Stellaris Paket 9 - Olaf Brill - E-Book

Stellaris Paket 9 E-Book

Olaf Brill

0,0

Beschreibung

Das Raumschiff STELLARIS lädt ein zu einer besonderen Reise in das Perryversum Die STELLARIS ist ein besonderes Raumschiff: Seit vielen Jahren reist sie durch das Universum der PERRY RHODAN-Serie, bemannt von einer wechselnden Besatzung, unter wechselnder Leitung und mit wechselnden Zielen. Die Abenteuer, die ihre Besatzung und Passagiere erleben, sind Thema zahlreicher Geschichten ... Unterschiedliche Autoren verfassten die Kurzgeschichten rings um das Raumschiff STELLARIS. Sie werden seit Jahren regelmäßig im Mittelteil der PERRY RHODAN-Hefte veröffentlicht – hier präsentieren wir die Folgen 81 bis 90 in einer Sammlung. Mit dabei sind Kurzgeschichten von Olaf Brill, Robert Corvus, Ulf Fildebrandt, Gerhard Huber, Michael G. Rosenberg, Roman Schleifer, Thorsten Schweikard, Michael Tinnefeld und Ruben Wickenhäuser. Das STELLARIS-Paket 9 umfasst folgende Geschichten: Folge 81: »Pjotos letzte Reise« von Ruben Wickenhäuser Folge 82: »Das Chaos-Artefakt« von Gerhard Huber und Michael Tinnefeld Folge 83: »Im Dilatationsflug« von Olaf Brill Folge 84: »Blinde Passagiere« von Michael G. Rosenberg Folge 85: »Der lange Schlaf« von Ulf Fildebrandt Folge 86: »Der Schutzengel« von Roman Schleifer Folge 87: »Das Daidalos-Prinzip« von Thorsten Schweikard Folge 88: »Die Welt der Shookaari« von Michael G. Rosenberg Folge 89: »Das Kugellabyrinth« von Thorsten Schweikard Folge 90: »Verschwiegenheit« von Robert Corvus

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 298

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover

Vorwort

Stellaris 81

Vorwort

»Pjotos letzte Reise« von Ruben Wickenhäuser

Stellaris 82

Vorwort

»Das Chaos-Artefakt« von Gerhard Huber und Michael Tinnefeld

Stellaris 83

Vorwort

»Im Dilatationsflug« von Olaf Brill

Stellaris 84

Vorwort

»Blinde Passagiere« von Michael G. Rosenberg

Stellaris 85

Vorwort

»Der lange Schlaf« von Ulf Fildebrandt

Stellaris 86

Vorwort

»Der Schutzengel« von Roman Schleifer

Stellaris 87

Vorwort

»Das Daidalos-Prinzip« von Thorsten Schweikard

Stellaris 88

Vorwort

»Die Welt der Shookaari« von Michael G. Rosenberg

Stellaris 89

Vorwort

»Das Kugellabyrinth« von Thorsten Schweikard

Stellaris 90

Vorwort

»Verschwiegenheit« von Robert Corvus

Das Raumschiff STELLARIS lädt ein zu einer besonderen Reise in das Perryversum

Die STELLARIS ist ein besonderes Raumschiff: Seit vielen Jahren reist sie durch das Universum der PERRY RHODAN-Serie, bemannt von einer wechselnden Besatzung, unter wechselnder Leitung und mit wechselnden Zielen. Die Abenteuer, die ihre Besatzung und Passagiere erleben, sind Thema zahlreicher Geschichten ...

Unterschiedliche Autoren verfassten die Kurzgeschichten rings um das Raumschiff STELLARIS. Sie werden seit Jahren regelmäßig im Mittelteil der PERRY RHODAN-Hefte veröffentlicht – hier präsentieren wir die Folgen 81 bis 90 in einer Sammlung.

Mit dabei sind Kurzgeschichten von Olaf Brill, Robert Corvus, Ulf Fildebrandt, Gerhard Huber, Michael G. Rosenberg, Roman Schleifer, Thorsten Schweikard, Michael Tinnefeld und Ruben Wickenhäuser.

Das STELLARIS-Paket 9 umfasst folgende Geschichten:

Folge 81: »Pjotos letzte Reise« von Ruben Wickenhäuser

Folge 82: »Das Chaos-Artefakt« von Gerhard Huber und Michael Tinnefeld

Folge 83: »Im Dilatationsflug« von Olaf Brill

Folge 84: »Blinde Passagiere« von Michael G. Rosenberg

Folge 85: »Der lange Schlaf« von Ulf Fildebrandt

Folge 86: »Der Schutzengel« von Roman Schleifer

Folge 87: »Das Daidalos-Prinzip« von Thorsten Schweikard

Folge 88: »Die Welt der Shookaari« von Michael G. Rosenberg

Folge 89: »Das Kugellabyrinth« von Thorsten Schweikard

Folge 81: »Pjotos letzte Reise« von Ruben Wickenhäuser

Willkommen an Bord der

Ahoi vom Raumschiff STELLARIS!

Habe ich schon erzählt, dass ich einmal Stanisław Lem begegnet bin, dem berühmten polnischen Science-Fiction-Autor und Philosophen? Im August 1994 besuchte ich ihn mit drei Kommilitonen in seinem Haus in Krakau (Kraków). Etwa zwei Stunden lang interviewten wir ihn in seinem Arbeitszimmer. Nicht nur der imposante Schreibtisch, sondern der ganze Raum war übersät mit Dokumenten, Büchern und Zeitschriften aus allen nur erdenklichen wissenschaftlichen Disziplinen, darunter zum Beispiel auch die aktuelle Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins »Der Spiegel«.

Das Gespräch fand in deutscher Sprache statt, die Lem fließend beherrschte, mit charmantem polnischen Zungenschlag. Witzig und eloquent breitete er seine umfassende Kenntnis der Wissenschaften vor uns aus. Wenn man ihn etwas fragte, redete er so lange, bis er bei dem Thema war, über das er gerne sprechen wollte.

Science-Fiction-Freunde kennen natürlich seine »Sterntagebücher« und den mehrmals verfilmten Roman »Solaris«, seinen Testpiloten Pirx und den Sternfahrer Ijon Tichy. Lem und andere Vertreter der osteuropäischen Science Fiction prägten einen besonders intelligenten und ironischen Stil, der sich stark von Heldengeschichten westlicher Prägung unterscheidet. Da gehen einfache Menschen auf ungewöhnliche Reisen. Sie treffen auf bizarre Welten, die sie oft nicht verstehen. Dabei werfen sie einen kritischen Blick auf die vergleichsweise bescheidenen Errungenschaften und Leistungen der irdischen Menschheit.

Unser Autor Ruben Wickenhäuser hat seine neue STELLARIS-Geschichte im Geiste dieser Art Science Fiction verfasst. Wenn sich bei ihm der Diplomatensohn Pjoto, Typ gelangweilter Schnösel, auf eine kleine Spritztour in den Weltraum begibt, fühle ich mich jedenfalls sofort an Lems Geschichten erinnert. Hiermit verbinden wir also eine klassisch anmutende Raumfahrergeschichte mit der PERRY RHODAN-Serie, die ja ihrerseits bereits ein Klassiker ist.

Wickenhäuser stellt sich auf seiner Website als »Vollblutpublizist« vor. Er ist auch aktiver Betreiber und Promoter der ungewöhnlichen Sportart Jugger. Als Schriftsteller hat er Jugendbücher, historische Romane, Thriller und Sachbücher geschrieben, ebenso mehrere Romane für PERRY RHODAN NEO. Auch zu unserer STELLARIS-Reihe hat er schon einige Kurzgeschichten beigetragen.

Der Arbeitstitel seiner Story war übrigens »Der Unbeeindruckbare« – eine Anspielung auf Lems Roman »Der Unbesiegbare« aus dem Jahr 1964. Auf meinen Wunsch haben wir zum griffigeren Titel »Pjotos letzte Reise« gewechselt, der immerhin ein bisschen an die »Reisen und Erinnerungen des Sternfahrers Ijon Tichy« erinnert. Auf jeden Fall ist Wickenhäusers Story ein vergnügliches Science-Fiction-Abenteuer der besonderen Art!

Besonders glücklich bin ich, dass es uns gelungen ist, für die Titelillustration mal wieder Conrad Schuebarg zu gewinnen, ein Pseudonym, hinter dem sich der Hamburger Maler und Illustrator Stefan Barton verbirgt. Schuebarg hat bereits mehrere Zeichnungen zur STELLARIS-Reihe beigesteuert. Er ist sogar der Künstler, der bisher die meisten Titel-Illus gezeichnet hat. Aber das bedeutet ja nicht, dass er gerade frei ist, wenn wir ihn mal wieder kurzfristig anfragen.

Daher freut es mich besonders, dass es diesmal geklappt hat. Denn sein einzigartiger Stil passt einfach hervorragend zu dieser Geschichte und fängt auf wunderbare Art ihren Geist ein. Die Bildredaktion hatte wie immer Maikel Das vom Hamburger Comic-Verlag Alligator-Farm.

Allzeit gute Fahrt zu den Sternen

Ad astra

Folge 81

Pjotos letzte Reise

von Ruben Wickenhäuser

»Damit sollen wir fliegen?« Pjoto stieß angewidert den Atem aus.

Die Idee mit der galaktischen Rundreise war ausnehmend dumm gewesen. Pjoto hatte sich von der Werbung des Ultraluxuskreuzers TELIMBARZ locken lassen, die mit einem berauschenden Holo inklusive überwältigendem Geruchs- und Tasterlebnis für die Reise geworben hatte.

Dabei hätte er ahnen können, dass sein Vater Hintergedanken gehegt hatte. Denn die TELIMBARZ, die mit allen nur denkbaren Annehmlichkeiten aufwartete, sollte nur der erste Teil ihres gemeinsamen Ausflugs sein, für den Abschnitt von einigen Tausend Lichtjahren.

Nach zugegebenermaßen ganz netten Tagen auf dem Platinplaneten Vanels waren sie umgestiegen. Das ... Ding, wie es Pjoto mangels besserer Worte nannte, war ein mistiger kleiner Kugelraumer, so eine funktionalistische Hässlichkeit, wie sie die stillosen Kerle vom Militär flogen, oder jene Art von Personen, die sich in einem Palast wähnten, wenn sie nur einen möglichst kostbaren Teppich auf den Stahlboden der Messe klatschten.

»Mein Sohn muss auch das einfache Leben kennenlernen«, sagte sein Vater, wie einer, der seinen Zögling zum ersten Mal zu einer Übernachtung unter freiem Himmel mitnimmt. »Lass dich nicht täuschen, mit der STELLARIS reist so manches Diplomatische Korps.«

Pjotos Vater hielt Netzwerken für eines der wichtigsten Dinge im Leben. Auch deshalb hatte er beträchtliches Ansehen und Einfluss gewonnen. Pjoto verstand allerdings nicht ganz, wozu das gut sein sollte: Unterm Strich waren die meisten Lebewesen in der Galaxis arme Schlucker, verglichen mit dem Vermögen seiner Familie. Wozu brauchte er diesen Einfluss, wenn er ohnehin alles haben konnte, was er wollte?

Oder war es dieser lächerliche Titel des Konsuls ehrenhalber? Wollte sein Vater sich damit nur beweisen, dass er sich den Titel nicht gekauft, sondern als bedeutende Persönlichkeit redlich verdient hatte? Pjoto blieb es ein Rätsel.

Das Ergebnis war dasselbe: Ständig schipperten sie wegen stinklangweiliger Treffen und Partys durchs Weltall, und wäre es in ihrem Heimatdomizil nicht noch langweiliger gewesen, hätten keine zehn Kampfroboter Pjoto an der Seite seines Vaters gehalten. Aber so ließ er sich eben mittreiben.

Ärgerliches Resultat war, dass er immer wieder an schrecklichen Orten wie diesem festsaß. Ein abgehalfterter Raumdampfer. Die billige Unterhaltung, mit der die STELLARIS warb, hatte Pjoto an einem Tag abgehakt. Die viel gepriesene Panorama-Lounge bot einen Blick in Schwärze mit Lichtpunkten darin, genannt Weltall. Das Hydroponium fand Pjoto viel zu klein. Die Bars waren entweder zu billig oder scheinbar vornehm. Hier gab es noch nicht einmal simple Moonwalk-Freigänge oder einen Megatank, in dem es sich zu psychedelischen Farben schweben ließ.

Das Freizeitangebot war, kurz gesagt, nicht existent. Und da Pjoto natürlich nur Freizeit hatte, war er ziemlich schnell sehr frustriert.

*

»Nachher ist der Empfang in der Lounge«, erinnerte ihn sein Vater, der wie üblich mit ihm per Interkom von Kabine zu Kabine kommunizierte. »Ich möchte, dass du dabei bist. Da lernst du einige wichtige Leute kennen.«

»Ach komm. Wieder irgendwelche Diplomaten?«, nölte Pjoto.

»Nicht irgendwelche Diplomaten«, erwiderte sein Vater und zählte eine ganze Liste von Namen und Staatenbünden auf, die Pjoto nichts sagten und die er sofort wieder vergaß. »Sei pünktlich.«

»Keine Lust«, bockte Pjoto.

Sein Vater hatte schon abgeschaltet. Pjoto versank wieder in dem Holospiel, mit dem er die Zeit totschlug, klinkte sich aber nach kurzer Zeit aus. Es war so was von dröge ... und er wusste genau, bei Empfängen ließ sein Vater nicht locker. Wenn er sich nicht großen Ärger einhandeln wollte, musste Pjoto da sein. Pünktlich natürlich.

*

Ein Steward aus Fleisch und Blut bot ihm ein Tablett mit einer Auswahl an Getränken an. Immerhin kein Roboter, dachte Pjoto. Ob das aber ein Vorteil ist ...

Er nahm ein Glas, dessen Inhalt ihm noch am ehesten trinkbar erschien. Edlere Tropfen als diese trank er für gewöhnlich wie Wasser, aber sein Vater erwartete von ihm gutes Benehmen.

Entlang der Wände schwebten deckenhohe Holoprojektionen, die ihr aktuelles Sonnensystem abbildeten; ab und zu zog ein stark vergrößerter Himmelskörper vorbei. Pjoto konnte sich kaum etwas Eintönigeres vorstellen.

Schicksalsergeben wandte er sich den versammelten Gästen zu. Zumindest eines ließ sich nicht leugnen: Es war ein bunter Haufen, der sich zusammengefunden hatte. Die Schiffsoffiziere stachen in ihren einheitlichen Galauniformen aus der Unzahl der Geschmacklosigkeiten heraus, die zur Schau getragen wurden. Die Vorliebe für billige holografische und nanotechnische Modespielereien empfand Pjoto als zutiefst deprimierend. Da schätzte er sein einfaches Krillseidehemd doch sehr. Das kam ohne jeden technischen Schnickschnack aus und verkündete trotzdem unmissverständlich, dass es ein Vermögen gekostet hatte.

Eine Gestalt erregte seine Aufmerksamkeit. Vielleicht lag das daran, dass auch sie technofreie Kleidung trug. Dabei hatte die Frau nicht einmal eine bemerkenswerte Figur: Dafür ist sie etwas zu ... Pjoto überlegte. ... stämmig wäre zu viel gesagt. Robust vielleicht?

Auch ihre Frisur war eher gewöhnlich, keine Lockenmähne und kein Beweis für die Kunst des Friseurhandwerks. Zugleich bewegte sie sich auf eine Art, die perfekt zu ihrem eben nicht perfekten Körper passte. Pjoto hatte keine Ahnung, warum er gerade diese Frau anziehend fand. Models, die im Gegensatz zu dieser in der halben Galaxis als bildhübsch galten, kannte er zu Genüge. Er musste es sich nur wünschen, und er konnte sich eine Gefährtin mit Idealfigur aussuchen.

Vielleicht, weil bestellte Gespielinnen mir einfach langweilig geworden sind?, dachte er. Oder weil mir kitschige Romanzen schon längst über sind?

Nun, das war natürlich im Grunde irrelevant. Diese Frau verlieh seinem öden Aufenthalt so etwas wie eine Ahnung von Unterhaltung, und das war besser als nichts. Gekonnt unauffällig ließ er sich in ihre Richtung treiben. Auf dem Weg erfuhr er durch geschicktes Nachfragen bei anderen Gästen ihren Vornamen: Caralla.

*

Caralla hob ihr Glas, als er zu ihr trat, aber Pjoto erkannte die Geste als eine reine Formalität. Sie zeigte noch nicht einmal gespieltes Desinteresse an ihm – für sie war er einfach irgendjemand unter den Gästen, eine austauschbare Figur.

Und genau das fand er auf rätselhafte Weise anziehend. Eine innere Stimme sagte Pjoto, dass die Nummer gönnerhafter Konsulssohn hier nicht klappen würde. In ihren Augen lag zudem eine Klugheit, die auch belanglosen Small Talk als Erfolg versprechende Strategie ausscheiden ließ.

Nein, wenn ich an Caralla herankommen will, muss ich geschickter vorgehen ... Rasch blickte er sich um, so als hätte er ein bekanntes Gesicht gesehen: Er brauchte einen Plan und musste sich Zeit verschaffen ...

»Caralla Snotgrab, wie geht es dir?«, erlöste ihn die Chefstewardess Capeka C-7, die gerade ihre Runde bei den Gästen machte. Sie war an ihren Tentakelarmen und dem zylinderförmigen Körper unschwer als Posbi zu erkennen. Pjoto erinnerte sich, dass sie über einen besonders hohen Bioplasmaanteil verfügte.

»Wie nett, dass du fragst!«, freute sich Caralla. »Gibt es eigentlich Neuigkeiten von der verschwundenen ehemaligen Kapitänin Thassaia?«

Das interessierte Pjoto nicht die Bohne.

Jetzt ist doch noch ein Roboter da, dachte er angeekelt, anstatt auf die Antwort zu achten.

Immerhin hatte er die Posbi bei einer Gelegenheit angeregt darüber diskutieren gehört, ob sie ein lebendes Wesen sei oder nicht. Dabei hatte Capeka der Einfachheit halber beide Positionen vertreten. Das fand er im Grunde genauso uninteressant wie ihre Antwort auf Carallas Frage – aber um Carallas Aufmerksamkeit zu erringen, musste er sich in den Dialog einklinken, ohne sich um bisher Gesagtes kümmern zu müssen.

Die Gelegenheit bot sich ihm, als auf einer Holowand die Darstellung eines Planetoiden vorbeizog, dessen Oberfläche wie ein Ölfilm schillerte.

»Vielleicht ist sie ja auf einem Planeten wie dem da gestrandet«, warf er ein.

»Das ist Skrutis.« Die Chefstewardess ließ ein eigentümliches Lachen hören. Es klang nach Posbi-Art fast, aber eben nicht ganz natürlich. »Rein hypothetisch wäre ein solches Szenario denkbar.«

»Ich habe gehört, dass Skrutis Sperrgebiet ist.« Caralla blies über die Nebelschwaden ihres Drinks. »Weißt du, weshalb?«

Capeka C-7 machte ein Geräusch, das Pjoto an das Absaugen von Schmutzwasser nach der Intensivreinigung eines Pools erinnerte. »Das gehört leider nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.«

»Vielleicht sollen damit nur junge Heißsporne davon abgehalten werden, inmitten der Trümmer ihrer Schiffe auf dem Planetoiden zu enden«, mutmaßte Caralla mit einem amüsierten Blick auf Pjoto.

Er bemerkte überrascht, dass er daraufhin errötete.

»Na ja, sie wären mutig«, begehrte er auf.

Caralla machte nur eine wegwerfende Handbewegung. »Mut, der nicht von Vernunft und Verstand unterstützt wird, taugt nicht viel. – Die Wendelschleifen haben bestimmt zu Unfällen geführt?«

Pjoto hatte keine Ahnung, was Wendelschleifen waren.

Capeka C-7 gab ein zustimmendes Summen von sich. »Ich berechne eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass deine Annahme Teil der zutreffenden Antwort ist. Nun musst du mich entschuldigen, ich werde noch die übrigen Gäste begrüßen. Falls du etwas brauchst, zögere nicht, es mir mitzuteilen.« Damit schwebte die Posbi davon.

»Da ruft die Pflicht«, kommentierte Pjoto herablassend. »Ein devoter Haufen Positronik.«

Caralla sah ihn von der Seite an. »Dieser devote Haufen Positronik ist vermutlich klüger als wir alle, und bedient uns trotzdem. Das nenne ich Pflichtbewusstsein ...«

Damit hatte er ihre Aufmerksamkeit! Nur leider ganz und gar nicht auf die Weise, auf die er sie gerne gehabt hätte. Er brauchte schnell einen Plan, oder die Gelegenheit wäre vertan. Er setzte ein gleichgültiges Gesicht auf und wechselte das Thema.

»Wendelschleifen sind das da, sagtest du? Da fliegt man doch einfach durch. Wozu gibt es Schutzschirme?«

Caralla wirkte immerhin amüsiert.

Nein, so ganz in die richtige Richtung geht das immer noch nicht, fand er. Aber immerhin, sie sprachen miteinander!

»Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, Holos über die Systeme anzusehen, in denen wir haltmachen.« Caralla ließ das Cocktailstäbchen in ihrem Glas kreisen, wodurch der Inhalt ein wenig stärker zu dampfen begann. »Das macht die Reise viel interessanter.«

Pjoto wusste nicht recht, wieso das interessant sein mochte. Auch egal, Hauptsache, sie spielt mit.

»Da hast du recht.« Sein gelangweilter Gesichtsausdruck sollte verraten, dass sein Interesse geheuchelt war. »Sonst ist es ja öde.«

Caralla schien es ihm abzukaufen ... oder machte sie sich nur insgeheim über ihn lustig? Er wusste es nicht. Jedenfalls hob sie eine Augenbraue. »Bist du sehr wissbegierig?«

»Ich bin mehr der Praktiker. Nichts geht darüber, die Wunder des Weltalls mit eigenen Augen zu sehen.«

»Und du hast schon viele davon gesehen, nehme ich an.« Ehe Pjoto sich entscheiden konnte, ob sie das ernst meinte oder ihn nur auf den Arm nahm, fuhr sie fort: »Und was für ein Praktiker bist du denn?«

»Pilot.« Er nippte an seinem Cocktail.

Das Gespräch hatte vielversprechend angefangen, aber jetzt ... es begann ihn zu langweilen. Es war immer das Gleiche, wenn er sich mit anderen Lebensformen unterhielt. Unterhaltungen waren öde. Menschen waren öde. Und die sonstigen Bewohner der Galaxis waren sogar noch öder. Immer, wenn die Hoffnung aufkeimte, dass jemand mal nicht so öde war ... wurde er enttäuscht. Es machte ganz den Eindruck, als würde sich Caralla in diesen Reigen einreihen.

Aber dann machte sie einen Vorschlag.»Fliegen wir eine Runde!«

Pjoto stutzte. Im Weltraum herumzufliegen, fand er ziemlich ätzend. Das mit dem Piloten hatte er eigentlich nur gesagt, weil es eine gute Standardantwort war, die zumeist für einen gewissen Eindruck sorgte, aber keine lästigen Fragen nach sich zog.

»Das ... ist ein interessanter Vorschlag«, entgegnete er verwirrt. »Ich besorge uns ein Raumschiff.«

Ein Hoffnung nahm in seinem Kopf Gestalt an. Die Hoffnung, wie aus dieser öden Party vielleicht doch noch etwas werden konnte, bei dem er nicht vor Langeweile starb. Er hatte ohnehin nichts Besseres zu tun.

»Das war ein Scherz.« Caralla lachte. »Außer, du kannst zaubern oder hast deine eigene Jacht im Hangar stehen. Samt außerordentlicher Starterlaubnis.«

»Pah.« Für einen Augenblick war Pjoto versucht, ihr ein Ich bin Konsulssohn hinzuwerfen, unterließ es aber. »Heute Abend, an der Schleuse zum Hangar der Space-Jets!«

»Okay«, sagte Caralla langsam. In die Belustigung ihres Gesichtsausdrucks hatten sich Zweifel gemischt. »Du meinst das wirklich ernst, oder?«

Pjoto konnte ein abfälliges Schnauben nicht unterdrücken. »Hältst du mich für einen dieser Scherzkekse, die nur Eindruck schinden wollen? Nachher an der Schleuse!«

»Also ... alles klar. Dann werde ich mal meine Expeditionsausrüstung klarmachen ...«

Zwar war sich Pjoto sicher, dass ihre Worte ironisch gemeint waren, aber er hatte es nicht nötig, darauf einzugehen. Stattdessen stellte er das halb volle Cocktailglas auf ein Tischchen und wandte sich zum Gehen. »Ich bereite alles vor.«

Caralla sagte noch etwas, aber sie sprach nur noch zu seinem sich rasch entfernenden Rücken, und Pjoto verstand es nicht.

*

Natürlich war es kein Problem, die Starterlaubnis für eine kleine Space-Jet aus der Sammlung seines Vaters zu bekommen. Es war eine ältliche Maschine, die eine unaussprechliche Typenbezeichnung aus der rasselnden Sprache eines terranischen Machtblocks aus grauer Vorzeit trug. Auch wenn auf der STELLARIS hohe Gäste zum Alltag gehörten, nahm sein Vater doch eine Sonderstellung ein, bei dem Einfluss, den er hatte. Nur nicht zu viele Personen durften davon Wind bekommen ... und da kam es Pjoto zupass, dass er über seinen Vater Zugriff auf eine ganze Reihe kleiner Aufmerksamkeiten hatte, mit denen sich Gefallen kaufen ließen.

Daher war es geradezu ermüdend einfach, alles in die Wege zu leiten und sie beide in die Space-Jet zu setzen. Wäre ihm etwas daran gelegen gewesen, er hätte sich daran laben können, wie beeindruckt Caralla war. Sie saß im Sessel des Copiloten und beobachtete mit einem eher ungläubigen Gesichtsausdruck, wie der Start freigegeben wurde und sie die mächtigen Schleusentore passierten.

Pjoto gab ein wenig Schub, und der kugelförmige Körper der STELLARIS mit seinem markanten Ringwulst fiel hinter ihnen zurück. Wie eine stählerne Seifenblase hing das Raumschiff in einem künstlichen Orbit um das Zentralgestirn. Hatte ihre Space-Jet im Hangar winzig gewirkt, erschien nun umgekehrt der Kreuzer wie ein winziger Punkt zwischen glosendem Zentralstern und tiefdunklem All.

»Bist du zum ersten Mal draußen?«, fragte Pjoto, ohne an einer Antwort wirklich interessiert zu sein.

Wäre es ihm allein um diese Spritztour gegangen, er wäre schon umgekehrt, aus Angst, vor Langeweile zu sterben. Aber sein geheimes Vorhaben würde zumindest der Ahnung eines Nervenkitzels nahekommen ... und dazu musste er Carallas Aufmerksamkeit ablenken, wenigstens für einen Moment.

»Aber nein!«, erwiderte sie amüsiert und wandte ihm dabei ihr Gesicht zu – und es damit von der Außenwelt ab. Perfekt! Er schaltete einige Kontrollholos auf sein linkes Auge, sodass sie die Anzeigen nicht sehen konnte, und rang sich ein Grinsen ab.

»Du hast so interessiert nach draußen gesehen, darum.«

»Ich finde den Weltraum immer wieder faszinierend.« Ehrliche Begeisterung schwang in ihrer Stimme mit.

»Sterbenslangweilig«, rutschte es ihm heraus.

»Sterbenslangweilig ...« Sie musterte ihn nachdenklich. »Bist du eigentlich glücklich?«

Die Frage hätte ihn wohl emotional berühren sollen, aber sie stieß in sein Gemüt wie in Watte. Er nahm rasch einige Schaltungen vor, während er antwortete: »Glücklich bin ich nur selten, nur für Augenblicke. Glück ist albern.«

»Das klingt ziemlich traurig«, konstatierte sie.

Ihm war das nur recht. So würde sie hoffentlich erst zu spät bemerken, was er vorhatte. Gleichmütig hob er die Schultern. »Es ist, wie es ist.«

Es dauerte tatsächlich eine ganze Weile, bis sie entdeckte, dass er einen bestimmten Kurs eingegeben hatte. Da die Planeten des Sternsystems ohne aktivierte Vergrößerung nur aus winzigen, in der Ferne glimmenden Punkten bestanden, war Caralla nichts aufgefallen, bis einer der Punkte direkt vor ihnen zu einer grün schillernden Kugel anwuchs – und das mit rasender Geschwindigkeit.

»Wo steuerst du hin? Ist das ...«

»Das ist Skrutis.« Pjoto nickte befriedigt, während die ölfilmartigen Schlieren schon das gesamte Sichtfeld einnahmen.

»Was hast du vor? Hast du nicht gehört, das ist Sperrgebiet!«

»Das gilt für andere«, sagte Pjoto leichthin. Unerwartet spürte er ein neuartiges Gefühl in sich aufsteigen: So etwas wie Aufregung, eher wie Erwartung ... von was?

»Was soll das? Willst du mich beeindrucken?« Carallas Stimme klang zornig. »Wir sind keine Kleinkinder mehr! Willst du, dass wir abstürzen?«

Pjoto hörte sie wie aus weiter Ferne. Aufregung ... Erwartung ...

»Ich glaube nicht daran, dass Abstürze der Grund für das Sperrgebiet sind. Ich beweise es dir. Wir landen!«

»Das kannst du nicht machen! Positronik! Sofort Anflug abbrechen!«

»Befehl widerrufen, Anflug fortsetzen«, konterte Pjoto. »Komm, wir haben die Vorschriften ohnehin schon verletzt.« Im gleichen Augenblick waren sie in das neblige Grün der Atmosphäre eingetaucht. Oder waren das die Wendelschleifen? »Lass uns nachsehen, was dort unten verborgen liegt.«

Mit Erstaunen nahm Pjoto wahr, dass er tatsächlich Neugier verspürte. Es war ein Gefühl, das ihm weitgehend unbekannt war. Und da war noch etwas anderes ... Vertrautheit.

Caralla öffnete den Mund zu einer erbosten Erwiderung, da schrillten die Alarmpfeifen der Space-Jet.

»Was hast du getan?«, schrie sie ihn an.

Pjoto zog die Holokontrollen hastig zu einer übersichtlicheren Kugel auf, die sich um seinen Kopf drehte, und prüfte die Anzeigen.

»Keine Ahnung! Die Positronik spinnt!«, rief er. Er war nicht so sehr verzweifelt wie ... hilflos, und dabei seltsam passiv, als betrachte er sich selbst von außen. So, als studiere er ein neues, exotisches Gefühl.

»Schau!«

Der Ausruf seiner Begleiterin ließ ihn zwischen den Holokontrollen hindurch einen Blick nach draußen werfen. Riesenhaften Tropfenwürmern nicht unähnlich, krochen – flossen? – in allen Grüntönen irisierende Erscheinungen über die Glassitkanzel.

»Was ist mit unseren Schirmen?« Caralla hatte eigene Holoanzeigen aufgerufen, aber es war selbst unter diesen Bedingungen deutlich zu sehen, dass sie mit den ausgegebenen Datenkolonnen überfordert war.

»Ich weiß es nicht! Die Schirme sind nicht ausgefallen, aber sie helfen nicht gegen die Turbulenzen oder diese ... Dinger! Die Positronik behauptet sogar, dass wir viel weiter von Skrutis entfernt sind!« Zwar hatte Pjoto eine Pilotenlizenz, aber für die technischen Einzelheiten des Raumflugs hatte er sich nie interessiert. Nur so viel begriff auch er: dass die Angaben der Instrumente nicht mit der Realität übereinstimmten. »Angeblich sind wir im völlig friedlichen Leerraum! Ich glaube, deswegen kann sich die Positronik die Störungen nicht erklären und ...«

Das erneute Aufkreischen der Alarmpfeifen unterbrach ihn. Ein sägender Basston gesellte sich gleich darauf hinzu, der selbst bei Pjoto instinktiv Panik aufkommen ließ.

»Setze einen Hilferuf an die STELLARIS ab!«, forderte Caralla.

»Damit alle wissen, dass wir den Planetoiden anfliegen? Auf keinen Fall!« Pjotos Stimme überschlug sich.

Jede weitere Diskussion erübrigte sich, als der Schleier aus Grüntönen zerriss, die Erscheinungen von der Space-Jet abglitten und sie direkt auf eine Fläche voller Mulden und Erhebungen starrten. Und diese Fläche stürzte ihnen rasend schnell entgegen ... oder besser, sie stürzten ihr rasend schnell entgegen.

Die Alarmpfeifen verstummten, stattdessen heulten die Triebwerke in dem Versuch auf, das Raumfahrzeug abzubremsen, und gerieten ins Stocken. Die Kompensatoren vermochten kaum die Kontrollholos gegen das Rütteln zu stabilisieren. Fesselfelder pressten Pjoto und Caralla in die Sitze.

Gleich darauf schlug die Space-Jet mit der Wucht eines kleinen Meteoriten auf der Oberfläche des Planetoiden auf. Nur dank der Schutzschirme bohrte sie sich metertief in das Erdreich, anstatt in einer Explosion zu vergehen.

Mit einem Schlag war es in der Pilotenkanzel dunkel und still geworden. Von dem Aufprall selbst waren die beiden Passagiere dank der Fesselfelder verschont geblieben, wenngleich es sie ordentlich durchgeschüttelt hatte.

»Mist«, murrte Pjoto, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte. Die Kontrollen flackerten unstet.

»Großartige Landung«, kommentierte Caralla. »Und wie kommen wir raus?«

Pjoto desaktivierte die Fesselfelder – es beruhigte ihn, dass immerhin das noch funktionierte – und konsultierte die Positronik.

»Die ist uns keine Hilfe«, stellte er nach einer Weile fest. »Sie ist immer noch überzeugt davon, dass wir uns im Weltraum befinden. Und kommt deswegen gar nicht damit klar, dass wir uns nicht bewegen können. Wer weiß, was sie tut, wenn ich sie machen lasse? Ach ja, und deinen Hilferuf, den können wir auch vergessen. Die Positronik ist der festen Überzeugung, dass die Störungen zu groß sind.«

»Ich will sofort raus!«, forderte Caralla. »Ich hasse es, in diesem Sarg eingepfercht zu sein!«

»Durch Rausgehen kommt die Space-Jet doch nicht frei!«

»Du wolltest auf Skrutis landen. Bitte sehr, wir sind gelandet. Also werde ich mir diesen verdammten Planetoiden ansehen. Währenddessen kann sich die Positronik ja, was weiß ich, neu starten oder so.«

»Und wie willst du hinauskommen? Die Tür aufmachen geht ja schlecht«, spöttelte Pjoto.

»Versuch mal, die Instrumente direkt abzufragen. Woraus besteht unsere Umgebung?«

Die Anzeige der nur roh interpretierten Messdaten lieferte tatsächlich Angaben zur Beschaffenheit ihrer Umgebung.

»Das ist absurd«, sagte Pjoto. »Die Geräte liefern klare Angaben, aber die Positronik akzeptiert ihre Eingaben einfach nicht ... sie hält sie für fehlerhaft!«

»Ja, aber das ist unwichtig. Wie dicht ist dieses Material, das uns umgibt? Wäre ein stabiler Schacht mit den Desintegratoren machbar?«

»Das ist absurd«, wiederholte Pjoto. Mit einer gewissen Genugtuung bemerkte er, dass ihm nicht mehr langweilig war. Allerdings um den Preis, dass er auf Carallas Einfallsreichtum ein wenig neidisch wurde. Auch ein neues Gefühl. »Ich muss der Positronik die Daten übergeben, als wären sie hypothetisch ... warte ... ja, mit den passenden Einstellungen für die Desintegratoren wäre ein Schacht wohl stabil ... was hast du vor?«

»Rausgehen, wie gesagt«, bestimmte Caralla. Sie schenkte ihm einen Blick voller Mordlust. »Wenn wir je wieder auf die STELLARIS zurückkommen, ziehe ich dir dafür das Fell über die Ohren. Und denk gar nicht daran, was ich mit dir mache, wenn wir es nicht schaffen.«

Pjoto hob die Schultern. »Okay. Was soll ich tun?«

Caralla erklärte ihm ihren Plan, und nach ein paar Berechnungen und etwas Überzeugungsarbeit gegenüber der Positronik gelang es ihnen, die Desintegratoren der Space-Jet in Betrieb zu nehmen und eine Art Kaverne zu schaffen, die bis zur Oberfläche reichte. Sie fanden einfache Raumanzüge – keine SERUNS oder dergleichen – und in einer Werkzeugbox einen kleinen Kombistrahler.

Caralla nestelte an ihrem Falthelm. »So. Ich gehe da raus. Komm nach oder bleib hier, mir ist das gleich. Aber ich rate dir: Sorg dafür, dass die Space-Jet bald wieder flugfähig wird!«

Wenig später legte sie mit der Desintegratorfunktion des Kombistrahlers einen Schacht von der Schleuse bis zur Kaverne frei.

Pjoto seufzte. Das ging ihm alles zu schnell. Andererseits war es tatsächlich die Gelegenheit, sich Skrutis näher anzusehen ... Er initiierte einen Neustart der Positronik und setzte sämtliche automatischen Reparaturroutinen in Kraft, für die sein bescheidenes Wissen genügte.

Ich traue dir nicht, Positronenhirn!, dachte er und legte fest, dass das Raumfahrzeug um jeden Preis an dieser Stelle verharren sollte, bis er ihm einen codierten Startbefehl sendete oder er selber wieder im Pilotensessel saß. Anschließend streifte er sich einen zweiten Raumanzug über und folgte seiner Begleiterin.

*

Der Tunnel, den sie erschaffen hatten, führte auf einer Anhöhe ins Freie: Es war der Saum des kleinen Kraters, den der Absturz des Raumschiffs aufgeworfen hatte. Am Himmel machten sie die fließenden Formen der Wendelschleifen aus, die dort ihren geheimnisvollen Tanz aufführten. Vor ihnen erstreckte sich eine hügelige Landschaft, die im Licht des Zentralgestirns in einem zarten Lindgrün irisierte; der Untergrund war glatt, wie lasiert, ein wenig weich und ohne Vegetation, abgesehen von einigen kleinen Inseln aus Sträuchern in der Ferne.

»Ich fühle mich ... als würde ich das kennen«, murmelte Pjoto.

»Dort drüben ist etwas«, stellte Caralla fest, ohne auf seine Worte einzugehen, und deutete auf eine Struktur, die in dem natürlichen Auf und Ab deplatziert wirkte.

Pjoto schaltete die Vergrößerung seiner Anzugpositronik ein. »Seltsam. Wie ein kleiner Damm.« Er schaltete eine Falschfarbendarstellung hinzu. »Keine besondere Signatur ... das ist wohl wirklich nur so eine Art lang gezogene Aufschüttung. Sie führt dort hinten zwischen den Sträuchern in die Hügel.«

Ohne ein weiteres Wort machte Caralla sich auf den Weg dorthin. Pjoto blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.

Die Anzugpositroniken funktionierten tadellos, der Antigrav kompensierte die ungewohnt geringe Schwerkraft, und selbst im Sparmodus vermochten die Kraftunterstützer wahre Wunder zu bewirken: In weiten Sprüngen bewegten sie sich über den glatten Boden. Bald hatten sie die Erhebung erreicht.

»Das sieht aus wie der Gang von einer dieser irdischen ... wie hießen sie noch gleich ... Wühlmäuse«, überlegte Caralla. »Wie einer von den Gängen, die sie so dicht unter der Erde graben, dass von außen nur so eine Aufschüttung zu sehen ist ...«

»Das wäre aber eine verdammt große Wühlmaus.« Pjoto schaltete seine Darstellung um. »Und deine Skrutismaus ist ein Fan schnurgerader Gänge, wie es scheint.«

»Heh, du warst ja gerade richtig lustig!«, bemerkte Caralla. »Die Atmosphäre von Skrutis bekommt dir wohl.«

Pjoto gab einen verächtlichen Laut von sich. »Jedenfalls ist das kein Gang, sondern ein ...«

Im gleichen Augenblick ging ein spürbarer Ruck durch den Boden. Zugleich leuchtete eine ganze Batterie Warnanzeigen in seinem Helm auf. Automatisch aktivierten sich die Individualschirme.

»Energiespitze!«, entfuhr es Caralla.

In seinem Helmholo konnte Pjoto den Energiefluss entlang der Erhöhung verfolgen. In der Falschfarbendarstellung leuchtete dieser als grelle Linie, die langsam an Stärke verlor.

»... sondern ein Rohr«, beendete Pjoto seinen unterbrochenen Satz. »Damit wissen wir auch, um was für eines es sich handelt: eine Kraftleitung.«

»Schalt wieder um auf Normalsicht!«, riet Caralla.

Als er ihrem Rat folgte, sah er, wie hinter den Hügeln, auf die die Leitung zuführte, ein Lichtschein aufglomm. Im Gegensatz zur verebbenden Leistung des Energierohrs blieb die Leuchtstärke konstant.

»Wir haben ein Ziel«, konstatierte Caralla.

Diesmal setzten sie die Flugaggregate ihrer Anzüge ein. Sie passierten die Sträucher, die an ein Drahtgeflecht erinnerten, das mit unzähligen, schillernden Blättern besetzt war.

»Erinnert an ein verkohltes Kabelbündel, das aus dem Boden quillt«, murmelte Pjoto im Vorbeifliegen.

»Er wird auch noch poetisch!«, spottete Caralla. »Aber du hast recht, sie sehen schon merkwürdig aus ... so merkwürdig wie der ganze Planetoid ... gleich haben wir die Hügelkuppe erreicht, ich bin gespannt, was uns dahinter erwartet.«

Der Anblick, der sie erwartete, raubte selbst Pjoto für einen Augenblick den Atem. Hinter dem Hügel öffnete sich eine weitläufige Senke. Ein dichter Wald erstreckte sich von der einen Seite bis zur anderen; oder was auch immer dies sein mochte: Was auf den ersten Blick an Bäume erinnert hatte, entpuppte sich rasch als glasartige, wie gezogen wirkende Strukturen, aus deren dicken Stämmen ganze Büschel aus dem gleichen Material herausragten. Die Stämme waren ineinander verdreht, und ihre durchsichtige Oberfläche erlaubte den Blick auf trotz des grünen Lichts intensiv dunkelblaue und schwärzliche Stränge, die empor in die Verästelungen führten. Diese merkwürdigen Glasbäume wurden kleiner, je näher sie den Hügeln kamen, und wichen schließlich ganz einem bunt schillernden Scherbenstrand.

»Schau dahinter!« flüsterte Caralla.

Der Wald an sich war schon atemberaubend in seiner fremdartigen Schönheit. Aber dahinter erkannte Pjoto gebäudeartige Strukturen, verschwommen wie durch einen Nebel, die ihn mal an arkonidische, mal an gewagte menschliche Bauten, mal an völlig bizarre Konstrukte erinnerten.

»Das Leuchten kommt von dieser ... Stadt, oder was immer das sein soll«, benannte Caralla das Offensichtliche.

Pjoto schnaubte. »Wir sind in der Lage eines Menschen, der ein Buch aufgeschlagen hat, das in einer für ihn unverständlichen Sprache geschrieben ist. Ich nehme sogar an, dass er es in der Mitte aufgeschlagen hat und es noch obendrein verkehrt hält.«

Caralla musterte Pjoto erstaunt. Er wunderte sich selbst über seinen poetischen Anfall. Das Gefühl der Vertrautheit verstärkte sich.

»Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sie sich und blickte ihn an. »Du klingst so ... ich weiß nicht. So ...«

Ein Warnsignal leuchtete in ihren Helmen auf, Caralla unterbrach sich. Hinter ihnen geschah etwas. Sie fuhren herum, und Caralla zog unwillkürlich den kleinen Kombistrahler.

»Die Büsche!«, stieß Pjoto hervor. »Sie ... sie leben!«

»Nein, schau! Sie dampfen!«, korrigierte Caralla. Tatsächlich schwebten stoßweise schwarze Wölkchen zwischen dem Drahtgestrüpp empor.

»Was bedeutet das nun wieder?«, rätselte er. »Wieso fangen sie zu rauchen an?«

Caralla schüttelt den Kopf. »Das ist kein Rauch! Schau!«

Die Wölkchen stiegen nicht in den Himmel und verteilten sich auch nicht, sondern schwebten für einen Augenblick einige Meter hoch in der dünnen Atmosphäre, um sich dann aufeinander zuzubewegen.

»Sie ballen sich zusammen!« Alarmiert brachte Caralla ihren Strahler in Anschlag. Die Wolke schillerte in der gleichen Farbenpracht, die sie bei den blätterartigen Strukturen des Gestrüpps beobachtet hatten.

»Das ist nicht gut«, stimmte Pjoto ihr zu.

Mit einem Mal schien es, als würde die Wolke innehalten, dann bewegte sie sich auf die beiden zu.

»Die Anzugpositronik wird gestört!«, rief Pjoto. Die Kontrollholos verzerrten sich.

Gleich darauf umgab sie ein dichter Schleier aus Farben: Die Wolke hatte sich in zwei Ballungen geteilt, die ihre Köpfe einhüllten. Jede drehte sich der Länge nach immer schneller, einem Mahlstrom nicht unähnlich. Pjoto nahm seltsame Bilder wahr, als würde er einen Tagtraum erleben.

»Das ist ja wie ein Trip!« Carallas Stimme kam kaum mehr hörbar bei Pjoto an, so stark wurde die Übertragung von Interferenzen gestört. Die Intensität der Trugbilder wurde stärker. Da waren fremde Welten, eine Traube aus Raketen hing im Orbit um einen milchig weißen Planeten, schwarze Vorhänge aus käferartigen Gliedern bauschten sich in einem warmen Wind, ein Globus verwandelte sich in einen menschlichen Schädel ...

»Ein Trip, ja, aber kein guter!«, sagte Pjoto.

Er bemerkte durch die Nebelschlieren der Wolken, wie Caralla den Abzug ihres Kombistrahlers durchzog. Das Werkzeug brannte mit einem scharfen Knistern ein Loch in die Wolke, das diese sogleich schloss – und ihre Wolke verlagerte sich zu Carallas ausgestrecktem Arm. Sie aktivierte den Kombistrahler erneut und schien diesmal den Abzug gedrückt zu halten. Unzählige der flirrenden, kleinen Schillermücken vergingen in dem künstlichen Feuer.

»Es werden immer mehr!«, schrie er, während er gegen Traumbilder ankämpfte, wie sie für gewöhnlich im Fieber auftraten. »Ich glaube, von den anderen Büschen kommen weitere Wölkchen dazu! Ich kann sie gar nicht schnell genug vernichten!«

Der verbleibende funktionstüchtige Rest seiner Anzugpositronik verzeichnete einen gefährlichen Anstieg der Temperatur dank der Tätigkeit von Carallas Waffe. Sie hatten die Wahl, bei lebendigem Leibe geröstet zu werden oder aber dem Wahnsinn zu verfallen ... Wesen in Maschinen aus rotierenden Scheiben erklommen goldglänzende Gipfel ... ein Marax, was immer das war, spuckte gelochte Kärtchen aus ... auf einen Tümpel aus Quecksilber trommelten gläserne Tropfen ein ...

Pjoto traf eine Entscheidung. Er konnte nur hofften, dass die Fernkontrolle in Carallas Raumanzug funktionierte, und gab an beide Anzüge den Befehl: »Schirme aus!«

Ihre Individualschirme erloschen.

Es ist vorbei, dachte er.

Es war tatsächlich vorbei, aber anders, als er gedacht hatte. In dem Augenblick, in dem die Schirme erloschen, löste sich die Traummühle auf. Kleine Wölkchen zogen harmlos von ihnen fort. Caralla ließ den glühend heißen Kombistrahler fallen.

Pjoto packte sie am Arm. »Schnell, weg hier! Ehe sie es sich anders überlegen!«

Er zog sie auf den gläsernen Wald zu. Pjoto versuchte, den Antigrav einzuschalten, aber das Gerät konnte gerade noch die Schwerkraftkompensation aufrechterhalten.

»Diese Mücken kamen wegen unserer Energie!«, keuchte Pjoto.

Unter ihren Stiefeln zersplitterten die Glasscherben, die den Wald säumten.

»Und wohin jetzt?«, fragte Caralla.

»Ich ... frag mich nicht, warum, aber ich weiß, dass wir zu dieser ... Stadt müssen.« Pjoto bahnte sich weiter einen Weg durch den dichter und dichter werdenden Wald der Glasbäume. Er hatte keine Ahnung, woher seine Gewissheit kam. An manchen Stellen häuften sich kleine Silberkugeln wie in Glas eingeschmolzenes Ameisengewimmel. Das Tageslicht wurde in den verschiedensten Farben gebrochen.

Schön ist es. Und doch macht es den Eindruck, fand Pjoto, als wäre es ein stillgelegter Maschinenpark ... Je höher die Bäume wurden, desto leichter fiel es den beiden, ihren Weg fortzusetzen. Bürstenartige Auswüchse bildeten das lichte Unterholz.

Als sie die Stadt erreicht hatten, erkannten sie, dass diese nur aus der Ferne den Eindruck erweckt hatte: Was wie Fenster aussah, ergab keinen Sinn, Türen fehlten ganz, die Architektur widersprach jeder bekannten Logik. Und alles lag in einem matten Grünton da. Sie befanden sich in einer Art Talsohle zwischen den Gebilden.

»Ist das eine Straße?«, wunderte sich Caralla.

»Eine Straße? Dann ist vielleicht auch ein Casino in der Nähe?« Pjotos Spott war halbherzig. Er fühlte sich, als ob er schwebe, merkwürdig entrückt, und er wusste genau, welchen Weg sie nehmen mussten ... nur – den Weg wohin?