Stress lass nach - Sabine Zemla - E-Book

Stress lass nach E-Book

Sabine Zemla

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Beschreibung

Immer mehr Hunde haben Stress. Aber warum eigentlich, woran liegt es? Da es den einen Auslöser oder das eine Stressproblem nicht gibt, wirft dieses komplex angelegte Buch einen ganzheitlichen Blick auf gestresste Hunde und vernachlässigt dabei auch den Hundehalter nicht. Die Ursachen und teils massiven Folgen von Stress werden ebenso beschrieben wie die Einflüsse von Ernährung und Kastration auf unsere Hunde. Zudem informiert das Buch über Stresssymptome beim Hund, auf welchen Grundpfeilern eine Hund-Mensch-Beziehung stehen sollte und wie Stress und Verhalten zusammenspielen. Die Autorin, Hundephysiotherapeutin und Trainerin für stressbedingte Verhaltensauffälligkeiten, gibt Trainings- und Therapietipps gegen Stress und stellt Fälle aus der Praxis vor. Das Buch verändert den Blick auf den eigenen Hund und dient als Türöffner für ein vertrauensvolles Miteinander. Hunden soll es die Sicherheit geben, die sie noch brauchen, um gelassener durchs Leben zu gehen. Hundehalter werden nach der Lektüre wissen, warum ihr Hund so tickt, wie er tickt – und vor allem, wie sie ihn und auch sich selbst in stressigen Zeiten unterstützen können.

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Seitenzahl: 637

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© 2023 KYNOS VERLAG Dr. Dieter Fleig GmbH

Konrad-Zuse-Straße 3, D-54552 Nerdlen / Daun

Telefon: 06592 957389-0

www.kynos-verlag.

eBook-Ausgabe der Printversion

eBook ISBN: 978-3-95464-307-3

ISBN der gedruckten Ausgabe: ISBN 978-3-95464-296-0

Bildnachweis:

Fotos:

Titelbild: Eric Waha

Adobe Stock: S. 23: Alex-stock.adobe.com; S. 42: Carola-Schubbel-stock.adobe.com; S. 88: standret-stock.adobe.com; S. 103: exclusive-design-stock.adobe.com; S. 104: samael334-stock-adobe.com; S. 111: milosducati-stock.adobe.com; S. 112: Swapan-stock.adobe.com; S. 123: Chalabala-stock.adobe.com; S. 125: kiatipol-stock-adobe.com; S. 140: alexei_tm-stock.adobe.com; S. 142: Christian-Müllerstock.adobe.com; S. 212: peter-verreussel-stock.adobe.com; S. 213: Martin-Schlecht-stock.adobe.com; S. 214: Christian-Müllerstock.adobe.com; S. 242: Roland-Gruenewald-stock.adobe.com; S. 260: chamillew-stock.adobe.com; S: 262: theyok-stock.adobe.com; S. 268: Johanna-Müllerstock.adobe.com; S. 272: fotografiecor-stock.adobe.com (oben), Ching-stock.adobe.com (mi.), ukjent-stock. adobe.com (unten); S. 273: FotoHelin-stock.adobe.com; S. 277: renatehenkel-stock.adobe.com; S. 296: Lilli-stock.adobe.com; S. 313: everettovrk-stock.adobe.com; S. 330: Martina-Berg-stock.adobe.com

Herosan healthcare: S. 269, 270

Keim, Diana: S. 339 (unten)

Scharf, Elisabeth: S. 80

Schneider, Jörg: S. 143 (oben li.), 340, 342

Waha, Eric: S. 117, 143 (oben mi.), 144, 176, 177, 179 (außer oben li.), 181, 183 – 187, 190, 191, 195 – 199, 206, 215, 218 – 222, 224, 225, 228, 235, 237 – 240, 245, 247, 248, 253, 256, 258, 264, 266, 275, 276, 289, 290, 299, 307, 326, 327, 343, 344, 346 – 348, 351

Waha, Sandi: S. 339 (oben)

Zemla, Sabine: S. 47 – 49, 57, 76, 81, 95, 159, 160, 162, 179 (oben li.), 211, 250, 254, 255, 257, 294, 336, 338, 352

Grafiken:

S. 216: Nicole Hilgers mit Foto von Eric Waha; S. 244: Nicole Hilgers mit Foto von Jne-Valokuvaus-stock.adobe.com; S. 161: Nicole Hilgers unter Verwendung der Grafik von Macrovector; Dalmatinergrafiken: Lili Kudrili

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1.Stress bei Hunden

Warum das Thema Stress bei unseren Hunden so wichtig ist

Was ist denn Stress eigentlich?

Stress aus Sicht des Hundes

Positiver Stress

Negativer Stress

Chronischer Stress

Wie entsteht Stress genau?

Der Stress in seinem Kopf

Wie funktioniert das Nervensystem?

Was passiert bei Stress im Gehirn?

Bei Stress laufen die Systeme auf Hochtouren

Beeinflusst Genetik das Verhalten?

Eine Sache der Persönlichkeit

Wie macht sich Stress beim Hund bemerkbar?

Was löst Stress aus?

Gibt es Anzeichen für Stress?

Die vier Bewältigungsstrategien bei Stress

Verhängnisvolles Stressgedächtnis

Was macht Stress mit unseren Hunden?

Ängstliches Verhalten

Aggressives Verhalten

Stereotypie und Zwangsverhalten

Krank durch Stress

Geschwächtes Immunsystem

Störungen des Verdauungssystems

Hauterkrankungen

Auswirkungen auf Herz und Kreislauf

Blasenerkrankungen

Diabetes

Tumore

Schlechter Schlaf

Muskeln und Bewegungsapparat

Faszien

Depression

Subklinische Schilddrüsenunterfunktion

Welchen Einfluss hat Stress in der Hundeerziehung?

Wenn der Hund bockt

Trotz Hundeschule noch gestresster

Warum leiden immer mehr Hunde unter Stress?

Sensible Entwicklungsphasen des Hundes

Der Anspruch an den Hund von heute

Missverständnisse in der Kommunikation

Haltungsbedingungen

Leistungsdruck und Überforderung

Schlaf- und Ruhephasen

Schlafbedürfnis

Auspowern: Weniger ist mehr

Optimaler Tagesablauf

Wie man sich bettet, so schläft man

2.Die Grundpfeiler eines stressfreien Lebens mit dem Hund

Beziehung, Bindung und Vertrauen

Mit Kuschelhormonen gegen Stress

Wie man Bindung stärken kann

Führung, Grenzen und Regeln

Verschiedene Bindungstypen

Vertrauensvolle Bindung

Das Einmaleins der Körpersprache

Wie Hunde kommunizieren

Wie Hundehalter kommunizieren

Wichtige Erkenntnisse für den Hundehalter

3.Ernährung

Ihr Einfluss auf das Verhalten des Hundes

Auf welche Inhaltsstoffe es ankommt

Protein

Kohlenhydrate

Aminosäuren

Vitamine und Antioxidantien

Fettsäuren

Mineralstoffe und Spurenelemente

Fazit

Barf, Nass- oder Trockenfutter?

Exkurs: Deklaration

4.Stress durch Kastration?

Was Kastration mit unseren Hunden macht

Was versteht man unter Kastration?

Gründe für eine Kastration

Rechtliche Lage

Kastration auf Probe

Nebenwirkungen

Fatale Frühkastration

Einfluss auf Verhaltensauffälligkeiten

5.Anti-Stress-Training

Hunde richtig auslasten

Beschäftigen Sie noch oder „enrichen“ Sie schon?

Ist ein Spaziergang für Hunde wirklich Freizeit?

Die Gestaltung von Stadtspaziergängen

Ausgleich zwischen Ruhe und Aktivität

Rituale geben Halt und Sicherheit

Grundlagen eines stressfreien Trainings

Richtige Lernatmosphäre schaffen

Optimales Trainingssetting

Aufmerksamkeit ist das A und O

Was ein gutes Training auszeichnet

Das Training mit gestressten Hunden

Auf das richtige Ende kommt es an

Gestresste Hunde brauchen individuelles Training

Einhalten der Individualdistanz

Erstmal schauen dürfen

Fehlerfreies Lernen

Das Premack-Prinzip

Mehr Gelassenheit durch Kooperation

Markersignale für mehr Sicherheit

Bewegungstraining für mehr Entspannung

Verständnis statt Leistungsdruck

Entschleunigung ist das Zauberwort

Bewusst Gassigehen

Achtsames Führen

Bodenarbeit gegen Stress

Propriozeptives Training

Übungen für mehr Gleichgewicht und Ruhe

Isometrische Übungen

Übungen zur Stressreduktion

Einsatz im Hundetraining

Konditionierte Entspannung

Sicherer Rückzugsort für den Hund

Insel der Entspannung etablieren

Erst mal durchatmen

Impulskontrolle will gelernt sein

Frust muss nicht sein

Übungen für Stresshunde

Das Zehn-Leckerchen-Spiel

Click für Blick

Mentaltraining für mehr Selbstbewusstsein

Baut Spielen mit Hunden Stress ab?

Der Mensch als Spielkamerad

Die Arbeit mit der Nase

Von Geschenkkartons und Earl Grey Tee

Jetzt ist Köpfchen gefragt

Warum Ihr Hund sprinkeln sollte

Spielen des Spielens wegen

6.Anti Stress-Therapien

Körpertherapie: Die Macht der Berührung

Tellington TTouch®

Die bfb-Feldenkrais-Methode

Akupressur

Shiatsu

Dorn-Therapie und Breuß-Massage

Faszientherapie

Kinesiologie

Punkte gegen Stress

Entspannungsmassagen

Begleitende Therapien

Aromatherapie

Musiktherapie

Farbtherapie

Entspannungsmittel zur Unterstützung

Bachblüten und Buschblüten

CBD-Öl

Vitalpilze

Homöopathie

Kräutermischungen

Schüßler-Salze

Phytotherapie

Nahrungsergänzungsmittel

Pheromone

Psychopharmaka

Fazit

7.Und jetzt sind Sie an der Reihe

Nodoggy is perfect

Was erwarten Sie von Ihrem Hund?

Wie gut kennen Sie Ihren Hund?

Perspektivwechsel

Spooky Periods

Über Belohnungen und Verstärker

Wie Sie Ihren Hund richtig belohnen

Warum Leckerchen-Belohnungen sinnvoll sind

Stressbewältigung durch Achtsamkeit

Achtsamer Umgang mit dem Hund

Achtsamer Spaziergang

Bleiben Sie auch im Hundetraining achtsam

Denkweisen ändern

Die sieben Säulen der Achtsamkeit

Achtsamkeit lässt sich trainieren

Stimmungsübertragung

Stressfaktor Mensch?

Kognitive Empathie

Emotionale Empathie

Gemeinsame Emotionen

Warum sich Hunde und ihre Menschen ähneln

Selbstmanagement

Mentaltraining

Positive Visualisierung

Den Stress wegatmen

Eigene Körpersprache trainieren

Achten Sie auf sich

Innere Stärke trainieren

Mut zur Veränderung

Stressmanagement im Alltag

Managementmaßnahmen

Vermeidungsstrategie

Den richtigen Hundetrainer finden

8.Fälle aus der Praxis

Der Fall Billy

Die Ausgangssituation

Das Ziel

Die Managementmaßnahmen

Die bisherigen Trainingsmethoden

Was bislang erreicht worden ist

Der Fall Fly

Die Ausgangssituation

Das Ziel

Die Managementmaßnahmen

Die bisherigen Trainingsmethoden

Was bislang erreicht worden ist

Der Fall Maisy

Die Ausgangssituation

Das Ziel

Managementmaßnahmen

Die bisherigen Trainingsmethoden

Was bislang erreicht worden ist

Der Fall Oskars Frauchen

Die Ausgangssituation

Das Ziel

Managementmaßnahmen

Die Trainingsmethoden

Was bislang erreicht worden ist

Über die Autorin

Literaturverzeichnis

Vorwort

Mittlerweile gibt es zahlreiche Bücher über Stress bei Hunden, die sich allerdings meist nur Teilaspekten widmen. Das Thema Stress ist jedoch so komplex, dass es meines Erachtens auch nicht genügt, ein lapidares Buch über Entspannung zu schreiben. Damit wird man weder der Thematik noch den Hunden gerecht. Ich möchte, dass Sie nach der Lektüre des Buches ein Wissen haben, warum Ihr Hund so tickt, wie er tickt – und vor allem, wie Sie ihm konkret helfen können. Denn tatsächlich ist Stress die Ursache für die meisten Verhaltensprobleme und oftmals der Grund für Aggressionen, Angststörungen und Hyperaktivitäten. Grund genug, finde ich, sich mit diesem Thema umfangreich auseinanderzusetzen. Das sind wir unseren Hunden schuldig.

Ich will versuchen, einen ganzheitlichen Blick auf gestresste Hunde zu werfen und Ihnen anhand unterschiedlicher Aspekte einen Überblick über Stress, seine Ursachen und Auswirkungen zu verschaffen. Mir ist es dabei wichtig, dass Sie die Zusammenhänge begreifen. Denn nur dann können Sie Ihrem Hund auch gezielt helfen. Bei meiner Arbeit mit Hunden treffe ich nämlich immer wieder auf Hundehalter, die gar nicht erkennen, dass ihr Hund unter großem Stress leidet. Sie können die ausgesandten Signale nicht deuten und sind vollkommen ratlos, warum sich ihr Hund so verhält, wie er es tut. Auch hierzu werden Sie viele Informationen in diesem Buch finden.

Unsere Hunde müssen unseren herausfordernden Alltag mitmachen, ob sie es wollen oder nicht. Die wenigsten kommen allerdings damit zurecht. Für permanente Stressbelastung sind sie genau so wenig geschaffen wie wir. Ihre eigenen Möglichkeiten, Stress zu vermeiden, abzubauen oder zu kompensieren, sind begrenzt. Sie sind deshalb auf uns angewiesen. Unterstützen Sie daher Ihren Hund, sich sicher zu fühlen und Vertrauen in seine Umwelt zu fassen. Entdecken Sie dabei seine Stärken. Gehen Sie langsam vor, mit Geduld und dem Verständnis, das ängstliche, unsichere und gestresste Hunde benötigen.

Vielleicht haben Sie schon die ein oder andere Hundeschule hinter sich und bislang konnte Ihnen und Ihrem Hund niemand helfen. Geben Sie nicht auf! Weder sich selbst noch Ihren Hund. Es gibt weitaus mehr Möglichkeiten, als normale Hundetrainer in ihrem Repertoire haben. Denn bei Verhaltensauffälligkeiten von Hunden nützt es eben, ganz wie bei gesundheitlichen Problemen, wenig bis nichts, nur an Symptomen anzusetzen. Es muss nach den Ursachen geforscht und nach individuellen Lösungen gesucht werden. Dafür ist es zwingend notwendig, Hunde ganzheitlich zu betrachten. Auf dieser Sichtweise fußt dieses Buch.

Ich möchte Ihnen einen neuen Blick auf Ihren Hund gewähren und den Druck nehmen, ihn perfekt erziehen zu müssen. Es gibt andere Werte in einer Hund-Mensch-Beziehung, die um ein Vielfaches wichtiger für ein Zusammenleben sind als ein korrektes „Sitz“ oder ein halbstündiges Warten vor dem gefüllten Futternapf. Jeder Hund ist ein Individuum, und es macht für Sie beide wesentlich mehr Sinn, wenn Sie sich auf seine Stärken konzentrieren, als immer nur zu sehen, was alles noch nicht klappt. Das ist gerade bei einem Hund mit stressbedingten Verhaltensauffälligkeiten von Bedeutung und genau das, was er wirklich braucht. Mit einem üblichen Gehorsamkeitstraining werden Sie hier keinen Erfolg erreichen. Daher stelle ich Ihnen in diesem Buch auch verschiedene Trainings- und Therapieansätze vor, von denen Sie einige sofort selbst in die Praxis umsetzen können.

Natürlich wird es manchmal nicht ganz ohne professionelle Hilfe gehen. Aber dann schauen Sie bitte genau hin, wem Sie Ihren Schützling anvertrauen. Begeben Sie sich auf die Suche nach einem ganzheitlichen Trainer. Gerade das Ganzheitliche ist für Hunde mit stressbedingten Verhaltensauffälligkeiten immens wichtig, um sie in ihrer Komplexität zu erfassen: vom Kopf bis zu den hinteren Pfoten, in ihrem Zuhause und ihrer Umwelt, in puncto Ernährung und ihrer Vorgeschichte – also all die Mosaiksteinchen in ihren Rucksäcken, die sie mit sich herumschleppen.

Weil mir aber nicht nur die Hunde, sondern auch deren Menschen am Herzen liegen, habe ich letzteren ein eigenes Kapitel in diesem Buch gewidmet. Oftmals ist Hundehaltern nämlich gar nicht bewusst, dass sie selbst einen gehörigen Anteil zu den Verhaltensauffälligkeiten ihres Hundes beitragen. Das möchte ich nicht als Anklage verstanden wissen. Was würde es Ihnen auch nützen, wenn man Ihnen sagt, Ihr Hund sei so unsicher, weil Sie selbst es sind? Nichts. Sie müssen mehr über sich, Ihre Rolle als Halter und über Ihren Hund in Erfahrung bringen. Dieses Buch zeigt Ihnen erste Schritte in diese Richtung auf. Danach werden Sie sich und Ihren Hund besser kennen, sich selbst wohlwollender behandeln und ein Stressmanagement für den Alltag besitzen. Nutzen Sie dieses Wissen und genießen Sie ab sofort die Zeit zusammen mit Ihrem Hund, statt sich immer nur zu ärgern. Sein Leben ist zu kurz, um es sich und Ihnen unnötig schwer zu machen.

Mit diesem Buch halten Sie einen kleinen Werkzeugkoffer in Ihren Händen, wie Sie mit Ihrem Hund und auch mit sich selbst umgehen sollten, damit aus Ihnen beiden ein glückliches, harmonisches und vor allem ein stressfreies Team wird. Es ließe sich zu jedem einzelnen der Kapitel ein eigenes Kompendium verfassen. Verstehen Sie daher die folgenden Seiten bitte als Türöffner für ein vertrauensvolles Miteinander. Und geben Sie Ihrem Hund die Sicherheit, die er vielleicht noch braucht, um entspannt, gelassen und gestärkt mit Ihnen durch sein Hundeleben zu gehen.

Herzlichst,

Ihre Sabine Zemla

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich in meinem Buch die männliche Form und verzichte auf eine Verwendung der Gendersprache. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten hiermit ausdrücklich gleichermaßen für alle Geschlechter.

1.

Stress bei Hunden

Ich habe Stress. Der Begriff „Stress“ ist in unserer schnelllebigen Zeit allgegenwärtig und gar nicht mehr wegzudenken. Trotz seines negativen Images hat er sich zu einem Modewort entwickelt und es sogar in die Liste der „100 Wörter des 20. Jahrhunderts“ geschafft. Es gehört fast schon zum guten Ton, vollkommen ausgebucht und belastet zu sein. Doch schon die Wahrnehmung, gestresst zu sein, führt dazu, dass der Stresslevel meist dauerhaft hoch ist. Laut einer Stressstudie der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2021 fühlen sich knapp zwei von drei Menschen in Deutschland mindestens manchmal gestresst, mehr als ein Viertel sogar häufig. Und die Corona-Pandemie hat dieses Empfinden noch verstärkt. Einer von fünf Stressfaktoren waren neben zu hohen Ansprüchen an sich selbst (46 Prozent) auch zu viel Freizeitstress (24 Prozent).

Fühlen wir uns in einer Art gestresst, dass es sich sichtlich auf unsere Körper auswirkt, gibt es viele Lösungsansätze: psychologische Beratungen, Meditationstechniken, Psychopharmaka. Kurzum: Wir Menschen finden ärztliche und psychologische Hilfe. Für uns gibt es individuelle Therapien und auch ein konkretes Stressmanagement. Wir werden ernst genommen, wenn wir mit bestimmten Situationen nicht zurechtkommen oder wenn wir ausgebrannt sind. Nicht umsonst gibt es neben Praxen auch unzählige Ratgeber und Internetseiten, die sich mit nichts anderem beschäftigen, als uns wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sodass wir selbstbewusst, gestärkt und gesundet die Anforderungen des Lebens an uns meistern können.

Aber was ist mit unseren Hunden? Das Leben in der heutigen Welt mit all seinen neuzeitlichen Randerscheinungen ist nicht nur für uns Menschen eine tägliche Herausforderung. Sie verlangt auch unseren Hunden einiges ab. Die meisten sind unserem hektischen Alltag hilflos ausgeliefert und müssen sich oftmals auch noch unseren menschlichen Bedürfnissen und Wünschen bedingungslos unterordnen. Egal, ob es ihren individuellen Persönlichkeiten überhaupt entspricht.

Diese Art zu leben geht an unseren Hunden nicht spurlos vorüber. Das ist Fakt. Betrachtet man sich einmal bewusst ihr Leben, dann lassen sich tatsächlich viele Gründe dafür finden, warum sie gestresst sein könnten. Natürlich verkraftet jeder Organismus ein gewisses Maß an Stress, aber irgendwann ist es zu viel. Verwunderlich scheint es von daher, dass erst in den letzten Jahren Stress in den Fokus von Wissenschaftlern gerückt ist, die erforschen, wie viel davon ein Hund eigentlich ertragen kann, bevor es zu Überreaktionen oder gesundheitlichen Problemen kommt.

Nennen Sie einen Hund mit Verhaltensauffälligkeiten Ihr Eigen, werden Ihnen die folgenden Kapitel die Augen öffnen, warum das eigentlich so ist. Durch die bewusste Auseinandersetzung in diesem Buch mit dem Thema Stress in all seinen Facetten gehen Sie bereits den ersten Schritt hin zu einer Veränderung des Verhaltens Ihres Hundes. Wenn Sie erkennen, wann und weshalb Ihr Hund gestresst ist, können Sie stressige Situationen entschärfen oder gar nicht erst aufkommen lassen. Denn jedes Team aus Mensch und Hund hat ein entspanntes Leben verdient.

Warum das Thema Stress bei unseren Hunden so wichtig ist

Bevor wir uns im Anschluss damit befassen, woran man erkennt, ob ein Hund ein Stressproblem hat, welche Ursachen hierfür infrage kommen und wie man ihn unterstützen kann, sollte zunächst geklärt werden, warum Stress überhaupt ein immer größer werdendes Thema in der Hundewelt ist und welche Bedeutung die Stressbelastung des Hundes im Alltag hat.

In erster Linie liegt es sicherlich daran, dass es auch bei uns Menschen immer präsenter wird. Stress, Burn-out, Lebensqualität: Derartige Begriffe spielen mittlerweile eine bedeutende Rolle. Und Themen, die wir Menschen ernst nehmen und für wichtig erachten, gelangen meist auch zu unseren Hunden. Die Physiotherapie, die Traditionelle Chinesische Medizin oder auch eine ausgewogene Ernährung können in diesem Zusammenhang genannt werden. Magnetresonanz- oder Computertomographien gehören mittlerweile auch bei Hunden zu gängigen medizinischen Untersuchungen, und wie wichtig das Schlafen in orthopädischen Hundebetten ist, setzt sich als weithin akzeptierte Erkenntnis durch.

Mit Vermenschlichung der Vierbeiner hat das wenig zu tun. Da Menschen und Hunde nahezu dieselben körperlichen Voraussetzungen mitbringen, sind auch die Auswirkungen auf den Körper unter Stress weitgehend identisch. Und deswegen ist es wichtig, dass wir als Hundehalter erkennen, ob unsere Hunde Stress haben, wie wir damit umgehen sollen und vor allem natürlich, was wir dagegen unternehmen können.

Gerade Tierschutzhunde, die aus dem Ausland zu uns kommen, zeigen in der ersten Zeit Anzeichen von Stress, die meisten sogar ganz massive. Die Vorgeschichten sind oft nicht bekannt und falls doch, sind sie meist nicht gerade schön: Manche Tiere wurden schwer misshandelt, andere kommen direkt aus einer Tötungsstation, wieder andere mussten hart für Menschen arbeiten, bevor sie dann „entsorgt“ wurden. Kommen solche Hunde in unsere Städte, Wohnungen, Häuser und vor allem nahe zu uns Menschen, liegt es auf der Hand, dass sie ihr neues Leben nicht einfach neutral beginnen und das alte an der Grenze ihres neuen Zuhauses ablegen. Sie müssen behutsam, individuell und mit viel Wissen über das Verhalten von Hunden an alles Neue herangeführt werden. Übrigens neigen auch Hunde, die zwar vom Züchter stammen, aber aus so genannten Arbeitslinien hervorgehen, eher dazu, sich in bestimmten Situationen zu stressen.

Stress beeinflusst das Zusammenleben mit unseren Hunden also in vielfältiger Weise. Zum einen ist es bei der Beurteilung der Verhaltensauffälligkeit von großem Belang, um das eigentliche Verhaltensproblem anzugehen. Ansonsten wären wir bei einer reinen Symptomstatt bei einer Ursachenbehandlung. Ob diese auf Dauer funktioniert, sei dahingestellt. Zum anderen wirkt sich eine Stressbelastung natürlich auch auf das Lernverhalten des Hundes aus. Denn Stress auslösende Reize lenken ihn massiv davon ab, sich auf ein Training zu konzentrieren. Instinktiv legt er viel mehr Augenmerk auf den Reiz als auf das, was von ihm im Moment verlangt wird. Wer sich aber nicht konzentrieren kann, kann auch nicht lernen. Und wer nicht lernen kann, kann angelegte Potenziale nicht entfalten. Bestimmte Situationen werden zu wiederkehrenden Belastungsproben, weil man keine Lösung hat oder findet.

Mit dem Thema Stress sollten Hundehalter sich daher eingehend auseinandersetzen. Viele Menschen fühlen sich absolut hilflos, wenn ihr Hund stressbedingte Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Leider bekommen sie oft den Rat, den Hund dann auf keinen Fall zu unterstützen, weil er, wie es heißt, da ganz alleine durchmüsste. Das muss er nicht, und es wäre auch total falsch und verantwortungslos. Unsere Hunde werden es nicht alleine schaffen, Situationen, die sie negativ stressen, zu meistern. Bestenfalls wird sich nichts an ihren Verhaltensweisen ändern, oftmals werden sie sogar noch schlimmer. Fakt ist: Der Stress bei unseren Hunden verschwindet nicht von alleine, wir müssen etwas dagegen tun. Und wenn Sie selbst nicht wissen, was, gibt es dankenswerterweise immer mehr Hundetrainer, die Ihnen Lösungen für die stressbedingten Verhaltensauffälligkeiten Ihres Hundes aufzeigen können. Die Möglichkeiten, gestresste Hunde zu unterstützen und aus ihnen entspannte Begleiter zu machen, sind zahlreich. Welche das sind, werden Sie im Folgenden kennenlernen.

Was ist denn Stress eigentlich?

Da sich dieses Buch dem Stress bei Hunden widmet, sollte zunächst geklärt werden, was Stress eigentlich ist. Nur so können Sie nachvollziehen, warum das Thema so wichtig ist. Fälschlicherweise gehen die meisten Hundehalter davon aus, dass Stress lediglich etwas mit Krankheiten zu tun hat oder einfach nur schädlich ist. Doch Stress ist in Wahrheit auch durchaus sinnvoll.

Es gibt zahlreiche Definitionen von Stress, die jede für sich und für das Fachgebiet, auf das sie sich beziehen, ihre Berechtigung haben. Der Stress, um den es in diesem Buch geht, ist der Stress im verhaltensbiologischen Sinn. Dabei ist Stress gar nicht so eindeutig festzulegen. Es lässt sich nicht klar sagen: Das ist Stress für meinen Hund, jetzt ist er gestresst oder das war ganz schön stressig für ihn. Denn Stress wird individuell vollkommen unterschiedlich wahrgenommen. Stress entsteht also nicht per se durch eine bestimmte, klar zu umreißende Situation oder durch eine Herausforderung, sondern allein dadurch, wie etwas bewertet wird. Das macht das Thema Stress unheimlich komplex.

Der Begriff selbst stammt ursprünglich vom lateinischen Wort „stringere“ ab und lässt sich mit anspannen übersetzen, was sich oftmals auch in der Muskulatur widerspiegelt, wie wir noch sehen werden. Zunächst fand der Begriff in der Werkstoffkunde Verwendung, in der man unter Stress eine Ermüdung durch Zug oder Druck auf ein Material versteht. In die Biologie führte den Begriff „Stress“ 1936 das erste Mal der ungarisch-kanadische Mediziner und Stressforscher Hans Selye ein. Er verstand darunter die „unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung“. Selye nannte das einmal den „körperlichen Ausdruck einer allgemeinen Mobilmachung der Verteidigungskräfte im Organismus“. Stress ist also eine Reaktion auf die Umwelt und auf Anforderungen an das Individuum.

Laut einer Definition im medizinischen Fachlexikon Pschyrembel ist Stress die allgemeine Bezeichnung für die Reaktionen des Organismus auf physische oder psychische Beanspruchung durch Stressoren, quasi einem Zusammenspiel des Nervensystems mit den Stresshormonen und dem Gehirn. So ist Stress nicht nur ein körperliches, sondern auch ein psychisches Geschehen. Und meistens ist es eben gleichzeitig beides. Das äußerst sich in einer gesteigerten Aktivität unseres vegetativen Nervensystems und lässt sich somit normalerweise auch gar nicht bewusst steuern. Als Folge reagiert das endokrine System und der Stress-Kreislauf im Körper beginnt.

Ausgelöst wird die Entstehung von Stress durch die Konfrontation des Organismus durch bestimmte Reize, den so genannten Stressoren. Dabei werden die Reize von jedem Individuum vollkommen unterschiedlich wahrgenommen, das heißt, nicht jeder Stressor für den einen ist auch einer für den anderen.

Grundsätzlich ist Stress für sich gesehen erst mal gar nichts Negatives, sondern im Gegenteil zunächst eine wichtige und möglicherweise lebenserhaltende Reaktion auf einen oder mehrere bestimmte Auslöser. Er sorgt umgehend für eine erhöhte Handlungsbereitschaft von Muskulatur und Kreislauf und steigert Aufmerksamkeit und Entscheidungsbereitschaft. Denn in einer Gefahrensituation muss sehr schnell gehandelt werden. Eine Stressreaktion entspricht daher ganz neutral formuliert einer Abwägungsentscheidung zwischen Lösungsstrategien auf den Auslöser.

Nun muss sich kein Hundehalter Sorgen machen, dass sein Hund, wenn er ab und an eine Verhaltensauffälligkeit etwa in Form eines Bellens zeigt, wenn er auf einen wenig gelittenen Artgenossen trifft, gleich Hilfe benötigt. Eine kurzfristige Aufregung wird vielleicht den Blutdruck in die Höhe bringen, der Puls wird vermehrt. Aber sobald der Stressor nicht mehr vorhanden ist, wird wieder alles schnell in den Normalbereich zurückkehren. Entscheidend ist dabei aber, dass wir unsere Hunde wirklich kennen, um abwägen zu können, ob sie positiven oder am Ende negativen Stress an den Tag legen. Dazu später noch mehr.

Wichtig ist es auch, zu wissen, dass der Auslöser für den Stress nicht bewusst wahrgenommen werden muss. Er kann auch unbewusst wahrgenommen werden und lässt sich daher oft gar nicht klar eingrenzen. Das bedeutet, dass man mitunter nicht genau definieren kann, was letztendlich der Grund für die auftretenden Stressreaktionen ist. Daher ist immer eine gründliche Ursachenforschung gefragt, um den Auslöser tatsächlich herauszufinden. Was bedeutet das aber nun genau für unsere Hunde?

Stress aus Sicht des Hundes

Weltweit forschen Wissenschaftler über das Wesen des Hundes, um in Erfahrung zu bringen, wie er fühlt und denkt. Genetik und Zucht, Sozial- und Lernverhalten, die Intelligenz und einzigartigen Sinnesleistungen der Hunde werden untersucht, kurz: wer sind sie, was können sie, was brauchen sie. Trotz vieler Gebiete, auf denen bislang geforscht wurde, liegen verhältnismäßig wenige Untersuchungen über den Einfluss bestimmter Umweltbelastungen auf das Verhalten und die Physiologie von Hunden vor. Zwar gibt es durchaus eine Stressforschung bei Tieren, doch diese wird in der Regel an Labor- und Versuchstieren angewandt oder an den sogenannten Nutztieren, die in der heutzutage betriebenen Landwirtschaft mit ihren abartigen und meines Erachtens absolut tierschutzrelevanten Massentierhaltungen ebenfalls gehäuft Verhaltensänderungen an den Tag legen.

Nach Donald M. Broom, emeritierter Professor für Tierschutz an der University of Cambridge, ist Stress dann zu erwarten, „wenn die Anpassungsfähigkeit eines Tieres überfordert wird und daraufhin Gesundheit und / oder Fortpflanzung leiden“. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn ein ängstlicher Hund ohne Training plötzlich in einem vollgestopften Bus fahren müsste, um im Anschluss durch die City einer Großstadt laufen zu müssen. Hier wäre er viel zu vielen Reizen ausgesetzt, die er weder filtern, einordnen und schon gar nicht verarbeiten könnte. Er würde sich schlichtweg überfordert fühlen. Als Folge auf derartige Überforderungen können langfristig auch gesundheitliche Beeinträchtigungen eintreten, worauf in späteren Kapiteln noch detailliert eingegangen wird.

Stress für sich gesehen ist also erst mal die Aktivierung von physiologischen und psychologischen Reaktionen des Körpers, die es ihm ermöglichen, sich auf verschiedenste Anforderungen einzustellen. Es ist gewissermaßen die Antwort unseres Körpers auf eine Herausforderung. Wird eine Anforderung gestellt, reagiert er mit Stress. Was dabei im Körper passiert, wird noch genauer erläutert, es sei nur so viel vorweggenommen: Wir und die Hunde brauchen Stress, um überhaupt lebensfähig zu sein. Trotzdem erleben Menschen und Hunde den Stress oftmals nicht nur als reine Herausforderung, sondern auch als Belastung.

Ob Stress als positiv oder negativ empfunden wird, hängt daher allein von der individuellen Bewertung des Stressors ab. Liegt ein Hund beispielsweise vollkommen relaxed in der Wiese neben seinem Besitzer und beobachtet, wie am Weg vor ihm die Radfahrer und Skater vorbeifahren, kann ein anderer Hund in derselben Situation absolut überfordert sein und darauf mit Stressanzeichen reagieren, die nicht nur ihm, sondern auch seinem Menschen das Leben schwer machen. Stress scheint demnach davon abzuhängen, ob wir die Fähigkeit besitzen, bestimmte Reize als normal zu betrachten oder ob sie uns überfordern. Für manchen Hund sind sie nur Herausforderungen, denen er sich stellt und sie bewältigen kann, für andere werden sie regelrecht zur Bedrohung.

Umweltreize können einen Hund durchaus auch motivieren, wenn er weiß, wie er die Situation erfolgreich meistern kann, wenn er also bereits eine Bewältigungsstrategie kennt, eine sogenannte Coping-Strategie. Ist das der Fall, wird der Stress positiv erlebt und wirkt motivierend. Man spricht dann vom sogenannten Eustress. Erscheint dem Hund die Bewältigung einer Aufgabe oder einer Situation hingegen aussichtslos oder löst ein Ereignis sogar Unsicherheit oder Angst aus, wird der Stress zwangsläufig negativ erlebt. Eine derartige Situation belastet den Hund physisch und psychisch. Diese Form wird als Disstress bezeichnet. Stress ist also nicht gleich Stress und hat immer mehrere Seiten.

Jeder Hund ist ein Individuum und reagiert auf verschiedene Reize unterschiedlich. Daher sind die Auslöser von Stress genauso wie die Symptome und die Reaktionen extrem unterschiedlich. Auslöser für Stress können sein:

mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse (Futter, Wasser, Schlaf, fehlende Bewegung, Langeweile)eine Überbelastung (extremer Hundesport, Leistungsdruck, Versagensängste)SchmerzenFrustrationstarke Veränderungen im Alltaggenerelle Unsicherheit vor allem Neuenalleine bleiben zu müssen (Trennungsangst)Reizüberflutung durch neue Situationen oder eine neue Umgebungschlechte Erfahrungen (der Körper reagiert immer darauf immer mit Stress)echte Bedrohungen (Angst, Panik, Unsicherheit oder Aggression)Strafe und Gewalt

Positiver Stress

Positiver Stress, auch gesunder Stress oder Eustress genannt, kann gewissermaßen als die gute Form von Stress angesehen werden. Er treibt unsere Hunde an, eine Anforderung als Herausforderung zu sehen, sich darauf zu freuen und sie auch bewältigen zu wollen. Das steigert wiederum das Gefühl, kompetent genug dafür zu sein und macht zufrieden. Derartige Situationen werden positiv bewertet, die Hunde fühlen sich erfolgreich und scheinen zufrieden zu sein. Derartige Erfolgserlebnisse motivieren dazu, auch eine neue Situation zunächst einmal mutig anzugehen. Stress kann unsere Hunde also motivieren und dazu bewegen, Leistung zu erbringen und eine Aufgabe freudig zu verfolgen. Um also produktiv und gefordert zu sein, ist ein gesundes Maß an positivem Stress vonnöten.

Würde man einen positiven Stress grafisch darstellen wollen, wenn sich Hunde im Eustress befinden, so würde zunächst eine Anforderung gestellt werden, auf die eine Leistung folgt. Früher oder später kommt es nach der Leistung zur Ermüdung und danach braucht es Ruhe und Ausgleich. Wobei mit Ruhe und Ausgleich nicht nur wirkliches Ausruhen und Schlafen gemeint sind, sondern durchaus Dinge, die dem Hund Spaß machen, also alles, was dem Hund keinerlei Leistung abverlangt. Das kann ein Spiel mit seinem Hundekumpel sein oder einfach sich im Gras zu wälzen, ein kleines Suchspiel oder sich den Bauch kraulen zu lassen. Was dem Hund einen positiven Kick gibt, ist vollkommen unterschiedlich. Das sollten wir als seine Menschen kennen. Stellt man sich beispielsweise vor, mit seinem Hund an einem heißen Sommertag an einen See zu fahren, um sich zusammen darin abzukühlen und zu schwimmen, mein Hund mag aber Wasser nun mal so gar nicht, dann ist es für ihn sicherlich keine Erfrischung, sondern eher eine beängstigende Situation. Unabdingbar ist es daher, als Hundehalter zu wissen, was bringt mir Ausgleich zum Alltag, was meinem Hund und gibt es etwas, womit wir zusammen auftanken können. Darauf kommen wir aber später noch.

Eustress

Bei positivem Stress empfindet der Hund die Anforderung als Herausforderung.

Als Eustress werden daher bewältigbare Stresssituationen bezeichnet, die positiv anregend wirken, weil das Finden einer Bewältigungsstrategie für die Anforderung ein Erfolgserlebnis vermittelt, das stimulierend und leistungsmotivierend wirkt. Empfindet der Hund die Anforderung allerdings nicht oder auch nicht länger als angenehm und fühlt sich nicht oder nicht mehr in der Lage, die Aufgabenstellungen zu bewältigen, so entsteht negativer Stress. Stress kann schädlich werden, wenn die Bewältigungsstrategien des Körpers überfordert werden.

Merkmale von Eustress:

die Ereignisse sind von kurzer Dauerder Hund weiß, wie er die Herausforderung bewältigen kannder Hund ist für den Moment leistungsfähiger und kann Kräfte aktiverenEustress wechselt sich mit Entspannung abEustress macht glücklich, optimistisch und starkEustress sorgt für Antrieb und Motivation, die Leistung zu erbringen

Negativer Stress

Negativer Stress, auch ungesunder oder Disstress genannt, ist das genaue Gegenteil zum Eustress. Wird beim positiven Stress eine Anforderung als Herausforderung angesehen, fühlt sich der Hund beim negativen Stress vollkommen überfordert. Daraus folgt, dass sein Selbstbewusstsein in den Keller fällt und er beginnt, sich selbst negativ zu bewerten. Die Gefühle, bei der an ihn gestellten Anforderung zu versagen, nehmen überhand, so dass er sich auch an keine andere Aufgabe mehr herantraut. Der Hund ist der Überzeugung, die Anforderung nicht leisten zu können und wird sie dadurch auch nicht leisten können. Misserfolge sind somit vorprogrammiert und seine Motivation sinkt. Am Ende stehen beim negativen Stress oftmals Angst, Lähmung und auch Depression. Wird aus einer Anforderung also eine Überforderung, dann wird die Leistung immer geringer und kann auch gegen Null gehen. Aus der normalen Ermüdung wird am Ende eine Erschöpfung und Ruhe- und Ausgleichzeiten sind nicht mehr vorhanden. Bei Menschen spricht man hier von einem Burn-out.

Hat ein Hund beispielsweise Probleme mit Artgenossen und sieht schon in weiter Ferne ein Exemplar, dann wäre es vollkommen falsch, ihn näher oder gar ganz nah an den anderen Hund heranzuführen, damit er lernt, dass andere Hunde nichts Schreckliches sind und er sie gut aushalten kann. Aus dieser Anforderung an den Hund, sich einem Artgenossen ohne Training zu nähern, wird umgehend eine Überforderung. Er hätte gar keine Möglichkeit, dabei etwas zu lernen, weil er überhaupt nicht in der Lage wäre, irgendetwas Positives abzuspeichern. In so einem Moment befindet er sich in einer permanenten Überforderung und besitzt keinerlei Ressourcen, angemessen zu reagieren. Schon gar nicht, wenn er an einer Leine hängt.

Disstress

Beim negativen Stress wird aus der Anforderung schnell eine Überforderung.

Bringt man ihn immer wieder in Situationen, in denen er sich überfordert fühlt, dann wird er nach kurzer Zeit auch bei anderen Gelegenheiten gestresst reagieren, die bislang für ihn noch vollkommen neutral waren. Schafft sein Mensch es nicht, ihm nach all den für den Hund unbezwingbar erscheinenden Anforderungen genügend Ausgleich und Ruhe zu verschaffen, damit er wieder in Balance kommt, wird sich der negative Stress ganz vehement auswirken. Da unterscheiden sich die Hunde in keiner Weise von uns.

Wenn ein Hund unter Disstress leidet, können sich die Folgen auf unterschiedlichste Weise darstellen. Einige sind eventuell nur schwer festzustellen, andere sind dagegen ganz leicht zu erkennen. Manche Symptome stehen mit einer gesteigerten Aktivität und einer unangemessenen Reaktion in Verbindung, andere mit einer Abnahme der Aktivität bis hin zur Apathie.

Merkmale von Disstress:

langfristige und wiederkehrende Überlastungder Hund ist überfordert, weil er sich hilflos und handlungsunfähig fühltder Hund ist gehemmt und blockiert, Probleme können nicht mehr rational gelöst werdenbeim Disstress fehlen EntspannungsphasenDisstress führt zu Versagensängsten und macht gereiztDisstress sorgt für Ermüdung, ja sogar Erschöpfung bis hin zum Burnout

Chronischer Stress

Wirken dauerhaft Stressfaktoren auf den Hund ein, egal, ob negative oder positive, oder häufen sich immer mehr Stressfaktoren, ohne dass es dem Hund möglich ist, sich davon zu erholen, befindet er sich im chronischen Stress. Chronischer Stress versetzt den Körper in einen dauerhaften Aktivierungszustand, der zur absoluten Erschöpfung führt. Ist der Hund bei kurzfristigen Stresssituationen noch in der Lage, seine Reaktionen und die Auswirkungen abzufangen und auszugleichen, befindet sich bei anhaltendem Stress das ganze System in einer Art Daueralarm-Zustand und die aufgestauten Energien wenden sich schlussendlich gegen den eigenen Körper.

So genannte Balljunkies sind hierfür ein Beispiel. Das Wort Junkie kommt auch nicht von ungefähr, denn das Ballspielen ist für manche Hunde zur absoluten Sucht geworden. Dieses Suchtverhalten fördern die eigenen Besitzer oft ganz unwissentlich. Viele halten das Ballspielen für eine gute Beschäftigung für ihre Hunde. Doch da das Spiel verschiedene Sequenzen des Jagdverhaltens beinhaltet, wirkt es selbstbelohnend und kann daher süchtig machen. Hunde können sich dann kaum mehr auf etwas anderes konzentrieren, weil sie regelrecht auf ihre „Beute“ lauern. Natürlich dürfen Sie mit Ihrem Hund auch Ballspielen, es ist sogar eine sehr schöne Beschäftigung zwischen Ihnen und Ihrem Hund. Allerdings nur in Maßen, nicht permanent und gar nicht, wenn Ihr Hund dabei Stresssymptome an den Tag legt oder gesundheitliche Probleme im Bewegungsapparat hat.

Chronischer, langanhaltender Stress ohne ausreichende Entspannung führt zu einer Überlastung des gesamten Organismus: Der Körper läuft ständig auf Hochtouren. Es genügen immer kleinere Reize, um eine erneute Stressreaktion auszulösen. Bei Hunden, die sich sehr leicht in Erregung versetzen lassen, kann der Körper, wenn keine Stressreduktion und / oder ein Stressbewältigungsprogramm erfolgt, die hohe Menge an Stresshormonen nicht schnell genug abbauen. Sie befinden sich somit in Dauerstress.

Bei chronischem Stress ist der Hund oftmals gereizt und empfindet auch vermehrt chronische Schmerzen, weil er mit der Zeit über die Maßen schmerzempfindlich wird. Bei uns Menschen spricht man davon, dass wir „dünnhäutig“ werden. Als Folge davon werden die Hunde nicht selten lethargisch. Hunde, die immer wieder sie überfordernden Reizen ausgesetzt sind, befinden sich irgendwann dauerhaft in einer chronischen Stressreaktion, aus der sie alleine nicht mehr herauskommen.

Wie man Stress erkennt und welche durchaus problematischen Auswirkungen er auch zur Folge haben kann, wird in den folgenden Kapiteln noch ausführlich besprochen. Zunächst aber sollten Sie wissen, wie denn eigentlich Stress bei unseren Hunden so entsteht.

Wie entsteht Stress genau?

Um die Zusammenhänge zwischen Stressfaktoren und dem oftmals problematischen Verhalten unserer Hunde zu verstehen, müssen wir einen Blick in deren Körper werfen, vor allem in ihr Gehirn. Hier finden viele komplexe Ereignisse statt, die dafür verantwortlich sind, wie und auch warum sich unsere Hunde letztlich so verhalten, wie sie es tun. Je besser Sie diese Prozesse verstehen, umso besser werden Sie auch das Verhalten Ihrer Hunde verstehen und es effektiver und effizienter beeinflussen können.

Im Folgenden soll knapp erklärt werden, wie der Organismus des Hundes physiologisch auf Stress reagiert und wie die Vorgänge in seinem Körper sich auf sein Verhalten auswirken. Sie werden begreifen, warum Ihr Hund sich oftmals gar nicht anders verhalten kann und ihm hoffentlich mehr Verständnis entgegenbringen, wenn Sie mal wieder richtig genervt von ihm sind. Denn Stress ist die Ursache für die Mehrzahl der Verhaltensprobleme: für die meisten Formen von Aggression, Angststörungen und Hyperaktivität. Kennen Sie die Zusammenhänge, werden Sie in der Lage sein, den Zustand Ihres Hundes unter Stress richtig einzuschätzen, um zielführend und erfolgreich mit ihm zu trainieren.

Wie bereits erläutert, ist Stress ein notwendiger Faktor, damit sich ein Organismus an verschiedenste Belastungen anpassen kann. Liegt nun ein Stressor vor, wird im Körper des Hundes umgehend eine Maschinerie in Gang gesetzt. Man kann sich das so vorstellen, als ob mit der Sekunde des wahrgenommenen Stressors ein Alarmknopf gedrückt wird, der sofort eine Art Notprogramm startet. Schrillt dieser Alarmknopf los, werden zahlreiche Kettenreaktionen im Körper unseres Hundes ausgelöst. In seinem Nervensystem, in seinem Gehirn und in seinem endokrinen System, dem Hormonsystem, was in erster Linie für die chemische Abstimmung im Körper verantwortlich ist. Diese Systeme haben entscheidenden Einfluss auf die stressbedingten Verhaltensauffälligkeiten beim Hund. Werfen wir zunächst einen Blick auf das Nervensystem und seine Auswirkungen auf das Verhalten.

Der Stress in seinem Kopf

Wollen wir beim Hund bestimmte Verhaltensweisen verstehen oder auch eine Verhaltensänderung herbeiführen, so müssen wir uns auf eine Reise in die Tiefen seines Körpers begeben und versuchen, diesen in seiner Komplexität zu begreifen. Denn Hunde agieren innerhalb bestimmter biologischer Rahmenbedingungen. Deshalb ist das Wissen über den Aufbau des Gehirns, über Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen aus der Umwelt von entscheidender Bedeutung. Egal, was letztlich Ursache für seinen Stress ist, auch ob er positiv oder negativ ist: Die Reaktion auf einen Stressor läuft immer nach demselben Muster ab.

Dabei werden verschiedene Regionen des Gehirns aktiv. Zusammen mit dem Rückenmark bildet das Gehirn das zentrale Nervensystem und steuert das Verhalten unserer Hunde. Sie arbeiten Hand in Hand, um den Hund auf seine Stressreaktion optimal vorzubereiten. Manche Teile des Gehirns sind eher für die emotionale Verarbeitung zuständig, andere fürs Planen und Denken. Wieder andere sorgen dafür, dass Vorgänge in Gang gesetzt werden, die notwendig sind, um Stresshormone auszuschütten (dazu später mehr). Zuvor haben weitere Teile des Gehirns die Sinnesreize analysiert und die Informationen weitergeleitet.

Wie sich ein Hund verhält, hängt also in erster Linie davon ab, wie und welche Informationen das Nervensystem überträgt. Denn, wie bereits erwähnt, wirkt nicht jeder Stressor für jeden Hund gleich. Fakt ist, dass für das Verhalten eines jeden Lebewesens letztlich das Nervensystem verantwortlich ist.

Wie funktioniert das Nervensystem?

Wie der Mensch besitzt auch der Hund ein Nervensystem, das den gesamten Körper durchzieht. Es besteht aus unzähligen Nervenzellen, die der Aufnahme, Weiterleitung und Übertragung von Erregungen dienen. Es kommuniziert mit der Umwelt und steuert gleichzeitig vielfältige Mechanismen im Inneren. Es nimmt dabei Sinnesreize auf, verarbeitet sie und reagiert, etwa in Form von Muskelbewegungen oder Schmerzempfindungen. Tritt der Hund beispielsweise auf einen scharfkantigen Stein, erfolgt ein taktiler Reiz auf seiner Haut, nämlich an den Pfotenballen. Dieser Reiz wird von den Nervenzellen der Extremitäten wahrgenommen und über das Rückenmark an das Gehirn weitergeleitet. Im Gehirn wird der Reiz nun verarbeitet, woraufhin ein Impuls wiederum durch das Rückenmark an die betroffene Pfote zurückgesendet wird. Übersetzt lautet der Impuls „Pfote heben und nicht belasten“ und wird dem Hund durch den wahrgenommenen Schmerz unmissverständlich übermittelt. Auch Stoffwechselvorgänge werden über das Nervensystem gesteuert.

Das Nervensystem des Hundes enthält einige Milliarden von diesen Nervenzellen, den sogenannte Neuronen. Allein im Gehirn befinden sich rund 530 Millionen. Jedes Neuron besteht aus einem Zellkörper und verschiedenen Fortsätzen. Die kürzeren Fortsätze (Dendriten) wirken wie Antennen: Über sie empfängt der Zellkörper die Signale von anderen Neuronen. Über den langen Fortsatz (Axon) werden die Signale an andere Nervenzellen weitergeleitet. Die Übergänge von einem Neuron zum nächsten nennt man Synapsen, wobei an einer Synapse auch mehrere Querverbindungen vorhanden sein können. Die Leitungsgeschwindigkeit der Nerven beträgt bis zu 120 Metern pro Sekunde.

Das Nervensystem ist beim Hund bereits einige Monate nach der Geburt vollkommen ausgebildet. Ab diesem Zeitpunkt ist keine Zellvermehrung mehr möglich und auch zugrunde gegangene Zellen können nun nicht mehr ersetzt werden. Fortsätze hingegen können bis zu einem bestimmten Grad neu auswachsen. Eine Nervenzelle kann nicht länger als etwa zwei Minuten ohne Energie- und Sauerstoffzufuhr auskommen, ohne abzusterben oder zumindest einen bleibenden Schaden zu erhalten.

Das Nervensystem eines Hundes besteht aus einigen Milliarden an Nervenzellen.

Das Nervensystem selbst lässt sich in drei wesentliche Abschnitte einteilen: Das zentrale Nervensystem (ZNS), das periphere Nervensystem (PNS) und das vegetative Nervensystem (VNS). Das ZNS umfasst das Gehirn und das Rückenmark, das PNS beinhaltet die Nerven und einige Sinnesorgane, und das VNS steuert Prozesse, die sich willentlich gar nicht steuern lassen. Es ist ständig aktiv und reguliert beispielsweise die Atmung, den Herzschlag oder den Stoffwechsel. Hierzu empfängt es Signale aus dem Gehirn und sendet sie an den Körper. In der Gegenrichtung überträgt es Meldungen des Körpers zum Gehirn, wie etwa eine volle Blase oder das Aufstellen von Haaren, der sogenannten Piloerektion. Bekommen Hunde bei Artgenossen umgangssprachlich einen Kamm oder eine Bürste, was übrigens unserer Gänsehaut entspricht, also stellen sich die Haare im Nackenbereich und / oder entlang des Rückens oder am Rutenansatz auf, dann können sie das nicht bewusst steuern. Ihre Körper reagieren einfach, und ihre Haare stellen sich durch die Kontraktion eines Muskels in der Haut auf, was man deutlich sehen kann. Hier handelt es sich um eine Reaktion des VNS.

Nicht zwingend ist die Piloerektion ein Zeichen der Wärmeregulation beim Hund. Hunde stellen die Haare auch nicht auf, damit sie auf Artgenossen groß und stark wirken. Im Gegenteil: Sie sind in diesem Fall angespannt und erregt. Ist es also nicht bitterkalt draußen, dann zeugt das Haare-Aufstellen davon, dass der Hund sich gerade in einer wirklich schwierigen Situation befindet, in der er noch keine sichere Lösungsstrategie entwickeln kann. Je mehr Haare aufgestellt werden, um so erregter ist der Hund. Dass der Hund aggressiv ist, wenn die Haare im Nackenbereich stehen, und ängstlich, wenn sie am Rutenansatz stehen, ist lediglich ein Gerücht.

Das VNS kann die Funktion des Körpers an andere Bedingungen enorm schnell anpassen. Ist es einem Hund beispielsweise zu warm, erhöht das System die Durchblutung der Haut und die Schweißbildung, um den Körper abzukühlen. Das VNS unterteilt sich in drei verschiedene Bereiche: das sympathische Nervensystem, das parasympathische Nervensystem und das Eingeweidenervensystem, das enterische Nervensystem.

Das sympathische und parasympathische Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) wirken im Körper meist als Gegenspieler: Der Sympathikus bereitet den Organismus auf körperliche und geistige Leistungen vor. Er sorgt dafür, dass das Herz schneller und kräftiger schlägt, erweitert die Atemwege, damit man besser atmen kann und hemmt die Darmtätigkeit. Er beinhaltet eine Ansammlung von Nervenknoten und Fasern, die wiederum mit Nervenknoten im Rückenmark verbunden sind und dadurch direkte Auswirkungen auf Stressreaktionen haben. Der Parasympathikus kümmert sich um die Körperfunktionen in Ruhe: Er aktiviert die Verdauung, kurbelt verschiedene Stoffwechselvorgänge an und sorgt für Entspannung. Sympathikus und Parasympathikus wirken aber nicht immer entgegengesetzt; bei manchen Funktionen ergänzen sich die beiden Systeme auch.

Das enterische Nervensystem wiederum beschreibt das eigene Nervensystem des Darmes, das weitgehend unabhängig die Bewegung des Darmes bei der Verdauung reguliert.

Wirkung von Sympathikus und Parasympathikus

Sympathikus – aktivierend:

Beschleunigung der HerzfrequenzErweiterung der PupillenHemmung der SpeichelsekretionErweiterung der Bronchien und der Blutgefäße in den MuskelnVerengung der Hautgefäße sowie der Eingeweide, eventuell auch der MuskelgefäßeProduktion von Cortisol durch die NebenniereProduktion von Glukose durch die Leber

Parasympathikus – entspannend:

Verlangsamung des HerzrhythmusVerengung der PupillenVerengung der BronchienSekretionsförderung der Magen- und Darmdrüsen, der Leber und BauchspeicheldrüseMuskelspannung nimmt abProduktion von Galle (Neutralisierung) durch die LeberStopp der Cortisolausschüttung durch die Nebenniere

Was passiert bei Stress im Gehirn?

Zurück zum Gehirn des Hundes: Die Hauptaufgabe des Gehirns in Hinblick auf Stress besteht darin, den Körper zu steuern und alles im Gleichgewicht zu halten. Das bedeutet, dass der Hund zwar auf Reize reagieren, aber eben nicht überreagieren soll. Ohne diese Steuerung wären unsere Hunde nicht überlebensfähig. Nimmt der Hund nun einen Stressor wahr, sind an dessen Verarbeitung der Hirnstamm, das limbische System, die Großhirnrinde und das VNS beteiligt. Der Hirnstamm, auch Reptiliengehirn genannt, weil dieser Bereich bei niederen Wirbeltieren wie Reptilien fast das gesamte Gehirn ausmacht, schließt an das Rückenmark an und ist der Bereich, in dem alle aus dem Körper kommenden Informationen gebündelt und weitergeleitet werden.

Das Gehirn arbeitet permanent und registriert alle Veränderungen im Umfeld. In Bezug auf Stress arbeitet es in erster Linie daran, Gefahren für Leib und Leben zu erkennen, oftmals auch schon deren Vorzeichen. Alle wahrgenommenen Reize werden bewertet und entweder aussortiert oder weiterbearbeitet. Primär geschieht dies im limbischen System. Das limbische System steuert unterschiedliche Emotionen, ist dafür verantwortlich, dass unsere Hunde etwas Neues lernen und ist für einen Teil des Gedächtnisses zuständig. Aufgrund all dieser Aufgaben besteht das limbische System aus einem komplizierten Bereich neuraler Strukturen. Man könnte sagen, dass das limbische System das Gefühlszentrum des Gehirns ist. Neben der ersten Bewertung von Stressoren löst es auch erste Reaktionen aus. Das geschieht rein emotional und ohne überhaupt nachzudenken.

Entscheidet das Reptiliengehirn, dass der ankommende Reiz angenehm ist oder hat es eine passende Strategie zur Bewältigung der Situation parat, so wird das Stresssystem nicht aktiviert. Anders sieht das aus, wenn das Reptiliengehirn feststellt, dass keine passende Strategie vorhanden ist oder unangenehme Empfindungen ausgelöst werden. Ob nun das Stresssystem aktiviert wird, liegt, wie wir schon wissen, in der individuellen Bewertung der Situation.

Um das genauer zu erklären, nehmen wir an, wir gehen mit zwei Hunden an einen See zum Schwimmen. Um das Beispiel zuzuspitzen, nehmen wir weiter an, dass es sich beim einen Hund um einen Golden Retriever und sogar einen ausgebildeten Wasserrettungshund handelt, während der andere ein Berner Sennenhund ist, der noch nie im Wasser war.

Beide fahren im selben Auto zum See, steigen zusammen aus, gehen zusammen ans Ufer. Bis dahin bewerten beide Hunde die Situationen noch vollkommen gleich: die Geräusche beim Autofahren, die Empfindung der Außentemperatur, den Sand unter den Pfoten und den Geruch des Wassers. Während der Golden Retriever jedoch ohne Zögern und mit viel Freude in den See geht, wird der andere Hund zunächst stehen bleiben, um erst einmal zu schauen, sich zu orientieren und die Lage einzuschätzen. Wagt er es, ins Wasser zu gehen – oder schlimmer und leider nicht selten – wird zum Hineingehen gezwungen, wird er anfangs vermutlich vorsichtig oder gar panisch reagieren. Denn im Gegensatz zu seinem Kumpel hat er in dieser Situation noch keine Lösungsstrategie entwickeln können und weiß daher nicht, was zu tun ist, wenn er plötzlich keinen Boden mehr unter den Pfoten spürt und wie er wieder aus dem See kommt. Er taucht vielleicht unter, schluckt Wasser, strampelt wie wild und wenn er in Panik verfällt, wird er im wahrsten Sinn um sein Leben kämpfen. An dieser Stelle sei nur nochmal kurz erwähnt, dass nicht alle Hunde einfach so schwimmen können. Viele müssen es, wie wir Menschen eben auch, erst erlernen.

Hat der Berner Sennenhund die Möglichkeit, allmählich zu begreifen, dass er mit den Bewegungen seiner Beine im fremden Element vorwärtskommt, dass er den Kopf über Wasser halten und problemlos atmen kann, dass er auf diese Weise zurück zum Ufer kommt und wieder sicheres, bekanntes Terrain erreicht und dass er nach dem Schwimmen wunderbar erfrischt ist, hat er für die Situation „Schwimmen im See“ eine Bewältigungsstrategie gefunden, die er nun abrufen kann (Coping-Strategie). Er wird beim nächsten Mal nicht mehr zögern, ins Wasser zu gehen. Ist er aber beim ersten Mal im Wasser so panisch, dass er beinahe ertrinkt, wird er nicht noch einmal freiwillig in ein Gewässer gehen. Hier müsste ihm dann eine achtsame und richtige Hilfe von seinem Menschen angeboten werden und er müsste das Schwimmen von der Pike auf lernen. Wie schnell und ob das überhaupt noch gelingt, ist von Hund zu Hund unterschiedlich.

Das Reptiliengehirn ist immer da und kann sich im Alltag eben auch immer wieder melden. Davon ist man nicht gefeit. Aber je mehr das Großhirn kennengelernt und abgespeichert hat, umso souveräner kann der Hund reagieren.

Der Ablauf beim Hund erfolgt folgendermaßen:

Ein Reiz erfolgt.Das Reptiliengehirn warnt.Das limbische System reagiert: Es scannt, ob das Großhirn bereits über Erfahrungen, Erinnerungen oder Bewältigungsstrategien verfügt.

Die Verbindung zum Großhirn bleibt bestehen, wenn ein Ereignis bereits erlebt wurde und es möglich ist, auf alle logischen Funktionen zurückzugreifen (erlerntes Verhalten). Fazit: Die Situation ist zu bewältigen.

Es kommt zu einer Blockade der Verbindung zum Großhirn, wenn es keine Erfahrungen oder Bewältigungsstrategien gibt. Dann laufen nur noch automatisierte Verhaltensweisen ab. Fazit: Die Situation ist für den Hund nicht zu handhaben und es kommt zu negativen Folgereaktionen (Stresssymptome).

Im Training sollte darauf geachtet werden, dass immer auf bereits Erlerntem aufgebaut wird, also auf eine kleinschrittige Vorgehensweise. Und dann könnte eine Hundebegegnung wie folgt aussehen:

Das Reptiliengehirn warnt: Achtung Hund!Das limbische System reagiert: Oh je, ein Hund! Kenne ich den? Macht der mir was? Greift der mich an?Das Großhirn antwortet: Ah, da vorne ist ein Hund. In solchen Situationen gehe ich zu meinem Menschen, drehe dem anderen Hund den Rücken zu und hole mir ein Superleckerchen ab, bevor wir weitergehen.

Bei unbekannten und neuen Reizen hat das Gehirn also noch keine Strategie und findet nicht umgehend oder vielleicht sogar überhaupt keine Lösung. In beiden Fällen wird das Stresssystem aktiviert. Das gleiche gilt, wenn Strategien zwar vorhanden wären, sie aber nicht umgesetzt werden können. Empfindet ein Hund die Anwesenheit eines Artgenossen etwa als äußerst unangenehm oder gar bedrohlich, würde er der Situation gerne entfliehen. Hängt er jedoch an der Leine und hat er von seinem Menschen das Kommando „Sitz“ bekommen, bleibt er sitzen und kann sich diesem Konflikt nicht entziehen. Trotzdem der Hund eine Lösungsstrategie hätte, kann er sie in diesem Fall nicht umsetzen und verfällt umgehend in Stress.

Doch nun kurz erklärt, was bei Stress eigentlich genau im Gehirn passiert: Der Stressor wird im limbischen System wahrgenommen. Das passiert automatisch und lässt sich weder beeinflussen noch stoppen. Das limbische System besteht wiederum aus verschiedenen Arealen mit unterschiedlichen Funktionen und Verbindungen zu Steuerungszentren in anderen Hirnregionen. Die wichtigsten Komponenten des Systems sind dabei die Amygdala, der Hippocampus und der Hypothalamus. Jeder Teil des limbischen Systems erfüllt seine eigenen Aufgaben.

Die Amygdala, auch Mandelkern genannt, spielt eine tragende Rolle bei Angst und Panikzuständen und ist wesentlich an Erregungen und der Entstehung von Angst beteiligt. Sie verarbeitet äußerliche Einflüsse, löst bei Bedarf Fluchtreflexe oder andere Emotionen aus und setzt die entsprechenden Hormone frei (dazu später). Deshalb spielt sie für die Steuerung von Stressreaktionen eine entscheidende Rolle. Zudem hat sie großen Anteil an der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren. Informationen, die zur Amygdala weitergeleitet werden, sind zu einem gewissen Teil durch den Hypothalamus und die Großhirnrinde vorverarbeitet.

Manche Informationen treffen hingegen ungefiltert auf den Mandelkern. Dazu zählen beispielsweise Gerüche, was für Hunde besonders wichtig ist, weil sie die Welt in erster Linie mit dem Geruchssinn wahrnehmen. Das Riechhirn ist im Hundehirn dabei 40 Mal größer als in unserem Gehirn. Zudem besitzt die Amygdala ein eigenes Gedächtnis. Ist ein Hund irgendwann einmal von einer Treppenstufe abgerutscht, dann verbindet die Amygdala die Erinnerung an diese Treppe mit Angst und es kann sehr lange dauern, bis der Hund diese wieder begehen wird. Oftmals muss hier wirklich ein individuell abgestimmtes Training erfolgen.

Der Hippocampus gilt als Kerngebiet des limbischen Systems und ist besonders wichtig für das Gedächtnis. Er nimmt Informationen aus anderen Bereichen des Gehirns auf, verarbeitet sie und überführt alles Wichtige ins Langzeitgedächtnis. Man könnte ihn als Internet-Knoten bezeichnen, der für den Datenaustausch im Körper zuständig ist. So sorgt er beispielsweise auch dafür, dass sich Hunde schnell in einer Umgebung zurechtfinden. Wissenschaftler vermuten, dass der Hippocampus in der Lage ist, neue Nervenzellen auszubilden und er um so besser funktionieren kann, je mehr er beansprucht wird. Außerdem besitzt er die Fähigkeit, ankommende Informationen mit bereits abgespeicherten Informationen zu ergänzen. Das bedeutet für unsere Hunde: Je mehr sie bereits gelernt und damit abgespeichert haben, umso besser können sie auch Neues erlernen. Es ist also wichtig, Hunde zu fördern und zu fordern, damit sie über einen großen Erfahrungsschatz verfügen. Schädigungen des Hippocampus führen zu temporärem oder chronischem Gedächtnisverlust (Amnesie).

Ein weiterer wichtiger Teil des limbischen Systems ist der Hypothalamus. Er ist für die Steuerung des VNS verantwortlich und arbeitet eng mit der Amygdala zusammen. Signalisiert diese zum Beispiel, dass eine große Gefahr droht, handelt der Hypothalamus umgehend und schickt über das Nervensystem Signale weiter. Um seinen Aufgaben nachzukommen, verfügt er über zahlreiche neuronale Verbindungen zu anderen Hirnzentren. Er reguliert grundlegende biologische Abläufe wie Hunger und Durst sowie verschiedene Körperfunktionen. Zudem kontrolliert er den Hormonhaushalt und die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus.

Abschließend sei noch kurz das Großhirn erwähnt, das einen großen Teil dazu beiträgt, wie der Hund einen Reiz wahrnimmt. Das Großhirn ist die oberste Instanz des ZNS und macht den Hauptteil des Gehirns aus. Es besteht aus einer rechten und einer linken Hälfte, Hemisphären genannt, die jeweils auf bestimmte Aufgaben spezialisiert sind: In den linken Arealen sitzen in der Regel Sprache und Logik, in den rechten Großhirn-Arealen die Kreativität und der Orientierungssinn. Beide sind über einen Balken (Corpus Callosum) miteinander verbunden sind, der aus einem Bündel von Nervenfasern besteht. Abgesehen davon gibt es noch weitere Verbindungen zwischen den beiden Hirnhälften. Die Oberfläche dieser beiden Großhirnhälften ist zerfurcht wie eine Walnuss, die zahlreichen Hirnwindungen sind durch Furchen gegeneinander abgegrenzt. Das Großhirn gliedert sich in einen äußeren Teil (Rinde, graue Substanz) und einen inneren Teil (Mark, weiße Substanz). Die Großhirnrinde besteht dabei zu 90 Prozent aus dem Neocortex, aus Milliarden von Nervenzellkörpern und erlaubt dadurch eine Kommunikation auch mit weit entfernten Zellen.

Das Großhirn verbindet quasi als Schaltzentrale alle unsere Organe, Organsysteme und Gewebe miteinander und stimmt sie aufeinander ab. So werden Reize sowohl aus der Umwelt (Nase, Ohren, Augen, Haut) als auch aus dem Inneren des Organismus über Rezeptoren aufgenommen, über aufsteigende Nervenbahnen weitergeleitet und in der Großhirnrinde beurteilt und verarbeitet. Je nach Art des Reizes erfolgt dann eine Antwort, wieder in Form eines Reizes, der über absteigende Nervenbahnen an die Peripherie, inneren Organe und Organsysteme gegeben wird. Allerdings gelangen eben nicht alle Reize bis in die Großhirnrinde.

Denn manche Informationen werden ganz rasch und ohne, dass sie ins Bewusstsein gelangen, in anderen Hirnregionen verarbeitet. Und zwar dann, wenn sie das Gehirn als überlebenswichtig einstuft. Es handelt sich hier um keine bewusste Bewegung, sondern um einen Reflex. Reflexe kommen bei Hunden bei taktilen, akustischen, optischen und chemischen Reizen zum Einsatz. Als Beispiel gilt etwa das direkte Sonnenlicht, das den Hund unmittelbar zum Schließen der Augen veranlasst. Hierbei wird ein Reiz nach wie vor durch das PNS an das ZNS weitergeleitet. Allerdings reicht der Impuls nicht bis zum Gehirn. Stattdessen wird er bereits in der Wirbelsäule mit einer hohen Priorität verarbeitet. Dies spart Zeit und kann in einigen Fällen sogar das Leben retten.

Die Großhirnrinde und das limbische System arbeiten zusammen, aber auch gegeneinander. Reagiert ein Hund beispielsweise ängstlich, wird automatisch die Funktion der Großhirnrinde gesenkt. Der Hund ist nicht in der Lage, rationale Strategien zu entwickeln und klar zu denken. Führen wir mit unseren Hunden jedoch etwa Suchspiele durch, wird wiederum sein limbisches System gehemmt und die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund negative Emotionen dabei verspürt, ist eher gering.

Gehirnfunktionen

Das limbische System und das Großhirn arbeiten sowohl zusammen als auch gegeneinander.

Wir sollten bei Beschäftigungen mit unserem Hund daher ihr Umfeld immer so gestalten, dass sie nicht übermäßig in Stress geraten und sich auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Denn nur so erlernen sie geeignete Strategien, um künftig stressige emotionale Situationen meistern zu können. Hierfür müssen wir aber auch wissen, welche Beschäftigungen mit unserem Hund für ihn überhaupt stressfrei sind. Dazu später mehr.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das limbische System der Verhaltenssteuerung dient und sich direkt auf ein Stressgeschehen auswirkt. Deswegen ist es auch so wichtig, die Zusammenhänge zu begreifen, weil man bei Hunden nur dann eine Verhaltensänderung herbeiführen kann.

Bei Stress laufen die Systeme auf Hochtouren

Das Nervensystem überträgt Informationen über die Nervenzellen (Neuronen) von einem Ort zum anderen. Sobald der Hund nun in Stress gerät, fängt im Körper ein Informationsaustausch an, und zwar über zwei verschiedene Kommunikationssysteme: das Nervensystem, vor allem das VNS, und das endokrine System. Beide Systeme sind funktionell eng miteinander verknüpft. Zusammen regeln und koordinieren sie die Funktionen von zum Teil weit voneinander entfernten Organen. Während das Nervensystem seine Botschaften in elektrischen Impulsen verschlüsselt über die Nervenfasern zu den einzelnen Organen schickt, bedient sich das endokrine System chemischer Stoffe, um sich zu verständigen. Beide haben das übergeordnete Ziel, den Körper kontinuierlich an wechselnde Belastungen anzupassen und für ein ausgeglichenes inneres System zu sorgen.

Wenn wir also von Kommunikationssystemen sprechen, ist es auch wichtig, uns das endokrine System genauer anzuschauen. Das beinhaltet Hormone, Rezeptoren, Botenstoffe und Neurotransmitter. Alle sorgen dafür, die so genannte Homöostase herzustellen. Unter Homöostase versteht man das Gleichgewicht aller physiologischen Körperfunktionen. Nehmen wir etwa die Körpertemperatur. Ist es dem Hund zu warm, wird er anfangen zu hecheln, ist es ihm zu kalt, fängt er an zu zittern, um sich dadurch zu erwärmen. Um die Körpertemperatur möglichst konstant zu halten, verfügt der Körper eben über selbstregulierende Prozesse wie das Schwitzen und das Zittern.

Die Homöostase ist für unsere Hunde von entscheidender Bedeutung. Denn Zellen und Organe brauchen ganz bestimmte Bedingungen, um korrekt funktionieren zu können, wie etwa eine bestimmte Körpertemperatur oder auch einen ausgeglichenen Wasser- und Elektrolythaushalt. Diese Sollwerte versucht der Körper ständig zu erreichen. Die Homöostase kann auch schnell aus dem Gleichgewicht kommen: durch zu hohe körperliche Belastung, veränderte Umweltbedingungen oder eben auch durch psychische Belastungen, womit wir beim Stress wären.

Sobald der Körper in Stress gerät, springen Nervensystem und endokrines System an. In Situationen, die unserem Hund auf welche Art auch immer bedrohlich erscheinen, werden innerhalb von Millisekunden Botenstoffe der Nervenzellen, die sogenannten Neurotransmitter, freigesetzt. Die verschiedenen Neurotransmitter haben unterschiedliche Auswirkungen auf das Nervensystem und erzeugen verschiedene Reaktionen im Körper. Sie stimulieren, hemmen oder regulieren die Aktivität von Nervenzellen und haben daher auch großen Einfluss auf das Verhalten. Die Hauptfunktion der Botenstoffe besteht darin, den Körper in Alarmbereitschaft zu versetzen, um auf eine Gefahr hin reagieren zu können. Wichtig für derartige Reaktionen sind wiederum die sogenannten Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin, die Hand in Hand arbeiten, um den Körper optimal zu schützen und überlebenswichtige Reaktionsketten auszulösen. Darüber hinaus sind Adrenalin und Noradrenalin auch Neurotransmitter, die im ZNS produziert werden und Signale ans Gehirn weiterleiten.

In seiner Rolle als Stresshormon wird Adrenalin von den Nebennieren ins Blut abgegeben und sorgt dafür, dass Hunde in Sekundenschnelle auf eine potenzielle Gefahr reagieren können: das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt und die Atmung wird effektiver. Der Körper benötigt mehr Energie. Daraufhin wird Glukose gebildet und freigesetzt sowie Fettreserven verbrannt. Adrenalin ist das wichtigste Hormon, wenn es um eine kurzfristige Aktivierung geht. Wird es ausgeschüttet, werden umgehend alle Reserven des Körpers mobilisiert und der Hund ist hellwach und voll da. Neben seiner wichtigen Funktion als Hormon gibt es als Neurotransmitter dem Gehirn zudem ununterbrochen Signale, dass die Gefahr noch besteht. Als Reaktion darauf wird im Nebennierenmark so viel Adrenalin produziert, bis die Gefahr vorüber ist und der Stress nachlässt.

Genau umgekehrt verhält es sich beim Noradrenalin. Es wird ebenfalls von den Nebennieren produziert, hat seine wichtigste Funktion aber nicht als Hormon, sondern als Neurotransmitter. Seine Hauptaufgabe ist die Weiterleitung von Signalen über das ZNS. Liegt eine Bedrohung oder akuter Stress vor, wird der Botenstoff im Gehirn freigesetzt. Von hier aus sorgt er dafür, dass der Hund wie auf Knopfdruck leistungsbereit ist. Noradrenalin als Neurotransmitter aktiviert den Teil des Nervensystems, der die Körperfunktionen in Stresssituationen reguliert: den Sympathikus. Außerdem kommt es zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit und einer erhöhten Handlungsbereitschaft. Bei einem Mangel an Noradrenalin senkt der Körper seinen Energieverbrauch und kann nur noch bedingt funktionieren. Neben Stress sind auch Lethargie und Depressionen die Folgen. Eine unerfreuliche Begleiterscheinung ist auch noch die Speicherung der negativ erlebten Ereignisse in der Amygdala, also dem Angstzentrum.

Adrenalin und Noradrenalin werden bei bedrohlichen Situationen umgehend ausgeschüttet und sorgen für die kurzfristige Aktivierung des Körpers. Hält eine für den Hund nicht zu bewältigende Situation länger an, setzt zusätzlich die Ausschüttung von Cortisol ein. Dieses Hormon beschleunigt den Stoffwechsel und signalisiert Organen wie etwa der Leber, dass der Körper noch mehr Energie benötigt. Diese Energie muss ungehindert fließen können. Deshalb werden Funktionen, die der Hund in einer Stresssituation nicht braucht, umgehend heruntergefahren. Die Folge ist unter anderem, dass er nicht mehr denken kann, nur noch instinktiv handelt und keinen Appetit hat. Letzterer wird durch eine Drosselung der Verdauungsfunktion gezügelt. Das ist auch der Grund, weshalb gestresste Hunde nicht fressen, auch nicht, wenn ihnen ihr Lieblingsleckerchen angeboten wird.

Normalerweise mindert der Körper, sobald der Cortisolspiegel hoch genug ist, im Rahmen einer Rückkopplung die Produktion von Cortisol. Hält die Stresssituation jedoch über einen längeren Zeitraum an, wird der Notfallstatus aufrechterhalten. Dadurch kommt es zu einem Zustand, in dem der Körper nur noch über unzureichende biologische Reserven verfügt, um die körperliche Belastung der Stressreaktion auszugleichen (Disstress). Die momentan nicht benötigten Körperfunktionen werden quasi ausgeschaltet.