Starpunk - Robert Hammer - E-Book

Starpunk E-Book

Robert Hammer

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Beschreibung

Die Menschheit im Jahre 2894: Im Konflikt zwischen ohnmächtigen Planetenregierungen, skrupellosen Konzernen und außerirdischen Mächten gerät die Mannschaft eines kleinen Raumtransporters in den Brennpunkt der Ereignisse. Lügen und Intrigen, Ruinen der Vergangenheit, verheerende Raumschlachten und Liebe, welche die Zeitalter überdauert. Gemeinsam mit den Abgesandten eines uralten Sternenvolks müssen sich die unfreiwilligen Akteure ihrem Schicksal stellen und über die Zukunft der Menschheit entscheiden. // über 480 Seiten, davon knapp 420 Romantext // Ein neuer Science-Fiction Roman aus Deutschland // zeitnah, aktuell und technisch wie biologisch hoch versiert // 40-seitiges Glossar mit einzigartigen Begriffen // über 35 Illustrationen zu Szenen, Raumschiffen, Charakteren // Der Auftakt eines neuen Sci-FI Universums: STARPUNK

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Seitenzahl: 694

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Für meinen geliebten Freund Patrick,ohne den dieses Werknicht möglich gewesen wäre.

1. Auflage 2019

© 2019 Robert Hammer

© 2019 Other Norms Verlag GbR, MainhausenAlle Rechte vorbehaltenUmschlagsgestaltung, Illustration: Patrick SimonLektorat: Robert Hammer, Patrick Simon

Abdrucke oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger Genehmigung durch den Verlag.

ISBN: 978-3-96491-025-7

www.other-norms.com

Other Norms und Starpunk sind eingetragene Markenzeichen der Other Norms Verlag GbR

Starpunk

A New Beginning

von

Robert Hammer

Personae Dramaticae

Einige Nebenfiguren sind nicht aufgeführt.

Hicks Hemington: Syntone; Kyberingenieur. Auf das Mutterschiff ausgewandert.

Jack Frost: Hybride; diplomatischer Attaché. Auf Terra geboren.

Inshar: Ceresianer; Direktor. Meister der Diplomatie, Leiter des Purpurnen Kaders.

Felix O'Meiri: Syntone; Schildtechniker. Auf das Mutterschiff ausgewandert.

John Grave: Marsianer; Captain der Starlancer.

Arthur Glass: Terraner; Maschinist der Starlancer.

Nighteye (7C-2/76): augmentierter Mensch; Supersoldat. Crewmitglied der Starlancer.

Stella Sunshine: Marsianer; Auftragsermittler der Starlancer.

Raphael Saint: Ganymedaner; Navigator der Starlancer. Talentierter Cyberdiver.

Gabriel Sanctus: Syntone; Botschafter der Raumkolonien.

Kronprinz Yamahito: Thronerbe; Herrscher des Solaren Imperiums.

Set Ardent: Syntone; Präsident der Raumkolonien. Vertreter der Tempuskolonie.

Matt: feliner Delta Typ II; Partner von Set Ardent.

Professor Doktor Nathan Deli: Alpha; gebürtiger Marsianer. Mitglied der UniTec.

Arachnon: eine Arachnodrohne.

Taar: Ceresianer; Dekan. Meister der Regierung, Leiter des Schwarzen Kaders.

Doktor Howard Jones: Marsianer; freischaffender Archäologe.

Mini: Navi von Hicks Hemington.

Blues: Navi von Raphael Saint.

Forschungsbeauftragter Re'em: ein ceresianischer Forscher, welcher auf dem Mars stationiert gewesen war.

Odin Keppler: Medienmagnat; ein geringerer Konzerneigentümer.

Pala Ayu Dhannal: die Vielarmige Dame.

Prisma: berühmtes Idol.

Puschel: ein Flausch.

Helga: Merkurier; ein Freiheitskämpfer.

Nemesis: Delta unbekannten Typs.

Genesis: delphiner Delta Typ III; Navigator der Gaea.

Doktor Moebius: Leiter von T².

Doktor Chiral: einziges weibliches Mitglied von T².

Doktor Spinor: Mitglied von T².

Doktor Kalata: Mitglied von T².

Doktor Listing: Mitglied von T².

Doktor Tefifon: Mitglied von T².

Doktor Resum: Mitglied von T².

Eli'tor: ein Reptoide.

Marten Verdeson: Beta; Encelade. Unteroffizier im Dienste der Megakonzerne.

Fähnrich Hanase: Beta; Besatzungsmitglied der Wodanaz.

Reißer: kaniner Delta Typ II; Hellander. Besatzungsmitglied der Wodanaz.

Botwin: ursiner Delta Typ III; Hellander. Besatzungsmitglied der Wodanaz.

Haakon Helland: Kapitän der Wodanaz; für zahlreiche Heldentaten gerühmt. Vorgesetzte stellen seine Loyalität gegenüber den Megakonzernen in Frage.

Erik Sunshine: Marsianer; Offizieller im Auftrag der Starship Company.

Oberleutnant Cruz: Beta; Brückenoffizier der Wodanaz.

Gerfried Ingram: Kapitän der Dunraz.

Rudolf Wighard: Kapitän der Teiwaz.

Michael Pretent: Syntone; Biotechniker. Auf das Mutterschiff ausgewandert.

Raumschiffe und Stationen

Dunraz: Schlachtkreuzer Klasse V; Kriegskosmer der Megakonzerne.

Durisaz: Kriegskosmer der Megakonzerne.

Gaea: Kolonieschiff; größtes Raumfahrzeug der Menschheit.

Gautaz: Schlachtschiff Klasse II; Flaggschiff des Imperiums.

New Vegas: Kasinokosmer.

Starfall: interstellares Sprungtor.

Starlancer: Lancier Klasse V; ein kleiner Transportraumer.

Teiwaz: Schlachtkreuzer Klasse V; Trägerschiff der Megakonzerne.

Tempuskolonie: eine der zwölf Raumkolonien der Syntonen.

Wodanaz: Schlachtkreuzer Klasse V; Kriegskosmer der Megakonzerne.

Gruppierungen

Arms’n’Armors: Megakonzern; Marktführer in der allgemeinen Rüstungsindustrie mit dem Schwerpunkt Waffenentwicklung.

Construction Industry: Megakonzern; ehemalig unter dem Befehl der imperialen Regierung. Marktführer im Bereich des Bauwesens.

Gate Lines: Megakonzern; kontrolliert das solare Tornetzwerk.

Gentech Industries: Megakonzern; Vorreiter in der Gentechnik und Haupterzeuger von Metas.

Helland Flottille: die vereinten Streitkräfte der Allianz einschließlich des zivilen Kolonieschiffs.

Mecha Productions: Megakonzern; darauf spezialisiert mechanische Kampfrüstungen herzustellen.

Robotics Enterprises: Megakonzern; Hauptproduzent von Robotern und anderen Automaten.

Starship Company: Megakonzern; auf die Raumschiffproduktion spezialisiert.

Solares Imperium: Reich der Menscheit.

Technokratie: die ceresianische Gesellschaft.

Think Tank: eine alte Denkfabrik.

UniMine: Minengesellschaft des Imperiums.

UniTec: imperiale Forschungsorganisation.

Prolog

Als im einundzwanzigsten Jahrhundert Südkorea von seinem nördlichen Nachbarn annektiert wurde und daraufhin den Vereinigten Staaten und dem Rest der westlichen Welt den Krieg erklärt hatte, eskalierte die Situation. Mit der Unterstützung seines Verbündeten, der Chinesischen Republik, startete das wiedervereinigte Korea einen Nuklearschlag gegen Amerika. Die Staaten sahen keine Alternative und antworteten mit einem Gegenschlag auf die beiden Aggressoren. Binnen weniger Stunden wurden Nordamerika und das Reich der Mitte zum atomaren Ödland. Der nukleare Winter brachte weltweites Elend mit sich, und gleichzeitig mußte sich Rußland mit den Staaten des mittleren Ostens auseinandersetzen. Als Jerusalem seinen Schutz durch Amerika verlor, eroberten die Muslime das widerspenstige Land. Die Ukraine wurde das nächste Ziel des Eroberungsfeldzugs des Islams. Der Große Bär sah sich gezwungen experimentelle Waffentechnologie gegen die terroristischen und kriegerischen Aktivitäten einzusetzen. Der Einsatz war erfolgreich, der gesamte mittlere Osten wurde praktisch dem Erdboden gleichgemacht, doch hatte man die Zerstörungskraft unterschätzt. Der ganze Westen des Landes wurde ebenso verheert. Rußlands Macht wurde durch seine eigene Innovation zerschlagen. Schließlich sah Japan, daß die Zeit gekommen war, die Kontrolle über das, was von Fernost blieb, zu übernehmen, und erfüllte damit die Befürchtungen Australiens eines Tages von einer asiatischen Macht erobert zu werden. Nachdem die Welt am Abgrund stand und ihr transatlantischer Verbündeter nicht mehr war, begann die Europäische Union zu zerfallen. Allerdings hatten die Japaner ihren früheren Alliierten Deutschland nicht vergessen, insbesondere da das technische Wissen und der Arbeitseifer des Landes bei ihnen wohl bekannt waren. Die anderen Nationen der Union hatten keine Wahl als dem zentralen Land von Europa in das Bündnis mit dem östlichen Imperium zu folgen. Zu groß waren ihre ökonomischen Unzulänglichkeiten. Währenddessen fiel der Dunkle Kontinent der Anarchie anheim, während Krankheit und Hunger die letzten Überlebenden dahinrafften, nachdem die Unterstützung und medizinische Versorgung aus der Fremde ausblieb.Über ein Jahrhundert später verschmolzen die einzelnen Staaten der Allianz endgültig zu einem Reich, als der japanische Imperator sich dazu entschloß eine Deutsche zu heiraten und seinen neuen Palast in ihrer Heimat zu errichten. Während Japanisch bereits die offizielle Handelssprache war, und Englisch nach wie vor als Gemeinsprache genutzt wurde, deklarierte man nun Deutsch zur legitimen Amtssprache, welche fortan in allen Ämtern und Dienststellen gesprochen, sowie in allen offiziellen Dokumenten verwendet werden sollte.Es dauerte ein weiteres Jahrhundert, bis man endlich begann das Sonnensystem zu erkunden und Kolonien zu gründen. Schließlich begegnete man auch der Technokratie, welche der Menschheit die Sprungtortechnologie überließ, mit deren Hilfe das Imperium das solare Reich gründen konnte.Doch im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde das Herrscherhaus träge und kümmerte sich von Generation zu Generation weniger um die Belange des Reiches. Wieder gründeten sich unabhängige Institutionen, welche private Besitzansprüche stellten. Die Geburtsstunde der Megakonzerne. Nach und nach verlor das Imperium immer mehr seiner Macht an die Konzerne, bis schließlich sogar Stimmen laut wurden, welche die unabhängige Regierung abschaffen wollten. Es war in dieser Generation, als der erste Anschlag auf Mitglieder der Herrscherfamilie verübt wurde. Das Kaiserpaar überlebte, doch der Thronprinz mußte in einen neuen Körper transferiert werden. Man erzählt sich, der Prinz, welcher heute ein junger Mann ist, hätte etwas Unmenschliches an sich, als ob etwas anderes diesen Körper bewohnen würde, und nicht der Säugling, der damals starb.

Neuanfang

Das Shuttle verließ das Sprungtor. Die Aussicht war atemberaubend. Lichter auf der Oberfläche des roten Planeten erschufen ein irisierendes Miasma, welches die spärlich verteilten Koloniekuppeln umgab. Der Junge blickte über den Mars hinweg zu einem silbernen Ellipsoid, der in der unendlichen Dunkelheit des Raums hing. Dort war es. Das Mutterschiff. Heimat der Besucher, welche von der Menschheit als Ceresianer bezeichnet wurden, gleich dem Zwergplaneten im stellaren Asteroidengürtel Turog. Mit ihren für die Menschen teilweise wie Wunder wirkenden Technologien, die sie ihnen manchmal sogar offerierten, war dies ein durchaus passender Name für diese Wesen. Ihre Körperform entsprach dem Bild, das man von jenen fiktiven Kreaturen her kannte, von denen man behauptete, daß sie Terra in der Vergangenheit vor der ökonomischen Raumfahrt und Kolonisierung besucht haben sollten, doch hatte bisher niemand einen Ceresianer ohne seinen Schutzanzug gesehen, nicht einmal ohne den obligatorischen Schwebesessel. Man nahm an, daß ihre Hautfarbe grau wäre, da jene Retorten, welche aus der Verbindung von außerirdischer und menschlicher DNS hervorgegangen waren, eine solche graue besaßen. Während die Ceresianer sich offiziell erst seit einem Jahrhundert im Territorium von Terra aufhielten, sprachen Gerüchte über eine weitaus länger bestehende Präsenz und von Experimenten an der Menschheit.Doch all das spielte für Hicks keine Rolle, selbst wenn die Außerirdischen nicht die ganze Wahrheit erzählten, war dies eine einzigartige Gelegenheit für ihn auf ihrem Schiff zu leben und die Raumkolonie zu verlassen. Als ein Syntone, ein Mensch abstammend von genetisch verbesserten Eltern, war er ein Außenseiter im eigenen Sonnensystem. Nur die isolierten Kolonien seiner Vorfahren, welche die Terra verließen, um ihren eigenen Weg zu gehen anstatt eine militärische Limitation der genetischen Optimierung zu erdulden, vermochten ihm eine Zuflucht zu bieten. Doch das Schicksal und die Hybris seiner Eltern, die sich nicht vorstellen konnten, daß er nicht mehr ihrer Verbesserungen auf natürliche Weise weitervererbt bekäme, sondern lediglich die grundlegendsten Qualitäten, wie das Ultra-Immunsystem, zwangen ihn dazu seine Heimat zu verlassen, da er von niemandem als wirklich gleichberechtigt behandelt wurde. Sicher hatte er ein außergewöhnliches Talent für Mechanik und Elektronik, doch mehrere Meter hoch zu springen, Hunderte von Kilogramm zu stemmen, oder im Dunkeln zu sehen war jenseits seiner Möglichkeiten.Er schaute sich um. Viele andere junge Männer hatten rote Haare wie er, wobei seine sonst rotbraunen Haare nun im Schein des vierten Planeten genauso feurig wirkten wie die ihren. Es war ein Überbleibsel des terranischen Militärs, das seine Klonsoldaten auf diese Weise markierte. Einige hatten offenbar ihr Genom verändert, um anders gefärbte Haarprachten zu präsentieren wie orange, leuchtend gelb, grün, purpur, oder blau. Wie unterschiedlich sie auch aussahen, hatte doch keiner von ihnen so etwas wie Sommersprossen. Hicks seufzte und schaute zurück zum Mutterschiff. Sie waren diesem nun ganz nahe. Es wirkte beinahe durchsichtig, was möglicherweise ein Nebeneffekt des Tarnsystems war, welches sonst das kolossale Raumschiff verbarg. Mit seinen fünfzig Kilometern im Durchmesser war dieser abgeflachte Ellipsoid größer als alles von Menschen erschaffene. Die silbrigweiße Oberfläche schien kaum irgendwelche Unebenheiten aufzuweisen; nur hin und wieder wanderten Lichter über den Rumpf ohne von einer ersichtlichen Quelle herzurühren. Auf den unzähligen Decks sollten mehr als eine Million Individuen versorgt werden können sowie zahllose Raumer und Bodeneinheiten. Die Ceresianer hatten die Gravitationskontrolle gemeistert und nutzten diese Kraft zur Fortbewegung, während die Menschen noch damit zu kämpfen hatten, mit umständlichen Schwerkraftmodulen eine künstliche Gravitation auf ihren Schiffen und Raumkolonien herzustellen.Das Shuttle flog einen Bogen, während der Junge das fremde Sternenschiff bewunderte, und erreichte einen großen Hangar, hell erleuchtet von weißem Licht und so ebenmäßig geformt wie auch das Äußere des Kosmers. Ein grelles Aufblitzen markierte den Moment, in dem der Transporter die Energiebarriere passierte, welche den mit Atmosphäre gefüllten Raum vom Vakuum der schwarzen Leere isolierte. Nach einer unsanften Landung wurde die Luftschleuse geöffnet und die Gruppe der jungen Männer verließ das Shuttle, um ihre früheren Leben hinter sich zu lassen. Der Boden und die Wände des Hangars schienen aus Perlmutt gefertigt worden zu sein und ein leises Summen gleich einer sphärischen Melodie hing in der Luft. Sie roch ein wenig nach Ozon und war scheinbar dünner als terranischer Standard. Es herrschte eine angenehme Kühle vor und Hicks fühlte sich... leichter. Konnte es sein, daß selbst die Gravitation niedriger war, als er es von der Kolonie her kannte? Mehrere mannshohe Arbeiterdrohnen schwebten um das Shuttle, um seinen Zustand zu überprüfen, während andere verschiedene Arten von Transportboxen und Werkzeuge ohne offensichtliches Ziel herumtrugen. Auf einem Balkon gleich über der Gruppe Menschen erschien ein weißhaariger Jüngling, begleitet von einem Servicebot und zwei riesigen Soldaten in Kraftanzügen, auch EMPA genannt, was die Abkürzung für Energetic-Mech„Es ist mir eine Freude euch willkommen zu heißen, Syntonen der Tempus Kolonie. Die Technokratie schaut unserer Zusammenarbeit erwartungsvoll entgegen, dem Grundstein der entstehenden Allianz. Ihr werdet die Möglichkeit erhalten euch Wissen anzueignen, das jenseits des heute menschlich Möglichen liegt... doch denkt daran, daß ihr uns Treue geschworen habt, und ohne Erlaubnis nichts von euren hier gewonnenen Erkenntnissen weitergeben dürft. Eine Drohne wird euch ein Armband aushändigen. Es handelt sich um ein Multifunktionswerkzeug mit eingebautem Kommunikator. Es wird jedem als nächstes den Weg zu den Ausbildungsquartieren weisen. Jeder bezieht seine eigene Unterkunft, um sich dort frei entfalten zu können. Die Unterrichtseinheiten werden morgen mit fünf Beats beginnen. Ich hoffe ihr werdet euren Aufenthalt auf dem Mutterschiff genießen. Einen angenehmen Tag wünsche ich.“Die Syntonen klatschten in die Hände und ein paar jubelten sogar, nur Hicks tat nichts dergleichen. Der Junge war viel zu abgelenkt. Er kannte die Geschichten aber hatte selbst noch nie einen von ihnen zu Gesicht bekommen. Ein geborener Hybride. Die Ceresianer vollzogen ihre ersten Experimente an menschlichen Frauen und schwängerten sie mit ihrer DNS, um Hybriden zu erschaffen, welche Menschen zwar ähnlich sahen, aber über die psionischen Gaben der Besucher verfügten. Und sein Blick. Er schaute direkt zu Hicks. In seine Augen. In seine Seele. Zumindest fühlte es sich für Hicks so an. Er machte sich gedankenverloren auf den Weg zu den Quartieren, doch stattdessen erreichte er den Korridor, der zum Aufstieg des Balkons führte. Da war er. Der wundersame Junge hatte gerade die Tür durchschritten und schickte seine Wachen fort, als er sich umdrehte, um den jungen Rotschopf anzublicken.„Hast du dich verlaufen? Du mußt Hemington sein, korrekt?“„J-Ja, aber Hicks reicht völlig. Ich habe wohl die falsche Abzweigung genommen.“„Es mag unangebracht sein, aber sag Jack zu mir. Soll ich dich zu deinem Quartier begleiten?“„Das wäre sehr nett... Wie kommt es, daß du weißt, wer ich bin, Jack?“„Als Verantwortlicher für die Auswahl, wer als Kandidat für das Trainingsprogramm in Frage kommt und wer nicht, ist das kein Wunder. Denkst du nicht?“„Vermutlich nicht...“ Hicks lächelte unsicher. Es war ihm unverständlich, weshalb jemand wie er für solch eine wichtige und ehrbare Aufgabe von einer Person wie Jack ausgewählt werden konnte.Es geschah vor weniger als einem Jahr:„Wir müssen eine Allianz gründen. Es gibt viele Menschen, die mit dem Regime der Terranisch Konföderierten Koalition unzufrieden sind. Insbesondere jene, welche genetische Modifikationen benutzen, um ihr Immunsystem und ihre Vitalität zu verbessern, werden besonders schlecht behandelt, wenn sie nicht zum Militär gehören. Sie dürften sehr daran interessiert sein unserer Gemeinschaft beizutreten, wenn wir ihnen nur die Möglichkeit dazu bieten.“Der weißhaarige junge Mann, gekleidet in einen ebenso weißen Body mit purpurnen Streifen und einer violetten Schärpe, blickte ernst den Ceresianer mit dem purpurnen Überwurf an, dessen Gestalt in einem Schwebesessel ruhte und vollends durch einen Überlebensanzug verhüllt wurde.„Damit hast du zwar recht, jedoch zeichnet sich die Menschheit durch irrationales und unvorhersehbares Verhalten aus. Es würde die Planung unserer Reise in Gefahr bringen, wenn wir auch nur einigen von ihnen erlaubten uns zu begleiten.“ Inshar, der ceresianische Leiter der Diplomatischen Fakultät, senkte sein Haupt. „Wir haben bereits mehr als genug Verluste zu erdulden gehabt.“„Und wir werden nur noch mehr erleiden, wenn wir keine Allianz bilden. Werdet ihr für immer im terranischen Raum verweilen, um mehr meiner Art zu erschaffen, indem ihr hybride Embryos in unfreiwillige Mütter pflanzt? Die Menschen werden dies nicht mehr viel länger tolerieren. Oder wollt ihr euch schlicht auf diese Klone verlassen? Das wäre sinnlos! Ihr züchtet geborene Hybriden heran, damit die Grundvoraussetzung zum Wiederaufbau eurer früheren Zivilisation und Kultur gesichert ist. Wenn ihr euch erneut auf Klone fixiert, seit ihr wieder da, wo ihr begonnen habt. Ihr braucht diese Leute! Sie könnten eure Erben sein und ihr hättet für euch einen Genpool, mit welchem ihr mehr Klone aus der Retorte und Hybriden wie mich erschaffen könntet, was die Technokratie stärken würde.“Der Meister der Diplomatie wurde für Jack zu so etwas wie einem Vater, nachdem man ihn auf das Mutterschiff brachte. Der Ceresianer war ein Mitglied des leitenden Direktorats bestehend aus den führenden Wissenschaftlern, welche die Geschicke der Technokratie lenkten. Zudem war er vermutlich der einzige von ihnen mit der Eigenart, sich hin und wieder vermeintlich wie ein Mensch zu benehmen. In diesem Moment wirkte es so, als ob er über die Situation nachdachte.„Ich werde eine Empfehlung an den Meister der Regierung senden, doch mache ich dich für dieses Projekt verantwortlich. Ich mag zwar der Fähigste meiner Art sein, wenn es darum geht sich mit Menschen auseinanderzusetzen, doch die Aufgabe eine Gemeinschaft von ihnen in unserer Mitte zu beaufsichtigen und zu verwalten, sollte von jemandem übernommen werden, der in der Lage ist ihre wirre Art zu denken wenigstens im mindesten verstehen zu können.“Für den jungen Mann kam die Entscheidung völlig unerwartet, doch senkte er seinen Blick und intonierte feierlich, „ich fühle mich durch euer Vertrauen in meine Fähigkeiten geehrt und bewundere das Verständnis und die Weisheit, die ihr in dieser Angelegenheit beweist.“Im Laufe der folgenden Wochen wurde Hicks mit den verschiedenen Arbeitsfeldern der Robotik und Kybernetik vertraut gemacht, wie auch mit den Grundlagen der Schutzfeldgenerierung und Nanotechnologie. Es war faszinierend und bereits die geringste Information zu jenen überlegenen Technologien wirkte überwältigend.Trotz aller Erfahrungen, insbesondere in seinem persönlichen Favorit, der Robotik, gab es ein Gefühl, dessen Hicks sich nicht erwehren konnte. Einsamkeit. Er hatte auf dem Mutterschiff ein neues Zuhause gefunden, doch war er dem Jungen, welcher einen so großen Eindruck auf ihn gemacht hatte, nicht wieder begegnet. Bei der Erinnerung breitete sich von seinem Herzen Wärme im ganzen Körper aus. Die Güte in Jacks Stimme und sein friedvolles Lächeln bewirkten in Hicks etwas, das dieser nie zuvor verspürt hatte, doch konnte er nicht beschreiben, was es war. Der mit Sommersprossen gezierte Knabe entschied das Mutterschiff zu erkunden. Jack sollte in den Unterkünften der diplomatischen Kaste leben, ihn zu besuchen war also die perfekte Gelegenheit sich ein paar der Areale dieses großen Sternenschiffs anzuschauen.Gerade als er seine Kabine verließ, rief jemand seinen Namen.„Hicks! Wohin gehst du?“Es war Felix, ein anderer Syntone, etwa in Jacks Alter, welcher meist an denselben Arbeitsgruppen teilnahm wie Hicks.„Hey, Felix. Ich wollte eben los, um einen Blick auf ein paar der anderen Bereiche des Kosmers zu werfen. Ich hatte bisher noch keine Gelegenheit dafür. ...vielleicht statte ich auch dem Diplomatensektor einen Besuch ab.“Da Felix immer ein wenig sorglos und manchmal sogar etwas faul war, hatte dieser sich bereits mehr Zeit genommen, um das Schiff zu erkunden, anstatt an jeder Unterrichtseinheit folgsam teilzunehmen.„Ich kann dir zeigen wie du dort hinkommst, wenn du willst, aber da gibt es nicht allzuviel zu sehen. Irgendetwas bestimmtes, was du dir anschauen möchtest?“„Nein, ich fragte mich nur, ob es möglich sei, mit ein paar der Beauftragten zu sprechen, welche mit dem terranischen Regime verhandeln und sich um die diplomatischen Beziehungen zu den Kolonien kümmern.“Felix lachte. „Du machst Witze, stimmts? Ich kann nicht fassen, daß sich ein Kerl, der seine Heimat für immer verläßt, um so etwas kümmert.“Hicks errötete, er war so ein schlechter Lügner.„In Ordnung, soll mir recht sein,“ fuhr Felix fort und zwinkerte dem anderen Jungen freundschaftlich zu, „jeder hat seine kleinen Geheimnisse.“Die beiden bewegten sich auf einer normalerweise zum Gütertransport genutzten Antigravplattform fort, die Felix aus einem naheliegenden Lager geborgt hatte. Hicks betrachtete ihre Umgebung. Alles war ungemein sauber und funktional; keine unnötigen Verzierungen ließen sich entdecken, wobei manche Areale mehr oder weniger dekorativ in Erholungszentren platzierte Vegetation aufwiesen, welche für die menschlichen Besatzungsmitglieder bestimmt waren.„Alles sieht so zerbrechlich aus. Findest du nicht auch, Hicks? Und diese kleinen farblosen Typen besitzen nicht die Spur an Kreativität! Alles ist weiß und vollkommen glatt. Wie langweilig!“Felix lehnte sich zurück und schloß einen Moment lang die Augen, anschließend versetzte er Hicks mit dem Ellbogen einen Stoß und schaute ihn mit einem erwartungsvoll fragenden Blick an.„Sie sind nicht farblos, sie sind grau. Und sie sind außerordentlich kreativ, sie nutzen ihr Potenzial lediglich in einer mehr pragmatischen Weise.“„Gut so, das war es, was ich von dir erwartet habe und nicht dieses bedrückende Schweigen. Denkst du darüber nach, was du dem Kerl mit den schneeweißen Haaren sagen sollst?“„Was? Wen meinst du –“„Ich habe euch beide bei unserer Ankunft auf dieser Nußschale gesehen. Wie du ihn angeschaut hast, und jetzt willst du seine Quartiere besuchen. Vielleicht ist es nach wie vor nicht für dich offensichtlich, aber ich habe es schon längst erkannt.“Wenn Felix breiter gegrinst hätte, wäre die obere Hälfte seines Kopfs herabgefallen.Zuerst wurde Hicks puterrot dann wieder aschfahl. „Ich ...ich will ihn einfach nur noch mal sehen. Was sonst? Ich weiß es nicht.“Sie glitten weiter, bis sie die Diplomatenquartiere erreichten, woraufhin Felix seinen Freund mit einem aufrichtigen „Viel Glück, Kumpel.“ zurück ließ.Jack saß über einen Holoschirm gebeugt da, während er Diagramme, Tabellen, und Daten betrachtete, welche sich langsam vor ihm bewegten. Er sinnierte über seine Situation. Er war sicher der einzige Hybride mit solch einem Einfluß, neben ein paar wenigen, die zum Militär gehörten oder als Adjutant dem großen Meister höchst selbst dienten. Dem jungen Mann hatte es nie im Sinn gelegen, solch eine Verantwortung zu übernehmen, doch es war sein Vorschlag, welcher die Zukunft beider Rassen veränderte, der Ceresianer wie auch der Menschen.Seine Vision erfüllte sich. Es waren so viele Kandidaten, daß es zu einer Herausforderung wurde zu entscheiden, wer für das kooperative Projekt geeignet war, und welche den Frieden lediglich gefährden würden. In seiner Vergangenheit hatte Jack nur Menschen kennengelernt, welche den weißhaarigen Jungen für seine Andersartigkeit verachtet hatten und ihn als unheimlich empfanden. Sie sagten ihm nicht was sie dachten, aber er konnte es fühlen. Die mentalen Fähigkeiten, die er von seinen außerirdischen Vorfahren vererbt bekommen hatte, erlaubten ihm das Bewußtsein anderer empfindungsfähiger Wesen zu erfühlen und deren Gedanken zu hören. Wenn er jemals jemandem von dieser Fähigkeit erzählt hätte, wäre er vom Psi-Chor aufgegriffen worden, um in ihren Reihen dienen zu müssen, was den Jungen auf ewig seine Freiheit gekostet hätte. Inshar holte ihn damals aus seinem früheren Heim, und bot dem Knaben endlich einen friedlichen Ort zum Leben. Doch war es keine Akzeptanz was er empfand, die Besucher erkannten schlichtweg seine Existenz an, doch schien es, als ob sie keinerlei Gefühle besaßen. Sein menschlicher Teil sehnte sich nach jemandem, der ihm dieses Gefühl geben würde. Dann traf er auf diesen jungen Mann. Jack erinnerte sich an seinen Namen auf der Liste, Hicks war einer der Menschen, welche er persönlich ausgewählt hatte. Die Vergangenheit des Syntonen erinnerte ihn an seine eigene, obwohl der Knabe einen größeren Verlust auf der Kolonie erdulden mußte, einen physischen obendrein. Als sie sich das erste Mal in Fleisch und Blut trafen, fühlte der Hybride endlich die Akzeptanz eines anderen Wesens, mehr noch, Hicks schien von Jack fasziniert gewesen zu sein. Freude. Jack fragte sich, wann sie eine Gelegenheit erhalten würden sich wiederzusehen.„Attaché Frost, es hat sich ein Problem in der Eingangshalle ergeben.“Jack schreckte hoch und aktivierte die digitale Kommverbindung.„Welche Art von Problem?“Es war ungewöhnlich, daß die Wachsoldaten ihn behelligten, in der Tat war dies bisher noch nicht vorgekommen.„Es ist ein syntoner Lehrling. Er sagte uns, er sei gekommen, um dich zu besuchen, doch gibt es keine Zertifizierung für einen Termin. Sein Name ist Hicks Hemington.“Jack stand abrupt auf.„Schickt ihn in mein Büro. Ich erwarte ihn oben.“Hicks wurde von seinem Multifunktionswerkzeug endlose Korridore entlang geführt, ein Gerät, welches sich bereits in vielen Situationen als nützlich erwiesen hatte. Verschiedene Meßfunktionen, Werkzeuge, medizinische Utensilien, ein Kommunikator, und sogar ein Navigationsgerät gehörten zur Ausstattung. Gleich den Erholungszentren war das Diplomatiedeck mit verschiedenen Arten von Pflanzen dekoriert, sogar Flaggen wie auch Embleme hingen an den Wänden, und zeugten vom Treueschwur, welcher die beiden Völker verband. Als der Bursche sein Ziel erreicht hatte, mußte dieser feststellen, daß sein Unternehmen nicht ganz durchdacht war.Die Wachen mit dem Erscheinungsbild jener, die damals Jack begleitet hatten, blieben stur und erlaubten ihm nicht zu passieren.„Ich bin hier, um mich mit Attaché Frost zu treffen.“„Du besitzt eine Zertifizierung, Auszubildender?“ grunzte der rechte Wachmann.„Nein, ich hoffte, daß er für mich Zeit hätte. Ich... ich bin Hicks Hemington. Könnten sie ihn fragen, ob er mich empfangen würde?“ fragte Hicks unsicher.Die Wache kehrte ihm den Rücken zu und sprach in ihren Kommunikator. Kurz darauf drehte sie sich wieder zu dem Knaben um.„Du kannst passieren. Das GPS wird dir den Weg zeigen.“Der Junge nickte und spürte den Blick der Hünen in seinem Nacken, als er an den Wachen vorbeischritt, von denen er inzwischen wußte, daß man sie umgangssprachlich aufgrund ihrer Entstehung als Retorten bezeichnete. Ein Gravlift, ein Schacht in welchem die Gravitation aufgehoben war, brachte Hicks hoch zu einem Bürokomplex, mit einer Tür am Ende eines langen Korridors, hinter der sich das Amtszimmer von Jack befand. Es fiel Hicks immer noch schwer die fremden Symbole zu lesen, doch konnte er sie als [Jack Frost – Diplomatischer Attaché] entziffern. Er hielt seine rechte Hand über das Holopad neben dem Eingang und aktivierte die Läutfunktion. Die Tür öffnete sich und als er eintrat stand Jack bereits vor seinem Schreibtisch und lächelte ihn an.„Hicks, schön dich wiederzusehen. Ein wenig unerwartet, zugegeben. Es war sicher mühselig für dich, den Weg durch dieses fremde Gefährt zu finden.“„Ich hatte ein bißchen Hilfe und natürlich das Navigationssystem.“Hicks musterte Jack. Das künstliche Licht, was vom Fensterschirm erzeugt wurde, schien durch das blütenweiße Haar des außerirdischen Jungen und ließ die synthetischen Fasern seines Ganzkörperanzugs glänzen, sowie die violette Schärpe, welche seine hierarchische Stellung verriet.Der junge Knabe vor ihm trug einen blaugefärbten Overall, wie üblich für den Ingenieurskader. Hicks blanke Brust war für Jack gut erkennbar, da der Bursche vergessen hatte den Haftverschluß bis zum Hals hin hochzuziehen. Somit war die besondere Eigenschaft des Kleidungsstücks seinen Träger hauteng zu umschließen außer Funktion gesetzt. Es hing lose um dessen Schultern und Glieder, was Jack die Vorstellung vermittelte, es könne jeden Moment herunterfallen, um mehr von dem Rotschopf mit den smaragdgrünen Augen zu offenbaren als nur die weiche Haut seiner Brust. Der Hybride konnte sich selbst nicht zurückhalten und projizierte sein Gefühl der Erregung in den Geist des Jungen, welcher bereits sein eigenes Erscheinungsbild realisiert hatte. Hicks zog den Verschluß seines Overalls hastig zu, doch das machte das Ganze nur noch schlimmer für ihn, denn das Kleidungsstück wurde hauteng und präsentierte seine eigene Erregung auf physisch auffallende Art und Weise.Sein Gesicht wurde rot während er an seinem Körper herabblickte. Die Beule war deutlich sichtbar. Was ein törichter Einfall. Das wäre nicht passiert, wenn er einen formellen Anzug für den Besuch gewählt hätte. Doch bevor er sich umdrehen und aus dem Büro fliehen konnte, kam Jack an seine Seite und packte ihn an der Schulter.„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Hicks. Ich kann deine Gefühle spüren, insbesondere jene für mich. Daher freue ich mich dir nun auch meine zu zeigen.“Hicks wußte nicht, was er erwartet hatte. Er dachte Jack würde ihn küssen, obwohl ein Junge, der mit seinem Körper auf so eklatante Weise die eigenen Begierden zur Schau stellte, nur Ablehnung erwarten dürfte. Nichts davon geschah. Einige Sekunden zuvor empfand er bereits ein Gefühl der Erregung, was nicht sein eigenes gewesen zu sein schien, doch die eigenen Empfindungen noch weiter verstärkte. Nun war es... überwältigend. Eine Kaskade, die ein ums andere Mal seine eigenen Emotionen durch fremde intensivierte. Reine Emotion. Jacks Gefühle der Zuneigung gegenüber Hicks kamen über diesen, vermischt mit seinen eigenen Empfindungen. Hybriden waren Telepathen wie auch ihre außerirdischen Schöpfer, das wußte er, doch hatte er sich nie eine Vorstellung davon gemacht, was das wirklich bedeutete. Dies war mehr als eine lautlose Unterhaltung. Es war... sein Körper fühlte sich an, als ob er jeden Moment in Flammen aufgehen würde und als der Moment gekommen war, an dem er es nicht länger aushalten konnte, verebbte die Kaskade.„Noch nicht,“ flüsterte Jack, „wir haben soviel Zeit wie wir nur wollen.“Als Hicks erwachte, war er immer noch naß von Schweiß und anderen Körperflüssigkeiten. Nein, das stimmte nicht, es war ein mehr anschmiegend klammerndes Gefühl. Rosarote Villi glitten zwischen seinen Beinen entlang, seinem Hintereingang und um seine Lenden. Andere griffen nach seinen Gliedern und der Stirn. Für einem Moment kam Panik in ihm auf, doch dann erinnerte er sich.'Es muß sich um eines dieser Fleischbetten handeln,' dachte er, 'ein Stück organischer Technologie, welches als Schlafgelegenheit genutzt wird, um die eigene Selbstheilungskraft zu unterstützen, und den Ruhenden mit Hilfe der Antikörper des Bettes von möglicher Kontamination zu befreien.'Er mußte eingeschlafen sein, als Jack mit ihm in dessen Wohnung ankam. Daraufhin hatte ihn sein Geliebter in dieses Bett gelegt. Als Hicks versuchte sich von den winzigen Tentakeln zu lösen, verspürte er keinen Widerstand. Sie zogen sich sogleich zurück und ließen von seinem Körper ab. Der Raum war größtenteils von weißer und silbriger Färbung, wie auch der Rest des Schiffs, doch ein hellblauer Teppich lag auf dem Boden. Ein Gegenstand wie ihn der Knabe noch nie zuvor auf diesem Kosmer gesehen hatte. Auf einem kleinen Beistelltisch, der sich auf jenem Läufer befand, lag sein Overall. Hicks sprang aus dem unheimlichen Bett und griff sein Kleidungsstück. Es war sauber und weich. Er kleidete sich an und zog den Haftverschluß bis oben hin zu, so daß der Overall sich an seinen Körper schmiegte. Als er auf die Tür zuging, um den Raum zu verlassen, öffnete diese automatisch, und erlaubte den Zutritt zum größeren Wohnraum. Jack saß an einem Tisch und blickte auf ein paar holographische Informationsschirme.„Bist du schließlich aufgewacht,“ begrüßte ihn Jack, „ich hoffe du hast gut geschlafen, mein Schatz?“„Ich denke schon, obwohl ich mich beim Aufwachen in einer fleischigen Venusfliegenfalle wiederfand.“„Es ist weitaus effizienter als eine Schalldusche zu nehmen.“„Eine solche wäre mir, denke ich, lieber gewesen, und auch ein herkömmliches Stasisbett.“Als Jack irgendwie schuldbewußt dreinschaute, beschwichtigte Hicks schnell.„Nunja, irgendwann gewöhne ich mich sicher daran... und danke für den Overall.“Jack entspannte sich.„Ich habe ihn aus meinen Büro geholt und ihn für dich reinigen lassen.“„Das ist mir schon aufgefallen, so weich ist er noch nie gewesen.“ Hicks lachte. „Schön ist es hier. Fünf mal so groß wie eine Unterkunft für uns Syntonen.“„Das stimmt, aber es handelt sich hier auch um eine Ausnahme. Neben einigen der ceresianischen Führer, welche ihre Räumlichkeiten auch als privaten Arbeitsplatz nutzen, verfügt praktisch jeder auf diesem Schiff nur über jene kleineren Quartiere.“Hicks war sich nicht sicher, ob sein Freund ihn versuchte zu beeindrucken. Wie es auch sein mochte, er war es, und auch wenn er es nicht offen zeigen wollte, fragte er vorsichtig nach.„Versuchst du damit anzudeuten, daß du genauso wichtig für die Grauen bist wie ihre Anführer?“„Nein, das ist so nicht ganz richtig, fürchte ich. Ich wurde zwar als Attaché Inshars zum Botschafter für menschliche Angelegenheiten ernannt, da man in mir den idealen Kandidaten für diese Aufgabe sah, aber ich lebe nur in diesen Verhältnissen, weil ich darum gebeten habe. Natürlich hätte ich ohne meine besondere Verantwortung nicht so einfach eine solche Unterkunft beantragen können, aber ich benötigte einen Ort zum Entspannen und auch um Unterlagen bequem durchschauen zu können, ohne das in meinem Büro tätigen zu müssen. Außerdem sagte ich, die Möglichkeit bestünde, daß hier bald zwei Personen wohnen würden...“„Zwei Personen?“Hicks horchte aufmerksam auf. Konnte Jack all das geplant haben? Der Hybride unterbrach seine Gedanken.„Ja, zwei Personen, und ja, so weit es mir möglich war. Zumindest hoffte ich darauf, seit ich das erste Mal dein Gesicht in den Daten gesehen hatte. Ich war von deiner Lebensgeschichte und deinem Wesen gerührt. Ich fühlte mich dir sogar in gewisser Weise verbunden.“Der sommersprossige Junge stockte als er antwortete, „du meinst nicht damit, daß du meinen Antrag aus Mitleid akzeptiert hast. Als ich dich das erste Mal sah, hatte ich dieses Gefühl, was ich nicht gänzlich beschreiben kann. Ich denke, ich habe mich damals in dich verliebt.“Jack stand auf und umarmte Hicks, während er in sein Ohr flüsterte.„Für solch eine gütige Person bedarf es keines Mitleids. Du warst der perfekte Kandidat für dieses Projekt. Deine Erfahrungen und dein Persönlichkeitsprofil entsprachen exakt den Maßstäben. Ich hätte zu dem Zeitpunkt nur nie zu hoffen gewagt, dich heute in den Armen halten zu dürfen. Und daß du genauso empfandest, als du mich zum ersten Mal sahst, bestätigt, daß zwischen uns eine besondere Verbindung besteht, und dies läßt mein Herz höher schlagen.“Hicks kicherte während er sich in Jacks Arme schmiegte.„Also meinst du, ich bin ein genauso großer Spinner wie du?“Sie schauten sich an und begannen zu lachen.„Stimmt, wir sind echte Spinner,“ feixte Jack, „und wirst du hier bei mir bleiben?“„Ich denke schon, das hier ist weitaus besser als meine aktuelle Unterbringung und auch viel ruhiger. Die anderen Jungs können echte Partyhengste sein.“Sie küßten einander hingebungsvoll und verließen das Apartment, um Hicks Habseligkeiten vom Trainingszentrum abzuholen.

Die endlose Dunkelheit angefüllt vom Nichts paßte absolut zu seiner Stimmung. Der Mann saß in einem quietschenden Ohrensessel aus Kunstleder und seine Beine lagen ausgestreckt auf der Steuerkonsole, während er auf die Bildanzeige der Schützenkanzel starrte und mit sich selbst haderte. Er war ende zwanzig, gut gebaut, und rasiert, hatte feurig rotes Haar und seltsam goldene Augen. Sein wohlgeformter Oberkörper zeichnete sich unter einem schwarzen Muskelshirt ab, welches teilweise durch die verknoteten Ärmel eines beigefarbenen Overalls verdeckt war, dessen Hosenbeine in Kampfstiefeln endeten. „Verdammt! Wie lange müssen wir noch auf diese Kerle warten? Es ist nun fast ein Tag vergangen seit wir hier in der Leere haltgemacht haben.“ Er trat kräftig auf die vor ihm befindlche Konsole, welche ihm seine Handlung mit einem protestierenden Geräusch aus den Lautsprechern quittierte. „Angst vor Raummonstern, John?“ Eine weibliche Stimme kam aus dem System. „Nebenbei bemerkt, falls du irgendetwas beschädigt haben solltest, werden dir die Reparaturkosten von deinem Anteil abgezogen.“ „Scheiße, als ob. Ich bin kein kleines Kind, das sich vorm Schwarzen Mann in seinem Kleiderschrank fürchtet. Und ich habe nichts kaputtgemacht!“ Ein weiteres quäkendes Geräusch kam aus dem Lautsprecher. „Natürlich hast du das nicht. Und natürlich werde ich nicht Arthur zu dir schicken, um zu überprüfen, ob alles mit den Maschinen in Ordnung ist.“ John knirschte mit den Zähnen. „Lutsch meinen Schwanz, Stella... nun, ich würde wirklich gerne sehen, wie du das tust.“ „Und ich würde eher ein Serpelin küssen. Over and out.“ Ich wette, du würdest das machen, dachte John, und lehnte sich in seinem Pilotensessel zurück. Nichts als Bekloppte an Bord dieses Schiffs und diese Hexe läßt mich abblitzen. Das ist doch alles ein großer Witz. Er lachte.

„Kannst du den Abschnitt hier beleuchten? Halte die Lampe etwas höher.“ Der dünne Mann mit schwarzem, wirren Haar versuchte mit seinen braunen Augen durch eine verschmierte Schutzbrille und die ihn umgebende Finsternis etwas zu erkennen. Der Bursche wirkte ein wenig älter als sein Freund mit der unnatürlich schwarzen Haut, die so dunkel war wie die Leere des Raums selbst. Der drahtige aber muskulöse Jüngling blickte aus roten Augen in die Schwärze, silbergraue Haare im Bürstenschnitt bedeckten sein Haupt. Er überragte den im Vergleich zwergenhaften Techniker um mehr als zwanzig Zentimeter. Offensichtlich war er genetisch modifiziert worden. Und vermutlich ein vom Militärdienst desertierter Betaklon oder mit Verbesserungen vom Schwarzmarkt optimiert. „Ich sehe einwandfrei in der Dunkelheit,“ antwortete er amüsiert, während der komische Kauz im verdreckten Overall mit einem Lasercutter in der Hand durch einen Versorgungsschacht kroch. „Sehr witzig wie immer, hätte ich nie von einem Kerl namens Nighteye gedacht, aber ich kann das nicht.“ Nighteye grinste, „Das ist nicht meine Schuld.“ Der Lautsprecher im Korridor tönte, „Arthur, beweg deinen Hintern zur Schützenkanzel. John hat vermutlich eine der Konsolen zerstört.“ „Ernsthaft? Wir sind hier unten noch nicht fertig. Echte Probleme haben eine höhere Priorität als Vermutungen.“ „Es interessiert mich nicht, ob ihr Typen nicht in der Lage seid, eure Arbeit in einer angemessenen Zeit zu erledigen. Überprüft das jetzt! Over and out.“ Arthur schüttelte den Kopf. „Klär mich noch mal auf, warum hat John sie mit an Bord genommen?“ Nighteye zuckte mit seinen breiten Schultern. „Sie ist ein brillanter Ermittler, und wir hatten nie zuvor so viele gut bezahlte Aufträge wie jetzt. Trotzdem ist sie ein Miststück.“

Torfköpfe. Stella stöhnte. Sie war eine zierliche junge Frau, kaum neunzehn Jahre alt, mit einer attraktiven Erscheinung, grünen Augen, und blondem Haar. Tatsächlich war sie das ungewöhnlichste Crewmitglied der Starlancer, doch aus ihrer persönlichen Sicht heraus auch das kompetenteste. Eine digitale Stimme weckte sie aus ihren Tagträumen. „Stella, die Sensoren haben ein Schiff geortet, das sich unserer Position nähert.“ Sie war erleichtert, endlich tauchten ihre Klienten auf. „Setze die Crew darüber in Kenntnis, Raphael. Ich begebe mich zum Hangar.“ „Bestätige.“

Die Tür zur Kanzel öffnete sich automatisch. John drehte den Kopf und schaute zu den beiden seltsamen und auch so unterschiedlich aussehenden Gestalten im Türrahmen. „Haben wir dich dabei ertappt, wie du dir einen runterholst?“ „Laß die Witze, Nighteye. Das ist mein Ernst. Mir fehlt es gänzlich an Inspiration.“ „Ist das Miststück denn keine?“ „Stella? Immer noch am herumalbern, wie?“ Arthur meldete sich mit einer Frage zu Wort. „Wir kamen hier hoch, um eine Konsole zu reparieren... Ich schätze, das hätten wir uns sparen können, richtig?“ „Tut mir leid, Jungs. Sie hat euch zum Narren gehalten.“ „Hey, Leute!“ Der Lautsprecher ertönte und der Monitor zeigte das Gesicht eines jugendlichen Knaben mit VR-Brille vor den Augen, welche tiefblau durch die Gläser leuchteten und sogar noch farbintensiver waren als sein hellblaues Haar. Raphaels kindliche Erscheinung konnte leicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß er in Wahrheit ein genialer Cyberdiver war. „Unser Rendezvous findet nun endlich statt. Alle sollen sich bitte zum Hangar begeben. Die Imperatrix wartet schon.“

Im Hangar angekommen, erwartete sie dort bereits Stella, welche die Andockvorbereitungen traf. „Da seid ihr ja endlich. Meine Güte, wie ihr wieder ausseht. Arthur, John, habt ihr keine saubere Kleidung mehr? Bei unserem Klienten handelt es sich um gehobene Gesellschaft. 76, steck dir das Hemd in die Hose!“ „Du sollst mich nicht so nennen!“ Nighteye machte dem aufkommenden Zorn Luft, indem er gegen einen Stahlträger schlug. „Was auch immer. Raphael? Sende das Bereitschaftssignal.“ „Alles klar, Stella,“ ertönte es aus den Lautsprechern, „Andocksequenz initiiert... Beendet in drei, zwei, eins...“ Ein dumpfes Donnern an der Außenwand hallte durch den Raumer. „Andocken erfolgreich!“ Die kleine Luftschleuse neben der Laderampe gab das Signal zum Druckausgleich und öffnete sich kurz darauf. Durch den so entstandenen Übergang zwischen beiden Schiffen trat ein junger Mann mit silberblauem Haar und tiefen graublauen Augen. Er war von kleiner Statur und sein Gesicht wie auch sein enges mit weißen Schärpen und Bändern überlagertes Gewand verliehen seiner Gestalt aristokratische Züge. Entgegen aller Erwartung sprach er jedoch mit ausgelassenem und ungezwungenen Ton. „Seien sie mir gegrüßt, meine Herren, und natürlich besonders die Dame. Mein Name ist Gabriel Sanctus. Ich bin froh, daß sie sich bis zu unserem Termin gedulden konnten. Da sie sicher schon lange genug im Nichts ausharren mußten, kommen wir gleich zur Sache.“ Er zog aus seinem Gürtel einen Datenstick hervor und überreichte ihn Stella. „Hierauf befinden sich alle notwendigen Daten und natürlich ebenso die Überweisungsinformationen für ihr Honorar. Fünfzig Prozent im voraus wie vereinbart, die andere Hälfte nach Lieferung der Ladung.“ „Moment,“ warf John irritiert ein, „das ist alles? Wir sollen einen Datenstick transportieren?“ „Aber nein, natürlich nicht. Auf dem Speichermedium befinden sich lediglich Koordinaten, Datum, und Uhrzeit für den Empfang der Ladung. Über den Empfänger werden sie anschließend informiert.“ „In Ordnung,“ Stella steckte den Stick in ihre Armbandelektronik, „wie ich sehe, haben wir bis dahin noch eine Weile Zeit.“ „So ist es. Ich denke, das wäre wohl alles. Ich danke ihnen für die Mühe und wünsche viel Erfolg. Ich empfehle mich,“ sprach der Mann, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück durch die Luftschleuse. John war tatsächlich sprachlos, und nachdem sich endlich wieder die Luftschleuse schloß und das Schiff des Klienten von der Starlancer ablegte, ging ein Stöhnen durch die Reihen der Männer.' „Stella, wußtest du, daß wir hier nur wegen eines dämlichen Datensticks eine Ewigkeit im All verbracht haben?“ „Was beschwerst du dich, John? Das mag jetzt zwar nicht allzu spannend gewesen sein, aber bei solch einer Summe solltest du dich nicht beklagen, wenn ein Klient aus Gründen der Diskretion zu solchen Mitteln greift.“ „Ich finde, an der Sache könnte was faul sein,“ er streckte sich, „aber gut, ich will mich nicht weiter darüber aufregen. Du sagst, wir haben noch Zeit bis zum Rendezvous?“ „In drei Tagen sollen wir an den Zielkoordinaten beim Jupiter sein.“ „Jupiter?“ Nighteye horchte auf, „das wärs doch, in einem halben Tag sollten wir dort angekommen. Genügend Zeit also, um uns auf der New Vegas ein bißchen zu amüsieren.“ John nickte zustimmend. „Du hast es gehört, Raphael. Setze Kurs auf das Marssprungtor. Wir reisen zum großen Riesen.“

Das Absprungtor lag nun schon weit hinter ihnen zurück, und sie würden bald den Jupiter erreicht haben. Raphael betrachtete die Umgebung durch die Außensensoren der Starlancer. Der Subraumtunnel, welcher zwischen dem Ausgangspunkt und ihrem Ziel geschaffen wurde, isolierte das Schiff und seine Insassen vom Rest dieser befremdlichen Dimension. Ohne diesen Pfad wäre man hoffnungslos im unsteten Wabern der fünften Ebene verloren, und ein erzwungener vorzeitiger Austritt aus dem Subraum, hätte ein Schiff überall im Realraum aussetzen können. Ohne klare Zielkoordinaten war jede Bewegung im Hyperrum der Willkür von Raumverwerfungen und anderen unerklärlichen Phänomenen unterworfen. Das goldene Leuchten der sich in die Länge ziehenden Funken des Tunnels vor dem blauvioletten Hintergrund versprach jedoch Sicherheit. Eine trügerische Sicherheit. Raphael war Navigator und er wußte um die Gefahren dieser Fortbewegungsmethode. Schon die geringste Fehlberechnung der Koordinaten und man landete im Zentrum eines Planeten. Das Abweichen vom vorher bestimmten Pfad barg noch schlimmere Schrecken. Für die meisten Reisenden waren dies nur Mythen und Legenden von Schreckgespenstern, Gruselgeschichten und Raumfahrergarn, gesponnen von Mannschaften solcher Schiffe, die schon zu lange im großen, weiten Nichts des Raums unterwegs waren, und in die fremde Dimension Monstren hineinphantasierten. Für Raphael schien dies weniger Phantasterei. Wenn er in den virtuellen Raum der Schiffselektronik eintauchte, war er in seiner eigenen kleinen Welt. Diese konnte er mit anderen verbinden, wenn er sich im Realraum aufhielt und Zugriff auf einen in der Nähe befindlichen Zugang zum Cybernet hatte. So ähnlich mußte es sein über psionische Gaben wie Telepathie zu verfügen. Er konnte frei mit allen anderen, die Teil des Netzwerks waren, kommunizieren, und in seinem persönlichen Cyberspace blieb er allmächtig. Er war das Schiff. Er spürte jede Leitung, jede Konsole. Die Sensoren waren seine Augen und Ohren, der Reaktor sein Herz. Und er spürte die Andersartigkeit des Subraums auf der Außenhülle, auf seiner Haut. In der unendlichen Leere des Realraums fühlte man sich zwar oft allein und verloren in der Unendlichkeit, doch hier im Subraum war alles anders. Die trügerische Sicherheit des Tunnels konnte nicht über den Eindruck hinwegtäuschen, daß jenes unstete Wabern nichts weiter als ein bloßes Trugbild sei, die menschliche Wahrnehmungsumsetzung der physikalischen Gegebenheiten, die hier in Wirklichkeit herrschten. Und immerzu hing dieses bedrückende Gefühl auf seinem Geist von jenseits der Pfade beobachtet zu werden. Etwas lauerte da draußen. Und sein einziges Bestreben schien zu sein, alles, was sich in seine Reichweite begab, ins Verderben zu stürzen. Die Warnmeldungen rissen ihn aus seinen Gedanken. Die Starlancer erreichte ihr Ziel, das Sprungtor des Jupiters. Er sendete ein Signal an das Tor, um sie anzukündigen und das künstlich erzeugte Wurmloch zu initiieren. Ein gleißendes Strahlen zeichnete sich nun am unvermittelt entstandenen Ende des Tunnels ab. Das elektrisierende Gefühl des Übergangs durchfuhr ihn wie das Schiff selbst und jeden anderen an Bord. Über den Bordfunk erklang die Meldung der Gate Lines Gesellschaft in allen drei im Solsystem genutzten Sprachen, der Gemein-, der Amts-, sowie der Handelssprache; Relikte aus der präsolaren Epoche:[Thank you for travelling with Gate Lines. Vielen Dank, daß sie Gate Lines benutzt haben. Gokurousama tabisuru Gate Lines-ga.]Nun war der Junge wieder frei von der beklemmenden Enge des fremden Raums. Er konnte sich wieder ins Cybernet einklinken, und berechnete sogleich den Kurs nach Kallisto, dem vierten Mond des Gasriesens, in dessen Orbit sich die New Vegas aufhielt. Der Luxus-Liner war mit seinem Kilometer Durchmesser so groß wie ein schwerer Zerstörer, wenn auch keiner so breit wie lang gewesen wäre. Neben dem Kasino, war der Kosmer mit Ferienanlagen, kleineren Parks, und diversen Unterhaltungsmöglichkeiten gerüstet, wie Trimedia-Zentren, Diskotheken, aber auch Restaurants, Theatern und einem Opernhaus.Raphael kontrollierte noch einmal kurz die Schiffssysteme und initiierte den Antrieb mit Kurs um den Jupiter. In nur wenigen Stunden würden sie ihr Ziel erreicht haben.

Die Datenpaneele leuchteten abwechselnd in verschiedenen Farben auf, während Informationen zum Thema Kybernetik und Telematik für Drohnen über sie hinweg strömten. Im Laufe der Zeit an Bord des Mutterschiffs hatte Hicks ein besonderes Interesse für diese Themen entwickelt und richtete seine Aufmerksamkeit voll und ganz dem Studium derselben. Doch irgendwie gelang es ihm heute nicht sich ganz auf den Stoff zu konzentrieren.Alles geschah so schnell. Er fragte sich noch immer, aus welchem Grund er die Einladung von Jack ohne zu zögern angenommen hatte. Natürlich konnte Hicks nicht leugnen, daß er alles über seinen Partner zu wissen schien. Sie waren sich nähergekommen als es jemals für zwei gewöhnliche Menschen möglich gewesen wäre. Nichts blieb verborgen und Jacks Gefühle für ihn waren ganz klar echt. Hicks erinnerte sich an andere Gedanken, welche ihm in Jacks Bewußtsein begegneten; seine Kindheit und wie ihn die Menschen auf Terra behandelten, insbesondere dessen Eltern. Der weißhaarige Junge mit dem merkwürdigen Verhalten wurde von den Leuten gemieden. Natürlich entwickelte er eine Aversion gegen die Menschen. Dennoch liebte er Hicks. Lag es daran, daß er kein richtiger Mensch war, ein Syntone aus den Raumkolonien, oder an dem ähnlichen Schicksal, was sie beide teilten?Eine Stimme riß Hicks aus seinen Gedanken.„Hey, Kumpel! Was macht die Kunst?“„Felix, du bist es. Lange nicht gesehen. Ich befasse mich gerade mit –“„Mit ein und derselben Textstelle, und das seit fünf Minuten.“Der bullige Junge lachte und raufte sich die rote Mähne.„Es ist ein wenig langweilig geworden, seitdem du aus den Unterkünften ausgezogen bist.“Der kleinere machte ein betroffenes Gesicht.„Tut mir leid, das ging auch für mich ein wenig schnell. Ich wollte einfach zu Jack.“„Klar, hab auch nichts dagegen. Ich hätte an deiner Stelle vermutlich dasselbe getan. Ein hübscher Kerl wie er, und unsere Kabinen können wohl kaum mit deiner neuen Behausung mithalten. Aber du könntest dir schon hin und wieder ein wenig Zeit nehmen und uns besuchen kommen.“Mit einem Lächeln hielt Hicks seinem Freund die Hand entgegen.„Ich komme nachher vorbei. Versprochen. Gefeiert wird bei euch sicher noch wie jeden Abend.“Felix packte ihn am Unterarm und wurde beinahe feierlich.„Natürlich, man muß den grauen Jungs hier doch die solare Kultur näher bringen.“Später am Abend trafen sie sich an der Kabine, welche Felix sein eigen nannte. Das Deck war erfüllt von Musik und eigenwilligen Gerüchen, die darauf schließen ließen, daß einige der betriebenen Experimente der Jugendlichen Endprodukte zutage förderten, die weder hier noch in ihrer früheren Heimat zum Konsum für Leute in ihrem Alter gedacht waren.Die beiden Freunde unterhielten sich über ihre Studien und Experimente. Hicks berichtete über seine Arbeit an den Drohnen und den Versuchen, die kybernetischen Kreationen der Ceresianer nachzubauen. Bisher wartete er jedoch nach wie vor auf die Zusage der Zuchtstationen ihm das notwendige Biomaterial zu überlassen. Felix sprach über die Feinjustierung der Energiefelder von Schutzschildgeneratoren. Hicks hätte seinem stämmigen Kumpanen keine solch filigrane Arbeit zugetraut. Die meisten der Projektteilnehmer hatten sich für die Konstruktion von Raumern und anderen Vehikeln interessiert; einige andere wiederum für diverse Forschungen der Labore für Biologie und Chemie.Schließlich erinnerten sie sich an ihre Zeit auf den Kolonien. Hicks Eltern hatten sein genetisches Profil nur im geringen Maße optimieren lassen, in der Überzeugung, daß ihr Sohn mit außergewöhnlichen Fähigkeiten geboren würde, die ihm durch ihre eigenen Gene bereits vererbt werden sollten. Obgleich er alle grundlegenden Eigenschaften eines Syntonen besaß, eines optimierten und auf eine bestimmte Aufgabe zurechtgeschnittenen Menschen, wie beispielsweise dessen verbessertes Immunsystem, war seine einzige herausragende Qualität seine Begabung für Mechanik. Tatsächlich war er verhältnismäßig schwächer und schmächtiger als die meisten veränderten Kinder, die ihn deswegen hänselten. Eines Tages zwangen die anderen ihn ein Kunststück mit einem Speeder auszuführen. Hicks verlor die Kontrolle über das Gefährt, welches einen Totalschaden erlitt und er dabei sein linkes Bein verlor. Dies wurde zwar durch eine täuschend echte synthetische Prothese ersetzt, doch fühlte er sich nie mit diesem Ersatz besonders wohl. Er zog sich immer mehr in sich zurück und als schließlich die Ceresianer für ihr Projekt warben, sah er die Gelegenheit gekommen, seiner Vergangenheit lebewohl zu sagen, und einen Neuanfang zu machen. Hier war er nun auf dem Mutterschiff fernab der Kolonien, unter Freunden und sogar mit einem Partner. Dergleichen hätte er nie für möglich gehalten. Er dachte, er hatte es wirklich gut getroffen. Seine Entscheidung würde er nie bereuen.Es war spät als Hicks nach Hause kam. Jack befand sich offenbar gerade im Begriff, sich ins Schlafzimmer zu begeben.„Willkommen daheim, wie geht es Felix und den anderen?“„Alles prima. Wolltest du gerade ins Bett? Ich hüpf schnell unter die Schalldusche und komm dann nach.“Hicks eilte ins Bad, und nach einer ausgiebigen Dusche begab er sich nackt wie er war zu seinem Liebsten ins Bett, wo sich ihre Körper eng aneinander schmiegten.

Der Saal war erfüllt vom schrillen Läuten der einarmigen Banditen, Relikte aus der grauen Vorzeit solcher Etablissements, die noch immer Anklang bei den Hoffnungsvollen fanden. Funkelnde Kronleuchter erhellten den Raum, ihr klares Licht unterbrochen vom schillernd bunten Blinken der Anzeigen und Projektionen diverser Spielautomaten und Tische. Säulen aus Axungit, welche dem Betrachter das Gefühl gaben, Ströme aus flüssigem Gestein würden von oben herabfließen, trugen das hohe Deckengewölbe. Kostbare finite Statuen säumten den Eingangsbereich, und diverse kleine Schreckensgestalten aus Raumfahrerlegenden zierten mit ihren marmornen Antlitzen die Wände. Laute klassische Musik, die man als Swing bezeichnete, übertönte die Freudenschreie der Sieger und das Wehklagen der Verlierer. Das gesamte Ambiente konnte als berauschend bezeichnet werden, und schon mancher verlor sich in diesem, und bemerkte erst viel zu spät, daß er bereits alles verspielt hatte, manchmal einschließlich seines Lebens. Die Crew der Starlancer genoß, jeder auf seine Weise, die erholsame Abwechselung des Kasinos zu der drögen Warterei der letzten Tage. Die Wiederaufbereitungsanlage des Klimasystems war offenbar mit der Fülle der Menschen, welche sich hier aufhielten, überfordert. Raphael hustete aufgrund der herben Mischung aus Alkohol, Rauch, und Schweiß. Sein Organismus war mit solchen Verunreinigungen nicht vertraut, das Atmen fiel ihm schwer, seine ohnehin nicht ans helle Licht gewöhnten Augen brannten, und eine leichte Übelkeit stieg in ihm auf.„Alles in Ordnung mit dir?“ Stella machte einen besorgten Gesichtsausdruck.„Schon gut, ich muß mich bloß erst etwas akklimatisieren.“„Wenn es dir zuviel wird, sag es. Ich bringe dich dann zurück zum Schiff.“„Danke.“

Stella schaute sich um. Ihre Blicke wanderten über die Menschenmassen an den Spieltischen. Ein kleiner breitschultriger Mann, dessen Gestalt an die eines mythologischen Zwerges erinnerte, wenn der Bart nicht gefehlt hätte, schekerte mit einer jungen Frau neben ihm. Silberne Haare mit schwarzen Spitzen umrahmten ihr Gesicht, jedoch schien sie mehr an ihrem Drink interessiert zu sein als an dem Verehrer. Am nächsten Tisch fielen zwei Männer auf, die dicht beieinander über ihr kleines Häufchen Spielchips gebeugt dasaßen und recht verzweifelt wirkten. Ihre Haare klebten von Schweiß getränkt an ihren Schädeln. Der Mann neben ihnen war wiederum guter Dinge. Von seinem Leib schwangen die Enden der zahllosen Bänder, die seinen Körper sowie die Glieder umwickelten und ihm das Aussehen einer verlotterten Mumie gaben. Zweifellos war dies der letzte Schrei auf einem der Monde des Jupiters. Er schwang sein Glas und verteilte dessen Inhalt ebenso achtlos wie mit der anderen Hand seine Chips auf dem Spieltisch.„Was schaust du dich so angestrengt um?“John hatte seinen Begleiter schon eine Weile gemustert. Er wußte, daß die junge Frau schön war, doch gerade hier in diesem goldenen Licht der Kronleuchter wirkte sie in ihrem samtroten Kleid wahrlich wie besagte Imperatix. Vorne wie hinten verlief ein tiefer Ausschnitt, der viel aber nicht zuviel von ihrem Körper preisgab. Der Stoff lag hauteng an ihr, paßte sich jeder ihrer Bewegungen an und endete von einem weiten Schnitt begleitet, um dem Träger mehr Beinfreiheit zu bieten, in einem gewellten Kelch, welcher die in ebenso roten Pömps steckenden Füße umschloß. Dem Captain fiel auf, daß ihre Zehennägel im passenden rot lackiert waren, gleichermaßen ihre Fingernägel. Ein schlichtes goldenes Fußkettchen zierte ihren linken Knöchel, das rechte Handgelenk ein ebenso goldenes Armband. Ihr Hals wurde von einem engen Halsband umschlossen, ebenfalls aus Gold und mit einem Rubin am Frontverschluß. Um ihr dezent geschminktes Gesicht, mit den bereits von natur aus kirschroten Lippen, fielen goldene Locken, in denen ein Kamm aus roter Koralle steckte und sie krönte wie ein Diadem.„Stella an John. Stella an Jo-ohn!“John schreckte auf. „Was? Wie? Ich wollte nur wissen, warum du so abgelenkt wirkst.“„Nur so, nichts weiter. Wie ich bereits sagte. Vielmehr scheint es mir, als ob du derjenige bist, welcher nicht ganz bei sich ist.“John schüttelte sich.„Ach, was. Ich war nur kurz abgelenkt. Und bei dir habe ich den Verdacht, daß du wieder einen neuen Auftrag für uns hast.“„Wie kommst du denn darauf?“ Die junge Frau machte einen unschuldigen Augenaufschlag.„Bitte Stella. Wir sind schon an einem anderen dran. Außerdem sind wir hier, um ein wenig auszuspannen.“Stella legte eine Hand an ihre Wange und neigte den Kopf. „Du kannst gerne auf deinen Anteil verzichten, wenn du willst.“Ihr Gegenüber verengte seine Augen und reckte das Kinn. „Das würde dir so passen. Also schön, erzähl mir was Sache ist.“Das Gesicht des Blondschopfs setzte ein Grinsen auf. „Wie gut bist du beim Roulette?“„Beim Roulette?“ John blickte entgeistert, „hast du überhaupt eine Ahnung von dem Spiel? Ob man gewinnt oder verliert ist vollkommen vom Zufall abhängig. Es gibt zwar gewisse Wahrscheinlichkeiten, aber wie das eben so mit denen ist, kann man am Ende doch alles verlieren.“„Mir reicht es wenn du genug gewinnst, um einen Tausenderchip dafür an diesem Tisch zu erhalten.“ Gleichmütig fuhr sie fort. „Nein, du kannst nicht einfach ein paar Chips holen und sie direkt eintauschen, um die Frage vorweg zu nehmen. Das wäre zu auffällig und ohnehin nicht vereinbart.“Der adrette Mann im Smoking verdrehte die Augen.„Was für ein krummes Ding ist das nun wieder? Und um deine Antwort vorweg zu nehmen: Natürlich ist das kein krummes Ding.“ Er atmete tief durch. „Alles klar, ich werde Raphael fragen, ob er mich unterstützen kann. Solange es sich nur um tausend handelt, werden wir niemandem sonderlich auffallen. Wo steckt er überhaupt?“„Unsere Jungs erleben gerade eine Menge Spaß, wie es aussieht. Arthur und 76 haben dem Kleinen wohl etwas Alkohol untergejubelt. Der Arme übergibt sich gerade in einen Blumenkübel.“Sie verzog angewidert ihren Mund und nickte in die Richtung, in welcher ein selbst für seine Verhältnisse besonders blasser Raphael sich an einen Blumentopf klammerte, während die beiden jungen anzugtragenden Männer neben ihm sich kaum halten konnten vor Lachen. Sie trugen Komplementärfarben, Nighteye einen weißen und Arthur einen schwarzen Anzug. Der Junge einen grauweißen Body wie viele Leute seines Alters.„Nenn Nighteye nicht so, du weißt genau, daß er das nicht mag,“ tadelte John seinen Begleiter.„Wieso eigentlich nicht? Es ist doch seine militärische Bezeichnung: 7C-2/76.“Der Mann spürte das aufrichtige Unverständnis der jungen Maid. „Das fragst du ihn am besten selbst. Jetzt muß ich erstmal die Bande zur Ordnung rufen.“Er ging mit Stella zum Rest der Crew. Als die beiden Männer sie kommen sahen, wurden sie schlagartig still. Während Stella sich um Raphael kümmerte, hielt John den beiden selbsternannten Komikern eine Standpauke.„Wollt ihr eigentlich, daß wir hier Hausverbot bekommen? Was meint ihr, was so ein Sauhaufen wir ihr für ein schlechtes Licht auf mich als euren Captain wirft? Und ihr wißt genau, daß Raphael das Zeug nicht verträgt; er ist außerdem noch viel zu jung dafür. Wenn ihr noch ein einziges Mal so einen Mist verzapft, liefere ich euch persönlich der Sicherheit aus.“Stella kam mit Raphael zu ihnen, den Arm um seine Schultern geschlungen.„Na, Kleiner. Alles wieder in Ordnung?“'„Es geht schon.“Der Junge lehnte sich an seinen Helfer, welcher eine andere Meinung vertrat.„Ich bringe ihn besser zurück auf die Starlancer. Er braucht dringend ein Gelbad, damit sich seine Implantate wieder auf ihn einstellen können. Das Zeug, was die beiden Blindgänger ihm verabreicht haben, hat sie ziemlich durcheinander gebracht.“„Riesig, Jungs,“ schimpfte John über die schuldbewußten Kerle und wandte sich dann an den kleineren Burschen. „Raphael, kannst du mir wenigstens ein paar Tips geben wie ich am besten beim Roulette Gewinn machen kann?“Der Junge reagierte nicht. John war nun sichtlich besorgt und wendete sich an Stella.„Es hilft nichts. Bring ihn auf das Schiff, und wenn er etwas braucht, buch die Behandlungskosten von den Konten der beiden hier ab, egal wieviel es sein wird.“Die beiden Männer stöhnten leise. Raphael drehte sich im Gehen noch einmal um.„Stella meinte, ihr müßt nur einen Tausenderchip erhalten? Dann setz einfach auf eine der Farben. Auf kurz oder lang wirst du tausend gewinnen, wenn auch potentiell mit mehr Verlust als Gewinn.“Nach diesem Hinweis begab sich Raphael ganz in die Obhut der blonden Maid und er verließ mit ihr die Halle.John beorderte den Rest seiner Crew, ihn an den Spieltisch zu begleiten. Nach einer halben Stunde war es endlich soweit und er hatte genug Gewinn gemacht, um diesen in den gewünschten Chip zu wechseln.„Ausgezeichnet, und jetzt verspiel ihn dort drüben am Kartentisch.“Er fuhr zusammen. „Seit wann bist du wieder hier, Stella? Und wieso soll ich das Teil nun wieder loswerden? Ich habe vielleicht doppelt soviel verloren wie ich gewonnen habe, nur um diesen Chip zu erhalten. Dennoch ist das immer noch nicht halb soviel, wie Arther und Nighteye heute einbüßen mußten.“„Zu deiner ersten Frage: Seit eben, wie du siehst; und zu deiner zweiten: So lautet der Auftrag. Du mußt den Chip an den feisten Kerl mit den schmierigen, schwarzen Haaren verlieren.“Stella, die wie aus dem Nichts neben ihrem Captain aufgetaucht war, klinkte sich bei ihm ein und dirigierte ihn zum nächsten Spieltisch hinüber.Es dauerte eine Ewigkeit bis sich schließlich die Gelegenheit ergab, und der Chip mit Sicherheit an den Dicken verloren gehen würde. Als John sich anschließend erhob und verabschiedete, bedankte sich sein Kontrahent noch anerkennend für das Spiel und widmete seine Aufmerksamkeit dann wieder den Karten.Als alle wieder auf dem Schiff waren, stellte John die junge Frau zur Rede.„Bekomme ich nun eine Erklärung?“Stella räkelte sich auf der Couch im Gemeinschaftsraum.„Sagen wir es so, ich bin ziemlich sicher, daß der Kerl beim Verlassen des Kasinos einige Probleme bekommen wird. Er ist ein berüchtigter Informationshändler, der geheime Regierungsdaten an diverse Konzerne verkauft. Natürlich konnte man ihm nie etwas nachweisen.“„Bis heute, nehme ich an,“ sagte John nachdenklich.Der Blondschopf verblüffte ihn immer mehr. Das hier konnte man beinahe als einen Akt der Nächstenliebe bezeichnen, welchen er dem Mädchen gar nicht zugetraut hätte. Was wohl ihr laufender Auftrag noch bringen würde? Eines war jedoch sicher, Glücksspiel zahlte sich nicht aus.Im Maschinenraum.„Verdammt, Nighteye! Warum mußtest du ihm auch dieses Dreckszeug in seinen Saft mischen? Du weißt genau, daß er nichts verträgt.“Arthur schlug in unregelmäßigen Abständen mit einem Stück ausgemusterter Rohrleitung gegen die Innenverkleidung des Schiffes. An dieser lehnte sein Kumpel und zuckte jedesmal mit den Ohren, wenn ein erneuter Hieb auftraf.„Du hast dich doch am meisten darüber kaputtgelacht, wie er darauf reagiert hat. Und hör auf mit dem Scheiß.“Er blickte auf die Rohrstange in Arthurs Hand. Dieser feuerte sie in eine Ecke des Raumes, wo sie ein ohrenbetäubendes Scheppern wie zum Vorwurf von sich gab.„Ach, halts Maul. Bei John hast du deine Klappe schließlich auch nicht aufgerissen.“Der Krieger schnaubte. „Ebensowenig wie du.“Sein Freund der Techniker wollte noch aufbegehren, entschied sich jedoch anders.„Ach, hast ja recht. Ich hätte dich gleich davon abhalten sollen, Raphael das Zeug zu geben. Stattdessen lache ich auch noch mit. Einigen wir uns darauf, daß wir beide schuld haben.“Nun lächelten sie beide wieder, doch dann schob sich ein Schatten über Nighteyes Gesicht.„Wie geht es dem Kleinen eigentlich?“Arthur hob die Schultern. „Keine Ahnung, wir sollten sicherheitshalber mal nachschauen, wie es um ihn steht. John übertreibt zwar, was seine Implantate angeht, das kann ich dir versichern, aber seiner Konstitution ist so etwas dennoch nicht zuträglich.“„Dann mal auf zum Krankenbesuch.“Sie gingen los zur Medostation. Seit sie keinen Schiffsarzt mehr hatten, übernahm ein Autodoc dessen Rolle. Dieser war zwar bei weitem nicht zu solch differenzierten Entscheidungen und Urteilen fähig wie ein echter Mediziner, aber konnte die meisten Beschwerden ebensogut behandeln. Nighteye, der einen Smutje mehr vermißte als den Arzt, führte den Dialog auf dem Weg fort.„Er ist quasi einer von diesen lebenden Computern, wenn man so will?“Arthur berichtigte. „Er ist ein sogenannter lebender Computer, aber es ist vielmehr so, daß seine Denkprozesse von einem in ihm verbauten Supercomputer unterstützt werden, welcher mit seinen Sinnen verkabelt ist. Außerdem ist eines der modernsten Cyberdecks Teil des Systems.“„Deswegen ist er also ein so guter Hacker?“ mutmaßte der drahtige Kämpfer.„Genauso sehr wie dein melanisches Organ, das deiner Haut diesen pechschwarzen Teint verleiht, dich zu einem überlegenen Soldaten macht.“„Das ist nur dazu da mich gegen Hitze, im begrenzten Maße Feuer, ultraviolette, und radioaktive Strahlung zu schützen. Was mich zum perfekten Krieger macht, sind mein Talent und meine Ausbildung.“