Stochastik - keine schwarze Kunst - Tony Schenk - E-Book

Stochastik - keine schwarze Kunst E-Book

Tony Schenk

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Beschreibung

+++ 2. überarbeitete Auflage +++ „Stochastik – keine schwarze Kunst!“ – der erfrischend andere Zugang zum oftmals ach so leidigen Thema Wahrscheinlichkeitsrechnung und ideal als Ergänzung zum Unterricht. Geschrieben von einem Nicht-Mathematiker werden die Grundlagen der Stochastik anschaulich über Beispiele und ohne “Formelwahn“ abgeleitet. Vor allem bodenständige und leicht zugängliche Erklärungen sollen davon überzeugen, dass die Stochastik alles andere als „schwarze Kunst“, sondern gewöhnliche Zahlenspielerei ist – mit wesentlich geringerem Rechenaufwand als Analysis oder Geometrie. Inhalt: - Grundlagen der klassischen Wahrscheinlichkeitsrechnung - Kombinatorik - Übungsaufgaben mit ausformulierten Lösungswegen - bedingte Wahrscheinlichkeit, 4-Felder-Tafeln - Bernoulli-Versuche, Binomialverteilung - Rolle der Statistik, Normalverteilung, Hypothesentests mit Fehler 1. und 2. Art - Tschebyschow’sche Ungleichung, Gesetz der Großen Zahlen - ein Blick über den Tellerrand - Übungsaufgaben mit ausformulierten Lösungswegen

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gewidmet

meiner Prophetin und Lieblingsschülerin

Vorwort

Sie sind sonst ganz gut in Mathe, aber bei der Stochastik hört für Sie jegliche Logik auf?

Sie stehen generell mit der Mathematik auf Kriegsfuß?

Sie sind Lehrer und haben das Gefühl, Ihre Schüler mit dieser Thematik einfach nicht zu erreichen und finden sie vielleicht sogar selbst etwas suspekt?

Dieses Buch richtet sich an die soeben definierte Zielgruppe und ist ein Versuch, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Während meiner Schulzeit habe ich vielfach beobachtet, dass die Stochastik in „Formelgewerfe“ ohne jeglichen Hintergrund ausartete und Begriffe nur als leere Hülsen verkauft werden. Man lernt, wie man rechnen muss, das Warum kommt für viele zu kurz. Den Unterricht an der Schule wird und soll dieses Buch natürlich nicht ersetzen, aber ich möchte es als Ergänzung oder Anregung betrachten. Vielleicht findet auch der ein oder andere gestandene Lehrer noch einen Blickwinkel, aus dem er mangels Naivität und Abstand zur Mathematik noch nie auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung geschaut hat. Den Schülern, die die bisherigen Zugänge nicht verstanden haben, kann es nicht schaden.

Ich selbst habe nur einen Mathematik-Leistungskurs und drei Semester Mathematik im Rahmen meines dualen Mikrotechnologie-Studiums an der Fachhochschule als Referenzen zu bieten. Möglicherweise ist das sogar gut, weil ich genug und vor allem nicht zu viel mit der Mathematik zu tun hatte, um hier sehr bodenständig Sachverhalte für die Sekundarstufe II erläutern zu können. Meine Erfahrungen als „Lehrer“ können sicher nicht mit denen richtiger Lehrer konkurrieren, sind aber sehr gut geeignet, diese zu ergänzen:

Während der Schul- und Studienzeit habe ich oft und sehr gerne Mitschülern und Kommilitonen Dinge erklärt, die sie im Unterricht bzw. in der Vorlesung nicht verstanden haben. Dies habe ich auch das ein oder andere Mal in zwei, drei Minuten an der Tafel machen dürfen. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, denn es setzt voraus, dass der Lehrende einverstanden ist, einem von ihm Lernenden für einen Augenblick seine Position zu leihen. Man könnte dies nämlich als didaktische Schwäche sehen. Für mich überwiegt aber die Stärke, dies im Sinne der Lernenden einzugestehen und das Lernziel dem eigenen falschen Stolz vorzuziehen. Was nützt es auch, den Stolz wahren zu wollen? Die vermeintliche Schwäche hat doch sowieso jeder Schüler bemerkt, wenn fast keiner in der Klasse das Problem verstanden hat. Der Lehrende hat eigentlich nichts zu verlieren. Wieso also die Schüler um die Chance, es vielleicht doch noch zu verstehen bringen? Ich danke an dieser Stelle allen, die ihren Schülern diese Chance nicht vorenthalten, sondern den „Publikumsjoker“ genutzt haben, wenn er sich bot. Dass dieser sich bietet, ist genauso wenig eine Selbstverständlichkeit, da viele davor zurückschrecken, vor versammelter Mannschaft zu sprechen.

Ein Mitschüler und guter Freund von mir musste nach null Punkten in der schriftlichen zur mündlichen Mathenachprüfung. Ich habe ihm in einem absoluten „Feuerwehrkurs“ von je fünf bis sechs Stunden an zwei Tagen zu seinem Abitur verholfen. Seinen Kopf habe ich übrigens weder davor noch nachher so rot gesehen. Die brach liegende Großbaustelle war bei ihm allerdings die Vektorrechnung sowie der Sinn und das Lösen von Extremwertaufgaben, bei denen ähnlich wie beim Dreisatz

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auf Krampf eine Schrittfolge vermittelt wird, die absolut keiner braucht. Auch da wird leider zu oft auf Wie statt Warum gesetzt und ein Algorithmus verkauft, als würde man einen Roboter programmieren oder einen Hund dressieren.

Eine Freundin war zu Beginn des letzten Halbjahres der Oberstufe, dessen Thema in Sachsen die Stochastik ist, noch davon überzeugt, diese im Abitur wegzulassen und sich nur auf die anderen Bereiche zu konzentrieren. In Mathematik hatte sie sonst immer zweistellig Punkte und war eine der Besten in ihrem Kurs. Im Abi wollte sie zehn von 60 Bewertungseinheiten einfach verschenken, da sie in der Wahrscheinlichkeitsrechnung einfach keinen Stich sah. Sie fragte mich, ob ich evtl. etwas von Stochastik verstünde und bereit wäre, ihr zu helfen. Durch fast tägliche Kommunikation über den PC, war sie dann richtig gut und hatte neun der zehn Punkte, die sie erst verschenken wollte. Ironischerweise fiel der fehlende Punkt einem Schusselfehler zum Opfer. Jeder, der mich kennt, weiß: Sie hat auch das von mir gelernt.

Mein Bruder, der sich in Mathe auch in der Stochastik etwas schwer tat, war durch zwei Erklärungs- und Übungstage in der Lage acht Punkte der folgenden Klausur zu schreiben, ohne die er wohl keine Prüfungszulassung bekommen hätte und räumt jetzt in der Abiturvorbereitung beim Rechnen vergangener Abiturprüfungen in der Stochastik fast immer die komplette Punktzahl ab. Probleme mit der dafür vorgesehenen Zeit hat er keine, im Gegenteil. Ich bin sehr beeindruckt von der Sicherheit und den klaren Gedanken.

Zu Beginn des Wintersemesters 2009 wurde ich von meinem Professor für Physikalische Chemie gefragt, ob ich Studenten des dritten Semesters zusätzlich zu deren planmäßigem Vorlesungspensum Tutorien (Übungsstunden) geben würde. An unserer Hochschule sind die Übungsstunden normalerweise vorlesungsintegriert und es gibt keine studentischen Hilfskräfte, die Tutorien geben. Es ehrt mich also sehr, der einzige Tutor der Fakultät zu sein. Jeder, der Physikalische Chemie an unserer Fachhochschule belegen muss, bezeichnet sie als schwierigstes Fach des Studiums. Genau das motiviert mich noch mehr und das Unterrichten macht mir sehr viel Spaß.

Abschließend sei noch meine Mathematiklehrerin aus der Oberstufe erwähnt, welcher ich eine frühere, nicht einmal halb so umfangreiche Fassung geschickt habe. Ich fragte sie, was sie von meinem Machwerk hält und bat um ein umfangreiches Feedback zu den verschiedenen Passagen. Dass sie begeistert war, auch wenn an vielen Stellen noch Handlungsbedarf bestand, motivierte mich zur Überarbeitung und Fortsetzung meiner Arbeit an diesem Buch.

Ich danke allen, die mich vom Korrekturlesen (Anja Dittrich, Bert Kaiser, Karin Noack, Anne-Marie Ritschel, Frank Michael Schulze, Oliver Thiel) bis hin zur Gestaltung des Covers (Johannes Rebling) unterstützt und immer ehrlich Ihre Meinung gesagt haben.

Kritik ist etwas Positives, was uns weiterbringt. Sie muss dafür konstruktiv formuliert sein und der Empfänger sollte die Größe besitzen, sie als Chance, nicht als Angriff zu sehen. In beidem sollte jeder ständig an sich arbeiten, denn perfekt ist man leider nie. Von einem platt dahin gesagten „Das hast du toll gemacht…“ wird nix besser.

 

1   Dass einfaches Auf- und Umstellen einer Gleichung zu einer Prozedur gemacht wird, die auch noch einen einen Namen bekommt…

Inhalt

Abbildungen

Tabellen

1 Grundlagen

1.1 Wahrscheinlichkeit

1.2 Mehrstufige Zufallsexperimente und Baumdiagramme

1.3 Spezielle Zufallsexperimente

2 Kombinatorik

2.1 Permutation

2.2 Variation

2.3 Kombination

2.4 Anwendung/Erfahrung

3 Für den fortgeschrittenen Leser

3.1 Bedingte Wahrscheinlichkeit

3.2 „2 aus 7“ oder „5 aus 7“?

3.3 Bernoulli-Kette/Binomialverteilung

3.4 Erwartungswert

3.5 Vier-Felder-Tafel

4 Grenzen der klassischen Betrachtung der Wahrscheinlichkeit

4.1 Einzelwahrscheinlichkeiten

4.2 Die Rolle der Statistik

4.3 Wahrscheinlichkeitsverteilung

4.4 Tschebyschow-Ungleichung, Gesetz der großen Zahlen

4.5 Hypothesentests

5 Ein Blick über den Tellerrand

6 Übungsaufgaben

6.1 Zu 1.1

6.2 Zu 1.2

6.3 Zu 1.3

6.4 Zu 2.1 – 2.3

6.5 Zu 2.4

7 Lösungen

7.1 Zu 1.1

7.2 Zu 1.2

7.3 Zu 1.3

7.4 Zu 2.1 – 2.3

7.5 Zu 2.4

Abbildungen

1.1   Baumdiagramme für den Münzwurf mit „Kopf oder Zahl“, das Würfeln mit „1, 2, 3, 4, 5 oder 6“ und das Würfeln mit „gerade oder ungerade“ als Zufallsexperiment

1.2   mehrstufige Zufallsexperimente

1.3   Bsp. 1 – mehrstufiges Zufallsexperiment zweimaliger Münzwurf

1.4   Bsp. 2 – Wahrscheinlichkeiten für ein mehrstufige Zufallsexperiment aus Würfeln und Münzwurf

2.1   Permutation mit drei gleichen Elementen

2.2   Sieben Bonbons, drei Kinder, zwei Trennstriche?

2.3   Bonbons für alle – nicht immer…

3.1   Komplementärmengen – „5 aus 7“ und „2 aus 7“

3.2   Grenzfall der Binomialverteilung: Normalverteilung

4.1   diskrete WSK-Verteilung (Bsp. Würfeln)

4.2   diskrete WSK-Dichtefunktion (Bsp. Würfeln)

4.3   stetige WSK-Verteilung

4.4   stetige WSK-Verteilung

4.5   Veranschaulichung der Tschebyschow-Ungleichung

4.6   Fehler 1. Art bei Akzeptanzintervall [3; 7]

4.7   Fehler 2. Art bei Akzeptanzintervall [3; 7]

4.8   Fehler 1. und 2. Art mit Normalverteilungen

4.9   Berechnung der Akzeptanzgrenzen mittels Standardnormalverteilung

7.1   zweimal aus einem Skatblatt ziehen → zwei Könige

7.2   zweimaliges Würfel → mindestens einmal Kopf

7.3   Talkshow – Fallunterscheidung nach Sitzplatz des ersten Moderators

Tabellen

3.1   Vier-Felder-Tafel mit Häufigkeits- oder Ergebnissangaben

3.2   Definition der Häufigkeitsbegriffe

3.3   Vergleich von WSK und relativer Häufigkeit

3.4   Beispiel einer Vier-Felder-Tafel mit zugehörigen Ergebnissen

3.5   Beispiel einer Vier-Felder-Tafel mit zugehörigen WSK

3.6   Beispiel einer Vier-Felder-Tafel mit zugehörigen absoluten Häufigkeiten

3.7   Beispiel einer Vier-Felder-Tafel mit zugehörigen relativen Häufigkeiten

1   Grundlagen

 

1.1   Wahrscheinlichkeit

Das Ergebnis ist einer der möglichen Ausgänge eines Zufallexperimentes und ist nicht weiter unterteilbar.

Die Wahrscheinlichkeit (P, p) beschreibt, wie sicher oder unsicher ein bestimmter Ausgang eines Versuches ist und berechnet sich nach klassischer Definition (P.-S. Laplace) wie folgt:

Das allein sollte einem logisch erscheinen und wenn nicht, dann ist eh alles verloren (klingt hart, ist aber so). Diese Definition spiegelt wider, was man im alltäglichen Leben unter dem Begriff der Wahrscheinlichkeit (WSK) versteht, sie ist greifbar und für diskrete („abzählbare“) Ergebnisse gültig. Wenn ein Experiment eine Menge von n Ergebnissen hat und nichts Vernünftiges dafür spricht, dass ein Ergebnis gegenüber dem anderen bevorzugt eintreten sollte, so müssen alle gleichwahrscheinlich sein. Es kann also nur entscheiden, welcher beschriebene Ausgang welche Anzahl an Ergebnissen in sich vereint und wie sich deren Anzahl zur Gesamtheit der Ergebnisse verhält. Eine Grenze findet diese Betrachtung, wenn man eine mathematisch exakte Beschreibung für infinitesimal genaue (unendlich „schmale“) Ergebnisse und unendlich große Ergebnismengen sucht.

Um einen Ausblick zu geben, hier ein Beispiel:

Eine Maschine soll Rohre der Länge 2m fertigen. Da aber keine 100%ige Exaktheit erreichbar ist, streuen die Ergebnisse. Das Rohr kann also auch mal 1mm länger oder kürzer sein. Jedoch ist eine genaue Benennung eines Ergebnisses schwer, da man diese beliebig genau machen könnte: Das Rohr kann 1,997253672819767808765… 2m oder 1,997253672819767808765… 4m lang sein. Das sind also augenscheinlich zwei verschiedene Längen. Die drei Punkte deuten schon an, dass ich eigentlich nicht wirklich in der Lage bin zwei Ergebnisse voneinander zu trennen und meine Exaktheit theoretisch bis ins unendliche treiben kann. Dies ist ein Problem, welches ich dem interessierten Leser in Kapitel 4 näher als hier für den Einstieg nötig veranschaulichen möchte.

Ein weiteres Problem ist, dass theoretisch alle Längen von 0 bis ∞ möglich sind. Dass so extreme Ergebnisse sicherlich nicht so wahrscheinlich sind, wie z.B. 1,99m oder 2,01m sieht sicher jeder ein, jedoch ist deren Eintritt nicht auszuschließen und die Ergebnisse somit auch mit einer gewissen (wenn auch sehr, sehr kleinen) Wahrscheinlichkeit behaftet. Dies ist das 2. Problem, welches klassisch nicht in den Griff zu bekommen ist und später mithilfe der Analysis (Differenziation und Integration) gelöst wird. Auch hierzu mehr in Kapitel 4.

Diese Probleme werden in der Schul-Stochastik meist außen vor gelassen und nur kurz gestreift. Alle Aufgaben, die man vorgesetzt bekommt, sind soweit idealisiert, dass sie klassisch zu lösen sind. So kennt das Lieblingsspielzeug, der Würfel eben nur 1, 2, 3, 4, 5 und 6, aber nicht 1,5 oder 2,443 als Ergebnisse. Das ist aber nicht weiter tragisch, sondern vielmehr notwendig, um nicht gleich erschlagen zu werden. Wir können den Gipfel der Wissenschaft ja nicht von oben sondern nur von unten her erklimmen.

Um nun zu dem Punkt zurückzukommen, von dem ich der Exaktheit halber kurz ausgeholt habe: Ich denke, es leuchtet jedem ein, dass genau zwei Ergebnisse eintreten können, wenn man eine Münze wirft (nämlich Kopf oder Zahl) und jedes 50% WSK besitzt.

Ebenso verhält es sich bei einem Würfel: Mögliche Ergebnisse sind die Zahlen 1, 2, 3, 4, 5 und 6 – also gibt es sechs mögliche Ergebnisse. Die Anzahl der günstigen Ergebnisse hängt nun daran, was uns interessiert: