließ sich so leicht nicht zum Narren halten. Ein warnendes Kribbeln stellte sich bei ihm im Nacken ein.

Der Ledrige sprach wieder. »Sie wollten unser Interesse wecken«, sagte er zu Lido Shan. »Wir sind gewiss bereit, das Potenzial eines solchen Gerätes anzuerkennen. Aber … hm … zufälligerweise haben wir das Glück, dass heute Jedi unter uns sind. Wäre es unhöflich, um eine Demonstration mit ihnen zu bitten?«

Obi-Wan beobachtete, wie sich ihnen ein Dutzend Augenpaare zuwandten, sie abschätzten und flüsternd ihre Meinungen austauschten. Er sah, wie sich im Verborgenen Finger, Tentakel und Klauen trafen, und bestimmt wechselten hier Credits den Besitzer. Wetten auf den Ausgang des Kampfes?

Kit Fisto beugte sich vor, ohne ihn direkt anzublicken. »Was hältst du davon?«

Obi-Wan zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht den Drang, ihre Neugier zu befriedigen.«

»Ich auch nicht«, meinte Kit, und seine Tentakel wirbelten herum, als würden sie ein Eigenleben führen. Er drehte sich um und wandte sich an die Technikerin. »Hat die Bezeichnung JK-13 über die alphanumerische Standardkennzeichnung hinaus eine Bedeutung?«

Diese Frage hätte Obi-Wan auch gern gestellt, er hatte jedoch gezögert.

Getuschel wogte durch die Arena. Die Cyborgfrau trat von einem Bein aufs andere. »Offiziell nicht …«, begann sie.

»Und inoffiziell?«, hakte Obi-Wan nach.

Die Technikerin räusperte sich unbehaglich. »Unter Schmugglern und in den unteren Schichten«, sagte sie, »nennt mancher sie ›Jedi-Killer‹.«

»Reizend«, sagte er, mehr zu sich selbst als an andere gerichtet, da er zu verblüfft war, um zu antworten. Jedi-Killer? Was sollte diese Geschmacklosigkeit?

Neben ihm legte Kit seinen Mantel ab und zeigte seine unerbittliche grüne Miene. Seine Kopftentakel, fiel Obi-Wan auf, bewegten sich unaufhörlich, während er mit den nie blinzelnden Augen den Droiden fixierte.

»Was machst du da?«, fragte Obi-Wan und kannte die unausweichliche Antwort. Vermutlich, ja fast sicher, war Kit aus diesem Grunde eingeladen worden: Er war für seine Impulsivität und seinen Mut bekannt.

»Ich möchte dieses Ding selbst fühlen«, sagte Kit mit tödlicher Ruhe in der Stimme. Herausfordernd rief er: »Technikerin! Zu Ihrer Verfügung!«

Die Kopfsensoren des Nautolaners wogten in der stillen Luft. Der Droide betrachtete ihn ohne Reaktion. Kit warf Obi-Wan noch einen Blick zu, sprang mit einem Salto auf den Arenaboden, wobei er eine Haltung und Geschmeidigkeit bewies, von der ein Chin-Bret-Spieler allenfalls träumen durfte, und setzte geräuschlos auf.

Er stand ein Dutzend Meter von dem JK entfernt. Wie schon zuvor wirkte der Droide momentan harmlos. Meister Fistos Lichtschwert flog in seine Hand, und die smaragdgrüne Klinge wuchs aus dem Griff und versengte die Luft.

Der Droide gab ein Summen von sich, das in Höhe und Intensität anschwoll, bis Obi-Wans Haut kribbelte. Abgesehen von der Oberfläche, die sich erneut in eine spinnenähnliche Gestalt verwandelte, blieb er unbeweglich. Er schien zu schnüffeln. Das insektenartige Summen veränderte sich, als hätte er seinen neuen Gegner registriert.

Erneut schickte der JK seine Tentakel aus, doch diesmal schlängelten sie sich schwerfällig voran. Seltsam. Würde er, obwohl er zuvor flexibel und aufmerksam gewirkt hatte, nun die gleiche Taktik wie gegen den ARC anwenden? Vielleicht war der Droide gar nicht so hoch entwickelt, wie Obi-Wan zunächst geglaubt hatte …

Kits Lichtschwert traf den ersten Tentakel mit verächtlicher Leichtigkeit. Obi-Wan stellte fest, dass seine Aufmerksamkeit von dem JK fort auf Kit gelenkt wurde, dessen kraftvolle Haltung und klaren Blick er bewunderte, während sich der Jedi für eine Angriffsart entschied. Kit bevorzugte den Form-I-Kampfstil, einen wilden …

Augenblick mal.

Bei Obi-Wan schrillten innerlich die Alarmsirenen. Irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht. Sein Intellekt gab sich alle Mühe, mit seiner Intuition Schritt zu halten. Die Wiederholung des vorherigen Musters durch den JK hatte ihn eingelullt und Selbstgefälligkeit ausgelöst. Die Tentakel waren lediglich eine Finte. Wo also fand der eigentliche Angriff statt?

Er beugte sich vor und untersuchte den Droiden eingehender. Die Füße. Deren Spitzen hatten sich in den Sand geschoben. Und aus ihnen wuchsen, unter der Oberfläche verborgen …

… weitere Tentakel, die zur Tarnung farblich dem Sand angepasst waren. Dieses Ding griff gleichzeitig auf zwei Ebenen an, eine Strategie, mit der es sogar die meisten lebendigen Krieger übertraf. Und noch dazu verwirrte der JK Kit weiter, indem er beide Angriffe mit verschiedener Geschwindigkeit und Effizienz ausführte, also praktisch mit seiner Taktik jonglierte und den Jedi zu übergroßem Selbstvertrauen verleitete.

Die Sandtentakel hatten sich schon bis auf wenige Zentimeter an ihr Ziel herangeschoben, ehe Kit sie spürte. Er riss die lidlosen Augen weit auf, als der Sand aufgeworfen wurde. Eine Ranke schloss sich um seinen Fuß und versuchte, den Gegner auf den Rücken zu werfen. Andere eilten zu Hilfe.

Den Zuschauern stockte vor Staunen der Atem, als sie nun begriffen, dass sie möglicherweise etwas Unvorstellbares mit ansehen durften: Ein dummer Droide besiegte einen mächtigen Jedi!

Aber Kit war noch lange nicht bezwungen. Auch er schien nur ein Spiel gespielt zu haben, denn jetzt duckte er sich und sprang vorwärts, drehte sich um die vertikale Achse seines Körpers wie ein Akrobat und ging den JK direkt an. Der Nautolaner ließ sich auf die ziehende Bewegung des JK ein, anstatt dagegen anzukämpfen, glitt zwischen den Tentakeln hindurch, und sein Gespür für Timing war schneller und präziser als bewusstes Denken.

Eine solche Attacke hatte der Droide seinen Fähigkeiten zum Trotz nicht vorausgesehen, und er konnte sich nicht rechtzeitig darauf einstellen. Er ließ den Jedi los und zog sich einen Schritt zurück, bevor er mit allen Tentakeln auf den Gegner einschlug. Kits Lichtschwert ließ Funken regnen. Tentakel fielen in den Sand, doch die größeren Stücke zuckten eher wie eigenständige Kreaturen denn wie abgetrennte Glieder.

Der Nautolaner landete im Sand, rollte sich ab und stand sofort wieder auf den Beinen. Sein Gesicht verzog sich zu einem kriegerischen Fauchen.

Nun kämpfte der JK wie von Sinnen, und Obi-Wan fragte sich: Was hat er vor? Wieder und wieder schlugen die Tentakel auf Kits Kopf ein. Hatte Lido Shan vergessen, dem Droiden die richtigen Befehle zu geben, um ihn zu bremsen? Wenn dies der Fall war und das glänzende Monstrum auch nur eine Gelegenheit erhielt, würde er den Nautolaner töten. Obi-Wans Hand schob sich zu seinem Lichtschwert, und die sechsunddreißig aufreibenden Flugstunden waren plötzlich vergessen. Falls es notwendig sein würde …

Aber Kit war auf Lichtschwertdistanz herangegangen. In dieser Nahdistanz war der Droide im Nachteil. Nun war Kit der Jäger, und der JK wurde auf die Rolle des Gejagten reduziert. Zischend zog er sich auf den schlanken goldenen Beinen zurück, die Tentakel zitterten unschlüssig, als könnte der Droide die Daten nicht schnell genug verarbeiten, um diesem unorthodoxen Angriff zu begegnen. Kits Klinge war hier, dort, überall: unvorhersagbar, unaufhaltsam. Die rotierenden Energiescheiben konnten die Hiebe nicht mehr absorbieren: Jetzt lenkten sie die Treffer nur noch ab, und in alle Richtungen sprühten Funken.

Kit beschleunigte seine komplexen Bewegungsabläufe weiter, so dass selbst Obi-Wan mit seinem erfahrenen Blick kaum mehr folgen konnte. Das Lichtschwert des Nautolaners schob sich durch die Energieschilde des JK und traf zum ersten Mal das Gehäuse. Der Droide stieß einen schmerzhaft dünnen Schrei aus. Die glänzenden Beine zitterten.

Er brach im Sand zusammen. Zuckend versuchte er, sich wieder zu erheben. Dann fiel er auf die Seite und spuckte Rauch und Funken.

In der Arena herrschte Stille. Das Publikum musste zunächst einmal verarbeiten, was es gerade mit angesehen hatte. Ohne Zweifel hatten manche nie zuvor einen Jedi kämpfen sehen. Es war eine Sache, die Geschichten über die mysteriösen Tempelbewohner zu hören, und eine ganz andere, ihre fast übernatürlichen Fähigkeiten mit eigenen Augen zu beobachten. Noch in einem Jahrhundert würden einige ihre Urenkel mit Erzählungen über diese Demonstration erfreuen.

Doch die Angelegenheit hatte darüber hinaus einen weiteren Aspekt, der den meisten wohl entging. Zunächst bei dem Soldaten und schließlich ausgeprägter bei Kit Fisto war ein seltsames Phänomen aufgetaucht: Der JK hatte die Reaktionen des Nautolaners vorausgesehen.

Obi-Wan hatte plötzlich einen bitteren, metallischen Geschmack im Mund, ein Gefühl, in dem er den ersten leisen Hauch von Angst erkannte. »Was ist dies für ein Gerät?«, fragte er. »Mir fällt auf, dass der Schild eher absorbiert als reflektiert.«

Die Technikerin nickte. »Und worauf deutet das hin, Meister Jedi?«

»Dieses Gerät ist nicht für das Schlachtfeld gedacht. Es wurde entwickelt, um seine Umgebung zu schützen, und zwar sogar vor Querschlägern.«

»Exzellent«, sagte sie.

»Es hat die Retina des ARC-Soldaten gescannt; und vielleicht hat es sogar Zugang zu einer Datenbank registrierter Krimineller. Wenn ich dies und die optische Erscheinung in Betracht ziehe, möchte ich den JK für eine Art Personenschutzdroiden halten.«

Lido Shan hob die Hände und bat so um Ruhe. »Damit wäre die Vorführung beendet«, sagte sie. »Manche von Ihnen werden nun zur Besprechung erwartet. Den anderen möchte der Oberste Kanzler für ihre Anwesenheit danken.«

Die Zuschauer gingen auseinander, und einige blieben bei Kit stehen, um ihm zu gratulieren. Möglicherweise hatten sie vor, zu ihm hinunterzusteigen und ihm die Hand zu geben oder auf die Schulter zu klopfen, doch weder das eine noch das andere wirkte angemessen, betrachtete man die Verkniffenheit um Kits dunkle, nie blinzelnde Augen.

Obi-Wan sprang von der Tribüne hinunter und reichte dem Nautolaner den Mantel. Schweigend nahm Kit ihn entgegen, und gemeinsam stiegen sie die Treppe zum Ausgang hinauf. Obi-Wan warf einen Blick in die Arena zurück, wo Servicedroiden Öl und andere Flüssigkeiten aufsaugten und den Sand harkten. Wie hätte er, Obi-Wan, angesichts einer solchen Herausforderung reagiert? Er gestattete sich keinen Zweifel daran, dass er ebenfalls als Sieger aus dem Kampf hervorgegangen wäre, aber gleichzeitig gestand er sich ein, welchen Vorteil Kits chaotischer und unvorhersagbarer Kampfstil dem Nautolaner gegen die Maschine gewährt hatte. Obi-Wans eher zurückhaltende Reaktion wäre vermutlich nicht so effektiv gewesen.

Auf dem Weg nach draußen kamen sie an einer Gruppe Soldaten vorbei, die alle aus dem gleichen Holz geschnitzt waren, alle die gleichen breiten Schultern und Gesichtsvisiere hatten, die gleiche militärische Haltung und den gleichen Schliff. Mit überraschender Fürsorge kümmerten sie sich um ihren besiegten Bruder, und Obi-Wan fragte sich, ob …

Die Kopftentakel des Nautolaners hoben sich, und Kit drehte sich um und schien seine Gedanken zu lesen. »Obi-Wan?«

»Einen Augenblick habe ich mich gefragt, ob ich den Soldaten kannte.«

»Und?«

»Und es ist albern.«

»Albern?«, hakte Kit nach.

»Ja. Ich kenne keinen von ihnen.«

Das stimmte allerdings. Doch während er zuschaute, wie sie sich um einen der ihren bemühten, als wären keine Zeugen anwesend, fragte er sich, ob ein Außenstehender sie überhaupt je wirklich kennen konnte.

3

Der Besprechungsraum war so hoch wie vier Wookiees übereinander, und die Marmordecke wurde von massiven Durabetonsäulen getragen. Durch das riesige Erkerfenster schaute man hinaus auf die grandiose Skyline: Die bonodanische Botschaft und das rotierende Skysitter-Restaurant lagen genau gegenüber. Der dichte Durabetonwald erzeugte ein Gefühl von Erhabenheit, dem Würdenträger aus dem Äußeren Rand gern erlagen, bei dem sich Obi-Wan jedoch stets fragte, ob man mit dem Raum nicht etwas Nützlicheres hätte anstellen können.

Im Augenblick tauschte eine Gruppe schuppenhäutiger Kuati mit smaragdgrünen Augen fleißig Nettigkeiten und Grüße mit dem Kanzler und seinen Robe tragenden Assistenten aus. Die beiden Jedi standen in einer Ecke des Raums, derweil die Gesandten sich ausgiebig verneigten.

Während sie warteten, bemerkte Obi-Wan, dass Kit überhaupt nicht behaglich zumute war. »Geht es dir gut?«, fragte er ihn leise. »Ist dir der Droide unangenehm nah gekommen?« Er konnte sich nicht erinnern, schon einmal gesehen zu haben, dass Kit die Selbstbeherrschung verlor.

»Unangenehmes bin ich gewohnt«, sagte der Nautolaner. »Und doch … der Droide war so nah, dass es, wie ich Menschen habe sagen hören, leicht ›ins Auge‹ hätte gehen können.«

Seltsamerweise verrieten diese Worte Obi-Wan, wie groß die Herausforderung durch den JK gewesen war. So offen wie bei dieser letzten Bemerkung hatte sich der nautolanische Jedi noch nie geäußert.

Nachdem die Diplomaten den Raum verlassen hatten, wandte sich der Oberste Kanzler Palpatine endlich den beiden Jedi zu. Seine breite, starke Stirn war vor Sorgen gerunzelt, die Lippen waren fest zusammengepresst.

»Entschuldigt die Ungelegenheiten und die Geheimnistuerei, meine Freunde«, sagte er. »Ich hoffe, in Kürze werdet ihr verstehen, warum beides sein musste.«

»Kanzler«, sagte Obi-Wan, der nicht in der Stimmung für höfliche Floskeln war. »Seid Ihr bereit, dieses ›Jedi-Killer‹-Geheimnis mit uns zu teilen?«

Der Kanzler zuckte zusammen. »Ich muss zugeben, dass ich verblüfft bin. Nicht einmal der Abschaum unter unseren Bürgern würde eine solch vulgäre Bezeichnung amüsant finden.« Nach einer kurzen Denkpause fuhr er fort: »Erlaubt mir, ein wenig abzuschweifen, um euch über die Zusammenhänge in Kenntnis zu setzen.« Palpatine winkte sie zu zwei Stühlen. Der Kanzler setzte sich hinter seinen großen Schreibtisch. Sein Gesicht wurde von Rechtecken aus Licht und Schatten in Quadranten eingeteilt. Er wandte sich an die Technikerin, die leise eingetreten war, während der Kanzler gesprochen hatte. »Lido Shan?«

»Mit Verlaub«, sagte sie. »Als wir auf dieses Gerät aufmerksam geworden sind, war unser vorrangiges Interesse festzustellen, wie es auf diese ungewöhnliche Weise funktioniert. Normale Scans zeigten nichts Auffälliges an, wenn man einmal von der komplett abgeschirmten Zentraleinheit absah.«

»Natürlich stand der Prozessor im Mittelpunkt Ihrer Untersuchungen«, sagte Obi-Wan.

»Natürlich«, erwiderte Lido Shan und gestattete ihren bleichen Lippen ein Lächeln. »Wenn man den Prozessor öffnet, erlischt die Garantie, aber uns war es das Risiko wert.«

Kit legte den Kopf schief. »Und was haben Sie gefunden?«

»Bitte«, sagte Lido Shan und trug der Neigung des Kanzlers zu verwinkelten Vorträgen Rechnung. »Alles zu seiner Zeit. Beginnen wir mit einer Einschätzung der Fähigkeiten.« Sie hielt kurz inne und sammelte sich. »Der JK ist ein machtsensitiver Biodroide, wie er zuvor für unmöglich gehalten wurde. Im letzten Jahr wurden diese Typen überall in der Galaxis verkauft. Selbst zu höchsten Preisen verkaufen sie sich schneller, als sie hergestellt werden können.«

»Machtsensitiv?«, höhnte Kit. »Absurd! Warum sind uns diese Droiden nicht früher zu Gesicht gekommen?«

»Weil sie«, entgegnete sie, »die exklusivsten und teuersten Personenschutzdroiden auf dem Markt sind.«

»Und was genau kosten sie?«, fragte Kit.

»Achtzigtausend Credits.« Shan machte eine Geste, und der labyrinthartige Schaltkreis eines Droiden erschien in der Luft vor ihr. Sie fuhr mit den Händen an der inneren Struktur entlang, deutete auf verschiedene Merkmale und holte tief Luft.

»Und jetzt«, sagte sie schließlich, »kommen wir zum springenden Punkt. Das Geheimnis des Erfolgs ist ein einzigartiges Bio-Schaltkreisdesign, das im Prozessorkern organische Stoffe einbezieht und so größeres Mitgefühl für den Besitzer und überlegene taktische Aggression gegen Eindringlinge erlaubt.«

»Lebendige Schaltkreise?«, fragte Kit.

Lido Shan hatte offensichtlich die gleiche Eigenschaft wie der Nautolaner, nicht blinzeln zu müssen, doch Obi-Wan sah eine gelbliche Schleimhaut, die ihre Augen kurz überzog und dann verschwand. »Der Prozessor ist im Prinzip eine lebenserhaltende Einheit für ein Wesen unbekannter Herkunft.«

Das Hologramm flackerte und wurde dunkel. Das Bild eines eingerollten, schlangenähnlichen und augenlosen Wesens baute sich auf. Einer Maßstabsskala zufolge schätzte Obi-Wan die Größe auf die einer geballten Faust. »Und das verleiht dem Droiden seine speziellen Fähigkeiten?«, erkundigte er sich.

»Ja«, antwortete Lido Shan. »Wir glauben es zumindest. Bei den Herstellern haben wir um Informationen gebeten, aber sie weigern sich, über ihre Geheimnisse Auskunft zu geben.«

»Und dieser Hersteller wäre …?«

»Cestus Kybernetik. Kennt Ihr Ord Cestus?«

Obi-Wan kramte in seinem Gedächtnis. »Die Heimatwelt der Baktoid Rüstungswerke?«

»Exzellent«, sagte der Oberste Kanzler.

Lido Shan nickte. »Unsere cestianischen Kontaktleute haben uns mitgeteilt, das Tier werde Dashta-Aal genannt. Dieser Dashta scheint nicht empfindungsfähig zu sein, was in gewisser Weise noch erstaunlicher ist, da er das erste nicht empfindungsfähige Wesen darstellt, das je entdeckt wurde und über eine starke … nun … Machtsensitivität verfügt.«

»Dashta-Aale?« Obi-Wan blickte Kit an, der den Kopf schüttelte.

»Möglicherweise ein Bewohner des Dashta-Gebirges auf Cestus«, meinte der Kanzler. »In Kombination mit der einzigartigen Ausstattung des JK verleiht er dem Droiden den Vorteil des Vorausdenkens im Kampf. Wir haben ihn mit verschiedenen Gegnern getestet, und Ihr, Meister Fisto, habt ihn als Erster besiegt.«

Kit verneigte sich knapp, das einzige Zeichen seiner Erkenntlichkeit und Freude.

»Aus diesem Grunde wäre Meister Fistos Einschätzung für uns von unschätzbarem Wert«, sagte der Kanzler.

Kit Fisto schürzte kurz die Lippen, als widerstrebe es ihm, eine unüberlegte Antwort zu geben. »Das Leben wird stets eine größere Macht-Harmonie besitzen als jede Maschine«, sagte er. »Wie auch immer …«

Ja, wie auch immer. Er hätte genauso gut schreien können, so eindringlich gab der kurze besorgte Blick den Rest seines Gedankens kund.

»Wann sind diese Jedi-Killer zum ersten Mal auf dem Markt aufgetaucht?«, fragte Kit.

»Vor etwa einem Jahr«, antwortete Palpatine. »Kurz nach dem Beginn der Klonkriege. Umfangreiche Verträge mit der Handelsföderation führten zu einem Boom auf Cestus, wo man die Baktoid Rüstungswerke als Subunternehmer verpflichtete. Nach der Schlacht von Naboo zog sich die Handelsföderation aus den Werken zurück und löste ein Chaos aus. In der schwierigen finanziellen Lage wandte sich Cestus an die Republik und bat um Hilfe. Wir gaben eine beträchtliche Bestellung auf«, er zuckte zusammen, »aber unglücklicherweise hatten auch wir ökonomische Schwierigkeiten und konnten nicht gleich bezahlen. Daraus resultierte weiteres Chaos. Möglicherweise haben wir die Bedeutung dieses kleinen Planeten unterschätzt. Lido Shan«, forderte er die Technikerin auf, »berichten Sie von den Gabonnas.«

Sie seufzte. »Mit Beginn des Krieges führten wir Beschränkungen für wichtige technische Bauteile ein. Dazu gehörten auch die Gabonna-Speicherkristalle, die auf Ord Cestus bei der Produktion der Cesta-Sicherheitsdroiden verwendet werden, ihrem bekanntesten nichtmilitärischen High-end-Produkt vor der Einführung der JK-Reihe.«

»Und wie hat das zu der gegenwärtigen Situation geführt?«, wollte Obi-Wan wissen.

»Mit den Beschränkungen«, erklärte Shan, »geriet Cestus’ empfindliche Ökonomie aus dem Gleichgewicht. Gabonnas sind die einzigen Speicherkristalle, die schnell genug für Klasse-Fünf-Personenschutzdroiden sind.« Das brachte sie hervor, als halte sie es für Allgemeinwissen. »Die meisten Kampfdroiden gehören der Klasse Vier an und brauchen keine solch extreme Hardware.«

Der Kanzler schüttelte den ergrauenden Kopf. »Cestus hatte … Pech, und es war vielleicht dumm, so viele Kokons in ein Nest zu legen.«

»Ich verstehe«, sagte Obi-Wan.

Kit sprach für beide. »Also … demnach ist die Situation instabil. Cestus vertraut uns nicht mehr.«

Der Kanzler nickte. »Euch stellen sich zwei Aufgaben, meine lieben Jedi-Freunde. Ihr sollt Kontakt zur cestianischen Regentin aufnehmen, einer gewissen G’Mai Duris. Gewinnt ihr Vertrauen, indem Ihr die notwendigen Schritte unternehmt, um die herrschende soziale Ordnung zu bewahren. Wir müssen sie in den Schoß der Familie zurückholen und den Ausstoß dieser widerwärtigen Jedi-Killer eindämmen.« Er verzog den Mund, als hinterlasse das Wort »Jedi-Killer« einen schlechten Geschmack in seinem Mund.

»Also«, sagte Obi-Wan und versuchte, die Abläufe in Gedanken zu rekonstruieren. »Für die Cestianer hat die Republik zweimal ein ökonomisches Chaos angerichtet. Ich nehme an, sie haben sich an den Handelsrat gewandt?«

»In der Tat, und wir haben uns um einen Kompromiss bemüht und sogar einen weiteren, noch lukrativeren Militärvertrag angeboten.«

»Und?«, fragte Kit.

»Die Verhandlungen sind gescheitert.«

»Weil?«

»Weil man gefordert hat, die Rechnung im Voraus zu bezahlen.« Der Kanzler machte ein langes Gesicht. »Das können wir bei einem Vertrag von diesem Umfang nicht machen.«

»Vielleicht liegt es daran, dass ich in Bezug auf ökonomische Dinge sehr unbewandert bin«, knurrte Kit, »aber sicherlich wissen die Cestianer, dass sie mit der Katastrophe flirten. Wie kann der Verkauf einiger tausend Droiden ein solches Risiko wert sein?« Er beugte sich vor, und in seinen dunklen Augen wirbelte es vor Intensität. »Ich bitte um Erklärung.«

Lido Shan schloss die Augen einen Moment lang, dann begann sie zu sprechen. »Die JKs selbst repräsentieren nur einen Bruchteil von Cestus’ Wirtschaft. Aber sie sind in Mode gekommen und zu Statusobjekten geworden, und damit ist der Wert der gesamten Produktreihe gestiegen.«

»Natürlich gibt es außerdem weitere Probleme«, räumte Palpatine ein. »Die Bevölkerung aus den unteren Klassen, die auf Cestus allerdings fünfundneunzig Prozent ausmacht, stammt von … nun, wie soll ich das taktvoll ausdrücken?« Er dachte nach und gab schließlich den Versuch auf, es politisch korrekt zu formulieren. »Sie stammt von unzivilisierten Ureinwohnern und von Kriminellen ab, und sie hat die unglücklichen asozialen Neigungen ihrer Vorfahren geerbt. Die wohlhabendsten Familien und die ordnungsgemäß gewählte Regierung könnten bei einem Aufruhr in ernste Gefahr geraten, wenn keine Lösung gefunden wird.«

Obi-Wan nickte vor sich hin und dachte, dass hier wohl eine Menge unausgesprochen blieb. »Warum ist die Lage so ernst?«

»Weil Cestus eine verhältnismäßig trockene Welt ist, die ihre gegenwärtige Bevölkerung ohne Importe von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Gütern nicht ausreichend versorgen kann. Jeder Tropfen Wasser, der von den Außenweltlern verbraucht wird, die sich dort niedergelassen haben, muss mit großem Aufwand aufbereitet werden.«

»Ich verstehe.«

»So. Die ersten JKs erschienen auf dem Markt und standen hoch im Kurs. Das wurde beobachtet, doch niemand fühlte sich alarmiert. Dann erreichten uns Nachrichten vom Geheimdienst.«

»Und zwar?«, fragte Kit.

»Dass die Konföderation ein Angebot gemacht hatte, tausende dieser Sicherheitsdroiden zu kaufen. Vielleicht zehntausende.«

Obi-Wan war verblüfft. »Ist Graf Dooku zu solchem Wohlstand gelangt?«

»Augenscheinlich«, meinte Palpatine mit unverkennbarem Bedauern.

Kit Fisto kniff die schwarzen Augen zusammen. »Ich hätte geglaubt, Biokonstruktionen könnten nicht in Massenproduktion gefertigt werden.«

»Von der Annahme sind wir auch ausgegangen, Meister Fisto. Offensichtlich haben wir uns geirrt. Wir wissen zwar nicht wie, aber wir wissen warum.«

»Sie werden als Kampfdroiden in der Schlacht eingesetzt«, meinte Kit.

Kampfdroiden. Obi-Wan zuckte zusammen. »Bestimmt ist der Verkauf von militärischem Material an die Separatisten verboten.«

»Ja«, sagte Lido Shan. »Aber diese Gesetze beziehen sich nicht auf Sicherheitsdroiden, die an einzelne Planeten der Konföderation veräußert werden, und, technisch betrachtet, betreibt Cestus nichts anderes. Dabei ist es unerheblich, dass die JKs in tödliche Maschinen verwandelt werden können, wenn man nur die Speicherkristalle austauscht.«

Obi-Wan hoffte, sein Gesicht möge seine Gedanken verbergen, denn er fühlte in erster Linie Schrecken. Die Vorstellung von Biodroiden, die zu Todesmaschinen umgerüstet werden konnten, war alarmierend. Solche Apparate konnten möglicherweise den kleinen Vorteil zunichte machen, den die Jedi durch ihre Machtsinne im Kampf hatten.

Das durfte nicht zugelassen werden.

»Wie wir erfahren haben, hat Graf Dooku angeboten, Cestus mit seinen eigenen Gabonnas zu unterstützen, damit die Fließbänder wieder laufen. Außerdem hat er offeriert, Technik zu liefern, mit der Cestus die Produktion von Droiden und Dashta-Aalen rationalisieren kann.«

»Klonen?«

»Ja. Gerüchten zufolge ist diese Technologie sogar der kaminoanischen überlegen. Techniken, die zahllose Kolonien lebenden Nervengewebes erzeugen, würden den Fabriken erlauben, einen Prozess am Fließband durchzuführen, der früher aufwendig und teuer war.«

»Diejenigen, die den Profit über die Freiheit stellen«, meinte Kit, »bekommen am Ende meist keines von beidem.« Er zögerte, und seine Sensortentakel bewegten sich leicht. Vielleicht hatte er sich wie Obi-Wan eine Schlacht gegen tausende von Maschinen vorgestellt, von denen jede so gefährlich war wie diejenige im Sand der T’Chuk-Arena. Eine Horde Furcht erregender Ungetüme mit der Fähigkeit, den nächsten Zug des Gegners im Kampf vorauszusehen.

Der Kanzler wirkte ermutigt, weil sie die Situation so schnell erfassten. Aus Obi-Wans Sicht der Dinge war es der Kanzler, der die vor ihnen liegenden Schwierigkeiten nur ansatzweise verstand. Mochte er ein weiser Politiker sein, so konnte man ihn in Bezug auf die Macht nur als Novizen betrachten.

Obi-Wan erwischte sich dabei, wie er laut nachdachte: »Möglicherweise könnte man Cestus per Erlass verbieten, diese Droiden zu produzieren und damit Handel zu treiben.«

»Und in der Zwischenzeit«, warf Kit ein, »wartet die Galaxis ab und schaut zu.«

»In der Tat«, meinte der Kanzler. Das Licht vom Fenster in der Decke teilte sein Gesicht. »Wenn der Handelsrat über das kleine Cestus bestimmt, werden wir wie die bösen Schurken dastehen. Ehe die Dinge ausufern, bestehen ich und der Jedi-Rat darauf, es auf diplomatischem Wege zu versuchen.«

»Mit dem Lichtschwert?«, fragte Kit.

Ein schwaches Lächeln huschte über das Gesicht des Kanzlers. »Dazu kommt es hoffentlich nicht. Meine Freunde, ihr werdet nach Cestus reisen und formelle Gespräche beginnen. Die Verhandlungen sollen euren anderen Reisezweck decken: Cestus und über Cestus hinaus andere interessierte Sternensysteme davon zu überzeugen, dass Graf Dooku zu gefährlich für sie ist.«

»Und welche Mittel stehen uns zur Verfügung, Sir?«, fragte Kit.

Jetzt endlich lächelte der Kanzler breit und zuversichtlich. »Alle nur denkbaren.«

4

Dreihundert Kilometer weiter unten lag der Ozean still und friedlich da. Von hier oben aus hätte man niemals glauben mögen, dass dort in den Tiefen des Wassers mutige Soldaten kämpften und töteten. Starben.

Unablässig löste sich von dem Truppentransportschiff ein Strom von Einpersonenkapseln, die ihre flammenden Spuren durch die Atmosphäre zogen. Innerhalb des Transporters wimmelte es in den Korridoren von uniformierten Soldaten. In den Gängen herrschte höchste Aktivität wie in Blutgefäßen, die bis zum Platzen mit lebenden Zellen voll gestopft sind. Die Soldaten trugen keine Blasterrüstungen, sondern flexible schwarze Tauchanzüge. Sie bewegten sich in perfekter Ordnung und Regelmäßigkeit und gingen erhobenen Kopfes auf ihr Rendezvous mit der Gefahr und vielleicht mit dem Tod zu. Jeder war exakt 1,78 groß, hatte kurzes schwarzes Haar und stechende braune Augen. Ihre Haut leuchtete in einem hellen Bronzeton, der bei jenen dunkler war, die mehr Zeit in der Sonne verbracht hatten. Jedes Gesicht war identisch: buschige Augenbrauen und stumpfe Nase, die über einem kräftigen schmalen Mund vorragte.

Jeder Einzelne von ihnen ein Klonkrieger.

Einige gehörten nicht zu den einfachen Soldaten, obwohl im Augenblick nur wenige Außenstehende den Unterschied bemerkt hätten. Bei diesen handelte es sich um Advance Recon Commandos, Angehörige einer Eliteeinheit. Sie stellten nur einen winzigen Anteil der Klone dar, die in den Laboren auf Kamino produziert wurden, und waren die tödlichsten Soldaten, die jemals geschaffen worden waren.

Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Glauben war ein Standardklonkrieger nicht nur ein hirnloser Angehöriger eines militärischen Stoßtrupps oder einfach nur Laserkanonenfutter. Die Männer wurden nicht nur in den allgemeinen Disziplinen des Militärs ausgebildet, also vom Nahkampf bis hin zu Techniken der medizinischen Erstversorgung, sondern ihre Rangfolge vom einfachen Soldaten bis zum Kommandanten wurde von den Leistungen im Felde abhängig gemacht. Theoretisch waren alle Soldaten gleich, aber Erfahrung und winzige Variationen der Klonbedingungen schufen unausweichlich manche, die gleicher waren als andere.

In einem dieser Schiffe, der Nexu, lief ein Mann herum, dessen blaue Rüstung ihn als Hauptmann kennzeichnete. Sein Helm und sein Halschip wiesen ihn als A-98 aus, in seiner Kohorte nannte man ihn Nate. Zu anderer Zeit an anderen Orten hatte er seine Brüder in den Kampf geführt, doch hier war er nur einer von tausenden Identischen, die auf ihr Schicksal zutrabten.

Der Klon vor ihm in der Reihe verriegelte seine zylindrische Fallkapsel und verließ sich darauf, dass Nate den Funktionscheck an den äußeren Monitoren vornahm. Dieser ging in Gedanken eine Liste durch, die ihm so vertraut war wie die Falten auf seiner rechten Hand. Mit einem kurzen Klopfen erklärte er die Kapsel für sicher und intakt. Durch die gegen Hitze und Schock resistente Platte konnte er seinem Bruder in die Augen sehen. In seine eigenen Augen, schoss es ihm durch den Kopf.

Die Kapsel kippte und fiel auf das Förderband.

Nate drehte sich um, nickte dem Soldaten hinter sich zu und schloss sich ebenfalls in eine Kapsel ein. Der Mann überprüfte Nates Einstellungen, wie Nate es gerade bei dem Soldaten vor ihm gemacht hatte. Nate hörte den Schlag an die Kapselwand. Ein tröstliches Geräusch. Zum Teufel mit all den blinkenden Lichtern: Nichts war so beruhigend wie das OK eines anderen Soldaten.

Die Kapsel, die schon für mehrere Landungen benutzt worden war, stank nach Schweiß – nicht nach seinem eigenen, obwohl die vorherigen Passagiere seine genetischen Zwillinge gewesen waren. Nate entdeckte Spuren von Antiviren-Medikamenten, die zum Schutz in fremden Umgebungen gedacht waren. Er inhalierte tief, und ein Teil seines Denkens schaltete komplett auf Autopilot, während der Rest die Checkliste des Metallsarges durchging.

Dieser Geruch. Süß, scharf und organisch. Triptophagea, erkannte er. Triptophagea war ein Medikament, das auf einem halben Dutzend Planeten, die er aus dem Stegreif aufzählen konnte, zur Vorbeugung gegen Fieber benutzt wurde. Nur einer davon gehörte zu den Krisenherden der letzten Zeit, und deshalb musste der letzte Benutzer der Kapsel im vorigen Monat auf Cortao dabei gewesen sein.

Auf einer tieferen Ebene war er sich bewusst, dass diese Gedanken lediglich der Ablenkung von den Gefahren der Landung dienten. Das Risiko durfte man nicht unterschätzen. Angst war der ständige Begleiter des Soldaten. Darin lag keine Schande: Was ein Mann fühlte, spielte keine Rolle. Wie er handelte, war entscheidend. Er gehörte zu den wenigen ARC-Soldaten der Galaxis, und soweit Nate sagen konnte, gab es kein besseres Leben.

Die Kapsel wurde durchgerüttelt, als sie auf das Förderband fiel. Der Lautsprecher in seinem Helm erwachte krächzend zum Leben. »Hier spricht Kontrolle an Soldat A-Neun-Acht. Geschätzte Zeit des Abwurfs in einer Minute und vierundzwanzig Sekunden.«

»Eine Minute, vierundzwanzig Sekunden«, wiederholte Nate und ballte die Faust zu einem unsichtbaren Salutieren. »Einhundert Prozent«, fügte er hinzu, der ARC-Ausdruck für perfekt.

Eine Minute zwanzig. Ungefähr achtzig Herzschläge, Zeit genug für tausend hässliche Gedanken, eine ungeschützte Seele zu quälen. Er hatte hundert Methoden gelernt, damit umzugehen, doch keine war so wirksam wie das persönliche Ritual seiner Kohortenmeditation. Er tauchte in dessen Trost spendende Tiefe ab, verschob mentale Figuren aus Farbe und Form wie schon seit der Kindheit und ließ sich von der Einfachheit und Schönheit der geometrischen Muster aufmuntern. Er lauschte auf sein Herz, dessen Frequenz sich als Reaktion auf vierzig Schläge pro Minute verlangsamte. Er betete die elf Wörter herunter, die in seine Seele eingemeißelt waren: Nicht das zählt, wogegen man kämpft, sondern das, wofür man kämpft.

Nate kämpfte für die Ehre der Großen Armee der Republik, und für ihn stellte diese Verpflichtung eine Sache von großer Schönheit dar.

Manche glaubten, Klone wüssten Schönheit nicht zu schätzen, doch diese Leute irrten. Schönheit war Effizienz und Funktionalität. Schönheit war Zielstreben und die Abwesenheit von Verschwendung.

Die meisten setzten Schönheit mit Verweichlichung und der Abwesenheit von Nützlichkeit gleich.

Soldaten wussten es besser.

Bums. Die nächste Kapsel war unterwegs. Seine Kapsel ruckte nach links und näherte sich rappelnd dem Ende der Reihe.

Bums.

»Fünfzig Sekunden«, warnte die Kontrolle.

BUMS. Das Beben wurde zu einem hohlen Rauschen, das man mehr in den Knochen spürte als mit den Ohren hörte. Die Kapsel bewegte sich nun gleichmäßig, und A-98 nahm sich die Zeit, alle Einstellungen zu checken. Darauf folgte ein Moment lastender Stille. Nate hielt den Atem an, beruhigte seine Nerven und fand den Ort in sich selbst, der all dies brauchte und nur für diesen Augenblick lebte.

Dann verschwanden alle Gedanken, als die Kapsel aus dem Schiff gespuckt wurde und auf den Ozean tief unten zuflog. Die Beschleunigung drückte ihn an die Wand.

Nate hatte Zeit, seine Sicht zu checken. Dieses Modell war besser als die Vorgänger, die ihn den größten Teil des Flugs im Dunkeln gelassen hatten. Diese Kapsel verfügte über Sichtschirme: Einer gestattete einen Blick auf die Außenhaut der Kapsel, der andere lieferte ein Bild von der Nexu, was ihm eine gänzlich andere Perspektive gab.

Aus der Perspektive der Fallkapsel war die Nexu eine gigantische eckige und flache Metallform, die von Waffen und Antennen starrte und in der Lage war, zwanzigtausend Soldaten oder Megatonnen von Waffen und Ausrüstung zu befördern. Durch und durch funktional.

Dann war sie außer Sicht, und A-98 tauchte in die äußere Schicht der Atmosphäre von Vandor-3 ein.

Die Kapsel vibrierte, während die Reibung die Außenhaut auf zweitausend Grad aufheizte, die ihn binnen Sekunden gegrillt hätten, wäre da nicht der thermoenergetische Kraftschild gewesen, der die Hitze in die Batterien der Kapsel saugte.

Nate checkte seine Ausrüstung, während er in die Dunkelheit stürzte, auf den Ozean zu. Die Sensoren meldeten Temperatur, Position und Beschleunigung. Winzige Steuerrepulsoren verwendeten die gespeicherte Energie der Kapsel, um ihn auf Kurs zu halten.

Alles lief bestens. Im Augenblick gab es nichts zu tun. Nichts, außer zu fallen und später zu kämpfen und zu siegen. Oder zu sterben.

Sein Magen wurde durchgerüttelt, als die Kapsel plötzlich heftiger vibrierte, da sie mit dem Bremsmanöver begonnen hatte. Die Repulsoren arbeiteten, und Sensoren warnten, dass eine kritische Distanz zu den Wellen erreicht war.

Nach dreißig Sekunden schlug die Kapsel auf dem Wasser auf und wurde abermals heftig durchgeschüttelt. Die Lichter schalteten von Gelborange auf Rot, da einige der weniger wichtigen Systeme ausfielen. Null Schweiß: Mit solchen Pannen musste man rechnen. Es hätte an ein Wunder gegrenzt, wenn alle Systeme während der gesamten Landung intakt geblieben wären.

Die Sensoren meldeten rapide sinkende Temperaturen der Außenhülle: Nate sank tief ins Wasser. Er schob sich das Mundstück zwischen die Zähne und überprüfte, ob der kühle Strom Leben spendenden Sauerstoffs frei floss. In Kürze wäre es zu spät, um noch Anpassungen vorzunehmen. In Kürze würde das Spiel beginnen.

Die Kom-Einheit knisterte und spuckte eine Meldung aus: »Wir haben einen Mann in Quadrant Vier verloren, einen weiteren in Quadrant Zwei. Lasst euch nicht umbringen, Leute!«

»Klingt wie ein guter Plan«, murmelte er, an alle gerichtet, die vielleicht zuhörten. Und es gab keinen Grund zu trauern, wenn im nächsten Moment das eigene Lebenslicht ausgeblasen werden konnte: Seine Warnleuchten blinkten auf. Die Kapsel hatte eine Fehlfunktion. Kaltes Wasser drang durch Risse ein und drang von den Knöcheln bis zu den Knien hoch.

»Warnung!«, brüllte ihn das Warnsystem an. »Leck im Rumpf. Warnung! Leck im Rumpf …«

Danke für die Aufmunterung, dachte er. Inzwischen war seine ganze rechte Seite tropfnass. Also, dachte Nate verbittert, so was passiert, wenn der billigste Anbieter den Zuschlag erhält.

»Drei Einheiten an der linken Flanke haben Lecks. Notfallmaßnahmen wurden eingeleitet. Erbitte Erlaubnis, die Operation abzubrechen.«

»Negativ!«, antwortete der Kommandant, in dessen Stimme nicht die kleinste Spur Mitleid mitschwang. Nate bewunderte und verabscheute diese Eigenschaft gleichzeitig. »Weiter zum Angriffsziel.«

Die erste Stimme versuchte es erneut. »Erbitte Erlaubnis, Rettungsaktion einzuleiten.«

»Negativ, Soldat! Die entsprechenden Einheiten werden Unterstützung gewähren. Auf Zielkurs bleiben.«

»Einhundert Prozent«, antwortete der Soldat.

Klaustrophobie und das Jammern zum Tode verurteilter Männer hätten bei den meisten Angst und Schrecken ausgelöst, doch Nate fuhr in seinem Notfallcheck mit maschinenhafter Präzision fort, drückte Schalter und betätigte Hebel, derweil der Luftdruck durch das steigende Wasser anstieg, bis er drohte, seinen Kopf platzen zu lassen.

Während die Kapsel vibrierte und wackelte, erreichte eine rote Diode in Augenhöhe den Wert null. Luft zischte in Nates Mund, als die Hülle aufplatzte und Wasser seine Welt füllte. Die Kapsel teilte sich entlang der horizontalen Achse: Die obere Hälfte sank in die Tiefe, die untere verwandelte sich in eine Art Schlitten.

Um ihn herum bildeten hunderte seiner Brüder eine Formation. Er war nur einer von vielen, die durch die Dunkelheit manövrierten. So weit das Auge reichte, schwammen Soldaten und steuerten ihre Schlitten in einer endlosen geometrischen Formation.

Er stellte den Griff und die Steuerung ein und war froh, sein Schicksal wieder in der Hand zu haben. Eine eigenartige Zufriedenheit erfüllte ihn. Dies war das wahre Leben für einen Mann. Das Schicksal in der Hand, flankiert von seinen Brüdern, spuckte er dem Tod ins verdammte Auge. Er bemitleidete diese ängstlichen Wesen, die dieses Gefühl nie erlebt hatten.

Jeder Schlitten war vorn mit einer Kamera ausgerüstet, die Bilder in ein Niederfrequenz-Netzwerk einspeiste und so ein faustgroßes Hologramm erzeugte. Nate konnte es drehen und von allen Seiten betrachten.

Die Formationen wiesen die geometrische Präzision von Schneeflocken oder geschliffenen Edelsteinen auf. Man mochte leicht annehmen, diese komplexen und schönen Muster seien im Voraus geübt worden, doch diese Annahme entsprach nicht der Realität. Die Formation war vielmehr das unausweichliche Ergebnis einer Summe zahlloser Soldaten, die auf einfache Befehle reagierten, welche ihnen während ihrer verkürzten Kindheit eingetrichtert worden waren.

Nate lenkte seine Aufmerksamkeit von der Formation auf seine spezifische Aufgabe. Er brauchte lediglich sechs Soldaten zu beschützen: jeweils denjenigen oben und unten, vorn und hinten sowie rechts und links von ihm. Wenn ihm das gelang – wozu er die richtige Distanz zu den sechs einhalten und Einflüsse der Umgebung einkalkulieren musste –, würde die Klonformation die richtige Gestalt für Angriff und Verteidigung haben. Sobald die Schlacht einmal begonnen hatte, würden andere Instruktionen andere Wirkungen zeigen.

Sie bewegten sich durch die Dunkelheit, Lichter blitzten an den einzelnen Schlitten auf und erleuchteten die unregelmäßigen Formen von Pflanzen und Tieren am Grunde des Ozeans. Abgesehen vom gelegentlichen Knistern des Koms in den Ohren und dem Brummen des Schlittenmotors herrschte Stille. Alles verlief perfekt.

Nate konzentrierte sich auf seine Aufgabe, und kein einziger Gedanke an Vergangenheit und Zukunft lenkte ihn ab. Er hielt die beiden Griffe fest und strampelte ein wenig mit den Beinen, obwohl der Schlitten seinen eigenen Antrieb hatte. Er genoss das Gefühl der eindrucksvollen Kraft seines Körpers. Ein Soldat braucht unendliches Durchhaltevermögen, einen kräftigen Rücken und starke Muskeln im Bauch. Manche machten den Fehler zu glauben, der starke Oberkörper sei für Soldaten wichtig. Das war alles, was den meisten Zivilisten im Gedächtnis haften blieb, wenn sie einen Soldaten ohne Rüstung gesehen hatten: die kräftigen Schultern und Arme, die dicken und überraschend gewandten Finger.

Aber den wirklichen Unterschied machten die Beine aus, die in der Lage waren, das doppelte Körpergewicht in raschem Marschschritt eine Dreißig-Grad-Steigung hinaufzuschleppen. Den Unterschied machte zudem der Rücken aus, der fähig war, einen seiner Brüder aufzuheben und ohne Anstrengung in Sicherheit zu tragen. Nein, ein Soldat im Feld legte wenig Wert auf sein Aussehen. Was zählte, war die Leistung, die man unter Beschuss erbrachte.

Eine Stimme in seinem Ohr sagte: »Wir haben Kontakt, rechte Flanke. Eine Art Unterwasserschlange oder Tentakel …«

Das war es!

»Ausweichmanöver! Triangulieren auf Sektor vier-zweisieben.« Im nächsten Moment schimmerte ein Hologramm im Wasser vor seinen Augen und zeigte ihm, wo dieser Sektor lag. Gut. Noch hatte er nichts entdeckt, das ihm bei der Orientierung geholfen hätte. In dem Augenblick, in dem er etwas erkannte, würden sich sein Training und seine »innere Karte« einschalten, doch zunächst musste er sich auf Technik verlassen.

Eine Sache, die er erwartet hatte und die ihn trotzdem beunruhigte, brachte ihn um seine Ruhe: der traurige, abgerissene Schrei eines ARC-Soldaten. Dann: »Wir haben einen Mann verloren.«

Nate spürte einen Druck im Wasser, ehe Augen oder Sensoren eine Bedrohung enthüllten. Um ihn herum lösten seine Brüder die Formation auf und wichen aus. Er beobachtete, wie ein fleischiger Tentakel einen Soldaten zwei Reihen weiter links vom Schlitten in die Tiefe riss. Nur Luftblasen blieben zurück. Die dunklen Wolken wogten in dem grellen Licht ihrer tausend Scheinwerfer.

Und jetzt konnte er sehen, was sie vor sich hatten, und er verfluchte sich: Wie, beim Weltraum, hatte er das übersehen können. Der gesamte Ozeangrund war mit einem riesigen Gebilde bedeckt, das zuerst wie Unterwasserfelsen gewirkt hatte, sich nun jedoch als eine gigantische Kolonie feindlicher Lebensformen entpuppte. Milliarden waren es, ein Riff, das sich kilometerweit in alle Richtungen ausdehnte, eine Stadt hirnloser gefräßiger Mäuler. Sogar die Tentakel selbst waren nicht bloße Anhängsel. Stattdessen bestanden sie aus kleineren Organismen, die auf eigenartige Weise zusammenarbeiteten, um ihre Chancen zu erhöhen, an Futter zu gelangen.

Sein Kopf durchsuchte tausende Informationen in wenigen Sekunden. Selenom, entschied er. Tödlich. Lebt nur auf einem einzigen Planeten, und sicher war es nicht dieser …

Wieder eine Stimme im Ohr: